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Mittsommerküsse

Ein Liebesroman aus Schweden

von Pia Engström (Autor:in)
150 Seiten

Zusammenfassung

Glasklare Seen, blühende Wiesen und der Zauber einer Mittsommernacht
Auf dem herrlichen Anwesen Emilienlund will Annie ihre neue Stelle antreten. Als sie ihrem attraktiven Chef begegnet, verliebt sie sich auf Anhieb in ihn. Doch der erfolgreiche Unternehmer verwirrt sie zutiefst. Mal scheint er sich genauso stark zu hier hingezogen zu fühlen wie sie zu ihm, dann wieder behandelt er sie kühl und herablassend. Gibt es ein Geheimnis, das ihn quält? Doch als eines Nachts ein heftiges Gewitter über Emilienlund tobt, nimmt er sie zärtlich in die Arme, und Annie beginnt zu hoffen: Wird sich in Schweden ihr Traum von der großen Liebe endlich erfüllen ...?

Liebe und Romantik von Bestsellerautorin Pia Engström. Ein Roman so schön wie Urlaub in Schweden! Neuausgabe. Erstmals erschienen unter dem Titel "Happy End auf Emilienlund?"

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Prolog

 

„… für die Jahreszeit ungewöhnlich heftige Sturmböen und starke Regenfälle prognostiziert. Die Meteorologen raten allen Autofahrern, die in der Region unterwegs sind, ihre Fahrt an einem sicheren Ort zu unterbrechen, da es unter Umständen zu Überflutungen von Straßen und Wegen kommen könnte. Soviel zum Wetter, nun das Neueste aus …“

Das hat mir gerade noch gefehlt! Mit einem frustrierten Seufzen schaltete Annie Josephine Fielding das Radio aus und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Angespannt starrte sie durch die Windschutzscheibe des Volvos hinaus in das düstere Grau in Grau, das sich bis zum Horizont hin erstreckte. Die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren, hatten aber kaum eine Chance, mit den Wassermassen fertig zu werden, die vom Himmel herabstürzten. Seit gut einer Stunde schüttete es wie aus Kübeln. Eine Stunde, in der Annies Weg sie durch keine nennenswerte Ortschaft geführt hatte, in der sie hätte Zuflucht suchen können.

Sie unterdrückte einen wenig damenhaften Fluch. Auf was hatte sie sich da bloß eingelassen? Das Wasser stieg immer schneller, und es erforderte jetzt schon all ihre Konzentration, den Kombi auf der Fahrbahn zu halten. Vielleicht hätte ich die Autovermietung lieber um ein Ruderboot bitten sollen, dachte sie in einem Anflug von Galgenhumor. Oder um einen Außenbordmotor, um zu verhindern, dass mich diese Sintflut direkt bis hinaus auf die Ostsee treibt.

Ein greller Blitz zuckte vom Himmel und schlug nur ein paar Meter von Annie entfernt in die Erde – wenigstens kam es ihr so nah vor. Erschrocken fuhr sie zusammen. Sie hasste Gewitter! Obwohl sie eigentlich nicht besonders furchtsam oder zaghaft veranlagt war, hatte sie ihre Kindheitsangst vor Blitz und Donner niemals überwinden können. Hätte die Durchsage des Radiosenders sie auch nur ein paar Stunden früher ereilt, säße sie in diesem Augenblick in einem behaglichen Hotelzimmer und nicht am Steuer ihres Mietwagens, auf dem Weg zu einem …

Ohrenbetäubendes Donnergrollen ließ sie erneut erschaudern. Wenn sie doch nur endlich ihr Ziel erreichen würde! Allzu weit konnte es eigentlich nicht mehr sein. Vorausgesetzt natürlich, dass sie sich nicht hoffnungslos verfahren hatte. Und nach allem, was in den letzten Stunden schief gelaufen war, mochte sie darauf nicht wetten.

Es war lange her, dass sie zum letzten Mal in Schweden gewesen war – fast auf den Tag genau acht Jahre. Doch ihre Rückkehr in das Land, das sie beinahe ihre ganze Jugend lang als ihre Heimat betrachtet hatte, schien unter keinem guten Stern zu stehen. Zuerst war niemand am Flughafen erschienen, um sie, wie es verabredet gewesen war, abzuholen, und jetzt …

Hatte Mr. O'Brannagh es sich am Ende gar anders überlegt? Nein, daran durfte sie nicht mal denken. Alles, nur das nicht! Zu viel stand für sie auf dem Spiel. All ihre Hoffnungen und Sehnsüchte, ja, ihre ganze Zukunft. Bestimmt handelte es sich lediglich um ein dummes Missverständnis. Ja, so musste es einfach sein. Und glücklicherweise hatte sie ihr Ziel bald erreicht. Es konnte jedenfalls nicht mehr allzu weit sein bis …

Ein plötzliches Schlagen im Lenkrad des Volvos riss sie aus ihren Gedanken. Hastig trat sie auf die Bremse. Ein verhängnisvoller Fehler, wie sie einen Lidschlag später erkennen musste. Die Reifen blockierten auf der regennassen Fahrbahn, und Annie schrie gellend auf, als sie endgültig die Kontrolle über den Wagen verlor. Mit ungedrosselter Geschwindigkeit schoss der Volvo auf den tiefen Straßengraben zu.

Das Letzte, was Annie sah, war das Wasser, das wie ein reißender Strom durch die Rinne floss. Sie verspürte einen heftigen Ruck, danach wurde es schwarz um sie herum.

 

Stirnrunzelnd stand Grey am Fenster der Hütte und starrte hinaus in die Dunkelheit. Es war noch früh am Nachmittag, doch die Sonne lag hinter bleigrauen Gewitterwolken verborgen, die sich drohend am Himmel türmten. Seit Stunden regnete es nun schon ununterbrochen, und es bestand kaum Hoffnung, dass sich daran sehr bald etwas ändern würde.

Bei einem solchen Wetter jagte man nicht einmal einen Hund auf die Straße hinaus, und auch Grey selbst verspürte kein großes Verlangen, dem Sturm zu trotzen. Aber das seltsame Geräusch, das er vor ein paar Minuten vernommen zu haben glaubte, ließ ihm einfach keine Ruhe. Ein schrilles Kreischen, gefolgt von einem dumpfen Aufprall, fast wie ein Wagen, der …

Grey schüttelte den Kopf. Das war natürlich blanker Unfug. Niemand, der auch nur einen Funken gesunden Menschenverstand besaß, würde bei einem solchen Wolkenbruch über eine unbefestigte Straße fahren. Dummerweise waren ihm in seinem Leben bereits eine Menge Leute begegnet, die darüber eben nicht verfügten.

Mit einem resignierten Seufzen nahm er die Öljacke vom Haken an der Tür und streifte sie über. Wenn er sich schon den Naturgewalten aussetze, dann wenigstens in standesgemäßer Aufmachung.

Eisig schlug ihm er Wind ins Gesicht, als er aus der Hütte hinaus ins Freie trat. Grey fluchte unterdrückt. Was für ein Schwachkopf er doch war! Während eines solchen Unwetters vor die Tür zu gehen, grenzte an Wahnsinn. Aber wie konnte er einfach in die behagliche Wärme zurückkehren, ohne sich wenigstens zu vergewissern, dass sich nicht wirklich jemand in ernsthaften Schwierigkeiten befand?

1.

 

Als Annie erwachte, herrschte rund um sie herum vollkommene Stille. Sie schlug die Augen auf und sah sich neugierig um. Goldenes Sonnenlicht fiel durch das Fenster und zeichnete ein helles Rechteck auf den blank polierten Holzboden.

Wo bin ich?, fragte sie sich unwillkürlich, seltsamerweise wenig überrascht, sich in einer völlig fremden Umgebung wieder zu finden. Vielleicht lag es daran, dass sie sich auf eine merkwürdige Weise an diesem Ort geborgen fühlte.

Vorsichtig richtete sie sich auf. Holz. Eindeutig das dominierende Element des Raumes. Annie mochte Holz, hatte es schon immer gemocht. Holz war natürlich, lebendig. Kein anderes Material vermochte so sehr eine Atmosphäre der Behaglichkeit zu schaffen. Und hier schien tatsächlich fast alles aus Holz zu bestehen. Das Bett, in dem sie lag, der kleine Tisch in der Ecke, auf dem sich noch die Überreste eines kargen Frühstücks stapelten, und auch die Stühle und der rustikale Kleiderschrank, der beinahe eine gesamte Wand des Zimmers für sich einnahm.

Sie stand auf und trat ans Fenster. Trotz ihrer leichten Kopfschmerzen begannen ihre Augen zu leuchten. Über der dichten Bewölkung und dem heftigen Regen des Vortages hatte sie beinahe vergessen, wie atemberaubend schön die Landschaft Südschwedens war. Strahlend stand die Sonne am makellos blauen Himmel, an dem sich einige harmlose Schäfchenwolken tummelten. Annie bemerkte, dass sie sich gut zwei Meter über dem Erdboden befand. Vermutlich war es eine umgebaute Lagerhütte, in der sie Unterschlupf gefunden hatte. Die Bauweise auf Stelzen war typisch, denn so wurden ungebetene Gäste – Tiere aller Art – davon abhalten, sich über die Vorräte herzumachen.

Eine sattgrüne Wiese mit farbigen Tupfern aus Rittersporn, Butterblume und Löwenzahn erstreckte sich unter ihr bis an das Ufer eines Sees, der so blau und klar war, dass Annie am liebsten sofort darin eingetaucht wäre. Die Wasseroberfläche schillerte in allen Regenbogenfarben, und Annie lachte vergnügt auf, als mit einem Mal eine Forelle daraus hervorbrach, nur um dann mit einem eleganten Bogen wieder einzutauchen.

Zu gern hätte Annie mehr Zeit damit verbracht, die Schönheiten der unberührten Natur zu bewundern, doch zuvor musste sie erst einmal herausfinden, wo sie sich überhaupt befand. Und wie sie hierhergekommen war.

Gähnend streckte sie ihre steifen Glieder, atmete dann aber scharf ein, als ein stechender Schmerz durch ihren Oberarm zuckte. Mit der freien Hand rieb sie sich über die schmerzende Stelle und entdeckte einen Bluterguss, der sich von der Schulter bis fast hinunter zum Ellbogen erstreckte. Irritierenderweise hatte sie nicht den blassesten Schimmer, wo sie sich diese Verletzung zugezogen hatte.

Verflixt, was war hier eigentlich los?

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Inneren der Hütte zu. Es gab zwei Türen. Eine, direkt neben dem Fenster, führte ins Freie. Hinter der anderen vermutete Annie das Bad. Und eben jene zweite Tür öffnete sich in diesem Moment, und ein großer, breitschultriger Mann trat in den Raum. Er war damit beschäftigt, sein rabenschwarzes Haar mit einem Handtuch zu frottieren, doch das nahm Annie nur ganz am Rande wahr. Etwas anderes beanspruchte ihre Aufmerksamkeit viel mehr – dieser geradezu unverschämt gut gebaute Mann trug nämlich nicht mehr am Leib als enge Shorts!

Erst jetzt wurde Annie bewusst, dass auch sie selbst nur äußerst spärlich bekleidet war. Ihr Rock und die altmodische, hochgeschlossene Bluse hingen über dem Bettpfosten, sie hatte nicht mehr an als ein dünnes Hemdchen und einen Spitzenslip.

Sofort spürte sie, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Mit einem Satz war sie wieder im Bett und bedeckte sich hastig mit dem Laken.

Im Gegensatz zu ihr schien dem Unbekannten die Tatsache, dass er halbnackt vor ihr stand, nur wenig auszumachen.

Unbeeindruckt musterte er sie. „Schwarz, oder lieber mit Milch?“

Annie konnte ihn nur anstarren, doch er erwiderte ihren Blick ungerührt. Ihre Wangen schienen von innen heraus zu glühen.

Wie war sie nur in diese überaus merkwürdige Situation geraten?

„Ihren Kaffee“, wiederholte er, jetzt schon eine Spur ungeduldiger. „Trinken Sie ihn lieber schwarz oder mit Milch? Zucker habe ich keinen.“

„Ähm …“ Mühsam räusperte Annie sich. Ganz automatisch antwortete sie in derselben Sprache, in der er sie angesprochen hatte: Schwedisch. „Schwarz, bitte.“

„Na, wer hätte das gedacht? Sie kann tatsächlich sprechen.“

Annie blinzelte überrascht. „Wie bitte? Ich verstehe nicht.“

Er wandte sich ab, kehrte aber kurz darauf mit zwei Tassen Kaffee zurück, von denen er Annie eine in die Hand drückte. „Hier, trinken Sie. Und dann erzählen Sie mir, ob Sie irgendwelche Beschwerden haben. Ich habe Sie zwar heute Nacht schon einmal kurz untersucht, aber auf den ersten Blick schienen Sie keine schwereren Verletzungen davongetragen zu haben. Glücklicherweise, wie ich hinzufügen muss, denn es dürfte sich als recht schwierig erweisen, einen Arzt aufzutreiben, sollten Sie einen benötigen.“ Eine v-förmige Falte entstand zwischen seinen Brauen. „Dummerweise haben Sie Ihren Wagen nämlich nicht nur zielsicher im Straßengraben versenkt, Sie haben auch noch den Telefonmast umgefahren.“

Annie zuckte zusammen und hätte um ein Haar die Kaffeetasse fallen lassen, die sie jetzt so fest umklammerte, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. „Oh Gott!“, stöhnte sie und schloss die Augen – eine schlechte Idee, denn im selben Moment zuckten Bilder durch ihren Kopf, die sie am liebsten vergessen hätte. Ihr Wagen, der mit unverminderter Geschwindigkeit auf den Straßengraben zuraste. Der Aufprall, und danach … Sie schluckte schwer, als Übelkeit in ihr aufstieg. Stöhnend lehnte sie sich gegen die Rückwand des Bettes.

„Schon gut, Lady, das ist noch lange kein Grund, gleich in Ohnmacht zu fallen.“ Stirnrunzelnd trat er näher und musterte sie eindringlich. Offenbar hatte er ihre Reaktion gründlich missverstanden, denn schließlich seufzte er mürrisch und sagte: „Es dürfte offensichtlich sein, dass Sie Ihren Wagen nicht absichtlich zu Schrott gefahren haben. Allerdings ändert das nichts an der Tatsache, dass wir für wenigstens zwei Tage hier festsitzen. Die nächste größere Ortschaft befindet sich am anderen Ufer des Sees, und mein Boot hat sich anscheinend während des Sturms losgerissen. Wissen Sie, Sie können wirklich froh sein, dass ich gerade in der Nähe war. Wäre ich nicht zufällig Zeuge Ihres Unfalls geworden, hätten Sie da draußen wohl noch eine halbe Ewigkeit auf Hilfe warten können. Also, was ist nun? Kopfschmerzen? Übelkeit?“

Langsam schüttelte sie den Kopf, obwohl es sich um eine glatte Lüge handelte. Die Welt schien völlig aus den Fugen geraten zu sein. Das Zimmer um sie herum drehte sich wie ein verrückt gewordenes Jahrmarktkarussell. Doch es waren keine direkten Auswirkungen des Unfalls, sondern eher die Folgen eines leichten Schocks.

„Nein, nichts dergleichen“, murmelte sie schwach. „Es geht schon wieder.“

Er brummte etwas Unverständliches, ging zum Fenster und öffnete es. Langsam klärte sich Annies Blick, obwohl sie nicht sicher war, ob das wirklich etwas Positives war, denn dadurch hatte sie jetzt Gelegenheit, seine ansehnliche Kehrseite zu betrachten. Schon spürte sie wieder, wie ihre Wangen heiß wurden, und blickte beschämt zur Seite.

Klasse, Annie, du machst bestimmt gerade einen tollen Eindruck! Entweder läufst du knallrot an, oder du wirst kalkweiß. Prima Vorstellung!

Allerdings war ihr nicht ganz klar, warum es sie überhaupt interessierte, was er von ihr hielt. Okay, sie hatte in ihrem bisherigen Leben nicht besonders viele Erfahrungen mit Männern gemacht, doch für gewöhnlich konnte sie recht gut damit umgehen, wenn ihr einer über den Weg lief. Auch wenn es sich bei ihrem Gastgeber – Annie fiel beim besten Willen kein besseres Wort dafür ein – zugegebenermaßen um ein verdammt attraktives Exemplar der Spezies Mann handelte.

Fast war sie ein wenig überrascht darüber, dass sie das überhaupt zur Kenntnis nahm. Ihre neunzehnjährige Schwester Stephanie hatte einmal zu ihr gesagt, was Männer betraf, habe sie, Annie, Scheuklappen auf. Und so ungern sie sich das auch eingestehen wollte, in dieser Hinsicht hatte Steph sicher nicht ganz unrecht.

Bei dem Gedanken schob Annie trotzig das Kinn vor. Was hatte sie denn schon groß verpasst? Doch allenfalls unbeholfene Annäherungsversuche auf dem Rücksitz von Brant Mathesons' Vauxhall. Trotzdem hatten die Worte ihrer Schwester ihr wehgetan. War ein bisschen Respekt wirklich zu viel verlangt, nachdem sie für Steph und die Zwillinge auf so vieles verzichtet hatte?

„Es ist ganz schön unhöflich, jemanden so anzustarren, wissen Sie das eigentlich? Allerdings würde es mir, für den Fall, dass ich an weiblicher Gesellschaft interessiert wäre, ziemlich zu schaffen machen, dass Sie direkt durch mich hindurchzuschauen scheinen, Lady.“

„Annie.“

Er hob eine Braue. „Wie bitte?“

„Mein Name ist Annie.“

Anstatt ihr, wie man es eigentlich hätte erwarten können, die Hand zu reichen, verschränkte er die Arme vor der Brust. Für einen Moment schien er tatsächlich zu überlegen, ob er ihr das Geheimnis seines Namens wirklich preisgeben sollte, ehe er sich schließlich doch dazu durchringen konnte. „Sie können mich Grey nennen.“

Wie überaus gütig von ihm, dachte sie leicht verstimmt, ließ sich aber nichts anmerken. Sie atmete tief durch und räusperte sich. Angestrengt überlegte sie, was sie sagen konnte, um das angespannte Schweigen zwischen ihnen zu beenden. Doch obwohl es sicherlich mindestens eintausend Dinge gab, die sie unbedingt in Erfahrung bringen musste, war ihr Kopf augenblicklich wie leergefegt.

Himmel, konnte er sich nicht endlich etwas Anständiges anziehen? Der Anblick seiner muskulösen Oberschenkel in den schwarzen Shorts ließ ihren Mund trocken werden und wurde nur noch getoppt durch den durchtrainierten Oberkörper, um den ihn so mancher Bodybuilder beneidet hätte.

Was war bloß mit ihr los? Hatte ihr Kopf bei dem Unfall mit ihrem Wagen vielleicht doch mehr Schaden genommen, als sie zunächst angenommen hatte?

Plötzlich fiel ihr etwas ein, das er vor ein paar Minuten zu ihr gesagt hatte. Erst jetzt sickerte die Botschaft seiner Worte langsam in ihr Bewusstsein.

Erschrocken blickte sie ihn an. „Meinten Sie das vorhin ernst? Dass wir hier festsitzen?“

Grey nickte schlicht.

„Aber das geht nicht!“ Schlagartig wurde Annie blass, als ihr klar wurde, was das bedeutete. Ihre Zukunft, ihre Pläne! Sie fühlte sich, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Sie hatte die einmalige Chance bekommen, ihr Leben zu verändern. Eine Gelegenheit wie diese bot sich ihr mit Sicherheit so schnell nicht wieder. Aber was würde es für einen Eindruck machen, wenn sie nun gleich mit mehreren Tagen Verspätung an ihrem Bestimmungsort eintraf? Grundgütiger, sie konnte ja nicht einmal jemanden erreichen, um ihre Unpünktlichkeit zu erklären!

Flehend blickte sie Grey an. „Bitte, gibt es denn gar keine Möglichkeit, von hier wegzukommen? Haben Sie kein Handy oder vielleicht ein Funkgerät?“

„Vergessen Sie es. Mobiltelefone funktionieren hier draußen nicht, und ein Funkgerät besitze ich nicht. Es wird uns also nichts anderes übrig blieben, als abzuwarten. Selbstverständlich steht es Ihnen frei, sich bis zur nächsten größeren Straße durchzuschlagen und dort zu warten, bis mal zufällig ein Wagen vorbeikommt, aber wenn Sie mich fragen, käme das schon einem Wunder gleich.“

„Und was ist mit Ihrer Freundin? Die wird doch bestimmt nicht begeistert sein, dass eine wildfremde Frau hier gemeinsam mit Ihnen in der Hütte übernachtet.“

Annie hatte geredet, ohne großartig darüber nachzudenken. Doch Greys eisiger Blick ließ sie ahnen, dass sie mitten in ein Fettnäpfchen getreten war.

„Glauben Sie mir, niemand, der mich kennt, wird deshalb auf dumme Gedanken kommen“, erwiderte er kühl. „Mich selbst eingeschlossen. Außerdem kann ich Ihnen versichern, dass ich den dummen Zufall, der Sie und mich in dieser unmöglichen Situation zusammengeführt hat, mindestens ebenso sehr bedauere wie Sie, Annie.“

Mit diesen Worten nahm er eine ziemlich verblichene Jeans aus dem Schrank, zog sie an und stapfte dann zur Tür hinaus, die mit einem solchen Knall ins Schloss fiel, dass Annie zusammenzuckte. Ein paar Minuten später hörte sie das gleichmäßige Geräusch einer Axt, die in einen Holzscheit geschlagen wurde.

So langsam wurde Annie klar, dass die Tage, die sie in Greys Gesellschaft würde verbringen müssen, verdammt lang werden konnten. Und er schien nicht das geringste Interesse zu haben, es ihr für die Dauer ihres Aufenthalts einfacher zu machen. Ganz im Gegenteil sogar. Grey mochte aussehen wie griechischer Gott, doch er führte sich auf wie ein ziemlicher Widerling. Klipp und klar hatte er ihr eben ins Gesicht gesagt, dass ihre Anwesenheit ihm ein Dorn im Auge war. Am liebsten hätte sie ihm für sein unhöfliches Verhalten gründlich die Meinung gesagt, auch wenn sie ihm natürlich dankbar dafür war, dass er sie nach dem Unfall aus ihrem Wagen gerettet hatte. Dummerweise war sie dazu jedoch viel zu schüchtern und gehemmt.

Seufzend erhob sie sich und nahm ihre Kleidungsstücke von der Stuhllehne. Wahrscheinlich hatte Grey recht, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich mit einer mehrtägigen Verzögerung ihrer Reise abzufinden. Ärgerlich vor allem deshalb, weil sie ihrem Ziel bereits so nahe gewesen war. Doch ohne Boot oder Auto, zudem in einer Gegend, in der sie sich nicht auskannte … Nein, sie würde das Beste aus dieser unerfreulichen Situation machen müssen.

Annies Blick fiel auf die Badezimmertür. Plötzlich sehnte sie sich nach einer heißen Dusche, um ihre Lebensgeister zu wecken. Ja, das wäre jetzt genau das Richtige.

 

Zack … Zack …

Mit zusammengebissenen Zähnen hob Grey die Axt und hieb ein weiteres Mal auf das bereits arg malträtierte Holzstück ein. Vergeblich versuchte er, sich selbst einzureden, dass er nur aus einem Grund hier draußen war: um ausreichend Brennholz für Kamin und Ofen der Hütte zu beschaffen. In Wahrheit allerdings war es mehr eine Flucht vor Annie und ihrer seltsam verstörenden Nähe.

Frustriert trieb er das scharfe Axtblatt tiefer ins Holz. Verdammt, warum musste ausgerechnet ihm so etwas passieren? Schweißüberströmt legte er das Beil ab und wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. Er wollte diese Frau nicht bei sich haben. Nicht hier in seiner Hütte und auch sonst nirgends in seinem Leben. Das galt im Übrigen auch für jedes andere weibliche Wesen auf diesem Planeten. Warum hatte das Schicksal sie ausgerechnet auf seiner Türschwelle stranden lassen?

Er nahm das Beil wieder auf und fuhr damit fort, den unschuldigen Baumstumpf zu Kleinholz zu verarbeiten. Schwere körperliche Arbeit war für Grey immer ein Mittel gewesen, um sich von Dingen abzulenken, über die er lieber nicht nachdenken wollte. Diesmal allerdings half es nicht. Aus unerfindlichen Gründen gelang es ihm nicht, Annie aus dem Kopf zu bekommen. Aber warum bloß?

Mit einem leisen Fluch schüttelte er den Kopf, schloss die Augen und atmete tief durch. Im Grunde war sie nicht einmal sein Typ. Grey bevorzugte für gewöhnlich rassige Frauen. Die Kombination blond und blass war ihm nie besonders reizvoll erschienen. Doch auf eine seltsame Art und Weise fühlte er sich trotzdem zu ihr hingezogen.

Dumm. Lästig. Riskant. All diese Attribute trafen auf die Regungen zu, die diese Frau in ihm hervorrief. Nachdem er sie aus ihrem Wagen gezogen und zu seiner Hütte gebracht hatte, war ihm nichts anderes übrig geblieben, als ihr sein Bett zu überlassen. Zuvor allerdings hatte er sie aus ihrer völlig durchnässten Kleidung befreien müssen, und das war ihm wesentlich mehr unter die Haut gegangen, als es eigentlich hätte sein dürfen.

Allein der Gedanke daran, wie seine Hand ihre nackten Schenkel gestreift hatte, als er ihr den Rock auszog – natürlich nur, damit sie sich keine Lungenentzündung einfing – ließ ihn erneut in Schweiß ausbrechen. Und die Erinnerung an ihr süßes, kehliges Seufzen, das sie bei seiner Berührung ausgestoßen hatte, ließ ihm heiße und kalte Schauer zugleich den Rücken hinunterrieseln. Ihre Haut war herrlich warm und samtig gewesen, und …

Nein, das war nun wirklich das Letzte, über das er nachdenken sollte. Allerdings war er auch nur ein Mann, und nach langen Monaten der Enthaltsamkeit wäre wohl beinahe jede Frau attraktiv genug gewesen, um seine Fantasie anzuregen. Zum Teufel, er war kein Roboter, natürlich sehnte auch er sich hin und wieder nach gutem, ehrlichem Sex. Allerdings war er nicht bereit, sich dafür der Arglist und Tücke einer Frau auszusetzen. Seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es, war man ihnen einmal ins Netz gegangen, verflixt schwer war, sich aus dem klebrigen Gespinst zu befreien, das sie um einen herum woben.

Nein danke, dachte Grey und ließ die Axt ein weiteres Mal niedersausen. So groß konnte seine Sehnsucht gar nicht sein, dass er dieses Risiko noch einmal eingehen würde.

Als er schließlich in die Hütte zurückehrte, verriet ihm das Geräusch von rauschendem Wasser, das durch die geschlossene Badezimmertür drang, dass Annie ganz offensichtlich unter der Dusche stand. Ärgerlich runzelte er die Stirn, fragte sich aber im nächsten Moment auch schon wieder, was ihm eigentlich nicht passte.

Lag es wirklich allein daran, dass sie ihn nicht um Erlaubnis gefragt hatte? Nein, ganz so einfach lagen die Dinge nicht. Vielmehr kreidete er ihr die Tatsache an, dass sie es scheinbar mühelos schaffte, seine Gedanken in gefährliche Gewässer abdriften zu lassen. Im Augenblick zum Beispiel reichte bereits die Vorstellung aus, wie sie unter dem heißen Wasserstrahl …

Reiß dich zusammen! Grey atmete tief durch und versuchte, sich auf irgendetwas zu konzentrieren, das ihn von Annie und der von ihr ausgehenden Verlockung ablenkte. Es half alles nichts. Stöhnend ließ er sich in den alten Lehnsessel fallen, der der Badezimmertür gegenüber stand. Diese Frau war ganz eindeutig schädlich für seinen Seelenfrieden.

Grey wartete. Fünf Minuten. Zehn. Mit wachsender Ungeduld starrte er auf die Tür, so als könne er sie durch pure Willenskraft dazu bewegen, sich zu öffnen. Natürlich geschah nichts dergleichen. Weitere zehn Minuten verstrichen, ehe das Plätschern plötzlich verstummte. Kurz darauf trat Annie aus dem Bad. Sie trug Greys alten Frotteebademantel. Verdammt, er hätte es niemals für möglich gehalten, dass eine Frau darin so unglaublich sexy wirken könnte!

Es war einfach unfair. Jeder andere Mensch hätte nach einer so ausgiebigen Dusche völlig runzelig ausgesehen. Nicht so Annie. Grey schluckte hart. Das lange goldblonde Haar war noch feucht und kräuselte sich ein wenig. Sie trug jetzt kein Make-up mehr – und hatte es auch gar nicht nötig, wie Grey feststellte. Ganz im Gegenteil. Ihre Natürlichkeit wurde hierdurch sogar noch unterstrichen.

„Das wurde aber auch Zeit“, sagte er schroff, doch selbst in seinen Ohren klang seine Stimme verdächtig rau.

Glücklicherweise schien Annie nichts bemerkt zu haben. „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen“, sagte sie und lächelte schüchtern. „Es war einfach herrlich. Wäre das Wasser am Ende nicht plötzlich kalt geworden, ich hätte noch ewig …“

„Na fabelhaft“, fiel Grey ihr barsch ins Wort. „Es sollte Ihnen auch besser gefallen haben, denn es war wohl vorerst das letzte Mal, dass Sie meine Dusche benutzt haben. Dasselbe gilt übrigens auch für mich – Sie haben den gesamten Wasserspeicher mit einem Schlag aufgebraucht.“

Sie senkte den Blick. „Oh, das tut mir leid.“ Doch dann schüttelte sie den Kopf und schaute ihn direkt an. „Allerdings finde ich dennoch, dass Sie ruhig ein wenig freundlicher zu mir sein könnten. Ich habe einen Fehler gemacht, das gebe ich zu – aber es ist schließlich nicht mit böser Absicht geschehen.“

Verdammt, diese Frau hatte etwas an sich, das ihn schier zur Weißglut trieb. „Jetzt hören Sie mir mal zu, ja? Ich habe Sie nicht hierher zu mir eingeladen, wenn ich mich nicht irre. Ganz im Gegenteil. Ich wäre froh gewesen, wenn sie niemals auch nur einen Fuß in diese Hütte gesetzt hätten! Dummerweise hat meine Mutter mich zu gut erzogen, als dass ich eine bewusstlose Frau während eines Unwetters unter freiem Himmel zurücklassen würde. Aber mehr können Sie wirklich nicht von mir erwarten!“

Annie starrte ihn an wie vom Donner gerührt. „Sie … Sie sollten sich was schämen! Wirklich, ich kann nicht behaupten, dass Ihre Mutter bei Ihrer Erziehung ganze Arbeit geleistet hätte! Ein Gentleman ist aus Ihnen jedenfalls nicht geworden.“

„Lassen Sie meinen Mutter aus dem Spiel“, fuhr Grey sie an. „Sie können froh sein, dass ich mich nicht entschlossen habe, Sie im Straßengraben zurückzulassen, Gnädigste. Eine Entscheidung, die ich inzwischen selbst zutiefst bedauere.“

Seine barschen Worte taten ihm im nächsten Moment auch schon wieder leid, doch es war zu spät, sie zurückzunehmen. Annie feuerte wütende Blicke auf ihn ab.

„Oh, Sie …!“

Dann drängte sie sich an ihm vorbei und stürmte aus der Hütte.

2.

 

Es dauerte eine Weile, bis Annie sich unter Kontrolle hatte. Dann aber verfluchte sie sich auch schon wieder dafür, sich so kindisch aufgeführt zu haben. Sie schüttelte den Kopf. Einfach so wegzulaufen, noch dazu lediglich in einen alten Bademantel gehüllt … Eigentlich sollte sie aus dem Alter für solch impulsive Reaktionen längst heraus sein. Verflixt, seit wann war sie so ein erbärmlicher Feigling?

Ärgerlich wischte sie sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. Sicher, Grey verhielt sich nicht gerade wie der perfekte Gentleman, doch er hatte sie aus einer Notsituation gerettet und danach bei sich aufgenommen. Durfte sie wirklich noch mehr von ihm erwarten? Nein, das durfte sie nicht. Dieser Mann hatte bereits mehr als genug für sie getan, und das, obwohl ihm ihre Gesellschaft ganz offenkundig nicht behagte.

Seufzend ließ Annie sich ins feuchte Gras sinken, lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stamm einer Birke und ließ ihren Blick über den See schweifen, der sich glatt wie ein polierter Spiegel vor ihr erstreckte. Das Wasser war so kristallklar, dass man ungehindert bis zum Grund sehen konnte. Erst jetzt fiel ihr auf, wie friedlich und wunderschön dieser Platz war, an dem sie sich befand.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm sie eine huschende Bewegung wahr. Rasch blickte sie zur Seite. Auf dem Ast einer Weide, der tief über dem Wasser hing, saß ein kleiner, leicht gedrungen wirkender Vogel.

„Ein Eisvogel“, murmelte Annie und hielt ehrfürchtig den Atem an. Ihr war klar, dass es sich um einen einmaligen Glücksfall handelte, diesen wunderschön gefärbten Vogel entdeckt zu haben, nicht nur, weil er vielerorts bereits vom Aussterben bedroht oder ganz verschwunden war. Trotz seiner auf den ersten Blick beinahe auffällig bunten Färbung passte er sich nämlich hervorragend an seine Umgebung an. Auf einem Baum sitzend war er, dank seiner orangebraunen Unterseite, beinahe unsichtbar. Dasselbe galt für seinen leuchtend türkisfarbenen Rücken, der mit der Wasseroberfläche verschmolz, wenn er über diese hinwegjagte.

In diesem Moment vernahm Annie einen lauten, durchdringenden Pfiff, und gleich darauf stürzte sich der Eisvogel von seinem Platz hinunter, durchstieß wie ein Pfeil die Wasseroberfläche. Wenige Sekunden später tauchte er, seine Beute sicher im Schnabel, wieder auf und flog davon.

Obwohl sie viele Jahre in Schweden gelebt hatte, war es doch das erste Mal, dass Annie einen Eisvogel in der freien Natur hatte beobachten können. Ein Erlebnis, das sie so schnell nicht vergessen würde – und das sie zudem davor bewahrt hatte, weiter in Selbstmitleid und Melancholie zu versinken.

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, und sie schüttelte den Kopf. Kaum zu glauben, doch sie fühlte sich mit einem Mal viel besser. Die Sorgen und Probleme, die ihr noch vor wenigen Augenblicken unlösbar und erdrückend erschienen waren, kamen ihr plötzlich klein und nichtig vor.

Von frischer Energie erfüllt, erhob sie sich von ihrem Platz unter der hohen Birke. Kurz schloss sie die Augen, nahm das Rauschen des Windes in den Baumkronen und das allgegenwärtige Zwitschern der Vögel in sich auf. Sie spürte die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut und sog tief den würzigen, leicht erdigen Duft ihrer Umgebung ein.

Dies war das Paradies. So lange Zeit hatte sie sich danach gesehnt, eines Tages hierher zurückzukehren. Jetzt war es soweit. Sie war nach Hause gekommen.

Schon immer hatte sie Schweden als ihre wahre Heimat betrachtet. Hier war sie aufgewachsen, hier hatte sie die glücklichste Zeit ihres Lebens verbracht. Sie war vierzehn und todunglücklich gewesen, als sie gemeinsam mit ihrer Familie nach England zurückkehrte – oder besser gesagt mit dem, was von ihrer Familie noch übrig geblieben war. Heute wusste sie, dass ihre Mutter keine andere Wahl gehabt hatte. Damals jedoch …

Vielleicht hatte sie unbewusst auch deshalb so rasch zugesagt, als sich ihr nun die Möglichkeit geboten hatte, in das Land ihrer Jugend zurückzukehren. Es schien ihr geradezu bestechend logisch, dass sie an jenem Ort neu anfangen wollte, an dem sie schon einmal glücklich gewesen war.

War es wirklich erst knapp sechsunddreißig Stunden her, seit sie auf dem Flughafen von Stockholm angekommen war? Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. So viel hatte sich seitdem verändert. Sie war so optimistisch, so voller Hoffnungen gewesen. Es durfte nicht sein, dass dieser dumme Unfall jetzt alles zunichtemachte.

Wie lange hatte sie davon geträumt, endlich ein neues Leben anzufangen. Ein Leben, in dem sie selbst – ihre Bedürfnisse, ihre Wünsche und Träume – an erster Stelle standen und nicht ausschließlich das Wohl ihrer Familie. Nach der Schule hatte sie ihre Ausbildung in einer Londoner Firma begonnen, die auf die Herstellung von Automobilteilen spezialisiert war. Sie hatte sich sehr schnell hochgearbeitet, doch als das Unternehmen seinen kompletten Standort ins Ausland verlegt hatte, war für Annie kein Platz mehr gewesen. Das hatte sie ziemlich getroffen, aber sie hatte den Kopf nicht in den Sand gesteckt sondern die Zeit genutzt, um sich fortzubilden. Als man ihr schließlich den Job bei Montague O'Brannagh anbot, war ihr sofort klar gewesen, dass sie diese Chance ergreifen musste. O'Brannagh leitete ebenfalls eine Firma, die Automobilteile herstellte. Qualitativ lag das Unternehmen weit über der Konkurrenz, Grund war ein neues Herstellungsverfahren, das O'Brannagh selbst entwickelt hatte. Annie würde sich nicht nur um jede Menge Papierkram kümmern müssen, ihr Aufgabengebiet konzentrierte sich vor allem auf vertragliche und rechtliche Angelegenheiten. Mit ihrem neuen Job war also eine ziemliche Verantwortung verbunden, weshalb sie sich voll und ganz in die Arbeit würde knien müssen.

Sie dachte daran, was Stephanie bei ihrer Abreise zu ihr gesagt hatte: „Mach‘s gut, Schwesterherz – in spätestens drei Monaten sehen wir uns wieder.“

Drei Monate. Über diesen Zeitraum war sie vertraglich an Montague O'Brannagh gebunden – und er an sie. Es handelte sich um eine Art Probezeit, ausgehandelt, um für beide Parteien eine gewisse Sicherheit zu gewähren. Innerhalb dieser drei Monate hatte sie die Gelegenheit, O'Brannagh davon zu überzeugen, dass sie die Richtige für den Job seiner persönlichen Sekretärin war.

Annie schauderte bei dem Gedanken daran, dass ihr großes Abenteuer vielleicht schon beendet war, ehe es überhaupt richtig angefangen hatte. Gut möglich, dass Mr. O'Brannagh sich bereits nach einer anderen Sekretärin umgesehen hatte. Dass sie bisher aus gutem Grund nicht aufgetaucht war, konnte er schließlich nicht ahnen. Verflixt, sie konnte ihm ja nicht einmal eine Nachricht zukommen lassen! Und wenn kein Wunder geschah, war sie vielleicht noch für mehrere Tage von der Außenwelt abgeschnitten.

Plötzlich machte sie die Tatsache nervös, dass sie Montague O'Brannagh bisher nicht persönlich kennengelernt hatte. Alles, was sie über ihn wusste, hatte sie entweder aus Zeitungen und Magazinen oder von Onkel Phil. Sie wusste ja nicht einmal, wie er aussah, denn er schien recht pressescheu zu sein. Berichte über ihn gab es massenhaft, doch Annie war nicht auf ein einziges Foto gestoßen, auf dem er abgebildet war.

Phileas York, der eigentlich nicht ihr richtiger Onkel war, sondern vielmehr ein guter Bekannter ihrer Mutter, war es auch gewesen, der ihr den Job vermittelt hatte. Sowohl sie als auch ihr neuer Arbeitgeber hatten sich blind auf seine Einschätzung verlassen. Armer Onkel Phil, dachte Annie deprimiert. Sicher hat er sich schon einiges anhören müssen, weil er Mr. O'Brannagh eine so unzuverlässige Kraft empfohlen hat.

Für einen Moment starrte Annie trübsinnig ins Leere, dann straffte sie die Schultern. Es half nichts, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die sie ohnehin nicht ändern konnte. Jetzt galt es zunächst, mit der gegenwärtigen Situation zurechtzukommen. Sie musste versuchen, die Launen dieses reizbaren Mannes mit Engelsgeduld über sich ergehen zu lassen. Dieses Abenteuer würde schließlich allenfalls noch ein paar Tage dauern. Und bis dahin sollte es ihr irgendwie gelingen, sich mit Grey zu arrangieren. Schließlich war sie eine erwachsene Frau und kein Kind mehr.

Und wenn das alles hier vorbei war, würde sie endlich ihre neue Stelle antreten. Sofern sie dann überhaupt noch eine hatte.

Entschlossen, sich Grey gegenüber nur noch von ihrer besten Seite zu zeigen, kehrte Annie um. Sie war kaum mehr als ein paar Schritte weit gekommen, als sie feststellte, dass sie sich verlaufen hatte. Ängstlich drehte sie sich einmal um die eigene Achse. Bäume, soweit das Auge reichte. Dunkel und drohend schienen sie mit einem Mal vor ihr aufzuragen. Annie schluckte schwer. In was für eine Situation hatte sie sich da bloß wieder hineinmanövriert?

 

„Diese Frau treibt mich noch in den Wahnsinn!“, stieß Grey gepresst hervor, warf erneut einen Blick aus dem Fenster und setzte dann seinen Gang durch die Hütte fort. Er fühlte sich unruhig wie ein Tiger im Käfig.

Nachdem Annie davongelaufen war, hatte es nicht lange gedauert, bis er begonnen hatte, sich Sorgen zu machen. Nicht, dass er sich das selbst gegenüber jemals eingestanden hätte, nein. Aber er hatte Annie nun einmal gerettet, und damit fühlte er sich irgendwie auch für sie verantwortlich. Und nur aus Pflichtbewusstsein, und aus keinem anderen Grund sonst, spielte er jetzt mit dem Gedanken, die Gegend im Umkreis seiner Hütte nach ihr abzusuchen. Doch das machte wenig Sinn, da er keine Ahnung hatte, in welche Richtung er sich wenden sollte.

„Verflucht, Annie!“

Er zog seine Jacke über und trat aus der Hütte. Nicht, dass er hier draußen mehr ausrichten konnte als drinnen. Es gab überhaupt so gut wie nichts, was er tun konnte. Aber hier habe ich wenigstens mehr Platz zum Auf- und Ablaufen, dachte er ironisch.

Gereizt warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Ungefähr zum zwanzigsten Mal innerhalb der letzten halben Stunde. Verdammt, eigentlich hatte er sie längst zurück erwartet. Welche halbwegs klar denkende Frau lief schon freiwillig durch die Wälder, wenn sie lediglich mit einem alten Herrenbademantel bekleidet war? Zugegeben, die Gefahr, von irgendjemandem – abgesehen von einem Elch oder einem Reh – gesehen zu werden, war relativ gering. Und trotzdem …

Zum Teufel mit dieser Frau, er hatte von Anfang an gewusst, dass sie nur Ärger machen würde. Er sollte sie einfach sich selbst überlassen, schließlich war es nicht seine Schuld, dass sie einfach davongelaufen war. Nun, jedenfalls war es nicht allein seine Schuld.

Seufzend schüttelte er den Kopf. Natürlich würde er nichts dergleichen tun, dazu war er gar nicht im Stande. Er hatte noch niemals jemanden im Stich gelassen, der seine Hilfe benötigte. Und wenn sie nicht innerhalb der nächsten Viertelstunde auftauchte, würde er wohl oder übel nach ihr suchen müssen.

Er nahm einen der glatt polierten Kieselsteine auf, die am Seeufer lagen, und warf ihn geschickt so ins Wasser, dass er über die spiegelblanke Oberfläche glitt, ehe er schließlich versank.

Versonnen stand Grey da und starrte hinaus auf den See. Für einen Moment drifteten seine Gedanken ab, zurück in die Vergangenheit, und eine große Traurigkeit erfüllte ihn.

Jemand hatte ihm einmal gesagt, dass er der loyalste und integerste Mensch auf der ganzen Welt sei, und Grey hatte sich in seiner grenzenlosen Naivität über dieses Kompliment gefreut. Kurze Zeit später jedoch hatte derselbe Jemand ihm auf brutale Weise klar gemacht, dass diese Eigenschaften zugleich auch seine größten Schwächen waren.

Doch Grey hatte aus seinem Fehler gelernt. Er würde nicht zulassen, dass die Vergangenheit sich wiederholte. Niemals. Denn was damals geschehen war, hatte nicht nur ihn für immer verändert, sondern auch noch ein weiteres, vollkommen unschuldiges Leben zerstört. Leben, für dessen Vernichtung Grey sich noch immer verantwortlich fühlte, obwohl er wusste, dass er es nicht hätte verhindern können.

Das hätte nur Joanna gekonnt.

Joanna.

Schaudernd zwang er seine Gedanken zurück in die Gegenwart. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um schmerzhaften Erinnerungen nachzuhängen. Die Vergangenheit ließ sich nicht ändern, so sehr man es sich manchmal auch wünschte, dessen war Grey sich bewusst. Und irgendwo da draußen war Annie und ängstigte sich wahrscheinlich halb zu Tode.

Sie war nicht für das verantwortlich, was in seiner Vergangenheit geschehen war. Sie war nicht Joanna. Und doch löste sie Gefühle in ihm aus, die er nicht zuordnen konnte, und die ihm eine Heidenangst einjagten.

 

Annie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Es kam ihr vor, als würde sie schon seit einer halben Ewigkeit orientierungslos durch die Gegend laufen. Vielleicht waren es aber auch erst wenige Stunden. Sie wusste es nicht.

Seltsam. Der Wald war ihr längst nicht so düster und bedrohlich erschienen, als ihr noch nicht klar gewesen war, dass sie sich verlaufen hatte. Nun aber zuckte sie bei jedem Geräusch zusammen und erschreckte sich sogar vor ihrem eigenen Schatten.

Es begann langsam zu dämmern, und mit der Sonne verschwand auch die Wärme. Es wurde kalt. Fröstelnd schlang Annie sich den Bademantel enger um den Leib und versuchte, nicht die Nerven zu verlieren. Panik war jetzt wirklich das Allerletzte, das sie gebrauchen konnte.

„Komm schon, so weit kann es ja nicht mehr sein“, murmelte sie, wie um sich selbst Mut zuzusprechen. Es half nicht viel. Sie befand sich in einem fremden Land, in einer ihr vollkommen unbekannten Umgebung, über die sie nur eines wusste: Außer der Hütte, in der Grey und sie Unterschlupf gefunden hatten, gab es im näheren Umkreis keine weiteren Ansiedlungen.

Es war ein dummer Fehler gewesen, einfach so wegzulaufen, das war ihr jetzt klar. Ebenso wie die Entscheidung, durch den Wald zu gehen, anstatt sich am Ufer des Sees zu halten. Wäre sie in der Nähe des Wassers geblieben, hätte sie früher oder später von allein auf die Hütte stoßen müssen. So aber hatte sie vollkommen die Orientierung verloren. Alles sah gleich aus. Überall nur Bäume, Sträucher und Büsche. Nichts, woran sie hätte erkennen können, in welche Richtung sie sich wenden musste.

Ruhig bleiben, beschwor sie sich. Jetzt nur nicht durchdrehen …

Doch das war leichter gesagt als getan. Ihr wurde ganz übel bei dem Gedanken, die Nacht hier draußen im Wald verbringen zu müssen. Ob Grey wohl nach ihr suchte? Wahrscheinlich. Doch wie hoch waren die Chancen, dass er sie tatsächlich fand?

Suchend blickte sie sich um. Und dann erblickte sie durch eine Lücke im Unterholz die Straße. Annie glaubte ihren Augen nicht trauen zu können. Sie lief los, und als sie die Straße erreichte, hätte sie am liebsten den Asphalt zu ihren Füßen küssen mögen. Das Schicksal hatte also doch ein Einsehen mit ihr! Jetzt musste sie nur noch darauf warten, dass ein Wagen vorbei kam, um sie in die nächste Ortschaft mitzunehmen. Dann würde sie endlich Mr. O'Brannagh anrufen und die ganze Sache erklären können. Vielleicht hatte er ja ein Einsehen, und sie würde die Stelle trotz allem antreten können.

 

Die Sonne versank am Horizont. Zitternd begann Annie auf und abzulaufen, um sich warm zu halten. Es half nicht viel. Verflixt! Hatte sie von allen Straßen ausgerechnet auf der am wenigsten befahrenen ganz Schwedens landen müssen? Was sollte sie nun tun? Natürlich konnte sie versuchen, sich zu Fuß bis zum nächsten Ort durchzuschlagen. Leider wusste sie jedoch weder, in welche Richtung sie sich wenden musste, noch, wie weit die nächste Ansiedlung entfernt war.

Es blieb ihr also kaum etwas anderes übrig, als abzuwarten. Sie musste an Greys Worte denken, dass es einem Wunder gleich käme, hier auf einen Wagen zu stoßen. Aber vielleicht hatte sie ja zum ersten Mal seit sie in Schweden angekommen war einmal das Glück auf ihrer Seite, und das Wunder trat wirklich ein.

Stunden schienen vergangen zu sein, ehe Annie aus weiter Entfernung das Leuchten von Scheinwerfern erblickte. Erleichtert atmete sie auf. Die Rettung war nah.      

Hastig rappelte sie sich auf, lief auf die Mitte der Straße und gestikulierte wild mit den Armen. Sie wusste, dass sie einen schrecklichen Anblick bieten musste. Vor einer Weile hatte es zu nieseln begonnen, und das Haar klebte ihr in feuchten Strähnen im Gesicht. Der Bademantel, den sie in Ermangelung anderer Kleidung noch immer trug, war mit Flecken übersät und an einigen strategisch ungünstigen Stellen zerrissen. Doch sie hatte Glück. Der Fahrer des entgegenkommenden Wagens musterte sie zwar mit unverhohlener Neugier, doch er hielt immerhin an.

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte er auf Schwedisch.

Für einen kurzen Augenblick wanderten Annies Gedanken zu Grey. Sollte sie nicht irgendeinen Weg finden, ihm Bescheid zu geben, dass mit ihr alles in Ordnung war? Sie wollte nicht, dass er sich unnötig Sorgen um sich machte ... Doch dann schüttelte sie den Kopf. Ach was, beschloss sie. Er wird es schon verkraften. Außerdem hatte sie jetzt Wichtigeres zu tun: Sie musste sich so schnell wie möglich mit Mr. O'Brannagh in Verbindung setzen. Alles andere konnte warten.

Dankbar nickte sie dem Fahrer zu und stieg in den Wagen.

3.

 

Wie sich herausstellte, handelte es sich bei dem freundlichen jungen Mann, der Annie aufgelesen hatte, um Lasse Magnusson, den Juniorchef der örtlichen Autowerkstatt. Nachdem er sich den Wagen angesehen hatte, der noch immer im Straßengraben steckte, hatte er Annies Gepäck in den Kofferraum geladen und sie kurzerhand mit zu sich in die Werkstatt genommen.

Während sie sich auf der Damentoilette behelfsmäßig zurechtmachte, kümmerte Magnusson sich um die Formalitäten mit der Autovermietung in Stockholm und der Versicherung. Als der ganze Papierkram endlich erledigt war, bat Annie den jungen Mann von der Reparaturannahme, ein Telefonat führen zu dürfen. Mit zitternden Fingern wählte sie die Nummer des Büroanschlusses ihres neuen Arbeitgebers. Niemand meldete sich. Nach dem zehnten Klingeln legte sie schließlich auf.

„Gibt es eine Möglichkeit, irgendwo einen anderen Wagen zu bekommen? Eine Autovermietung gibt es hier wohl nicht, oder?“

Magnusson lächelte bedauernd. „Tut mir leid, aber damit können wir hier in Sjönderby leider nicht dienen. Übrigens, Ihr Schwedisch ist wirklich exzellent. Fast ohne Akzent. Woher kommen Sie? Amerika? England?“

Annie lachte. „England. Hört man das so deutlich?“

„Nein, ich habe einfach geraten. Was hat Sie hierher verschlagen? Machen Sie Urlaub in Schweden?“

„Nein, das nicht.“ Annie schüttelte den Kopf. „Ich bin auf beruflichen Gründen hier. Deshalb brauche ich auch so dringend einen fahrbaren Untersatz. Ich bin ohnehin schon viel zu spät dran, ich kann meinen neuen Chef unmöglich noch länger warten lassen.“

Überrascht hob Magnusson eine Braue. „Sie arbeiten hier in der Gegend? Wo denn?“

„Ich bin Mr. O'Brannaghs neue Sekretärin“, erklärte sie, nicht ohne Stolz. „Kennen Sie ihn?“

„Mr. O'Brannagh, sagen Sie? Nun, vielleicht kann ich Ihnen ja doch irgendwie helfen. Einen Moment, bitte.“ Er ging in die Werkstatt und unterhielt sich kurz mit einem Mann im ölverschmierten Arbeitsanzug. Als er zu Annie zurückkehrte, strahlte er übers ganze Gesicht. „Ich habe gute Neuigkeiten für Sie. Wenn Sie möchten, können Sie für eine Weile den alten Saab haben, der hinten auf dem Hof steht. Allerdings werden Sie noch eine ganze Weile warten müssen, es muss nämlich noch eine Kleinigkeit repariert werden. Ich muss Sie allerdings warnen, der Wagen hat seine besten Tage bereits hinter sich. Er wird Sie von A nach B transportieren, aber längere Strecken würde ich ihm an Ihrer Stelle nicht mehr zumuten.“

„Ist das Ihr Ernst? Ich kann den Wagen tatsächlich benutzen? Oh, vielen Dank!“

Magnusson schmunzelte. „Danken Sie mir nicht zu früh, Lady, Sie haben Björns Auto noch nicht gesehen.“

„Solange der Wagen fährt, ist es mir gleichgültig, wie er aussieht“, erklärte Annie, und sie meinte es aus vollem Herzen.

 

Obwohl sie es eigentlich mehr als eilig hatte, konnte Annie der Versuchung, langsam zu fahren, um die Natur genießen zu können, doch nicht widerstehen.

Die Umgebung war einfach herrlich. Das Blau des Himmels stach von den gewaltigen Bergen ab, die sich majestätisch in der Ferne erhoben, und immer wieder fuhr sie an rot gestrichenen Holzhäusern mit malerischen Vorgärten vorbei. Als sie um die nächste Biegung fuhr, sah sie zu ihrer rechten Seite einen Hof, der wie ein Kleinod wirkte. Das nicht allzu große Haupthaus war ebenfalls rot gestrichen, und die Kieswege, die zum Haus hinführten, waren sauber geharkt.

Lächelnd fuhr Annie weiter. Die Umgebung war wirklich herrlich. Dennoch war sie froh, ihr Ziel bald erreicht zu haben. Sie konnte nur hoffen, dass sie ihren neuen Job nicht schon wieder los war, bevor sie ihn überhaupt angetreten hatte.

Sie fuhr über eine Brücke, und kurze Zeit später ging es einen steilen Hügel hinauf, hinter dem Annie das Anwesen von Montague O'Brannagh vermutete. Als sie die Kuppe schließlich erreicht hatte, war sie gezwungen, abrupt abzubremsen. Ein wuchtiges schmiedeeisernes Tor versperrte ihr den Weg.

Annie stieg aus und blickte sich ratlos um. Hinter dem Tor schien der Weg sich noch ein ganzes Stück weit fortzusetzen. Es machte also nicht viel Sinn, zu rufen, da sie wahrscheinlich ohnehin niemand hören konnte. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, einfach über den Zaun zu klettern, verwarf ihn jedoch rasch wieder, als sie ein Warnzeichen entdeckte. Ein Elektrozaun. Offensichtlich legte Montague O'Brannagh großen Wert darauf, sich unbefugte Eindringlinge vom Leib zu halten.

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“

Als sie plötzlich jemand von hinten auf Schwedisch ansprach, wirbelte Annie mit einem Aufschrei herum. Doch zu ihrem Erstaunen war da niemand. In beide Richtungen lag der Weg verlassen da. Litt sie jetzt etwa schon an Wahnvorstellungen? Dann aber entdeckte sie die Kamera, die an einem der Pfeiler des Tores angebracht war, und kurz darauf auch die Sprechanlage.

„Hallo?“, sagte sie in der Hoffnung, dass derjenige, der am anderen Ende der Leitung saß, sie hören konnte. Sicherheitshalber winkte sie gleich noch einmal in die Kamera. „Mein Name ist Annie Fielding. Mr. O'Brannagh erwartet mich. Nun, eigentlich hätte ich schon längst hier sein sollen, aber …“ Annie verstummte. Hör auf, herumzustottern, ermahnte sie sich scharf. Sie atmete noch einmal tief durch und sagte dann: „Ich bin Mr. O'Brannaghs neue Sekretärin.“

Für einen Moment herrschte Schweigen, und Annie befürchtete schon, etwas Falsches gesagt zu haben. Dann schwangen die beiden Torflügel mit einem leisen Summen auf. „Kommen Sie bitte herein, Miss Fielding.“

 

Das Haus war überwältigend.

Annie hatte mit vielem gerechnet, von einer futuristischen Glaskonstruktion bis hin zu einem restaurierten Landschlösschen, doch Montague O'Brannaghs Wohnsitz war eine riesige Villa in typisch schwedischem Stil. Die hölzerne Fassade war in sanftem Himmelblau gehalten, während die Fenster- und Türrahmen ebenso weiß gestrichen waren wie die große Veranda, auf der ein Schaukelstuhl sich im Wind vor und zurück wiegte. Sie wusste, dass er überwiegend in seinem Wohnhaus arbeitete und von hier aus die Fäden in der Hand behielt. In der Firma selbst kümmerten sich andere darum, dass alles reibungslos lief.

Die Anspannung, die sie den ganzen Weg über begleitet hatte, fiel von ihr ab. Insgeheim hatte sie sich nämlich von Anfang an ein wenig vor ihrer ersten Begegnung mit Montague O'Brannagh gefürchtet, und durch ihre Verspätung war es auch nicht besser geworden. Obwohl O'Brannagh die Presse scheute, berichteten die Wirtschaftsblätter beinahe jede Woche etwas Neues über ihn. Er hatte sich einen Ruf als brillanter, aber auch rücksichtsloser Geschäftsmann erworben, mit dem nur schwer umzugehen war. Ein Mann, der wusste, was er wollte – und es in der Regel auch bekam. Doch konnte ein Mensch, der in einem solch bezaubernden Haus wohnte, tatsächlich so unzugänglich sein?

Schmunzelnd stellte Annie den Saab zwischen einem nagelneuen MG Cabriolet und einem liebevoll restaurierten Aston Martin ab. Der direkte Vergleich ließ ihren Wagen noch älter und heruntergekommener aussehen, als er ohnehin schon war. Sobald es sich irgendwie machen ließ, würde sie sich ein etwas repräsentativeres Auto zulegen, bis dahin jedoch …

Annie hob die Hand, um anzuklopfen, doch im selben Moment wurde die Tür auch schon aufgerissen. „Verdammt, woher soll ich denn das wissen! Ich … Hoppla!“

Erst im letzten Moment wurde der Mann, der noch immer mit jemandem im Inneren der Villa sprach, auf Annie aufmerksam. Er blinzelte verblüfft, als er sie erblickte, und auch Annie erkannte ihn sofort wieder.

Annie wich alles Blut aus dem Gesicht, und sie atmete scharf ein. Oh Gott, nein, nicht das! Es konnte nur ein böser Scherz sein. Selbst zu ihr konnte das Schicksal nicht so grausam sein!

„Grey …!“, flüsterte sie heiser. „Sie … Sie arbeiten auch für Mr. O'Brannagh?“

Eine v-förmige Falte erschien auf seiner Stirn, als er Annie forschend musterte. „A. J. Fielding.“ Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich glaub's einfach nicht. Wofür steht das J?“

„Josephine“, antwortete sie und blinzelte verwirrt. „Ich glaube, ich verstehe nicht ganz. Was geht hier vor?“

Grey lachte freudlos auf. „Glauben Sie mir, Annie, das wüsste ich auch gerne. Verdammt, das darf doch einfach nicht wahr sein!“

So langsam wurde Annie dieses Spiel zu dumm. Ganz offensichtlich machte dieser unmögliche Mensch sich einen Spaß daraus, sie zu verwirren. „Ich würde jetzt gerne Mr. O'Brannagh sprechen“, forderte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Vielleicht kann er ein bisschen Klarheit in diese ganze Angelegenheit bringen.“

„Nun, was das betrifft muss ich Sie leider enttäuschen. Er ist nämlich genauso überrascht wie Sie.“

Annie fing an, sich wirklich unbehaglich zu fühlen. „Und woher wollen Sie das wissen?“

„Ganz einfach – ich bin Mr. O'Brannagh.“

Mit diesen Worten rauschte er an ihr vorbei. Annie fühlte sich, als habe man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Grey war Montague Greyson O'Brannagh III. – ihr neuer Arbeitgeber?

 

Grey war gleichermaßen verwirrt wie entsetzt. Annie – die Frau, mit der er in der Hütte gestritten hatte – war A. J. Fielding? Der A. J. Fielding?

Grey konnte es nicht fassen. Er hatte A. J. Fielding erwartet, sicher. Aber er hätte im Leben nicht damit gerechnet, dass sich hinter den Initialen A. J. eine Frau verbarg. Eine Frau!

Als sein Onkel Phil hörte, dass er dringend auf der Suche nach einem geeigneten Mitarbeiter war, hatte er spontan A. J. Fielding empfohlen. Grey war automatisch davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Person um einen Mann handelte – und hatte sich blind auf das Urteil seines Onkels verlassen.

Und jetzt stand eine Frau vor ihm. Und ausgerechnet dieser Frau war er kurz zuvor schon einmal begegnet.

Annie … Grey dachte zurück an ihre erste Begegnung. Er hatte sie nach ihrem Unfall aus dem Wagen gerettet und sie in die Hütte gebracht, in der er nach einer Wanderung Schutz vor dem Unwetter gesucht hatte. Kurz darauf war es zwischen ihnen zum Streit gekommen, und nachdem er auf einen Kommentar hin viel zu heftig reagiert hatte, war sie Hals über Kopf nach draußen gestürmt. Nachdem er begriffen hatte, dass sein Verhalten absolut unangebracht gewesen war, hatte er noch eine ganze Weile nach Annie gesucht, ohne Erfolg; er hatte ja keine Ahnung gehabt, in welche Richtung sie gelaufen war. Schließlich hatte er die Suche aufgegeben, und als er in die Hütte zurückkehrte, wartete dort schon sein Freund Henrik auf ihn, um ihn zurück in die Villa zu fahren.

Und jetzt, kaum dass er wieder da war, stand er Annie erneut gegenüber – doch dieses Mal war sie nicht irgendeine Frau, der er aus einer Notlage half, sondern seine zukünftige Angestellte.

Na, das kann ja heiter werden, dachte Grey fassungslos.

 

4.

 

„So, da wären wir.“ Schwungvoll ließ große blonde Schwede, der sich Annie angenommen hatte, die Reisetasche auf das breite, mit einer cremefarbenen Tagesdecke überzogene Bett fallen. „Dies ist von nun an Ihr Reich, Miss Fielding. Im Augenblick wirkt es alles noch ein wenig karg, aber vielleicht können wir bei unserem nächsten Ausflug in den Ort einige Dinge besorgen, um den Raum nach Ihren Wünschen zu gestalten. Frauen haben da ja im Allgemeinen ein besseres Händchen als wir Männer. Ach ja, ich möchte mich noch einmal dafür entschuldigen, dass Sie niemand vom Flughafen abholen konnte. Der Mitarbeiter, der dies eigentlich erledigen sollte, hatte aufgrund des Unwetters unterwegs eine Panne. Als er den Flughafen erreichte, waren Sie schon fort.“

Annie nickte und blickte sich im Zimmer um, ohne jedoch viel von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Der Schreck saß ihr noch immer in den Gliedern. Sie hatte geglaubt, Grey niemals wiederzusehen. Und nun befand sie sich schon wieder unter einem Dach mit ihm – als seine Angestellte!

„Wie kam es eigentlich, dass Mr. O'Brannagh bei diesem Wetter so weit draußen war?“, fragte sie zögerlich. Ging sie das überhaupt etwas an?

Doch der blonde Schwede schien keine Probleme damit zu haben, ihre Frage zu beantworten, sondern lachte vergnügt. „Tja, das ist halt Grey, wie er leibt und lebt. Von einem Unwetter hat er sich noch nie abhalten lassen. Es kommt nicht selten vor, dass er meilenweit wandert, um den Kopf freizubekommen. So war es auch dieses Mal, bloß wurde der Regen dann doch zu stark und Grey hat Zuflucht in der Hütte gesucht.“

„Er war spazieren?“, fragte Annie überrascht.

Der Schwede schien ihre Gedanken erraten zu können, denn er lachte. „Ich weiß, es scheint verwunderlich, weil er Sie ja eigentlich erwartete. Aber von so etwas hat Grey sich noch nie von irgendetwas abhalten lassen. Er bat mich, Sie willkommen zu heißen und hätte Sie dann später begrüßt. Dummerweise kam dieses verdammte Unwetter dazwischen. Übrigens hat er sich noch auf die Suche nach Ihnen gemacht, nachdem Sie die Hütte verließen, aber es war sinnlos. Er hatte ja keine Ahnung, in welche Richtung Sie gelaufen sind. Tja, und dann kam ich, weil ich mir Sorgen wegen um ihn gemacht habe wegen des Unwetters und mir denken konnte, wo er sich aufhielt. So habe ich ihn dann aufgelesen und zur Villa gebracht. Das war kurz bevor Sie kamen.“ Er räusperte sich. „Kann ich Ihnen denn noch irgendwie behilflich sein, Miss Fielding?“

Langsam schüttelte sie den Kopf. Nein, ihr konnte niemand mehr helfen. Trotzdem rang sie sich ein Lächeln ab. „Nein, vielen Dank Mr. …“

„Ljundberg“, half er ihr aus. „Ich bin Greys Geschäftspartner und wohne im ehemaligen Dienstbotenhaus. Übrigens, ich würde mich freuen, wenn Sie mich einfach Henrik nennen.“

Dieses Mal war Annies Lächeln schon etwas herzlicher. „Dann hören Sie aber auch auf, mich Miss Fielding zu nennen, okay? Ich heiße Annie.“

„In Ordnung, Annie, ich lasse Sie dann mal allein, damit Sie sich in Ruhe einrichten können. Fühlen Sie sich bitte ganz wie zu Hause.“ Er wandte sich zur Tür, doch ehe er hinausging, drehte er sich noch einmal zu Annie um. „Ach, und lassen Sie sich bloß nicht unterkriegen. Grey mag ein ziemlicher Sturkopf sein, aber im Grunde seines Herzens ist er ein feiner Kerl.“

Sobald sie allein war, ließ Annie sich mit klopfendem Herzen rückwärts aufs Bett fallen. Du lieber Himmel, was war das bloß für ein heilloses Durcheinander? Noch immer fiel es ihr schwer, die Tatsache zu akzeptieren, dass Grey ihr neuer Arbeitgeber war. Wie sollte sie mit ihm zusammenarbeiten? Dieser Mann war einfach nur unausstehlich. Er hatte sie sich von Anfang an wenig willkommen fühlen lassen. Und Annie bezweifelte ernsthaft, dass sich daran etwas ändern würde.

Überhaupt schien Grey nicht weniger erschrocken über die Tatsache zu sein, ihr sobald wieder über den Weg zu laufen. Ja, er hatte sogar einen regelrecht erschütterten Eindruck auf sie gemacht – was insofern überraschend war, als er doch immerhin ihre Bewerbung gelesen haben dürfte.

Jedenfalls erschien es ihr als ein Ding der Unmöglichkeit, mit Grey zusammenzuarbeiten. Und wahrscheinlich traf er in eben diesem Moment bereits Vorkehrungen dafür, sie schnellstmöglich wieder loszuwerden. Und obwohl ihre eigene Zukunft in diesem Fall alles andere als sicher war, wusste sie nicht einmal so genau, ob das nicht tatsächlich die beste Lösung wäre.

Ruckartig setzte sie sich auf und schüttelte den Kopf. Hör auf!, rief sie sich sofort selbst zur Ordnung. So etwas darfst du nicht einmal denken!

Ihr Blick fiel auf das Telefon, das auf dem weiß lackierten Nachttisch stand. Jenna wüsste sicher Rat. Ob sie sie einfach anrufen sollte? Ein Ferngespräch nach London kostete sicher eine Menge Geld. Doch Henrik hatte sie gebeten, sich ganz wie zu Hause zu fühlen. Kurz entschlossen nahm sie den Hörer ab und wählte die Nummer ihrer besten Freundin.

Schon nach dem zweiten Klingelton hörte sie Jennas vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. „Hallo?“

„Jenna?“

„A. J., bist du das? Verdammt, Süße, ich dachte schon, du meldest dich überhaupt nicht mehr! Seit Tagen habe ich kein Lebenszeichen von dir bekommen, dabei hast du mir doch versprochen, dich direkt nach deiner Ankunft bei mir zu melden!“

Annie lächelte wehmütig. „Es ist etwas dazwischen gekommen.“

Natürlich wusste sie, dass ihre Freundin sofort hellhörig werden würde. Jenna kannte sie einfach zu gut. „Was soll das heißen?“, fragte sie. Ihre Stimme klang argwöhnisch. „Komm schon, rück raus mit der Sprache! Du weißt doch, dass du mir sowieso nichts vormachen kannst, oder? Also, was ist passiert? Hat dieser Brenner …“

„O'Brannagh“, korrigierte Annie ihre Freundin automatisch. „Montague Greyson O'Brannagh III., um ganz genau zu sein.“

Für einen Augenblick herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann brach Jenna in schallendes Gelächter aus. „Der Arme! Sag, sieht er so aus, wie der Name es vermuten lässt?“

„Das kommt darauf an, was du damit meinst“, erwiderte Annie steif. Es gefiel ihr nicht, dass Jenna sich über Grey lustig machte. Nicht, dass sie ihn verteidigen wollte – sie konnte ihn im Grunde ja selbst nicht ausstehen –, aber sie konnte Vorurteile einfach nicht ertragen.

Jenna schien die Anspannung ihrer Freundin sofort zu spüren. „Hör mal, was ist los? Mit dir stimmt doch irgendetwas nicht. Jetzt sag schon, hat dein Mr. O'Brannagh es sich etwa anders überlegt? Ihr habt doch einen Vertrag, oder nicht?“

„Ja, den haben wir tatsächlich. Allerdings glaube ich nicht, dass dies jetzt noch relevant ist.“

„Wie bitte?“

„Jenna, ich kann für diesen Mann einfach nicht arbeiten!“

„Und warum nicht, wenn ich fragen darf?“

„Weil dieser Mann einfach unmöglich ist!“

„Unmöglich?“, echote Jenna überrascht. „Das verstehe ich nicht. Im Allgemeinen kommst du doch immer mit jedem gut aus. Ist er denn so abstoßen, dass du seine Gegenwart nicht ertragen kannst?“

Die Frage ihrer Freundin verwirrte sie. „Nein, ich … Ach, nein überhaupt nicht. Wenn ich ehrlich sein soll, er sieht sogar verdammt gut aus. Aber das ist nicht der Punkt.“

„Sondern?“

„Er ist unfreundlich, arrogant und abweisend. Zudem hat er mir bereits einmal klipp und klar zu verstehen gegeben, dass meine Anwesenheit ihm ein Dorn im Auge ist.“

„Aber er hat dich doch eingestellt und …“ Für einen Moment herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann räusperte Jenna sich. „Sag mal, es kann nicht vielleicht sein, dass … Also, ich hoffe, du flippst jetzt nicht aus, aber du hast dich nicht vielleicht rein zufällig ein bisschen in diesen Mr. O'Brannagh verknallt?“

Energisch schüttelte Annie den Kopf. „Du machst wohl Scherze! Ich erzähle dir, dass mein Chef ein echtes Ekelpaket ist, und du fragst mich, ob ich in ihn verliebt bin?“

„Nun, es hätte ja immerhin sein können.“

„Nein, meine Liebe, ehe ich auch nur einen Hauch von Zärtlichkeit für diesen Mann empfinde, friert die Hölle zu!“ Sie seufzte. „Ach, Jenna, es ist einfach alles schiefgelaufen, was nur schieflaufen konnte. Erst war niemand am Flughafen, um mich abzuholen. Das hat nicht geklappt, weil hier ein ziemliches Unwetter herrschte. Jedenfalls habe ich mir dann einen Mietwagen genommen und habe mich allein auf den Weg gemacht. Aber es hat halt sehr heftig geregnet, ich konnte kaum was sehen, und da kam es halt zu diesem Unfall.“

„Unfall?“, rief Jenna erschrocken aus. „Mein Gott, Süße, ist dir was passiert?“

„Nein, nein“, sagte Annie schnell, die die Sorge, die in der Stimme ihrer Freundin lag, deutlich heraushören konnte. „Es war zum Glück jemand da, der mir helfen konnte. Grey … Mr. O'Brannagh hat mich aufgelesen und mich mit in seiner Hütte genommen, in der er wohl Zuflucht vor dem Sturm gesucht hat. Ich wusste da aber noch gar nicht, mit wem ich es zu tun hatte. Es gab einen fürchterlichen Streit, und da bin ich schließlich abgehauen.“ Sie lachte freudlos auf. „Du kannst dir sicher vorstellen, was ich später für einen Schreck bekam, als ich ihm wieder gegenüberstand – und mir klar wurde, dass er mein Chef ist.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739453217
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juni)
Schlagworte
Schwedenroman romantische Komödie humorvoller Frauenroman Populäre Belletristik Skandinavien Urlaubsroman Kurzgeschichten Schweden Wohlfühlroman Seeabenteuer Erzählungen Humor

Autor

  • Pia Engström (Autor:in)

Pia Engström liebt Schweden seit frühester Jugend. Und da damals auch die ersten schriftstellerischen Gehversuche erfolgten, stand schnell fest, dass die Geschichten genau dort spielen sollten: im Land der Elche, Seen und Wälder. Seitdem ist viel Zeit vergangen, doch sowohl die Liebe für Schweden als auch für das Schreiben ist geblieben. Und weil sich Pia Engströms Mittsommergeschichten nun schon seit Jahren immer größerer Beliebtheit erfreuen, wird sich daran wohl auch so schnell nichts ändern.
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Titel: Mittsommerküsse