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Heiße Küsse auf hoher See

Urlaubs-Roman

von Stefanie Müller (Autor:in) Holly Stevens (Autor:in)
100 Seiten
Reihe: Urlaubs-Romanzen, Band 2

Zusammenfassung

Dieser Schuft! Kurz vor der Hochzeit wird Svenja von ihrem Verlobten sitzengelassen. Aus Trotz tritt sie die Hochzeitsreise dennoch an und sucht im Internet nach einer Frau, mit der sie sich auf der Karibik-Kreuzfahrt ihre Doppelkabine teilen kann. Erst vor Ort stellt sie fest, dass Val ein Mann ist. Und was für einer! Anfangs gelingt es ihr noch, seiner Anziehungskraft zu widerstehen, doch damit ist es schnell vorbei. Val weckt ihre erotischsten Fantasien, und bald wird ihr klar, dass sie mehr für ihn empfindet. Aber irgendetwas stimmt mit ihm nicht, und sie fragt sich: Wer ist dieser geheimnisvolle Mann, der ihr so den Kopf verdreht hat? Abgeschlossener Roman.<br> Ebook-Neuausgabe.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

1.

 

„Glaub mir doch, Svenja, es ist besser so. Wir würden uns nur unglücklich machen …“

Svenja Sturm lachte bitter auf und fuhr sich mit einer nervösen Geste durch das lange, ebenholzfarbene Haar. „Ja, sicher“, zischte sie wütend. „Du bist ein verdammter Feigling, Lars Weigelt! Und so einem wie dir wäre ich um ein Haar auf den Leim gegangen!“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich sollte dir dankbar sein, dass du mir noch rechtzeitig die Augen geöffnet hast, mein Lieber. Wenn ich nur daran denke, dass wir in knapp zwei Wochen ein Ehepaar gewesen wären, wird mir ganz anders!“

Ihr Verlobter – oder besser: Ex-Verlobter! – zuckte unter ihren harten Worten zusammen, schwieg jedoch.

Was hätte er auch sagen sollen? Er hatte es ja nicht besser verdient. Schließlich hatte er Svenja gerade eben, nur vierzehn Tage vor ihrem geplanten Hochzeitstermin, eröffnet, dass er sich in eine andere Frau verliebt hatte!

Herausfordernd sah Svenja ihn an. „Was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen?“

„Ich weiß, dass ich dir sehr wehgetan habe“, sagte Lars mit leiser Stimme. „Und das tut mir auch wirklich leid, Svenja. Ob du es mir glaubst oder nicht: Ich habe dich noch immer sehr gern. Vielleicht können wir ja eines Tages …“

„Sag jetzt bloß nicht, dass wir ja Freunde bleiben können!“, warnte Svenja ihn und hob drohend den Zeigefinger. „Auf einen Freund, der mich so hintergeht, kann ich nämlich sehr gut verzichten!“

Lars warf ihr einen traurigen Blick zu. „Es ist wohl besser, wenn ich dich jetzt erst einmal in Ruhe lasse. Vielleicht denkst du ja in ein paar Wochen schon ganz anders darüber.“

„Darauf würde ich mich allerdings nicht verlassen!“ Svenja wandte sich brüsk ab und ging ins Schlafzimmer hinüber, wo sie wahllos Lars’ Kleidungsstücke aus dem Schrank zog und in einen Koffer stopfte. Mit dem völlig überfüllten Gepäckstück kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und warf es Lars vor die Füße. „Hau ab! Geh mir aus den Augen, bevor ich mich vergesse!“

Mit hängenden Schultern verließ Lars die Wohnung. Wutentbrannt knallte Svenja die Tür hinter ihm zu, nur um sie einen Augenblick später wieder aufzureißen und auf den Flur hinaus zu brüllen: „Und lass dich bloß nie wieder hier blicken, hörst du?“

 

Tröstend legte Klara Winter ihrer besten Freundin einen Arm um die Schultern. „Sei froh, dass du den Mistkerl los bist, Svenja. Der hat so eine tolle Frau wie dich überhaupt nicht verdient!“

Nachdem Svenja sie vor einer knappen Stunde bitterlich schluchzend angerufen hatte, war Klara auf dem schnellsten Weg zu ihr geeilt. Sie hatte sofort gewusst, dass etwas ganz Furchtbares geschehen sein musste. Svenja war sonst nicht der Typ Frau, der so leicht die Beherrschung verlor.

Ein Bild des Jammers hatte sich ihr geboten, als Svenja ihr mit roten, verweinten Augen die Wohnungstür geöffnet hatte. Und nachdem ihre Freundin ihr mit stockenden Worten berichtet hatte, was sich zugetragen hatte, war Klara fassungslos vor Entsetzen gewesen.

Was war Lars bloß für ein gemeiner Mistkerl, seine Verlobte so kurz vor der Hochzeit einfach sitzen zu lassen!

Mittlerweile hatte sich Svenja wieder ein klein wenig gefangen, doch noch immer wirkte sie wie ein Häufchen Elend, wie sie da so zusammengekauert auf ihrer bordeauxroten Ledercouch hockte.

„Was habe ich denn bloß falsch gemacht, Klara? Ich war mir so sicher, dass Lars der Richtige für mich ist …“

Klara schüttelte rigoros den Kopf. „Jetzt gib dir bloß nicht selbst die Schuld, hörst du? Du konntest doch nicht wissen, was Lars für ein mieses Schwein ist. Das wäre ja noch schöner, wenn du dich jetzt seinetwegen fertigmachst!“

„Du hast ja recht.“ Svenja zog ein weiteres Taschentuch aus der Großpackung und schnäuzte sich energisch die Nase. „Ich werde ganz bestimmt auch ohne Lars prima zurechtkommen. Er hat mir übrigens gnädigerweise die Tickets dagelassen …“

Klara hob eine Braue. „Tickets? Was denn für Tickets?“

„Na, die für die Kreuzfahrt. Unsere …“ Sie verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Na ja, unsere Hochzeitsreise eben.“

Klaras Gesichtsausdruck hellte sich auf. „Aber das ist doch ganz wunderbar! Ein bisschen Ablenkung könnte dir im Augenblick wirklich nicht schaden, finde ich.“

Svenja runzelte die Stirn. „Meinst du etwa, ich soll die Reise antreten?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, lass mal. Darauf habe ich wirklich keine Lust. Es würde mich sicher die ganze Zeit an Lars erinnern.“

„Also hör mal, da gibt es doch gar keine Diskussion! Oder willst du etwa die nächsten Wochen hier in der Wohnung hocken und grübeln?“

„Wenn du wenigstens mitkommen könntest …“

Klara seufzte schwer. „Das würde ich wirklich gerne, aber leider geht es nicht. Auf der Arbeit ist im Augenblick die Hölle los. Mein Chef wird mir nie im Leben Urlaub geben!“

„Ist sowieso besser, wenn ich die Tickets verkaufe, Klara. Die haben ein Heidengeld gekostet. Und jetzt, wo ich wieder von meinem mickrigen Gehalt leben muss, kann ich eine kleine Finanzspritze wirklich gut gebrauchen.“

„Sag mal, ihr habt doch sicher eine Doppelkabine gebucht, oder?“

Svenja nickte und warf ihrer Freundin einen fragenden Blick zu.

„Was hältst du denn davon, nur eines von den Tickets zu verkaufen? Überleg mal, damit könntest du zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen! Du kannst die Kreuzfahrt mitmachen und dich damit ein bisschen von deinen Sorgen ablenken. Und das Geld, das du für das andere Ticket bekommst, kannst du dir anschließend auf die hohe Kante legen!“

„Und zwei Wochen mit einem Wildfremden die Kabine teilen?“ Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, danke!“

„Nicht ein Wildfremder, Svenja. Eine Wildfremde! Du bietest das Ticket im Internet zum Verkauf an und suchst dir dann einen weiblichen Bewerber aus, der es bekommen soll.“

„Und du meinst, das klappt?“

Klara nickte gebieterisch. „Warum denn nicht? Du wirst ja wohl noch einen Frauennamen von einem Männernamen unterscheiden können, oder nicht …?“

 

„Es hat geklappt!“, jubelte Svenja zwei Tage später.

Klara war nach der Arbeit auf eine Tasse Kaffee zu ihrer Freundin gefahren. Zu ihrer grenzenlosen Überraschung hatte sie eine bis über beide Ohren strahlende Svenja vorgefunden.

Das konnte eigentlich nur eines bedeuten!

„Du hast also eine Käuferin für Lars’ Kreuzfahrtticket gefunden?“

Bei der Erwähnung ihres Ex-Verlobten verfinsterte sich Svenjas Miene schlagartig. „Erwähne diesen Namen bloß nie wieder! Das Thema Lars ist für mich endgültig gegessen!“

Klara nickte verständnisvoll. Sie konnte ihre beste Freundin gut verstehen. Zwei Jahre lang waren Svenja und Lars ein scheinbar glückliches Paar gewesen. Als er ihr jetzt, zwei Wochen vor der Hochzeit, den Laufpass gegeben hatte, musste für die junge Frau eine Welt zusammengebrochen sein.

Deshalb war Klara auch wirklich froh, dass es ihrer Freundin heute schon deutlich besser zu gehen schien. Es war gut, dass Svenja sich entschlossen hatte, die Kreuzfahrt, die ursprünglich als ihre Hochzeitsreise vorgesehen war, anzutreten. Jede Ablenkung konnte ihr im Augenblick nur gut tun.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht anschnauzen“, sagte Svenja und zuckte traurig mit den Schultern.

„Ist schon gut, aber jetzt erzähl mal: Du hast das Ticket wirklich verkauft? Das ging aber flott!“

Die junge Frau lächelte. „Die Nachfrage war auch wirklich gewaltig. Über zwanzig potenzielle Käufer haben sich bei mir beworben – leider aber alles Männer.“

„Und du hast das Ticket im Ernst an einen Mann verkauft?“ Skeptisch runzelte Klara die Stirn.

Svenja schüttelte lauthals lachend den Kopf. „Natürlich nicht. Ich bin doch nicht bescheuert! Zum Glück hat sich etwas später noch eine junge Frau namens Val aus Miami per E-Mail bei mir gemeldet. Sie war mir gleich sympathisch. Tja, da habe ich ihr das Ticket kurzerhand verkauft.“

„Ach, ich beneide diese Val jetzt schon.“ Klara seufzte. „Zwei Wochen Karibik! Wenn mein Chef nur nicht so furchtbar stur wäre …“ Sie schloss ihre Freundin in die Arme. „Aber ich freu mich natürlich für dich, Süße. Glaub mir, diese Kreuzfahrt ist im Moment genau das Richtige für dich.“

Svenja nickte. „Und Lars soll bloß nicht denken, dass ich ohne ihn nicht zurechtkomme! Ich kann mich auch prima ohne ihn amüsieren.“

„Recht so!“, lobte ihre Freundin grinsend. „Und denk immer daran: Andere Mütter haben auch hübsche Söhne …“

„Hör bloß auf!“ Svenja machte eine wegwerfende Handbewegung. „Von Männern hab ich vorläufig die Nase gestrichen voll!“

 

Geblendet beschirmte Svenja ihre Augen, als sie zwei Wochen später aus dem Flugzeug stieg. Die Sonne stand strahlend am makellosen, azurblauen Himmel. Die Luft über dem Asphalt der Rollbahn flirrte in der Mittagshitze.

Miami! Ein verträumtes Lächeln spielte um ihre Lippen. Schon als kleines Mädchen war es ihr Traum gewesen, eines Tages den großen Teich zu überqueren und in Amerika ihr Glück zu suchen. Dazu war es jedoch nie gekommen. Zuerst hatte das Geld gefehlt, dann waren Ausbildung und Beruf dazwischen gekommen. Und als sie sich schließlich in Lars verliebt hatte, waren mit einem Mal andere Dinge für sie wichtiger geworden.

Nachdem sie ihre Koffer vom Gepäckband genommen und auf einem Trolley verstaut hatte, betrat sie die Ankunftshalle des Flughafens. Hier herrschte ein ziemlicher Trubel. Um sie herum wurden Hände geschüttelt, Menschen umarmten sich herzlich und lachten glücklich.

Svenja erwartete niemand.

Es war merkwürdig und ungewohnt für sie, so ganz auf sich allein gestellt zu sein. Plötzlich fühlte sie sich unendlich verlassen. Ihr wurde ganz übel bei dem Gedanken, die folgende Nacht einsam in einem Hotelzimmer verbringen zu müssen.

Doch zum Glück war es ja nur diese eine Nacht. Gleich morgen würde sie mit dem Taxi in aller Herrgottsfrühe zur Anlegestelle der MS Pearl of the Caribean fahren. Und dort würde sie dann auch Val kennen lernen, die junge Frau, mit der sie sich ihre Doppelkabine teilen würde.

Svenja war wirklich froh, dass Klara auf die geniale Idee gekommen war, Lars’ Ticket kurzerhand übers Internet zu verkaufen. Das Gefühl der Einsamkeit würde an Bord der MS Pearl of the Caribean so mit Sicherheit ganz schnell verflogen sein.

Um sich die Zeit bis dahin ein bisschen zu vertreiben, schlenderte Svenja zu einem kleinen Café hinüber. Sie fand einen freien Tisch, nahm Platz und studierte die Karte. Als ihr plötzlich eine schrille, weibliche Stimme ans Ohr drang, wurde ihre Aufmerksamkeit jedoch von den Leckereien abgelenkt.

„Oh Dave, ich bin ja schon so aufgeregt!“

Svenja schätzte die Frau auf etwa Mitte dreißig und stellte amüsiert fest, dass sie bis ins Detail ihrer Vorstellung von einer amerikanischen Soap-Diva entsprach.

Das Make-up der Lady war so dick aufgetragen, dass sie es abends wahrscheinlich mit einem Spachtel entfernen musste. Sofern sie überhaupt ungeschminkt zu Bett ging! Ihren grellroten Lippenstift hätte Svenja allerhöchstens zu Hause in der Karnevalszeit aufgelegt. Und ihr Haar war mit einer so gewaltigen Menge Haarspray behandelt worden, dass es selbst bei einem plötzlichen Orkanwind nicht in Unordnung geraten konnte.

Kurz gesagt: Diese Frau war aufgetakelt wie eine Fregatte, und ihr natürliches Aussehen konnte man, wenn das überhaupt möglich war, nur noch vage erahnen.

Im Gegensatz dazu war der um einiges ältere Herr in ihrer Begleitung, den sie Dave genannt hatte, eher unscheinbar. Sein schlichter Anzug in mausgrau ließ das ohnehin schon farblose Gesicht noch fahler erscheinen. Das schüttere Haar hatte Dave sich kunstvoll über den Schädel gekämmt, was die kahlen Stellen jedoch nicht wirklich kaschieren konnte.

Ein unterschiedlicheres Paar als dieses war Svenja noch nie zuvor begegnet. Und dass sie ein Paar waren, stand spätestens in dem Moment fest, als Dave seine Hand besitzergreifend auf das ausladende Hinterteil der Diva klatschen ließ.

Svenja unterdrückte krampfhaft ein Kichern. Was für ein seltsames Pärchen!, dachte sie und zog ihren Koffer etwas näher an ihren Tisch heran.

In dem Moment spürte sie einen Ruck gegen das Gepäckstück, vernahm einen Schrei und nur eine Sekunde später ein dumpfes Poltern.

Erschrocken wirbelte sie herum und sah einen jungen Mann, der auf dem glatten Marmorboden des Flughafencafés kniete und leise vor sich hin fluchte. Er musste über ihren Koffer gestolpert sein, als sie ihn hatte heranziehen wollen!

„Oh, das tut mir furchtbar leid!“, rief sie auf Englisch und reichte dem Mann eine Hand, um ihm aufzuhelfen.

Doch er schüttelte nur harsch den Kopf und rappelte sich aus eigener Kraft auf. „Wie kann man seinen Koffer bloß mitten im Gang abstellen? Das ist ja die reinste Stolperfalle!“

Mit wütend blitzenden Augen blickte er Svenja an. Und die spürte, wie ihr, zu ihrer eigenen Überraschung, plötzlich die Knie weich wurden. Was für ein umwerfend attraktiver Mann! Und diese Augen! Sie konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor ein so intensives, strahlendes Blau gesehen zu haben!

Mühsam riss sich Svenja in die Realität zurück. Was war eigentlich mit ihr los? Dieser Typ, attraktiv hin oder her, hatte sie gerade völlig grundlos angeschnauzt. Und was tat sie? Schwelgte in den unergründlichen Tiefen seiner Augen …

Spinnst du?, rief sie sich zur Ordnung. Willst du dir das etwa bieten lassen? Und warum starrst du diesen Kerl eigentlich an wie ein verliebter Teenager? Ich dachte, mit Männern bist du vorerst durch!

Ärgerlich verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Was bilden Sie sich eigentlich ein?“, fragte sie und verengte die Augen zu Schlitzen. „Immerhin sind Sie mir vor den Koffer gelaufen! Machen Sie also lieber selbst die Augen auf, bevor sie mich anbrüllen, ja?“

Für eine Sekunde wirkte der junge Mann überrascht über ihren unerwarteten Protest. Dann blickte er sich suchend um. „So ein Mist!“, fluchte er. „Sie wissen ja gar nicht, was Sie angerichtet haben!“

Und ohne Svenja auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, rauschte er davon. Natürlich ohne sich für sein unmögliches Verhalten zu entschuldigen!

Das war ja wirklich ein toller Start für ihren Urlaub! Sie konnte nur hoffen, dass ihre Mitreisenden auf der MS Pearl of the Caribean aus einem anderen Holz geschnitzt waren.

Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. Dass ihr Körper so heftig auf dieses Ekelpaket reagiert hatte, wurmte die junge Frau ganz gewaltig. So gut konnte ein Mann gar nicht aussehen, dass es dieses unhöfliche Verhalten wettmachte!

Reg dich nicht auf, versuchte sie sich zu beruhigen. Du wirst ihm ganz bestimmt nie wieder begegnen …!

 

2.

 

Als Svenja am nächsten Morgen in ihrem Hotelzimmer erwachte, fühlte sie sich wie gerädert.

Es war eine unruhige Nacht für die junge Frau gewesen. Zuerst hatte es Stunden gedauert, bis sie überhaupt hatte einschlafen können. Als es ihr dann endlich gelang, wurde sie von seltsamen Träumen geplagt.

Sie hatte natürlich wieder von Lars geträumt. Das tat sie seit ihrer Trennung beinahe jede Nacht. Was sie jedoch weitaus mehr irritierte war, dass sich nun auch noch der schöne Unbekannte vom Flughafen in ihre Träume eingeschlichen hatte!

Im Grunde war dieser Traum nicht einmal als unangenehm zu bezeichnen. Und genau das war es, worüber sich Svenja ärgerte. In ihren Fantasien war es nämlich nicht zu einem Streit zwischen ihr und diesem Typen gekommen. Im Gegenteil! Sie hatten sich in die Augen geschaut und waren leidenschaftlich übereinander hergefallen!

Svenja verstand die Welt nicht mehr. Seit wann war sie eigentlich so brennend an Sex interessiert? Zu ihrem Entsetzen spürte sie auch jetzt wieder, wie es allein bei dem Gedanken an ihren erotischen Traum verheißungsvoll in ihrem Schoß zu pochen begann.

Sei nicht albern. Du bist verwirrt und verletzt, weil Lars dir den Laufpass gegeben hat! Und jetzt spielen deine Hormone ein bisschen verrückt, das ist alles!

Sie war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie erschrocken zusammenzuckte, als plötzlich das Telefon klingelte. Es war der Hotelportier, der ihr mitteilte, dass ihr Taxi bereits vor dem Haus auf sie wartete.

Entsetzt riss Svenja die Augen auf. Sie hatte sich ja noch nicht einmal die Zähne geputzt, geschweige denn sich angezogen!

„Einen Moment noch bitte“, bat sie hastig. „Ich bin in ein paar Minuten da.“

 

Tatsächlich hatte es noch eine gute halbe Stunde gedauert, bis Svenja endlich das Hotel verlassen konnte. Sie beglückwünschte sich zu dem Entschluss, bei ihrer Zeitplanung sehr großzügig vorgegangen zu sein. Anderenfalls wäre sie nämlich jetzt in arge Bedrängnis gekommen.

So erreichte sie den Hafen, trotz ihrer Verspätung, noch weit vor der Zeit. Als sich die MS Pearl of the Caribean nach einer Kreuzung mit einem Mal vor ihr in den Himmel türmte, sog die junge Frau scharf die Luft ein. Schon auf den Bildern im Katalog hatte das Kreuzfahrtschiff beeindruckend ausgesehen. In natura war es schier gewaltig!

„Wahnsinn“, entfuhr es Svenja. Sie konnte den Blick kaum mehr von diesem strahlend weißen Stahlkoloss abwenden.

An der Anlegestelle half ihr der Taxifahrer, ihr Gepäck aus dem Kofferraum zu wuchten. Sie gab ihm ein großzügiges Trinkgeld, für das er sich überschwänglich bedankte. Sofort nahm sich ein junger Mann, der die weißblaue Crewbekleidung der MS Pearl of the Caribean trug, ihres Gepäcks an. Svenja schlenderte hinüber zu der schmalen Gangway, über die die Passagiere an Bord des Schiffes gelangten. Davor hatte sich eine ansehnliche Schlange gebildet.

Ob eine der Wartenden vielleicht Val ist?, fragte sie sich und hielt nach einer dunkelhaarigen jungen Frau Ausschau, denn mehr als die Haarfarbe wusste sie bisher im Grunde nicht über ihre Kabinengenossin. Sie entdeckte aber in der Reihe niemanden, auf den diese Beschreibung zutraf, denn es handelte sich hauptsächlich um Ehepaare. Dafür erblickte sie allerdings jemand anderen, und es traf sie beinahe der Schlag!

„Ist das etwa …?“

In diesem Augenblick wandte sich der junge Mann, dessen Rücken sie bis gerade angestrengt betrachtet hatte, um – und alle Zweifel lösten sich in Luft auf.

„Sie schon wieder?“ Auch er hatte Svenja auf Anhieb erkannt und verdrehte nun seine beeindruckenden blauen Augen. „Sagen Sie mal, verfolgen Sie mich etwa?“

Sofort war Svenja wieder auf hundertachtzig. Dieser Widerling hielt sich wohl für unwiderstehlich! „Das hätten Sie wohl gerne, was?“, gab sie giftig zurück. „Aber was treiben Sie eigentlich hier? Sie wollen doch wohl nicht etwa auf die Pearl of the Caribean?“

„Sie etwa auch?“ Er stöhnte gequält auf. „Und ich hatte mich schon auf erholsame vierzehn Tage gefreut.“

Svenja spürte, wie ihr vor Wut das Blut ins Gesicht schoss. Und gleichzeitig stellte sich wieder dieses verräterische Ziehen in ihren Lenden ein, für das sich die junge Frau am liebsten geohrfeigt hätte. „Sie sind sowas von unverschämt! Was bilden Sie sich eigentlich ein?“

Mit einem dreisten Grinsen fuhr er sich durch das kurz geschnittene haselnussbraune Haar. Dabei entdeckte Svenja zum ersten Mal, dass der junge Mann einen Ehering am Finger trug.

Sie konnte es sich selbst nicht erklären, doch die Tatsache, dass er verheiratet war, versetzte ihr einen empfindlichen Stich mitten ins Herz. Deshalb, und weil er sie mit seiner aufreizenden Art schier auf die Palme brachte, ließ sie sich zu einer unüberlegten Aussage hinreißen: „Ihre Frau tut mir ehrlich leid. Wie hält sie es bloß mit einem Widerling wie Ihnen aus? Das muss wirklich die Hölle sein!“

Sein Gesicht verfinsterte sich schlagartig. Man brauchte kein Menschenkenner zu sein, um zu erkennen, dass Svenjas Worte ihn hart getroffen hatten.

„Was wissen Sie denn schon davon? Mit einer wie Ihnen tritt doch ganz sicher kein Mann vor den Traualtar!“

Peng! Das hatte gesessen! Um ein Haar hätte Svenja Mitleid mit dem jungen Mann gehabt, doch dieser Impuls wurde nun im Keim erstickt.

Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, doch sie kämpfte sie nieder. Auf keinen Fall wollte sie sich vor diesem Mistkerl die Blöße geben zu weinen. Stattdessen wandte sie sich abrupt ab und ging mit steifen Schritten zurück zum Ende der Schlange.

 

„Herzlich willkommen an Bord der MS Pearl of the Caribean, Miss Sturm.” Die hübsche Blondine an der Rezeption blickte von der Passagierliste auf und lächelte freundlich. „Ihre gebuchte Balcony Suite befindet sich auf der Backbordseite, Deck 11. Einer unserer Cabin Stewards wird Sie dorthin begleiten.“ Abermals warf sie einen Blick auf ihre Liste und fügte beiläufig hinzu: „Ihr Freund hat übrigens auch soeben eingeschifft.“

Svenja bedankte sich höflich und wollte sich schon abwenden, als sie plötzlich stutzte. „Entschuldigen Sie bitte, Miss, aber Sie müssen sich da gerade getäuscht haben. Mein Exfreund, Lars Winter, wird nicht an dieser Kreuzfahrt teilnehmen. Ich habe sein Ticket im Internet verkauft und dies auch dem Reiseveranstalter mitgeteilt.“

„Ja, ich weiß, Miss Sturm. Die Daten wurden bereits an uns übermittelt.“

Argwöhnisch runzelte Svenja die Stirn. „Aber Sie sagten doch gerade, dass mein Freund bereits an Bord sei.“

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Miss Sturm. Ich bin wohl einfach davon ausgegangen, dass es sich bei dem jungen Mann, mit dem Sie sich Ihre Kabine teilen, um ihren Freund handelt.“

„Den … was?“ Svenja riss entsetzt die Augen auf. „Hören Sie, da muss ein Fehler vorliegen! Ich habe das Ticket an eine junge Frau verkauft. Ihr Name ist Val Fairburn!“

Die hübsche Blondine runzelte kaum merklich die Stirn, winkte einen der wartenden Stewards heran und raunte ihm etwas zu, woraufhin dieser eilends verschwand. Dann wandte sie sich mit einem bedauernden Lächeln wieder Svenja zu. „Es tut mir wirklich leid, Miss Sturm. Aber ich fürchte, Sie sind einem Missverständnis aufgesessen.“

In diesem Moment kehrte der Cabin Steward zurück. Und in seiner Begleitung befand sich ein Mann, dessen Anblick Svenja ein entsetztes Stöhnen entlockte. Es handelte sich nämlich um den jungen Mann, mit dem sie nun bereits zwei Mal unschön aneinandergeraten war.

Plötzlich beschlich die junge Frau ein ganz übles Gefühl.

War es etwa möglich, dass …?

In diesem Moment trat die Rezeptionistin auch schon hinter ihrem Desk hervor. „Darf ich vorstellen, Miss Sturm? Das ist Mr. Val Fairburn.“

Der junge Mann starrte Svenja aus weit aufgerissenen Augen an. „Sie?“

Die Blondine war überrascht. „Sie kennen sich bereits?“

„Wir hatten bereits das zweifelhafte Vergnügen.“ Val Fairburn runzelte die Stirn. „Na, das kann ja heiter werden …“

Svenja konnte es nicht fassen. Ihr war, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. „Nein, das geht auf keinen Fall! Nie im Leben werde ich mir mit diesem Herrn eine Kabine teilen!“ Sie blickte die Rezeptionistin flehentlich an.

Die jedoch konnte nur bedauernd mit den Schultern zucken. „Es tut mir leid, Miss Sturm, aber wir sind völlig ausgebucht.“

Rigoros schüttelte Svenja den Kopf. „Es muss aber doch irgendeine Möglichkeit geben! Wenn es sein muss, werde ich auch zwei Wochen in einer Besenkammer übernachten! Bitte …!“

Doch da half kein Flehen und kein Jammern. Zwar versprach die Rezeptionistin, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, doch Svenja machte sich keine großen Hoffnungen. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als sich mit dieser unerfreulichen Situation zu arrangieren. Auch wenn ihr allein bei dem Gedanken daran, die nächsten vierzehn Tage mit diesem ungemein attraktiven Ekelpaket zu verbringen, schon jetzt Angst und bange wurde …

 

 

3.

 

„Gut, da es sich nun einmal nicht mehr ändern lässt, werde ich meine Kabine zwangsweise mit Ihnen teilen müssen.“ Frustriert pfefferte Svenja ihren Koffer, den sie vor der Kabinentür vorgefunden hatte, auf das geräumige Bett. „Aber wir sollten versuchen, uns wenigstens tagsüber so wenig wie möglich über den Weg zu laufen.“

„Glauben Sie bloß nicht, dass ich scharf darauf bin, mich die nächsten vierzehn Tage mit Ihnen abzugeben!“ Val Fairburn ließ sich auf einen Sessel sinken. Lässig legte er seine langen Beine auf der Glasplatte des davorstehenden Tisches ab.

Missbilligend rümpfte die junge Frau die Nase. „Sie sind hier nicht zu Hause, schon vergessen?“

„Wie könnte ich?“, konterte er mit einem süffisanten Grinsen. „Ihre strahlende Anwesenheit erinnert mich ja ständig daran.“

„Wissen Sie was? Sie können mich mal gern haben!“

„Ich werde drüber nachdenken, wenn Sie sich zur Abwechslung einmal nicht wie eine widerborstige Kratzbürste benehmen.“

Empört schnappte Svenja nach Luft. „Was erlauben Sie sich eigentlich?“

Val Fairburn zuckte gleichmütig mit den Schultern und vollführte eine einladende Handbewegung in Richtung Kabinentür. „Wenn Ihnen etwas nicht passt, steht es Ihnen jederzeit frei zu gehen.“

„Und das werde ich auch!“ Hastig kramte Svenja ihre Sonnenbrille aus der Handtasche hervor und stürmte aus der Kabine.

Ihr war klar, dass es mehr nach einer Flucht aussah, denn nach einem geordneten Rückzug. Doch das war ihr im Augenblick völlig gleichgültig. Diesen dreisten Menschen ständig um sich zu haben, war einfach mehr als sie ertragen konnte.

Mit raschen Schritten durchmaß sie die große, prachtvoll eingerichtete Lounge. Doch Svenja hatte für all den Prunk im Moment kein Auge, dazu war sie viel zu aufgewühlt. Als sie endlich ans Freie an die Reling trat, atmete sie erst einmal tief durch. Sofort spürte sie, wie sich ihr Körper entspannte.

Sie seufzte.

Die frische Luft, der ein leichter Geruch nach Salz anhaftete, tat ihr gut. Tief sog sie sie in ihre Lungen, und ihr Kopf wurde endlich wieder klar.

Was soll ich jetzt bloß machen?

Die junge Frau war ratlos. Es war ihr erster Tag an Bord des Kreuzfahrtschiffes, und sie war jetzt schon mit den Nerven am Ende. Wie sollte sie da volle vierzehn Tage durchstehen? Eines stand fest: Urlaubsfreuden würden sicherlich nicht aufkommen.

Ob sie die Reise lieber abbrechen sollte, bevor es richtig schlimm wurde?

 

„Miss Sturm?“

Überrascht wandte sich Svenja um. Es war die hübsche Blondine vom Rezeptionsschalter, die jetzt neben sie an die Reling trat.

Sie streckte ihr die Hand entgegen. „Mein Name ist übrigens Iris Braddock. Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen vorhin nicht helfen konnte.“ Sie lächelte mitleidig. „Sie verstehen sich wohl nicht gerade blendend mit Mr. Fairburn?“

Svenja lachte bitter auf. „Verstehen? Das ist glatt untertrieben. Eine normale Unterhaltung ist mit Mr. Fairburn einfach nicht möglich. Manchmal hab ich das Gefühl, ich spreche Swahili.“

„Meinen Sie denn nicht, dass es möglich ist, sich für eine Weile zu arrangieren?“ Iris Braddock zuckte mit den Schultern. „Es könnte ja sein, dass sich im Laufe unserer Reise etwas ergibt.“

„Sie meinen, es könnte sein, dass doch noch eine Kabine für mich frei wird?“

Iris Braddock nickte. „Die Möglichkeit besteht. Manchmal kommt es vor, dass Passagiere schon früher von Bord gehen. Versprechen kann ich Ihnen allerdings nichts.“

Svenja fühlte neue Hoffnung in sich aufkeimen. „Wann wäre denn die nächste Möglichkeit? Ich meine, wenn es klappt?“

„Wir laufen in drei Tagen in den Hafen von Ocho Rios ein. Aber es ist nicht gesagt, dass dort jemand das Schiff verlässt, Miss Sturm.“

„Drei Tage?“ Die junge Frau stöhnte. „Ich weiß ja nicht mal, wie ich drei Stunden mit meinem Kabinengenossen aushalten soll!“

Tröstend legte ihr Iris Braddock eine Hand auf die Schultern. „Wenn sich irgendeine Möglichkeit bietet, werde ich Sie sofort informieren. Das verspreche ich Ihnen, Miss Sturm.“

Svenja nickte abwesend.

Es half ja alles nichts. Wahrscheinlich war es besser, wenn sie mit Val Fairburn fürs Erste einen Burgfrieden schloss. Schließlich musste sie sich wenigstens für die nächsten drei Tage damit abfinden, ihre Kabine mit ihm teilen zu müssen. Und die junge Frau machte sich keine allzu großen Hoffnungen, dass sich dies für den Rest der Kreuzfahrt ändern würde.

Sie musste noch einmal versuchen, mit ihm zu sprechen.

 

„Da sind Sie ja schon wieder“, begrüßte ihr Kabinengenosse Svenja nicht gerade enthusiastisch.

Er hatte seinen Koffer aufs Bett geworfen und war gerade dabei, den Inhalt über die ganze Liegefläche zu verteilen. Jetzt blickte er auf. „Ach, wo Sie gerade hier sind: Auf welcher Seite vom Bett möchten Sie schlafen? Ich habe da keine Vorlieben, daher haben Sie die freie Wahl.“

Svenjas Hände ballten sich zu Fäusten. Ihre guten Vorsätze waren augenblicklich vergessen. „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder? Glauben Sie wirklich, dass ich das Bett mit Ihnen teilen werde?“

„Ja, wo wollen Sie denn sonst schlafen? Soweit ich weiß, gibt es in dieser Kabine nur ein einziges Bett. Und wenn Sie nicht vorhaben, auf dem Boden zu nächtigen, fällt mir keine Alternative ein.“

„Ich? Auf dem Boden?“ Die junge Frau riss die Augen auf. „Das wäre ja noch schöner. Wenn hier einer auf dem Boden schläft, dann sind das selbstverständlich Sie! Obwohl ich Ihnen eigentlich sogar die Couch anbieten wollte.“

Val Fairburn lachte auf. „Jetzt machen Sie aber mal halblang. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass ich ein Anrecht auf die Hälfte dieser Kabine habe. Schließlich habe ich Ihnen das Ticket für gutes Geld abgekauft.“

„Da wusste ich aber noch nicht, dass Sie ein Mann sind!“, fauchte Svenja. „Und ein ungehobelter Klotz noch dazu!“

„Sorry, aber darüber hätten Sie sich vielleicht früher informieren sollen, Gnädigste. Ich habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, eine Frau zu sein. Und wenn Sie bei dem Namen Val direkt an eine Frau denken, kann ich da auch nichts für. Eines steht jedenfalls fest: Ich werde auf keinen Fall auf dem Sofa schlafen.“ Er machte eine einladende Geste in Richtung des Möbelstücks. „Andererseits werde ich Sie nicht hindern, sollten Sie sich entschließen, selbst Ihre Zelte dort aufzuschlagen. Auch wenn ich dies selbstverständlich bedauern würde. Ohne Sie ist das große Bett sicher sehr kalt und leer …“

Für einen winzigen Augenblick erschien Svenja die Vorstellung, mit diesem attraktiven, gut gebauten Mann das Bett zu teilen, durchaus nicht ohne Reiz. Doch mit einem knappen Kopfschütteln verscheuchte sie diesen Gedanken.

„Das wäre wohl ganz nach Ihrem Geschmack, was?“ Sie kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Was sind Sie bloß für ein Mann? Wären Sie ein Gentleman, hätten Sie sich ganz ohne Diskussion auf die Couch verzogen. Aber Sie denken natürlich immer zuerst an sich! Haben Sie vielleicht schon mal einen Gedanken daran verschwendet, was Ihre Frau davon halten würde?“

„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich aus meinen Privatangelegenheiten heraushalten würden, Schätzchen“, zischte Val Fairburn. Plötzlich wirkte er gar nicht mehr so cool und überlegen. „Sie haben doch überhaupt keine Ahnung!“

„Ehrlich gesagt interessieren mich Ihre Privatangelegenheiten auch nicht. Auf dem Sofa werde ich jedenfalls nicht schlafen. Aber eines sage ich Ihnen, Mister.“ Svenja erhob drohend den Zeigefinger. „Wenn Sie heute Nacht auch nur die geringsten Anstalten machen, unsere Situation auszunutzen, dann …“

Er hob abwehrend die Hände, grinste dabei jedoch breit. „Keine Sorge, Schätzchen. Ich kann Ihnen versichern, dass mir jeglicher Enthusiasmus in dieser Richtung völlig abgeht …!“

 

Das erste Abendessen an Bord der MS Pearl of the Caribean war einfach ein Traum. Es wurden die fantastischsten exotischen Speisen aufgetischt, und der Champagner floss in Strömen.

Für einige Stunden gelang es Svenja, ihre Misere fast völlig zu verdrängen. Nur einmal sah sie Val Fairburn kurz im Vorübergehen. Er befand sich gerade in einem angeregten Gespräch mit einer üppigen Blondine, die Svenja schon einmal irgendwo gesehen zu haben glaubte.

Doch ihrer Tischnachbarin – die Worte sprudelten nur so aus ihrem Mund – gelang es spielend, die junge Frau abzulenken. So kam es, dass Svenja erst wieder an Val Fairburn dachte, als sie sich schon wieder auf dem Weg zu ihrer gemeinsamen Kabine befand.

Sie hoffte inständig, dass sich der junge Mann noch in einer der zahlreichen Bars befand, die man beinahe auf jedem der oberen Decks finden konnte. Vielleicht hatte Svenja sogar so viel Glück, dass er die Nacht in der schiffseigenen Diskothek durchfeierte.

Doch als sie die Kabine betrat, sah sie all ihre Hoffnungen zerstört. Val Fairburn lag nämlich bereits lang ausgestreckt auf seiner Seite des großen Doppelbettes und blätterte in einem Taschenbuch.

„Sie können tatsächlich lesen? Das hatte ich Ihnen gar nicht zugetraut“, bemerkte Svenja trocken und warf ihre Handtasche achtlos auf das auberginefarbene Sofa.

„Jetzt haben Sie mich aber erwischt“, erwiderte Val, ohne von seinem Roman aufzublicken. „Um ehrlich zu sein, sind mir in diesem Wälzer auch viel zu wenig Bilder.“

Gegen ihren Willen musste Svenja lächeln. Rasch wandte sie sich von Val Fairburn ab, damit er es nicht sah. „Und? Haben Sie sich gut amüsiert mit Ihrer blonden Indianerbraut?“

Jetzt schaute ihr Kabinengenosse doch mit gehobener Braue hinter seinem Buch hervor. „Indianerbraut? Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie sprechen.“

Svenja tat überrascht. „Ach? War das etwa keine? Sorry, aber ich dachte, nur Indianer laufen mit einer solchen Kriegsbemalung durch die Gegend.“

„Haha, ich wusste ja gar nicht, dass Sie so unglaublich witzig sein können …“

„Tja, das ist eine meiner hervorstechendsten Eigenschaften.“

Die junge Frau öffnete ihren Koffer, um ihren bequemen babyblauen Frotteeschlafanzug herauszuholen. Doch zu ihrem Entsetzen konnte sie ihn nirgends finden. Stattdessen zog sie ein knappes, schwarzes Seidennegligee hervor, an dem mit einer Sicherheitsnadel ein kleiner Zettel befestigt war.

Nur für den Fall, dass dir der Mann deiner Träume über den Weg läuft! Klara.

Svenja riss die Augen auf. Wie und wann hatte Klara dieses Teil in ihren Koffer befördert? Und was viel wichtiger war: Was sollte sie jetzt damit anfangen? Bei dem Gedanken, mit diesem sündigen Fetzchen Stoff zu Val Fairburn ins Bett kriechen zu müssen, wurde ihr ganz flau im Magen.

Rasch verschwand die junge Frau im Bad. Dort hielt sie sich das Negligee vor den schlanken Körper – und schüttelte den Kopf. So konnte sie Val Fairburn unmöglich gegenübertreten. Er musste ja annehmen, sie wollte ihn verführen!

In Gedanken ging sie ihre Garderobe durch, doch eines ihrer kurzen Shirts gepaart mit einem Tangaslip schien ihr keine wirkliche Alternative zu sein.

In Ermangelung einer besseren Idee schälte sich Svenja aus ihrer knallengen schwarzen Jeans und schlüpfte versuchsweise in den hauchdünnen Fummel.

Er passte wie angegossen.

Wie ein kühler Wasserfall schmiegte sich der feine Stoff um ihren Körper. Das tiefe Dekolleté war mit zarter Spitze eingefasst und präsentierte eindeutig mehr als es verbarg. Deutlich zeichneten sich Svenjas Brustwarzen unter der dünnen Seide ab.

Kritisch beäugte sich die junge Frau in dem großen Spiegel, der an der Rückseite der Badezimmertür angebracht war. Keine Frage, das Negligee stand ihr ausgezeichnet.

Aber es war wohl kaum das richtige Outfit, um zu Val Fairburn ins Bett zu schlüpfen!

Klara! Wenn ich dich in die Finger kriege! Wie konntest du mir das bloß antun?

Was sollte sie jetzt machen? Warten, bis Val Fairburn eingeschlafen war? Im Badezimmer übernachten?

Nein, es half alles nichts. Sie musste sich der Situation stellen.

Zum Glück fand sie im Handtuchregal zwei ordentlich zusammengelegte weiße Bademäntel, von denen sie sich jetzt einen überstreifte. So ausstaffiert trat die junge Frau aus dem Bad.

„Wollen Sie etwa in dieser Montur schlafen gehen?“, fragte ihr Kabinengenosse.

Svenja zog sich den Bademantel noch ein Stückchen enger um den Leib. „Seit wann geht Sie das irgendetwas an?“

„Man wird ja wohl noch fragen dürfen …“

Verkrampft streckte sich Svenja auf der weichen Matratze aus und zog die Bettdecke bis zum Kinn hoch. Erst jetzt wagte sie es, den Bademantel abzulegen. Doch das war leichter gesagt als getan.

Val Fairburn beobachtete ihren verzweifelten Kampf mit der Bettdecke mit hochgezogener Augenbraue. Irgendwann wurde es Svenja zu bunt und sie verharrte in ihren Bemühungen.

„Was glotzen Sie denn so?“, zischte sie wutentbrannt. „So wie Sie mich anstarren, könnte man meinen, Sie hätten noch nie eine Frau zu Bett gehen sehen! Können Sie sich nicht irgendwie mit sich selbst beschäftigen?“

„Das könnte ich wohl. Genügend Inspiration bieten Sie mir ja.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem unverschämten Grinsen. „Aber wenn eine Dame im Raum ist, verbietet mir das meine gute Kinderstube.“

Svenja riss die Augen auf. Sie wurde bleich wie das weiße Bettlaken, mit dem sie sich zugedeckt hatte, als sie seine Anspielung verstand. „Das ist doch …!“

Wutentbrannt sprang sie aus dem Bett. Zu spät merkte sie, dass der Bademantel sie nur noch unzureichend verhüllte.

Das Blut schoss ihr ins Gesicht, als sie Vals bewundernde Blicke über ihren Körper gleiten spürte. Doch dann stieß sie ein resignierendes Schnaufen aus und schälte sich vollends aus dem weichen Frotteestoff.

„Wow!“ Val Fairburn pfiff anerkennend durch die Zähne. „Sie sind wirklich unheimlich sexy, wissen Sie das? Bei Ihnen könnte ich glatt schwach werden!“

Svenja griff sich das Bettlaken und wickelte es sich um. Dann funkelte sie den jungen Mann wutentbrannt an. „Das können Sie sich abschminken, Mr. Fairburn! Und sparen Sie sich Ihre dreisten Komplimente. Sie sind völlig zwecklos - ich finde Sie nämlich unausstehlich!“

Val Fairburn zuckte ungerührt mit den Schultern. „Na und? Seit wann muss man für ein bisschen unverbindlichen Sex befreundet sein?“

„Sie spinnen ja wohl!“ Die junge Frau tippte sich mit dem Finger an die Stirn. „So nötig kann ich’s gar nicht haben, dass ich mich mit Ihnen einlassen würde. Und außerdem finde ich Ihr Benehmen unmöglich. Wie wär’s, wenn Sie auch ab und zu mal einen Gedanken an Ihre Frau verschwenden?“

Genervt verdrehte er die Augen. „Jetzt fangen Sie nicht schon wieder damit an! Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass ich verheiratet bin?“

„Na, das an Ihrem Finger ist doch wohl kein Freundschaftsring, oder?“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739482750
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Juni)
Schlagworte
Erotische Romane romantische Komödie Populäre Belletristik Reise & Abeneteur Kurzgeschichten Wohlfühlroman moderne Frauen Frauenroman Humor Erotik

Autoren

  • Stefanie Müller (Autor:in)

  • Holly Stevens (Autor:in)

Stefanie Müller liebt es, Geschichten zu schreiben, die vor exotischen Kulissen spielen.
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Titel: Heiße Küsse auf hoher See