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Liebesnächte auf Ibiza

Urlaubsroman

von Stefanie Müller (Autor:in) Holly Stevens (Autor:in)
115 Seiten
Reihe: Urlaubs-Romanzen, Band 1

Zusammenfassung

Endlich Urlaub! Nina ist froh, endlich mal rauszukommen. Zwei Wochen sonnen, ausspannen, feiern. Einfach nichts machen, was mit Arbeit zu tun hat. Denkt sie! Denn da erhält sie von ihrer Chefin den Auftrag, ein Interview mit dem Popsänger Callum zu führen, der auf Ibiza sein neues Musikvideo dreht. Auf der Insel angekommen, verliebt sie sich Hals über Kopf in den sexy Sänger. Doch dessen Plattenfirma untersagt ihm eine feste Bindung, um die weiblichen Fans nicht zu vergraulen. Wird Callum bereit sein, für die große Liebe seine Karriere zu opfern? Abgeschlossener Roman.<br> Ebook-Neuausgabe.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

1. Kapitel

 

„Wirst du jetzt endlich zugehen, verflixtes Ding?“

Genervt pustete sich Nina Wegmann eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht und warf sich mit ihrem ganzen Körpergewicht auf den hoffnungslos überfüllten Koffer. Es war ihr beinahe gelungen, den Schnappverschluss endlich zum Einrasten zu bewegen, als es an der Wohnungstür läutete.

„Hat man denn hier nie seine Ruhe?“ Die 26-jährige Frau ächzte verdrießlich und hetzte zur Tür.

„Du?“, entfuhr es ihr, als sie öffnete und in das Gesicht ihrer Chefin blickte.

„Da bist du überrascht, was?“, stellte Kerstin Peters nüchtern fest und quetschte sich, ohne eine Aufforderung abzuwarten, an der jungen Frau vorbei ins Wohnzimmer. Mit einem schweren Seufzen ließ sie sich auf Ninas taubenblaues Ledersofa fallen.

Nina musterte Kerstin argwöhnisch. Ihr Besuch konnte nichts Gutes verheißen! Immerhin wusste sie genau, dass Nina schon am nächsten Morgen im Flieger nach Ibiza sitzen würde. Und dass Kerstin lediglich bei ihr hereinschneite, um ihr einen schönen Urlaub zu wünschen, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Zwar waren die Frauen auch miteinander befreundet, aber sie hatten sich erst vor wenigen Stunden in der Redaktion ausgiebig verabschiedet.

„Wenn dein Besuch irgendwie mit Arbeit verbunden ist, kannst du es gleich vergessen, Kerstin!“, platzte sie sogleich mit ihrem Verdacht heraus. „Zu deiner Information: Ich habe seit knapp drei Stunden Urlaub!“

„Ich kann dir wohl nichts vormachen, was?“ Kerstin lächelte. „Ja, du hast Recht, ich habe tatsächlich eine kleine Bitte an dich …“

„Was für eine Bitte?“

„Nun, du hast doch bestimmt schon mal von diesem Sänger aus England gehört, Callum McIntyre.“

Nina dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. „Sagt mir nichts.“

„Der war jahrelang Mitglied einer Band. Vor kurzem haben die sich getrennt, und jetzt startet Callum eine Solokarriere.“

„Und was habe ich damit zu tun?“

„Also, es ist so: Ich habe vor einer Stunde die brandheiße Info bekommen, dass er morgen den Videoclip zu seiner ersten Solosingle dreht. Und jetzt rate mal, wo dieser Dreh stattfindet!“

„Keine Ahnung! In Sibirien vielleicht? Oder in Nepal?“

„Auf Ibiza!“, platzte es aus Kerstin heraus. „Na, was sagst du jetzt? Ist das nicht ein Zufall?“

„Ibiza also.“ Nina stieß ein unwilliges Schnauben hervor. „Und da hast du natürlich sofort an mich gedacht, hm?“

Also wirklich, das konnte Kerstin doch unmöglich ernst meinen! Nina kannte sie jetzt seit drei Jahren. Kerstin Peters war Chefredakteurin des Frauenmagazins Modern Woman, und Nina gehörte zu dem Team, das ihr unterstand. Die Zeitschrift erschien in einem recht kleinen Verlag. Alle Mitarbeiter waren mit Herzblut bei der Sache, obwohl die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel eher gering waren. Nina konnte verstehen, dass sich Kerstin eine solche Chance auf einen Knüller für die nächste Ausgabe nicht entgehen lassen wollte. Und dass es undenkbar war, ein Team extra für diesen Bericht nach Ibiza zu schicken, war ihr auch klar.

Aber dass Nina dafür einen Teil ihres heiß ersehnten Jahresurlaubs opfern sollte, ging ihr dann doch zu weit. Und das sagte sie Kerstin auch.

„Komm schon, sei kein Frosch, Nina“, bettelte diese daraufhin herzerweichend. „Dass sich die alte Seifert mir gegenüber verplappert hat, ist doch geradezu ein Wink des Schicksals! Immerhin ist sie Chefredakteurin bei unserer schärfsten Konkurrenz! Und es ist doch auch nur ein Tag.“

„Und wann findet der Dreh genau statt?“ Lauernd sah Nina sie an.

„Morgen Mittag. Zumindest an der Location, die mir genannt wurde. Der Rest ist schon im Studio gedreht worden.“

„Morgen?“ Nina riss die Augen auf. „Ist dir eigentlich klar, dass ich morgen Früh erst anreise? Meinst du nicht, da habe ich schon genug Stress?“

„Sicher … Aber ein paar Fotos von Callum McIntyre und vielleicht noch ein kurzes Interview, das ist doch wirklich nicht die Welt, oder? Komm schon, Nina: Gib dir einen Ruck. Ich rechne dir das auch hoch an, versprochen.“

Nina seufzte schwer. Eine Weile dachte sie nach. „Also gut“, willigte sie schließlich ein. „Dann hoffe ich aber auch, dass du hochrechnest, wenn es um meine nächste Gehaltserhöhung geht …“

 

Nach einer unruhigen Nacht und zweieinhalb Stunden Flug trat Nina Wegmann am Vormittag aus dem Flughafengebäude von Ibiza.

Empfangen wurde die junge Frau von strahlendem Sonnenschein. Sie blinzelte und atmete tief durch. Mit einem Mal fiel der ganze Stress der letzten Monate von ihr ab. Endlich Urlaub! Zwei Wochen Sommer, Sonne, Strand und Meer.

Sie lächelte glücklich. Jetzt würde sie erst einmal ins Hotel fahren und sich ein wenig frisch machen, um anschließend Kerstins „Spezialauftrag“ auszuführen. Sie hoffte, dass sie die Angelegenheit rasch über die Bühne bringen konnte. Und danach … Ja, danach konnte ihr Urlaub beginnen!

Während sie nach einem Taxi Ausschau hielt, sah sie die unzähligen Touristen, die in Bussen zusammengequetscht zu ihren Unterkünften verfrachtet wurden. Insgeheim beglückwünschte sich die junge Frau, keine dieser Pauschalreisen gebucht zu haben. Diese Massenabfertigung war doch Stress pur!

Zum Glück hatte sie im Internet ein hübsches kleines Hotel entdeckt, das zudem noch wirklich preisgünstig war. Das war allemal besser als eine teure Pauschalreise aus dem Reisebüro.

Rasch hatte sie ein freies Taxi gefunden. Der Fahrer musterte Nina anerkennend, während er ihr Gepäck in den Kofferraum hievte. Amüsiert beobachtete die junge Frau, wie er dabei mühsam versuchte, seinen mächtigen Bierbauch einzuziehen.

„Hotel Esposito“, sagte sie, nachdem sie ihre langen Beine im Fond des Wagens verstaut hatte.

Sofort begann der Taxifahrer, munter auf Spanisch drauflos zu plappern.

Nina schüttelte den Kopf. „Ich kann Sie leider nicht verstehen …“

„Ach, Sie sind Deutsche? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?“, fragte der Mann daraufhin zu ihrer völligen Überraschung in absolut akzentfreiem Deutsch. Er lachte über ihren erstaunten Gesichtsausdruck. „Tja, ich lebe zwar schon seit über zwanzig Jahren hier auf Ibiza, aber meine Muttersprache habe ich noch nicht verlernt!“ Dann runzelte er die Stirn. „Aber mit dem Hotel Esposito haben Sie kein Glück, schöne Frau.“

Nina horchte auf. „Wieso? Ist etwas nicht in Ordnung?“

„Das kann man wohl sagen! Der Laden ist gestern Nacht bis auf die Grundmauern abgebrannt!“

„Was sagen Sie da?“ Die junge Frau zuckte wie unter einem Stromschlag zusammen. „Sind … sind Sie sicher?“

„Aber natürlich bin ich sicher. Das war vielleicht ein Feuerchen!“

Nina war geschockt. „Aber das kann doch nicht sein! Wo soll ich denn jetzt bloß wohnen?“

Wie schnell sich das Blatt doch wenden konnte! Eben noch hatte sie die Pauschaltouristen bedauert, und jetzt wünschte sie fast, einer von ihnen zu sein! Ihre Gedanken rasten. Sicher, sie hatte eine Versicherung für die Reise abgeschlossen. Das Geld würde sie also zurückbekommen. Aber wo sollte sie jetzt übernachten?

Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als sich auf eigene Faust um ein Quartier für die nächsten zwei Wochen zu kümmern.

„Hören Sie, junge Frau.“ Tröstend tätschelte der Taxifahrer Ninas Arm. „Sie sind mir sympathisch, und deshalb will ich Ihnen einen gut gemeinten Rat geben, für den mich mein Patron wahrscheinlich erschlagen würde: Sie sollten sich schnellstens einen Mietwagen besorgen. Wenn Sie die ganzen Hotels mit dem Taxi abklappern, haben Sie hinterher kein Geld mehr für das Zimmer.“

Nina lächelte dankbar. Sicher hatte der Mann Recht. Wahrscheinlich würde sie tatsächlich die halbe Insel abklappern müssen, um ein freies Hotelzimmer zu ergattern. Es war zwar noch keine Hauptsaison, aber trotzdem schien die Insel aus allen Nähten zu platzen. Kein Wunder: Vor allem junge Leute bevorzugten die Vorsaison, weil es wesentlich günstiger war.

Da Nina ja auch noch zu diesem Videodreh musste, kam ihr der Vorschlag des Taxifahrers gar nicht ungelegen.

Die junge Frau atmete tief durch, dann machte sie sich auf den Weg zur Avis-Station direkt am Flughafen. Jetzt weiter herumzujammern, brachte sie schließlich auch nicht weiter …

 

Nina hatte beschlossen, zunächst die Sache mit dem Videodreh hinter sich zu bringen. Nach einer Unterkunft konnte sie auch später noch Ausschau halten.

Nach einer guten Stunde Fahrt stellte die junge Frau den kleinen Mietwagen bei einer Gruppe Zitronenbäume ab. Tief sog sie die würzige Luft in die Lungen. Was für eine atemberaubende Landschaft!

Der Drehort für das Musikvideo von Callum McIntyre befand sich laut Kerstins Anfahrtsskizze auf einem Hochplateau nördlich von San Antonio. Obwohl nur eine Stunde Autofahrt vom Hotel entfernt, war hier draußen vom Rummel des Massentourismus kaum mehr etwas zu spüren. In dem kleinen Dorf, das Nina auf ihrer Fahrt durchquert hatte, schien regelrecht die Zeit stehen geblieben zu sein. Eine Kirche, ein Supermarkt und eine Hand voll Häuser – mehr nicht.

Die Umgebung war wirklich wie geschaffen für einen romantischen Spaziergang, dachte Nina mit einem tiefen Seufzen. Unwillkürlich musste sie an Markus, ihren Exfreund, denken. Als sie ihn damals kennen lernte, hatte sie sich sofort in ihn verliebt: Er sah gut aus, war gebildet und sehr charmant. Drei Jahre waren sie ein Paar gewesen. Nina hatte stets geglaubt, eine perfekte Beziehung zu führen. Für sie war Markus der Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens teilen wollte.

Bis er sich eines Tages in eine andere verliebte. Ohne Vorwarnung machte er mit Nina Schluss, und seitdem hatte sie nie wieder etwas von ihm gehört.

Für Nina war damals eine Welt zusammengebrochen. Nie hätte sie gedacht, dass Markus sie einmal so enttäuschen würde. Noch heute saß der Schmerz tief, obwohl inzwischen fast zwei Jahre vergangen waren. Seitdem hatte sie sich auf keinen anderen Mann mehr eingelassen. Zu groß war die Angst vor einer weiteren Enttäuschung.

Nina atmete tief durch und zwang sich, jetzt nicht weiter darüber nachzudenken. Sie schnappte sich Fototasche und Diktiergerät vom Beifahrersitz und marschierte mit festem Schritt los. Irgendwo ganz in der Nähe musste sich der Standort der Filmcrew befinden.

Die junge Frau war aufgeregt. Mit Interviews hatte sie für gewöhnlich nichts zu tun, das war nicht ihr Job. Noch nie hatte sie einem Star gegenübergestanden, und jetzt sollte sie einen interviewen. Wie es wohl werden würde?

Das Gelände stieg steil an. Und dann die Hitze! Schon bald stand Nina der Schweiß auf der Stirn. Doch dann hatte sie die Kuppe des Hügels endlich erreicht. Vor ihr erstreckte sich eine sanft abfallende, mit Hunderten Mandelbäumen bewachsene Ebene.

Der jungen Frau stockte der Atem. Im ersten Moment war ihr der vollkommen irrige Gedanke gekommen, es hätte geschneit. Beim zweiten Hinsehen erkannte sie jedoch, dass diese Illusion von den Mandelbäumen herrührte, die über und über bedeckt waren mit kleinen weißen und rosafarbenen Blüten.

„Wunderschön“, hauchte Nina beinahe ehrfürchtig.

Und mitten in dieser atemberaubenden Kulisse hatten die Filmleute ihr Lager aufgeschlagen. Entschlossen trat Nina den Abstieg an und lief prompt einem wichtigtuerisch dreinblickenden Mann mit Walkie-Talkie in die Arme.

„Wo wollen Sie denn hin?“, fragte er auf Englisch. Er lächelte herablassend. „Tut mir leid, aber das Gelände ist für Publikumsverkehr gesperrt – wild kreischende Fans von Callum McIntyre inklusive!“

Was für ein blasierter Widerling!, dachte Nina verärgert und musste sich zwingen, ruhig zu bleiben. „Nun, genau genommen bin ich auch gar kein Fan.“ Sie klopfte auf ihre Fototasche. „Ich arbeite für das deutsche Frauenmagazin Modern Woman und würde gerne mit einem Verantwortlichen für den Dreh sprechen.“

Ihr Gegenüber verdrehte die Augen und murmelte ein paar Worte in sein Walkie-Talkie. Schließlich nickte er. „Sie können runtergehen.“ Er deutete auf ein grellgelbes Zelt am Rande einer Lichtung, wo sich scheinbar die „Einsatzzentrale“ für die Aufnahmekoordination befand. „Mr. Matthews, der Aufnahmeleiter, erwartet Sie dort.“

Nina ging los. Je näher sie dem Drehort kam, umso deutlicher konnte sie die hektische Atmosphäre spüren. Hier ging es zu wie in einem Ameisenhaufen, und die ganze Aufregung drehte sich nur um einen Mann: Callum McIntyre.

Nina begann sich wirklich dafür zu interessieren, was für ein Mann er war. Wie man hörte, hatte er gemeinsam mit seiner Band für Aufsehen gesorgt, besonders bei der holden Weiblichkeit. Mittlerweile hatte sich die Gruppe getrennt, und wenn Kerstin nicht übertrieben hatte, erwartete die ganze Musikwelt mit großer Spannung Callum McIntyres Solodebüt.

Komisch nur, dachte Nina, dass ich noch nie von diesem Kerl gehört habe!

Sie hatte das Zelt fast erreicht, als die Plane am Eingang zur Seite geschoben wurde und ein Mann hervortrat.

Nina stockte der Atem.

Was für ein umwerfend attraktiver Typ!

Die junge Frau schätzte ihn auf etwa Mitte bis Ende zwanzig. Er war groß und schlank, dabei aber sportlich durchtrainiert. Das ärmellose Shirt, das er trug, brachte seine athletischen Oberarme perfekt zur Geltung. Sein kurzes, dunkelbraunes Haar wies einen modischen Schnitt auf.

Doch es waren seine Augen, die Nina völlig in den Bann zogen. Sie waren von einem unglaublich faszinierenden Blau, das der Oberfläche eines tiefen Bergsees glich. Und für einen winzigen Moment glaubte sie, auf immer und ewig darin versinken zu können.

„Ich mach mich doch hier nicht zum Affen!“, brüllte der Mann über seine Schulter hinweg Richtung Zelt und riss Nina damit brutal aus ihren Träumereien. „Es ist mir völlig egal, ob Rick meint, dass das zu meinem Image passt!“

Jetzt kam auch ein zweiter Mann aus der „Einsatzzentrale“. Keuchend und mit hochrotem Kopf stapfte er an Nina vorbei.

„Du kannst jetzt nicht einfach verschwinden, McIntyre!“, rief er. „Weißt du eigentlich, was die Plattenfirma für den Videodreh hat springen lassen? Wenn du jetzt gehst, kannst du deine Karriere vergessen!“

Seine Drohungen zeigten Erfolg, denn Callum McIntyre drehte sich, wenn auch spürbar widerwillig, um. „Das ist Erpressung, Matthews!“, zischte er und kniff die Augen zusammen. Dann deutete er mit einem Nicken zu Nina herüber, die wie ertappt zusammenzuckte. „Und wer ist das, wenn ich fragen darf?“

Der andere starrte Nina an, als würde er sie in diesem Augenblick zum ersten Mal wahrnehmen. Erst zuckte er mit den Schultern, doch dann sagte er: „Ach ja, Sie sind die Reporterin aus Deutschland, nicht wahr?“

Nina, der das Gefühl, plötzlich im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses zu stehen, unangenehm war, nickte scheu. „Ja, ich komme vom Magazin …“

Doch bevor die junge Frau weitersprechen konnte, stieß Callum McIntyre ein ärgerliches Ächzen hervor. „Eine Pressetante? Für so einen Mist bin ich wirklich nicht in Stimmung. Wenn du mit dem Dreh weitermachen willst, dann sorg dafür, dass ich nicht ständig von irgendwelchen Pressefritzen belästigt werde, Matthews!“ Er warf Nina ein süffisantes Lächeln zu. „Nimm’s nicht persönlich, Schätzchen. Wenn du noch eine Autogrammkarte von mir willst, schreib einfach an mein Management.“

Mit diesen Worten ließ er sie einfach stehen.

Die junge Frau konnte es nicht fassen! Was bildete sich dieser Widerling eigentlich ein? Zugegeben, er sah wirklich ausgesprochen gut aus. Aber das gab ihm noch lange nicht das Recht, Nina wie ein Schulmädchen zu behandeln!

Doch dieser Matthews zuckte nur mit den Schultern, und sie verstand, dass ihre Anwesenheit am Drehort nicht länger erwünscht war.

Wütend schulterte sie ihre Fototasche und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Mietwagen.

Knüller hin oder her – für keine Story der Welt würde sie vor diesem Ekelpaket jemals einen Bückling machen. Da konnte Kerstin Zeter und Mordio schreien …

2. Kapitel

 

„Das darf doch nicht wahr sein!“, hörte Nina ihre Freundin und Chefin durchs Handy jammern. „Kann man denn da gar nichts machen? Wenigstens ein paar Fotos, ein paar Schnappschüsse …“

„Vergiss es einfach.“ Nina umklammerte das Handy fest mit den Fingern. Sie stand neben ihrem Wagen, der noch immer in der Nähe des Drehortes geparkt war. „Ich mach mich doch hier nicht noch mal zum Deppen! Nein, nein, meine Liebe: Den Bericht kannst du vergessen. Selbst wenn ich wollte: Die Typen lassen mich eh nicht noch mal so nah ran. Und von weiter weg hat das keinen Sinn. Dafür hab ich nicht die richtigen Objektive dabei, außerdem bin ich keine professionelle Fotografin!“

„Und wenn du vielleicht …“ In diesem Moment brach das Gespräch ab. Ein Piepen signalisierte Nina, dass der Akku leer war.

„Mist!“, fluchte die junge Frau leise. Die Ladestation hatte sie dabei, das war kein Problem. Aber hier draußen gab es natürlich keine Steckdosen, und einen Adapter für den Zigarettenanzünder besaß sie nicht.

Sie hob die Schultern. Was soll`s, sagte sie sich. Ist ja ohnehin alles gesagt …

Einen Augenblick blieb sie noch neben ihrem Wagen stehen und blickte hinüber zum Drehort. Sie runzelte die Stirn. Es ärgerte sie noch immer maßlos, wie sich dieser Sänger ihr gegenüber aufgeführt hatte. Behandelt wie irgendeinen dahergelaufenen Groupie hatte er sie!

Nimm’s nicht persönlich, Schätzchen!, äffte sie ihn in Gedanken nach und verzog entrüstet die Miene. Was bildete der sich denn ein?

Am meisten jedoch ärgerte sie sich darüber, dass sie trotz allem den Anblick dieser unglaublichen Augen nicht aus dem Kopf bekam! Sie hätte Callum McIntyre stundenlang einfach nur anschauen und in die azurblauen Tiefen seiner Augen eintauchen können.

Aber was tat sie hier eigentlich? Wie konnte sie nur seelenruhig hier herumstehen und wie ein verliebter Teenager an diesen Widerling denken? Besaß sie denn gar keinen Stolz?

Unwillig schüttelte Nina den Kopf. Sie hatte jetzt wirklich Besseres zu tun, als weiter darüber nachzudenken. Immerhin musste sie sich noch um ein neues Hotelzimmer bemühen. Sie hatte keine Lust, ihre erste Nacht auf Ibiza unter freiem Himmel zu verbringen.

Seufzend stieg sie in den Wagen und startete den Motor. Sie nahm denselben Weg, den sie auch auf dem Hinweg genommen hatte. Nachdem sie das kleine Örtchen San Antonio wieder durchquert hatte, fuhr sie auf einer langen, mit Schlaglöchern übersäten Serpentinenstraße weiter. Immer wieder vollzog die Straße scharfe Kurven. Nina musste sich völlig auf das Fahren konzentrieren, wollte sie nicht Gefahr laufen, von der Fahrbahn abzukommen.

Die Sonne schien unermüdlich auf das Wagendach. Zum Glück verfügte der Mietwagen über eine Klimaanlage. Ansonsten wäre es bei der Hitze in der Blechkarosserie kaum auszuhalten gewesen.

Die junge Frau zuckte erschrocken zusammen, als der Motor des Wagens ins Stottern geriet.

O nein!, dachte sie. Was ist denn jetzt los?

Unwillkürlich fiel ihr Blick auf die Tankanzeige. Doch die Nadel war noch lange nicht im roten Reservefeld angelangt. Genug Benzin war also vorhanden.

Nina schaltete einen Gang zurück, trotzdem stotterte der Motor weiter. „Komm schon, lass mich jetzt nicht im Stich!“, flehte Nina laut. „Nicht ausgerechnet jetzt!“

Doch ihr Stoßgebet wurde nicht erhört. Bald schon verstummte der Motor völlig. Noch einige Meter rollte der Wagen aus. Nina gelang es gerade noch, ihn ganz nah an den Straßenrand zu lenken, wo er endgültig neben einer kleinen Gruppe Pinien stehen blieb.

Dann ging nichts mehr.

Nina konnte es nicht fassen. Wie versteinert saß sie da und blickte starr nach vorn, während ihre Hände noch immer das Lenkrad umklammerten. Hatte sich denn plötzlich die ganze Welt gegen sich verschworen?

Irgendwann riss sie sich aus ihrer Erstarrung und griff zum Zündschlüssel.

Sie drehte den Schlüssel im Schloss herum – doch nichts!

Keinen Mucks gab der Motor von sich. Das änderte sich auch beim zweiten, dritten, vierten und fünften Versuch nicht.

Der Motor blieb stumm.

Das war’s dann also! Wütend schlug Nina mit der rechten Faust aufs Lenkrad. Und jetzt? Was soll ich denn jetzt machen?

Ihre Gedanken überschlugen sich. Die junge Frau wusste, dass es eine Ewigkeit dauern konnte, bis hier ein Wagen vorbeikam. Schon auf der Hinfahrt war ihr kein einziger Wagen entgegengekommen. Zudem war die Straße sehr lang. Von einer Stunde Fahrt auf dem Weg zum Drehort hatte sie mindestens zwanzig Minuten diese Straße befahren.

Zu Fuß würde sie also eine halbe Ewigkeit brauchen, um zur nächsten Ortschaft zu kommen. Und das bei der Hitze? Nein, das war unmöglich!

Aber was sollte sie stattdessen tun? Warum musste auch nur der Akku ihres Handys leer sein? Hätte sie doch nur nicht noch mit Kerstin telefoniert! Dann hätte sie jetzt noch ein, zwei Minuten Zeit gehabt, um telefonisch Hilfe zu rufen.

Wenig hoffnungsvoll betätigte sie nach einer Weile den Hebel der Motorhaubenverriegelung und stieg aus. Einige Minuten und zwei abgebrochene Fingernägel später gelang es ihr endlich, die Haube zu öffnen. Weiter brachte sie das jedoch auch nicht.

Was sie sich von dieser Aktion versprochen hatte, wusste sie selbst nicht. Sie hatte nicht die geringste Ahnung von Autos und wusste gerade einmal, wo sie das Wasser für die Scheibenwaschanlage nachzufüllen hatte.

Mit einem frustrierten Stöhnen ließ sie die Motorhaube wieder herunterklatschen. Da drangen plötzlich entfernte Motorengeräusche an ihr Ohr.

Die junge Frau wirbelte herum. Die Sonne stand bereits sehr tief. Nina musste ihre Augen mit der Hand abschirmen, um überhaupt etwas sehen zu können. Zuerst konnte sie nur eine riesige Staubwolke erkennen. Dann aber bog ein rotes Cabrio um die Kurve und kam direkt neben Ninas Mietwagen zum Stehen.

Am Steuer saß eine attraktive Brünette mit Baseballkappe und Sonnenbrille.

Freundlich lächelte sie Nina zu. „Usted necesitan ayuda?“

Nina blickte sie verständnislos an und schüttelte den Kopf. „Do you speak english? Sprechen Sie englisch“, fragte sie, in der Hoffnung, dass die Fahrerin des Cabrios sie verstehen konnte.

Die Frau schmunzelte. „Ja“, antwortete sie ebenfalls auf Englisch. „Ich komme sogar aus England.“

„Gott sei Dank!“ Nina fiel ein Stein vom Herzen. „Haben Sie ein Handy? Ich muss dringend Hilfe rufen.“

Die Frau nahm ihre Sonnenbrille ab. Nina stellte fest, dass sie nicht nur einigermaßen attraktiv, sondern eine richtige Schönheit war. Ihr Gesicht war zart gebräunt und umrahmt von langem, leicht gewelltem Haar. Unter den kecken Ponyfransen blitzten ein paar fröhlich funkelnde grüngrau gesprenkelte Augen.

Sie stieg aus dem Cabrio und setzte sich mit einer eleganten Bewegung auf die Kühlerhaube. Das dünne, geblümte Sommerkleid, das sie trug, brachte ihre schlanken Beine vorzüglich zur Geltung.

Mit einem Nicken deutete sie auf Ninas Mietwagen. „Hat wohl den Geist aufgegeben, was?“

„Ja“, antwortete Nina. „Und leider habe ich nicht die geringste Ahnung, was dem dummen Ding fehlen könnte.“

„Mein Gott, Sie können wirklich froh sein, dass ich vorbeigekommen bin. Seit auf der anderen Seite des Plateaus eine Umgehungsstraße gebaut wurde, fährt hier fast niemand mehr lang.“

In Gedanken bedankte sich Nina bei Kerstin für ihre tolle Anfahrtsskizze. „Wenn Sie mich vielleicht bis in die nächste Stadt mitnehmen könnten?“, fragte sie die Cabriofahrerin. „Ich brauche eine Werkstatt für den Wagen oder wenigstens ein Hotel, in dem ich die Nacht verbringen kann.“

„Sie wollen heute noch ein Zimmer finden?“, fragte die Frau überrascht.

Nina nickte. „Was heißt wollen? Ich muss sogar, wenn ich die Nacht nicht im Freien verbringen will. Das Hotel, in dem ich ein Zimmer reserviert habe, ist abgebrannt …“

„Ah, davon habe ich gehört. Aber machen Sie sich keine Hoffnungen. So weit ich weiß, sind alle privaten Hotels und Pensionen hoffnungslos überfüllt. In der Vorsaison ist hier oft mehr los als in den Ferien. Und die großen Hotelketten haben alle feste Arrangements mit Reiseveranstaltern aus aller Welt. Da wird auch nichts zu machen sein, fürchte ich.“

Geschockt sah Nina sie an. „Aber … das kann doch nicht sein!“, stotterte sie verzweifelt. „Was soll ich denn jetzt machen? Das ist mein erster Urlaub seit Jahren! Und jetzt soll es nicht möglich sein, ein Zimmer zu bekommen?“

„Nun machen Sie sich mal keine Sorgen.“ Die Unbekannte lächelte aufmunternd. „Ich schlage vor, Sie kommen erst einmal mit zu mir. Ich besitze eine Finca nicht weit von hier. Genug Platz habe ich jedenfalls.“

Nina freute sich über das freundliche Angebot. Hoffnung keimte in ihr auf. Sollte doch noch alles gut werden?

Dennoch schüttelte sie den Kopf. „Das kann ich wirklich nicht annehmen, Miss …“

„Erstens: Mein Name ist Jessica. Zweitens: Sie können meinen Vorschlag überhaupt nicht ablehnen. Es sei denn, Sie bestehen darauf, hier draußen in der Pampa zu übernachten. Also?“

Nina lächelte dankbar. „Und was mache ich mit dem Wagen?“

„Den klaut schon keiner.“ Sie kicherte. „Sie können ja von der Finca aus den Verleiher anrufen, damit er ihn abschleppen lässt.“

Erleichtert ließ sich Nina in den Beifahrersitz sinken, nachdem sie ihren Koffer in den winzigen Kofferraum des Cabrios umgeladen hatten.

Jessica startete den schnittigen Wagen und fuhr an. Während ihr der Fahrtwind ins Gesicht wehte, schloss Nina die Augen und versuchte, sich ein wenig zu entspannen. Wie es aussah, konnte ihr Urlaub nun doch beginnen, auch wenn sie sich alles natürlich ein wenig anders vorgestellt hatte.

„Was treibt Sie eigentlich in diese Gegend?“, erkundigte sich Jessica nach einer Weile. „Das Hotel, von dem Sie gesprochen haben, befindet sich doch ganz woanders.“

„Schon richtig.“ Nina nickte. „Ich habe von meiner Chefin den Auftrag erhalten, ein paar Fotos vom Videodreh des Sängers Callum McIntyre zu machen und ein Interview mit ihm zu führen.“

„Ach, tatsächlich? Sind Sie Reporterin?“

„So ähnlich. Ich arbeite für ein kleines deutsches Frauenmagazin. Normalerweise habe ich mit Interviews und so etwas nichts zu tun. Aber da ich zufällig meinen Urlaub hier verbringe, bat mich meine Chefin halt darum.“

„Und? Wie lief das Interview?“

Nina machte eine wegwerfende Handbewegung. „Fragen Sie besser nicht. Dieser McIntyre ist wohl der arroganteste, selbstherrlichste Mensch, der mir je über den Weg gelaufen ist!“

„Ach, finden Sie?“

„Allerdings!“

Nina entging nicht das geheimnisvolle Lächeln, das sich plötzlich auf Jessicas Lippen legte, doch sie dachte sich nichts weiter dabei.

Wie hätte sie auch ahnen können, in wessen Gegenwart sie gerade über Callum McIntyre herzog?

 

Nina war sichtlich beeindruckt, als sie die Finca erreichten, in der Jessica einige Monate des Jahres verbrachte. Den Rest des Jahres hielt sie in ihrer Heimatstadt London auf, wie Nina erfahren hatte.

Die Finca ruhte inmitten einer subtropischen Gartenanlage umgeben von Bambus, Palmen, Zypressen und Orangenbäumen. Ein gewundener Kiesweg führte zum Gebäude, das im landestypischen leuchtenden Weiß erstrahlte.

Auch das Innere der Finca war ein wahrer Traum im mediterranen Stil. Jessica musste wirklich über eine Menge Geld verfügen, dachte Nina beeindruckt. Schon der Boden der Eingangshalle, der komplett mit sündhaft teuren Cotto-Fliesen ausgelegt war, musste ein Vermögen gekostet haben!

Über eine Treppe gelangten die Frauen in das obere Stockwerk des Gebäudes, wo Jessica ihr das Gästezimmer zeigte – ein mediterran eingerichteter Traum!

„Sie sehen aus, als könnten Sie eine kleine Erfrischung gebrauchen“, stellte Jessica fest, nachdem sie ihrem Gast alles gezeigt hatte.

„Oh ja, eine Dusche wäre wirklich nicht schlecht!“

Nina folgte ihrer Gastgeberin durch einen im Kolonialstil eingerichteten Wohnraum. Die junge Frau war richtig überwältigt. Wie schön hier alles eingerichtet war!

Endlich erreichten sie das riesige, mit allen möglichen Schikanen ausgestattete Badezimmer. Beim Anblick der gewaltigen Eckwanne bemerkte Nina, wie verschwitzt und erschöpft sie sich fühlte.

„Ich lasse Sie dann mal in Ruhe“, erklärte Jessica und wandte sich zum Gehen. „Lassen Sie sich ruhig Zeit, ich muss sowieso noch ins Dorf, um ein paar Besorgungen zu machen …“

 

Mit einem wohligen Seufzen ließ sich Nina in das dampfend heiße Badewasser gleiten. Sie schloss die Augen und genoss die Wärme und den zarten Rosenduft des Badeöls, das sie in einem Schrank neben der Wanne entdeckt hatte. Völlig entspannt ließ sie sich einfach treiben.

Was für ein Glück, dass ihr Jessica über den Weg gelaufen war! Wenn sie daran dachte, dass sie noch vor einer knappen Stunde am Rande der staubigen Serpentinenstraße ausgeharrt hatte …

Nina kostete jede Sekunde aus. Erst als die Haut ihrer Fingerkuppen schon ganz aufgeweicht war, entstieg sie der Wanne. Sie trocknete sich sorgfältig ab und trat hinüber zum großen Spiegel über dem Waschbecken.

Ja, jetzt sah sie wirklich deutlich entspannter aus als vor dem Bad. Die dunklen Ringe unter ihren Augen waren verschwunden, ebenso der verschwitzte Glanz auf der Stirn.

Nina war nicht der Mensch, der sich auf sein Äußeres etwas einbildete. Für sie gab es wichtigere Dinge als ein hübsches Gesicht oder eine gute Figur. Trotzdem musste sie zugeben, dass sie durchaus zufrieden mit ihrem Aussehen sein konnte. War sie vielleicht auch keine klassische Schönheit, so besaß sie doch ebenmäßige Züge mit vollen Lippen und ausdrucksvollen dunklen Augen. Die langen, blonden Haare taten ihr Übriges, dass ihr die Männer stets bewundernde Blicke zuwarfen.

In Gedanken versunken stand sie da, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und ein Mann ins Badezimmer stürmte.

Völlig überrumpelt konnte Nina den überraschenden Neuankömmling nur anstarren – und abermals spürte sie, wie ihr die Knie weich wurden. Das lag aber nicht bloß an ihrer Nacktheit und der peinlichen Situation, in der sie sich befand.

Da waren sie wieder! Diese unglaublich faszinierenden blauen Augen …

Und ihr „Besitzer“ war niemand anderes als Callum McIntyre, der ebenfalls wie vom Donner gerührt dastand und Nina anstarrte. In seinen Augen lag eine Mischung aus Überraschung und Bewunderung, die Nina tief in ihrem Innersten freute und erregte.

Dann war die Sekunde der Erstarrung vorbei, die der jungen Frau wie eine Ewigkeit vorgekommen war. Und mit einem Mal wurde sie sich ihrer unangenehmen Lage bewusst.

Das Blut schoss ihr ins Gesicht. Hastig bedeckte sie mit dem Badetuch ihre Blöße. Würde sich doch bloß der Erdboden auftun und sie mit Haut und Haaren verschlingen!

„Hat Ihnen Ihre Mutter denn kein Benehmen beigebracht?“, fauchte sie Callum an, der noch immer wie versteinert dastand und sie fixierte. „Raus hier!“

Ninas harsche Worte schienen den Mann aus seiner Erstarrung zu reißen. Sie glaubte sogar, eine flüchtige Röte über sein Gesicht huschen zu sehen, als er sich wortlos umwandte und aus dem Badezimmer stürzte.

Die junge Frau stöhnte auf - was für eine unglaublich peinliche Situation!

Wieso hatte sie bloß nicht daran gedacht, das Badezimmer abzuschließen? Das Schlimmste war aber, dass sie sich ausgerechnet Callum McIntyre gegenüber zum Narren gemacht hatte!

Dabei eröffnete sich ihr eine interessante Frage: Was hatte dieser blasierte Sänger eigentlich in Jessicas Finca zu suchen?

Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Er war ihr Freund! Natürlich, so musste es sein: Callum McIntyre war mit Jessica liiert!

Warum sich Nina bei diesem Gedanken jedoch so miserabel fühlte, konnte sie sich beim besten Willen nicht erklären …

 

Callum riss den Kühlschrank auf und nahm eine Flasche Vollmilch heraus. Er pfiff auf seine guten Manieren und trank direkt aus der Flasche.

Kopfschüttelnd wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund.

War das gerade wirklich geschehen oder hatte er nur geträumt?

Er fühlte sich fast versucht, zum Badezimmer zurückzukehren, um nachzuschauen, ob die unbekannte Schöne noch immer dort war.

Dabei fiel ihm ein, dass er sie zuvor schon einmal gesehen hatte. War das nicht die Reporterin, die er heute Mittag am Drehort für sein Video so abgekanzelt hatte? Er war so sauer auf seinen Aufnahmeleiter gewesen, dass er die junge Frau kaum eines Blickes gewürdigt hatte.

Nun musste er sich eingestehen, dass er dabei durchaus etwas verpasst hatte. Wie sie dort vor dem Spiegel gestanden hatte, nackt, wie Gott sie schuf …

Callum fragte sich, wie sie hergekommen war – und viel wichtiger: wie lange sie hier bleiben würde.

Da war etwas an ihr, das ihn faszinierte. Und er war fest entschlossen, die junge Frau näher kennen zu lernen …

 

3. Kapitel

 

Der Gedanke, Callum McIntyre erneut zu begegnen, war Nina unerträglich gewesen. Deshalb hatte sie, nachdem sie rasch wieder in ihre staubigen Klamotten geschlüpft war, die Flucht ins Freie angetreten.

Nun spazierte sie durch die herrliche Gartenanlage. Doch sie hatte im Moment kein Auge für die Schönheiten der Natur. Sie fühlte sich völlig durcheinander und es fiel ihr schwer, ihre Gedanken zu ordnen.

Normalerweise war sie keine Frau, die sich leichtfertig in jeden dahergelaufenen Kerl verliebte. Sie hatte stets die Ansicht vertreten, dass man sich erst einmal näher kennen lernen musste, bevor man überhaupt von Liebe sprechen konnte.

Und deshalb konnte sie auch nicht verstehen, dass sie sich plötzlich wie ein verliebter Teenager fühlte. Dabei hatte sie mit diesem Callum kaum ein Wort gewechselt, und diese wenigen Worte waren auch nicht eben freundlich ausgefallen!

Was war bloß mit ihr los? Sie konnte sich doch nicht allen Ernstes zu einem Mann hingezogen fühlen, der sie wie den letzten Dreck behandelt hatte!

Und außerdem war da ja auch noch Jessica …

Die junge Frau hatte sie so freundlich aufgenommen, und wie dankte Nina es ihr? Indem sie sich an ihren Freund heranmachte?

Nein, das kam überhaupt nicht in Frage!

„Ein Penny für Ihre Gedanken.“

Nina zuckte zusammen, als sie plötzlich Callum McIntyres Stimme hinter sich vernahm. Schon spürte sie wieder, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann.

Sie drehte sich zu ihm um und bemühte sich um eine möglichst abweisende Miene. „Sagen Sie mal, verfolgen Sie mich etwa?“

Der Sänger lächelte, und in seinen Augen funkelte es schalkhaft. „Wäre das ein Wunder? Welcher Mann kann schon dem verführerischen Angebot einer Frau widerstehen, die splitternackt in seinem Badezimmer vor ihm steht?“

„Angebot?“ Nina schnappte empört nach Luft und starrte Callum aus weit aufgerissenen Augen an. „Das ist ja wohl die Höhe! Sie platzen ohne anzuklopfen einfach ins Bad und bringen mich damit in eine unglaublich peinliche Situation. Und dann haben Sie auch noch die Stirn zu behaupten, ich hätte mich damit an Sie heranmachen wollen?“

Callum hob beschwichtigend die Hände, doch er schien sich eher über Ninas Aufregung zu amüsieren. „Immer ruhig Blut, Darling. Man wird ja wohl noch träumen dürfen!“

Jetzt konnte die junge Frau wirklich nicht mehr an sich halten. Dieser schmierige Kerl hielt sich wohl für unwiderstehlich! „Ich bin nicht Ihr Darling. Merken Sie sich das gefälligst! Und bevor ich mich mit Ihnen einlasse, hacke ich mir lieber die rechte Hand ab!“

Sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter. „Das wäre aber wirklich eine Schande.“

„Ihr Verhalten ist einfach unmöglich!“ Ninas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Denken Sie eigentlich überhaupt nicht an Jessica?“

Callum schien irritiert. „Jessica? Aber was …“

Nina stemmte die Fäuste in die Hüften. Sie war jetzt zu Hochform aufgelaufen und dachte gar nicht daran, ihre Wut zu bremsen. „Das hätten Sie wohl nicht gedacht, dass ich Bescheid weiß, was? Aber nur, dass Sie es wissen: Ich mag Jessica noch nicht besonders gut kennen, aber ich würde niemals auf den Gedanken kommen, sie so mies zu hintergehen! Und …“

„Warum, um Himmels willen, reden sie eigentlich immerzu von Jessica?“, fiel ihr der Sänger ins Wort. „Dass Sie mich nicht ausstehen können, habe ich ja mittlerweile begriffen. Aber was hat Jessica damit zu tun?“

„Dass Sie so kaltschnäuzig sein können!“, fauchte Jessica wütend. „Für was halten Sie sich eigentlich? Wenn ich an die ganzen kleinen Mädchen denke, die ihre Zimmer mit Postern von Ihnen tapezieren und von dem ach so romantischen Callum McIntyre träumen. Und dabei sind Sie in Wahrheit nichts anderes als ein billiger Schürzenjäger!“

„Jetzt halten Sie aber mal die Luft an!“ Callums Ton wurde schärfer. „Ich sehe gar nicht ein, warum ich mich von Ihnen beleidigen lassen sollte! Hätte ich geahnt, was für eine hysterische Ziege Sie sind, dann wäre ich Ihnen sicher aus dem Weg gegangen.“

Mit einem bitterbösen Blick wandte sich Nina ohne ein weiteres Wort um und stapfte wütend davon. In ihrem Inneren brodelte es gewaltig, und es fehlte nur noch der auslösende Funke, um das Pulverfass zum Explodieren zu bringen.

Sie konnte sich nicht erinnern, sich jemals so über jemanden aufgeregt zu haben. Um ein Haar hätte sie gänzlich die Selbstbeherrschung verloren! Es war fast wie eine Flucht, als sie die Stufen zu ihrem Zimmer hinaufhastete. Tränen der Wut standen ihr in den Augen, als sie sich schließlich mit einem ohnmächtigen Stöhnen aufs Bett fallen ließ.

Callum McIntyre war der arroganteste, selbstherrlichste und blasierteste Kerl, dem sie je begegnet war! Am liebsten hätte sie sofort ihre Sachen zusammengepackt und diesem Ort ein für alle Mal den Rücken gekehrt.

Doch leider war das nicht möglich – wo hätte sie dann schlafen sollen? Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als wenigstens diese eine Nacht in Jessicas Finca zu verbringen. Danach jedoch wollte sie Callum McIntyre nie im Leben wiedersehen!

 

„Na? Hast du unseren Gast schon kennen gelernt, Callum?“

Der junge Mann ächzte. „Kennen gelernt ist gar kein Ausdruck. Die Kleine hat mir fast die Augen ausgekratzt!“

Jessica stutzte. „Komisch, ich fand sie sehr sympathisch.“ Dann schmunzelte sie. „Aber du schienst ja schon am Drehort keinen besonders guten Eindruck auf sie gemacht zu haben. Was war denn los? Hast du dich mal wieder daneben benommen?“

„Na ja, kann schon sein, dass ich ein bisschen grob zu ihr war.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Aber das ist noch lange kein Grund, mich so herunterzuputzen!“

Callum ließ sich auf die wuchtige bordeauxrote Samtcouch fallen. „Ich versteh das nicht, Jess! Als ich ihr vorhin im Garten begegnet bin, war ich wirklich freundlich zu ihr. Na gut, vielleicht habe ich auch versucht, mit ihr zu flirten. Aber das ist doch kein Verbrechen!“

„Sicher war sie nur noch ein bisschen sauer wegen heute Nachmittag. Das gibt sich schon wieder.“

Doch Callum schüttelte den Kopf. „Nein Jess, da steckt etwas anderes dahinter. Sie war ja richtig fuchsteufelswild! Und außerdem hat sie mir ständig Vorhaltungen deinetwegen gemacht …“

Jessica neigte überrascht den Kopf zur Seite. „Meinetwegen?“

„Ja. Sie sprach andauernd davon, dass ich dich hintergehen würde!“

„Keine Ahnung, was sie damit meint.“ Die junge Frau stutzte. „Es sei denn …“ Nachdenklich legte sie die Stirn in Falten. „Ja, das könnte sein.“

„Was meinst du?“

„Denk doch mal nach. Wäre es nicht möglich, dass sie annimmt, wir seien …“ Jessica schüttelte grinsend den Kopf. „Na ja, ein Paar eben?“

Der junge Mann riss erstaunt die Augen auf. „Du und ich? Was für ein haarsträubender Unsinn!“

„Aber jetzt überleg doch mal, Callum! Das würde doch durchaus Sinn machen!“

Callum schwieg eine Weile. Schließlich nickte er. „Könnte wirklich sein, dass du Recht hast …“

 

Während Callum und Jessica eine Etage tiefer gerade über sie sprachen, lag Nina noch immer auf dem Bett und schluchzte in ihr Kopfkissen.

Dies war ihr erster Urlaub seit einer halben Ewigkeit und sie hatte sich so darauf gefreut! Zwei Wochen lang nur Strand, Meer und Sonnenschein und endlich einmal richtig ausspannen, so hatte sie es sich vorgestellt.

Doch bisher war einfach alles schief gegangen. Es schien fast so, als würde ihr das Pech an den Fersen kleben.

Das Verhalten von Callum McIntyre hatte allem die Krone aufgesetzt. Einfach mit ihr zu flirten, wo sie doch zu Gast im Hause seiner Freundin war!

Zu allem Überfluss hatte er sich am Ende auch noch dumm gestellt. Er beleidigte wirklich Ninas Verstand, wenn er glaubte, sie würde ihm seine freche Unschuldsmasche abnehmen!

Die junge Frau wurde aus ihren Gedanken gerissen, als es an der Tür klopfte.

„Wer ist da?“, fragte die junge Frau mit erstickter Stimme.

„Ich bin’s, Jessica. Darf ich reinkommen?“

Rasch wischte sich Nina die Tränen aus den Augen und ließ ihre Gastgeberin eintreten.

Jessica setzte sich neben sie aufs Bett und lächelte sie an. „Hey, ich habe von deinem kleinen Streit mit Callum gehört.“

Nina lachte bitter auf. „Und hat er dir auch erzählt, worum es ging?“

„Hat er. Und ich glaube, ich muss dir etwas über Callum und mich erklären.“

„Jetzt sag bloß nicht, ihr führt eine von diesen offenen Beziehungen, wo jeder tun und lassen kann, was er will! Dein Freund scheint sich auf jeden Fall für einen zweiten Don Juan zu halten, so, wie er mich angebaggert hat!“

Jessica kicherte amüsiert. „Nun, genau genommen führen wir eigentlich überhaupt keine Beziehung. Zumindest keine in der Art, die du meinst …“

Nina starrte sie verständnislos an, während Jessica zur Tür hinüberging und Callum zu sich ins Zimmer holte, der offenbar die ganze Zeit über im Gang gewartet hatte.

„Darf ich vorstellen, Nina“, sagte sie und legte liebevoll den Arm um seine Schultern. „Das ist Callum McIntyre – mein kleiner Bruder!“

 

Nina stand wie vom Donner gerührt da. Fassungslos starrte sie Callum und Jessica an.

Was hatte Jessica da gesagt? Callum war – ihr Bruder?

O nein, das konnte doch nicht wahr sein! Wie hatte sie nur so dumm sein können? Sie hatte ohne nachzudenken angenommen, dass die beiden ein Paar waren. Wie peinlich!

Am liebsten wäre die junge Frau im Erdboden versunken. Jetzt stand sie da und bekam keinen Ton heraus.

„Jetzt bist du überrascht, was?“ Jessica lächelte. „So, ich glaube, ich lasse euch zwei jetzt mal allein. Ihr habt sicher einiges zu bereden.“

Einen Moment war Nina versucht, sie zurückzuhalten. Jessica konnte sie doch nicht einfach mit Callum allein lassen!

Doch sie tat es, und jetzt stand Nina diesem unglaublich attraktiven Mann gegenüber. Sie hielt den Blick gesenkt. Sie konnte ihm jetzt einfach nicht in die Augen sehen.

Das Schweigen zwischen ihnen war bedrückend. Nina war froh, als Callum es nach einer Ewigkeit durchbrach:

„Ich wollte mich noch bei Ihnen entschuldigen“, sagte er. Seine Stimme war samtweich.

Dennoch ging die junge Frau sofort wieder in Abwehrhaltung. „Entschuldigen?“, fauchte sie. „Wofür denn? Weil ich dachte, Sie und Jessica seien ein Paar?“

„Eigentlich eher dafür, dass ich Sie am Set so unfreundlich behandelt habe. Ich hatte etwas Stress mit meinem Aufnahmeleiter. Das habe ich dann an Ihnen ausgelassen, und das war ein Fehler. Es tut mir wirklich leid.“

Die Worte waren wie Balsam für Ninas Seele. Das hatte sie gar nicht von ihm erwartet. Bisher hatte sie immer nur Männer kennen gelernt, die nicht in der Lage waren, sich bei einer Frau zu entschuldigen.

Und ausgerechnet dieser Popstar tat es!

„Ich … ich muss mich auch entschuldigen.“ Ninas Stimme wurde sanfter, freundlicher. „Ich war ja auch nicht ganz fair vorhin.“

Er lächelte. „Was halten Sie davon, wenn wir uns morgen Nachmittag gegenseitig als Wiedergutmachung zu einem Kaffee einladen? Hier in der Nähe gibt es ein kleines, ruhiges Lokal.“

Nina nickte, ohne zu zögern. „Einverstanden!“

 

4. Kapitel

 

„Na? Hab ich zu viel versprochen?“ Callum machte eine allumfassende Geste. „Kaum zu glauben, dass wir uns mitten im Herzen von Ibiza befinden, was?“

Autoren

  • Stefanie Müller (Autor:in)

  • Holly Stevens (Autor:in)

Stefanie Müller liebt es, Geschichten zu schreiben, die vor exotischen Kulissen spielen.
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Titel: Liebesnächte auf Ibiza