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Cowboy Kisses - Keep me

von Vivian Hall (Autor:in)
276 Seiten
Reihe: Cowboy Kisses, Band 2

Zusammenfassung

Das Liebeskarussell auf der Blueberry Ranch dreht sich gewaltig, doch statt sich für die Kandidatinnen zu interessieren, konzentrieren sich die Coleman-Brüder viel lieber auf ihre Streitereien mit Jane und Rachel. Als der beunruhigte Senderchef Jason Finch mit seiner verhassten Chefredakteurin Rebecca Olson auf der Ranch auftaucht, ist das Chaos perfekt und nichts läuft mehr so, wie es anfangs geplant war ... Abschlussband des Zweiteilers Cowboy Kisses.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

Trent Morrisons innerer Wecker funktionierte normalerweise recht zuverlässig, nur heute versagte er völlig, und so blinzelte er erstaunt gegen die hellen Sonnenstrahlen an, die nach dem Öffnen der Augen mit seiner Netzhaut kollidierten. Verwirrt und ein wenig desorientiert, setzte er sich im Bett auf und warf einen raschen Blick auf seine Armbanduhr. Sieben Uhr.

Er stieß einen leisen Pfiff aus. Wann hatte er das letzte Mal so lange geschlafen?

Selbst an den Wochenenden stand er meist um sechs Uhr auf, weil er es in wachem Zustand nie lange in seinem Bett aushielt.

Nach einigen Sekunden verflüchtigte sich seine schläfrige Benommenheit, dafür stürmte die Erinnerung an den Grund für sein spätes Erwachen mit voller Wucht auf ihn ein und er drehte im Zeitlupentempo den Kopf. Da lag sie. Klein und verletzlich und so unendlich bezaubernd, dass sich sein Brustkorb bei ihrem Anblick fest zusammenzog.

Vorsichtig streckte er die Hand nach ihr aus. Er musste sich davon überzeugen, dass sie echt war und keine Ausgeburt seiner Fantasie. Zögernd strich er mit der Fingerkuppe über ihre weiche Wange. Die Haut fühlte sich warm an, einladend. Er konnte nicht widerstehen und zeichnete die Konturen ihres Mundes nach. Trent holte scharf Luft, als er ihre samtigen Lippen unter seinen Fingerkuppen spürte. Zarter als die Blüten einer Rose und unendlich verführerisch. Letzte Nacht hatte sie ihn mit diesem Mund fast um den Verstand gebracht. Überall hatte er ihn gespürt, auf seinem Hals, seinem Bauch und natürlich auch auf seinem …

Trent fing an zu grinsen und hauchte ihr einen schnellen Kuss auf die Nasenspitze. Sie seufzte im Schlaf und ihr feuchter Atem wehte über seinen Finger, der noch immer auf ihren Lippen lag. Ihr so nah zu sein, erregte ihn, und mit dem Takt seines wummernden Herzens wuchs auch seine Sehnsucht, sich wieder tief in ihrem Körper zu vergraben. Gedanklich ging er seinen heutigen Terminplan durch und ihm wurde klar, dass er das knicken konnte. Sein erster Besuch stand um neun Uhr an. Zu wenig Zeit, um sich mit ihr zu vergnügen und rechtzeitig fertig zu werden. Trotzdem gönnte er sich ein paar Augenblicke, um sie beim Schlafen zu beobachten. Sie sah süß aus, wie eine reife Frucht, die ihm unvermutet in den Schoß gefallen war.

Hayley drehte sich um und kuschelte sich mit dem Rücken an seinen Körper. Automatisch schlang er einen Arm um sie und vergrub das Gesicht in ihrem zart duftenden Nacken. Sie roch unbeschreiblich. Süß und warm, so unendlich weiblich. Noch nie hatte er sich in der Gegenwart einer Frau so wohl gefühlt, so geborgen. Völlig überwältigt von den Empfindungen, die ihn überrannten, küsste er ihre feine Haut und inhalierte den berauschenden Duft, den sie verströmte. Er war jetzt schon süchtig danach, sein Körper reagierte sofort, indem sich in seiner Männlichkeit erneut das Blut staute. Unwillkürlich presste er sich dichter an sie und rieb sich an der seidigen Rundung ihres Hinterns, der sich auf gleicher Höhe mit seiner intimsten Stelle befand. Zwar trug sie eins seiner T-Shirts, doch untenrum war sie nackt und er konnte ihre satinartige Haut an seiner fühlen.

Sie murmelte etwas und drückte sich im Schlaf noch fester gegen ihn. Pures Feuer schoss durch seine Adern und Trent unterdrückte ein Stöhnen. Gott, sie schlief wie ein Murmeltier und hatte keine Ahnung, was sie in ihm auslöste. Doch er zögerte, sie auf diese Weise zu wecken, denn im Grunde waren sie immer noch Fremde füreinander und manche Frauen mochten keinen Sex am Morgen. Ungewaschen und mit zerknitterter Haut.

Eigentlich wusste er rein gar nichts von ihr und sie würde schon bald abreisen und ihr Leben in Denver weiterführen, ohne dass er die Chance bekam, etwas an diesem Zustand zu ändern. Er wünschte sich verzweifelt, sie würde bei ihm bleiben. Wie war es Hayley nur gelungen, ihm so den Verstand zu rauben? In seinem Kopf herrschte seit der ersten Begegnung mit ihr ein fürchterliches Durcheinander, dabei plante er sein Leben sonst akribisch durch. Man konnte ihn bestimmt nicht als spontanen Menschen bezeichnen.

Letzte Nacht war er von seinem üblichen Verhaltensmuster abgewichen, mitgerissen von ihrem Liebreiz. Vielleicht wäre es klüger, wieder einen Gang runter zu schalten, bis er wieder klar denken konnte. Auch wenn es ihm schwerfiel, verließ er das Bett und eilte ins Bad. 

„Duschen“, flüsterte er vor sich hin, „und zwar eiskalt.“

Das Wasser kühlte seine Erregung auf ein erträgliches Maß ab, anschließend rasierte er sich. Sobald er fertig war, zog er sich an und setzte in der Küche wie jeden Morgen Kaffee auf. Diese alltägliche Handlung half ihm dabei, wieder einen einigermaßen klaren Kopf zu bekommen. Während er dabei zusah, wie die Flüssigkeit gurgelnd in die Kanne floss, versuchte er, seine Gefühle zu analysieren, und kam relativ schnell zu einem ernüchternden Ergebnis.

Du bist verknallt, Morrison.

Dabei verkörperte sie all das, was er an einer Frau normalerweise nicht so sehr mochte. Sie war niedlich und sie nutzte das auch zu ihrem Vorteil aus, wenn sie sich nicht zu helfen wusste. So eine unselbstständige Person konnte auf Dauer ganz schön anstrengend werden. Eigentlich wollte er sich nicht mit jemandem wie ihr belasten. Eigentlich. Die Realität sah ganz anders aus. Sie hatte ihn in Nullkommanichts um den Finger gewickelt und jetzt hing er hilflos zappelnd in dem verführerischen Netz, das sie um ihn herum gesponnen hatte. Und was machte er? Statt sich zu befreien, stand er in seiner Küche und bereitete ihr ein opulentes Frühstück zu.

„Verdammt, was mach ich jetzt?“, murmelte er und sah aus dem Fenster. Nicht eine Wolke trübte den Himmel. Er zeigte sein schönstes Blau und Trent fühlte sich an Hayleys Augen erinnert. Sofort breitete sich in seinem Bauch ein warmes Gefühl aus, das ihn alles andere vergessen ließ.

Liebe macht blind, aber wenn du Glück hast, wird dich die Frau an die Hand nehmen und dir den Weg hinaus aus der Dunkelheit zeigen.

Ein Satz, den ihm seine Großmutter mit auf den Weg gegeben hatte, als er ihr seine Sorge darüber anvertraut hatte, niemals die richtige Partnerin zu finden. Grandma hatte schon immer die Antworten auf die unmöglichsten Fragen parat gehabt, und seit sie letztes Jahr kurz nach ihrem neunzigsten Geburtstag für immer eingeschlafen war, vermisste er sie und ihre Ratschläge. Doch in einem Punkt war er sich absolut sicher: Grandma hätte Hayley gemocht, und genau das machte ihm unwahrscheinlich zu schaffen. Selbst Marias charakterliche Schwächen hatte er akzeptiert und trotzdem daran gedacht, sich fest an sie zu binden. Warum nur urteilte er dann so hart über Hayley, die so gar nichts Hinterlistiges an sich hatte?

Weil du dich davor fürchtest, dass sie ihr Leben in der Stadt nicht aufgeben will.

Trent konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Hayley dauerhaft hier leben könnte, und er war nicht bereit, wieder in die Großstadt zurückzukehren. Es gab also nur eine Möglichkeit: Er musste auf Distanz gehen, bevor er sich ihretwegen total zum Narren machte.

Er deckte den Tisch fertig und beschloss spontan, noch ein paar Blumen zu besorgen. Trent hätte seinen hart erarbeiteten Doktortitel darauf verwettet, dass sie Blumen liebte und nur, weil er nicht vorhatte, die Sache mit ihr weiter zu vertiefen, konnte er den Morgen danach trotzdem so angenehm wie möglich für sie gestalten. Im Garten riss er ein paar blühende Stängel aus der Erde und stopfte sie dann ein wenig unbeholfen in eine Vase, die er in seiner Abstellkammer fand.

Trent sah nach der Uhrzeit. 7:30 Uhr. Zeit, sie zu wecken. Einem Impuls folgend, der seinen vorher gefassten Entschluss ad absurdum führte, nahm er eine Blume aus der Vase und stieg die Treppen hoch. Kurz dachte er an Noah. Er hatte dem jüngeren Coleman gestern noch kurz geschrieben, dass Hayley wohlauf sei und dass er sie am nächsten Morgen zurück auf die Ranch fahren würde. Eine Antwort hatte er nicht erhalten.

Leise betrat er sein Schlafzimmer und lief ans Bett. Sie schlief noch immer tief und fest. Ohne besondere Vorsicht setzte er sich neben sie auf die Bettkante, die Matratze gab quietschend nach, doch sie rührte sich nicht. So eine Schlafmütze …

Mit den samtweichen Blütenblättern strich er über ihre Wange. Ihre Mundwinkel zuckten, sie lächelte, doch ihre Lider blieben weiterhin fest geschlossen. Trent betrachtete sie eingehend und dieses merkwürdige Gefühl, das sie in ihm auslöste, wurde stärker und stärker.

Ein leises Geräusch lenkte seine Aufmerksamkeit auf ihren Mund. Hayley schmatzte wie ein kleines Baby vor sich hin und Trent unterdrückte ein Glucksen. Ob sie wusste, was für lustige Geräusche sie im Schlaf von sich gab? Von ihm würde sie es jedenfalls nicht erfahren, er war zu sehr Gentleman, um sie in Verlegenheit zu bringen.

Sich auf seinen Unterarmen abstützend, beugte er sich zu ihr hinunter, um ihr einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Eine bessere und angenehmere Methode, um sie wach zu bekommen, fiel ihm momentan nicht ein.

Sobald sein Mund sie berührte, schwelgte er in ihrer schläfrigen Weichheit. Sofort erwiderte sie die Liebkosung. Obwohl sie noch immer nicht richtig bei sich war, öffnete sie die Lippen und ließ ihn in die feuchte Wärme eindringen. Eine unerträglich erotische Spannung baute sich zwischen ihnen auf. Trent wollte sich in ihrem erhitzten Körper vergraben und sie lieben, bis sie beide erschöpft zusammenbrachen. Dass sie eigentlich keine Zeit für so etwas hatten, ignorierte er einfach. Sie schmeckte bereits jetzt schon so vertraut, er konnte sich kaum noch vorstellen, ohne sie zu sein.

Seine Hand schloss sich um ihre Brust und sie stieß ein kehliges Stöhnen aus, das ihn wieder zur Vernunft brachte. Er unterbrach den Kuss und schmiegte schwer atmend seine Wange an ihre. Jetzt war sie wach und legte die Handfläche an sein frisch rasiertes Kinn.

„Wow, ich würde sagen, das ist die perfekte Art, geweckt zu werden.“

Lächelnd hob er den Kopf. „Was du nicht sagst“, neckte er sie und rieb die Nasenspitze an ihrer. „Guten Morgen“, fügte er flüsternd hinzu.

„Morgen.“ Sie sprach noch ein wenig undeutlich. Sie gehörte wohl zu den Menschen, die erst mal eine Tasse Kaffee und eine halbe Stunde Ruhe brauchten, ehe sie in die Gänge kamen. Er war da ganz anders und musste nur die Augen aufschlagen, um topfit in den Tag zu starten. So viele Unterschiede, wahrscheinlich zu viele.

„Hast du gut geschlafen?“

Sie nickte langsam. „Wie ein Murmeltier“, antwortete sie und biss sich dann auf die Unterlippe. In ihren Augen las er die gleiche Sehnsucht, die er gerade empfand.

Du hast keine Zeit, vergiss das nicht, Morrison.

Er räusperte sich. „Was hältst du von Kaffee und Frühstück?“

Hayley wirkte ein bisschen enttäuscht, obwohl sie sich Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen.

„Das klingt toll. Ich habe wirklich einen Bärenhunger.“

Trent bewegte sich über ihr, um ihr etwas mehr Raum zu geben. Er wollte ihr nicht das Gefühl zu vermitteln, sie zu bedrängen, dennoch musste sie zwischen ihren Schenkeln seine Erregung spüren. Ein intimer Kuss, mehr war nicht nötig gewesen, um ihn hart werden zu lassen.

Die Iris ihrer Augen verdunkelte sich und ihre Beine glitten wie von selbst weiter auseinander. Eine unausgesprochene Einladung, die er nur zu gerne angenommen hätte. Es fühlte sich so verdammt gut an, ihr so nah zu sein und die Weichheit ihres Körpers zu spüren. Unglaublich, wie heftig er auf sie reagierte. Trent kannte sich sonst als rational denkenden Menschen, von Gefühlen ließ er sich selten beeinflussen. Aber bei Hayley schien das unmöglich. Sie machte einen romantischen Narren aus ihm – die Blumen auf dem Frühstückstisch waren doch der beste Beweis dafür, und das nur Augenblicke nach seinem Entschluss, auf Abstand zu gehen.

In dieser Sekunde bewegte sie sich unter ihm, und Trent genoss den Druck, den ihre Körper aufeinander ausübten. Hayleys Lippen verzogen sich wissend. „Willst du wirklich schon frühstücken? Wir könnten noch einmal …“

Statt ihren Satz zu beenden, legte sie ihm die schlanken Arme um den Hals.

Trent verzweifelte beinahe. „Kleines, ich muss arbeiten und du musst zurück auf die Ranch.“

Sobald er sich zurückziehen wollte, schlang sie die Beine um ihn. Eine geschmeidige Bewegung, mit der sie ihn an seinen Körper fesselte.

„Geh nicht weg, bleib noch ein wenig bei mir“, flüsterte sie lockend und hob den Kopf, um ihm einen kurzen, aber verdammt erregenden Kuss auf die Lippen zu hauchen. Trent fühlte sich hin- und hergerissen zwischen seinem Verlangen, einfach blauzumachen und den ganzen Tag mit ihr zu verbringen, und seinem Pflichtbewusstsein. Letzteres siegte dann doch.

„Ich muss arbeiten und du wirst ebenfalls gebraucht“, sagte er entschlossen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Team begeistert ist, wenn die Visagistin nicht zur Stelle ist.“

„Wir drehen heute erst ab zehn, wir haben noch massig Zeit“, widersprach sie prompt und er geriet ernsthaft in Versuchung.

„Hayley, ich weiß nicht …“

„Nur ein paar Minuten“, bettelte sie und blinzelte ihn kokett mit ihren langen schwarzen Wimpern an. „Ich hab dich doch gerade erst gefunden, ich mag dich noch nicht hergeben.“

Sie schmiegte sich noch dichter an ihn, und er stellte mit Entsetzen fest, wie wenig er ihrem Charme widerstehen konnte. Trent gab nach, ließ sich fallen. Sein wilder Kuss entlockte ihr einen glückseligen Laut, ihr Körper bäumte sich unter seinem auf und verlangte nach mehr Nähe.

Wo würde ihn die Sache hinführen? Hayley fing jetzt schon an, ihn zu beeinflussen, doch sie fühlte sich einfach zu gut an, er konnte sie nicht abweisen. Mit einer hastigen Bewegung griff er zwischen ihre Körper und zog die störende Bettdecke weg. Unter dem weichen Material seines T-Shirts konnte man überdeutlich die Konturen ihrer Brüste erkennen. Die steinharten Knospen drückten sich keck durch den weichen Stoff.

„Gefallen sie dir?“

Ihre neckische Frage war ihm fast schon peinlich, weil sie ihn dabei erwischte, wie er ihr unverhohlen auf die Brüste starrte. Er bewegte die Hüften, ließ sie seine Härte spüren. „Beantwortet das deine Frage?“

In seinen Lenden brannte es wie Feuer, als sie ihn durch die Hose hindurch umfasste. Er verbiss sich mit aller Macht ein Stöhnen und kniff die Augen zusammen.

„Gefällt dir das auch?“, wollte sie wissen und öffnete den Reißverschluss seiner Jeans. Das leise Geräusch nahm er kaum wahr, dafür aber ihre weiche Hand, die sich auf seiner Erregung niederließ. Den Genuss ihrer Berührung auskostend, verlor er sich total in diesem Kribbeln, das unaufhaltsam durch seinen Körper zog, er ließ sich verführen von ihrem schüchternen Lächeln und hätte jede Wette gehalten, dass Hayley normalerweise nicht den aktiven Part übernahm und nun ein wenig von ihrem eigenen Mut überrascht wurde. Dass sie sich trotzdem traute, um ihm zu gefallen und um ihn zu reizen, rührte ihn. Übervoll mit Emotionen senkte er seine Stirn auf ihre.

„Oh Hayley …“

Es folgte ein tiefer Kuss, sie bebten beide vor Verlangen, doch in seinem Hinterkopf lauerte noch immer die Tatsache, dass sie schon binnen kurzem wieder gehen würde. Und dann? Das baldige Ende hing wie eine dunkle Gewitterwolke über ihm und schürte die Gier nach ihrem weichen Körper. Er merkte kaum, dass er sich immer fester gegen sie presste, dass seine Lippen drängender wurden, fast schon grob an ihrer Zunge saugten, bis sie heftig an seinen Haaren riss. Mit einem qualvollen Aufstöhnen löste er seinen Mund von ihrem und starrte keuchend auf sie hinunter.

„Luft …“, hechelte sie und atmete gierig ein.

Trent war entsetzt über seinen Mangel an Kontrolle und über sein derbes Verhalten. Peinlich berührt rollte er sich sofort von ihr herunter. Wie konnte er sich nur so gehen lassen?

„Es tut mir leid …“

Schwer atmend legte er einen Arm über die Augen. Verdammt. Hayley verdiente es, sanft und mit Respekt behandelt zu werden. Jetzt war sie diejenige, die sich über ihn beugte, und er spürte ihren warmen Atem über sein Gesicht wehen.

„Hör auf, dich zu entschuldigen, Trent. Dafür gibt es keinen Grund. Es hat mir gefallen, ich muss nur zwischendurch Luft holen, das ist alles.“

Sie küsste ihn, weich, lockend, bis er sie wieder ansah. Etwas befangen erwiderte sie seinen Blick, ehe sie fortfuhr. „Trent, du musst mich nicht behandeln, als wäre ich aus Glas, und das Letzte, was ich will, ist Zurückhaltung. Ich bin vielleicht klein, aber nicht zerbrechlich.“

Prüfend sah er ihr in die Augen und entspannte sich. Sie war weder sauer noch enttäuscht. „Ich dachte schon, ich wäre zu grob gewesen, und ich wollte den Eindruck vermeiden, mir ginge es nur um Sex.“

Ein freches Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus und in der nächsten Sekunde schwang sie sich auf seine Hüften. Dabei knallte ihr Fuß gegen das untere Bettende und sie schrie vor Schmerz auf. Obwohl es bestimmt schrecklich weh tat, konnte er sich nur schwer ein Lachen verkneifen. Was für ein kleiner Tollpatsch.

Mit der Romantik war es jedenfalls fürs Erste vorbei. Sie glitt von ihm herunter und betastete vorsichtig den Knöchel.

„Lass mich mal“, sagte er und kniete sich neben sie. Fachmännisch begutachtete er den Fuß. Es war noch immer keine Schwellung zu sehen, wahrscheinlich war es nur eine leichte Verstauchung. Ein Tag Ruhe und schon würde sie wieder leichtfüßig über die Blueberry Ranch hüpfen.

Bei dem Gedanken musste er grinsen. Hayley lief nicht wie normale Menschen, sie schwebte wie eine Fee durchs Leben. Vielleicht konnte ein wenig von ihrer Leichtigkeit auf ihn abfärben. Manchmal fand er sich selbst viel zu ernst und hatte Angst, dass er vor lauter Pflichtbewusstsein den Spaß am Leben verlor.

„Ist es sehr schlimm? Ich muss doch noch arbeiten. Wenn der Knöchel mich außer Gefecht setzt, bleibt Jane nichts anderes übrig, als einen Ersatz für mich zu holen, und ich muss sofort abreisen.“

Nur über meine Leiche, schoss es ihm spontan durch den Kopf.

„Keine Sorge, es ist nicht allzu schlimm“, beruhigte er sie und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie sehr ihn die Vorstellung, sie könnte früher als geplant abreisen, bestürzte. Für einen Mann, der eigentlich vorgehabt hatte, ein wenig auf Distanz zu gehen, verhielt er sich erstaunlich widersprüchlich. Er strich noch ein letztes Mal über ihr schmales Fußgelenk. „Du musst den Knöchel noch ein wenig schonen, dann dürfte schon in wenigen Tagen alles wieder okay sein.“

Sie wirkte erleichtert. „Das werde ich machen. Zur Not kann ich die Frauen auch im Sitzen schminken.“

Hayley verstummte, die Stille im Zimmer wurde beinahe ein wenig unangenehm. Sie suchten beide nach Worten, nach einem Gesprächsaufhänger. Dann hörte er ein grummelndes Geräusch.

„Was war das?“, fragte er stirnrunzelnd.

Sie legte peinlich berührt die Hand an den Bauch und flüsterte: „Ich fürchte, das war mein Magen. Ist schon ne Weile her, dass ich was gegessen habe.“

Er lachte herzhaft und schwang die Beine aus dem Bett. Danach streckte er die Hand nach ihr aus, um ihr aufzuhelfen.

„Na, dann komm! Ich kümmere mich ums Frühstück. Trinkst du deinen Kaffee schwarz oder mit Milch und Zucker?“

„Nur mit Milch“, informierte sie ihn und lächelte lieb.

Seine gute Laune meldete sich schlagartig zurück. Ihm gefiel die Aussicht, nicht allein frühstücken zu müssen. Früher, als er noch in Denver gewohnt hatte, war ihm das nicht wichtig gewesen, doch jetzt vermisste er menschliche Gesellschaft. In einer so abgelegenen Gegend zu leben, machte einsam, und der Gedanke, einen lebensfrohen Menschen wie Hayley jeden Tag um sich zu haben, kam ihm unglaublich verlockend vor. Er spürte selbst, in welch gefährliche Richtung sich seine Wünsche bewegten, und rief sich zur Ordnung. Hatte sie nicht eben selbst von Abreise gesprochen?

Ihr süßes Kichern im Hintergrund vertrieb seine Sorgen vorerst und er setzte wieder sein Lächeln auf. „Was ist denn so komisch?“

Grinsend sah sie vom Bett aus zu ihm hoch und meinte: „Einen Mann wie dich habe ich mir schon immer gewünscht. Erst trägst du mich auf Händen, dann lässt du dich von mir umschmeißen“, sie spielte damit auf ihren gestrigen Überfall im Wohnzimmer an, als sie ihn einfach angesprungen hatte, „und zur Belohnung bekomm ich sogar einen Kaffee.“

„Und Frühstück, vergiss das Frühstück nicht“, bekräftigte er und rieb sich voller Vorfreude den flachen Bauch unter dem weißen Baumwollshirt. Er hatte einen Mordshunger und konnte es kaum erwarten, Hayley mit einer ordentlichen Portion Rührei und Speck zu füttern, damit sie endlich ein paar Gramm mehr auf die Hüften bekam. Er hatte deutlich die zarten Rippenbögen unter seinen Händen fühlen können, als er sie letzte Nacht liebkost hatte. Der archaische Impuls, für das Wohl seiner Gefährtin zu sorgen, hatte ihn voll gepackt. Es war ihm ein Bedürfnis, sie ein wenig aufzupäppeln.

„Also, dann steh ich mal auf“, sagte sie ein bisschen verlegen und zupfte an seinem Shirt, um es ein wenig in die Länge zu ziehen. Dabei hatte er letzte Nacht schon jeden herrlichen Zentimeter ihres Körpers bewundern können.

„Willst du duschen? Ich hole dir noch Handtücher, in der Zwischenzeit haue ich ein paar Eier in die Pfanne.“

„Ich würde mich wirklich gerne ein wenig frisch machen“, antwortete sie und spielte verlegen mit dem Zipfel seiner Bettdecke. Früher hätte ihn diese Schüchternheit eher abgeschreckt, bei ihr fand er sie irgendwie sympathisch. Trent streckte die Hand aus und half ihr, sich aufzurichten.

 

Hayley schwankte kurz, als sie ganz vorsichtig auftrat und feststellte, dass der stechende Schmerz des gestrigen Abends in ein unangenehmes, aber nicht besonders intensives Pulsieren übergegangen war. Trotzdem hielt sie sich vorsichtshalber an seinem muskulösen Unterarm fest.

„Geht es?“

Sie war sich seines abschätzenden Blickes bewusst, als sie lediglich nickte. Oh Gott, sie stand tatsächlich in einem T-Shirt und ohne Höschen neben ihrem Traummann und durfte gleich die selbe Duschkabine benutzen, die er jeden Tag mit seiner nackten Anwesenheit beehrte. Konnte es noch besser werden?

„Komm, das Bad ist direkt gegenüber. Dein Kleid und deine Unterwäsche liegen auch dort.“

Oh du lieber Gott! Hatte er etwa ihr getragenes Höschen in den Händen gehalten? Allein die Vorstellung war ihr unendlich peinlich, doch noch schlimmer war die Aussicht, die Sachen vom Vortag erneut anziehen zu müssen.

Ein paar Minuten später stand sie geduscht und mit frisch geföhnten Haaren in seinem Bad und zog das kurze Strickkleid an ihrem Körper glatt, ehe sie mit spitzen Fingern nach ihrem Höschen griff. Sie betrachtete das getragene Kleidungsstück mit angewiderter Miene und schüttelte den Kopf.

„Das kann ich unmöglich noch einmal anziehen“, murmelte sie verzweifelt, doch ohne Slip konnte sie sich nicht mit Trent an den Frühstückstisch setzen. Sie hielt das Ding ein Stück von sich weg und fixierte es, als wäre es ein gemeingefährlicher Bazillus, der dabei war, eine alles vernichtende Pandemie auszulösen.

Ihr Blick fiel auf Trents Waschbecken und sie hatte die Erleuchtung. Hayley weichte den Slip unter dem Wasserhahn ein und beträufelte ihn mit dem Zeug aus dem Seifenspender, der auf der Ablage stand. Hinterher wusch sie die milchige Flüssigkeit aus, wenn auch nicht sehr gründlich, aufgrund der Eile. Trent konnte ja nicht ewig mit dem Frühstück auf sie warten. Abschließend wrang sie den Stoff aus und griff beherzt nach dem Haartrockner. Doch bevor die Nässe auch nur ansatzweise weichen konnte, stand Trent schon wieder vor der Tür und rief nach ihr: „Hayley, bist du dann fertig? Das Frühstück ist gleich so weit.“

Sie zuckte zusammen und ließ den Föhn vor Schreck fallen. Polternd fiel er zu Boden.

„Alles okay?“

Er klang nicht gerade zuversichtlich, was die Sache nur noch peinlicher für sie machte. Einen saftigen Fluch unterdrückend, holte sie tief Luft, um ihre Nerven zu beruhigen. „Ja, alles prima, ich komme.“

„Soll ich dir bei den Treppen helfen?“

„Nein, das schaff ich schon, geh ruhig schon runter.“

„Okay, wenn du meinst …“

Es verstrichen ein paar Sekunden, dann hörte sie Schritte. Trent entfernte sich wieder. 

Großartig, was nutzen einem die tollsten Ideen, wenn man keine Zeit für die Umsetzung hat, dachte sie verstimmt und hängte den Föhn wieder an den Haken. Diese blöde Maria hätte sicher kein Problem damit gehabt, sich ohne Höschen an den Tisch zu setzen. Entnervt von ihrer eigenen Prüderie, zog sie das nach wie vor leicht feuchte Kleidungsstück über und machte sich auf den Weg nach unten.

Trent stand schon längst wieder am Herd und schlug ein paar Eier in die Pfanne. Sie zischten, als sie mit dem heißen Boden in Berührung kamen, und er fing an, leise zu summen. Hayley vergaß alles um sich herum und starrte ihn an wie ein verliebtes Schaf. Trent Morrison war einfach anbetungswürdig. Selbst so alltägliche Dinge, wie die Zubereitung eines Frühstücks, ließen ihn sexy und außergewöhnlich wirken.

Sie seufzte laut, und er wandte ihr lächelnd den Blick zu, während er gleichzeitig nach dem Speck griff. „Da bist du ja! Ich wollte dich vorhin nicht hetzen, aber es schmeckt nicht, wenn es kalt ist.“ Er deutete auf den Tisch. „Setz dich schon mal und schenk dir einen Kaffee ein. Ich hoffe, du magst Rührei mit Speck … sehr nahrhaft“, fügte er mit einem bedeutsamen Blick auf ihre zarte Statur hinzu.

Hayley trat näher und strich sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, weil sie nicht wusste, wohin mit ihren Händen. Es war auffallend, wie locker er mit der ganzen Situation umging, als wäre es völlig normal, morgens zum Frühstück eine Frau zu Gast zu haben. Diese Vorstellung behagte ihr gar nicht, aber sie hatte kein Recht dazu, ihm irgendwelche Vorhaltungen zu machen.

Sie setzte sich auf den Stuhl. Ihre Hoffnung, sie würde sich nach einigen Minuten an das klamme Gefühl zwischen ihren Schenkeln gewöhnen, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil. In ihrem Schritt fing es an, ganz merkwürdig zu prickeln, es fühlte sich beinahe wie ein Brennen an. Sie befahl sich, diese Missempfindung nicht zu beachten, und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. Nach dem ersten Schluck entspannte sie sich ein wenig und sah sich in aller Ruhe um. Eine hohe Theke trennte den Esstisch vom Herd und der Arbeitsplatte, über der gusseiserne Pfannen und Kellen hingen. Alles war aus stabilem Holz gefertigt und in dem gesamten Raum dominierten warme Töne. Einziger Farbtupfer waren die lindgrünen Vorhänge an den Fenstern.

„Du hast es schön hier. So gemütlich“, fing sie an und beobachtete ihn dabei, wie er die Eier in der Pfanne wendete. Dann kam er mit dem ganzen Ding an den Tisch und häufte eine ordentliche Portion auf ihren Teller. Mit großen Augen sah sie darauf.

„Wer soll denn das alles essen?“, fragte sie verblüfft und er grinste.

Frech küsste er sie auf die Nasenspitze und meinte: „Na, du, wer denn sonst. Hau rein, bevor es kalt wird. Und zier dich nicht, du kannst ein paar Gramm mehr auf den Rippen schon vertragen.“

Er setzte sich zu ihr, nachdem er sich selbst aufgelegt hatte und nahm einen großen Schluck aus seiner Kaffetasse. Danach schlang er in Windeseile seine Eier herunter und lehnte sich dann behaglich zurück, um sie beim Essen zu beobachten. Hayley blieb förmlich der Bissen im Hals stecken.

„Nein, nicht zuschauen!“, bat sie und legte sofort die Gabel ab. „Das macht mich verlegen und ich krieg nichts runter.“

Trents Augen verdunkelten sich. „Aber ich sehe dich gerne an“, erklärte er mit rauer Stimme. „Ich habe nicht oft das Vergnügen, eine so hübsche Frau an meinem Tisch sitzen zu haben.“

Hayley schluckte den Rest ihres Rühreis hinunter und erwiderte wie hypnotisiert seinen Blick. Die tiefblauen Augen dominierten sein gebräuntes Gesicht, und das dunkelblonde Haar umrahmte in leicht zerzausten Strähnen seinen Kopf. Er sah aus wie ein Filmstar. Hayley fragte sich ernsthaft, was ein Mann wie er in einer so einsamen Gegend verloren hatte. Er konnte sicher überall arbeiten, warum bevorzugte er ausgerechnet dieses verschlafene Nest?

Doch diese Frage rückte in den Hintergrund, die Bilder der letzten Nacht rasten unkontrolliert durch ihren Kopf, ebenso die Erinnerung an seinen Mund und seine Hände auf ihrem Körper. Die Stimmung kippte schlagartig, sinnliche Erregung packte sie. Hayley verschwendete keinen Gedanken mehr an das köstliche Frühstück, das er ihr zubereitet hatte. Das Einzige, was diesen intimen Augenblick empfindlich störte, war dieses verdammte Brennen zwischen ihren Beinen, das immer stärker und unangenehmer wurde. Sie hielt es kaum noch aus und rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her.

„Was hast du denn?“, fragte Trent und beobachtete sichtlich irritiert ihre merkwürdigen Verrenkungen.

„Ich hab ein nasses Höschen“, brach es unüberlegt aus ihr heraus und sie schlug sich entsetzt die Hand vor den Mund. Sie hatte das doch nicht wirklich laut ausgesprochen? Viel peinlicher konnte es eigentlich nicht mehr werden.

„Oh Gott, es ist nicht das, was du wahrscheinlich gerade denkst“, fügte sie hinzu. Sie bedeckte das Gesicht mit ihren Händen und spürte eine leichte Bewegung neben sich, als Trent plötzlich neben ihr kniete.

„Was denk ich denn?“, fragte er sanft.

„Na ja, dass ich erregt bin“, flüsterte sie und wünschte sich, die Erde würde sich unter ihr auftun und sie gnädig verschlingen.

„Hayley, bitte sieh mich an!“

„Nein, das kann ich nicht. Ich möchte mich am liebsten in einem Erdloch verkriechen und nie wieder rauskommen. Außerdem brennt es fürchterlich.“

„Hey, komm schon. Du hast doch nichts Schlimmes gesagt. Willst du mir nicht erklären, wie du zu einem nassen Höschen kommst?“, neckte er sie liebevoll und strich ihr übers Haar. Hayley gab sich geschlagen und ließ die Hände wieder sinken. „Ich habe doch keine frische Unterwäsche dabei und ich wollte den benutzten Slip nicht wieder anziehen. Deswegen hab ich ihn in deinem Waschbecken mit der Seife aus dem Spender gewaschen. Zum trockenföhnen bin ich nicht mehr gekommen, du standst ja plötzlich vor der Tür, und so musste ich ihn sofort anziehen“, murmelte sie betreten. „Aber ich glaube, ich vertrage die Seife nicht. Die brennt ganz fürchterlich.“

Zuerst sagte er nichts, nur seine Mundwinkel zitterten verdächtig, bis er urplötzlich losprustete. Trent lachte und schien sich kaum beruhigen zu können.

„So lustig ist das auch wieder nicht“, beschwerte sie sich und rückte beleidigt von ihm ab.

„Hayley, das war keine Seife, sondern meine Aftershave-Lotion. Kein Wunder, wenn das brennt.“

Konnte es überhaupt noch peinlicher werden? Hayley kam sich dumm vor, aber wie hätte sie auch ahnen können, dass sich in dem Spender keine Seife befand?

„Hey, das ist alles halb so wild.“

Der zärtliche Unterton in seiner Stimme tröstete sie ein wenig, konnte ihr die  Verlegenheit aber nicht gänzlich nehmen.

„Das sagst du so einfach“, murmelte sie und rutschte weiter auf ihrem Sitz hin und her. Sie musste jetzt endlich dieses Ding loswerden, bevor die Rückstände der Lotion ihre Schamlippen verätzten.

„Ich muss noch mal nach oben, das fühlt sich an, als hätte ich mich in ein Nest voller Brennnesseln gesetzt.“

„Wenn du etwas zum Wechseln brauchst, kannst du einen Slip von Maria haben. Sie hat ihn mal liegen lassen und ihn dann vergessen. Er ist gewaschen und sie wird ihn sicher nicht vermissen.“

„Ist das dein Ernst?“

Ihre Stimme überschlug sich fast nach Trents ungeheuerlichem Vorschlag. Er schien sich jedoch keiner Schuld bewusst zu sein.

„Es ist doch nur ein Höschen und du brauchst ja offensichtlich eines“, antwortete er und schien sich immer noch nichts dabei zu denken. Dass sie ihm seine Vergangenheit nicht vorwerfen konnte, war selbstverständlich, aber seiner aktuellen Geliebten die Unterwäsche seiner Ex anzubieten, das konnte wohl nur ein Kerl als normal empfinden. Hayley, die ihre Eifersucht kaum noch im Griff hatte, sah bei diesem taktlosen Vorschlag buchstäblich Rot.

„Du bist ein Idiot, Trent Morrison!“, stieß sie hervor und stand so hastig auf, dass der Stuhl nach hinten fiel.

Aufgeschreckt durch ihre heftige Reaktion, erhob er sich ebenfalls. Auf seinem sonnengebräunten Gesicht zeichnete sich Überraschung ab und die Erkenntnis, dass er gerade ein ziemliches Eigentor geschossen hatte. Geschah ihm nur recht. Beim nächsten Mal würde er sich vielleicht mehr Gedanken machen. Gott, Männer konnten manchmal wirklich dämlich sein.

Sie wandte sich ab und humpelte aus dem Raum. Er lief neben ihr her, wollte sie aufhalten.

„Hayley, Kleines … jetzt komm, das war doch nicht so gemeint.“

Obwohl sie wahrscheinlich ein bisschen überreagierte, wollte sie jetzt nicht klein bei geben. Sie blieb stehen und seufzte. „Trent, hör zu! Die Sache ist schon peinlich genug. Bring mich einfach zurück zu den Colemans. Okay?“

Er presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, das Feuer in seinen blauen Augen kühlte sich merklich ab und er wirkte total genervt. „Wie du willst, Prinzessin. Dann schmoll eben weiter, wenn du dich damit besser fühlst.“

Sie verließ die Küche und grübelte darüber nach, warum das Wort Prinzessin, sich aus seinem Mund eher wie eine Beleidigung anhörte und nicht wie ein Kosename.

Kapitel 2

Jason Finch drückte das Gaspedal seines Porsche Cayenne durch und überlegte, wie viele Jahre Knast er sich einhandeln würde, wenn er Rebecca mit Steinen beschwert im nächsten Fluss versenkte. Sie nervte, und das so penetrant und nachhaltig, dass er ihre quengelnden Kommentare einfach nicht ignorieren konnte. Mittlerweile bereute er, sie dazu gezwungen zu haben, ihn auf diesem Trip zu begleiten.

Nachdem er ihre Wohnung verlassen hatte, um im Wagen auf sie zu warten, kam sie schon nach zehn Minuten runter, in Jeans und schlichtem weißen Shirt. Sie setzte sich wortlos neben ihn auf den Beifahrersitz, sobald sie ihren Koffer hinten im Rückraum verstaut hatte. Zuerst war sie recht still gewesen, doch sobald sie Denver hinter sich gelassen hatten, ging das endlose Gemecker los. Über die Größe seines Wagens, seinen Fahrstil, das Wetter, selbst die Sonne störte sie, weil sie ihre Sonnenbrille vergessen hatte.

Anfangs schaffte er es wegzuhören. Sie schmollte, legte dann aber mit neuer Energie los und beschwerte sich über alles mögliche. Erst fuhr er zu schnell, dann wieder zu langsam, dann war ihr zu heiß, im nächsten Augenblick wieder zu kalt. Als Nächstes gefiel ihr sein bevorzugter Musiksender nicht und sie wechselte andauernd die Kanäle, meistens, kurz bevor das betreffende Lied zu Ende war. Ein unbefriedigendes Gefühl, als würde man jemanden zwingen, kurz vor dem Orgasmus aufzuhören und wieder von vorn anzufangen.

Rebecca Olson machte ihn rasend und seine Geduld hing an einem dünnen Faden, so ausgelaugt, wie er sich gerade fühlte. Immerhin war er erst gegen sechs Uhr früh in seiner Wohnung angekommen, völlig übermüdet und mit einer Stinkwut im Bauch, weil sie einfach abgereist war, ohne ihm wenigstens eine kurze Nachricht zu hinterlassen.

Nachdem er die Anzüge gegen ein paar freizeittauglichere Kleidungsstücke ausgetauscht hatte, war er sofort zu ihr gefahren, und nun befanden sie sich bereits auf der Interstate Richtung Castle Rock. Mit etwas Glück würden sie gegen halb zehn in Cherry Springs ankommen.

„Du weißt schon, dass du zu schnell unterwegs bist?“

Ihr süffisanter Tonfall machte ihn rasend, doch er zwang sich zu einer gelassenen Antwort. „Wenn du das sagst, dann wird es wohl so sein.“

Nicht, dass sie das in irgendeiner Weise tangiert hätte, sie stichelte einfach weiter. „Weißt du, die Regierung hat die Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht umsonst eingeführt.“

Okay, das reichte. „Das ist mir scheißegal“, knurrte er ungnädig und betete um Selbstbeherrschung, damit er nicht anhielt und ihr den hübschen Hals umdrehte.

„Hast du eine Ahnung, wie viele Schadstoffe du mit so einem riesigen Auto in die Luft schleuderst?“

Nun war er wirklich nur noch einen Fingerbreit davon entfernt, sie am Straßenrand auszusetzen.

„Könntest du vielleicht mal die Klappe halten? Ich muss mich konzentrieren.“

„Tu das mal, ich bin mir nämlich sicher, dass du dich verfahren hast“, erwiderte sie unüberhörbar selbstzufrieden.

Seit er irgendwo falsch abgebogen war und ziemlich planlos durch die Gegend fuhr, hegte er die gleiche Befürchtung, aber er hätte sich eher selbst kastriert, als das zuzugeben. Nun bereute er seinen Spleen, aus Prinzip kein Navigationsgerät im Auto zu haben. Jason war ein überzeugter Gegner dieser Dinger, weil er die Meinung vertrat, man müsse auch ohne technische Hilfsmittel in der Lage sein, sich zurechtzufinden. Früher gab es so was auch nicht und die Leute erreichten trotzdem ihr Ziel. Dass er selbst sein Vermögen mit Computerspielen und moderner Technik erwirtschaftet hatte, spielte für ihn keine Rolle. Ein echter Kerl brauchte keinen Wegweiser. Punkt.

Doch seit sie kurz nach Castle Rock von der Interstate auf eine Landstraße abgebogen waren, hatte er das Gefühl, ständig im Kreis zu fahren. Rebecca war natürlich intelligent genug, um das zu merken, und die fehlende Beschilderung frustrierte ihn zusätzlich. Innerlich verfluchte er diese verdammte Fernsehsendung. Er könnte jetzt gemütlich auf seiner Dachterrasse frühstücken und von dort aus den Ausblick auf Denver genießen. Stattdessen gondelte er hier in dieser gottverlassenen Gegend herum und musste sich Rebeccas endlose Tiraden anhören.

Gleich darauf hörte er sie wohlig Seufzen. Misstrauisch warf er einen Blick auf sie und keuchte entgeistert auf. Rebecca hatte ihre Schuhe ausgezogen und ihre nackten Füße auf die edle Ablage seines Cayenne gelegt.

Unschuldig grinste sie ihn an. „Du hast doch nichts dagegen, oder?“

Er schluckte eine böse Bemerkung herunter, weil er sich vor ihr keine Blöße geben wollte. Also tat er so, als wäre alles in bester Ordnung und starrte stur nach vorn, auch wenn es in ihm rumorte. Ruhig, lass dich nicht von ihr provozieren.

„Sag mal, wann willst du eigentlich zugeben, dass du keine Ahnung hast, wo wir sind?“, fragte sie plötzlich und strich sich mit einem feinen Lächeln eine rote Haarsträhne hinters Ohr. Seine Antwort bestand aus einem vernichtenden Blick, doch sie ließ sich keineswegs davon beirren und grinste. „Ehrlich, du kannst es ruhig zugeben, da ist doch nichts dabei.“

Ihr vermeintlich freundlicher Tonfall täuschte ihn nicht. Sie machte sich über ihn lustig. Verdammt. Er war müde, sein Magen beschwerte sich knurrend über das fehlende Frühstück und seine Blase drückte fürchterlich. Der Drang zu pinkeln wurde immer unangenehmer, und wenn sie die Blueberry Ranch nicht bald erreichten, würde er sich wohl einen hübschen Baum suchen müssen.

Gereizt nahm er eine Hand vom Steuer und fuhr sich durch das kurz geschnittene schwarze Haar. Früher hatte er es lang getragen. Seine Mitschüler hatten ihn deswegen immer als Hippie beschimpft und ihn ausgelacht, während sich die anderen Jungs alle diese einheitlichen Kurzhaarschnitte zugelegt hatten, die zu jener Zeit so in gewesen waren. Auch die dicke Brille hatte er zwischenzeitlich gegen Kontaktlinsen ausgetauscht und er fragte sich, ob Rebecca ihn wirklich nicht erkannte. Andererseits lag die letzte Begegnung etliche Jahre zurück und die Wandlung die er durchlaufen hatte, war ziemlich bemerkenswert.

Nein, sie hat keine Ahnung, wer da neben ihr sitzt und sie durch die Gegend chauffiert, dachte er und schluckte ein verbittertes Lachen herunter. Rebecca hatte ihn nie richtig wahrgenommen, bis auf diesen einen verhängnisvollen Nachtmittag, der sein ganzes Leben unwiderruflich verändert hatte. Heute war er ein anderer Mensch, sowohl optisch als auch charakterlich. Mit dem Jungen von früher verband ihn rein gar nichts mehr, noch nicht einmal der Name. Wie sollte sie ihn also mit dem blassen, schüchternen Nerd von damals in Verbindung bringen? Absolut unmöglich.

Jason verlor sich für einen kurzen Moment in der Vergangenheit, ehe er mit einer Spur Ironie in der Stimme auf ihre Behauptung antwortete.

„Liebe Rebecca, es kann keine Rede davon sein, dass ich mich verfahren habe. Es dauert nicht mehr lange, ehe wir die Ranch erreichen.“ Er log schamlos und hoffte, dass er wenigstens in die richtige Richtung fuhr.

„Du schwindelst doch!“, antwortete sie ohne Zögern. „Sobald wir an einem Haus oder einer Tankstelle vorbeifahren, frage ich nach dem Weg, dann hat dieses Drama endlich ein Ende.“

„Einen Teufel wirst du tun!“, fuhr er sie an und sie stieß völlig unerwartet einen Schrei der Verzweiflung aus.

„Herrgott noch mal, warum weigert ihr Kerle euch immer, nach dem Weg zu fragen? Es wird dir schon kein Zacken aus der Krone brechen, ein wenig Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn du schon zu geizig bist, um dir ein Navigationsgerät für deinen superteuren Luxusschlitten zu leisten.“

Jason konnte es natürlich nicht auf sich sitzen lassen, dass sie ihn so offen anblaffte. Er war immer noch ihr Boss, und sie behandelte ihn wie einen blöden Idioten. Genau wie damals …

„Wenn du deine Leute besser im Griff hättest, dann wäre ich gar nicht gezwungen, mich durch diese Einöde zu kämpfen, Madame!“

Rebeccas Nasenflügel bebten. „Du wolltest mich doch unbedingt mitnehmen und hast mir keine Wahl gelassen. Also lass deine miese Laune gefälligst an jemand anderem aus. Und wenn du anfängst, mir Unfähigkeit in meinem Beruf zu unterstellen, dann lernst du mich erst richtig kennen.“

„Drohst du mir etwa?“ Er gab sich Mühe, gelassen zu klingen, doch in ihm drin brodelte es gewaltig. Er wusste nicht, ob er sie küssen oder ihr lieber den süßen Hintern versohlen sollte.

Sie lächelte spöttisch. „Wenn du dich von einer Frau bedroht fühlst, nur weil sie ihre Meinung sagt, dann hast du größere Probleme, als ich dachte, Finch.“

Ihre Lästerei ging ihm gegen den Strich, seine Hände zitterten und er hatte Mühe, den Wagen in der Spur zu halten. Sogar seine Stimme bebte, als er weitersprach. „Ich schwöre dir eines, Rebecca. Wenn wir auf der Ranch sind und ich auch nur annähernd das Gefühl bekomme, dass diese Sendung zum Scheitern verurteilt ist, dann streiche ich dir sämtliche Gelder für die Produktion und schicke alle nach Hause. Ist das klar? Und weißt du, was ich dann machen werde?“

„Ich bin sicher, du wirst es mir gleich sagen“, antwortete sie patzig, doch in ihren Augen lag ein wacher Ausdruck. Sie machte sicher nicht den Fehler, ihn zu unterschätzen.

„Ich schmeiß dich aus dem Sender“, teilte er ihr mit und lächelte kalt.

Sie zuckte nicht mal mit der Wimper, sondern lachte lauthals.

„Kannst du mir bitte sagen, was daran so witzig sein soll?“, brüllte er haltlos und konnte es nicht fassen. Da drohte er ihr mit Rausschmiss und sie kicherte, als hätte sie zu viel Gras geraucht. Diese Frau war eindeutig verrückt.

Nachdem sie sich ein klein wenig beruhigt hatte, wischte sie sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln und bedachte ihn mit einem milden Blick, der ihn nur noch mehr aufbrachte. Verdammt, sie sah nicht mal ansatzweise eingeschüchtert aus! Ziel verfehlt, Finch!

„Jason, wir wissen doch beide, dass du viel zu scharf auf mich bist, um mich zu entlassen.“

Sie sagte das mit einer Ruhe, die ihn verblüffte und herausforderte. „Es stimmt, du reizt mich durchaus, aber nicht genug, um dich länger als nötig in meiner Nähe zu ertragen.“

Rebecca hob nur die Augenbraue leicht an. „Du spielst mit mir, Jason, das ist mir in New York klar geworden. Du wirst mich nicht feuern. Nicht, bevor du das hast, was du willst, und ich schwöre dir, ich kriege noch raus, was genau das ist.“

Ihre Stimme floss förmlich über vor Spott, und Jason wurde noch wütender. Sie drehte den Spieß einfach um und stellte sich als unfehlbar dar. Sie hatte sich wirklich kein bisschen verändert, war nach wie vor arrogant und von sich selbst überzeugt. Nichtsdestotrotz war er von ihrer Scharfsinnigkeit beeindruckt. Man durfte eben nie den Fehler begehen und seinen Gegner unterschätzen. Genau das hatte er getan und kassierte prompt die Quittung dafür. Sie ahnte, dass etwas faul war, tappte aber noch im Dunklen, und das würde er sich zunutze machen.

„Du täuschst dich, Herzchen. Die Sache im Hotel war ein bedauerlicher Ausrutscher, mir war langweilig und du warst eben verfügbar. Und was deinen Job angeht … du bist nur noch Programmchefin, weil ich es so will. Denkst du wirklich, wenn ich ernsthaft versucht hätte, dich loszuwerden, dann wärst du noch da? Wach auf, Rebecca! Wenn ich es wirklich darauf anlegen würde, wärst du innerhalb weniger Stunden weg.“

Sie verdrehte die Augen. „Träum weiter, Jason. Du und deine Anwälte, ihr habt mir lange genug das Leben schwer gemacht, aber mein Vertrag ist eindeutig und wasserdicht. Wenn ich dem Sender nicht vorsätzlich schade, bleibe ich dir noch die nächsten fünf Jahre erhalten. Also hör auf, mir zu drohen, und konzentrier dich lieber auf die Strecke. Da vorn steht übrigens ein Wagen am Straßenrand. Vielleicht bist du einmal im Leben vernünftig und fragst den Fahrer nach dem Weg. Sonst kommen wir nie in Cherry Springs an.“

Sie hatte recht und er wusste das. Doch die Schwierigkeiten bei der Produktion konnten seine Ausgangsposition stärken und sie mundtot machen. Möglicherweise reichte es nicht, um sie zu feuern, aber er konnte ihre Kompetenzen beschneiden. Vielleicht würde er sie zu seiner persönlichen Assistentin machen? Sie könnte Kaffee kochen, Kopien ausdrucken, die er gar nicht brauchte, und irgendwelche stupiden Botengänge für ihn erledigen. Es steigerte seine Laune beträchtlich, sich das vorzustellen, und mit ein bisschen Glück würde Rebecca Olson bald schnurren wie ein zahmes Kätzchen, anstatt mit gesträubtem Fell die Krallen an ihm zu wetzen.

„Du bist ja auf einmal so ruhig?“, lästerte sie selbstzufrieden.

„Ich habe nur an die Zukunft gedacht und daran, dass ich noch nicht mal ansatzweise meine Möglichkeiten ausgeschöpft habe, um dir das Leben zur Hölle zu machen.“

Sie würdigte diesen Kommentar nicht mit einer Antwort und er hielt den Wagen an. Neugierig besah er sich den roten Dodge Laramie.

„Da rührt sich niemand“, meinte sie. „Vielleicht solltest du lieber weiterfahren, das kommt mir komisch vor.“

Er warf ihr einen langen Blick zu. „Hast du Angst um mich?“

Rebeccas empörtes Schnauben amüsierte ihn. „Quatsch, ich bin nur vorsichtig. Man hört doch so viel.“

Jason grinste verstohlen in sich hinein und drückte die Wagentür auf.

„Was hast du denn jetzt vor?“, fragte sie aufgeschreckt.

„Ich werde nachsehen, was da los ist. Vielleicht braucht ja jemand Hilfe“, erklärte er ruhig und sah, dass sie sich hektisch abschnallte.

„Warte, ich komme mit!“, rief sie aus und murmelte etwas leiser: „Dass Männer immer die Helden spielen müssen. So was Idiotisches.“

Gemeinsam pirschten sie sich an das Fahrzeug heran. Nachdem Rebecca einen Blick auf das schlummernde Pärchen werfen konnte, entfuhr ihr ein wenig damenhafter Fluch.

Sie klang entsetzt, während er am liebsten gejubelt hätte, doch in Anbetracht der Tatsache, dass die beiden schliefen und er sie nicht zu Tode erschrecken wollte, ließ er es bleiben. Da drinnen saßen eng umschlungen Rachel Parker und einer der Coleman-Brüder. Sie wirkten vertraut, beinahe wie ein Pärchen. Kein Wunder, dass Ms. Billings so beunruhigende Nachrichten verschickt hatte. Der Kerl bändelte anscheinend lieber mit einem Mitglied des Fernsehteams an, anstatt sich um eine der Kandidatinnen zu bemühen. Wenn das keine wundervollen Nachrichten waren!

Grinsend wandte er sich an Rebecca. „So, jetzt bin ich gespannt, ob du mir das“, er deutete auf Rachel und den schlafenden Cowboy, „erklären kannst.“

„Ich bin sicher, es ist nicht so, wie es aussieht.“

Rebeccas mühsam herausgepresste Rechtfertigung brachte ihn zum Lachen. „Ach ja? Ich hätte dich nicht für so naiv gehalten.“

Endlich hatte er Rebecca da, wo er sie haben wollte, und er kostete seinen Triumph weidlich aus. Aus dieser Sache würde sie sich nicht so einfach herauswinden können, und obwohl sie in diesem speziellen Fall gar nichts dafür konnte, würde das auch für sie und ihre Stellung im Sender weitreichende Konsequenzen haben. Manchmal spielte das Leben eben doch fair.

„Ich würde sagen, du bist in echten Schwierigkeiten.“ Grinsend beobachtete er, wie die Insassen des Wagens sich langsam rührten.

„Sie wachen auf“, erklärte er und fügte hinzu: „It’s showtime, Baby.“

Rachel kuschelte sich dichter an die unbekannte Wärmequelle und schnurrte fast vor Behagen. Sie schlief beinahe wieder ein, als sie unsanft an der Schulter gerüttelt wurde. „Hey, Rachel, wach auf!“, flüsterte eine Männerstimme ganz dicht an ihrem Ohr. Sie knurrte unwillig.

„Lass mich in Ruhe, ich will weiterschlafen!“

Trotzig kniff sie die Augen noch fester zusammen, entschlossen, sich nicht aus ihrer schläfrigen Stimmung reißen zu lassen. Sie lag am bequemsten Ort, den man sich vorstellen konnte, und sie wollte dieses Gefühl der Geborgenheit noch ein wenig länger genießen.

„Rachel, meine Beine sind eingeschlafen und wir sind nicht mehr allein. Neben dem Wagen steht ein komisches Pärchen und starrt uns an.“

Obwohl sie langsam klarer im Kopf wurde, interessierte sie das nicht die Bohne. „Dann lass sie doch starren, die gehen schon wieder weg.“

„Rachel Parker, steig von meinem Schoß runter!“, donnerte Noah. „Die Frau da draußen sieht aus, als wollte sie jeden Augenblick die Wagentür eintreten.“

Okay, jetzt war an Schlaf nicht mehr zu denken. Tief beleidigt rutschte sie von ihm runter und warf einen flüchtigen Blick auf das ominöse Pärchen. Sofort wünschte sie sich, sie hätte eher auf Noah gehört.

„Oh Scheiße …“, entfuhr es ihr.

Rachel schluckte, als sie in das unheilverkündende Gesicht ihrer Chefin blickte. Rebecca stand nur einen Meter entfernt vor dem Dodge und wirkte alles andere als fröhlich. Und sie war nicht allein. Neben ihr befand sich Jason Finch, der sich wahrscheinlich innerlich die Hände rieb.

„Kennst du die beiden?

Rachel nickte langsam und konnte sich ungefähr ausmalen, wie verfänglich diese Situation auf Außenstehende wirken musste. Es würde mehr als nur eine gute Ausrede nötig sein, um die Sache hier zu erklären.

„Der Mann da draußen ist Jason Finch, der Besitzer des Senders, und die Frau heißt Rebecca Olson. Sie ist die Programmchefin und für die ganze Produktion verantwortlich. Sie wollen bestimmt nach dem Rechten sehen.“

Sie schluckte schwer und überlegte fieberhaft, wie sie die Sache erklären sollte, ohne die Sendung zu gefährden. Wenn Finch ernsthaft glaubte, sie hätte etwas mit Noah – was ja auch irgendwie der Wahrheit entsprach – dann war die Sache gelaufen. Jane würde ausflippen und ihr wahrscheinlich die Freundschaft aufkündigen.

„Verdammte Scheiße“, schimpfte sie.

Noah fing an, breit zu grinsen. „Dir ist schon klar, dass ich dich jetzt in der Hand habe, kleine Lady?“

Misstrauisch kniff sie die Augen zusammen. „Wie meinst du das?“

„Das ist doch ganz einfach. Du bist in einer verfänglichen Situation, die wir ganz leicht aufklären könnten, sofern ich das will“, meinte er dermaßen selbstzufrieden, dass sie ihm am liebsten einen kräftigen Tritt in den Hintern verpasst hätte. Jetzt wurde ihr alles klar. Dieser miese Schürzenjäger wollte sie erpressen!

„Was verlangst du?“

„Ich will ein Date. Ansonsten schmücke ich unseren kleinen Ausflug mit ein paar harmlosen Andeutungen aus.“

Er grinste dreckig und ihr lief die Zeit davon, da sich Rebecca und Finch sicher fragten, warum sie immer noch im Wagen saßen, anstatt auszusteigen und die peinliche Situation aufzuklären. Rachel gab nach, für den Moment!

„Na gut, du kriegst dein blödes Date, aber ich schwöre dir, du wirst keinen Spaß haben, und wenn ich mit dir fertig bin, dann will dich nicht mal mehr dein blöder Bulle haben, Noah Coleman.“

Nach dieser wenig ermutigenden Prophezeiung stieg sie aus, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Der würde schon sehen, was er davon hatte! Hatte sie letzte Nacht nicht klar und deutlich gesagt, dass sie keine Affäre wollte? Aber Mr. „Ich kann sie alle haben“ glaubte, ein lächerliches Date mit ihm würde reichen, um ihren Widerstand zu brechen.

Sie lief, noch etwas steif, auf ihre beiden Vorgesetzten zu und versuchte dabei, möglichst kein Schuldbewusstsein auszustrahlen. Ob Rebecca ihr glauben würde, war irrelevant, Finch galt es zu überzeugen, und sie wollte wirklich nicht diejenige sein, die alles in den Sand setzte, weil sie in einem schwachen Moment den grünen Augen und den Schmeicheleien von Noah Coleman erlegen war.

„Mr. Finch, Rebecca, wie schön, Sie beide zu sehen“, grüßte sie respektvoll.

Ihrer Chefin war das egal, sie kam sofort zur Sache.

„Ich will eine Erklärung, und das sofort“, fauchte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

Rachel fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. „Falls du darauf anspielst, dass ich mit Mr. Coleman in seinem Wagen übernachtet habe, dann kann ich das erklären.“

Sie merkte ja selbst, wie unglaublich trivial sich das anhörte. Rachel blickte in den Himmel, als ein lang gezogener Schrei erklang. Über ihrem Kopf kreiste ein Adler auf der Suche nach seiner Beute. Jetzt fehlte nur noch stimmungsvolle Mundharmonikamusik, um diese Situation passend zu untermalen. Sie kam sich vor wie ein Outlaw, der von zwei Kopfgeldjägern zur Verantwortung gezogen wurde. Glücklicherweise lenkte Noah ein wenig von ihrer verkrampften Begrüßung ab, denn er war ihr gefolgt und stellte sich direkt neben sie.

„Hi, ich bin Noah Coleman. Rachel hat eben erzählt, sie seien die großen Bosse aus Denver.“

Rebecca ergriff ein bisschen überrumpelt seine Hand und schüttelte sie. Zumindest schien seine offene Art gut bei ihr anzukommen und Rachel hegte die Hoffnung, er könnte überzeugend genug sein, um ihr – und damit auch Jane – den Arsch zu retten. Er begrüßte auch ihren Boss mit einem festen Händedruck. „Mr. Finch, nehme ich an. Ich schätze, Sie kommen, um nach dem Rechten zu sehen.“

Jason Finch nickte und fixierte Rachel, die automatisch die Schultern hängen ließ, in dem vergeblichen Bemühen, sich möglichst klein zu machen.

„So sieht’s aus. Und wohl keinen Tag zu früh, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.“

Oh, oh, er war definitiv auf Krawall gebürstet, das konnte übel ausgehen. Noah durfte keinen Fehler machen, und wehe, er erlaubte sich auch nur eine anzügliche

Andeutung, die missinterpretiert werden konnte. Sie warf ihm einen Blick zu, von dem Gary immer behauptete, sie könnte damit sogar Steine pulverisieren.

Sag jetzt bloß nichts Falsches, Coleman. Sonst kastrier ich dich mit meinen Zähnen, dachte sie angespannt.

Zu ihrer allergrößten Erleichterung blieb er total ruhig. „Es gibt keinen Grund zur Sorge, Mr. Finch. Mir ist letzte Nacht der Sprit ausgegangen und keiner von uns hatte ein Handy dabei. Ich habe mir keinen Quickie mit ihrer Kamerafrau gegönnt, falls Sie das befürchten sollten.“

Goooott, musste er so frei heraus reden und Finch überhaupt erst auf solche Ideen bringen? Tatsächlich glaubte dieser Noah kein Wort, sondern grinste süffisant.

„Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass sie ohne vollen Tank durch die Gegend fahren. Erst recht nicht in einer so einsamen Gegend.“

Sie waren geliefert. Rachel schrieb im Kopf schon die ersten Bewerbungen. Noah kratzte sich indessen verlegen am Kopf.

„Ich weiß, wie blöd das klingt, aber es war tatsächlich so. Diese vielen Frauen auf der Ranch machen mich nervös“, erklärte er in verschwörerischem Tonfall und zwinkerte Finch zu. „Ich sag Ihnen was, da ist eine hübscher als die andere.“

Finch zeigte sein Pokerface; der Kerl ließ sich nicht in die Karten schauen und bohrte gnadenlos weiter. „Und wie kommt die gute Ms. Parker zu Ihnen ins Auto?“

„Gestern Abend waren wir alle in der Stadt feiern. Ms. Parker wurde schlecht, und da ich noch nichts getrunken hatte, habe ich sie gefahren. Dass wir mitten auf der Strecke liegen bleiben, war so nicht geplant.“

„Und die Umarmung?“

Rachel knirschte mit den Zähnen. Finch wollte es aber ganz genau wissen.

„Die Nächte hier sind verdammt kalt, außerdem war es bequemer so“, behauptete er lässig.

Rachel war gegen ihren Willen beeindruckt. Der Kerl konnte wirklich lügen wie gedruckt. Naja, wenn man es ganz genau nahm, entsprach ja nur ein Teil nicht der Wahrheit. Die Sache mit dem Sprit stimmte und gelaufen war tatsächlich nichts. Jedenfalls nicht sexuell. Noah Coleman hatte sich letzte Nacht wie ein wahrer Ehrenmann verhalten und sie nicht angerührt.

Nun meldete sich Rebecca zu Wort und schenkte ihrem Boss ein katzenhaftes Grinsen. „Damit wäre die Angelegenheit ja geklärt und die Dreharbeiten können weiter gehen wie geplant. Oder haben Sie irgendwelche Einwände, Mr. Finch?“

Dafür erntete Rebecca ein säuerliches Lächeln. Oh weh, die beiden befanden sich eindeutig auf dem Kriegspfad. Es fehlte nicht mehr viel und die angespannte Situation zwischen Rebecca und Finch würde sich zu einem offenen Schlagabtausch entwickeln. Spätestens dann, wenn sie die Ranch aufsuchten und herausfanden, wie es tatsächlich um die Dreharbeiten stand. Finch hob mit unnachahmlicher Arroganz die dunklen Augenbrauen, die blauen Augen glitzerten eisig.

„Wir werden ja sehen, wie es sich weiterentwickelt. Ich würde sagen, wir helfen Mr. Coleman mit etwas Sprit aus und fahren ihm dann hinterher.“

Rachel atmete auf. Der schlimmste Schaden war vorerst abgewendet, trotzdem fühlte sie sich sehr unwohl, als sie Rebeccas bohrenden Blick auf sich fühlte. Auch wenn sie nach außen hin friedlich wirkte, würde die Sache noch ein Nachspiel für sie haben.

Wie ein geprügelter Hund schlich sie zurück zum Wagen und betete, dass wenigstens bei Jane alles glatt lief. Sonst konnten sie gleich ihre Koffer packen und abreisen, und aus einem bestimmten, knapp 1,90 Meter großen Grund, wollte sie das auf gar keinen Fall.

Kapitel 3

Jesse lehnte gelangweilt an seinem supermodernen John-Deere-Traktor und wartete auf die Ankunft von Antonio, einen der beiden Hilfsarbeiter, die seine Mutter für die Dauer der Dreharbeiten eingestellt hatte. Er schob seinen Stetson etwas aus dem Gesicht und fixierte den Trailer, in dem Jane und ihre Vorgesetzten vor einigen Minuten verschwunden waren. Seit sein Bruder mit Rachel Parker und der Abordnung aus Denver aufgetaucht war, hatte sich keine Gelegenheit mehr ergeben, unter vier Augen mit Jane zu reden. Er war sogar überzeugt davon, dass sie ihm absichtlich aus dem Weg ging, nachdem er sie heute Morgen mit seiner Bitte überrumpelt hatte.

Ihm war auch nicht ganz klar, was ihn da geritten hatte, aber ihre ehrliche Meinung über seine bescheidene Kusstechnik kratzte an seiner männlichen Eitelkeit. Er konnte und wollte das nicht auf sich sitzen lassen, sein Stolz ließ das nicht zu. Jane sollte ihn voller Bewunderung ansehen, er wollte weder Mitleid noch Gleichgültigkeit von ihrer Seite erfahren, und wenn das bedeutete, dass er sie dafür an sich heranlassen musste, dann war er sogar dazu bereit.

Eigentlich ein kleines Wunder. Bis auf die wenigen Treffen mit Amy mied er jede Nähe zu Frauen. Doch vor Jane wollte er nicht wie ein Versager dastehen. Vielleicht konnte er beim Küssen zeigen, dass er seinen Mann stehen konnte, da ihm das auf andere Weise niemals gelingen würde.

Große Chancen für eine positive Antwort rechnete er sich allerdings nicht aus. Für Jane stand zu viel auf dem Spiel und die unerwartete Ankunft ihres Chefs komplizierte die Situation zusätzlich. War sie bereit für ein paar Küsse ihre Karriere zu riskieren?

„Du bist ein Idiot“, murmelte er leise und starrte auf seine staubigen Stiefelspitzen.

„Na, bist du bereit für deinen Höllentrip?“

Schlagartig riss Jesse den Kopf zur Seite und entdeckte seinen Bruder, der auf ihn zukam.

„Verdammt, musst du mich so erschrecken?“, murrte er schlecht gelaunt und stieß mit seinem Stiefel gegen einen Stein, der in hohem Bogen durch die Luft segelte und etliche Meter entfernt von ihm wieder landete. Noah gesellte sich zu ihm und lehnte sich gegen einen der riesigen Reifen.

„Wie bist du denn drauf? Muss man dich jetzt mit Samthandschuhen anfassen?“

„Wenn man dich mit Sheila auf dem Traktor zum Maisfeld schicken würde, dann wärst du auch nicht besser drauf“, murrte Jesse beleidigt.

Noah lachte. „Okay, eins zu null für dich. Da bin ich mit Anita noch gut bedient. Ich soll ihr zeigen, wie man die Hühner füttert, aber mit Sheila der Männerfresserin auf einem Traktor zu sitzen, hört sich nicht spaßig an. Du hast mein ehrliches Mitgefühl.“

Jesse versuchte zu lächeln, doch die wenig erfreulichen Aussichten und die ungeklärte Situation mit Jane lähmten seine Gesichtsmuskeln. Außerdem verließen Sheila, Kimberly und Anita gerade das Haus und blieben etwas unschlüssig auf der Veranda stehen. Die Ankunft von Jason Finch hatte den gesamten Tagesplan durcheinandergebracht. Das bedeutete zunächst einmal für alle lästiges Warten, bis sich dieser Finch einen Überblick über die Lage verschafft hatte.

„Wir sollten zu ihnen, bevor sie anfangen, sich vor lauter Langeweile gegenseitig die Augen auszukratzen.“

Noahs Mundwinkel zuckten. „Seit wann so fürsorglich?“, neckte er Jesse belustigt und kassierte dafür einen Faustschlag in die Magengrube.

„Red keinen Schwachsinn und komm“, antwortete er und ließ Noah einfach stehen.

Er hatte keine Lust, seinem Bruder zu erklären, dass er das alles nur Jane zuliebe ertrug. Es fand es schon peinlich genug, dass er diesen ganzen Mist überhaupt mitmachte, nur um einer Frau zu imponieren, die wahrscheinlich nur nett zu ihm war, um ihn bei Laune zu halten.

Noah schloss zu ihm auf und sie liefen gemeinsam aufs Haus zu. Dabei warf er immer wieder verstohlene Blicke zum Wohnwagen, doch von Rachel, Jane und Hayley war immer noch nichts zu sehen.

Die kleine Visagistin war übrigens wohlbehalten auf der Ranch aufgetaucht, in Begleitung von Trent, der sie – wie Jesse zwischenzeitlich erfahren hatte – vor einer Nacht im Freien bewahrt hatte. Der Abschied zwischen den beiden fiel reichlich kühl aus, ehe Ms. Graham mit hochgerecktem Kinn und gouvernantenhaft steifen Schritten ins Haus stolziert war. Trent hatte ihr lange nachgesehen, ehe er schulterzuckend in seinen Lincoln stieg und davonfuhr. Scheinbar hatten alle einen denkwürdigen Abend hinter sich gebracht und drehten langsam durch.

Sie erreichten die Veranda, zeitgleich fuhr ein Kleinbus in den Hof ein. Darin saß Antonio Cortez, der Hilfsarbeiter, den seine Mutter eingestellt hatte. Währenddessen machte sein Bruder seinem Ruf als Charmeur alle Ehre, und verbeugte sich formvollendet vor den Damen. „Ladys, ich fühle mich geblendet von so viel Schönheit.“

Sheila und Kim kicherten geschmeichelt, nur Anita interessierte sich herzlich wenig für Noahs Flirtversuche. „Ich glaube, ihr bekommt Besuch“, meinte sie trocken und deutete auf den langhaarigen Antonio, der gerade aus dem Bus stieg. Jesse fiel auf, dass Sheila den Neuankömmling genau in Augenschein nahm. Ihr Blick besaß etwas widerwärtig Taxierendes.

„Das ist Antonio, einer unserer Hilfsarbeiter“, erklärte er schnell und Sheila Wilsons Interesse erlosch schlagartig. Offenbar war ein einfacher Arbeiter unter ihrer Würde, dabei würde es der Bursche sicher eines Tages zu etwas bringen. Er hatte nach Jahren des Herumreisens in der Weltgeschichte, seinen Schulabschluss nachgeholt und studierte aktuell Agrarwirtschaft. In den Semesterferien verdiente er sich gern ein paar Dollar dazu, bevor er wieder an die Uni musste. Jesse mochte ihn, abgesehen davon konnte der Kerl arbeiten wie ein Pferd und versprühte immer gute Laune.

Sein Bruder nutzte das kurze Schweigen, um sich wieder aus dem Staub zu machen.

„Ich geh dann mal wieder rein, du managst das mit Antonio, ja?“

Jesse warf seinem jüngeren Bruder einen vernichtenden Blick zu und nahm sich vor, ihm demnächst eine ordentliche Abreibung zu verpassen, weil er sich schon wieder feige davonmachte.

Als Antonio nahe genug kam, um sein Gesicht erkennen zu können, hörte er Anita fürchterlich fluchen. Ein wenig irritiert musterte er ihr ärgerlich verzogenes Gesicht. Was hatte sie denn an ihm auszusetzen? Mit seinen schulterlangen schwarzen Haaren, der gebräunten Haut und seinen feurig-schwarzen Augen, die wie glühende Kohlen aus seinem Gesicht herausstachen, war Antonio ein absoluter Frauenmagnet. Es kam eher selten vor, dass er in Frauen etwas anderes als Entzücken hervorrief.

„Ist das der Quotenmexikaner hier in der Gegend?“

Anitas unverschämte Frage versetzte Jesse in Erstaunen. „Sagen Sie bloß, Sie mögen Ihre eigenen Landsleute nicht“, meinte er verwundert.

Immerhin war Anita selbst Latina, zwar nur väterlicherseits, wie sie mal beiläufig erwähnt hatte, aber auch durch ihre Adern floss mexikanisches Blut.

„Eigentlich war ich der Meinung, hier gäbe es keine Latinos“, beschwerte sie sich, ohne seine Frage zu beantworten. Dabei fixierte sie Antonio, als wäre er ein widerlicher Bazillus. Der quittierte ihre ablehnende Haltung mit einem lässigen Spruch. „Wenn Sie ein Problem mit meiner Herkunft haben, müssen Sie sich bei der Einwanderungsbehörde beschweren“, meinte er entspannt und schob die Daumen in die Schlaufen seiner Jeans. Bevor Anita ihm eine unverschämte Antwort um die Ohren hauen konnte, stellte Jesse ihn offiziell vor. „Meine Damen, das hier ist Antonio Cortez. Er hilft für die Dauer der Dreharbeiten bei uns aus.“

Kimberly und Sheila tuschelten miteinander, Anita hingegen versuchte, ihn einfach nur in Grund und Boden zu starren, was Tony nicht im Mindesten interessierte. Er warf sein langes schwarzes Haar zurück und sein stolzes Lächeln verlieh seinem kantigen Gesicht herbe Würde.

„Gut, dass du da bist.“ Jesse wollte Antonio so schnell wie möglich aus der Schusslinie bekommen, ehe Anita ihn vergraulte. „Wir haben eine Menge Arbeit“, fügte er hinzu.

„Sag mir, wo’ s brennt und ich lege los.“ Er hörte aufmerksam zu, als Jesse ihn knapp über den Tagesplan informierte, danach zwinkerte er Anita frech zu. „Vielleicht haben Sie ja Lust, mir ein bisschen zur Hand zu gehen“, frotzelte er zweideutig.

Anita knurrte und setzte schon zu einer entsprechenden Antwort an, als ihr eine weibliche Stimme zuvorkam.

„Ladys, Ms. Graham erwartet euch am Trailer, um sich um euer Make-up zu kümmern. Es wäre nett, wenn ihr euch beeilen würdet, wir liegen sowieso schon hinter dem Zeitplan zurück.“

Jesses Herz setzte für einen Moment aus. Jane. Er hatte sie gar nicht kommen sehen, und der Klang ihrer melodiösen Stimme löste die unterschiedlichsten Dinge in ihm aus. Sein Magen zog sich zusammen, und seine Kopfhaut fing an zu kribbeln, als würde sie mit ihren zarten Fingern hindurchfahren. Nun überfielen ihn auch die Erinnerungen an den heutigen Morgen. Er konnte noch immer ihre warme, leicht feuchte Haut an seiner spüren oder die unglaublich weichen Lippen, die sich so perfekt an seine geschmiegt hatten.

Hätte er sich nicht so sehr davor gefürchtet, sie könnte ähnlich reagieren wie Juliette damals, dann hätte er Jane gepackt und sie einfach in sein Schlafzimmer gezogen. Über zehn Jahre lang hatte er es geschafft, alle Gefühle abzuschalten, und nun kam diese freche Kratzbürste daher und brachte ihn völlig durcheinander.

Leichtfüßig erklomm sie die Stufen der Veranda und stellte sich dicht neben ihn. Ihre nackten Arme streiften ihn seitlich. Jesse fühlte, wie sich sofort jedes Härchen an seinem Körper aufrichtete und er glaubte, ein Knistern zu hören. Jane musste es ebenfalls gespürt haben, denn sie warf ihm einen verstohlenen Seitenblick zu. Er versank in ihren klaren Augen und bekam noch nicht einmal mit, dass sich die anderen entfernten. Die Frauen, wie erbeten, zu Hayley Graham, um sich das passende Make-up verpassen zu lassen, und Antonio machte sich wie besprochen auf den Weg zur Weide.

Erst Janes Stimme brach den Bann, unter dem er stand. „Woran denkst du?“

Sie flüsterte beinahe und doch kam es ihm vor, als hätte sie die Worte laut herausgeschrien.

„An nichts Besonderes“, erklärte er unbestimmt und senkte den Kopf. Ein Fehler, denn jetzt starrte er direkt auf ihre hübschen Beine, die in ziemlich kurzen Shorts steckten. Obenrum war es auch nicht viel besser. Sie trug ein enges Top mit hauchdünnen Trägern. Kein ungewöhnlicher Aufzug während der Sommermonate, und ein bisschen nackte Haut brachte ihn sonst nicht aus der Fassung. Ein fehlender BH allerdings schon. Ihre süßen Brüste pressten sich gegen das weiche Material ihres Trägershirts, die Knospen darunter regten seine Fantasie an. Jesse fing an zu schwitzen und sehnte sich nach einer eiskalten Dusche. Alternativ hätte er auch eine Wanne mit klirrend kaltem Eis akzeptiert.

Ein feiner Schweißtropfen rann von ihrem Hals abwärts und verschwand im Tal ihres Busens. Dieser kleine Spalt sah wirklich verlockend aus und er musste an sich halten, um nicht die Hand auszustrecken und einen Finger dazwischen zu schieben, um herauszufinden, wie tief er zwischen diesen niedlichen Brüsten versinken konnte.

Heilige Scheiße, jetzt hatte er schon am helllichten Tag unanständige Fantasien. Wahrscheinlich wurde es wieder Zeit für einen Besuch bei Amy, wenn er bei Janes Anblick nur noch an das Eine denken konnte.

Nach dem unschönen Erlebnis mit Juliette und der Hiobsbotschaft, die er einige Monate danach erhalten hatte, war es ihm lange Zeit sehr schwer gefallen, seine Libido in Schach zu halten. Mit der Zeit wurde es leichter, bis er seine Gelüste gut unter Kontrolle bekam. Mit Amy lebte er diesen Teil seines Lebens hin und wieder aus. Sie erwartete weder Romantik noch Zärtlichkeit, sondern wollte einfach nur gevögelt werden. Doch seit er Jane kannte, fing er an, sich zu verändern, er erkannte sich selbst nicht mehr wieder.

Sofort riss er sich von dem verlockenden Anblick ihres Dekolletés los und konzentrierte sich wieder auf ihr Gesicht. Sie beobachtete ihn schweigend, während seine Augen geradezu am feucht schimmernden Kirschrot ihrer Lippen klebten. Er wollte sie dort berühren, sie küssen …

Plötzlich rückte sie näher an ihn heran. „Wir sollten noch kurz miteinander reden, bevor Hayley das Make-up fertig hat“, sagte sie und sah sich dann um. „Können wir uns hinterm Haus treffen? Ich will nicht, dass Rebecca oder Finch etwas mitbekommen.“

„Okay, ich geh schon vor“, erklärte er. „Am besten, du wartest ein bisschen, ehe du nachkommst.“

Ihre Augen trafen sich für einen Moment, ehe er sich abrupt abwandte. Statt die Stufen zu nehmen, schwang er sich mit einem gewaltigen Satz über die Verandabrüstung und landete geschmeidig auf dem Boden. Kurz darauf trat er in den Garten und stellte sich in den Schatten einer Colorado-Tanne. Jesse lehnte sich gegen den breiten Stamm und wartete auf Jane. Nach circa fünf Minuten kam sie endlich nach.

Zügig lief sie auf ihn zu und blieb dicht vor ihm stehen. „Hi …“

Sie lächelte und er hatte das Gefühl, sein Brustkorb würde sich zusammenschnüren. Wie ihre Entscheidung wohl ausgefallen war? Er schluckte hart und überließ es ihr, den Anfang zu machen. In ihren Augen lag ein merkwürdig weicher Ausdruck, selbst ihre sonst so energische Stimme klang weniger bestimmend als sonst.

„Ich habe gründlich über deine Bitte nachgedacht und ich will auch nicht lange drum herum reden. Ich mache es.“

Der Schock über ihr Einverständnis pulste durch seinen gesamten Körper und nahm ihm kurz die Luft. Jesse hatte nicht wirklich mit einem Ja gerechnet, sondern eine freundlich formulierte Abfuhr erwartet.

„Meinst du das ernst?“

Er hörte sich an, als hätte jemand rostige Nägel auf seinen Stimmbändern verteilt. 

„Über so was würde ich keine Witze machen. Aber Jesse, es darf niemand davon erfahren, sonst bin ich meinen Job los. Rebecca befürchtet schon, dass was zwischen Rachel und deinem Bruder läuft, und Finch sitzt ihr im Nacken und wartet nur auf einen Grund, um die ganze Sache zu canceln. Du musst mir also schwören, dass alles, was zwischen uns passiert, unter vier Augen bleibt. Ich muss mich da auf dich verlassen können.“

Sie sah ihn eindringlich an und streckte die Hand nach ihm aus. Sie umfasste sein Handgelenk. Jesses Haut brannte unter ihren zarten Fingern. Er wollte lieber nicht daran denken, wie sich diese Hände an anderen Stellen seines Körpers anfühlen würden.

„Glaub mir, ich bin auch nicht scharf auf Gerüchte. Ich habe jetzt schon Schwierigkeiten, die heiratswütigen Frauen in Cherry Springs abzuschütteln. Wenn die erfahren, dass ich mit einer Frau rummache, wird sie das nur ermutigen. Außerdem ist Diskretion mein zweiter Vorname“, scherzte er abschließend.

Janes langsam einsetzendes feines Lächeln bezauberte ihn.

„Okay, das hört sich vernünftig an.“

„Wann können wir uns sehen?“, fragte er begierig. Gleich darauf hätte er sich am liebsten in den Arsch getreten. Eigentlich wollte er nicht zeigen, wie sehr er darauf aus war, ein bisschen mit ihr herumzuexperimentieren.

Janes schmale Augenbrauen schossen in die Höhe. Sein Eifer, die Sache so schnell wie möglich anzugehen, überraschte sie natürlich. Sie kaute auf ihrer Lippe herum und dachte nach. Schließlich machte sie einen ersten Vorschlag. „Ähm, was hältst du von heute Abend, sobald die anderen schlafen?“

„Klingt gut, dann …“, er räusperte sich, „stört uns niemand.“

„Okay, bevor ich gehe, nur noch eines …“

Sie machte einen Schritt auf ihn zu, er automatisch einen nach hinten, wurde aber vom Baumstamm an seinem Rücken ausgebremst. „Was wird das denn jetzt?“, fragte er panisch.

Jesses Blut kochte, natürlich wusste er, was sie vorhatte. Aber jetzt, am helllichten Tag? Jemand könnte sie von einem Fenster aus beobachten, sie konnten ja nicht sicher sein, ob sich nicht genau jetzt jemand im Haus befand und zufällig hinaus sah. Jane schien das nicht zu stören.

„Sie sind alle vor dem Haus. Ich habe gesehen, wie Finch und Rebecca alle zu sich zitiert haben. Ich habe gesagt, ich würde dich holen, es wird also keiner auf die Idee kommen, nach uns zu sehen.“

Ihre Hände legten sich auf seine Brust. „Jane …“, flüsterte er abwehrend, immer wieder glitt sein Blick über ihre Schultern zum Haus. Sie hob die Arme, ihre Finger streiften glühend heiß seine Wange und zwangen ihn mit sanfter Gewalt, ihr ins Gesicht zu sehen.

„Mach dir keine Gedanken, es ist okay. Ich würde kein unnötiges Risiko eingehen.“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und befeuchtete ihre Lippen, dann zog sie seinen Kopf zu sich hinunter. „Nur eine kleine Kostprobe, damit du weißt, was auf dich zukommt.“

Kurz darauf berührten ihre Lippen kaum spürbar seinen Mund. Jesse reagierte prompt, umfasste ihre Taille und spürte nackte Haut, da ihr Oberteil durch die Streckung nach oben verrutscht war. Warm, unendlich weich …

Er stöhnte leise und strich vorsichtig über ihre Seiten, fühlte sie erschauern und überließ sich ihrer Zunge, die sich zwischen seine geschlossenen Lippen drängte. Jetzt lehnte sie sich gegen ihn, seine Hände rutschten automatisch unter ihr Top und strichen über ihren samtigen Bauch. Sie verlor die Kontrolle und er beinahe den Verstand.

„Höher, Jesse“, keuchte sie und saugte an seiner Unterlippe.

Knurrend befolgte er ihren Befehl, als Anitas Stimme diesen einmaligen Moment unterbrach.

„Hey, Coleman, ich muss dich mal was fragen.“

Hektisch fuhren sie auseinander und begegneten Anitas gelangweiltem Blick. Anscheinend überraschte es sie nicht im Geringsten, ihn mit Jane in flagranti erwischt zu haben. Die versuchte sofort, die eindeutige Situation herunterzuspielen.

„Hören Sie, das ist jetzt wirklich nicht so, wie es vielleicht gerade aussieht.“

Anitas hübsches Gesicht verzog sich missbilligend. „Also bitte, ich bin weder bescheuert noch blind. Außerdem ist es mir egal, was ihr beiden treibt. Diese ganze Kuppelsache ist doch nur Show und wir machen das alle nur wegen der Kohle. Außer Miss Hochwohlgeboren Sheila Wilson. Die denkt noch immer, sie wird die neue Königin von Cherry Springs.“

In Jesse machte sich spürbare Erleichterung breit. „Dann wirst du nichts verraten?“, vergewisserte er sich und gab sich Mühe, ein hoffentlich einnehmendes Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern. Er musste sicher sein, dass sie den Mund hielt. Jane durfte die Ranch nicht verlassen, nicht bevor er ihr gezeigt hatte, dass mehr in ihm steckte als nur irgendein x-beliebiger Hillbilly-Trottel.

„Mach dir nicht in die Hosen. Ich werde keinem von eurem kleinen Techtelmechtel erzählen, jedenfalls nicht, wenn du mir ein paar Fragen beantwortest.“

Er wechselte einen schnellen Blick mit Jane, dann verschränkte er die Arme vor der Brust. „Was willst du wissen?“

„Ich hätte ein paar Fragen über Antonio.“

Beinahe hätte er gelacht. „Ich dachte, du magst ihn nicht.“

„Hör auf, dich über mich lustig zu machen, sonst bin ich in weniger als einer Minute bei Finch und erzähle ihm, dass seine Regisseurin dir an die Wäsche will.“

Jesse verstand nicht, worum es ihr eigentlich ging, aber im Endeffekt, war das auch belanglos. Er seufzte. „Okay, was genau möchtest du denn über ihn erfahren?“

Anitas exotisch geformte Augen leuchteten vor Zufriedenheit. „Wie alt ist er?“

„Wenn ich mich nicht irre, siebenundzwanzig“, antwortete Jesse wahrheitsgetreu.

„Feste Freundin?“

„Nein …“

„Irgendwelche Kinder?“

„Nicht, dass ich wüsste.“

„Gibt es in seiner Familie irgendwelche vererblichen Krankheiten?“

Das wurde ihm nun doch zu viel. Er hob abwehrend die Hand. „Hey, so was kannst du ihn selbst fragen.“

Sie verzog das Gesicht. „Ist ja gut.“

„Wieso interessiert dich das alles?“

„Er ist Mann, ich bin eine Frau. Denk mal scharf nach, Amigo.“

 

Jane traute ihren Ohren nicht und verspürte das Bedürfnis, sich wie ein bockiges Kind auf den Boden zu schmeißen. Anita Sanchez’ plötzliches Interesse an diesem schnuckligen Mexikaner stellte sie vor eine erneute Herausforderung, dabei hatte sie wirklich schon genug Probleme am Hals.

Jason Finch hatte den Braten längst gerochen und ihr mitgeteilt, dass er und Rebecca sich für einige Tage im Motel von Cherry Springs einquartieren würden. Im Verlauf dieser Unterhaltung stellte er ganz unmissverständlich klar, dass er weitere Pannen nicht tolerieren würde, und sie konnte ihm diese rigide Haltung nicht einmal übel nehmen. Erst erwischte er Rachel schlafend in Noahs Armen, dann, als er endlich auf der Ranch ankam, erfuhr er, dass Hayley vermisst wurde – die dann zwar wohlbehalten, aber viel zu spät von Dr. Morrison hier abgeliefert wurde – und wenn Anita auch noch anfing, ihr Interesse auf diesen hübschen Latino zu verlagern, dann konnte sie gleich freiwillig aufgeben. Wenigstens hatte ihr Finch noch eine Schonfrist zugestanden und nun oblag es ihrer Verantwortung, aus diesem Chaos etwas Brauchbares zu produzieren. Und was machte sie stattdessen?

Sie setzte alles aufs Spiel, weil sie es nicht schaffte, die Finger von Jesse Coleman zu lassen. Entschlossen, wenigstens Anita wieder zur Vernunft zu bringen, wenn sie selbst schon nicht in der Lage dazu war, musterte sie die andere Frau mit strenger Miene. „Anita, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie einen Vertrag zu erfüllen haben, und es wäre für alle von Vorteil, wenn Sie Antonio nicht direkt vor Finchs Augen nachstellen.“

Anita wirkte nicht im Mindesten beeindruckt oder eingeschüchtert. „Das sagt gerade die Richtige“, stichelte sie. „Haben Sie auch an die Verträge gedacht, als Sie vorhin Ihre Zunge in Jesses Mund geschoben haben?“

Jane wollte protestieren, doch ihr blieben die Worte im Hals stecken, weil Anitas Vorwurf gerechtfertigt war.

„Hören Sie, Ms. Billings“, fuhr diese etwas versöhnlicher fort. „Ich habe das eben nicht böse gemeint und ich will auch niemanden in Schwierigkeiten bringen, schon gar nicht mich selbst, aber ich werde in zwei Jahren dreißig und ich bin immer noch nicht verheiratet. Leider gibt es auf dem Singlemarkt weitaus mehr Frösche als Prinzen und ich hatte die Hoffnung, durch die Show endlich mal einen kernigen und bodenständigen Kerl mit guten Genen kennenzulernen.“

Gute Gene? Jane schwante Böses, ihre Mundwinkel zuckten und sie wusste nicht, ob sie lieber lachen oder weinen sollte.

„Sie reden doch nicht etwa von …“

Auf Anitas Wangen zeigte sich ein Hauch von Röte. „Jetzt sehen Sie mich nicht so überrascht an, weil ich es darauf anlege, schwanger zu werden. Ich bin Single und meine biologische Uhr tickt. Da ich aufgrund von Geldmangel dazu gezwungen bin, diese Sache auf natürlichem Weg zu erledigen und Jesse und sein Bruder dafür wohl nicht mehr in Frage kommen, muss ich mich eben nach Ersatz umsehen. Mr. Cortez scheint mir eine gute Alternative zu sein.“ Nachdenklich tippte sie sich gegen ihr Kinn. „Hoffentlich sind seine Spermien widerstandsfähig. Mein Gynäkologe meinte nämlich, meine Eierstöcke wären ein bisschen träge.“

Jane lachte, schwankend zwischen Hysterie und Belustigung. Sie wollte keine näheren Angaben über den Zustand von Anita Sanchez’ Eierstöcken, doch die geizte nicht mit Informationen und redete fröhlich weiter, als wäre es das Normalste auf der Welt, ihre gynäkologischen Unzulänglichkeiten auszuplaudern. Trotzdem musste sie Anitas Eifer ein wenig ausbremsen.

„Ms. Sanchez, das ist ja alles nachvollziehbar, aber ich muss Sie wirklich bitten, Antonio erst mal zu vergessen.“

„Wenn Sie versuchen, mich daran zu hindern, dann erzähle ich Ihrem Boss, dass Sie Jesse Coleman an die Wäsche wollten.“

Die Luft für Jane wurde spürbar dünner und ihr gingen die Argumente aus, um Anita zur Vernunft zu bringen. Jesse war ihr auch keine wirkliche Hilfe. Er wirkte leicht überfordert, angesichts der Tatsache, dass er einer drohenden Vaterschaft gerade noch so von der Schippe gesprungen war.

„Und was erwarten Sie jetzt von mir, Anita?“ Jane war ratlos. „Dass ich einfach so zuschaue, wie Sie sich einen Samenspender an Land ziehen, während Mr. Coleman leer ausgeht?“

„Oh bitte, machen Sie sich nicht lächerlich. Die Show ist doch ein einziger großer Fake und Sie werden ihn schon trösten. Außerdem haben Sie ja noch Kimberly und Sheila, die Sie für gute Einschaltquoten verheizen können.“

Jane gab sich geschlagen. Anita plante die Zeugung ihrer zukünftigen Kinder mit mehr Sorgfalt als ein General der US-Army seinen nächsten Militäreinsatz und würde sich nicht davon abhalten lassen, Antonio Cortez um ein paar Spermien zu erleichtern.

„So, wie es aussieht, bin ich nicht in der Position, um Ihnen Vorschriften zu machen. Aber Sie müssen über diese eine Sache“, sie sah kurz rüber zu Jesse, „absolutes Stillschweigen bewahren.“

„Wenn ihr nichts sagt, sag ich auch nichts.“ Anita lächelte und wirkte äußerst zufrieden. „Ich geh dann mal wieder zurück zu den anderen. Meinen Vertrag erfüllen“, fügte sie mit spöttischem Unterton hinzu und ließ die beiden allein.

„Kannst du das glauben? Die erpresst dich“, stellte Jesse ungläubig fest.

„Nicht mich. Uns.“

Jane griff sich an die Schläfen und versuchte mit kreisenden Massagebewegungen, den beginnenden Kopfschmerz loszuwerden. In ihren Gedanken herrschte ein heilloses Durcheinander. Jesse, dann der Kuss, der um ein Haar außer Kontrolle geraten wäre, und das krönende Sahnehäubchen kam dann in Form von Anita daher. Es gab eine Zeugin und ihr behagte der Gedanke nicht, vom Wohlwollen einer anderen Person abhängig zu sein. Sie hätte Jesses Bitte nicht zustimmen dürfen. Das Ganze war ein Fehler, den sie umgehend korrigieren musste, bevor sie wegen ihres heißen Höschens alles aufs Spiel setzte, wofür sie jahrelang hart gearbeitete hatte.

„Jesse, hör mal, ich glaube, wir sollten das einfach sein lassen. Es ist viel zu riskant. Ich kann meinen Job nicht für eine harmlose Spielerei riskieren, und wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, warum du mich überhaupt darum gebeten hast, dir das Küssen beizubringen. Du hasst Frauen, das hast du selbst gesagt. Das Ganze ist eine Schnapsidee.“

Sie drehte sich um und wollte gehen, als sie von Jesse herumgerissen wurde. Sie prallte gegen seine Brust und sah zu ihm auf.

„Was soll das? Lass mich sofort los!“

Sie ärgerte sich maßlos über ihre atemlose Stimme. Jesse hielt ihre Oberarme mit eiserner Kraft fest, seine Finger brannten auf ihrer Haut und die Stimme klang schroff vor Enttäuschung.

„Du kannst nicht einfach kneifen, nur weil es jetzt schwierig wird.“

„Ich kneife nicht. Ich bin bloß vernünftig, das ist ein himmelweiter Unterschied. Versteh doch, ich bin geliefert, wenn man uns auf die Schliche kommt.“

Sie suchte in seinen grünen Augen nach Verständnis, fand aber nur irritierende Entschlossenheit. Er würde es ihr nicht leicht machen und je länger sie seinem Blick standhielt, umso schwerer fiel es ihr, ihn zurückzuweisen.

„Erklär mir, wieso“, verlangte er bestimmend.

„Das habe ich doch gerade getan. Ich will die Produktion ordentlich zu Ende bringen, das funktioniert aber nicht, wenn ich etwas mit dir anfange.“

Während sie ihm begreiflich machte, wieso sie gar nicht anders handeln konnte, fing er an, ihre Oberarme zu streicheln. Sanft, sinnlich. Seine Finger strichen über ihre sonnenwarme Haut, ein süßes Brennen fand seinen Ursprung tief in ihrem Bauch, bis eine angenehme Hitze sie von Kopf bis Fuß erfasste. Dann überraschte er sie ein weiteres Mal.

„Weißt du, ich wäre besser gelaunt während der Dreharbeiten, wenn du mit mir übst. So, wie du es versprochen hast.“

Eigentlich hatte sie nichts versprochen, sonderlich lediglich seiner Bitte zugestimmt. Doch das ignorierte er geflissentlich, um ihr ein schlechtes Gewissen einzureden. Zu ihrem Leidwesen funktionierte das auch. Er drängte sie in eine Position, in der sie sich gezwungen sah, sich und ihre Handlungen zu rechtfertigen. Das gefiel ihr nicht, es machte sie verletzlich.

„Verdammt, Jesse, warum ausgerechnet ich?“ Ihre tendenziell aufbrausende Art brach nun voll durch. „Es gibt sicher Hunderte von Frauen, die sich liebend gern die Zeit nehmen würden, um dir das Küssen beizubringen. Du brauchst mich doch gar nicht.“

Statt ihr zu antworten, legte er ihr blitzschnell einen Arm um die Hüfte und zog sie an sich. In ihrem Bauch bildete sich ein blubbernder Ballon aus kribbelnder Wärme. Dabei machte er nichts anderes, als sie zu halten und ihr in die Augen zu sehen.

„Du hast es versprochen“, wiederholte er hartnäckig.

„Es tut mir so leid“, flüsterte sie und schluckte hart. „Schau, ich fühle mich wirklich geschmeichelt, aber du bist nicht auf mich angewiesen. Ehrlich, Jesse, du könntest praktisch jede Frau auf diesem Planeten haben. Es ist mir ein Rätsel, wie du es so lange geschafft hast, sie dir vom Leib zu halten, denn du gehörst zu den attraktivsten Männern, die mir jemals begegnet sind. Aber was auch immer dich dazu getrieben hat, dich so zu verhalten, ich kann dir nicht helfen. Du wirst dir eine andere Frau suchen müssen, mit der du üben kannst.“

„Und wenn ich keine andere will?“

Jane strich ihm über die Wange. Er klang wie ein kleiner Junge, dem man seinen größten Wunsch verweigerte, und sie hasste die Rolle der Spielverderberin.

„Wenn du dich wirklich so auf mich fixierst, dann haben wir beide ein Problem“, erklärte sie sanft und ging davon aus, dass er sie jetzt loslassen würde. Von wegen. Sie unterschätzte die Situation und sie unterschätzte Jesses Willen, das zu bekommen, was er begehrte.

Statt es dabei bewenden zu lassen, zog er sie mit sanfter Gewalt näher an sich. Ihre Hüften prallten gegen seine Lenden, ihre Brüste schmiegten sich an seinen harten Oberkörper. Oh wow, der Kerl schien aus purem Stahl zu bestehen und sie sehnte sich danach, die weiche Haut darüber zu erforschen. Überall …

Pfui, Jane, schäm dich, an so was zu denken.

Sein Mund verzog sich zu einem angedeuteten Grinsen. „Jane, ich mag dich. Du bist nicht wie die anderen Frauen und ich vertraue dir. Deswegen möchte ich, dass du mir hilfst. Eine andere kommt nicht infrage, dann lass ich es lieber ganz bleiben.“

Sie biss unschlüssig auf ihrer Unterlippe herum und fing an, darüber nachzudenken, ob sie nicht doch das Risiko eingehen sollte. Wann war ihr das letzte Mal so ein Kerl begegnet?

Attraktiv, kraftvoll, bodenständig, sexy wie die Hölle. Doch es war nicht nur die körperliche Anziehung, die ihn so attraktiv für sie machte. Sie wollte mehr über ihn erfahren, über die Gründe für seine Zurückhaltung, was ihn antrieb und was ihn glücklich machte. Was war in seinem Leben vorgefallen, dass er so eine Scheu, ja, beinahe schon Angst vor Frauen entwickelt hatte? Dass er sie um Hilfe gebeten hatte, musste ihn unglaubliche Überwindung gekostet haben, und sie bremste diese positive Entwicklung aus, indem sie sich verweigerte.

Gott, was sollte sie nur tun?

„Ich weiß nicht recht, Jesse.“ Sie wollte sich von ihm lösen, schaffte es aber nicht, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Unerbittlich hielt er sie fest und je länger sie sich seiner kraftvollen Präsenz ausliefern musste, umso bröckeliger wurde ihr Widerstand.

Hin- und hergerissen zwischen Vernunft und dem Wunsch, ihm so nah wie nur möglich zu kommen, blickte sie zu ihm auf. „Ich habe Angst, erwischt zu werden. Finch wird keine Gnade kennen.“

„Wir passen auf“, versprach er und neigte den Kopf. „Es wird niemand davon erfahren.“

Jesse verlor jegliche Zurückhaltung. Seine Hand wanderte von ihrer Hüfte auf ihren Po, seine Finger schlossen sich um die Rundung und drückten zu. Jane keuchte auf. Wellen der Begierde überschwemmten ihren Körper. Unmöglich, ihm länger zu widerstehen, dafür wollte sie ihn einfach zu sehr. Scheiß auf die Karriere, Scheiß auf die Sendung, doch in einem Punkt blieb sie unnachgiebig.

„Wir können es nicht hier auf der Farm tun. Wir treffen uns außerhalb oder wir lassen es.“

Damit konnte er offenbar gut leben. Er nickte zustimmend. „Das wird kein Problem. Wir fahren nach Einbruch der Dunkelheit raus an den Fluss, dort wird uns keine Menschenseele sehen.“

Danach ließ er sie tatsächlich los und sie holte einmal ganz tief Luft, um den sinnlichen Nebel, der sie umgab, zu vertreiben. Wahnsinn, was für eine Wirkung er auf sie hatte.

„Wir müssen jetzt zurück zu den anderen, bevor jemand Verdacht schöpft“, wisperte sie drängend und warf einen ängstlichen Blick über ihre Schulter. „Es reicht, dass Anita uns ertappt hat, eine weitere Überraschung dieser Art würde ich gerne vermeiden.“

„Dann warte ich ein paar Minuten, ehe ich dir folge.“

„Bis gleich“, hauchte sie leise und erntete dafür ein Lächeln. Echt, offen und unglaublich sympathisch. Ihr Herz fing an zu flattern und sie bekam Angst vor ihren eigenen Gefühlen. Was passierte nur mit ihr? Sie ließ sich von ihren Empfindungen leiten, von ihrer Lust, und verdammt noch mal, es fühlte sich einfach großartig an.

Kapitel 5

 

Rachel genoss die kühle Nachtluft. Sie umschmeichelte ihre erhitzte Haut, während sie den schmalen Weg entlangging, der sie vom Haus weg auf das Gelände der Ranch führte. Ein bestimmtes Ziel hatte sie nicht, sie wollte einfach nur zur Ruhe kommen und nachdenken. Das Einzige, was sie hören konnte, waren die unheimlichen Schreie eines nachtaktiven Vogels, dazu noch das Zirpen der männlichen Grillen, die so ihre Weibchen anlockten.

Sie atmete tief durch. Der Geruch von frisch gemähtem Gras lag in der Luft, auch eine kaum zu beschreibende Schwere. Wahrscheinlich würde es in den nächsten Tagen regnen. Die verdorrende Vegetation benötigte dringend Wasser, und auch für die Menschen würde ein kräftiger Regenschauer Erleichterung bedeuten. Die Hitze schlug alle Rekorde, allerdings im negativen Sinne. Selbst sie als bekennende Sonnenanbeterin, konnte die Temperaturen kaum noch ertragen. Blieb nur zu hoffen, dass sich die drückende Schwüle in einem reinigenden Gewitter entlud. Vielleicht würden sich dann auch die Gemüter ein wenig beruhigen. Jeder auf der Ranch machte einen gereizten Eindruck, selbst die sonst so gelassene Brenda Coleman wirkte alles andere als fröhlich und hielt sich sehr im Hintergrund.

Rachels Schritte wurden schneller, bis die Umrisse ihres Körpers mit der Dunkelheit verschmolzen. Wie so oft in den letzten Tagen landeten ihre Gedanken bei Noah und sie haderte mit ihrem fehlenden Kampfgeist. Eigentlich sollte sie diesem eingebildeten Affen für seinen Erpressungsversuch einen Tritt in den Arsch verpassen, doch ihr Temperament arbeitete nur mit halber Kraft. Auch wenn es einem geistigen Rückfall in die Steinzeit ähnelte, so wünschte sie sich insgeheim, von ihm gepackt und geküsst zu werden, bis sich ihr Verstand verabschiedete.

Krieg dich endlich in den Griff!

Sie hatte weiß Gott dringendere Probleme, als sich einem ungehobelten Klotz an den Hals zu schmeißen, für den sie nie etwas anderes sein würde als eine neue Kerbe auf seinem abgenutzten Bettpfosten.

Je länger sie sich auf der Ranch aufhielt, umso stärker offenbarte sich die Unzufriedenheit mit ihrem derzeitigen Leben. Die Stadt mit ihren Lichtern und dem Verkehrslärm, diese Menschenmassen, die sie nur noch als lästig empfand, dazu die vielen Partys und zahllosen Männerbekanntschaften, die ihr ja doch nur an die Wäsche wollten. All das hatte sie so unendlich satt, und sie empfand es als merkwürdig befreiend, sich das einzugestehen. Kurz kam ihr die Bewerbung bei den Universal Studios in den Sinn. Sie hatte sie vor knapp zwei Monaten verschickt und bis heute keine Antwort erhalten. Die große Karriere würde wohl ein unerfüllbarer Traum bleiben, damit musste sie sich wohl oder übel abfinden.

Plötzlich stieß sie gegen etwas Hartes und wurde abrupt aus ihren Grübeleien gerissen.

Verblüffte merkte sie, dass sie vor der verschlossenen Stalltür stand. Völlig in Gedanken versunken hatte sie gar nicht mitbekommen, wie weit sie sich schon vom Haus entfernt hatte. Ihr Blick ging nach oben. Über ihr baumelte eine Lampe, drumherum surrten Tausende kleine Insekten, angezogen vom gelblich-trüben Licht. Auch wenn ihr nicht ganz klar war, was sie da drin sollte, umklammerte sie den Griff der Schiebetür und zog sie auf. Rasch schlüpfte sie hinein, schloss die Türe wieder und sah sich um. Hier drinnen brannte nur ein schwaches Licht, doch es war hell genug, um die Umgebung detailliert erkennen zu können. Die Laufställe waren alle leer. Antonio, Jesse und Noah hatten die Tiere direkt nach dem Abdrehen der Hauptszenen auf die riesige Weide hinter der Ranch getrieben. Nur Noahs heißgeliebter Bulle musste weiter den Stall hüten, um seine Verletzung auszukurieren.

Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, steuerte sie Oscars Box an. Man hatte ihn getrennt von den anderen Tieren untergebracht, doch sein Stallabteil war geräumig genug, um dem Tier ausreichend Bewegungsfreiheit zu gewähren, bis er zurück auf den Trail konnte. Sie lehnte sich gegen die Stange, die seine Box vom restlichen Stall trennte, und betrachtete den riesigen, muskelbepackten Bullen.

„Du hast es gut“, flüsterte sie. „Stehst den ganzen Tag rum, bist andauernd am Fressen und lässt dir hin und wieder etwas von deinem Samen abzapfen. Mir wachsen die Sorgen mittlerweile über den Kopf und ich habe keinen Schimmer, was ich machen soll.“

Rachel kam sich schon ein wenig bescheuert vor, weil sie sich einem Tier anvertraute. Zu allem Übel sah Oscar sie auch noch an, als würde er jedes Wort verstehen, doch der Drang, sich mitzuteilen, war einfach zu drängend. Sie musste mit jemandem reden, sonst würde sie platzen.

„Übrigens möchte ich mich bei dir entschuldigen. Ich habe beim letzten Mal ganz schön fiese Sachen zu dir gesagt, aber ich war sauer auf Noah und habe es an dir ausgelassen.“ Sie seufzte entschuldigend. „Ich weiß, das war nicht fair, aber leider macht mich dieser Kerl wahnsinnig und da werde ich schon mal ungerecht.“

Oscar schnaubte und der Sabber lief ihm aus dem Maul, aber irgendwie hatte sie tatsächlich das Gefühl, als würde Noahs Liebling ihr zuhören. Also fuhr sie damit fort, Oscar ihr Herz auszuschütten. „Er ist so eingebildet, und jetzt versucht er sogar, mich zu erpressen! Kannst du dir das vorstellen? Er will mich mit allen Mitteln ins Bett kriegen und das Schlimme ist, auf eine äußerst perverse Weise gefällt mir das auch noch. Wie bescheuert kann ein Mensch sein?“

Sie fing an, vor Oscars Box auf und ab zu laufen und steigerte sich dabei immer weiter in ihren einsamen Monolog hinein. „Ich schwöre dir, manchmal möchte ich ihn am liebsten erwürgen. Aber ich kann trotzdem nicht damit aufhören, an ihn zu denken und mich nach ihm zu sehnen. Dabei hätte eine Beziehung mit ihm doch sowieso keine Zukunft. Der wird nie aufhören, anderen Frauen nachzusteigen.“

Ein Geräusch stoppte ihren Redeschwall. Nur wenige Sekunden später öffnete sich die Stalltür und ein Mann kam herein. Sie erkannte sofort die Konturen von Noahs Körper. Die Energie, die er ausstrahlte, erfüllte den gesamten Raum. Rachel konnte ihren eigenen Herzschlag hören, als er näher kam.

Schweigend sah sie ihm entgegen, wartete, bis er vor ihr stehen blieb und sie mit seinem undurchdringlichen Blick fixierte. Oh Gott, sie konnte kaum noch atmen.

Seine Lippen zuckten und die Iris seiner tiefgrünen Augen wirkte im Dämmerlicht des Stalls beinahe schwarz.

„Hier bist du also. Ich habe dich gesucht.“

Seine immer etwas heiser klingende Stimme streichelte ihre Sinne. Rachel konnte spüren, wie sich ihre Brustspitzen unter der Bluse aufrichteten und gegen den Stoff drängten. Die wachsende Glut im Mittelpunkt ihres Körpers ignorierend, versuchte sie, sich zu entspannen. Noah schien nicht auf Konfrontation aus zu sein.

„Jetzt hast du mich ja gefunden“, erwiderte sie leise und schluckte den imaginären Staub in ihrem Mund herunter. Ihre Kehle brannte und fühlte sich trockener an, als die Wüste Nevadas. Vor lauter Nervosität fing sie an, auf ihrer Unterlippe zu kauen. Noah hielt sie davon ab, sich selbst zu zerfleischen, und legte einen Finger auf ihre malträtierte Lippe. „Hör auf damit, du wirst bluten.“

Sie versuchte, die aufsteigende Verlegenheit zu überspielen. „Warum bist du hier?“, fragte sie schroff.

Seine Augenbraue zuckte bei ihrem unfreundlichen Tonfall nach oben, auch in seine Stimme schlich sich ein harter Unterton.

„Das hab ich doch schon gesagt, ich habe dich gesucht.“

Rachel schüttelte den Kopf und wollte sich nicht mit so einer schwammigen Aussage abspeisen lassen. „Gibt es einen besonderen Grund dafür, wieso du mir nachspionierst?“

Wow, ihr Schutzmechanismus funktionierte wieder einwandfrei. Er hüllte sie ein in einen Mantel aus Sarkasmus und Widerspenstigkeit.

Noahs Lächeln erlosch endgültig, sein Gesicht verzog sich vor Enttäuschung, weil sie ihn grundlos angriff. „Sind wir also wieder so weit?“

„Ich weiß nicht, was du damit meinst“, log sie, obwohl sie ganz genau wusste, worauf er anspielte. Immer wenn sie Angst bekam, wurde sie gehässig.

„Tja, das ist schade. Ich hätte dir eigentlich etwas mehr Benehmen zugetraut.“

Ohne das näher auszuführen, trat er in Oscars Box. Seine gesamte Haltung strahlte Unnachgiebigkeit und Kälte aus. Noah war sauer und sie hätte ihre unbedachten Worte gerne zurückgenommen.

„Merkst du denn nicht, wie das zwischen uns läuft?“, fragte er völlig unerwartet. „Jedes Gespräch zwischen uns endet im Streit, selbst wenn ich mal versuche, mich normal mit dir zu unterhalten.“

„Und das wundert dich?!“, rief sie aus. „Vielleicht solltest du mal überlegen, warum das so ist. Erpressung ist nämlich ein echter Gesprächskiller, und du brauchst gar nicht so beleidigt zu tun, nur weil ich dir nicht gleich um den Hals falle, wenn du mal lächelst.“

„Spiel dich nicht so auf, wer sagt denn, dass ich dich am Hals haben möchte?“

Er zog die Sache ins Lächerliche, doch dieses Mal ging sie nicht darauf ein und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. „Vielleicht ist es ja die Tatsache, dass du gedroht hast, Finch von uns zu erzählen, die mich da so sicher macht.“

Noah stieß mit einem lang gezogenen Zischen den Atem aus und nickte, als hätte ihn soeben eine schwerwiegende Erkenntnis getroffen.

„Okay, eins zu null für dich.“ Er fuhr sich durchs Haar und wich ihrem Blick aus. „Dich erpressen zu wollen, war eine dämliche Idee. Ich hätte mir gleich denken können, dass so was nur in die Hose gehen kann.“

Rachel machte große Augen, verblüfft über diese plötzliche Einsicht. Meinte er das wirklich ernst? „Noah, ich …“

Sein Kopfschütteln brachte sie zum Schweigen. „Nein, sag nichts! Du bist zu Recht sauer auf mich, und wenn meine Mutter jemals davon erfährt, wird sie mir den Arsch versohlen, bis ich nicht mehr sitzen kann.“

„War das eben eine Entschuldigung oder willst du mich nur veräppeln?“

Seinen Gesichtsausdruck konnte sie nur schwer deuten. War er jetzt eingeschnappt, nachdem sie seine Entschuldigung in Zweifel gezogen hatte? Sah ganz danach aus. Puh, und dann hieß es immer, Frauen wären zickig.

„Vergiss es einfach! Okay? Wenn du mir nicht glaubst, kann ich es auch nicht ändern. Aber du kannst dich freuen. Für die restliche Zeit werde ich dich in Ruhe lassen. Ein einfacher Cowboy ist wohl unter deiner Würde, im Vergleich zu diesen Anzugträgern, mit denen du dich in Denver umgibst.“

Er bot ihr die Chance, unbeschadet und mit heilem Herzen aus dieser Sache rauszukommen. Eine kluge Frau hätte sich jetzt umgedreht und auf den Weg zurück zu den anderen gemacht, stattdessen traf sie eine Entscheidung aus dem Bauch heraus und trat ganz dicht an ihn heran. Ihre Finger glitten über seinen Brustkorb und strichen über den weichen Stoff seines Hemdes. Sie zitterte innerlich, während sie ihn berührte. Er war eineinhalb Köpfe größer als sie, sein Körper durchtrainiert, und die Muskeln fühlten sich härter an als eine Mauer aus Beton.

„Du bist nicht lächerlich. Ich will auch keinen Kerl im Anzug“, fuhr sie fort und öffnete zwei Knöpfe an seinem Hemd. Ihre Finger rutschten darunter, sie spürte seine warme nackte Haut und atmete flacher, genau wie er.

„Was glaubst du, was du da gerade machst?“

„Wonach sieht es denn aus?“, fragte sie verspielt und fuhr fort, die anderen Knöpfe durch die Schlitze zu drücken. Sein Hemd klaffte auf und sie überkam das Verlangen, jeden gestählten Muskel mit der Zunge nachzufahren und das Zucken unter der Haut zu spüren. Stattdessen gingen ihre Finger auf Wanderschaft. Zuerst über seine wunderbar definierte Bauchmuskulatur, dann über die Kanten seiner Hüftknochen. Mmmh … Noah war auf herbe Weise schön, der Traum jeder Frau, und allein sein Anblick ließ sie feucht werden.

Mit den Händen fuhr sie unter sein Hemd und zog es auseinander. Der Stoff glitt über seine Schultern, endlich konnte sie ihn in all seiner Pracht bewundern.

Zitternd tastete sie über seine Haut. Noah stand nur da und ließ es geschehen, doch in seinen Augen las sie Vorsicht, Misstrauen. Wer konnte es ihm verdenken? Sie verhielt sich total widersprüchlich.

„Wenn du weitermachst, gibt es kein Zurück mehr, Rachel.“

Das war eine eindeutige Warnung, keine Spielchen mit ihm zu treiben, und sie hatte das Bedürfnis, ihr ruppiges Verhalten von eben zu erklären.

„Ich wollte vorhin nicht gemein werden“, brach es aus ihr heraus, „aber ich mag es nicht, unter Druck gesetzt zu werden, und deine Erpressung hat mir das Gefühl gegeben, du hättest keinen Respekt vor mir.“

Er seufzte schwer, sie sah ihm an, wie leid ihm das tat. „Das war wirklich kein feiner Zug von mir“, gab er zu. „Ich bin es nur nicht gewohnt abzublitzen, also wollte ich ein Date mit aller Macht erzwingen“

Seine Worte berührten sie und sie überließ ihm ihre Hand, als er danach griff. „Ich möchte dich küssen.“

Oh Gott, sie wollte das auch. Rachel legte den Kopf in den Nacken, erwartungsvoll und voller Sehnsucht nach der Berührung seines Mundes. Sie wäre am liebsten direkt in ihn hineingekrochen, doch diese blöde Stange befand sich noch zwischen ihnen und verhinderte eine richtige Umarmung. Vielleicht war das ganz gut so. Innerlich fühlte sie sich so aufgewühlt wie noch nie; hätte sie ihn voll und ganz gespürt, wäre sie wahrscheinlich vor lauter Anspannung in tausend Teile zersprungen.

„Du bist so wunderschön“, flüsterte er und neigte sich über ihr Gesicht. Sein Mund streifte ihren, seine Zungenspitze fuhr blitzschnell über den herzförmigen Schwung ihrer Oberlippe, ehe er sich mit einem trägen Lächeln zurückzog. „Du schmeckst gut, kleine Lady.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752122169
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (November)
Schlagworte
Liebesroman Abenteuer Cowboyromance Humor Erotik Erotischer Liebesroman

Autor

  • Vivian Hall (Autor:in)

Vivian Hall lebt mit ihrer Familie im Süden Deutschlands und schreibt romantisch-sinnliche Liebesromane.
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Titel: Cowboy Kisses - Keep me