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Endstation Liebe

von Mathilda Grace (Autor:in)
280 Seiten
Reihe: Die Ostküsten-Reihe, Band 3

Zusammenfassung

Der Unfalltod seines Lebensgefährten hat David Treylani vor fast zwei Jahren psychisch völlig aus der Bahn geworfen und es gelingt ihm nur langsam, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Das letzte, was er im Moment will, ist eine Affäre oder neue Beziehung anzufangen. Das interessiert Adrian Quinlan allerdings herzlich wenig, der beide Augen auf ihn geworfen hat und dem außerdem der Ruf vorauseilt, zu bekommen, was er will – und zwar immer.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

 

Prolog

 

 

 

 

»Kommst du noch mit feiern?«, wollte Dominic Felcon von ihm wissen und warf das Handtuch auf die Bank, mit dem er sich gerade abgetrocknet hatte.

David schnaubte nur, was Dominic lachen ließ, während er seinen Anzug aus der Schutzhülle holte, um sich anzuziehen. Der Duschraum war nach den Rennen immer der erste Anlaufpunkt für die Rennfahrer und da Dominic heute ewig von einigen Sponsoren aufgehalten worden war, waren sie verdammt spät dran. So spät, dass alle anderen Fahrer längst weg waren. Es hatte Vor- und Nachteile, Leiter einer Rennbahn und eines derzeit aufstrebenden Rennteams zu sein, wobei für David die Nachteile überwogen. Deswegen war er auch nur stiller Teilhaber, damit er sich nicht mit den ganzen Anzugträgern und Krawattenschwingern, wie Dominic ihre Sponsoren gerne nannte, herumschlagen musste.

»Ah, du flirtest also lieber mit Mister Eisauge?«

David zuckte zusammen. Eisauge, das passte wirklich gut auf den Mann, der ihn den gesamten Nachmittag über von der VIP-Lounge aus beobachtet hatte. So einen unheimlichen Blick hatte David noch nie auf sich gespürt und er war heilfroh gewesen, als der Kerl schlussendlich von einem anderen reichen Schnösel in Beschlag genommen worden war und sich von ihm abgewandt hatte.

»Kennst du ihn?«, fragte David und sah Dominic dabei zu, wie der sich in ein weißes Anzughemd zwängte. Er selbst war bereits fertig angezogen, in Jeans und Pullover, denn er hatte nicht vor, Dominic auf die heutige After-Show-Party zu begleiten. David wollte nachher in Ruhe mit seinem Freund Shannon telefonieren, außerdem hatte er keinerlei Lust, diesen Kerl mit dem unheimlichen Blick wiederzusehen.

Dominic setzte sich auf die Bank vor den Spinden und griff nach seinen Schuhen. »Er heißt Adrian Quinlan und ist oder war, da bin ich mir nicht sicher, Oberstaatsanwalt von Baltimore. Mehr weiß ich nicht. Jedenfalls im Moment noch nicht. Seinem Ruf nach zu urteilen, soll er eiskalt sein, gilt aber gleichzeitig als gerecht und fair.«

»Hm«, machte David nichtssagend, während er sich innerlich entschied, diesem Staatsanwalt lieber aus dem Weg zu gehen. Im Augenblick war er genug damit beschäftigt, sein Leben langsam wieder in geregelte Bahnen zu lenken, da konnte er keine neue Verwicklungen gebrauchen, ganz egal, welcher Art sie auch sein würden. »Was ist?«, fragte er irritiert, als ihm Dominics prüfender Blick auffiel.

»Soll ich ihn von dir fernhalten?«, fragte der und eine Sekunde lang war er versucht Ja zu sagen. Stattdessen schüttelte David den Kopf.

»Ich gehe ihm einfach aus dem Weg. Und auf die Langweilerparty musst du heute allein gehen. Ich bin mit meinem neuen Handy verabredet, das Shannons Bruder mir aufgeschwatzt hat. Ein iPhone. Weiß der Geier, was mich geritten hat, mir so ein Ding zu kaufen.«

Dominic lachte und griff nach seinem Schlips. »Hat er nicht auch so eins?«

David zuckte die Schultern. »Na und? Er kann genauso wenig damit umgehen wie ich.« Dominic prustete los, was David zum grinsen brachte. »Na dann los, Mister Felcon. Stürz dich ins Getümmel, während ich den Abend mit Pizza und Shannon in Ruhe ausklingen lasse.«

Aus seinem Telefonat wurde aber erst mal nichts, denn als David kurz darauf in den kleinen Hangar trat, der ihnen für das Wochenende von der Rennverwaltung zugewiesen worden war und in dem er auch seine private Maschine abstellte, lehnte Adrian Quinlan mit der Hüfte an der Motorhaube von Dominics schwarzem Range Rover und sah ihm entgegen. David hielt sich nicht mit einer Begrüßung auf.

»Die Hangars sind den anwesenden Rennteams vorbehalten, Adrian Quinlan, Oberstaatsanwalt aus Baltimore.«

»Das weiß ich, David Treylani, Mechaniker und Rennfahrer aus Los Angeles«, kam trocken zurück und David konnte sich seine Frage, woher dieser Mann das wusste, gerade so verkneifen. Stattdessen sah er Quinlan warnend an und wandte sich dann seiner Suzuki zu.

»Verzieh dich, Arschloch.«

Das müsste für Mister Eisauge direkt genug sein. Shannon hätte ihm wegen dieser Beleidigung zwar die Leviten gelesen, das wusste David, aber da Shannon nicht hier war und er auch nicht vorhatte, seinem Musikerfreund bei ihrem nächsten Telefonat brühwarm davon zu erzählen, hielt sich sein schlechtes Gewissen in Grenzen. Er wollte nur diesen Anwalt hinter sich loswerden, ganz egal wie.

Plötzlich bewegte ein warmer Luftzug sein Haar, was ungewöhnlich war, immerhin hatte David die Tür des Hangars geschlossen und Fenster gab es nicht. Es dauerte etwas, bis ihm entsetzt aufging, dass es kein Luftzug, sondern warmer Atem war, und der konnte nur von einem kommen. Er fuhr abrupt herum. Adrian Quinlan stand direkt vor ihm, keine Handbreit trennte sie voneinander. Am liebsten wäre er zurückgewichen, was mit seinem Motorrad im Rücken leider unmöglich war.

»Ich werde mich verziehen. Für heute. Und das Arschloch wirst du bald zurücknehmen, denn ich bin keines.«

Drei Sätze, die von Tadel bis hin  zu einer Drohung alles beinhalteten. Shannon konnte das auch richtig gut. David brachte kein Wort heraus, allerdings schien Eisauge Quinlan auch keine Reaktion zu erwarten.

»Wir sehen uns, Treylani.«

Darauf konnte er gut verzichten. David sprach den Gedanken nicht aus. Das hätte ihn noch ein Stück tiefer in die Scheiße geritten. Obwohl, ging es überhaupt noch tiefer? Egal. Darüber würde er sich später Gedanken machen. Im Augenblick wollte David eigentlich nur eines wissen. »Warum?«

»Du interessierst mich.« Quinlan lächelte schmal. »Ach übrigens, ich bin kein Oberstaatsanwalt mehr.«

Und warum erzählte dieser Mann ihm das?

Diese Frage fiel David aber leider erst fünf Minuten später ein, als Adrian Quinlan längst verschwunden war, während er immer noch wie festgewachsen vor seiner Maschine stand und auf jene Stelle starrte, wo der Anwalt zuvor gestanden hatte.

 

 

1. Kapitel

 

 

 

 

»Was ist los?«

David warf Dominic einen drohenden Blick zu, als der ihm zum mittlerweile dritten Mal in den letzten fünf Minuten diese Frage stellte. So langsam nervte es. Genauso wie Quinlans Verhalten gestern Nacht ihn genervt hatte. Und zwar nicht nur das im Hangar, sondern vor allem dessen handgeschriebene Nachricht, die er zwei Stunden später an seiner Zimmertür vorgefunden hatte. Woher wusste der Mistkerl, in welchem Motel sie für das Rennfestival abgestiegen waren? Und wie, zum Teufel, kam Adrian Quinlan dazu, ihm eine Nachricht zu hinterlassen, mit dem Wortlaut: Es wird ein Kampf werden, dich zu erobern. 

Was für eine bodenlose Frechheit.

Nicht Quinlans Worte an sich, sondern die untrügliche Gewissheit, die zwischen den Zeilen zu lesen gewesen war, dass er dem Anwalt schon so gut wie gehörte. David hätte am liebsten geknurrt, so wütend war er. Er wollte nicht erobert werden. Von niemandem. Okay, von fast niemandem. Doch die Vorstellung, dass Shannon ihm jemals eine Nachricht wie diese hinterließ, war leider Utopie. Nur bedeutete das noch lange nicht, dass er seit Neuestem Freiwild für einen Anwalt aus Baltimore war. So ein arroganter Mistkerl.

Dominic packte seine Hand, als er wutentbrannt nach dem Schraubenschlüssel greifen wollte. »Entweder erzählst du mir, was dir derartig die Laune verhagelt war, oder ich nehme dich aus den Rennen für heute raus.«

David schnappte entrüstet nach Luft. »Das kannst du nicht machen.«

»Mir gehört das Team, schon vergessen? Ich kann und ich werde es tun, denn ich will verdammt sein, wenn ich dabei zusehe, wie du es Tom nachmachst und in die nächstbeste Mauer krachst, weil du abgelenkt bist. Dein Musikerfreund legt mich um, wenn ich nicht vernünftig auf dich aufpasse.« David zuckte zusammen, was Dominic natürlich nicht entging. »Ist er der Grund? Habt ihr euch gestern Nacht gestritten?«

»Nein«, murrte David und sah bedeutsam auf seine Hand. Dominic verstand seine unausgesprochene Forderung und ließ ihn los. »Shannon ist nicht der Grund«, sagte er und pfiff, woraufhin Minero, sein beigefarbener Golden Retriever, auf sie zugerannt kam.

Der Racker war groß geworden, was David wieder daran erinnerte, dass er Shannon unbedingt aktuelle Bilder schicken musste, immerhin hatte der ihm Minero letztes Weihnachten geschenkt. Aber das musste warten. Er leinte Minero an und deutete Dominic an, ihnen zu folgen, als er den Weg aus dem Hangar hinaus einschlug. Hier gab es einfach zu viele Ohren, die sie belauschen konnten und das behagte David nicht. Daher schwieg er, bis sie die stickige Halle verlassen und in die angenehm warme Mittagssonne getreten waren, ehe er seinem Freund von dem Vorfall mit Quinlan erzählte. Auch die unverschämte Nachricht brachte er zur Sprache, woraufhin Dominic ihn mit offenem Mund anstarrte, bevor er zu grinsen anfing.

»Findest du das etwa lustig?«, fuhr David ihn verärgert an. »Ich nicht. Was bildet sich der Kerl eigentlich ein? Ich bin doch kein brünftiger Hirsch, den er sich als Trophäe an die Wand nageln kann.«

Dominic lachte, was David fluchen ließ, und sein folgender Blick war offenbar drohend genug, dass Dominic ihn entschuldigend anlächelte. »Ich schätze, er ist an dir interessiert, und sofern auch nur die Hälfte von dem stimmt, was mir gestern Abend auf der Party über ihn zu Ohren gekommen ist, wirst du bis in die Antarktis türmen müssen, um Adrian Quinlan zu entkommen. Falls das reicht.« Und da war es David, der seinen Freund mit offenem Mund ansah, was Dominic zu einem süffisanten Grinsen verleitete. »Ja, du hast ganz richtig gehört. Der Kerl ist ein Jäger und offensichtlich will er dich haben.«

Wie schön für Mister Eisauge. »Ich will ihn aber nicht.«

Dominic schwieg eine Weile, um schließlich mit den Schultern zu zucken. »Warum eigentlich nicht? Ich meine, was hindert dich? Er sieht doch gut aus und gegen ein bisschen Spaß ist nichts einzuwenden, oder? Du bist schließlich Single.«

Aber nur, weil Shannon mich nicht liebt. David behielt den Gedanken für sich. »Nimm du ihn doch.«

»Sorry, falsches Geschlecht«, meinte Dominic amüsiert und wich seiner Faust mühelos aus. »Daneben ... Hör mal, wenn du echt kein Interesse hast, sag ihm das bei nächster Gelegenheit deutlich und damit dürfte dann Ruhe sein. Ich bezweifle, dass jemand wie Adrian Quinlan es nötig hat, sich einem anderen Mann aufzuzwingen. Ansonsten greif zu und genieß ein bisschen Sex.«

David verkniff sich jedes Wiederwort und löste stattdessen Mineros Leine, weil sie den Park erreicht hatten, der nicht weit von der Rennbahn entfernt lag und in den er mehrmals täglich ging, damit der Racker seinen benötigten Auslauf bekam. Minero sah ihn an, aber als David wortlos die Hand hob und nach vorne deutete, rannte er begeistert bellend davon. Damit war seine kurze Pause allerdings auch abgelaufen. Länger konnte er sich nicht vor einer Antwort drücken, und obwohl David es nicht wollte, musste er sich leider eingestehen, dass Dominic grundsätzlich recht hatte. Er war nun mal nicht vergeben und gegen ein bisschen Sex war kaum etwas zu sagen. Sein Herz sah das allerdings etwas anders.

»Danke, ich verzichte«, erklärte er ausweichend, was Dominic seufzen ließ. »Was?«, fragte er und war sofort wieder sauer.

»Du lehnst Quinlan aus den falschen Gründen ab.«

Dominic hätte genauso gut »Schlag dir Shannon aus dem Kopf.« sagen können, es wäre aufs Gleiche hinausgekommen. David verkniff sich den saftigen Fluch, der ihm gerade in der Kehle aufstieg. Er hatte das Thema satt. »Lass es!«

»David ...«

David schüttelte nur den Kopf und rief Minero zurück. Das würde dem zwar überhaupt nicht gefallen, aber er hatte von jetzt auf gleich genug von Dominics Gesellschaft, aber vor allem hatte er genug von den Belehrungen wegen Shannon. David wusste selbst, dass der ihn nicht liebte, nur konnte er seine Liebe für den Musiker deswegen nicht einfach in den nächsten Wandschrank hängen wie seine Bikerkluft. Wäre das so leicht, hätte er es längst getan, denn es war überhaupt nicht lustig, jemanden zu lieben und gleichzeitig zu wissen, dass diese Liebe niemals erwidert werden würde.

»Hör auf, Dom. Ich werde das Thema nicht schon wieder mit dir durchkauen und ...« Der Rest seines Satzes blieb David förmlich im Halse stecken, als er Minero um zwei hohe Büsche herumkommen sah, einen Ball im Maul, der eindeutig nicht ihm gehörte.

»Wo hat er denn den her?«, fragte Dominic und just in dem Augenblick tauchte Adrian Quinlan hinter den Büschen auf. »Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte Dominic und tat unschuldig, als David ihn verärgert ansah. »Minero, du frecher Racker. Beklaust du schon wieder die Leute?«

Minero bellte, was Quinlan lachen ließ, während David innerlich zu kochen begann und sich umgehend darüber ärgerte. Warum regte ihn der Kerl eigentlich so auf und was wollte er schon wieder hier? Es gab ja wohl genügend andere Parks auf der Welt. Musste er sich unbedingt diesen aussuchen, um spazieren zu gehen, oder was auch immer ihn hergetrieben hatte. Wobei ihn das Gefühl beschlich, dass der Anwalt nicht aus purer Freude über die Schönheit des Parks hier war.

»Dominic Felcon, freut mich«, übernahm Dominic das Zepter, denn David würde den Teufel tun und Quinlan in die Hände spielen. Es war schon schlimm genug, dass Dominic offensichtlich beschlossen hatte, einen auf guter Freund zu machen, statt ihn vor Quinlans Avancen zu beschützen.

»Gleichfalls. Adrian Quinlan.« Sie schüttelten sich die Hände, bevor Adrian zu ihm sah. »Hallo, David.«

David verschränkte beide Arme vor der Brust und schwieg beleidigt, was Dominic und Quinlan gleichermaßen belustigte, ihren Gesichtsausdrücken nach zu urteilen, während die zwei sich kurz unterhielten und dabei mit Minero beschäftigten, der Quinlan zu mögen schien. War er denn nur noch von Verrätern umgeben?

Davids Laune sank endgültig in den Keller, als Dominic auf einmal beschloss, mit Minero zurück zum Hangar zu gehen, damit er und Quinlan ein bisschen reden konnten. So drückte Dominic es jedenfalls aus und David war so baff darüber, dass sein Freund ihm in den Rücken fiel, dass er bereits mit Quinlan allein war, als er sich von seiner Überraschung erholt hatte. Ein klarer Fall von geistiger Umnachtung, entschied David und machte abrupt kehrt, um Dominic zu folgen und ihn dafür anzuschreien, und natürlich auch, um von diesem Oberstaatsanwalt, Ex-Anwalt, oder was auch immer er war, wegzukommen. David kam keine drei Schritte weit, da hielt Quinlans Stimme ihn zurück.

»Bist du immer so unhöflich, oder kann ich mir etwas darauf einbilden?«

David fuhr wutentbrannt herum. »Du kannst gar nicht eingebildeter werden als du schon bist. Was sollte das mit dieser Nachricht an meiner Tür?« Das folgende Grinsen hätte er dem Anwalt am liebsten aus dem Gesicht geschlagen. »Verdammt, was willst du eigentlich von mir?«

Quinlan sah ihn an, als wäre er ein wenig begriffsstutzig. »Ist das nicht offensichtlich?«

Oh ja, noch offensichtlicher ging es nun wirklich nicht. Dieser unverschämte Anwalt wollte Sex und er wollte selbigen mit mit. »Ich habe kein Interesse und ich bin nicht käuflich.«

»Ich habe nicht vor, dich zu kaufen, Treylani. Das hatte ich noch nie nötig.«

Himmel, war der Kerl arrogant. »Wie schön für dich«, konterte David eisig und deutete hinter sich. »Dann geh zur Rennbahn und such dir jemanden aus, der interessiert ist. So wie du aussiehst, dürftest du keinerlei Schwierigkeiten dabei haben.«

Quinlan lachte leise. »Du findest mich also gut aussehend?«

David hätte sich am liebsten die Haare gerauft. Musste der Typ ihm alles so auslegen, wie es ihm in den Kram passte? Im nächsten Augenblick gab er sich die Antwort selbst. Natürlich musste Quinlan das tun, immerhin hatte er ein Ziel. Ihn. In seinem Bett. »Als ob du das nicht wüsstest. Das ändert dennoch nichts an der Tatsache, dass ich nicht an dir interessiert bin.«

»Dein Desinteresse steht dir mitten ins Gesicht geschrieben. Und zwar so deutlich, dass du aussiehst, als würdest du mich am liebsten anspringen. Nicht dass ich etwas dagegen hätte.« Quinlan grinste süffisant und David ballte vor Wut die Hände zu Fäusten. »Ich stehe allerdings nicht auf Schläge, du kannst deine Fäuste also getrost bei dir behalten.« Der Satz wurde so ruhig ausgesprochen, dass David sich gegen seinen Willen entspannte. »Das ist besser«, murmelte Quinlan und trat vorsichtig auf ihn zu. »Ich spiele gern, Treylani, aber nicht, solange du Angst vor mir hast. Ich kann warten.«

»Ich habe keine Angst vor dir«, schnappte er impulsiv und wusste umgehend, dass es ein Fehler gewesen und zudem eine Lüge war, denn da war etwas an Quinlan, das ihn über die Maßen nervös machte. Und so wie der Anwalt ihn daraufhin ansah, wurde David schnell klar, dass er längst durchschaut worden war. »Du kannst mich mal«, murmelte er und ärgerte sich mehr über sich selbst, als über Quinlan. »Wie ich bereits sagte, ich will nichts von dir, also ...«

David kam nicht dazu den Satz zu beenden, genauso wenig wie er eine Gelegenheit hatte, sich gegen Quinlan zur Wehr zu setzen, als der ihn plötzlich an den Schultern packte und nach hinten an einen Baumstamm drängte. Sein überraschtes »Hey.« wurde von einem weichen Lippenpaar verschluckt, und ehe er wusste wie ihm geschah, hörte David bereits sein eigenes Stöhnen und fühlte den Verrat seines Körpers, der sich gegen Quinlan drängte, als dessen rechte Hand unter seinen Pullover fuhr und über seine Rippengegend strich.

Aber so rasch, wie der Angriff gekommen war, war er auch wieder vorbei, und Adrian stand heftig atmend und unübersehbar erregt eine Armlänge von ihm entfernt. David starrte ihn einfach nur an, nicht in der Lage etwas zu sagen, geschweige denn das Prickeln auf seinen Lippen und die Enge in seiner Hose zu ignorieren. Verdammt noch mal. So viel dazu, dass er nicht interessiert war.

»Nicht hier, nicht jetzt«, murmelte Quinlan und schien über seine eigene Reaktion selbst überrascht zu sein. David räusperte sich, denn sein Mund war auf einmal ziemlich trocken. »Ich will dich, David Treylani, und du willst mich auch. Wir sehen uns wieder. Das hier war nur der Anfang.«

Mit diesen deutlichen Worten verschwand Quinlan von der Bildfläche, und wie schon letzte Nacht im Hangar, stand David auch heute Minuten später immer noch da und fragte sich, was das gerade eben gewesen war.

 

Zehn Tage später fragte er sich das immer noch und langsam war es wirklich lästig, da er einfach keine Antwort darauf fand. Diese Sache schlicht als gegenseitige Anziehung zu erklären, wäre zu einfach, obwohl es natürlich stimmte, aber David spürte tief in sich, dass da mehr war als nur die Tatsache, dass er seit Ewigkeiten keinen Sex gehabt und sein Körper deshalb so heftig auf Quinlan reagiert hatte.

Am liebsten hätte er diesen Kuss, der viel zu kurz gewesen war, um ihn richtig genießen zu können, in die hinterste Ecke seines Verstands geschoben und für immer vergessen. Nur war ihm die einfachste und definitiv beste Lösung nicht vergönnt. Stattdessen verbrachte David jede Sekunde damit, die er nicht mit den Rennen, Dominic oder Minero beschäftigt war, sich zu fragen, was an diesem Anwalt so besonders war, dass er immer noch dessen Lippen auf seinen eigenen fühlte. Seit Toms Tod hatte es niemanden mehr gegeben, nicht mal eine Affäre oder ein One-Night-Stand. Vielleicht sollte er es ja wirklich tun. Ein bisschen Sex schadete keinem, da hatte Dominic schon recht.

David seufzte leise. Es war vollkommen egal, ob Dominic recht hatte oder nicht, sein schlechtes Gewissen bezüglich Tom und Shannon würde ihm einen Strich durch die Rechnung machen, obwohl es unbegründet war. Tom war tot und Shannon erwiderte seine Liebe nicht, was hielt ihn also zurück? Mal abgesehen von der Tatsache, dass er Quinlan seit ihrem Kuss im Park nicht mehr gesehen hatte. Wo war der Kerl abgeblieben? David runzelte die Stirn, als er bemerkte, dass er sich ernsthaft darüber ärgerte, weil Adrian Quinlan ihn seit ihrem Aufbruch zur nächsten Rennbahn, also seit zehn Tagen, ignorierte.

»Du bist doch völlig bekloppt, Treylani«, murrte er zu sich selbst und hob dann den Kopf, um sich nach der Bar umzusehen, wobei sein Blick auf die Uhr fiel, die gleich über der Eingangstür an der Wand hing.

Er war sogar in zweifacher Hinsicht bekloppt, um es genau zu nehmen, sonst hätte er sich nicht von Dominic dazu überreden lassen, heute Abend auf diese After-Show-Party zu gehen und dort bis Mitternacht zu bleiben, was bedeutete, er musste sich hier noch mindestens eine halbe Stunde herumdrücken. Warum hatte er Dominic eigentlich nachgegeben? Diese Partys nach den Rennen waren jedes Mal sterbenslangweilig und am liebsten wäre David sofort geflüchtet. Allerdings war es in seinem Hotelzimmer auch nicht viel aufregender, womit die Frage geklärt wäre, warum er den Abend hier verbrachte, statt mit Minero, einer Großpackung Chips und etwas zu trinken, faul im Bett zu liegen und sich einen Film anzusehen.

Aber weil er es Dominic nun mal versprochen hatte, würde er diese halbe Stunde auch noch irgendwie überstehen. Dabei wusste er schon seit seinem Eintreffen hier nichts mit sich anzufangen. Für solche Veranstaltungen war er einfach nicht der Typ. David seufzte erneut. Wenigstens das Essen hatte ihm geschmeckt. Den Alkohol überließ er lieber den anderen Gästen, zumeist Sponsoren und reiche Schnösel, die meinten, es wäre ihr gutes Recht, dass er und einige andere Fahrer sich von ihnen begaffen und mit dummen Fragen nerven lassen mussten, denn vom Rennsport hatten nur wenige dieser Leute mehr als einen Funken Ahnung.

Wenn wenigstens Quinlan hier gewesen wäre. Ein schöner Streit mit diesem arroganten Anwalt hätte David für eine Weile beschäftigt, aber nicht einmal das war ihm heute vergönnt. David bahnte sich einen Weg durch die Menge, dabei jeden Blick und jedes interessierte Lächeln in seine Richtung ignorierend. Er musste wirklich den Verstand verloren haben, wenn er sich Mister Eisauge persönlich herbeiwünschte, um mit ihm streiten zu können. David hatte die Faxen dicke und sobald er Dominic erwischte, würde er ihn als Strafe hierfür erwürgen, das stand fest.

»Hi, David.«

Oh nein. Nicht Anthony Delongis. Der hatte ihm zu seinem Glück heute Abend noch gefehlt. David rang sich ein falsches Lächeln ab. »Hey, Tony.«

»Langweilst du dich genauso sehr wie ich?« Er musste unwillkürlich grinsen, was Anthony offenbar Antwort genug war, denn der lachte, bevor er ihm zuzwinkerte. »Ich fasse das jetzt mal als Zustimmung auf.«

Obwohl David den Fahrer aus einem der konkurrierenden Rennställe nicht leiden konnte, weil der genau wie Quinlan seit ihrem ersten Treffen hinter ihm her war, wie der Teufel hinter der armen Seele, blieb David freundlich. Vielleicht konnte Anthony ihn bis Mitternacht ablenken. Alles war besser, als weiter sinnlos herumzustehen und in schlechter Laune zu versinken, entschied David, und deutete zur Bar. »Lust auf etwas zu trinken? Bevor wir vor Langeweile tot umfallen.«

»Gerne«, nahm Anthony seine Einladung an und folgte ihm Richtung Bar. »Bist du weiter Abstinenzler?«

David nickte nur und orderte ein Glas Saft für sich. »Was möchtest du?«

»Whiskey Cola.«

Es dauerte nicht lange, bis sie mit Gläsern versorgt waren und Anthony zum Balkon zeigte. »Was hältst du von ein bisschen frischer Luft?«

»Gute Idee«, meinte David und folgte Anthony nach draußen, wo der sich, samt einem genießerischen Seufzen, mit dem Rücken gegen die brusthohe Steinbrüstung lehnte und ihn angrinste.

»Felcon hat dich überredet, oder? Sonst bist du nie auf den Partys zu finden.«

David zuckte die Schultern und trat neben Anthony, sein Glas auf der Brüstung abstellend. »Sie sind langweilig.«

»Ich weiß«, stimmte Anthony zu. »Andererseits bringen sie an gewissen Abenden auch Spaß. Heute zum Beispiel.«

Wenn das ein Flirtversuch war, war er nicht sonderlich originell für Anthony. Andererseits hatte David nicht viel Ahnung vom Flirten. »Sollte das ein Kompliment sein?«, fragte er, doch als sich statt einer Antwort einfach Anthonys Hand unter sein Hemd schob, war David doch mehr als nur etwas verblüfft. »Du gehst zu weit«, sagte er und packte Anthonys Hand, um sie zurückzuschieben.

»Ich mag es, dass du dich zierst«, murmelte Anthony und wandte sich ihm jetzt direkt zu. »Ich mag es sogar sehr.«

David hätte sich selbst am liebsten geohrfeigt. Wie dumm konnte man eigentlich sein? Er wusste doch, dass Anthony hinter ihm her war und er wusste auch darüber Bescheid, dass der vor einiger Zeit eine Anzeige wegen Belästigung kassiert hatte, die später wieder zurückgenommen worden war. Und anstatt sich fernzuhalten, war er das Risiko eingegangen und mit ihm nach draußen gegangen, nur weil er vor Langeweile beinahe gestorben war. Jetzt hatte er den Salat.

»Behalt deine Finger bei dir«, warnte er, als Anthony beide Hände in seine Richtung ausstreckte, was den nicht sehr beeindruckte und das verhieß für David nichts Gutes. Offensichtlich stimmten auch die anderen Gerüchte über Anthony Delongis und das könnte zu einem ernsthaften Problem werden, denn sie waren körperlich gleichstark und je heftiger er Anthony abwehrte, desto mehr Energie würde der aufwenden, um ihm auf die Pelle zu rücken. Laut der allgemeinen Gerüchteküche hatte Delongis ein Faible für Schläge.

»Und was, wenn ich das nicht tue?« Anthony trat auf ihn zu und David wich zurück, bis die Mauer des Hauses ihn abrupt stoppte, was Anthony umgehend ausnutzte, um sich mit den Händen links und rechts von ihm abzustützen, ehe er ihm zuraunte: »Du hast keine Vorstellung, was dir entgeht.«

Anthony klang dabei so hingerissen, dass David übel wurde. Er wollte nur noch weg von diesem Typen, der sich jetzt mit seinem Körper gegen ihn drängte und an ihm rieb. So eine verfluchte Scheiße. Warum sah drinnen niemand, was hier los war? So groß war dieser Balkon doch gar nicht.

»Wir hätten soviel Spaß zusammen, Treylani.«

David verkniff sich ein Schnauben, denn damit hätte er Anthony nur in die Hände gespielt. »Ich stehe nicht auf Masochisten.«

»Woher willst du das denn sicher wissen, wenn du es nicht ausprobierst?«

»Danke, ich verzichte. Und jetzt tritt auf der Stelle zurück, bevor ich mich vergesse!« David würde nur zuschlagen, wenn es gar nicht anders ging, aber Anthonys dreckiges Grinsen und dessen verschlagener Blick trieben ihm langsam aber sicher die pure Angst in jede Pore seiner Haut. David ballte die Hände zu Fäusten. Wenn Anthony nicht gleich aufhörte, ihn auf diese widerwärtige Weise zu belästigen, dann ...

»Nimm sofort die Finger von ihm, Delongis!«

Anthonys Kopf fuhr herum, während David vor lauter Erleichterung seufzte, als Adrian Quinlans eisige Stimme von der Balkontür her zu ihnen herüber drang. Er schaute zu dem Anwalt hinüber, froh über dessen Anwesenheit, und der drohende Blick vonseiten Quinlans auf Anthony sorgte prompt dafür, dass sich sein Herzschlag beruhigte. Jetzt war er in Sicherheit. Gott sei Dank.

»Ach, komm schon, Quinlan. Seit wann hast du denn etwas gegen ein bisschen Spaß zu zweit einzuwenden?«, tat Anthony die Situation als harmlos ab und David hätte sich am liebsten übergeben. Allerdings schien Quinlan das Ganze längst nicht so locker zu sehen.

»Ich bezweifle, dass David dich aus reinem Spaß abwehrt«, meinte der nämlich im nächsten Augenblick kalt und sah Anthony warnend an. »Ich sage es nicht noch mal. Tritt zurück, Delongis! Nur weil du auf Schläge abfährst, bedeutet das noch lange nicht, dass er es ebenfalls tut.«

Anthony lachte, zuckte dann aber mit den Schultern und trat ein paar Schritte zurück, was David ungemein beruhigte bis ... »Er ziert sich doch bloß. Hat er vor seinem Daddy früher auch gemacht. Nicht wahr, David?«

Was, zum Teufel ...?

David wurde aschfahl und das hinterhältige Grinsen in Anthonys Gesicht gab ihm dann den Rest. Er schlug zu, bevor er sich zurückhalten konnte, und Anthony ging mit einem Stöhnen zu Boden. So ein mieser Scheißkerl. Woher wusste dieses Schwein, dass er als Kind von seinem Vater …? David verbot sich energisch, diesen Gedanken weiterzuführen. Er würde Delongis nicht noch mehr in die Hände spielen, eher würde er sie sich abhacken.

»Verschwinde!«, befahl er eisig und Anthony, der sich die Nase hielt, warf ihm einen so verärgerten Blick zu, dass David, wäre er nicht derart sauer gewesen, eine Gänsehaut bekommen hätte. So aber verschaffte ihm Anthonys Blick nur Genugtuung und die hatte er sich redlich verdient.

»Du hast ihn gehört. Verschwinde, Delongis! Und zwar sofort!«, befahl dann auch Adrian und warf dem Rennfahrer dabei einen dermaßen drohenden Blick zu, dass David froh war, nicht das Ziel von dessen Zorn zu sein. »Und wag es ja nicht, ihm noch einmal zu nahe zu kommen.«

Das Sonst was? schien Anthony förmlich auf den Lippen zu liegen, aber dann trat Quinlan auf den Balkon und er sprach es nicht aus, sondern erhob sich und machte ohne weiteres Wort kehrt, um ihn mit Quinlan alleinzulassen, der langsam auf ihn zutrat und ihn dabei forschend ansah. David konnte sich mit Mühe und Not davon abhalten, auf den Steinboden zu sinken, so heftig zitterten ihm auf einmal die Knie, aber seine aufsteigenden Tränen konnte er nicht vor Quinlan verbergen und das war endgültig der Gipfel dieses verkorksten Abends. Er musste hier weg, bevor er endgültig die Fassung verlor.

David kam keinen Schritt weit, da Quinlan sich ihm sofort in den Weg stellte. »Hau ab, Quinlan!«

»Mein Name ist Adrian.«

Das wusste er und trotzdem war es ihm gerade vollkommen egal. David war hin und hergerissen zwischen Lachen, Toben oder Weinen. Davon ließ sich Quinlan, Pardon Adrian, aber nicht abschrecken, sondern überbrückte den letzten Rest Abstand zwischen ihnen. Gerade rechtzeitig, um ihn aufzufangen, weil er sonst wirklich noch auf dem Boden gelandet wäre. David schämte sich so sehr für seine Schwäche, während er gleichzeitig Adrians tröstende Umarmung zuließ, sich aber jeden Versuch sparte, seine angeknackste Fassade irgendwie erklären zu wollen. Er hätte es ohnehin nicht gekonnt.

»Wie lange hat dein Vater dich geschlagen?«, fragte Adrian, als er sich soweit beruhigt hatte, dass er wieder normal atmen konnte.

David schloss gequält die Augen. »Bis ich zurückschlagen konnte.«

»Verdammt«, murmelte Adrian und begann, ihm beruhigend durchs Haar zu streicheln. David beschlich das Gefühl, dass dieser ihn sonst so nervende Anwalt das nicht zum ersten Mal für jemanden tat. »Ich bin gerade erst angekommen, sonst hätte ich dich nicht mit ihm hier rausgehen lassen. Delongis ist gefährlich, Trey.«

Trey? War das von seinem Nachnamen abgeleitet? Wie kam Adrian denn jetzt darauf? David fragte nicht nach. »Ich hatte einige Gerüchte über ihn gehört.«

»Und nicht viel darauf gegeben, hm?« Der Tadel in Adrians Stimme war nicht zu überhören. »Jedenfalls nicht genug.«

»Nein«, gab David zu. »Mein Fehler.«

»Versprich mir, dass du dich ab jetzt  von ihm fernhältst. Er will dich haben, Trey, doch im Gegensatz zu mir, bedeutet diesem Mann ein Nein rein gar nichts.«

Das war David mittlerweile auch bewusst. »Stimmt das mit der Anzeige wegen Belästigung?«

»Ja. Er hat Schweigegeld bezahlt und wir konnten ihn nicht dafür anklagen«, erzählte Adrian leise und David vergrub sein Gesicht an dessen Schulter, als ihm klar wurde, wie knapp er an einer Katastrophe vorbeigeschrammt war.

»Kannst du das bitte für dich behalten?«, bat er.

»Wegen Felcon?« David antwortete nicht und Adrian schob ihn ein Stück von sich, dass sie sich in die Augen sehen konnten. »Das gefällt mir nicht, aber für dich tue ich es.«

»Danke.« Mehr fiel ihm nicht ein.

Adrian schmunzelte. »Dank mir lieber nicht zu früh, Trey. Geh mit mir aus.«

Wieso wunderte ihn nicht einmal, dass Adrian die Gelegenheit für sich zu nutzen versuchte? David schüttelte den Kopf. »Das halte ich für keine gute Idee.«

Adrian war sichtlich amüsiert. »Tu es trotzdem. Ich bin sogar bereit, dir entgegenzukommen. Du bestimmst die Zeit und auch den Ort.«

»Wie wäre es nächstes Jahrhundert?«, fragte David prompt und wurde dafür ausgelacht. »Hey, ich meine es ernst.« Adrian grinste ihn an. »Du wirst nicht aufgeben, oder?«

»Nein.«

Er hatte nichts anderes erwartet. »Dräng mich nicht, Quinlan«, verlangte er und löste sich von Adrian, als ihm plötzlich auffiel, dass sie immer noch dicht beieinander auf dem Balkon standen, was ihm eindeutig gefiel, so wohl, wie er sich im Moment fühlte, und das war nicht gut.

»Das kann ich dir nicht versprechen.« Adrian griff nach seiner Hand, um ihn neben sich her zur Brüstung zu ziehen. Er schwieg, bis sie nebeneinander mit den Ellbogen auf dem kühlen Stein lehnten. »Geh mit mir aus, Trey. Und bring ruhig Minero mit. Ich mag ihn.«

»Einfach so?«, fragte David, weil er dem Braten irgendwie nicht traute.

»Einfach so«, antwortete Adrian und sah ihn an. »Ganz unverbindlich, wenn du es so nennen willst.«

Dem gab es nichts mehr hinzuzufügen. »Wir sind in einer Woche in Baltimore, aber ich vermute mal, dass du das bereits weißt.« Adrian nickte nur. »Samstagabend, nach meinem letzten Rennen. Hol mich eine Stunde später im Motel ab und lass den Anzug im Schrank.«

»Ich werde da sein.«

David sagte Adrian nicht, in welchem Motel Dominic und er für das Wochenende absteigen würden und der fragte nicht danach, was ihn innerlich grinsen ließ, obwohl er sich gleichzeitig fragte, ob er das nicht wenigstens etwas unheimlich finden sollte. Dieser sturköpfige Anwalt, der außer seinen dreiteiligen Maßanzügen, die ihm auch noch unverschämt gut standen, offenbar keine normale Kleidung besaß, machte auf David den Eindruck, einfach alles herausfinden zu können. Und obwohl er das Gegenteil erwartet hatte, störte es ihn nicht einmal. War das nun gut oder schlecht?

»Warum habe ich gerade das Gefühl, dass Anthony nicht so gefährlich ist wie du?«

Statt einer Antwort lächelte Adrian ihn an, woraufhin sein Herz auf der Stelle ein wenig schneller schlug. Oha. David beschloss, dass es sicherer für ihn war, das Ganze als Einbildung abzutun und verfluchte sich im nächsten Augenblick, als ihm bewusst wurde, dass ihn Adrians umwerfendes Lächeln bis in seine Träume verfolgen würde.

Na super.

 

 

2. Kapitel

 

 

 

 

Da gondelte er beruflich schon ständig in der Weltgeschichte herum und sah trotzdem nichts. Jedenfalls nicht viel.

David gähnte wiederholt, während er nebenher seine Reisetasche auszuräumen begann, denn letzte Nacht war er nicht mehr dazu gekommen. Dank eines Staus auf dem Highway, weil ein übermüdeter Lastwagenfahrer am Steuer eingeschlafen und in einen vollbesetzten Reisebus gekracht war, hatten sie nach dem Einchecken im Motel gerade noch genug Zeit gehabt, um zur Rennbahn zu kommen, als auch schon das erste Rennen gestartet war. Und heute war er auch nur von einem Rennen zum nächsten gehetzt, da zwei ihrer Stammmechaniker krank waren, Dominic sich heute früh beim Ausladen einer Ersatzmaschine einen Finger verdreht hatte und er selbst dann auch noch Anthony in die Arme gelaufen war. Sehr zur Freude ihres Teams, denn seine Laune war den restlichen Tag über jenseits von Gut und Böse gewesen, bis Dominic ihn ins Motel zurück befohlen hatte, weil er sich ausschlafen sollte. Sogar Minero hatte Dominic bei sich behalten.

Eine Frechheit, fand David, denn schlafen würde er sowieso nicht können, so sauer wie er war. Mit Minero hätte er eine Runde spazieren oder joggen gehen können, um sich abzureagieren. Stattdessen saß er hier fest, hatte Hunger und bereits seit Stunden das Gefühl, irgendetwas Wichtiges vergessen zu haben. Ihm wollte nur nicht einfallen, was das sein konnte. Er saß in Baltimore in einem sterbenslangweiligen Motel fest, die Rennen waren für heute beendet, eine dieser öden Partys stand auch nicht an und Dominic würde ihn den Rest der Nacht mit Sicherheit nicht stören. Was also hatte er vergessen?

Ein energisches Klopfen riss ihn aus den fruchtlosen Grübeleien und David starrte verärgert auf das helle Holz der Tür. Wer auch immer dahinter stand, hatte hoffentlich einen guten Grund bei ihm aufzutauchen. »Was ist?«

»Ich hoffe, ich bin nicht der Grund für deine miese Laune.«

David blinzelte verdutzt. Die Stimme kannte er. Oh Scheiße. Das hatte er vergessen. David stöhnte genervt, schob seine Reisetasche beiseite und lief zur Tür, um Adrian zu öffnen, der im Gang stand und ihn amüsiert anblickte. »Nein, du bist nicht der Grund für meine schlechte Laune. Komm rein.«

Er wollte sich schon abwenden, als ihm Adrians Kleidung auffiel. Eine schwarze Cargohose, die so eng saß, dass er nicht viel Fantasie brauchte, um sich vorzustellen, wie Adrian ohne diese Hose aussehen würde. Dazu trug der Anwalt einen dunkelroten Fleecepullover und darüber einen knielangen schwarzen Mantel, und schwarze, edel aussehende Halbschuhe. Adrian sah in diesen Sachen komplett anders aus, als er ihn noch von letzter Woche in Erinnerung hatte. Nicht schlechter, im Gegenteil. Eher so richtig zum anbeißen.

David verkniff sich das Wow, das ihm schon auf den Lippen lag, als ihm Adrians wissender Blick auffiel. »Bilde dir ja nichts darauf ein, Quinlan«, murmelte er peinlich berührt und wandte sich ab.

»Wie käme ich dazu?«, konterte der trocken und folgte ihm nach drinnen. »Wo ist Minero?«

»Bei Dom, dem Verräter«, murrte David, bevor er sich zurückhalten konnte, was ihn erneut fluchen ließ.

»Aha«, meinte Adrian und trat an ihm vorbei, um sich auf das Bett zu setzen, wo er sich mit beiden Händen nach hinten abstützte und ihn interessiert ansah. »Was ist passiert?«

»Ein Scheißtag, das ist passiert«, antwortete David wütend und überlegte, wie er die Verabredung mit Adrian am elegantesten verschieben konnte, denn mit seiner miesen Laune wollte er weder aus dem Zimmer raus, noch mit Adrian durch die Nacht ziehen. Eigentlich wollte er ... David schnaubte, als ihm klar wurde, dass er keine Ahnung hatte, was er wollte und das ärgerte ihn dann noch zusätzlich. »Können wir unsere Verabredung verschieben?«

Adrian grinste. »Nein.«

»Nein?«, fragte David verdattert und bekam ein Kopfschütteln als Antwort. »Warum nicht?«

Adrian schmunzelte. »Mit deiner Laune lasse ich dich hier nicht die ganze Nacht brüten. Außerdem habe ich Hunger und will mit dir zu meinem Lieblingsitaliener am Ende der Stadt. Danach gehen wir in eine Bar und zum Schluss noch eine Runde spazieren. Also zieh dich um, damit wir los können.«

Wurde er jetzt schon nicht mal mehr gefragt, ob er überhaupt dazu Lust hatte? »Aber ...«

»Wir können meine Planung für einen gemütlichen Abend natürlich ausfallen lassen und hier bleiben.« Adrian wippte ein paar Mal auf dem Bett auf und ab. »Eine sehr bequeme Matratze, würde ich sagen.« David konnte nicht verhindern, dass er rot wurde, was Adrian grinsen ließ. »Du entscheidest, Trey.«

Arroganter Mistkerl. Als ob es da noch etwas zu entscheiden gab. David seufzte lautlos und wandte sich ab, um ins Bad zu gehen. »In fünfzehn Minuten können wir los.«

»Ich warte hier«, rief Adrian ihm amüsiert nach und lachte, als David, entgegen seiner sonst üblichen Art, lieber die Badezimmertür abschloss.

Um sie wenig später verlegen zu entriegeln, nachdem ihm aufgefallen war, dass er sich keine frische Kleidung mitgenommen hatte, was weiteres Gelächter von Adrian zur Folge hatte, bis David sich aus purem Trotz für ein durchsichtiges, weißes Langarmshirt entschied und passend dazu seine dunkelblaue Hüfthose aus der Reisetasche kramte. Er lachte in sich hinein, als Adrian die Sachen, wie von ihm erhofft, äußerst kritisch beäugte. Schade, dass das Wetter es nicht länger zuließ, abends ohne Jacke auf der Straße unterwegs zu sein. Er würde also seinen Mantel überziehen müssen, sofern ihm wieder einfiel, wo er das Ding hin geräumt hatte.

»Dir ist bewusst, dass man durch dieses Shirt sehen kann, wenn ...« Adrian brach ab, als er ihn süffisant angrinste. »Das kriegst du wieder.«

»Wie du mir, so ich dir, sagt dir das was, Quinlan?«, fragte David und beeilte sich ins Badezimmer zu kommen, denn auch wenn er Adrians Schnauben kaum hörte, war ihm klar, dass er sein Ziel, den Anwalt außer Konzept zu bringen, erreicht hatte.

Ja, man konnte durch dieses Shirt mehr als nur seine Brustwarzen sehen, was auch mit ein Grund war, wieso Tom ihn an den Abenden, an denen er es getragen hatte, nie weiter als auf Sichtweite aus den Augen gelassen hatte. Mal sehen, ob Adrian genauso besitzergreifend war, und irgendwie hatte David daran nicht den geringsten Zweifel.

 

Die Pizzeria entpuppte sich als klein und sehr gemütlich.

Adrian hatte einen Tisch bestellt und er kannte scheinbar auch den Besitzer, denn die Männer tauschten eine herzliche Begrüßung in fließendem Italienisch aus, bevor Adrian ihm zuerst aus dem Mantel half, den er nach zehnminütiger Sucherei schließlich in der kleinen Küche des Motelzimmers wiedergefunden hatte, und am Tisch dann sogar den Stuhl für ihn zurückzog. David war einen Moment lang irritiert, lächelte Adrian dann aber zu und setzte sich. Kurz darauf standen eine Flasche Wein und Gläser auf dem Tisch, und David hielt gerade rechtzeitig seine Hand über das Glas, als die Bedienung es für ihn füllen wollte.

»Für mich bitte ein Wasser. Ich trinke nicht«, bat er und die junge Frau machte mit einem Lächeln und einem Nicken kehrt, um ihm das Gewünschte zu holen. »Du sprichst italienisch?«

Adrian nickte. »Sprachen sind ein Hobby von mir.«

»Welche sprichst du noch?«

»Spanisch, japanisch und russisch.«

David war ehrlich beeindruckt. »Wow. Mit Fremdsprachen habe ich mich nie näher beschäftigt.«

»Sondern?«, fragte Adrian nach, was ihn lächeln ließ.

»Kunst. Wenn ich keine Rennen fahre, ist Kunst meine Welt und mein Hobby. Aber im Moment komme ich nicht dazu.«

Adrian beließ es bei einem Nicken. »Trinkst du nur selten oder gar nicht?«

Die Bedienung kam zurück an ihren Tisch und David wartete, bis sie ihm ein Wasser hingestellt und das zweite Weinglas wieder an sich genommen hatte, während er gleichzeitig einen Blick in die Karte warf und überlegte, was er auf Adrians Frage antworten sollte. Am Ende entschied er sich für die Wahrheit. Wahrscheinlich wusste Adrian es ohnehin schon.

»Mein letzter Abend mit Alkohol hat mich fast ins Grab gebracht, seither verzichte ich darauf.«

Adrian fragte nicht nach, was entweder bedeutete, er wusste Bescheid oder aber, er war höflich genug, um nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, so wie andere Menschen es ziemlich oft taten, wenn sie neugierig waren. Rücksicht war nicht alltäglich für ihn und David wusste nicht, wie er reagieren sollte. Abgesehen davon wusste er nicht mal, ob Adrian wirklich nur rücksichtsvoll war oder seinen Lebenslauf auswendig kannte. Eine Möglichkeit, die er zwar einkalkuliert hatte, die ihn jetzt aber irgendwie befangen machte. Er musste es genau wissen.

»Bist du einfach nur zu höflich, um nicht danach zu fragen, oder weißt du längst, was passiert ist?«

»Ich hätte nicht danach gefragt, wenn ich es wüsste.« Adrian trank einen Schluck Wein, bevor er weitersprach. »Ich glaube, ich sollte etwas klarstellen, ehe wir weiterreden. Es ist richtig, ich habe mich nach dir erkundigt, nachdem du mir auf der Rennbahn aufgefallen bist. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich nun jede Einzelheit aus deinem Leben kenne. Ich kennen deinen Namen, weiß, wo du herkommst und ich habe eine Menge Gerüchte gehört, die deine Person betreffen. Aber das hast du umgekehrt mit Sicherheit auch. Also? Gibst du mir eine Chance, dich näher kennenzulernen, oder muss ich wirklich auf ein Blatt Papier zurückgreifen, auf dem am oberen Rand gedruckt was Wort Lebenslauf steht?«

Das war deutlich und David räusperte sich verlegen, weil ihm plötzlich leidtat, dass er Adrian verdächtigt hatte, hinter seinem Rücken in seinem Leben herumzuschnüffeln. »Ich nehme es zurück«, sagte er, woraufhin Adrian ihn verdutzt ansah. »Das Arschloch. Ich nehme es zurück.«

Adrian schmunzelte. »Entschuldigung angenommen.«

»Ich habe doch gar nicht ...«, begann David zu widersprechen, konnte aber nicht ausreden.

»Doch, hast du. Für mich jedenfalls ... Also?« Adrian deutete auf die Karte in seinen Händen. »Was möchtest du essen?«

 

Damit war dieses Thema erledigt und während des Essens, das sehr lecker war, vertrieben sie sich die Zeit mit angenehmer Plauderei, angefangen über den von Tag zu Tag spürbareren Herbst, bis hin zu Fachgeplänkel über Motorräder, wo sich herausstellte, dass Adrian mehr Ahnung hatte, als er erwartet hatte, um danach auf Privates umzuschwenken. Freunde und Familie unter anderem. Von seiner Familie erzählte Adrian gar nichts, dafür erwähnte er eine Gruppe Freunde, die teils hier in der Stadt, teils in Cumberland, nicht weit entfernt, lebte.

David hörte genau zu und sog jedes Fitzelchen an Information praktisch in sich auf. Was die Familie betraf, schien er sich mit Adrian die Hand reichen zu können, denn auch seine war nicht der Rede wert. Dafür gab es Freunde, die er zwar an zwei Händen abzählen konnte, die ihm dafür aber umso wichtiger waren. Genauso wie bei Adrian. Sie waren sich ähnlicher, als er es vermutet hatte, und je länger der Abend dauerte, umso froher war David, dass er trotz anfänglicher, schlechter Laune mit Adrian ausgegangen war.

Aber auch der schönste Abend fand irgendwann sein Ende, und nach einer minutenlangen Diskussion darüber, wer heute die Rechnung bezahlen würde, gab David sich erst geschlagen, als Adrian mit dem Argument kam, dass er, da er ihn praktisch mitgeschleift hatte, auch bezahlen konnte. So fand er sich kurz darauf neben Adrian auf dem Gehsteig wieder und schloss seinen Mantel, weil es in den letzten Stunden empfindlich kalt geworden war.

»Da du nicht trinkst, können wir die Bar auch ausfallen lassen«, erklärte Adrian und knöpfte ebenfalls seinen Mantel zu, während sie sich auf den Weg machten. Einfach die Straße entlang, ein schöner langer Spaziergang nach dem Essen.

David zuckte die Schultern. »Wir können gerne etwas trinken gehen. Für Leute wie mich gibt es alkoholfreie Cocktails.«

Ein kurzes, aber nicht unangenehmes Schweigen stellte sich ein, bis Adrian schließlich sagte: »Um ehrlich zu sein, möchte ich lieber mit dir tanzen als Cocktails zu trinken.«

Tanzen? Damit hatte David nun gar nicht gerechnet. Adrian Quinlan steckte voller Überraschungen. »Solange du keinen perfekten Walzer erwartest.«

Adrian schmunzelte und schüttelte den Kopf. »Ich hatte da eher an ruhige Musik mit viel Körperkontakt gedacht.«

»Warum wundert mich das jetzt nicht?«

»Ja, warum tut es das nicht?«, fragte Adrian neckend, was David zum Lachen brachte. »Du solltest öfter lachen, das steht dir gut.« David lief rot an. »Und das steht dir auch.«

»Darf ich genauso ehrlich sein?«, wollte David wissen und schluckte, als Adrian ihn nur ansah. »Ich möchte lieber zurückgehen. Ins Motel, meine ich.«

Er wusste nicht, warum er das sagte, weil er eben noch das Gegenteil behauptet hatte, und es zudem eine glatte Lüge war, aber irgendwie wurde er plötzlich das Gefühl nicht los, dass es besser war, für heute Abend Schluss zu machen.

»Kein Problem. Dann tanzen wir einfach ein anderes Mal«, lenkte Adrian ein und sah die Straße hinunter, auf der Suche nach einem Taxi, da sie auch schon mit einem hergekommen waren.

Ein Regentropfen landete auf seiner Nase und ließ David überrascht den Blick von Adrian weg und nach oben in den Himmel richten. Dicke Wolken bedeckten ihn und noch während er nach oben sah, fielen weitere Tropfen auf sein Gesicht. Das sah nach einem baldigen und heftigen Regenguss aus. Sie sollten sich besser beeilen.

»Sehen wir zu, dass wir ein Taxi finden, bevor es richtig anfängt«, sagte Adrian in seine Überlegungen hinein. Allerdings schien der Wettergott ihn gehört zu haben, denn im nächsten Augenbllick begann es wie aus Eimern zu schütten. »Zu spät.« Adrian lachte und ergriff seine Hand. »Komm mit zu mir. Ich habe eine Stadtwohnung nicht weit von hier.«

David ließ sich einfach mitziehen und keine fünf Minuten später traten sie lachend und klatschnass durch eine Schwingtür in die hell erleuchtete Eingangshalle eines verdammt teuer aussehenden Hochhauses. Es war eines der Häuser, denen man schon aus der Ferne ansah, dass in seinem Inneren ausnahmslos reiche Leute wohnten. Sehr reiche Leute wohlgemerkt. David hatte zwar keine Ahnung, was ein Oberstaatsanwalt verdiente, aber dass es reichte, um sich in so einem Haus einzumieten, hatte er nicht geglaubt.

»Hier wohnst du?«, fragte er, zwischen Erstaunen und Unwohlsein schwankend, während er sich umsah.

»Gelegentlich«, kam trocken zurück, was ihn überrascht zu Adrian sehen ließ, der ihm daraufhin zuzwinkerte. »Ich habe noch ein Haus außerhalb der Stadt. Hier lebe ich eigentlich nur unter der Woche, wenn ich arbeite.«

David schluckte, als er verstand, was Adrian damit sagen wollte. »Du bist stinkreich, oder?«

»Stört dich das?«

Gute Frage. David runzelte die Stirn. Er war auch nicht arm oder nagte ständig am Hungertuch. Mit dem Gewinn, den er durch den Verkauf des Hauses in Los Angeles erzielt hatte, bevor er mit Dominic aufgebrochen war, um wieder Rennen zu fahren, hatte sich David ein sicheres Polster angelegt und würde damit in den kommenden Jahren gut über die Runden kommen, trotz seines teuren Hobbys als Rennfahrer, denn Motorräder instand zu halten war nicht gerade billig. Aber eine Wohnung in einem Haus mit Marmor oder Granit an den Wänden, was es genau war, wusste David nicht, würde er sich in hundert Jahren nicht leisten können.

Und dieses Haus hatte sogar einen Concierge. Einen alten Mann in schwarzer Uniform, inklusive Hut, der auf sie zukam und ihnen Handtücher reichte. David kam sich plötzlich klein und unbedeutend vor. »Ich hoffe, du hast keine goldenen Wasserhähne«, murmelte er mit Blick auf den Concierge und lächelte dem höflich zu.

Adrian prustete los und schüttelte dabei den Kopf. »Nein, so etwas gibt es bei mir nicht. Danke, Henry. Was für ein Mistwetter heute Nacht.«

»Da haben Sie recht, Mister Quinlan. Darf ich Ihren Begleiter in die Gästeliste eintragen?«

»Nein. Das ist David Treylani, Henry, mein Freund. Ab sofort hat er freien Zutritt zu meiner Wohnung.«

Jetzt war er schon sein Freund? David sah Adrian überrumpelt an, aber der war vollauf damit beschäftigt, sich notdürftig abzutrocknen. »Äh ... Adrian?«

»Willkommen, Mister Treylani«, fiel Henry ihm ehrlich lächelnd ins Wort und deutete zu einem hohen Empfangstresen. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen, um sich in unsere Liste erwünschter Besucher einzutragen?«

Kurze darauf war alles erledigt und David wartete, bis sich die Fahrstuhltüren geschlossen hatten, bevor er sich Adrian zuwandte. »Wieso hast du ihm gesagt, ich wäre dein Freund?«

Adrian schmunzelte. »Weil Begleiter sich jedes Mal neu ein- und austragen müssen. Eine Regel, die ich zwar an sich gut finde, aber sie ist gelegentlich doch etwas lästig. Daher lasse ich jeden, den ich gern und oft um mich habe, in die Liste für erwünschte Besucher eintragen.«

Okay, das war verständlich. »Deswegen das Foto?«

»Deswegen das Foto.« Adrian nickte. »So wirft er nur einen Blick auf dich, wenn du kommst und lässt dich wortlos durch.«

David runzelte die Stirn. »Und wenn du jemanden irgendwann nicht mehr sehen willst, lässt du ihn einfach wieder streichen und das war's?«

»Korrekt.«

So konnte man sich auch all jener Leute entledigen, mit denen man keinen Kontakt mehr haben wollte. David zuckte innerlich mit den Schultern, weil er das zwar einerseits komisch fand, andererseits, es war effektiv und ersparte eine Menge Ärger. Nervige Ex-Freunde, die einem vor der Wohnungstür auflauerten, zum Beispiel. Außerdem hatte Adrian als Anwalt vermutlich auch beruflich viele Feinde. So gesehen war es nur verständlich, was er tat.

»Du findest das seltsam, habe ich recht?«, fragte Adrian, als sich die Fahrstuhltüren öffneten und sie nur einige Schritte gehen mussten, bis sie vor einer weiteren Tür standen.

David nickte. »Ein wenig schon. Aber ich schätze, du lebst damit sicherer.« Adrian schloss die Tür auf und warf ihm dabei über die Schulter einen fragenden Blick zu. »Du bist Anwalt«, meinte David und nickte dankbar, als Adrian ihm den Vortritt ließ. »Und ich vermute, dass du dir mit deinem Job auch Feinde gemacht hast, die du so ... Wow!«

Es war das einzige, das David einfiel, während er durch einen riesigen Raum, der Wohnzimmer, Essecke und auch Küche in einem war, direkt auf eine Fensterfront starrte, die die ganze gegenüberliegende Wandseite einnahm und einen grandiosen Blick auf die erleuchtete Stadt bot. Was für eine Wohnung. Der Wahnsinn. Allein die Aussicht war umwerfend. Das musste er bei der nächsten Gelegenheit fotografieren oder zeichnen.

»Ich bin erst vor ein paar Monaten eingezogen.«

»Das ist der Wahnsinn«, murmelte David und sah kurz zu Adrian. »Warum bist du umgezogen?«

»Es war an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen.«

David verstand unausgesprochenen Worte, denn aus demselben Grund hatte er schließlich sein Haus in Los Angeles verkauft. Es war mit zu vielen Erinnerungen behaftet. »Darf ich?«

Adrian machte eine einladende Handbewegung, was David lächeln ließ, bevor er sich die Schuhe auszog und langsam den großen Raum durchquerte. Rechts von ihm lag eine Treppe, die ins Obergeschoss führte, wo vermutlich das Schlafzimmer war. Links von ihm führte eine offene Tür in ein Badezimmer, er konnte eine Badewanne sehen, dahinter lag ein weiterer Raum, vielleicht das Arbeitszimmer oder ein Fitnessraum. Im Moment fand David die Aussicht allerdings viel interessanter, als die räumliche Aufteilung der Wohnung.

»Wunderschön«, murmelte er und sah in die Nacht hinaus.

»Ja, finde ich auch.« David bekam eine Gänsehaut und das nicht, weil er klatschnass war. Adrian hatte eindeutig nicht die Aussicht gemeint. »Ginger Ale?«, fragte der im nächsten Moment und er nickte erleichtert. Wenig später kam Adrian mit zwei Gläsern zurück zu ihm und reichte ihm eines. »Wir sollten duschen.« David blieb der Schluck Ginger Ale fast im Hals stecken. »Geh du zuerst. Alles, was du brauchst, findest du im Bad. Fühl dich wie zu Hause.«

David nickte stumm und machte, dass er weg kam, bevor Adrian noch auffiel, dass er plötzlich mehr als nur nervös war. Er stellte das Glas auf dem Couchtisch ab und schloss sich im Badezimmer ein, um dort, mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt, erst mal tief durchzuatmen und sich dabei für seine eigene Dummheit zu verfluchen. Warum hatte er nicht einfach ein Taxi zurück ins Motel genommen? Es wäre mit Sicherheit besser für sein Seelenheil gewesen, statt Adrian hierher in dessen Apartment zu begleiten.

Die Einsicht kam allerdings zu spät und jetzt musste er das Beste aus der Situation machen. Angefangen mit einer Dusche, denn mittlerweile fror er durch die nasse Kleidung erbärmlich und krank werden konnte sich David frühestens zu Weihnachten leisten, denn bis dahin würde er Rennen fahren. Daher trat er energisch von der Tür weg und sah sich um.

Das Badezimmer war groß, genauso wie der Rest von Adrians Wohnung, und David musste ungewollt grinsen, als er die nicht vergoldeten Wasserhähne bemerkte. Belustigt zog er seine nassen Sachen aus und überlegte, wo er sie hintun sollte, da er keine Waschmaschine oder einen Trockner entdecken konnte. Aber das hatte auch bis nach der Dusche Zeit, entschied er und legte seine Sachen über den Wannenrand.

Auf einmal klopfte es an der Tür und David sah überrascht über die Schulter. »Ja?«

»Leg deine Sachen draußen neben die Tür, wenn du soweit bist. Ich gebe sie Henry. Er kümmert sich darum.«

Damit wäre diese Frage geklärt. »Danke.«

 

Später tauschten sie die Plätze und während Adrian im Badezimmer verschwand, um ebenfalls zu duschen, sah sich David, in einen flauschigen Bademantel gehüllt, ein wenig genauer in der Wohnung um.

Und zu sehen gab es genug.

Adrian gehörte mit Sicherheit zu den oberen Zehntausend, denn alles in diesem Raum war exklusiv, teuer, edel und chic. Trotzdem wirkte nichts hier überladen, sondern im Gesamtbild einfach nur gemütlich. Obwohl Adrian das Apartment nur als zweiten Wohnsitz benutzte, er hatte bei der Einrichtung großen Wert darauf gelegt sich wohlzufühlen.

Davids Blick blieb an einem Bücherregal hängen und er trat näher heran, um sich die Buchdeckel anzusehen. Er kannte viele der Autoren, hatte aber keins der Bücher gelesen. Und diese hier würde er nicht einmal anfassen, denn wenn er nicht völlig falsch lag, hatte Adrian in diesem Regal uralte Erstausgaben zu stehen. Eine Sammlung von Romanzen, Thrillern und Horrorgeschichten, die ihm dann im Nebenregal ins Auge fiel, war da schon mehr sein Geschmack.

Ein kurzes Gespräch im Flur weckte seine Aufmerksamkeit, aber nach kurzem Lauschen wandte sich David wieder den Büchern zu. Henry war gekommen, um ihre Kleidung abzuholen. Was für ein Haus. Ein Concierge im Eingangsbereich, der sich sogar um so profane Dinge wie nasse Sachen kümmerte. Vermutlich gab es für die Mieterschaft einen richtigen Wäscheservice oder wie immer man das nannte.

»In einer Stunde bekommen wir unsere Sachen trocken und gebügelt zurück«, sagte Adrian plötzlich von der Seite und trat neben ihn. »Liest du gerne?«

David nickte und sah Adrian kurz an. Der trug einen Bademantel wie er, was ihn dazu brachte, schnell wieder woanders hinzusehen. Nur hatte bereits dieser kurze Blick ausgereicht, um seine Fantasie auf Hochtouren zu bringen. Warum waren Sachen wie Bademäntel nie hochgeschlossen und knöchellang, statt knielang und so freizügig, dass er den Anblick von Adrians halbnackter Brust für die nächste Zeit nicht mehr aus dem Kopf bekommen würde. Erst dessen Lächeln, jetzt sein Oberkörper. Was kam als Nächstes? Adrians Hintern?

David lief rot an und verbot sich, genauer darüber nachzudenken, während er seinen Bademantel enger zusammenzog. Ihm war nicht kalt, aber er fühlte sich auf einmal nackt, obwohl der Bademantel alles bedeckte, was bedeckt gehörte. Trotzdem konnte er nicht anders, als sich unbehaglich zu fühlen, dabei trug Adrian nicht mehr oder weniger als er selbst. Doch genau das auch war das Problem. David wandte sich ab und ging zu der großen Sitzecke hinüber, um sich auf der Couch niederzulassen, beide Beine anzuziehen und es sich seitlich sitzend gemütlich zu machen.

»Ist dir kalt?«, fragte Adrian, während er ihm folgte. »Meine Sachen werden dir zu kurz sein, aber wenn du ...«

»Es geht schon, danke«, wehrte David ab. »Mach dir keine Umstände.«

Nicht dass Adrian sich damit zufriedengegeben hätte. »Soll ich die Heizung aufdrehen oder lieber den Kamin anmachen?«, fragte der nämlich im nächsten Moment, was ihn zum schmunzeln brachte.

»Also wenn du schon so fragst, nehme ich den Kamin.«

Adrian zwinkerte ihm zu und machte sich danach daran, selbigen in Gang zu bringen. Der Kamin war gegenüber in die Wand eingelassen und somit mehrere Meter entfernt. Hoffentlich war das auch weit genug, damit er nicht in Versuchung geriet, Adrian den Bademantel auszuziehen, um herauszufinden, ob der Rest von ihm genauso verlockend aussah, wie das, was er zuvor gesehen hatte. David zuckte ertappt zusammen und biss sich dabei auf die Zunge.

Selbstbeherrschung. Davon hatte er irgendwann, vor langer Zeit, mal eine ganze Menge gehabt. Wann war das bloß gewesen? Sein Blick wanderte sehr langsam über Adrians schlanke Gestalt und David kam nicht umhin festzustellen, dass der Anwalt mehr als gut aussah mit den kurz geschnittenen, blonden Haaren, seinen durchdringenden, blaugrauen Augen und einem Körper, der mit Sicherheit durch regelmäßiges Training in Form gehalten wurde. Adrian war etwas kleiner als er selbst, aber das störte David nicht. Ihn störte weitaus mehr, dass dieser sexy Anwalt zurzeit mit nichts weiter als einem Bademantel bekleidet ein paar Meter von ihm entfernt kniete und Feuer anmachte. Wenn der Bademantel sich wenigstens nicht so eng an Adrians Hintern geschmiegt hätte.

David verfluchte sich selbst, da er auf den Anblick reagierte, und das heftiger, als er sollte. Er stand auf und ging wieder zur Fensterfront hinüber, um tief durchzuatmen. So eine Scheiße. Von nur ein wenig Interesse konnte keine Rede mehr sein. Es war an der Zeit, den Tatsachen ins Auge zu blicken. Er war nicht nur ein kleines bisschen an Adrian Quinlan interessiert, er war auf direkten Weg, freiwillig und Hals über Kopf in dessen Bett zu hüpfen.

David stöhnte frustriert und lehnte seine Stirn an das kühle Glas der Scheibe. Er saß bis zum Hals in der Tinte.

 

 

3. Kapitel

 

 

 

 

»Trey?«

Stimmen, die einem eine angenehme Gänsehaut verursachten, sollten verboten werden.

David fand es wirklich sehr unfair, dass es Menschen gab, die nur ein einziges Wort zu sagen brauchten und ihr Gegenüber schmolz dahin, wie die sprichwörtliche Butter in der Sonne. Adrian Quinlan war so ein Mensch, jedenfalls für ihn in genau diesem Augenblick. Doch David sprach seinen Gedanken nicht aus, stattdessen schloss er die Augen, in der Hoffnung, es würde ihm dabei helfen, vernünftig zu bleiben.

»Ich sollte gehen. Ich sollte mir sofort ein Taxi bestellen und ohne Umweg ins Motel zurückfahren.«

»Im Bademantel?«, fragte Adrian so lässig, dass David unwillkürlich lachen musste, obwohl er es nicht wollte. »Nun, ich kann nicht behaupten, dass du so weniger anziehend wärst, als mit diesem Fetzen, den du Shirt nennst, aber du wirst krank werden, wenn du nur im Bademantel aus dem Haus gehst.«

»Außerdem regnet es«, stimmte David zu, da er die Regentropfen hörte, die schnell und heftig gegen die Scheibe prasselten, an der er mit der Stirn lehnte. Im nächsten Moment schalt er sich einen Idioten. Wieso hatte er Adrian zugestimmt? Und was hatte der mit seinem Namen? »Warum nennst du mich eigentlich Trey?«

Adrian lachte leise und David zuckte zusammen, als er auf einmal eine warme Hand in seinem Nacken spürte. »Pscht, ich tu dir nichts. Mein Ehrenwort darauf. Und ich nenne dich Trey, weil es mir gefällt. Oder stört es dich?«

»Nein«, presste David heraus und hielt den Atem an, weil Adrians Hand langsam über seine Wirbelsäule zu streichen begann. Forschend und offensichtlich neugierig darauf, alles zu berühren und alles zu fühlen, was es trotz des störenden Stoffs vom Bademantel, für den David auf einmal mehr als dankbar war, zu erfühlen gab.

»Du bist schön.«

»Woher willst du das wissen? Du siehst doch kaum etwas von mir«, widersprach David und öffnete die Augen.

Adrian reagierte nicht, daher drehte er sich um und sah ihn an. Es dauerte etwas, bis David erkannte, dass Adrians durchdringender Blick nicht ihm galt, sondern seinem Mund. Er hätte sich am liebsten über die trockenen Lippen geleckt, denn das letzte Mal, das jemand so begehrlich auf seinen Mund gestarrt hatte, war verdammt lange her. Fast zwei Jahre, um genau zu sein, und es war ein schönes Gefühl, begehrt zu werden, denn genau das tat Adrian, sein Blick war eindeutig.

Es klopfte leise und Adrian zuckte zusammen, bevor er den Blick abwandte und zur Tür sah. »Ja?«

»Ihre Kleidung, Mister Quinlan, Mister Treylani.«

Adrian stieß unüberhörbar die Luft aus. »Danke, Henry. Ich komme.«

Er sah Adrian nach, wie der zur Tür ging, um Henry ihre Sachen abzunehmen, und nutzte die Gelegenheit, um sich zu sammeln. Henry war gerade rechtzeitig erschienen, auch wenn David sich nicht entscheiden konnte, ob er sich darüber ärgern oder froh sein sollte. Trotzdem war er ehrlich genug, sich selbst einzugestehen, dass es wohl keine fünf Sekunden mehr gedauert hätte, bis sie sich geküsst hätten.

Adrian kam zurück, legte auf dem Weg zu ihm seine eigenen Sachen auf die Couchlehne, und blieb schließlich eine von ihm Armlänge entfernt stehen. »Du könntest jetzt gehen.«

David sah auf die akkurat gefalteten, gebügelten Sachen in Adrians Händen. »Du würdest mich gehenlassen?« Ein Nicken war die einzige Antwort, die er erhielt, und David glaubte ihm. Trotzdem musste er noch etwas wissen. »Soll ich gehen?«

Sag nein, bitte sag nein, war alles, woran er nach dieser Frage denken konnte, und wie sollte er vernünftig bleiben, wenn er nichts anderes mehr im Kopf hatte, als die Vorstellung von wildem, hemmungslosen Sex mit Adrian. Er musste verrückt geworden sein. Sie kannten sich nicht mal. Jedenfalls nicht richtig. Tom. Er musste an Tom denken, den letzten Funken klaren Verstand bewahren und das hier beenden, ehe es ihn komplett überrollte, aber David brachte es einfach nicht fertig.

»Nein, ich will nicht, dass du gehst«, flüsterte Adrian plötzlich ganz nah an seinen Lippen und knabberte im nächsten Augenblick an seiner Unterlippe, was David so sehr erregte, dass er aufstöhnte. »Aber du brauchst nur Nein zu sagen, dann bist du mich los.«

»Wirklich?«, fragte er und keuchte, als Adrian sich, statt einer Antwort, nur näher an ihn drängte, wobei David sehr genau fühlen konnte, dass er nicht der einzige war, der gleich die Beherrschung verlieren würde.

»Nein«, antwortete Adrian ehrlich und David musste ungewollt lachen, weil er darüber tatsächlich erleichtert war. Er hatte wirklich den Verstand verloren, aber das änderte jetzt auch nichts mehr.

»Ich will dich, Quinlan.«

»Ich weiß«, erwiderte Adrian und das letzte, was David bemerkte, bevor Adrian ihn küsste, war seine zu Boden fallende Kleidung.

Warm, weich und gleichzeitig auch ein wenig rau.

Genau die richtige Mischung.

David seufzte und erwiderte den Kuss. Adrian schmeckte nach dem Wein vom Italiener und auch ein bisschen nach dem Ginger Ale von eben, und das war nun wieder eine komische Mischung. Er grinste über seine Gedanken, bis Adrian aufhörte, ihn nur mit den Lippen zu necken und zu verführen, und seine Zunge zu Hilfe nahm. Genau wie seine Hände, die plötzlich unter seinem Bademantel waren und sich über seine Brustwarzen, seinen Bauch, einfach über alles hermachten, was sie erreichen konnten, während Adrians Knie ein Eigenleben entwickelte und sich zwischen seine Beine schob.

David stöhnte auf und legte seine Arme um Adrian, weil er dringend irgendetwas brauchte, woran er sich festhalten konnte, aber das war eine ganz schlechte Idee, denn Adrians drahtiger Körper war genauso warm und anziehend wie seine Lippen, und irgendwie wollte David immer nur noch mehr. Mehr Küsse und mehr Streicheln. Viel mehr von Adrians Fingern auf seiner nackten Haut.

Adrians rechte Hand schob sich tiefer unter den Bademantel, was David zischend die Luft anhalten ließ. Wenn er das zuließ, gab es kein Zurück mehr, das war ihm klar, genauso wie es Adrian klar war, und der verlor auch keine Zeit mehr, denn seine Hand wanderte immer tiefer, bis sie fand, was sie suchte, was David in einer Mischung aus Erleichterung und Erregung aufkeuchen ließ, und ihm gleichzeitig bewusst machte, dass er längst verloren hatte. Es war zu spät für ein Nein, viel zu spät.

»Luftholen nicht vergessen«, murmelte Adrian an seinem Hals und biss im nächsten Moment in die Haut unter seinem Ohr, um dann sein Gesicht zu sich zu drehen und ihn zu küssen. »Ich will dich, Trey, und ich will, dass du mir gehörst. Ich will meine Zähne in deiner Haut vergraben, damit morgen jeder sehen kann, was wir in dieser Nacht getan haben. Was wir morgen und übermorgen und nächste Woche tun werden.«

War das eine Drohung oder ein Versprechen? David wagte nicht danach zu fragen, stattdessen fiel ihm abrupt wieder ein, wo sie eigentlich waren. »Hier kann uns jeder sehen«, protestierte er schwach, als Adrians Hand seine Erektion umschloss, denn auch wenn dieses Apartment in einem Hochhaus lag und es bereits nach Mitternacht war, hieß das noch lange nicht, dass alle Leute in ihrer Sichtweite auch schliefen. Es konnte jederzeit jemand aus einem der umliegender Häuser ans Fenster treten und sie entdecken.

»Gib es zu, die Vorstellung gefällt dir.«

Dieser Mistkerl. Ja, es gefiel ihm und auch das mehr, als es gut für ihn war. David hätte beinahe gelacht über die Erkenntnis, dass Adrian ihn besser zu kennen schien, als er sich selbst, aber dazu fehlte ihm im Moment die Luft, denn Adrians Finger hatten einen langsamen, quälenden Rhythmus aufgenommen, den er nicht lange durchhalten würde. Dazu war es einfach zu lange her.

»Adrian ...«

»Lass dich fallen, Trey. Ich bin hier und fange dich auf.«

David stöhnte, als Adrians Griff fester und fordernder wurde. Er lehnte sich keuchend zurück, weil seine Beine sich immer mehr wie Pudding anfühlten, und überließ seinem Körper die Kontrolle. Adrian nutzte das schamlos aus, fand jeden freien Zentimeter an Haut und bedeckte ihn mit Küssen und mal mehr, mal weniger liebevollen Bissen, während seine Hand ihn dem Höhepunkt entgegentrieb und er ihn mit seinem Körper gegen die Fensterscheibe gepresst festhielt.

»Am liebsten würde ich vor dir auf die Knie gehen und es dir mit dem Mund besorgen, bis du nicht mehr weißt, wo oben und unten ist«, flüsterte Adrian ihm plötzlich ins Ohr und leckte über selbiges, während David versuchte, nicht allein von der Vorstellung zu kommen und genügend Luft in seine Lunge zu pumpen, um antworten zu können. Am Ende schaffte er es.

»Dann tu es doch.«

»Sicher?«

»Gott, ja«, stöhnte David und erschrak im ersten Moment, als Adrian umgehend reagierte, indem er an dem Gürtel des Bademantels zu zerren begann, um dann wirklich vor ihm auf die Knie zu gehen. »Ich bin sauber«, fiel ihm ein, da Adrian an ein Kondom scheinbar keinen Gedanken verschwendete und Dominic auf regelmäßige Gesundheitschecks im Team bestand.

»Ich weiß«, kam zurück, inklusive eines süffisanten Grinsens. »Ich im Übrigen auch.«

Gut zu wissen, dachte David, und danach dachte er erst mal gar nichts mehr, denn Adrian setzte seine Worte in die Tat um, und zwar so ausführlich und genüsslich, dass David erst wieder dazu kam, einen klaren Gedanken zu fassen, als er sich zitternd und schwitzend in Adrians Armen wiederfand, die ihn davon abhielten, kraftlos an der Scheibe zu Boden zu sinken.

»So gern ich dich hier auf der Stelle flachlegen würde, was hältst du davon, wenn wir Runde zwei in mein Bett verlegen?«

David schaffte ein Lächeln, aber gerade so. »Nur wenn wir für Runde drei wieder herkommen und das nachholen, wozu ich im Moment nicht in der Lage bin, weil ich Pudding in den Beinen habe, glaube ich.«

Adrian lachte leise. »Einverstanden.«

 

Der nächste Tag begann mit einem nervtötenden, anhaltenden Klingeln, das mit Sicherheit nicht sein Wecker war.

David stöhnte frustriert und war kurz davor Adrian anzumaulen, als ihm aufging, dass es sein eigenes Handy war, das da so lautstark nach Aufmerksamkeit verlangte. Mit einem saftigen Fluch auf den Lippen fuhr er im Bett hoch, um zischend einzuatmen, als seine Kehrseite ihn auf der Stelle spüren ließ, was Adrian und er letzte Nacht getrieben hatten.

Und zwar drei Mal.

»Das ist dein Handy«, murmelte Adrian und setzte sich neben ihm auf, um sich umzusehen. »Wo ist es?«

David sah sich ebenfalls um. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich unten.« Er schaute zu Adrian, der sah überlegend zurück, dann kam ihm die Erkenntnis. »Meine Sachen.«

Er schlug die Bettdecke zurück und ging, nackt wie er war, nach unten. Seine Kleider lagen immer noch vor dem Fenster, wo Adrian sie fallengelassen hatte, und von dort kam auch das Klingeln. Er kramte sein Handy aus der Hosentasche, dankte Henry im Stillen, dass er es vor dem Trocken aus der Hose genommen und anschließend zurückgelegt hatte, und sah dabei auf das Display. Dominic rief ihn an.

»Ja?«, nahm er den Anruf entgegen und machte kehrt, um zu Adrian zurückzugehen, der sich wieder hingelegt hatte, einen Arm unter dem Kopf, der andere lag auf der Bettdecke, die ihn mehr schlecht als recht bedeckte. Adrian sah zum anbeißen aus und wusste das auch, seinem unschuldigen Blick nach zu urteilen, als David sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen ließ, ihn ausführlich zu betrachten.

»Na endlich ... Wo bist du denn, Mann? Ich such dich schon seit 'ner Stunde.«

Dominic klang, als steckte er voll im Stress, was nicht Neues war. David grinste. »Dir auch einen guten Morgen.«

»Morgen?« Dominic stockte kurz, dann schnaubte er. »Wo auch immer du gerade steckst, such dir besser eine Uhr. Es ist nämlich gleich Zwölf.«

»Was?«, fragte er und schaute sich um. Auf Adrians Nachttisch stand ein elektronischer Kalender, mit einer integrierten Uhr, und was die ihm anzeigte ... David schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder, aber die Anzeige war leider dieselbe geblieben. »Scheiße!«

»Das kannst du laut sagen. Eddy übernimmt die Aufwärmrunde für dich. Du hast zwei Stunden, und jetzt beweg deinen Arsch aus dem Bett des Anwalts und komm her!«

Klick. Aufgelegt.

David stöhnte. Das würde er sich jetzt für die nächsten Wochen, ach was, Monate, anhören können. Andererseits, es kümmerte ihn gerade herzlich wenig, denn Adrian, der die Bettdecke zurückgeschlagen hatte und aufgestanden war, war, gelinde gesagt, ein klein wenig ablenkend.

»Hast du noch Zeit für einen Kaffee?«

»Äh ...« David blinzelte und warf sein Handy aufs Bett, bevor er Adrian nach unten folgte und ihm dabei ungeniert auf den Hintern starrte. »Sicher. Warum lachst du?«

»Du brennst mir gleich ein Loch in meine Kehrseite«, antwortete Adrian hörbar belustigt.

David wurde rot und beschloss, den Satz besser unkommentiert zu lassen. Stattdessen durchquerte er erneut den großen Raum, um seine Kleidung zu holen und sich anzuziehen. Zwei Stunden war genügend Zeit, um einen Kaffee zu trinken und einen Abstecher ins Motel zu machen, um zu duschen und sich umzuziehen. Das musste sein, selbst wenn er deshalb zu spät kam. Aber lieber zu spät kommen und einen weiteren Anraunzer von Dominic riskieren, als in den Klamotten von letzter Nacht auftauchen, ungeduscht und nach Sex riechend.

Männer waren genauso schlimm wie Frauen, sobald es um den neuesten Klatsch und Tratsch ging, und er hatte wahrlich keine Lust darauf, Klatschthema Nummer eins auf der Rennbahn zu werden.

»Wenn du so rausgehst, wird dein Boss und Freund genau wissen, was wir letzte Nacht veranstaltet haben«, meinte Adrian kurze Zeit später und stellte zwei Tassen auf der Theke ab.

David sah auf sein weißes, durchsichtiges Shirt und grinste. »Er weiß es sowieso. Dafür hättest du mir nicht einen Knutschfleck von der Größe des Himalajas verpassen müssen.«

»Damit er den sehen kann, müsstest du dich aber ausziehen«, kam zweideutig zurück, was ihn den Kopf schütteln ließ. »Was denn? Es stimmt doch. Ich habe ihn dir schließlich nicht am Hals verpasst.«

»Bist du sicher, dass du kein Vampir bist? Saugen kannst du auf jeden ...« David brach ab, aber da hatte er längst zu viel gesagt, denn Adrian begann schallend zu lachen. »Danke. Sehr nett.« Obwohl David nicht wollte, musste er mitlachen. Adrian war echt unmöglich.

»Ich kann das Kompliment übrigens nur zurückgeben«, erklärte der im nächsten Augenblick und grinste ihn süffisant an, ehe er sich zur Kaffeemaschine umdrehte. »Milch, Zucker oder schwarz?«

So konnte man das Thema auch wechseln. David schmunzelte und antwortete Adrian, woraufhin sie die nächste Zeit, in ein angenehmes Schweigen gehüllt, in der Küchenzeile saßen und den Kaffee genossen. Auf dem Nachrichtenkanal im Fernseher, den Adrian irgendwann eingeschaltete, lief die Vorschau für das Wetter und nach einem Blick aus dem Fenster musste David dem Sprecher leider zustimmen, denn es regnete immer noch, oder eher schon wieder, und im Laufe des Tages sollte es noch nasser und zudem um einiges kälter werden. Der Herbst ging langsam aber sicher zu Ende.

»Fahrt ihr überhaupt bei so einem Wetter?«, fragte Adrian in die Stille hinein und streckte sich, was irgendwie albern und erotisch zugleich war, da er sich nicht die Mühe gemacht hatte, etwas überzuziehen.

David konnte den Blick nicht abwenden. »Ich weiß es nicht. Die Aufwärmrunde läuft, aber das heißt nicht viel.« Er zuckte mit den Schultern. »Ob wir starten oder nicht, entscheidet sich bei Wetter wie diesem meistens erst kurz vor dem offiziellen Rennbeginn. Wie spät ist es?«

Adrian drückte eine Taste auf der Fernbedienung. »Gleich halb eins. Soll ich dir ein Taxi rufen?«

David nickte und verschwand ins Badezimmer, um sich danach die Schuhe anzuziehen und nach seinem Mantel umzuschauen, den er ordentlich aufgehängt an der Garderobe entdeckte. Vermutlich hatte Adrian ihn letzte Nacht aufgehangen. David grübelte, während er ihn überzog. Sollte er sich verabschieden? Es wäre wohl angebracht, nur wie machte man so etwas? Mit Dates und dem Morgen danach hatte er nicht viel Erfahrung. Außerdem war es mehr als zehn Jahre her, dass er ein Date gehabt hatte. Wie sollte er sich bloß verhalten?

»Äh, ich sollte dann los«, sagte er und sah noch, wie Adrian die Treppe nach oben nahm, was ihn die Stirn runzeln ließ. War es das jetzt gewesen, oder ...? David kam sich auf einmal vor, wie bestellt und nicht abgeholt, deswegen machte er kehrt, um zu gehen.

»Warte«, rief Adrian, da hatte er gerade die Tür öffnen wollen. David hielt inne und sah über die Schulter. Adrian kam auf ihn zu, einen Zettel in einer und sein Handy in der anderen Hand. Stimmt, das hatte er vorhin oben auf das Bett geworfen. »Das solltest du besser mitnehmen.«

»Danke.« Mit einem unsicheren Lächeln nahm er sein Handy und steckte es ein, bevor er nach dem Zettel griff, auf dem eine Telefonnummer stand. Er sah verblüfft zu Adrian.

»Meine Nummer, ja«, nickte der, da ihm seine Frage offenbar ins Gesicht geschrieben stand. »Und ich will im Gegenzug deine haben.«

Das war deutlich und bescherte David ein nervöses Gefühl in der Magengegend. »Hast du einen Stift?« Adrian hielt ihm einen Kugelschreiber hin, aber weil er keinen Zettel zur Hand hatte, nahm er Adrians Arm und schrieb ihm seine Nummer einfach auf die blanke Haut.

 

Um Punkt zwei Uhr nachmittags trat David frisch geduscht und in frischer Kleidung durch die Tür der Halle, in der die Teams und ihre Ausrüstung für das Rennwochenende untergebracht worden waren.

Eine Halle war wie die andere, nur in der Größe unterschieden sie sich, je nach Größe der dazugehörigen Rennbahn, und wer die Möglichkeit hatte, der mietete sich einen Wohnwagen oder ein Hotelzimmer in der Nähe. Die meisten Fahrer nannten die Hallen schlicht Hangar, und David hatte es sich, seit er nach Toms Tod zum Rennsport zurückgekehrt war, ebenfalls wieder angewöhnt. Manche Dinge waren wirklich wie das berühmte Fahrradfahren, man verlernte sie nicht.

Dominic, gerade dabei den Werkzeugkoffer einzuräumen, hob den Kopf, sah in seine Richtung und begann schmutzig zu grinsen. »Deinem riesigen Knutschfleck nach zu urteilen, hat sich die Nacht gelohnt.«

David blieb stehen, sah erschrocken an sich hinunter, um sich im nächsten Moment selbst zu verfluchen, weil er auf Dominic hereingefallen war, der ihn bereits dafür auslachte. »Sehr witzig.«

Der winkte amüsiert ab. »Ich frage lieber nicht, wo er dir ... Du weißt schon.« David verdrehte die Augen. »Uns wurde übrigens eine Zwangspause wegen dem Wetter aufgebrummt. Du hast also genug Zeit, um Shannon anzurufen.«

Oha. Den hatte er völlig vergessen. David schwante Böses. »Hat er etwa ...?«

»Sich Sorgen um dich gemacht und mir daher letzte Nacht durchs Telefon die Hölle heißgemacht? Oh ja.« Dominic grinste und winkte ihn zu sich rüber. »Ich habe ihm versprochen, dass du anrufst, was du jetzt auch tun wirst.« Dominic griff hinter sich und warf ihm eine Packung Sandwichs zu. »Iss erst mal etwas. Aktueller Stand ist, das erste Rennen fällt aus. Wir können nur hoffen, dass sich das Wetter wieder beruhigt. Ansonsten ist der Tag gelaufen.«

Und dafür war er extra hierher gehetzt. Da hätte er ja gleich in Adrians Bett bleiben können. Eine recht verführerische Vorstellung, die ihm eine dicke Gänsehaut bescherte, was Dominic mit einem anzüglichen Grinsen kommentierte. Aber er sagte nichts, was auch besser für ihn war. David riss die Sandwichpackung auf, weil sich sein Magen vor Hunger schon schmerzhaft zusammenzog. Das nächste Mal, wenn er bei Adrian übernachtete, musste er unbedingt ein Frühstück in seine Zeitpläne einbauen. Wenn es denn ein nächstes Mal gab. Allerdings hätte der ihn kaum nach seiner Telefonnummer gefragt, wenn er an einer Wiederholung der letzten Nacht nicht interessiert gewesen wäre, oder?

»Ruf ihn endlich an«, riss ihn Dominics Stimme aus seiner Grübelei, als er sich eben nach Minero umsehen wollte. »Dein Racker ist unterwegs. Die Tochter des Motelbesitzers, Mindy, ist hin und weg von ihm und hat mich heute Morgen gefragt, ob sie ihn für ein Schulprojekt mitnehmen darf. Und da Minero sie auf Anhieb mochte, habe ich zugesagt. Sie bringt ihn nachher direkt hierher.«

David nickte. Wen Minero gern hatte, der war in Ordnung, und er vertraute Dominic gut genug, um zu wissen, dass der seinen Racker nur in gute Hände gab. »Danke, dass du auf ihn aufgepasst hast.«

Dominic winkte gelassen ab. »Das mache ich gerne und das weißt du auch. Und jetzt ...«

»Ja ja, ruf Shannon an.« David verschwand, samt den Sandwichs, auf die Bank neben der Tür, um wenigstens ein bisschen ungestört zu sein. Der Nachtteil an den Hallen war eindeutig, dass jeder alles mitbekam. Shannon hob nach dem dritten Klingeln ab. »Hi.«

»Die treulose Tomate. Ich dachte schon, du wärst irgendwo verschollen.«

»Mach nur weiter, wo Dom eben aufgehört hat.« David verdrehte innerlich die Augen, weil sein Freund wie erwartet anfing zu lachen. »Blödmann.«

»Ja, ich habe dich auch lieb. Geht es dir gut? Wie laufen die Rennen? Wo steckt ihr überhaupt? Und ruf das nächste Mal an, wenn du keine Zeit hast um anzurufen.«

Hätte er Shannons tiefe Stimme nicht als Beweis dafür gehabt, hätte er glattweg dessen jüngeren Bruder am Telefon haben können. Der ließ auch immer solche Wasserfälle an Fragen auf ihn los, wenn sie eine Weile nichts voneinander gehört hatten. David grinste frech. »Wie soll ich dich bitteschön anrufen, wenn ich keine Zeit habe um anzurufen?«

Als das wie erhofft mit einem. »Pah!« kommentiert wurde, kicherte er und biss in sein Sandwich, bevor er zu erzählen begann, was es bei ihm so an Neuigkeiten gab. Nur Adrian ließ er außen vor. Als er fertig war, berichtete Shannon ihn im Gegenzug über alle möglichen und unmöglichen Neuigkeiten, die in Los Angeles aktuell waren, was im Kurzformat hieß, es ging allen gut und mit ihrem nächsten Album kamen die Jungs super voran. David lehnte sich zurück, während er aufaß und hörte seinem besten Freund zu. Es tat gut, dessen Stimme zu hören und er musste es irgendwie einrichten, falls er es nicht vorher schaffte, an Weihnachten einen Abstecher nach Los Angeles zu machen. Die Jungs fehlten ihm, besonders Shannon.

»Und jetzt erzähl ... Was hat es mit diesem Gerücht auf sich, du hättest ein Date gehabt?«

David zuckte ertappt zusammen. Woher wusste Shannon das denn jetzt schon wieder? Obwohl, die Frage war einfach zu beantworten. »Felcon!«, brüllte er einmal quer durch die Halle, woraufhin dem vor Schreck die Packung Kekse aus der Hand fiel, über sie er sich gerade hermachen wollte. »Musst du ihm eigentlich immer alles sofort erzählen?« Zweifaches Gelächter war die Antwort, die er bekam und David seufzte resigniert, bevor er zu Shannon sagte:, »Ja, du neugieriger Kerl, ich hatte ein Date.«

»Aha. Und?«

»Da gibt es kein und. Er ist Anwalt und interessiert sich für mich. Wir haben unsere Telefonnummern getauscht.« Shannon schwieg am anderen Ende der Leitung, trotzdem konnte David fast sehen, wie sein Freund die Augenbrauen hochzog. Er wurde umgehend nervös, was ihn ärgerte. »Da ist nichts. Jedenfalls noch nicht.«

»Du magst ihn«, stellte Shannon so unumstößlich fest, als hätte er ihm gesagt, dass es draußen immer noch regnete.

»Ich wäre kaum mit ihm ins Bett gegangen, wenn er ein ...« David unterbrach sich mitten im Satz. Wann würde er endlich lernen erst zu denken und dann zu reden?

»Wow«, meinte Shannon auf einmal.

»Wow?« äffte David ihn nach. »Was soll das bitteschön wieder heißen?« Shannon lachte sein typisches Lachen, offen und ehrlich, und er war sofort wieder versöhnt. David schmunzelte in sich hinein. »Er ist heiß.«

»Mehr nicht?«

Shannon war direkt wie immer und David runzelte überlegend die Stirn, denn das war eine ziemlich gute Frage. »Ich bin noch dabei, das herauszufinden. Ich mag ihn. Sogar mehr, als ich wollte und will. Er hat etwas an sich, das ...« Er schüttelte leicht den Kopf und stand auf, um ein wenig herumzulaufen. »Ich weiß noch nicht, was und ob das ... Ach, keine Ahnung. Es war guter Sex und wir haben Nummern getauscht. Das heißt noch lange nicht ... Also ich...«

»Du denkst an Tom, oder?«, sprach Shannon leise aus, was er nicht konnte. Wie so oft, wann immer es um Tom ging. David seufzte, was seinem Freund offenbar Antwort genug war. »Wie heißt er eigentlich?«

»Adrian.«

»Wenn du diesen Adrian magst und seine Telefonnummer hast, was spricht dagegen, ihn anzurufen?«, hielt Shannon ihm wie immer den Spiegel direkt vors Gesicht. Auch das konnte dieser Musiker sehr gut. Und eine Antwort auf die Frage war leicht, denn es sprach nichts dagegen. Nur seine Feigheit und Unsicherheit. »David? Sei ehrlich ... Möchtest du ihn wiedersehen?«

»Ja«, antwortete er, weil es die Wahrheit war.

»Dann weißt du, was du zu tun hast«, kam trocken zurück und Shannon klang dabei so zufrieden mit sich selbst, dass er ihn am liebsten durch die Leitung gezogen hätte.

Wie machte dieser Kerl das bloß immer? Es war David ein Rätsel, wie Shannon es schaffte, so ausgeglichen und ruhig zu sein. Genauso wie Tom früher. Deswegen hatte er sich auch in den Musiker verliebt, als sie in Los Angeles Nachbarn gewesen waren. Verliebt war er immer noch, nur Nachbarn waren sie keine mehr. Aber Freunde waren sie geblieben und er war froh darüber, obwohl es manchmal wehtat zu wissen, dass die eigenen Gefühle nicht auf dieselbe Weise erwidert wurden. Trotzdem. Auch wenn Shannon ihn nicht liebte, würde er auf jeden Fall weiterhin alles dafür tun, dass sie Freunde blieben. Dieser Musiker hatte ihm das Leben gerettet und das war etwas, das David ihm nie vergessen würde.

»Okay, ich rufe ihn an.«

»Und du erzählst mir hinterher davon«, verlangte Shannon mit einem hörbaren Grinsen in der Stimme.

David lachte und nickte zugleich. »Und ich erzähle dir hinterher davon ... Befehl verstanden.«

»Spinner.«

»Selber.«

»Angeber.«

»Musiker.«

»Hey!«

Sie lachten und nach ein paar Minuten weiteren sinnlosen, aber zugleich lustigen Geplänkels, legte David schließlich auf und beschloss, sich einen Kaffee und noch mehr Essen zu besorgen, da sein Magen mit den Sandwichs nicht zufrieden war und es auch nicht danach aussah, als würde hier in naher Zeit ein Rennen starten. Er hatte gerade seine Jacke zugemacht, als sein Handy anfing zu klingeln.

Unbekannter Anrufer. David runzelte irritiert die Stirn und hob ab. »Ja?«

»Du hättest in meinem Bett bleiben sollen. Es ist trocken, warm, gemütlich und du wärst in angenehmer Gesellschaft.«

Adrian. Der Tag wurde trotz des miesen Wetters von Minute zu Minute besser. David lächelte. »Sag das meinem Boss. Im Moment warten wir auf eine Nachricht, wie und ob es heute noch weitergeht.« Ein kurzes Schweigen stellte sich ein, das er dazu nutzte, um Dominic einen finsteren Blick zuzuwerfen, da der gerade mit breitem Grinsen zu ihm hinüber sah. Manchmal waren Freunde wirklich lästig. »Was machst du gerade?«

»Überlegen, wo ich heute Abend mit dir hingehe.«

Okay, sein Tag wurde tatsächlich immer besser. »Fragen Sie mich gerade nach einem zweiten Date, Mister Quinlan? Wenn, dann lautet meine Antwort Ja.«

»Sehr gut. Ich hole Sie um fünf Uhr ab. Ach, Mister Treylani? Was halten Sie eigentlich vom Theater?«

 

 

4. Kapitel

 

 

 

 

Theater.

Krawattenzwang.

Anzugzwang.

Großer Gott, er würde einen Anzug tragen müssen.

David runzelte die Stirn. Er hatte überhaupt keinen Anzug. Wozu auch? Als einfacher Rennfahrer, der aus dem Koffer lebte, oder in seinem Fall aus mehreren Reisetaschen, brauchte er keinen Anzug.

Dominic besaß welche, aber er war ja auch der Boss ihres Teams und brauchte sie regelmäßig für diese Sponsorenpartys. Das half David allerdings nicht viel weiter, denn einen von Dominics Anzügen konnte er nicht tragen. Auch wenn sie beinahe gleichgroß waren, hatte Dominic obenrum ein paar mehr Muskeln als er. Seinen Freund und Boss zu fragen, fiel also aus.

David verdrehte die Augen und griff nach seinem Rasierer, als er mit einem Blick auf die Uhr feststellte, dass er nicht einmal mehr eine Stunde hatte, bis Adrian vor seiner Tür stehen würde. Und er stand immer noch mit einem Handtuch um die Hüften im Badezimmer. Na super. Sie würden vorher einkaufen gehen müssen, denn in Jeans und Pullover konnte er nicht ins Theater gehen. Oder? David hatte keine Ahnung, aber er zweifelte daran. Hoffentlich blieb für einen kleinen Abstecher in irgendein Geschäft noch genug Zeit.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739310398
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juli)
Schlagworte
Drama schwul Familie Liebe Romanze

Autor

  • Mathilda Grace (Autor:in)

Aufgewachsen in einem kleinen Dorf im tiefsten Osten von Deutschland, lebe ich heute in einer Großstadt in NRW und arbeite als Schriftstellerin. Seit 2002 schreibe ich Kurzgeschichten und Romane, bevorzugt in den Bereichen Schwule Geschichten, Drama, Thriller, Romanzen und Fantasy. Weitere Informationen zu meinen Büchern und aktuelle News zu Veröffentlichungen findet ihr auf meiner Autorenseite.
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Titel: Endstation Liebe