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Mondlichtmelodie

von Mathilda Grace (Autor:in)
200 Seiten

Zusammenfassung

Finnley Coleman ist das komplette Gegenteil von all den schnelllebigen Affären und namenlosen One-Night-Stands, mit denen sich der Musiker Chris Parks in den letzten Jahren die Zeit vertrieben hat. Das macht den Veranstaltungstechniker für Chris genauso begehrenswert wie kompliziert, denn Finnley kämpft mit einer Vergangenheit, die man nicht einmal seinem schlimmsten Feind wünschen würde.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

 

Kapitel 1

 

 

 

 

»Das ist nicht dein Ernst, oder?«

Chris blieb abrupt an der verdreckten Tür ihres heutigen Garderobenraums stehen, als Jonathans aufgebrachte Stimme von drinnen zu ihm schallte, was dafür sorgte, dass Brad mit einem »Hmpf« in ihn hineinlief.

Nicht noch mehr Chaos, war sein einziger Gedanke, denn davon hatten sie seit dem frühen Morgen bereits genug gehabt. Erst waren sie viel zu spät an der Halle eingetroffen, weil ihr Bus eine Panne gehabt hatte, weshalb auch das geplante Meet and Greet mit den Fans ausgefallen war, und vor einer Stunde hatte dann auch noch die Stromversorgung im Bus den Geist aufgegeben, was die ohnehin schon miese Laune seines kleinen Bruders endgültig in den Keller befördert hatte.

Und jetzt stand scheinbar bereits das nächste Drama in den Startlöchern. Irgendwie war heute der Wurm drin und manchmal war es einfach nur ein Gräuel, Musiker zu sein. Vor allem, während man auf Tournee war und es einem die Leute richtig übel nahmen, wenn sie Geld für ihre Tickets bezahlten und dann nicht die erwartete Leistung bekamen.

Fans konnten gnadenlos sein, besonders die jüngeren unter ihnen. Da half es auch nicht, dass ihre Rockband Moonlight vor einem Jahr einen Megahit gelandet hatte und seither durch das gesamte Land tourte, um bekannter zu werden und sich eine eigene Fanbase aufzubauen. Von kleinen Barkonzerten hin zu Konzertsälen mit mehreren tausend Besuchern, und das innerhalb weniger Monate – Chris fand ihren Erfolg großartig und erschreckend zugleich.

»Was ist los?«, wollte Brad wissen, der Gitarrist ihrer Band, und das hätte Chris jetzt auch langsam mal interessiert. Aber sein kleiner und beizeiten ziemlich cholerischer Bruder wäre nicht sein Bruder, hätte er ihnen nicht umgehend eine Antwort auf diese Frage gegeben.

Jonathan schnaubte. »Emma! Das verfluchte Konzert ist in drei Stunden. In drei verdammten Stunden! Wir haben weder aufgebaut noch Soundcheck gemacht, und jetzt sagst du mir auch noch, dass die Technik in dieser dämlichen Halle nicht funktioniert? Willst du mich verarschen?«

»Oha«, murmelte Brad und Chris nickte nur, denn besser hätte er es auch nicht ausdrücken können.

Gott sei Dank war Emma Mayer, die sich seit Tourbeginn als Managerin um sie kümmerte, mit einem recht dicken Fell gesegnet und kannte Jonathans Launen nach knapp einem Jahr auf Tournee gut genug, um so darauf zu reagieren, wie sie es immer tat. Mit einem lässigen Schulterzucken und der genau dazu passenden, trockenen Antwort, ehe sein Bruder sich noch weiter aufregen konnte.

»Ich habe das Gewitter letzte Nacht nicht bestellt, ebenso wenig wie den Blitz, der ins Hallendach eingeschlagen ist und die Technik lahmgelegt hat. Beschwer dich beim Wetter, nicht bei mir. Übrigens sind bereits gute Leute hier, die sich darum kümmern, sprich, die Haustechnik wird in diesem Augenblick repariert, und das wüsstest du auch längst, wenn du mir nicht ständig ins Wort fallen würdest.«

»Äh ...«, machte Jonathan, was Chris glucksen ließ. Das war wieder typisch sein Bruder.

»Höre ich da ein Tut mir leid, Emma

Jonathan lächelte betont unschuldig. »Tut mir leid, Emma.«

Die war sichtlich amüsiert. »Brav. Lasst uns nachsehen, wie weit die Techniker sind. Laut dem Chef des Hauses besteht die Truppe aus den besten Leuten, die man aktuell für Geld kaufen kann, und nachdem, was er mir sonst noch für Loblieder auf sie gesungen hat, müssen es Götter sein.«

Emma drängte sich mit einem Augenzwinkern an ihnen vorbei durch die Tür, während Brad und er laut lachten, bevor Jonathan sie mit einem erbosten Knurren in den Flur schob, um ihrer Managerin Schrägstrich Assistentin Schrägstrich Frau für alle Fälle, Unfälle und sonstige Fälle zu folgen. Emma hatte schon genügend aufsteigende Bands begleitet, um mit jedem Nervenzusammenbruch und jedem unerwarteten Chaos fertig zu werden, und darum war sie auch genau die Richtige, um es mit Jonathan aufzunehmen, der zwar ein guter Gitarrist und vor allem ein erstklassiger Leadsänger war, aber leider ein Temperament hatte, mit dem nicht viele umgehen konnten. Emma hatte damit kein Problem und Chris hoffte, dass das so blieb. Besonders jetzt, wo sie jeden Tag ein bisschen berühmter wurden und die CD-Verkäufe und Downloadzahlen ihrer Songs immer weiter in die Höhe schnellten.

Chris sah verdutzt zu Brad, als der ihn wenig später in die Seite stupste und ihm auf seinen fragenden Blick hin betont verschwörerisch zuflüsterte: »Bist du dir sicher, dass die zwei nicht heimlich geheiratet haben? Sie streiten sich schon wie ein altes Ehepaar.«

»Das habe ich gehört«, empörten sich Jonathan und Emma synchron, was Chris losprusten ließ, während Brad grinste und dabei Samanthas Hand ergriff, die sich ihnen gerade anschloss und heute kaum ein Wort gesagt hatte. Auch jetzt lächelte sie nur vor sich hin, während Brad sie an sich zog und küsste.

Brad war in den vergangenen Monaten, seit er als Gitarrist für die Liveauftritte bei ihnen angestellt worden war, zu einem sehr guten Freund geworden, und er war auch der einzige von ihnen, der schon seit einer Ewigkeit in einer Beziehung lebte. Und seine Ehefrau, die ihn auf Tour begleitete, war bereits seit ein paar Tagen verdächtig ruhig, fiel Chris plötzlich auf, aber im Moment war absolut nicht der richtige Zeitpunkt, um diesbezüglich nachzuhaken. Vielleicht freute sie sich ja nur auf das bevorstehende Ende der Tour. Er könnte es ihr nach all der Zeit in viel zu schmalen Kojen in einem engen Tourbus nicht verdenken, denn er selbst tat es auf jeden Fall.

Noch ein Monat, dann war Weihnachten.

Sprich: es war Feierabend.

Unzählige Staaten, Städte und noch mehr Konzerte lagen schon bald hinter ihnen, und was das betraf, freuten sie sich mittlerweile alle darauf, wieder nach Hause zu kommen.

Endlich wieder im eigenen Bett schlafen zu können.

Endlich eine Auszeit, ehe die Arbeit an ihrem Debütalbum losging, und die hatten sie sich redlich verdient.

»Er trägt quietschgrüne Socken.«

Chris sah fragend zu Brad, als dessen erstaunte Worte ihn aus seinen Gedanken rissen, folgte dann Brads Blick durch die leere Halle und blinzelte verdattert, nachdem er entdeckt hatte, was ihren Gitarristen verblüffte. Mit so einem Anblick hatte er definitiv nicht gerechnet. Nicht heute und auch nicht bei einem Technikteam. Chris fing an zu grinsen. Möglicherweise würde der restliche Tag doch nicht so schlecht werden, wie es bislang den Anschein gehabt hatte.

»Passt gut zu den grauweiß karierten Turnschuhen«, sagte Samantha im nächsten Moment und zuckte die Schultern, als sie daraufhin von allen Seiten verwundert angesehen wurde.

Sogar von Jonathan, und der hatte mit seinem eigenen, eher unkonventionellen Kleidungsstil, nun wirklich kein Recht, sich über den Modestil eines anderen zu ereifern, der offenbar der Boss der Truppe war, so wie er die übrigen Jungs in der Halle herum scheuchte, um ihr Konzert zu retten, beziehungsweise die Technik zu reparieren, damit sie überhaupt die Gelegenheit bekamen, ein Konzert zu geben.

Er selbst fand den Unbekannten jedenfalls umwerfend. Wer quietschgrüne Socken zu karierten Sneakers, weißen, über den Knien abgeschnittenen Jeans und einem grünen Tanktop trug, und noch dazu vom rechten Handgelenk, den Arm entlang, über die Schulter hinweg und die gesamte Seite runter bis zum Knöchel, mit einem aus der Ferne nicht näher zu erkennenden Muster tätowiert war, der konnte einfach nur umwerfend sein, dachte Chris belustigt und lehnte sich gegen das Absperrgitter, das heute Abend als Wellenbrecher fungieren würde.

»Tolle Socken«, rief er dem Kerl zu und der, eben dabei mit in den Nacken gelegtem Kopf einige Männer zu beobachten, die knapp unter der Hallendecke hingen und arbeiteten, drehte sich zu ihm um. Chris grinste selbstgefällig, weil der Mann für die anderen um ihn herum nicht mehr als einen schnellen Blick übrig hatte, ihn hingegen ziemlich ausführlich musterte, bis er mit amüsierten Blick an seinen Turnschuhen hängenblieb, die seine Fans neckend Regenbogenschuhe nannten. Gleich kam es, Chris wusste es einfach.

»Geile Schuhe. Verrätst du mir freiwillig, wo du sie gekauft hast, oder muss ich sie dir später aus der Garderobe klauen?«

Genau so eine Antwort hatte er sich erhofft. Chris lachte, was sein Gegenüber grinsen ließ, dann sprang er leichtfüßig von der Bühne und kam zu ihnen hinüber. »Hi, Chris Parks. Nett, dich und den Rest von Moonlight ...« Er nickte höflich in die Runde. »... persönlich kennenzulernen.«

»Hi, schöner Unbekannter. Gleichfalls.«

Der Mann gluckste leise und streckte die Hand aus. Chris ergriff sie. »Ich bin Finnley Coleman. Euer heutiger Retter in der Not.« Er deutete hinter sich. »Wollt ihr zum Rumpel... ähm, zum Boss? Der kreischt irgendwo im ersten Stock schon eine Weile Zeter und Mordio.«

Der große Boss war für ihn Rumpelstilzchen? Finnley war ihm soeben noch um einiges sympathischer geworden, denn Emma hatte den Verwalter der Halle heute früh ebenfalls als super nervig bezeichnet und das wollte bei Emma was heißen.

»Was wolltest du eben sagen?«, hakte Chris daher amüsiert nach und zwinkerte Finnley zu, als der sich wortlos mit dem Finger gegen die Stirn tippte. »Böser Junge.«

»Oh ja, wem sagst du das«, murmelte Finnley, grinste betont unschuldig und räusperte sich anschließend. »Wir sind in einer halben Stunde fertig. Reicht das für euch noch aus, was einen kurzen Soundcheck angeht?« Finnley zog seine Hand zurück und warf einen prüfenden Blick über die Schulter. »Anfangen könntet ihr zwar schon, aber dann wird es ganz schön voll auf der Bühne.«

Chris schaute zu Jonathan, der allerdings nur die Schultern zuckte, was für seinen Bruder ungewöhnlich war, aber der Tag war zeitlich gesehen ohnehin schon völlig im Eimer, da kam es auf eine halbe Stunde auch nicht mehr an.

Er sah zurück zu Finnley. »Wir gehen erst mal etwas essen. Dann könnt ihr in Ruhe den Kram hier fertigmachen.«

Finnley nickte. »Danke. Ach ja, falls ihr Interesse habt, fünf Minuten die Straße runter, danach rechts um die Ecke gibt’s ein kleines chinesisches Restaurant mit ...« Auf einmal schepperte es auf der Bühne und Finnley drehte sich hastig um. »Ach Shit! Tyler, was soll denn das?«

Finnley machte kehrt und rannte hinüber zur Bühne, bevor Chris reagieren konnte, und so blieb ihm nichts weiter übrig, als dem Mann, und ganz besonders seinem knackigen Hintern, fasziniert nachzusehen, bis der hinter der Bühne verschwand. Erst als er Finnley nicht mehr erkennen konnte, wandte er sich wieder Jonathan und den anderen zu, die ihn allesamt sichtlich belustigt beäugten.

Chris verkniff sich jedes Wort, weil die freche Bande ihn eh nur aufgezogen hätte, entschied sich aber gleichzeitig, später erneut nach Finnley Ausschau zu halten.

Diesen Mann musste er unbedingt näher kennenlernen.

 

 

 

Kapitel 2

 

 

 

 

Jonathan lachte schallend, als Chris nach dem gelungenen Konzert am späten Abend aus der Dusche wieder zurück in den Garderobenraum kam, und auch Brad saß albern kichernd auf der Couch und rubbelte sich gerade die Haare trocken. Er sah verdutzt zwischen beiden hin und her, bis Jonathan nach Luft ringend auf ihre Ansammlung von Koffern und Taschen zeigte. Chris folgte seinem Blick und schüttelte dann ratlos den Kopf, weil ihm nichts auffiel.

»Was denn?«

Jonathan ließ das Handtuch fallen und stieg in eine frische Shorts. »Er hat deine Schuhe geklaut.«

Es dauerte ein paar Sekunden, bis Chris verstand, was sein Bruder ihm soeben belustigt verkündet hatte, und als er sich vor seinen Koffer hockte und anstatt seiner bunten Turnschuhe nur einen gefalteten Zettel vorfand, wurde ihm abrupt klar, dass Jonathan und Brad ihn nicht verarschten. Das konnte doch nur ein sehr schlechter Scherz sein, denn wenn nicht, würde er sich diesen frechen Techniker greifen und ihn … Chris verbot sich, diesen Gedanken zu beenden, griff stattdessen nach dem Zettel und faltete ihn auseinander.

 

Hi, Chris Parks,

hoffentlich erwürgst du mich nicht falls wir uns wiedersehen, aber ich konnte einfach nicht anders. Den ganzen Nachmittag habe ich versucht, dich noch mal zu erwischen, leider ohne Erfolg.

Aber da ich dich unbedingt besser kennenlernen will, dachte ich mir, dass ich auch härtere Geschütze auffahren darf.

Also, sofern du Zeit und vor allem Lust hast, komm vorbei und hol dir deine Schuhe zurück. Und falls du weder Lust noch Zeit hast, schick mir einfach eine Nachricht mit einer Adresse, wohin ich sie dir nachschicken soll.

Ja, ich weiß, ich bin bekloppt.

Du bist nicht der Erste, der das denkt oder ausspricht, aber das ist mir scheißegal.

Was sagst du? Interessiert?

Du bist am Zug.

Bye

Finnley

 

Nein, definitiv kein Scherz.

Chris wusste nicht, ob er loslachen oder Finnley verfluchen sollte. Sein Blick fiel auf die Adresse, die unter der Nachricht geschrieben stand. Finnley Coleman war aus Pasadena, einem Vorort von Los Angeles, nur eine knappe halbe Stunde von den Hügeln der Hollywood Hills entfernt. Quasi ein Katzensprung von Jonathans und seinem Haus. Chris fing an zu grinsen.

»Auweia, er denkt nach«, fing Brad an zu sticheln und sah zu Jonathan, der sie amüsiert beobachtete. »Ob das gutgeht?«

»Brad? Ich weiß zwar nicht, was bei deiner Ehefrau und dir heute Nacht noch so alles geht, aber ich weiß, dass mein lieber Bruder einem gewissen Techniker und frechen Schuhdieb sehr bald einen Besuch abstatten wird.«

»Ich setze fünfzig Mücken, dass Finnley ihn niederschlägt und direkt an sein Bett fesselt, so wie er ihn heute Nachmittag angesehen hat«, konterte Brad belustigt und Jonathan schlug sofort ein.

»Hundert, dass die beiden in den ersten vierundzwanzig Stunden nicht aus Finnleys Wohnung rauskommen. Oder auch aus seinem Haus, je nachdem, was es ist.«

»Ich frage mich, wie ihr das überprüfen wollt«, warf Chris mit einem dreckigen Grinsen in den Raum. »Ihr glaubt doch wohl nicht, dass ich euch mitnehme und zusehen lasse.«

Jonathan winkte gelassen ab. »Ich weiß, wie du aussiehst, wenn du Sex hattest. Schließlich hast du deine Eroberungen in den letzten Jahren oft genug in die Garderobe geschleppt. Ein Blick in dein Gesicht genügt mir daher vollkommen.« Er sah feixend zu Brad. »Gilt unsere Wette?«

»Sie gilt.«

Die zwei schlugen ein und Chris faltete kopfschüttelnd den Zettel wieder zusammen, um ihn danach in seine Geldbörse zu schieben. Heute und morgen würde er zwar nicht zu Finnley fahren und seine Schuhe zurückfordern können, aber nächste Woche waren sie für ganze vier Tage in Las Vegas, da ließ sich bestimmt etwas arrangieren. »Wenn unsere Fans euch so sehen könnten. Ihr seid schlimmer als eine Horde Kleinkinder.«

»Sagt der Mann, der rosa Socken trägt«, konterte Jonathan und stieg in seine Jeans. »Kommt ihr mit raus? Autogramme verteilen, wo schon das Meet and Greet ausgefallen ist?«

»Wenn du nicht vorhast draußen zu übernachten, bin ich dabei.« Chris nahm sich frische Kleidung aus dem Koffer. »Die Socken sind übrigens genauso wenig rosa, wie deine dämliche Haarfarbe letztes Frühjahr in Baltimore.«

»Pfft«, grollte Jonathan gespielt beleidigt. »Was hast du nur immer gegen rosa? Ich sah jedenfalls weitaus besser mit rosa Haaren aus, als du mit deinen blondierten Strähnchen vor ein paar Jahren.«

»Och nö, jetzt geht das wieder los«, stöhnte Brad und fing an zu lachen, als er im nächsten Moment zwei Handtücher ins Gesicht geworfen bekam.

 

Chris sah sich um, nachdem er geparkt hatte.

Es war ein großer und schöner Apartmentkomplex, in dem Finnley wohnte. Gepflegt, mit hellen Farben und viel Grün um die Anlage herum. Irgendwie passte das auf den ersten Blick gar nicht zu ihm, fand er, aber um sich darüber ein wirkliches Urteil bilden zu können, musste er den Mann ja erst einmal kennenlernen, und genau deswegen war er heute hier. Chris stieg aus, schloss den Mietwagen ab, den er sich am Flughafen genommen hatte, und schaute sicherheitshalber noch einmal auf Finnleys Nachricht. Die Straße stimmte. Die Hausnummer ebenfalls. Ja, hier war er eindeutig richtig. Er schulterte seinen Rucksack, überquerte mit schnellen Schritten die Straße und musste, als er vor der Haustür angekommen war, erst mal die einzelnen Klingelschilder absuchen, denn Finnley war nicht so leicht zu finden.

Willows, Harper & Coleman

Entweder hatte Finnley eine Dreiecksbeziehung am Laufen und ihn verarscht, oder er wohnte in einer Wohngemeinschaft. Chris vermutete Letzteres, denn so eine Nachricht schrieb man im Allgemeinen nicht, wenn man jemanden verarschen wollte. Verrückte und Spinner gab es zwar genug auf der Welt, aber irgendwie traute er Finnley so ein Verhalten nicht zu und Chris täuschte sich nur sehr selten, was seine erste Einschätzung von Menschen betraf. Er drückte auf die Klingel und musste auch nicht lange auf Antwort warten.

»Ja?«

»Ist Finnley da?«

»Wer will das wissen?«, fragte eine männliche Stimme, die er zwar nicht kannte, die ihn aber trotzdem umgehend zum Grinsen brachten, denn wer immer das war, er klang genauso wie Jonathan, wenn der neugierig war.

»Der Mann, dem er vor einer Woche vollkommen schamlos die Lieblingsschuhe geklaut hat«, antwortete Chris und wurde sofort mit schallendem Gelächter belohnt, bevor der Türöffner ertönte und der Mann ihm belustigt erklärte: »Hi, Chris Parks. Komm rauf. Das letzte Apartment ganz oben.«

Ein blonder Typ der Marke Unschuldsengel stand in der offenen Tür und grinste ihn breit an, als Chris wenig später aus dem Fahrstuhl stieg. »Du bist echt schnell, das muss man dir lassen.« Chris erwiderte das Grinsen und ergriff die Hand, die ihm bereits entgegengestreckt wurde. »Ich bin Trent Harper, Mitbewohner Nummer eins. Komm rein. Finnley belegt noch das Badezimmer. Du kannst ihm natürlich Gesellschaft leisten, wenn du willst.«

»Trent! Hör auf, mich verkuppeln zu wollen, das schaffe ich gut alleine«, schallte im nächsten Augenblick Finnleys empörte Stimme zu ihnen in den Flur, was Chris zum Lachen brachte. Trent zwinkerte ihm zu und meinte dann unschuldig: »Ich will ihm doch nur schnell deine Vorzüge aufzählen, bevor er merkt, dass du nicht ganz dicht bist und wieder flüchtet.«

»Welche Vorzüge bitteschön?«, fragte Finnley verwundert, was nun Trent zum Lachen brachte, während er gleichzeitig die Wohnungstür hinter Chris schloss. »Willst du Kaffee? Ich hab gerade frischen fertig.«

»Gern.«

Chris folgte Finnleys Mitbewohner in eine große und recht gemütlich aussehende Küche, wo er sich auf den freien Stuhl vor einer Sitzecke sinken ließ, die mit Kabeln, Werkzeug, Ärztezeitschriften und anderem Kram völlig zugepackt war, was ihn schmunzeln ließ und Trent erneut zum Lachen brachte, als er es merkte, bevor er zwei saubere Tassen aus dem Schrank kramte und ihnen den versprochenen Kaffee eingoss.

»Guck dich lieber nicht genauer um. Ich bin erst vor einer Stunde nach Hause gekommen, genau wie Finnley. Wir waren die letzten Wochen mehr unterwegs als Zuhause. Hier sieht es nicht immer so aus.«

Chris winkte ab und nahm gleichzeitig die Tasse entgegen, die Trent ihm hinhielt. »Danke, und ich bin schmerzfrei. Wer sich mit dem eigenen Bruder ein kleines Haus teilt, ist Kummer gewohnt.«

»Ist Jonathan wirklich so schlimm?«, fragte Trent amüsiert und neugierig zugleich, und lief im nächsten Moment rot an. »Sorry, es gibt natürlich jede Menge Gerüchte über die neuen Superstars am Rockhimmel. Aber das geht mich ja im Grunde gar nichts an. Vergiss die Frage.«

Chris schmunzelte. »Kein Thema. Mit den albernen Fragen der Klatschreporter hatten wir schon zuhauf das Vergnügen, und Jonathan macht sich einen Spaß daraus, ihnen Blödsinn zu erzählen. Eigentlich sind wir zu Hause sogar recht ordentlich.«

»Ah ...«, machte Trent, nahm den zweiten Stuhl in Beschlag und zog ein Bein an. »Das berühmt berüchtigte Wort eigentlich. Verstehe.«

»Hallo.«

Chris warf einen Blick über die rechte Schulter und musste sich arg beherrschen, damit ihm nicht der Mund offenstehen blieb, denn Finnley hatte es scheinbar nicht für nötig befunden, sich etwas überzuziehen. Stattdessen stand er mit noch nassen Haaren und einem Handtuch um die schmalen Hüften, das mehr preisgab, als es verbarg, in der Tür und grinste ihn an.

»Selber hallo, du Dieb.«

Finnley lachte und kam in die Küche, um einen Blick in den Kühlschrank zu werfen. »Wer ist heute mit einkaufen dran? Ich sterbe vor Hunger.«

Chris riss sich vom Anblick seiner äußerst muskulösen und knackigen Kehrseite los und räusperte sich vernehmlich. »Als anständiger Gast habe ich natürlich auch an ein Gastgeschenk gedacht.«

»Was zu essen?«, fragten Finnley und Trent wie aus einem Mund und äußerst begehrlich, was Chris wieder einmal lachen ließ, während er den Reißverschluss seines Rucksacks aufzog und eine Schachtel Donuts zutage förderte, die ihm prompt ein zweifaches, zufriedenes Seufzen einbrachte.

»Finn, wenn du diesen heißen Mann nicht haben willst, ich nehme ihn«, erklärte Trent und bekam dafür von Finnley umgehend einen tadelnden Schlag auf den Hinterkopf, bevor sich beide auf die Donuts stürzten und Chris sie dabei kopfschüttelnd und gleichzeitig breit grinsend beobachtete.

Es dauerte keine zehn Minuten und die Schachtel war fast leer. Unglaublich. Fütterte diese Männer denn niemand? Falls nicht, war er, zumindest in Bezug auf Finnley, der seinem Freund und Mitbewohner gerade auf die Hand schlug, gerne bereit, den Job zu übernehmen.

»Finger weg, der letzte gehört dem Gast.«

»Ich lade ihn dafür nachher zum Essen ein, das gleicht es wieder aus«, konterte Trent umgehend und starrte begehrlich auf den letzten Donut. »Was sagst du dazu, Chris?«

Chris sagte erst mal gar nichts, weil ihm vor lauter Grinsen schon das Gesicht wehtat. Sie saßen noch keine halbe Stunde hier und dennoch – so viel Spaß in so kurzer Zeit hatte er ewig nicht mehr gehabt.

»Sagt mal, geht es bei euch immer so zu?«

Finnley winkte ab und griff nach dem letzten Donut, wofür er von Trent prompt eins auf die Finger bekam. »Aua. Idiot.«

Trent schnaubte. »Wenn ich ihn nicht kriege, kriegst du ihn auch nicht.«

»Ihr könntet teilen«, schlug Chris vor und prustete los, als die beiden ihn daraufhin entrüstet ansahen. »Okay, ich merke schon, wenn es um Essen geht, seid ihr keine Freunde.«

»Du hast es erfasst.« Finnley quetschte sich an Trent vorbei auf die voll gekramte Sitzbank, wobei sein Handtuch ein Stück nach oben rutschte. Chris schaute hastig woanders hin. »Aber heute sind wir noch lieb.« Trent verdrehte seufzend die Augen zur Decke, was Finnley schnauben ließ. »Jetzt verdirb mir doch nicht die Vorstellung, du Banause. Sonst flüchtet er noch, bevor ich ihm die Überraschung zeigen konnte.«

»Welche meinst du? Die, die du unter diesem sehr kleinen Handtuch versteckst und ihm gerade fast ins Gesicht gedrückt hast? Oder reden wir von deinem Bett?«

Finnley stöhnte. »Trent, du bist echt versaut.«

»Wieso? Ich weiß schließlich schon, wie du nackt aussiehst und Chris will mit Sicherheit nicht die berühmte Katze im Sack kaufen. Oh, schmutziges Wortspiel.«

»Trent!«

Trent lachte und zwinkerte ihm zu, während Chris sich auf die Lippen beißen musste, um nicht schon wieder zu lachen. »Finns Bett ist übrigens großartig, das solltest du dir ansehen. Erstklassig, sage ich dir.«

Hätte Chris es nicht besser gewusst, hätte er Trent das glatt als direkte Einladung in Finnleys Bett auslegen können, aber so begeistert wie der Mann dreinschaute, ging es Trent tatsächlich nur um das Bett und nicht um jene Dinge, die man in so einem Möbelstück bei Gelegenheit treiben konnte. Allerdings würde Finnley bald in seinem Bett landen, wenn er nicht in nächster Zeit das Handtuch gegen etwas Züchtigeres austauschte, denn sein Anblick war ziemlich ablenkend, besonders jetzt, wo seine Haare trockneten und Chris immer mehr in Versuchung geriet, mit den Fingern durch die dunklen, schulterlangen Locken zu fahren und seine Lippen dabei auf diese wirklich verlockenden Knubbel zu legen und an ihnen zu saugen, während er mit der freien Hand durch das krause Haar strich, das Finnleys Brust bedeckte.

»Finde ich auch, sonst hätte ich es mir kaum gekauft, aber ich meinte eigentlich die bunte Überraschung«, lenkte Finnleys Stimme ihn von dessen nackter Brust ab und Chris war ihm insgeheim dankbar dafür.

»Ah, diese Überraschung.« Trent lachte leise und zwinkerte ihm zu. »Die wird dir gefallen. Aber jetzt muss ich leider schon wieder los, der Job ruft.« Er sah zu Finnley. »Baxter kommt so gegen Mitternacht, er musste die Schicht tauschen.«

Finnley nickte nur und kurz darauf war Chris mit seinem verrückten Schuhdieb allein, der so verzückt den letzten Donut ansah, dass Chris einfach nicht anders konnte, als ihn Finnley zuzuschieben, woraufhin der total übertrieben seufzte und sich nach einem Luftkuss in seine Richtung gierig über das Gebäck hermachte.

»Baxter?«, fragte Chris, als Finnley sich die Finger ableckte und er sich mit irgendetwas ablenken musste, weil er sonst mit Sicherheit auf dumme Ideen gekommen wäre.

»Mitbewohner Nummer zwei«, gab Finnley Auskunft und lächelte ihn an. »Baxter Willows. Er ist Arzt mit Leib und Seele und arbeitet in der Notaufnahme. Trent ist Rausschmeißer in einem Club und was ich mache, weißt du ja schon. Also, Mister Chris Parks, wollen Sie Ihre Überraschung jetzt an sich reißen oder nicht?«

Oh ja, und ob er wollte, aber Chris war sehr wohl klar, dass Finnley von etwas anderem sprach, als das, was er selbst sich gerade in seiner schmutzigen Fantasie vorstellte, und bevor er wirklich noch eine Dummheit beging, entschied sich Chris, ein anständiger Gast zu sein und erhob sich.

»Ich liebe Überraschungen, also her damit!«

Finnley begann zu lachen.

 

»Wow«, murmelte er wenig später und drehte sich dabei langsam um die eigene Achse, während Finnley die Zimmertür hinter ihnen schloss und ihm amüsiert zusah. »Als stünde man in einem Dschungel. Hier liebt jemand Pflanzen.«

Finnley grinste schief, als wäre es ihm peinlich, dass überall in seinem Zimmer Pflanzen standen, und zuckte dann mit den Schultern, bevor er den Raum durchquerte und sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken ließ. Chris trat ans Fenster, warf einen Blick hinaus und ließ seine Augen anschließend erneut über die Pflanzen schweifen, die im ganzen Raum verteilt standen. Mehrere große Palmen dienten dabei als eine Art Raumteiler zwischen Finnleys Schreibtisch und seinem Bett.

Und das war definitiv mehr als einen Blick wert, da musste er Trent Recht geben, denn das hohe, schwarze Metallgestell passte ziemlich gut zu der hellgrauen Wand am Kopfende und einer weiß gestrichenen an der Seite.

»Hast du einen Zweitjob als Designer?«, fragte Chris und sah zu Finnley, als der leise lachte. »Was?«

»Ich mag Farben und ich mag Pflanzen.«

»Und?«, konterte Chris, weil ihm der leichte Unterton nicht entgangen war.

»Und das macht mich nicht zur Frau.«

Wow, dachte Chris überrascht. Finnley hatte offensichtlich ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht, was das anging, aber er hatte nicht vor, eine weitere hinzuzufügen. Stattdessen warf er einen sehr langen Blick auf Finnleys Körper, bevor er ihm in die Augen sah und den Kopf etwas schräg legte.

»Nein, das bist du eindeutig nicht, und um mal eines gleich klarzustellen, ich stehe auf Männer. Auf richtige Kerle. Und ob die Blumen züchten oder heimlich gerne Stöckelschuhe tragen, ist mir völlig egal, solange sie mir nicht meine Lieblingsschuhe klauen.«

Finnleys Augen weiteten sich und im nächsten Augenblick gluckste er heiter und deutete zum Kleiderschrank. »Mach ihn auf. Die linke Seite. Ganz unten.«

Chris tat es, blinzelte verdutzt und lachte schallend los, als er seine Turnschuhe fand und danach das Sechserpack Socken in seiner Größe und den grellsten Farben entdeckte, die man sich nur vorstellen konnte, das direkt daneben lag. Trent hatte wieder Recht behalten, denn Finnley war definitiv nicht ganz dicht, aber genau das gefiel ihm an diesem Mann.

»Womit habe ich die denn verdient?«

»Ich dachte, wenn ich dir schon deine Schuhe klaue, muss ich dich wenigstens dafür entschädigen.«

»Entschädigung angenommen.« Chris grinste Finnley über die Schulter hinweg zu. »Die sind erstklassig. Ich werde blind, wenn ich die anziehe, aber ich werde sie trotzdem tragen.«

Finnley grinste sichtlich zufrieden und streckte genüsslich die Beine aus. »Was hältst du eigentlich von Essen gehen?«

»Hast du immer noch Hunger?«, fragte er und schüttelte amüsiert mit dem Kopf, als Finnley das mit einem beleidigten »Pfft.« kommentierte. »Wenn du dir etwas überziehst, können wir essen gehen. So nehme ich dich nicht mit auf die Straße.«

»Warum nicht?« Finnley sah an sich hinunter. »Sehe ich dir etwa nicht gut genug aus?«

Ob er nicht gut genug aussah? Chris ließ die Socken fallen und stand auf, um zu Finnley hinüberzugehen und sich mit den Händen auf den Stuhllehnen abzustützen. »Wenn ich nicht so nett wäre und wüsste, dass man zuerst Dates hat, ehe man intimer wird, würde ich dir hier und jetzt zeigen, wie gut du in meinen Augen aussiehst. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie sehr ich mittlerweile herausfinden will, was du unter diesem Handtuch vor mir versteckst?« Finnley schaute ihn von unten herauf an und leckte sich über die Lippen. Chris begriff. Und wie er begriff. »Du Mistkerl.«

Finnley begann zu lachen und zog ihn am Nacken zu sich herunter, um ihn zu küssen, bevor Chris die Gelegenheit hatte, sich zu überlegen, wie er dem Kerl diese Frechheit heimzahlen konnte, eine gefühlte Ewigkeit mit einem Handtuch bekleidet vor ihm herumzuscharwenzeln und ihn damit zu quälen. Doch als sich Finnleys kräftige Finger wenig später schamlos Zugang zu dem vor Erregung schmerzhaft harten Inhalt seiner Jeans verschafften, um den Wahrheitsgehalt seiner vorherigen Worte zu prüfen, vergaß Chris seine Rachegedanken genauso schnell, wie sie zuvor aufgekommen waren.

 

»Wow«, murmelte es neben ihm schläfrig und Chris öffnete probehalber ein Auge. Im Zimmer war es dunkel, also musste es mittlerweile abends oder tiefste Nacht sein.

Er schmunzelte. »Wow, das war gut, oder wow, ist der Kerl scheiße?«

Finnley lachte leise. »Weder noch … Das war ein, Wow, so schnell bin ich normalerweise nicht

»Ich auch nicht.« Chris runzelte die Stirn, als Finnley nur schnaubte. »Jedenfalls nicht mehr. Ich schätze, mein schlechter Ruf, mir in jeder Stadt ein Groupie zu angeln und dreckigen, schwulen Sex zu haben, hat vor dir nicht Halt gemacht.«

»Hätte er das tun sollen?«, hielt Finnley dagegen und Chris schürzte die Lippen, unsicher, wie er reagieren sollte. »Keine Erklärungen«, bat Finnley gleich darauf überraschenderweise und legte ihm einen Finger auf die Lippen, bevor Chris etwas dazu sagen konnte. »Ich hatte ein Leben vor dir. Du hattest ein Leben vor mir. Und du wirst auch nach mir eines haben.«

»Das klingt falsch«, sprach Chris das Erste aus, was ihm in den Sinn kam, und runzelte im nächsten Moment die Stirn, weil er nicht wusste, wo der Gedanke hergekommen war.

»Falsch?«, fragte Finnley verständnislos und Chris nickte in die Dunkelheit des Zimmers.

»Das klingt, als hättest du vor, mich jetzt aus deinem Bett und deinem Zimmer zu werfen und mich zu bitten, nicht mehr wiederzukommen.«

»So schlecht war der Sex nun auch wieder nicht«, konterte Finnley daraufhin trocken und Chris prustete los.

»Du bist wirklich ein Mistkerl.«

»Ich weiß.«

Finnley drehte sich auf die Seite, um besitzergreifend eine Hand auf seine Brust und ein Bein über seine Oberschenkel zu legen. Beides gefiel Chris. Sehr sogar, aber er hütete sich, das in Worte zu fassen, weil er instinktiv spürte, dass Finnley davor zurückgeschreckt wäre.

»Ich will dich kennenlernen, Chris Parks, wie ich es in der Nachricht geschrieben habe. Nichts gegen den Sex, der war im Übrigen umwerfend, aber es gibt mehr als das. Oder hast du andere Pläne?«

Nein, hatte er nicht. Im Gegenteil. »Heißt das, du gehst mit mir essen, wenn ich dich nach einem Date frage, oder muss ich dich vorher wieder mit Donuts bestechen?«

Finnley kicherte albern an seiner Brust. »Donuts nehme ich immer. Und solange es nicht gerade Sushi ist, gehe ich gern mit dir essen. Ich mag keinen Fisch. Gib mir ein Steak und ich bin glücklich und zufrieden.«

Also kein Vegetarier. Gott sei Dank. Chris grinste belustigt in sich hinein. »Was ist mit italienisch?«

»Kann man essen«, meinte Finnley lässig und Chris fühlte ihn an seiner Haut grinsen. Aha, die erste Wahl war italienisch definitiv nicht. Na mal sehen.

»Griechisch?«, fragte er weiter.

»Habe ich probiert, war okay.«

Auch nicht die erste Wahl. Im nächsten Moment fiel Chris wieder ein, wie Finnley ihnen letzte Woche in der Konzerthalle das chinesische Restaurant empfohlen hatte. »Asiatisch?«

»Könnte ich mich reinlegen.«

Chris lachte. »Gut, dann weiß ich, wo ich mit dir hingehe.«

Ein Schlüssel wurde unüberhörbar im Schloss gedreht und kurz darauf ging im Flur das Licht an, das konnte Chris durch den Türspalt sehen. Ehe er nachfragen konnte, gab Finnley ihm bereits die Antwort.

»Das wird Baxter sein.«

Finnley setzte sich auf, um nach der Bettdecke zu suchen, die sie vorhin im Eifer des Gefechts auf den Boden befördert hatten, und selbige danach über sie beide auszubreiten.

»Müde?«, fragte Chris und legte einen Arm um Finnley, als der sich wieder zu ihm legte. Dessen gemurmelte Zustimmung ging beinahe in einem Gähnen unter.

Es klopfte an der Tür. »Finn? Bist du noch wach?«

»Ja, bin ich. Die Sachen im Flur gehören Chris.«

»Alles klar.«

Baxter klang genauso müde wie der sexy Kerl neben ihm. Chris streichelte Finnley übers Haar, was mit einem weiteren Murmeln belohnt wurde. Sein frecher Schuhdieb war kurz davor einzuschlafen.

»Wenn ihr nachher Hunger bekommt, ich habe asiatisch mitgebracht.«

»Du bist ein Gott und ich werde dich morgen heiraten.«

Finnley gähnte hörbar in die Dunkelheit und drängte sich dabei dichter an ihn, während Chris über Baxters heiteres Lachen, das aus dem Flur zu ihnen drang, grinsen musste. Offensichtlich machte Finnley seinem Mitbewohner nicht zum ersten Mal einen Heiratsantrag. Sehr interessant. Das würde er sich auf jeden Fall merken.

»Gute Nacht, ihr zwei.«

»Gute Nacht, Baxter«, sagte er zusammen mit Finnley, was Baxter wieder lachen ließ, bevor sich seine Schritte entfernten und das Licht ausging.

Es kehrte Ruhe ein.

»Chris? Ich habe noch gar nicht gefragt, wie lange du in der Stadt bleibst?«, wollte Finnley ein paar Minuten später wissen, als Chris schon beinahe eingeschlafen war. »Ihr habt doch bis Weihnachten noch Konzerte, oder?«

»Ja. Mein Flug geht übermorgen Mittag.«

»Dann bleibst du so lange hier.«

»Ich kann mir ein Hotel nehmen, wenn dir das lieber ist«, bot er an und wurde dafür in die Brust gebissen. »Autsch. Ich fasse das jetzt mal als Ablehnung auf.« Ein weiterer Biss war Finnleys Antwort und Chris griff ihm fest ins Haar. »Mach das noch einmal und du kannst morgen nicht vernünftig auf einem Stuhl sitzen.«

Der dritte Biss folgte keine fünf Sekunden später.

 

 

 

Kapitel 3

 

 

 

 

Chris wurde wach, weil sich die Matratze bewegte, und er brauchte einen Augenblick, bis ihm einfiel, dass er weder in einem Hotelzimmer noch in seiner engen Buskoje lag, sondern bei seinem verrückten Schuhdieb war, der sich offenbar gerade aus dem Bett schmuggelte. Chris' Blick schweifte zum Fenster. Es war noch nicht mal richtig hell draußen. Wo wollte Finnley denn um diese Uhrzeit und vor allem nach der langen Nacht schon wieder hin?

»Muss ich mir Sorgen machen, weil du dich mitten in der Nacht aus dem Bett schleichst?«, fragte er, als Finnley seinen Kleiderschrank öffnete.

Der fuhr ertappt herum, sah sein Grinsen und lachte leise. »Habe ich dich geweckt? Entschuldige. Schlaf ruhig weiter. Ich bin bald wieder da.«

Chris drehte sich auf die Seite und sah genüsslich dabei zu, wie Finnley sich Kleidung aus dem Schrank nahm und danach seine grandiose Tätowierung und vor allem seinen nackten Wahnsinnskörper seinen Blicken entzog, indem er sich anzog. Und Finnleys Sachen sahen ihm verdächtig nach sportlicher Betätigung aus.

»Sag jetzt nicht, du gehst joggen?«

»Gut, dann sage ich es dir nicht.«

Chris gluckste vor sich hin. »Verrückter Kerl. Mein Bruder wird hin und weg sein, er geht auch joggen.«

»Kann ich gut verstehen, es ist so entspannend.«

Entspannend? Also da bevorzugte er andere körperliche Aktivitäten als joggen. »Pfft«, machte Chris und schmunzelte in sich hinein, als Finnley erneut lachte und zu ihm ans Bett kam, um ihn kurz anzusehen und sich dann langsam über ihn zu beugen. Chris legte eine Hand fest in Finnleys Nacken und erwiderte dessen sanften Kuss, bis Finnley sich von ihm löste, was er mit einem Murren kommentierte.

»Schlaf weiter. Ich bringe Frühstück mit.«

»Okay.«

Wenig später klappte die Wohnungstür und Chris drehte sich auf die andere Seite, um sein Gesicht mit einem Seufzen im Kopfkissen zu vergraben und den dort zurückgebliebenen Geruch einzuatmen. Finnley Coleman war so völlig anders, als all die übrigen Männer, die er in den letzten Monaten und auch Jahren abgeschleppt hatte, und noch vor kurzer Zeit hätte er nach ihrem ersten Treffen keinen weiteren Blick auf Finnley verschwendet, weil ihm klar war, dass der an einem schlichten One-Night-Stand kein Interesse hatte und mehr hatte Chris in seinem Leben bisher meistens nicht gewollt.

Was war bloß an diesem verführerischen Kerl, dass er ihn nach dem Sex, anstatt ihn loszuwerden, nur noch mehr wollte, und das nicht nur auf der reinen Bettebene?

Chris drehte sich wieder auf den Rücken und starrte die Decke an. Er wollte mit Finnley ausgehen, ihn mit zu Jonathan und Brad nehmen, und ihm Samantha und Emma vorstellen. Er hätte Finnley am liebsten in seinen Koffer gepackt und mit auf die restliche Tour genommen, was totaler Blödsinn war, sie hatten beide Jobs zu erledigen und Finnley konnte schlecht bis Weihnachten freimachen, nur um ihn zu begleiten. Sofern er das überhaupt wollen würde. Aber die Vorstellung gefiel Chris dennoch, sogar sehr, und er hatte einfach keine Erklärung für sein Verhalten.

Da war ein Mann, der sich mit zwei guten Freunden eine WG teilte, Donuts und Pflanzen liebte, verdammt gut aussah mit seinem von harter Arbeit modellierten Körper, und noch dazu eine großflächige Tätowierung besaß, die sich Chris bei nächster Gelegenheit unbedingt genauer ansehen wollte. Von Finnleys tiefbraunen Augen einmal abgesehen, die ihn ständig an Bitterschokolade erinnerten.

Ein merkwürdiger Vergleich, fand er, und wie kam er jetzt auf Finnleys Augenfarbe? Die Sache wurde immer verrückter.

War er etwa in Finnley verknallt? Nach nur einer Nacht? Na gut, viele Vergleichsmöglichkeiten in der Richtung hatte er nicht, da seine Art von Beziehung im Allgemeinen nach eben jener einen Nacht bereits wieder vorbei gewesen war. Wann hatte er das letzte Mal eine dauerhafte Beziehung geführt, oder überhaupt darüber nachgedacht, es zu tun? Seit Jonathan und er Moonlight gegründet hatten jedenfalls nicht mehr. Mit einem so unsteten Leben eine Beziehung am Leben zu halten, war fast unmöglich. Sah man mal von den wenigen Ausnahmen ab, wie Brad und Samantha zum Beispiel.

Aber Finnley war nicht Samantha und irgendwie machte es Chris nervös, dass er nicht wusste, wo er dieses für ihn so neue Gefühl einordnen sollte. Mit gerunzelter Stirn begann er zu überlegen. Er konnte nicht in Finnley verknallt sein, dafür war es nach der kurzen Zeit viel zu früh. Doch wo kam dann dieser Wunsch her, ihn in seinen Koffer zu packen und mit auf Tour zu nehmen? Chris stieg aus dem Bett und kramte in seiner Jeans nach seinem Handy. Es gab nur einen, den er um diese Uhrzeit anrufen und mit solchen Dingen aus dem Schlaf reißen durfte, ohne dass der ihn dafür umbrachte. Es sei denn, er war gerade mit Samantha beschäftigt.

»Weißt du, wie spät es ist? Ich hoffe sehr, es ist ein Notfall«, maulte Brad ihn sofort an, als er irgendwo in Las Vegas ans Telefon ging.

Chris musste unwillkürlich grinsen. Das war Mister Brad Masterson in Hochform. Gitarrist, Freund und vor allem ein verdammt guter Ratgeber, wann immer jemand einen Rat oder einfach nur jemanden zum Zuhören brauchte.

»Ich glaube, ich habe mich in Finnley verknallt.«

Kurzes Schweigen. Dann … »Okay, das ist eindeutig ein Notfall.  Moment ...«

Chris hörte Rascheln und leise Stimmen, dann klappte eine Tür und es wurde wieder ruhig. Brad war wahrscheinlich ins Wohnzimmer gegangen. Sie teilten sich in Vegas eine Suite im Hotel, das war auf Dauer günstiger, als immer mehrere Einzel- oder Doppelzimmer zu buchen.

»Ich bin ganz Ohr«, erklärte Brad ihm schließlich und Chris legte sich wieder ins Bett, bevor er zu erzählen begann.

Über das Chaos in seinem Kopf, die Überlegungen Finnley mit auf Tour zu nehmen und seine Ratlosigkeit darüber, wieso er all das mit einem Mann wollte, den er kaum kannte. Als er zu Ende gesprochen hatte, kommentierte Brad das mit einem schlichten »Hm.« und schwieg anschließend eine Weile. Chris kannte das bereits von ihm und wartete daher einfach ab, bis Brad sich irgendwann räusperte.

»Ich bin zwar kein Experte für Liebesangelegenheiten, aber du hörst dich eindeutig verliebt an, Parks. Du bist sogar so was von verliebt, dass ich es gar nicht glauben kann. Das hatten wir nie und nimmer erwartet.«

»Wir?«, fragte Chris verdutzt nach und Brad kicherte.

»Samantha und ich.«

Chris schnaubte. »Hey, habt ihr zwei nichts anderes zu tun, als euch über mein Liebesleben zu unterhalten?« Brad lachte nur, was ihn aufseufzen ließ. »Du bist unmöglich.«

»Weiß ich«, stichelte Brad hörbar belustigt. »Samantha wird begeistert sein, wenn ich ihr davon erzähle. Und was nun? Wie denkt denn dein Schuhdieb darüber?«

Eine gute Frage.

Die er Finnley wohl bald stellen sollte, aber eigentlich hatte der ihm die Antwort doch schon längst gegeben. Er wollte ihn näher kennenlernen und da Chris das gleiche wollte, waren sie sich, was das betraf, ja einig, oder?

»Er ist gerade joggen«, wich Chris einer direkten Antwort nicht sonderlich elegant aus und zog dabei eine Grimasse. »Er findet das entspannend, sagt er.«

»Oh Gott, noch so einer. Schande über ihn«, stöhnte Brad entsetzt und Chris prustete los. »Das ist aber keine Antwort auf meine Frage«, kam Brad hinterher wieder auf ihr eigentliches Thema zurück und Chris verdrehte die Augen. Manchmal war ihr Gitarrist schlimmer als Jonathan, wenn der Lunte gerochen hatte. Fast schon wie ein Bluthund. »Verdreh nicht die Augen, beantworte meine Frage.«

Chris stöhnte. »Woher weißt du das immer?«

Brad lachte. »Weil ich Jonathan und dich jetzt seit Monaten kenne. Weil du in dieser Zeit mein Freund geworden bist. Und weil du mich nicht angerufen hättest, wärst du nicht mächtig am Grübeln. Du magst Finnley. Und das verunsichert dich mehr, als du zugeben willst, habe ich recht?«

Oh ja, und wie recht Brad hatte. Chris seufzte. »Es ist lange her, dass ich eine Beziehung hatte«, murmelte er und rieb sich die Augen. »Also eine richtige Beziehung, meine ich. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich schwul bin, wie du selbst am besten weißt, und ich danke dem lieben Gott noch immer, dass Samantha es mir nicht übel genommen hat, dass ich dich bei unserem ersten Treffen angebaggert habe. Aber bei Finnley ist es anders. Vom ersten Moment an war es anders und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.«

»Willst du denn eine Beziehung mit ihm?«

»Keine Ahnung«, wich Chris erneut aus und schalt sich im nächsten Moment einen Feigling.

»Gut, ich frage anders«, ließ Brad nicht locker. »Willst du ihn vögeln und dich hinterher verabschieden, wie du es bei all deinen anderen, billigen Fickgeschichten in den vergangenen Monaten getan hast, seit wir auf Tour sind?«

Wie bitte? Chris schnappte entrüstet nach Luft. »Sag mal, hast du sie noch alle? Finnley ist kein billiger Fick. Du nimmst das sofort zurück, oder ...« Er brach völlig verdutzt ab, als Brad plötzlich anfing zu lachen. »Was?«

»Entschuldige, aber mit der Brachialmethode komme ich bei dir schneller zu einem Ergebnis«, antwortete Brad, was ihm jeglichen Wind aus den Segeln nahm. »Und so wie du gerade reagiert hast, hast du mir nur bestätigt, was ich eh schon ahnte. Chris, du willst ihn, und zwar für viel mehr als Sex. Also ran an den Kerl. Geh mit ihm aus, lern ihn besser kennen und der Rest ergibt sich ganz von allein. Das hat bei Samantha und mir auch funktioniert.«

Konnte es so leicht sein? Einen Versuch war es zumindest wert, entschied Chris. »Ich schätze, ich bin eingerostet was das betrifft.«

»Na und? Dafür gibt es Öl.« Brad lachte, als Chris das mit einem abfälligen Schnauben kommentierte. »Du weißt, was ich meine. Hast du schon herausgefunden, was er mag? Derartige Details könnten für ein erstes Date echt hilfreich sein.«

»Pflanzen, Farben, asiatisch und Donuts, beziehungsweise essen an sich«, antwortete Chris sofort und grinste im nächsten Moment darüber. »Er hat sich gestern mit seinem Mitbewohner um den letzten Donut gezankt. Das hättest du sehen müssen.«

»Dieser Mann wird mir immer sympathischer«, sagte Brad amüsiert und Chris lachte, denn genau das hatte er auch schon gedacht. »Und damit weißt du jetzt auch, was du zu tun hast, nämlich ihn zum Essen einladen. Ach ja, ehe du wieder in den Flieger nach Vegas steigst, besorgst du Finnley am besten noch eine neue Pflanze oder eine Packung Donuts.«

»Ich kann ihm doch auf dem Flughafen keine Donuts in die Hände drücken«, empörte sich Chris und schüttelte dabei den Kopf. Auf so eine wahnwitzige Idee kam auch nur Brad, es war unglaublich.

»Hundert Mäuse, dass er hin und weg sein wird.«

»Einhundert?« Chris runzelte nachdenklich die Stirn. Brad schien sich seiner Sache verdammt sicher zu sein.

»Gilt die Wette, oder nicht?«

Manchmal besaß eine Gegenfrage den gleichen Stellenwert wie eine Antwort, und außerdem hatte Brad ihm gegenüber einen entscheidenden Vorteil in der Sache, denn er hatte bereits seit vielen Jahren Samantha an seiner Seite. Wenn also jemand wusste, wie man eine intakte und glückliche Beziehung führte, dann war es Brad Masterson.

»Okay, die Wette gilt.«

 

Er musste nach dem frühen Telefonat mit Brad noch einmal eingeschlafen sein, denn Chris wurde wach, als sich erneut das Bett unter ihm bewegte. Die Helligkeit im Zimmer ließ ihn mit einem Murren blinzeln, wofür er von Finnley sofort ausgelacht wurde, bevor der sich neben ihn fallen ließ.

»Guten Morgen, Langschläfer«, zog er ihn auf und grinste, als Chris sich zu ihm drehte. »Willst du den ganzen Tag im Bett bleiben? Ich hätte rein vom Prinzip her zwar nichts dagegen, aber irgendwann wird uns der Sex mit Sicherheit über und das wollen wir doch nicht riskieren, oder?«

Chris konnte nicht anders als zu lachen. »Finnley Coleman, du bist ein ganz böser Junge.«

»Pfft«, machte Finnley daraufhin mit einer wegwerfenden Handbewegung. »So hast du mich letzte Woche auch schon genannt. Wie langweilig.«

Als Chris ihm dafür mit der geballten Faust drohte, lachte Finnley, erhob sich und zog ihm dabei die Bettdecke weg, um ihn anschließend genüsslich von Kopf bis Fuß zu betrachten. Chris grinste überheblich, drehte sich langsam auf den Rücken und spreizte einladend seine Beine, damit Finnley auch alles genau sehen konnte.

»Wirklich sehr nett, das muss man dir lassen, und so gerne ich dich ansehe, denn du bist verdammt sexy, Chris Parks, es ist gleich zehn Uhr. Also hoch mit dir.«

Zehn Uhr schon? Chris setzte sich auf. »Was hast du denn die ganze Zeit gemacht, seit du wieder hier bist?«

Finnley trat an den Kleiderschrank, um erst Chris' Schuhe und danach die blind machenden Socken, die er ihm geschenkt hatte, herauszuholen und in eine Tüte zu packen. »Ich habe geduscht, die Wohnung aufgeräumt, Wäsche gewaschen und eingekauft - all das, wozu ich gestern aus sehr wundersamen Gründen nicht mehr gekommen bin.«

Chris schaute ihn von unten herauf an. »Du hättest mich wecken sollen. Als anständiger Kerl hätte ich dir beim Duschen natürlich den Rücken gewaschen.«

»Ich könnte einfach noch mal duschen. Wasser sparen wird eh überbewertet«, konterte Finnley trocken und griff nach der Gießkanne, die neben der Tür am Boden stand.

»Finnley?«

Finnley goss die erste Pflanze. »Ja?«

»Wie lange duscht du im Allgemeinen?«

»Zehn Minuten, ohne mir die Haare zu waschen.« Finnley zog weiter zur nächsten Pflanze. »Warum?«

»Das reicht nicht mal für ein Vorspiel«, erklärte Chris, was ihm ein wissendes Grinsen einbrachte. »Wir könnten die Sache natürlich ein wenig dekadenter gestalten.«

»Dekadent?«

»Lass uns das Vorspiel heute einfach weglassen und gleich mit dem Hauptgericht anfangen.«

Finnley schmunzelte. »Soso … Lass mich nachdenken. Wie viele Gänge schaffst du denn? Ich muss schließlich wissen, ob es sich für mich lohnt.«

Chris grinste süffisant. »Komm her und finde es heraus.«

Finnley goss die nächste Pflanze und warf ihm dabei einen Seitenblick zu, bei dem sich Chris die Nackenhaare aufstellten. Dieser Mann wusste genau, was er wollte, und er wusste auch, wie er es bekam – zu seinen Bedingungen. Und im Augenblick wollte Finnley definitiv etwas anderes, als eine Fortsetzung der letzten Nacht.

»Später.« Finnley ging zur Tür. »Und jetzt steh auf, ich habe nämlich vor, dich nach dem Frühstück für ein paar Stunden in die Stadt zu entführen. Im Badezimmer findest du alles, was du brauchst. Bedien dich und fühl dich wie zu Hause. Aber sei bitte leise, Baxter schläft noch.«

 

»Das Norton Simon Museum?«, fragte Chris zwei Stunden später, nachdem Finnley ihn aus dem Haus in den nächsten Bus gezerrt und vor ein paar Minuten aus einem anderen Bus wieder raus auf die Straße geschubst hatte, und schaute ihn begeistert an. »Woher ...?«

»Ich weiß, dass du ein begeisterter Hobbyfotograf bist?«, kam Finnley seiner Frage zuvor, grinste und zuckte danach die Schultern. »Man kommt an euch momentan nur schwer vorbei, wenn man einen Fernseher hat oder Zeitung liest. Und das hier ist eines der schönen Kunstmuseen in der Gegend. Es bot sich förmlich an. Außerdem habe ich hier mal gejobbt und weiß, wo die schönen Bilder hängen. Okay, die für mich schönen Bilder«, setzte Finnley mit einem Augenverdrehen hinzu, als Chris leise lachte. »Also? Gehen wir rein?«

»Ja«, antwortete Chris und ärgerte sich im selben Moment darüber, seine Kamera in Vegas gelassen zu haben.

Finnley war unübersehbar zufrieden und schulterte seinen Rucksack, den sie vorhin nach dem Frühstück mit Sandwiches, Obst, Schokolade und einer großen Wasserflasche vollgestopft hatten, nachdem Finnley mit einem Stirnrunzeln aufgefallen war, dass sein eigener Rucksack sonst wo, nur nicht in der WG zu sein schien. »Danach gehen wir in den Park und lassen uns die Sonne auf den Pelz scheinen. Was sagst du dazu?«

»Perfekt«, antwortete Chris und deutete auf den Rucksack. »Ich kann ihn nehmen.« Finnley sah ihn nur an. »Ja, ich weiß, dass habe ich schon zum vierten Mal gesagt, tut mir leid. Wenn man auf Tour ist, muss man um jedes bisschen Privatsphäre kämpfen und den Rucksack darf normalerweise keiner außer mir anfassen, weil da alles vom Laptop bis hin zur Kreditkarte drin ist und ...« Chris verstummte abrupt, als ihm auffiel, was Finnley auf einmal in der Hand hielt. »Ist das deine?« Finnley fing an zu grinsen. »Kann ich ...?«

»Was glaubst du, wieso ich sie mitgebracht habe?«, stichelte Finnley gutmütig und drückte ihm dabei die Digitalkamera in die Hand. »Die Speicherkarte ist fast leer, also tu dir keinen Zwang an. Wir brennen sie heute Abend auf CD, dann kannst du sie morgen mitnehmen.«

Nach den Worten zog Finnley ihn mit sich und kurz darauf fand sich Chris in einer komplett anderen Welt wieder. Einer Welt, weit weg von der Musik und seinem Leben als Musiker.

Hier war er nicht Chris Parks, ein aufsteigender Stern am amerikanischen Rockhimmel.

Oder Chris Parks, Gitarrist und Drummer der erfolgreichen Band Moonlight. 

Hier war er nicht der schwule Rocker, der angeblich jede Nacht einen anderen Kerl fickte.

Hier war er einfach ein begeisterter Besucher und Finnley verstand es, ihn ruhig und geduldig durch das ganze Museum zu lotsen und dabei gekonnt einer Schulklasse auszuweichen, deren Mädchen lauthals von Jonathan schwärmten.

Aber vor allem war sich Finnley bei den Bildern, die ihm nicht gefielen, nicht zu fein, das direkt und offen in Worte zu fassen, was schließlich dafür sorgte, dass Chris irgendwann mit einem älteren Herrn im Anzug vor einem Gemälde stand und sie gemeinsam versuchten, Finnley von der Kunst dieses Bildes zu überzeugen.

Doch wo Chris in den verschiedensten Farben und Formen durchaus Kunst sah, sah Finnley nur sinnloses Gekritzel, wie er es feixend nannte und ihn anschließend zu einer Reihe von Landschaftszeichnungen und Stillleben weiterzog, die ihm viel besser gefielen, was Chris wiederum mit einem Schulterzucken  kommentierte, bevor er auch von den Bildern ein paar Fotos machte, um sie später auszudrucken und für Finnley rahmen zu lassen.

Das würde seinem Schuhdieb bestimmt gefallen.

 

Es war später Nachmittag, als sie das Museum schließlich verließen, um in den von Finnley am Morgen erwähnten Park zu gehen und sich eine Pause und etwas zu essen zu gönnen, weil ihnen schon seit einer ganzen Weile die Mägen knurrten.

Unter den Bäumen, vor der Sonne geschützt, konnte man es trotz der kühlen Temperaturen ganz gut aushalten, fand Chris, während er beim Essen langsam durch die Bilder scrollte und in Gedanken bereits ein paar Ideen wälzte, wie er von seinen Schnappschüssen gute Ausdrucke machen konnte. Nicht nur für Finnley. Weihnachten stand vor der Tür und damit auch der alljährliche Wahnsinn des Geschenkekaufens, und nur weil Jonathan und er schon vor Jahren beschlossen hatten, sich, außer zu ihren Geburtstagen, nichts mehr zu schenken, hieß das noch lange nicht, dass er ganz darum herumkam. Schon gar nicht in diesem Jahr, wo es nicht mehr nur ihn und seinen Bruder gab.

Für Chris gehörten Brad, Samantha und Emma mittlerweile ebenso zur Familie wie seine Mutter, und …

Er sah auf. Zu Finnley, der ihm gegenüber im Schneidersitz saß und in einem der mitgenommenen Bücher las. Sollte er den Versuch wagen? Ja, entschied Chris nach kurzer Überlegung. und blickte lächelnd zurück auf die Kamera. Er würde auch für Finnley ein Weihnachtsgeschenk besorgen. Nichts Großes, nur eine Kleinigkeit. Finnley sollte einfach wissen, dass er ihm wichtig war. Chris schaltete die Kamera ab, packte sie weg und stützte sich mit seinen Händen nach hinten auf dem Boden ab.

»Geh mit mir aus.«

Finnley sah mit verwirrten Blick zu ihm auf. »Ähm, das tue ich doch gerade.«

Chris schmunzelte. »Ich meine ein Date.«

Finnley runzelte die Stirn. »Wir waren in einem Museum und sitzen gerade zusammen in einem Park. Ist das kein Date für dich?«

Chris lachte leise und schüttelte den Kopf, bevor er Finnley zuzwinkerte. »Okay, noch mal von vorne für dezent verpeilte Bücherwürmer … Gehst du heute Abend mit mir in einem richtigen Restaurant essen?«

»Ach so, sag das doch gleich.« Finnley verdrehte die Augen und Chris fing an zu lachen. »Lach nicht, sondern drück dich das nächste Mal einfach vernünftig aus.«

»Du meinst frei nach dem Motto: Du. Ich. Essen. Jetzt. Sex. Später?«, konterte er amüsiert und wich dann glucksend dem Apfel aus, den Finnley schnaubend nach ihm warf. »Daneben. Also? Gehst du mit mir essen oder nicht?« Finnley nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. »Was denn nun?«, fragte Chris amüsiert nach. »Ja oder nein?«

»Ja, ich gehe mit dir essen. Aber auf keinen Fall in einen der Edelschuppen, die ihr Superstars angeblich bevorzugt.«

Finnley lachte, als Chris sich vielsagend an die Stirn tippte. »Erstens bin ich kein Superstar und zweitens hatte ich dabei an ein nettes, asiatisches Restaurant mitten in L. A. gedacht. Klein, aber fein, und vor allem gibt es im hinteren Bereich auch ein paar abgeteilte Sitzecken, sodass man sich in Ruhe unterhalten kann.«

Finnley nickte verstehend. »Dein Name dürfte wohl die ein oder andere Kamera anlocken. Wenn du willst, reservieren wir auf meinen Namen.« Bei Chris' überraschtem Blick zuckte er mit den Schultern. »Ganz ehrlich, ich werde es überleben, mit dem Rocker Chris Parks gesehen zu werden. Ich habe beruflich seit Jahren mit Leuten wie dir zu tun und meistens sind das völlig normale Männer und Frauen, die einen tollen Job machen. Die wenigen Ausnahmen, die ihre Nasen gerne hoch oben tragen, habe ich längst zu ignorieren gelernt. Und Fragen beantworte ich ohnehin nur mit Kein Kommentar, wenn mir wirklich mal ein Klatschreporter sein Mikro oder eine Kamera unter die Nase hält.«

»Kommt das oft vor?«, fragte Chris interessiert und Finnley nickte. »Zu oft für dich?«

Wieder ein Schulterzucken. Das schien ein Marotte seines frechen Schuhdiebs zu sein. »Zuerst ja, aber ich bin lang genug im Geschäft, um damit umgehen zu können. Viel wichtiger ist für mich die Frage, ob wir dieses Restaurant mit dem Bus oder der U-Bahn erreichen, ich kann nämlich nicht Autofahren und denke nicht mal im Traum daran, mein sauer verdientes Geld für ein Taxi rauszuwerfen.«

Chris lachte los. Und er hatte sich tatsächlich ein bisschen Sorgen gemacht, wie Finnley auf ihn reagieren könnte. Besser gesagt auf die lästige Tatsache, dass er mittlerweile regelmäßig von Paparazzi belagert wurde. Und sollte Moonlight weiterhin erfolgreich sein, würde das wohl kaum weniger werden. Ganz im Gegenteil, das wusste Chris, und er hoffte, dass Finnley sich auch in Zukunft nicht davon abschrecken lassen würde.

»Wir nehmen meinen Mietwagen. Wie kommt es eigentlich, dass du nicht Autofahren kannst?« Das überraschte Chris doch ziemlich, um ehrlich zu sein. Er kannte kaum jemanden, der in oder um L. A. herum lebte und kein eigenes Auto besaß.

»Ich habe es nie gelernt. Wozu auch? Mit Bus oder Bahn komme ich fast überall hin, was soll ich da mit einem Auto, das mich am Ende nur einen Haufen Geld kostet? Beruflich findet sich immer jemand, der fährt, mich abholt oder mitnimmt.« Finnley klappte das Buch zu. »Ich komme gut ohne zurecht.«

Und daran hatte Chris keinen Zweifel, denn Finnleys ganze Art schrie förmlich danach, dass er sein eigener Boss war und mit allem fertig wurde, egal wie kompliziert es anfangs schien. Chris schnappte sich den Apfel und legte ihn zurück in seinen Rucksack, ehe er sich aufsetzte und nach seinem Handy griff, um zu schauen, wie spät es war. Gleich fünf Uhr nachmittags.

»Wenn wir gegen neun im Restaurant sein wollen, sollten wir uns langsam auf den Rückweg machen.«

Finnley nickte nur zu und sie begannen einzupacken. »Hat das Restaurant Klamottenzwang?«, fragte er wenig später und Chris schüttelte den Kopf.

»Leger ist das Wort des Tages, aber die löchrige Jeans und unsere Jogginghosen sollten wir trotzdem im Schrank lassen.«

Finnley lachte leise. »Damit kann ich leben.«

Genauso wie er selbst auch, und Gott sei Dank hatte er auf Jonathan gehört und vor seinem Aufbruch nach Pasadena eine vernünftige Hose und ein sauberes Hemd in seinen Rucksack gepackt.

»Sag mal, Finnley Coleman, besitzt du eigentlich ein Hemd mit Druckknöpfen?«, wollte Chris im nächsten Moment wissen und gab sich unschuldig, was Finnley ihm nicht eine Sekunde lang abkaufte. Hätte er im umgekehrten Fall auch nicht getan, aber die Gelegenheit für eine kleine Neckerei war einfach viel zu günstig, um sie verstreichen zu lassen. »So ein Hemd kann man ganz schnell aufreißen, wenn man sich … bekleckert.«

Statt zu antworten, warf Finnley ihm einen sehr langen und vielversprechenden Blick zu, ehe er den Reißverschluss seines Rucksacks abrupt und derart herrisch zuzog, dass Chris heftig zusammenzuckte.

»Hat das wehgetan?«, fragte Finnley leise, weil gerade eine Gruppe Touristen an ihnen vorbeilief, und grinste ihn süffisant an, denn Chris konnte nicht mehr als eine gequälte Grimasse ziehen. »Heute Nacht gehörst du mir, Rockstar.«

Das war deutlich und er soeben mit seinen eigenen Waffen geschlagen worden. Chris musste sich ein Stöhnen verkneifen und den Blick abwenden, als sich Finnley betont langsam über die Lippen leckte.

Oh, dieser Mistkerl.

 

 

 

Kapitel 4

 

 

 

 

Zurück in der WG fanden sie Trent im Wohnzimmer vor, der sich gerade mit sichtlicher Begeisterung über das letzte Nacht von Baxter mitgebrachte asiatische Essen hermachte und sie daher nur mit einem Winken begrüßte, weil er den Mund voll hatte. Nachdem sie über Trent gelacht hatten, überließ Finnley ihm zuerst das Bad, um zu duschen und sich für das geplante Abendessen fertig zu machen, und als Chris eine halbe Stunde später frisch rasiert und angezogen zurück ins Wohnzimmer kam, sah er sich dort einem lachenden Trent und einem breit grinsenden Finnley gegenüber.

»Was?«, fragte Chris ahnungsvoll.

»Nichts«, antwortete Finnley betont unschuldig und erhob sich von der Sesselkante, auf der er gesessen hatte. »Ich war nur so frei, Trent zu erzählen, dass du mich gefragt hast, ob ich ein Hemd mit Druckknöpfen besitze.«

Trent nickte und sah ihn amüsiert an. »Und da er so einige von den Dingern hat, schlug ich Finnley vor, er könnte doch das dunkelrote anziehen … Das, das so eng ist, dass sich seine Brustwarzen bei jeder Bewegung unter dem Stoff abzeichnen.«

»Worauf ich Trent natürlich sofort widersprach ...«, nahm Finnley den Faden auf, »... weil wir vermutlich nicht mal aus meinem Zimmer rauskommen würden, geschweige denn aus der Wohnung, wenn ich dieses Hemd trage.«

»Ja, das wurde mir dann auch bewusst«, nickte Trent und gab sich nachdenklich. »Also sagte ich Finnley, er solle lieber das dunkelgrüne Hemd anziehen und unter der Jeans einfach die Unterwäsche weglassen. Das spart später Zeit, sobald ihr auf dem Weg ins Bett seid. Was er nun auch tun wird.«

Chris wusste nicht, ob er lachen sollte oder … oder … was auch immer. Diese beiden waren schlimmer als Jonathan und Brad, wenn die zwei sich auf ihn eingeschossen hatten. Er warf Trent einen unmissverständlichen Blick zu.

»Dir ist schon klar, dass du heute Nacht Ohropax brauchen wirst?«

Trent winkte ab. »Ich bin Kummer gewöhnt … Außerdem höre ich gern zu.«

Chris prustete los und ließ sich neben Trent auf die Couch fallen, um nun seinerseits auf Finnley zu warten, der allerdings weitaus schneller wieder aus dem Badezimmer trat als er und ihm dann einen Anblick bot, den Chris nicht so bald vergessen würde.

»Nicht schlecht, was?«, murmelte Trent und machte sich im nächsten Moment mit einem leisen Lachen aus dem Staub. Das bekam Chris aber nur am Rande mit, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, Finnley anzustarren, der in seiner schwarzen Jeans und einem dunkelgrünen Hemd zum Anbeißen aussah.

Chris hätte das Essen am liebsten gestrichen, um Finnley in dessen Zimmer zu zerren, wo sie dann den Rest der Nacht mit Unanständigkeiten hätten verbringen können. Aber als er den Mund öffnete, um Finnley diesen Vorschlag zu machen, lachte der und hob tadelnd einen Finger. Mist, er war ertappt. Chris grinste und dieses Grinsen ging in ein Lachen über, nachdem er einen Blick auf Finnleys Schuhe geworfen hatte.

»Entweder hast du dir meine Turnschuhe gekauft oder wir haben dieselbe Schuhgröße.«

Finnley gluckste und blickte hinunter auf seine Füße, die in regenbogenfarbenen Schuhen steckten. »Einmal Dieb, immer Dieb, das weißt du doch.«

»Schäm dich.«

Finnley winkte ab. »Später. Lass uns essen gehen, Rockstar. Und wenn du brav bist, zeige ich dir heute Nacht ausführlich, wo der Hammer hängt. Oder sollte ich vielleicht lieber sagen, wo er steht?«

»Hey, kein Sex vor dem Essen«, mischte sich Trent ein, der eben wieder ins Wohnzimmer kam und eine Geldbörse in der Hand hatte, die er Finnley reichte. »Die solltest du mitnehmen. Hast du dein Handy?«

»Ja, Papa.«

Trent gab Finnley einen Klaps auf den Hinterkopf. »Nicht frech werden. Sonst bekommst du Hausarrest und ich werde mich den Rest des Abends ersatzmäßig um Chris kümmern. Er wäre bestimmt begeistert.«

 Chris lachte leise. »Nimm's mir nicht übel, Trent, aber der heiße Kerl da neben dir gefällt mir besser als du.«

»Banause«, grollte Trent und seufzte dann gespielt. »Immer auf die alten Männer, schlimm ist das.« Er schnipste mit den Fingern. »Aber jetzt genug geflirtet. Ab mit euch, sonst verfällt die Reservierung und ich werde heute Abend garantiert nicht mehr kochen, nur weil ihr nicht die Finger voneinander lassen könnt.«

Chris riss sich endgültig von Finnleys heißem Anblick los und sah Trent an. »Du und mein Bruder würdet euch perfekt verstehen. Jonathan gibt mir auch ständig Sextipps.«

»Stell ihn mir bei Gelegenheit vor, dann sehen wir weiter.« Trent grinste süffisant. »Soweit ich weiß, ist er ja ganz niedlich, obwohl ich mehr auf deine Oberarme abfahre. Den Drummer in dir kannst du wahrlich nicht verleugnen. Diese Muskeln ...« Er schnurrte übertrieben. »Wirklich sexy.«

»Hör auf, mit meinem Lover zu flirten.« Finnley lachte und boxte Trent in die Rippen. »Baxter würde sich bedanken, wenn du euch Jonathan ins Bett holst.«

Die beiden waren eindeutig nicht auf den Mund gefallen und wenn Baxter, den er immer noch nicht live gesehen hatte, genauso war, und Chris zweifelte nicht daran, sollte er wirklich in Betracht ziehen, Jonathan mal mit herzunehmen. Zwar nicht aus dem Grund, dass Trent ihn niedlich fand, sondern weil sein kleiner Bruder in letzter Zeit entschieden zu viel Zeit allein im Tourbus verbrachte. Die Idee würde er im Hinterkopf behalten, aber vorher wollte er Finnley und seine Mitbewohner erst mal besser kennenlernen.

»Wie lange bist du schon mit Baxter zusammen?«, fragte er, denn Finnleys Reaktion auf die Neckerei zuvor war mehr als eindeutig gewesen.

Trent lächelte ihn an. »Über zwanzig Jahre.« Als Chris bei der Zahl verblüfft die Kinnlade runterklappte, klatschte Trent sich amüsiert mit Finnley ab. »Er ist sprachlos, ich wusste es. Und jetzt Abmarsch, sonst kommt ihr wirklich noch zu spät.«

Finnley grinste. »Willst du uns loswerden oder so?«

»Wie kommst du denn darauf?«

Trent gab sich betont unschuldig, was Chris ihm genauso wenig abkaufte wie Finnley, der ihn belustigt ansah. »Gehen wir besser. Hier scheint jemand unsere Abwesenheit für geilen, hemmungslos Sex nutzen zu wollen.«

»Oh ja, gehen wir. Umso schneller können wir später selbst welchen haben«, stimmte Chris zu und grinste, als Finnley sich lachend abwandte. An der Wohnungstür, Finnley nahm gerade seinen Wohnungsschlüssel vom Haken, schloss er zu ihm auf. »Du siehst übrigens umwerfend aus.«

»Dito, Rockstar«, konterte Finnley mit einem Zwinkern und zog ihn nach draußen zum Fahrstuhl.

Chris ließ seinen Blick über Finnleys Rücken wandern und nahm sich ausführlich Zeit, die breiten Schultern und auch die Bewegung der Muskeln unter dem Stoff zu beobachten, als Finnley den Knopf betätigte, der den Fahrstuhl in Bewegung setzte. Er musste unbedingt dafür sorgen, dass sie heute Nacht das Licht anließen, damit er Finnley ausgiebig von allen Seiten bewundern und anschließend auch schmecken konnte. Heißer Sex war eine Sache, sich dabei ausführlich Zeit nehmen, eine andere, und Chris wollte nicht weniger als das.

Plötzlich fiel ihm wieder ein, was Trent in der Wohnung in Bezug auf die Jeans gesagt hatte, und sein Blick flog förmlich zu Finnleys Hintern. Trug er wirklich keine Unterwäsche? Bei der Vorstellung musste Chris schwer schlucken, denn wenn ja, würde dieser Abend verdammt lang und schmerzhaft werden.

»Finnley?«, fragte Chris leise und schob gleichzeitig rigoros die Bilder beiseite, die sich gerade in seinem Kopf formten. Er wollte er es eigentlich nicht wissen, aber er musste trotzdem danach fragen. Es ging nicht anders.

»Ja?« Finnley trat in den Fahrstuhl, der soeben seine Türen geöffnet hatte, was Chris irgendwie entgangen war.

»Trägst du Unterwäsche?«

Finnley sah ihn herausfordernd von der Seite an. »Warum findest du es nicht selbst heraus?«

Mein Gott, war dieser Kerl direkt, und scheinbar um keine Antwort verlegen. Chris hob die Hand und strich ihm über den Rücken, was mit einem genießerischen Seufzen kommentiert wurde, das ihn zufrieden lächeln ließ, bevor er sich zu Finnley beugte und ihn ins Ohr flüsterte: »Ich werde dich heute Nacht bei Licht ficken. Aber vorher wirst du mir sagen, wie es unter dieser verdammten Hose aussiehst.«

»Werde ich?«

»Ja, wirst du«, murmelte Chris und biss Finnley spielerisch ins Ohrläppchen. Ein leises Zischen, dicht gefolgt von einem unflätigen Fluch war die einzige Antwort die er bekam, aber das würde ihn nicht aufhalten. »Sag es mir, Finnley. Gib mir einen Grund, dir so schamlos den Hintern zu lecken, dass du deinen Namen vergisst, bevor ich dir einen Blowjob verpasse, den du allerdings nie wieder vergessen wirst.«

»Fuck«, stöhnte Finnley gequält und schob sich gegen ihn, als Chris seine Finger in dessen rechte Arschbacke krallte.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739423197
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (August)
Schlagworte
Liebesroman Drama Romantik schwul Familie Liebe Musik

Autor

  • Mathilda Grace (Autor:in)

Aufgewachsen in einem kleinen Dorf im tiefsten Osten von Deutschland, lebe ich heute in einer Großstadt in NRW und arbeite als Schriftstellerin. Seit 2002 schreibe ich Kurzgeschichten und Romane, bevorzugt in den Bereichen Schwule Geschichten, Drama, Fantasy, Thriller und Romanzen. Weitere Informationen zu meinen Büchern, sowie aktuelle News zu kommenden Veröffentlichungen, findet ihr auf meiner Autorenseite.
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Titel: Mondlichtmelodie