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Die Rolle seines Lebens

Esteban und Oliver 1

von Amalia Zeichnerin (Autor:in)
230 Seiten
Reihe: Esteban und Oliver, Band 1

Zusammenfassung

Esteban, ein amerikanischer Schauspieler mit mexikanischen Wurzeln, zieht zu seinem Freund nach London. Dieser trennt sich allerdings von ihm, da er mit Estebans Depressionen nicht zurechtkommt. Esteban hat erst mal die Nase voll von Beziehungen, doch dann lernt er den englischen Schauspieler Oliver kennen…

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Table of Contents

Titelei

Inhaltswarnungen

Vorspann

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Abspann

Nachwort und Danksagung

Die Fortsetzung - "An seiner Seite"

Impressum

Die Rolle seines Lebens

 

Gay Romance

 

© Amalia Zeichnerin 2018

 

Inhaltswarnungen für diesen Roman

 

Symptome einer Depression bis hin zu Suizidgedanken (ohne dass suizidale Handlungen darauf folgen), Ansätze einer sexuellen Belästigung, Andeutungen von Homophobie

 

Esteban

 

Das Blitzlichtgewitter regnete auf Esteban nieder, ein hundertfaches Klicken und grell aufflammende Lichter. Die Rufe der Reporter und Fotografen schwirrten durch die laue Nachtluft hier in L.A. bei der Daytime Emmy-Verleihung an diesem Septemberabend.

„Daniel! Ein Stück hierher bitte!”

„Kate! Noch ein Foto!”

„Linda! Bitte einmal hierher drehen.”

Und auch nach ihm wurde gerufen, immerhin hatte er drei Jahre in einer der altgedienten und noch immer populären Seifenopern mitgespielt: Lifestyle of the Rich and Famous. Bis man seine Rolle herausgeschrieben hatte. Esteban knipste sein Millionen-Dollar-Lächeln an, wie er es heimlich nannte. Er lächelte, bis ihm die Wangen wehtaten.

Das hier war sein Abschied, nicht nur von der Seifenoper, sondern auch von L.A., denn schon bald würde er zu seinem Freund Cedric nach London ziehen. Er hatte bereits die Fühler ausgestreckt, Kontakt aufgenommen mit einer alten Bekannten, die dort in einer Schauspiel-Agentur arbeitete. Gewiss würde sie ihm Jobs besorgen können, und wenn er die Vorsprechen nicht versiebte, konnte er dort hoffentlich gut arbeiten.

„Esteban!” Eine Reporterin wandte sich an ihn, bohrte ihm das Mikrofon fast ins Gesicht. „Wie schön, Sie zu sehen! Sagen Sie, was machen Sie als nächstes, nachdem Sie nicht mehr bei Lifestyle of the Rich and Famous dabei sind? Ich habe gehört, dass Sie auswandern wollen?”

Er vertiefte sein Lächeln, blickte sie schmeichelnd an. „Ja, das stimmt, ich ziehe nach London, zu meinem Freund.”

Es war kein Geheimnis, dass er schwul war. Nicht mehr. Im vergangenen Jahr hatte er sich in einem Interview geoutet. Alle bei der Produktionsfirma der Seifenoper hatten ihm versichert, dass seine Kündigung nichts mit seinem Outing zu tun gehabt hatte. In Lifestyle of the Rich and Famous – oder LoRaF, wie es gern abgekürzt wurde – hatte er den Hetero-Love-Interest einer zickigen Protagonistin gespielt. Die meisten am Set hatten schon lange gewusst, dass er schwul war, denn das war ein offenes Geheimnis gewesen. Und seit letztem Jahr war es auch in der Öffentlichkeit keines mehr.

„Ah, Sie ziehen also der Liebe wegen nach England. Wie romantisch!”, quietschte die Reporterin entzückt.

„Genau.”

„Alles Gute für Sie … und Ihren Freund.”

„Danke!” Er wartete, ob sie noch eine weitere Frage hatte, doch sie verabschiedete sich rasch und wandte sich dem nächsten Serienstar zu.

Während er weiter in die Blitzlichter blinzelte, fragte er sich, wie es wohl mit Cedric und ihm in London werden würde.

 

Esteban

 

Er stand in der Küche und bereitete für Cedric und sich das Abendessen zu; eines der Gerichte, die ihm seine Mutter beigebracht hatte: Enchiladas. Er hackte Tomaten und Peperoni klein und öffnete eine Dose Mais.

Anderthalb Monate war sein Umzug nun her und mittlerweile war es November. Ein Monat, der sich in London regnerisch und grau zeigte. Das drückte ihm auf die Stimmung und es fiel ihm schwer, morgens aufzustehen.

Es war Cedrics Idee gewesen, dass Esteban zu ihm ziehen sollte. Sein Freund kam nicht klar mit Fernbeziehungen, auch nicht, wenn sie offen waren. Und für sie beide kam eine offene Beziehung nicht in Frage.

Esteban hatte nicht lange überlegt, nachdem sein Part aus LoRaF herausgeschrieben worden war. Das passierte immer wieder, auch bei lang etablierten Shows. Um neue Charaktere in die Serie zu bringen, die den Zuschauern Abwechslung zu altbekannten Gesichtern boten. Oder wenn, wie die Produzenten es gern nannten, alles über einen Charakter erzählt worden war, was es zu erzählen gab. Auf solche Entscheidungen hatte er keinerlei Einfluss, zumal er eine Nebenrolle gespielt hatte.

Esteban war optimistisch gewesen, dass er auch in London Arbeit finden würde. Er hatte sich eine Arbeitserlaubnis für England besorgt, was einen Haufen Papierkram nach sich gezogen hatte. Paula, eine Bekannte, die in einer Londoner Talent-Agentur arbeitete, und Cedric hatten ihm dabei geholfen.

Esteban arbeitete auch an einem passenden Akzent. Das fiel ihm nicht schwer, er hatte schon immer ein Talent für Imitation und Nachahmung gehabt, und seit er hier in London den ganzen Tag die entsprechenden Akzente und Dialekte hörte, fand er es leicht, sich eine entsprechende Sprechweise anzueignen. Von Paula hatte er gehört, dass in England gern „farbenblind” gecastet wurde, z.B. gab es im Theater gelegentlich einen schwarzen Hamlet oder eine farbige Hermine Granger. Das hatte ihm Hoffnung gemacht.

Esteban füllte die Mischung aus Hackfleisch und Gemüse in die Teigfladen und öffnete den spanischen Wein. Cedric hatte ihm bei der Wohnungssuche geholfen und mehrere Wohnungen besichtigt, während er selbst noch in Kalifornien gewesen war. Allerdings war es nicht ohne weiteres möglich, als Amerikaner eine Wohnung in London zu mieten – zumindest ohne entsprechende Nachweise einer Arbeitsstelle. Deshalb hatte Cedric ihm angeboten, eine Wohnung für sie beide zu mieten. Darauf war Esteban gern eingegangen. Er vertraute seinem Freund und hatte es nicht bereut. Die Suche hatte einiges an Zeit gekostet, aber es hatte sich gelohnt.

Die gemeinsame Wohnung gefiel ihm richtig gut, sie war hell und geräumig, mit genug Platz für sie beide. Inzwischen waren auch die meisten seiner Sachen angekommen, die er mit einer Spedition per Flugzeug verschickt hatte. Viel war es nicht – er sammelte weder Bücher noch CDs oder andere Dinge und seine Möbel in Kalifornien hatte er verkauft.

Er stellte das Radio an und sah auf die Uhr. Zeit, die Enchiladas in den Ofen zu schieben; Cedric würde bald heimkommen.

Er summte den Song aus dem Radio mit und sah nach draußen. Es war längst dunkel, ein Lichtermeer erstreckte sich vor dem Fenster hier im dritten Stock. Regentropfen rannen wie leuchtende Fäden an der Scheibe herunter. In der Ferne sah er das Schimmern der Themse, welche die Lichter aus der Umgebung reflektierte. Er hätte es wirklich schlechter treffen können. Seine Unsicherheit, die ihn in letzter Zeit angesichts des bevorstehenden Umzugs und all der Veränderungen oft geplagt hatte, war zwar nicht verschwunden, aber sie hielt sich dankenswerterweise zurück. Er wollte so sehr, dass das hier mit Cedric und ihm funktionierte und er würde alles dafür tun, was in seiner Macht stand.

Der Moderator im Radio verlas die Nachrichten. Esteban hörte nur mit halbem Ohr hin, er war in Gedanken bei seinem Liebsten und dachte über Dinge nach, die er gern mit ihm nach dem Essen anstellen wollte...

Er deckte den Esstisch, der sich in der Wohnküche befand und tauschte die heruntergebrannte Kerze gegen eine neue aus. Ein Blick zur Uhr; Cedric war fünf Minuten zu spät.

Esteban strich die Tischdecke glatt. Nach weiteren fünf Minuten sah er auf sein Smartphone; keine Nachricht von seinem Freund.

Er schrieb ihm: Hi, mein Liebster. Verspätest du dich?

Mittlerweile verbreitete sich der Duft von den mit Käse überbackenen Enchiladas in der Küche. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, aber noch waren sie nicht fertig. Doch es kam keine Antwort von Cedric. Auch nicht nach weiteren zwanzig Minuten, die er damit verbrachte, seine E-Mails zu lesen. Etwas Interessantes war nicht dabei.

Esteban nahm das Essen aus dem Ofen und stellte es auf den Tisch. Es würde ohnehin erst abkühlen müssen. Das Warten nervte ihn von Minute zu Minute mehr. Er schenkte sich ein halbes Glas Wein ein und stürzte es ohne Genuss hinunter.

 

Als Cedric eine dreiviertel Stunde später nach Hause kam, war Esteban der Appetit vergangen. Sein Freund wirkte abgehetzt, die Haare waren zerzaust und die Krawatte saß nicht mehr ordentlich. „Tut mir leid wegen der Verspätung. Wir hatten eine Besprechung, bei der ich nicht fehlen durfte, unser Abteilungsleiter hat sie heute spontan angesetzt.”

„Du hättest mir eine Nachricht schreiben können.”

„Wie gesagt, es tut mir leid. Ich hab nicht dran gedacht, es war alles so hektisch.”

„Ich wärme das Essen auf.”

„Danke.”

Im Radio sang Katy Perry etwas von letzter Freitagnacht. Esteban schaltete das Gerät aus, ihm war nicht mehr nach Musik zumute. Es war schon das zweite Mal, dass Cedric ihn ohne Vorwarnung versetzte. Esteban lag ein entsprechender Kommentar auf der Zunge, doch er schluckte ihn herunter.

Cedric arbeitete nun mal viel, was half es, ihm das vorzuwerfen? Dennoch ärgerte es ihn, dass sein Freund ihm nicht einmal eine kurze Textnachricht geschickt hatte.

„Ich muss morgen übrigens auch länger arbeiten, ich springe für einen Kollegen ein, der krank geworden ist”, erklärte Cedric.

Das wird ja immer besser… Esteban zuckte mit den Achseln. „Ist gut, dann weiß ich Bescheid.” Ihm lag ein spitzer Kommentar auf der Zunge, aber er wollte keinen Streit vom Zaun brechen.

„Und wie läuft’s bei dir mit der Arbeitssuche?”, fragte Cedric und öffnete den unordentlichen Knoten an seiner Krawatte.

„Ich hab nächste Woche einen Komparsenjob in einer Serie. Zwei oder drei Tage und vielleicht hab ich auch ein bisschen was zu sagen.”

Paulas Agentur betreute nicht nur Schauspieler, sondern auch Komparsen und Kleindarsteller, und für den Anfang konnte er nicht wählerisch sein, was Rollen betraf.

„Na, immerhin.” Cedric fuhr sich durch das hellbraune Haar. Er nahm die Krawatte ab und hängte sie über den Stuhl. Als nächstes öffnete die obersten Knöpfe seines Hemdes und zog den Kragen auseinander. Danach schenkte er sich ein Glas Wein ein. „Und wie sieht es aus mit der sonstigen Jobsuche?”, fragte Cedric, als Esteban die aufgewärmten Enchiladas auf den Tisch stellte.

Das war ein wunder Punkt. Cedric hatte ihn dazu gedrängt, sich noch einen anderen Job zu suchen, als Kellner, eine Aushilfsstelle oder etwas ähnliches. Aber das war nicht einfach, wenn er zu Vorsprechen ging oder kleinere Jobs als Komparse oder ähnliches übernahm, denn diese dauerten den ganzen Tag.

Außerdem fiel es ihm schwer, sich dazu aufzuraffen, was wiederum mit seinen Depressionen zusammenhing, die ihn in dieser Jahreszeit mehr plagten als sonst. Esteban verwendete lieber seine ganze Energie für Schauspieljobs. Aber wie sollte er Cedric das erklären? Er würde gewiss nur einen bissigen Kommentar ernten.

„Ich hab noch nichts passendes gefunden, aber ich arbeite dran”, sagte er deshalb nur und stocherte in seinen Enchiladas herum.

 

Oliver

 

„Sie stehen gerade auf einer Bühne im West End”, sagte der Journalist des Stadtmagazins Time Out. „Wie lange werden Sie dort noch auftreten, Mister Waits?”

„Noch bis Mitte Januar, und darüber freue ich mich sehr.” Oliver strich sich übers Haar und erzählte von seiner Rolle, dem Benedict in Shakespeares „Viel Lärm um Nichts” – ein wortgewandter, sarkastischer Charakter, dessen Humor er sehr mochte.

Der Journalist zeichnete währenddessen ihr Gespräch mit einem Diktiergerät auf. An diesem kalten Nachmittag in der Vorweihnachtszeit saßen sie in einem Raum des Magazins.

Oliver trank einen Schluck Mineralwasser, ehe er weitersprach. „Das faszinierende ist, finde ich, dass diese Klassiker von Shakespeare und auch anderen Autoren, immer noch so gut beim Publikum ankommen, obwohl sie schon so alt sind. Und es gibt ja auch eine Reihe an sehr modernen Verfilmungen, in denen die Handlung dann in die heutige Zeit transportiert wird. Ich denke, solche klassischen Stoffe sollten immer mit einem Bezug zur Gegenwart betrachtet werden, sonst ist es schwer, sie dem heutigen Publikum verständlich zu machen.”

„Hmm, da ist wohl was dran. Was würden Sie sagen, gefällt Ihnen besonders am Theater?”

„Oh, das ist eine gute Frage. Lassen Sie mich kurz überlegen …” Er sann darüber nach, ehe er antwortete. „Vielleicht, dass wir am Theater mit wenigen Mitteln Illusionen erschaffen können und dabei allem Schein zum Trotz die menschliche Existenz erforschen. Darum geht es ja in den meisten Geschichten – wie Menschen leben, was sie bewegt, warum sie das tun, was sie tun und so weiter. Und im Theater wird das alles verdichtet. Und natürlich liebe ich den Kontakt zum Publikum. Das gibt es ja beim Film in der Form nicht. Im Theater kann ich fast zum Greifen nah fühlen, was das Publikum empfindet – nicht nur am Ende, beim Applaus, sondern auch schon vorher. Manchmal ist da so eine gespannte Stille, als ob die Leute unwillkürlich die Luft anhalten. Und natürlich gibt es auch Gelächter bei lustigen Szenen. Das ist ein ganz direkter Austausch. Auf der Bühne merke ich meistens sehr schnell, wie etwas bei den Zuschauern ankommt.”

Sie sprachen noch eine Weile weiter über das Shakespeare-Stück und das Theater, bis der Journalist das Thema wechselte. „Eine persönliche Frage, wenn ich darf?”

Oliver lächelte über die Anspannung hinweg, die ihn erfasste. „Fragen Sie.” Er ahnte schon, worauf sein Gegenüber hinauswollte. Früher oder später musste er damit rechnen und er konnte nicht alles mit einem „Kein Kommentar” abblocken.

„Vor einiger Zeit kam durch ein Foto das Gerücht auf, Sie seien homosexuell.” Der Journalist legte einen Ausdruck des Fotos vor Oliver auf den Tisch. Darauf stand er Arm in Arm mit Ian am Eingang des Gay Clubs, den sie damals besucht hatten. Bunte Lichtreflexe tanzten über sie, aber dennoch war Olivers Gesicht deutlich zu erkennen, während Ian nur verschwommen zu sehen war. Oliver wusste nicht, wer das Foto gemacht hatte, aber es spielte letztendlich auch keine Rolle. Wenig später war es in der Zeitung gelandet und es machte keinen Sinn, es abzustreiten.

Oliver merkte, dass seine Handflächen feucht wurden. Er fühlte sich daran erinnert, als er mit seinem damaligen Freund zum ersten Mal bei seinen Eltern gewesen war, als er sich vor ihnen geoutet hatte. Wie sehr es sie verwirrt hatte, denn einige Zeit vorher war er noch mit einer Frau zusammen gewesen.

Er wandte einen Moment lang den Blick ab und sah auf seine Fußspitzen. Eigentlich wollte er nicht darüber sprechen, nicht an diesem Tag. Andererseits würde ihn die Presse vermutlich nicht in Ruhe lassen, vielleicht war es besser, es doch anzusprechen. In letzter Zeit hatte er keine Interviews gegeben und bisher war diese Frage noch nicht aufgekommen.

Paula von der Agentur hatte ihm von dem Gerücht erzählt. „Früher oder später musst du dich entscheiden. Das Foto jedenfalls ist ziemlich eindeutig”, hatte sie gesagt. „Es auf Dauer zu leugnen, könnte dich in ein schlechtes Licht rücken. Zum Glück sind allmählich die Zeiten vorbei, in denen Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, nicht offen mit ihrer sexuellen Orientierung umgehen können. Ich meine, wenn sie so wie du nicht heterosexuell sind. In jedem Fall sind wir auf deiner Seite. Also, wie willst du damit umgehen?”

„Ich werde es weder bestätigen noch dementieren, bis mich jemand von der Presse direkt fragt”, hatte er erwidert.

Vor wenigen Monaten hatte er sich von seinem Freund Ian getrennt. Die Beziehung hatte nicht lange gehalten, nur ein halbes Jahr. Immerhin waren sie als Freunde auseinander gegangen, aber seitdem hatte er von Ian nur noch sporadisch etwas gehört. Aber das war ihm recht, denn ihre gemeinsame Zeit war nun einmal vorbei.

„Was möchten Sie dazu sagen?”, hakte der Journalist nach.

Oliver wurde bewusst, dass er wohl einen ziemlich geistesabwesenden Eindruck gemacht hatte. Er räusperte sich. „Das ist nur die halbe Wahrheit, um genau zu sein. Ich war mit Anfang zwanzig mit einer Frau zusammen. Also bin ich strenggenommen bi, aber ich war seitdem nur noch mit Männern zusammen.”

„Ich verstehe.”

Was würde das Magazin wohl daraus machen? Würden sie ihn als bisexuell oder als schwul darstellen?

Oliver sprach hastig weiter. „Dann wissen Sie sicherlich auch, dass sich die sexuelle Orientierung eines Menschen nicht ändert, nur weil er mit einer Person eines bestimmtes Geschlechtes zusammen ist. Damit meine ich, ich bin nicht schwul geworden, nur weil ich in den letzten Jahren ausschließlich mit Männern zusammen war.”

Ein verwirrter Ausdruck im Gesicht seines Gegenübers. Der Journalist kratzte sich am Kopf. „Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz folgen, Oliver.”

Er unterdrückte ein Seufzen. „Es ist so: Ich war in den letzten Jahren nur mit Männern zusammen, aber ich finde weiterhin auch Frauen attraktiv. Googeln Sie sonst mal nach Populäre Irrtümer über Bisexuelle.”

„Ja…”, erwiderte der Mann gedehnt. „Also ... Sie sind bisexuell, nicht homosexuell.”

„Genau.”

Der Journalist kritzelte etwas auf seinen Notizblock. „Ich habe manchmal den Eindruck, das sei fast so was wie ein Trend…”

„Ich glaube eher, dass sich mehr und mehr Prominente damit an die Öffentlichkeit trauen. Jemand – ich weiß nicht wer – hat damit angefangen, und dann sind andere nachgezogen.”

„Das könnte auch sein.” Sein Gesprächspartner zuckte mit den Schultern. „Und Sie hatten bisher nicht das Bedürfnis, sich zu outen?”

Oliver geriet ins Schwitzen. „Es gab für mich keinen Anlass bisher. Weder in beruflicher, noch in privater Hinsicht. Bis dieses Foto aufgetaucht ist.”

„Und sind Sie noch mit dem Herrn verbandelt, wenn ich fragen darf?”

„Nein, ich bin wieder Single. Wir haben uns im Guten getrennt.” Diese Worte bereute er, kaum dass sie seinen Mund verlassen hatten. Niemand brauchte zu wissen, dass er Single war. Aber nun war es zu spät.

Oliver war froh, als das Interview kurz danach zu Ende war und er sich verabschieden konnte. Die bange Frage blieb: Wie würden die Leute auf sein Outing reagieren, wenn es im Magazin erschien?

Nach dem Interview fuhr er direkt zum Royal Haymarket Theatre im West End, denn es dauerte nicht mehr lange bis zur Aufführung. Wann immer er das Gebäude betrat, hatte er das Gefühl, in eine andere Welt einzutauchen, die den Alltag aussperrte. Einige Leute aus dem Team begrüßten ihn, manche seiner Schauspiel-Kollegen waren auch schon da. Er hörte eine von ihnen sich mit Gesangsübungen einstimmen, die aus Tonleitern bestanden. Er freute sich darauf, bald wieder in die Rolle des Benedicts zu schlüpfen und sich mit der Darstellerin der Beatrice Wortgefechte mit bissigem Humor zu liefern.

 

 

Esteban

 

„Es freut mich, dich kennenzulernen, Esteban.“ Cedrics Vater schüttelte ihm die Hand. Seine Mutter, deren von grauen Strähnen durchzogene Frisur offenbar mit viel Haarspray zusammengehalten wurde, musterte ihn, doch ihr Lächeln erreichte nicht ihre Augen.

Es war der 25. Dezember und Cedrics Eltern hatten sie zum Abendessen eingeladen. Oder vielmehr war es ein obligatorischer Besuch, den Cedric jedes Jahr zu Weihnachten absolvierte, wie er Esteban erzählt hatte. Seine Schwester Margaret war ebenfalls hier, mit ihrem Mann und zwei Kindern.

Cedrics Eltern lebten in Kensington. Die edle Einrichtung erinnerte Esteban ein wenig an die Seifenoper – sie sah aus, als hätte man sie eins zu eins aus einem Landhausstil-Katalog übertragen. Immerhin sorgten mehrere gerahmte Familienfotos an den Wänden für eine persönliche Note.

Kurz darauf saßen sie zusammen am Esstisch. Das Essen erinnerte Esteban an Thanksgiving: Ein gefüllter Truthahn, dessen Duft durch das Zimmer zog und ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Cedrics Vater schenkte ihm ungefragt ein Glas Wein ein.

„Hast du dich hier schon gut eingelebt?“, fragte er.

„Ja, danke. Es ist einiges anders hier als drüben in den Staaten, aber mir gefällt die Stadt.“

„Cedric hat uns erzählt, du bist Schauspieler“, sagte dessen Mutter. „Ist das nicht ein sehr unsicherer Beruf?“ Sie musterte ihn ein weiteres Mal, mit kritischer Miene.

Esteban schluckte. „Ich schätze, er ist nicht unsicherer als andere freiberufliche Tätigkeiten im künstlerischen Bereich.“

„Hast du denn schon einmal daran gedacht, dir eine feste Arbeit zu suchen?“, hakte sie nach.

Was sollte das hier werden? Ein Verhör?

„Weißt du, ich arbeite seit mehr als fünfundzwanzig Jahren als Anwalt“, sagte Cedrics Vater. „Zuerst habe ich als Gehilfe angefangen und mich dann langsam hochgearbeitet und inzwischen leite ich eine Kanzlei. Ich habe meinen Kindern vorgelebt, wie viel man mit harter Arbeit erreichen kann. Margaret ist Ärztin, sie wird bald wieder zu arbeiten anfangen.“

Cedrics Schwester nickte. Sie wirkte wie eine jüngere Ausgabe ihrer Mutter, mit einer ähnlichen Frisur und spitzen Gesichtszügen. In einigen Jahrzehnten, schätzte er, würden ihre Mundwinkel ebenfalls nach unten zeigen und sich die gleichen tiefen Falten durch ihre Stirn ziehen. „Ja, wenn die Kleine in den Kindergarten geht, fange ich wieder an zu arbeiten. Mallory, hör auf, mit den Erbsen zu spielen.“ Sie sah ihre Tochter, die ein rosafarbenes Kleid mit Schleifen trug, warnend an.

Das Mädchen kicherte nur und stocherte weiter in den Erbsen herum. Margaret seufzte und nahm ihrer Tochter die Gabel aus der Hand. Das führte dazu, dass Mallory zu weinen anfing. Margaret stand auf, nahm das Mädchen an der Hand und zerrte sie aus dem Zimmer hinaus. Vermutlich, um ihr eine Standpauke ohne Zuschauer zu halten.

Esteban wandte sich an Cedrics Schwager. „Und was machst du beruflich?“

„Ich arbeite als Unternehmensberater. Ein gut bezahlter Job. Vorher war ich für ein Handelsunternehmen tätig, vielleicht kennst du es?“ Er nannte einen Namen, der Esteban nichts sagte.

Daher schüttelte er den Kopf.

„Na ja, du bist ja nicht von hier“, sagte der Schwager, der einen maßgeschneiderten Anzug trug.

„Esteban ist ein ungewöhnlicher Name”, sagte Cedrics Mutter. „Stammt deine Familie nicht aus den Vereinigten Staaten?”

„Meine Großeltern väterlicherseits sind aus Mexiko eingewandert”, erklärte er. „Und mein Name ist die spanische Variante zu Stephen.”

„Ah, ich verstehe”, erwiderte sie. „Nun wird mir einiges klar.” Sie erklärte nicht näher, was sie damit meinte. Er konnte es sich schon denken. Er hatte nun mal eine dunklere Hautfarbe als die meisten hier und zusammen mit den fast schwarzen Haaren und den braunen Augen sah er nicht unbedingt aus wie ein typischer Amerikaner, von einem Engländer ganz zu schweigen.

„Und was macht dein Vater beruflich?”, fragte sie nun.

Na toll, das Verhör geht weiter. „Er arbeitet in einer Autowerkstatt, als Mechaniker.”

„Und deine Mutter?”

„Sie ist Sprechstundenhilfe bei einem Zahnarzt.”

„Ah ja.” Cedrics Mutter versuchte sich an einem weiteren aufgesetzten Lächeln.

Esteban rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Er fühlte sich fast in eine Folge der Seifenoper versetzt, in der fast nur reiche und erfolgreiche Leute eine Rolle spielten. Himmel, er passte nicht hierher. Aber das war nicht weiter wichtig, denn schließlich war er mit Cedric liiert und nicht mit dessen Familie. Trotzdem hatte er gehofft, einen guten Eindruck zu hinterlassen, aber das hier lief überhaupt nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.

„Esteban sucht nebenbei auch noch einen festen Job“, sagte Cedric nun auch noch überflüssigerweise. „Er hat nur bisher noch keinen gefunden.“

„Ach, und was wäre das für ein Job?“, fragte seine Mutter.

„Vielleicht kellnern. Das habe ich eine Zeitlang in L.A. gemacht“, erwiderte Esteban.

Sie zog die Augenbrauen hoch. „So so.“ Mehr sagte sie nicht dazu, aber ihr skeptischer Blick sprach Bände.

„Gehen Sie manchmal ins Theater?“, erkundigte er sich. Nach Kinobesuchen fragte er lieber gar nicht erst.

„Wir waren letzte Woche in einem Kindertheater, mit der Schule“, platzte Cedrics Neffe heraus. „Das war cool!“

„Nicht so laut“, sagte dessen Vater tadelnd.

Herrjeh, das wird ja immer besser.

„Wir gehen nur manchmal ins Theater, die Karten im West End werden immer teurer. Und ich kann mit diesen überkandidelten modernen Inszenierungen nicht viel anfangen. Ich lese mittlerweile lieber“, sagte Cedrics Mutter.

Esteban gab es auf und aß schweigend von dem Truthahn. Cedric unterhielt sich mit seinem Schwager über dessen Tätigkeit. Esteban konnte dem Gespräch nicht folgen, denn die beiden sprachen über Fachbegriffe, die ihm nichts sagten. Er hätte gern noch mehr Wein getrunken, aber das ging nicht, wegen seiner Antidepressiva. Eigentlich durfte er gar keinen Alkohol trinken, aber hin und wieder gönnte er sich doch ein Glas, zumindest an Feiertagen. Er fühlte sich fehl am Platz und vermisste mit einem Mal seine eigenen Eltern. Aber was tat man nicht alles seiner besseren Hälfte zuliebe?

 

*

 

„Warum hast du mir nie gesagt, was mit dir los ist? Ich meine, bevor du hierher gezogen bist?”

Sie saßen im Wohnzimmer, es war der Tag vor Silvester. Cedric sah ihn an, eine Mischung aus Enttäuschung und Wut spiegelte sich auf seinem Gesicht wider.

Wie sollte er es ihm nur erklären? Vermutlich war es besser, nicht lange herumzudrucksen, sondern die Karten auf den Tisch zu legen. In diesem Moment hasste sich Esteban für die eigene Schwäche. „Ich hatte nicht den Mut dazu”, sagte er leise. „Es tut mir leid.”

Cedric stand auf; er ging im Wohnzimmer auf und ab. Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Dann blieb er vor Esteban stehen und sah ihn eindringlich an. „Weißt du, ich sag’s dir ganz ehrlich: Ich kann damit nicht umgehen. Ich hab’s versucht, aber ich schaffe das nicht. Meine Arbeit ist stressig, und ich brauche einen Ausgleich zu Hause. Wenn ich dann abends nach Feierabend auch noch Stress habe, das wird mir zu viel. Du bist ein netter Kerl, und ich hab dich wirklich gern. Aber ich habe mir mehr erhofft.”

„Immer geht deine Arbeit vor…”, murmelte Esteban.

„Also hör mal, ich mag meine Arbeit zufälligerweise richtig gern. Ist doch bei dir auch so, oder nicht? Wenn du denn mal Arbeit hast. Dieser Werbespot und die Statistenjobs sind auch schon wieder eine Weile her, und das Geld für den Spot hast du immer noch nicht bekommen. Und was ist mit dieser Sprecherrolle für die Doku?”

„Ich warte noch auf einen Anruf…”

„Genau – du sitzt zu Hause und wartest darauf, dass sich jemand bei dir meldet. Und wie du hier rumgammelst, schau dich doch mal an.”

Esteban trug sein Lieblingsshirt, das zugegebenermaßen schon ein, zwei kleine Löcher hatte, dazu eine ausgebeulte Jogginghose. Er hatte gar nicht weiter darüber nachgedacht, was er trug, weil er schließlich zu Hause war und höchstens mal kurz zum Einkaufen zu dem Tesco’s zwei Straßen weiter ging.

Ihm platzte der Kragen. „Verdammt noch mal, ich werd doch wohl wenigsten zu Hause tragen können, was ich möchte! Wenn ich arbeite, stecke ich ständig in Klamotten, die ich mir nicht aussuchen kann. Und ich laufe ja nicht ständig so herum wie jetzt.”

Cedric sah ihn mit einem bohrenden Blick an. „Kannst du dich nicht einfach mal zusammenreißen? Mir zuliebe?”

„Du verstehst mich einfach nicht. Ich mache das doch nicht, um dich zu ärgern. Und mit zusammenreißen hat das nichts zu tun. Ich kann einfach nicht anders, wenn es mir schlecht geht.”

Cedric sah ihn zweifelnd an. „Wenn du es sagst ... Aber kannst du nicht irgendetwas dagegen unternehmen? Was ist mit einer Therapie?”

„Da bin ich dran und ich nehme auch Medikamente, das hab ich dir doch gesagt. Aber Depressionen können immer wieder auftreten, selbst mit Medikamenten.”

„Hör mal, ich kenn mich mit all dem nicht aus und das ist mir auch ehrlich gesagt zu viel. Du hättest mir viel früher davon erzählen müssen, Mann.”

„Das wollte ich ja. Aber ich wusste einfach nicht, wie ich es dir sagen soll.” Was für eine lahme Ausrede, das merkte er selbst. Er hatte alles falsch gemacht, kein Wunder, dass Cedric auf ihn wütend war.

Sein Freund hatte die Medikamente gefunden, die Esteban in einem Kulturbeutel aufbewahrte. Esteban hatte vergessen, den Reißverschluss des Beutels wieder zu schließen. Cedric hatte die Namen der Arzneimittel gegoogelt. Es war nicht schwer herauszufinden, wogegen sie wirkten.

„Ich hasse es, wenn mir etwas verheimlicht wird. Ich hatte mal einen Freund, der Schulden hatte. Er hat es mir nie erzählt und mich ständig um Geld angehauen. Irgendwann hab ich ihn zur Rede gestellt, und dann hat er es mir endlich gesagt. Warum hast du nur so lange damit gewartet?”

Darauf hatte Esteban nur eine Antwort, aber die wollte er nicht sagen. Er hatte schreckliche Angst gehabt. Angst vor einem Streit, oder schlimmerem.

 

*

 

Zwei Wochen war das nun her. An jenem ungemütlich kalten Abend hatten sie noch eine ganze Weile weiter miteinander gesprochen. Das Ende vom Lied war, dass Cedric mit ihm Schluss machte. Er entschuldigte sich mehrfach. Das war wohl seine englische Art, aber es machte die Sache auch nicht besser. Früher oder später wäre es eh soweit gekommen, da war Esteban sich sicher.

Sie passten einfach nicht zusammen, und Estebans Phasen von Antriebslosigkeit trieben Cedric auf die Palme, vermutlich auch weil er als Workaholic das genaue Gegenteil von ihm war. Trotzdem, es war nicht fair. Diese verdammten Depressionen hatten ihn in diese Lage gebracht. Und dabei konnte er sich eigentlich noch glücklich schätzen, denn selbst in seinen finstersten Stunden hatte er nie versucht sich umzubringen. Auch wenn die Gedanken an Selbstmord ihn in schweren Phasen oft heimsuchten. Aber trotz allem, trotz aller Verzweiflung, die ihn manchmal plagte, war ihm sein Leben zu kostbar, um es zu beenden. Und auch diese Trennung würde das nicht ändern. Zumindest hoffte er das.

Am Ende ihres Gesprächs hatte Cedric ihm angeboten, dass er weiter bei ihm wohnen könnte, bis er etwas anderes gefunden hatte, aber das hätte Esteban nicht über sich gebracht.

Hier saß er nun, in einem billigen Hotelzimmer, an dessen Wänden die hässliche Tapete abblätterte und dessen Heizung kaputt war. Immerhin hatte er durch langes Lüften den muffeligen Geruch beseitigen können, allerdings war es danach sehr kühl geworden.

Eigentlich hätte er sich bei seiner Agentur melden sollen, aber er konnte sich nicht dazu aufraffen, die Nummer zu wählen. Das schlimmste Silvester aller Zeiten lag hinter ihm: Am Tag nach ihrer Trennung war er hier eingezogen. Er hatte sich Takeaway-Essen besorgt, das ihm nicht schmeckte und quer durch das TV-Programm gezappt ohne etwas zu finden, was ihn ablenken oder aufmuntern würde. Als gegen Mitternacht die Feuerwerke an verschiedenen Orten in der Stadt begannen, sah er eine Liveübertragung davon und fing an zu heulen. Nicht, weil er es nicht live sehen konnte. Auch nicht, weil er keine Party besuchte, wie all die Jahre zuvor, oder mit Freunden feierte. Sondern, weil er allein war. Und wegen den verdammten Medikamenten konnte er sich noch nicht einmal betrinken.

In den Tagen nach Silvester fing er schon an zu weinen, als er ins Bad ging und feststellen musste, dass ihm die Zahnpasta ausgegangen war und er kein Essen mehr hatte. Er hasste sich dafür, aber das machte alles nur noch schlimmer. Wahrscheinlich sah er nur noch aus wie ein Schatten seiner Selbst, aber er mied den Blick in den Spiegel. Was sollte nur werden? Er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Das Hotel war einigermaßen günstig, aber auf Dauer würde er es sich nicht leisten können. Er hatte einiges an Ersparnissen, aber die wollte er natürlich nicht aufbrauchen. Er nahm seine Antidepressiva, wie seit Jahren schon, aber auch die konnten manchmal die Weinkrämpfe und die Niedergeschlagenheit nicht vollends verhindern.

Auch einen normalen gesunden Menschen hätte eine Trennung mitgenommen, das sagte Esteban sich immer wieder. Für ihn war das doppelt schwer. Was hatte er falsch gemacht mit Cedric? Er hätte ihm viel früher von seinen Depressionen erzählen müssen, das war ihm klargeworden. Aber er hatte darauf gehofft, dass es einfacher gewesen wäre, es ihm zu sagen, wenn sie sich schon eine Weile gekannt hätten. Aber vielleicht hätte sich Cedric von vornherein nicht auf eine Beziehung mit ihm eingelassen, wenn er es von Anfang an gewusst hätte?

Vor ihrer Beziehung war Esteban längere Zeit Single gewesen. Sein erster Freund damals in der High School hatte selbst Probleme gehabt, mit seiner Familie. Die kamen nicht damit klar, dass er schwul war. Ihre Beziehung endete, als Esteban aufs College ging. Wahrscheinlich war es besser so, weil sie beide Probleme gehabt hatten, die eine Belastung darstellten.

Ihm fiel die Decke auf den Kopf in diesem ranzigen kleinen Hotelzimmer, aber er hatte keine Energie übrig, um viel nach draußen zu gehen, geschweige denn unter Leute. Aber zu wem hätte er auch gehen sollen? Abgesehen von Paula, Cedric und dessen hochnäsigen Verwandten kannte er praktisch niemanden hier. Ihm war auch nicht danach, neue Bekanntschaften zu schließen. Oft saß er stundenlang einfach nur auf dem klapprigen Bett und starrte die leere Wand an, während seine Gedanken hin und her rasten oder sich im Kreis drehten.

Vermutlich war es das Klügste, wieder in die Staaten zu ziehen. Wenn alle Stricke rissen, konnte er seine Eltern bitten, ihn vorübergehend wieder aufzunehmen. Kein angenehmer Gedanke, wieder in sein altes Kinderzimmer zu ziehen, aber es wäre immerhin eine Möglichkeit.

Und in dem Zusammenhang wäre es gewiss gut, sich bei seiner ehemaligen Agentur in den Staaten zu melden. Vielleicht würden sie ihn wieder aufnehmen, wenn er zurückkehrte? Außerdem würde er seinen Umzug organisieren müssen und seine restlichen Sachen von Cedric abholen. Im Grunde war es nicht viel, aber das alles zusammen erschien ihm wie ein gewaltiger Berg, den er ganz allein Stein für Stein abtragen musste. Auch daran war seine verdammte Erkrankung schuld. Warum konnte sein Leben nicht zur Abwechslung mal einfach sein?

Das Telefon klingelte; er schrak zusammen. Einen Moment lang wollte er es einfach klingeln lassen, wofür gab es schließlich Voicemail. Aber es lag direkt vor ihm auf dem Tisch und blinkte anklagend. Paulas Name wurde ihm angezeigt. Sie beide kannten sich schon lange, und sie hatte ihn mit Kusshand in ihrer Agentur hier in London aufgenommen.

Zögernd drückte er auf die Taste, hielt das Telefon ans Ohr.

„Hi Esteban, wie geht’s dir?”

„Beschissen ist geprahlt.”

„Ach, du Ärmster. Wegen der Trennung, nicht wahr?”

Er gab ein zustimmendes Geräusch von sich. Paula wusste nichts von seiner Krankheit. Das Ende seiner Beziehung mit Cedric gab ihm einen Vorwand, warum er sich so hängen ließ.

„Hab ich schon befürchtet”, sagte sie. „Aber ich hab etwas, um dich aufzumuntern. Morgen abend läuft ,Viel Lärm um Nichts’ im Royal Haymarket Theatre. Ich hab mir sagen lassen, eine sehr lustige, moderne Inszenierung. Ich hab eine Freikarte über, und da dachte ich, das wäre doch bestimmt etwas für dich…”

Eine heitere Shakespeare-Komödie? Das fehlte ihm gerade noch.

„Ich weiß nicht, Paula…”

„Ach, komm schon. Wie lange willst du dich denn noch verkriechen?”

Esteban zögerte. Er kannte Paula gut genug um zu wissen, dass sie nicht nachgeben würde. Vermutlich war es besser, eine zweistündige Komödie über sich ergehen zu lassen, als sich weiter ihre gutgemeinten Ratschläge am Telefon anzuhören. Außerdem würde er sich dann aufraffen müssen, mal wieder aus dem Haus zu gehen. Vielleicht war es keine so schlechte Idee. „Na schön, ich komme mit. Danke.”

„Prima. Ich hol dich ab, morgen um halb sieben.”

 

*

 

„Na, bereit für ein bisschen Weiterbildung?”, empfing ihn Paula vor dem großen alten Theater in der Suffolk Street, ein weißes Gebäude mit einem hohen Säulen-Portikus vor dem Eingang, der an antike Tempel erinnerte.

„Wie meinst du das?”, fragte er.

„Kennst du das Stück schon?”, erkundigte sie sich.

„Nein.”

„Na siehst du.” Sie lachte und schmatzte ihm ein Küsschen auf die Wange zur Begrüßung.

Wenig später saßen sie in bequemen, samtig gepolsterten Sitzen in einem sehr großen Theatersaal, dem man anmerkte, dass er vor langer Zeit gebaut worden war. An der Decke gab es aufwändige, detaillierte Wandbemalungen und die zum Teil vergoldeten Wände waren mit dekorativen Stuckelementen verziert; Glanz und Gloria einer längst vergangenen Zeit. Esteban fühlte sich ein wenig in einen alten Palast versetzt.

„Es sind gute Schauspieler dabei, schau mal hier.” Paula deutete auf eine Seite im Programmheft, welches sie an der Kasse gekauft hat.

„Oliver Waits als Benedict und Anna Ripton als Beatrice.”

Er zuckte mit den Achseln. „Sagt mir nicht viel.”

„Dann lass dich überraschen, das wird bestimmt gut.”

Das Bühnenbild bildete einen starken Kontrast zu dem goldglänzenden Saal, es war sehr minimalistisch und wirkte modern. Nicht gerade das, was er bei einem Stück aus der Renaissance-Zeit erwartet hatte. Anfangs hatte er Schwierigkeiten, dem Shakespeare-Englisch zu folgen, aber nach einer Weile gewöhnte er sich an die alten Ausdrücke und die ungewohnte Aussprache mancher Worte, auch wenn er nicht alles verstand. Ein Lied, dass ein gewisser Balthasar zum Besten gab, begleitet von einer modernen Gitarre, ließ ihn aufhorchen.

 

„Klagt, Mädchen, klagt nicht Ach und Weh,

Kein Mann bewahrt die Treue;

Am Ufer halb, halb schon zur See

Reizt, lockt sie nur das Neue!

Weint keine Trän und laßt sie gehn,

Seid froh und guter Dinge,

Dass statt der Klag und dem Gestöhn

Juchheissassa erklinge.

 

Singt nicht Balladen trüb und bleich,

In Trauermelodien:

Der Männer Trug war immer gleich,

Seitdem die Schwalben ziehen!

Weint keine Trän und lasst sie gehn,

Seid froh und guter Dinge,

Dass statt der Klag und dem Gestöhn

Juchheissassa erklinge.”

 

Angesichts dieser Zeilen musste Esteban unweigerlich an Cedric denken und spürte einen Kloß in seiner Kehle. Froh und guter Dinge sein? Leichter gesagt, als getan. Ob er jemals einen Mann finden würde, der bei ihm blieb, trotz allem? Aber im Moment hatte er von Beziehungen ohnehin die Nase voll.

Immerhin, das Stück war wirklich gut. Die Verwicklungen der Handlung, der verbale Schlagabtausch, den sich der Benedict und die Beatrice fast durchgehend lieferten, waren eine willkommene Abwechslung für ihn, auch wenn ihn die alte Sprache weiterhin irritierte.

Allerdings brachten es die meisten der Darsteller fertig, die alten Verse so natürlich vorzutragen, als würden sie immer so sprechen. Dazu trugen sie ganz moderne Kleidung, die Beatrice sogar einen hellen Hosenanzug. Das passte sehr gut zu ihrer etwas burschikosen Art.

Der Darsteller des Benedicts gefiel Esteban besonders gut, und längst nicht nur, weil er attraktiv aussah. Seiner Rolle schien der Schalk im Nacken zu sitzen: Viele seiner Zeilen trieften vor Sarkasmus. Der Schauspieler hatte eine kräftige, melodiöse Stimme, die gewiss auch die hinteren Zuschauerreihen locker erreichte. Vermutlich hatte er das in der Schauspielschule gelernt.

Esteban stieß Paula an und fragte leise: „Wer spielt den Benedict?”

„Sagte ich doch – Oliver Waits. Klasse, oder?”

„Jep. Das könnte ich nie.”

Sie grinste verschmitzt. „Mach dir nichts draus. Du bist halt nicht auf eine englische Schauspielschule gegangen. Da kommt man an Shakespeare nicht vorbei. Er ist übrigens auch in unserer Agentur.”

„Wer, Shakespeare?”

„Du Scherzkeks. Oliver Waits meine ich.”

„Ach so. Hast du deshalb die Freikarte übrig gehabt?”

„Du bist ein schlauer Kerl.”

„Kannst du uns bekannt machen, nach der Vorstellung?”

Ein „Psst!” von ihrem linken Sitznachbarn erinnerte daran, dass sie sich in einer Theatervorstellung befanden und entsprechend leise sein sollten.

„Später”, flüsterte Paula ihm zu. Esteban nickte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Bühne zu.

Das Stück endete nach einigen Turbulenzen glücklich, wie es sich für eine Komödie gehörte. Und es hatte ihn wirklich für eine Weile von seinen Sorgen abgelenkt, mal abgesehen von Balthasars Lied.

Während die Theaterbesucher den Saal verließen, dirigierte ihn Paula in den Backstage-Bereich. Sie fragte sich durch bis zur Garderobe von Oliver Waits und gab dabei an, dass sie seine Agentin sei. Wenig später klopfte sie an einer Garderobentür an.

„Herein”, kam es von drinnen.

Sie öffnete die Tür und Esteban folgte ihr nach drinnen.

Oliver Waits saß vor einem beleuchteten Spiegel und war gerade damit beschäftigt, sich mit Feuchttüchern abzuschminken. „Hallo Paula, schön dich zu sehen.”

„Hi Oliver. Darf ich dich mit Esteban Anderson bekannt machen?”

„Sehr erfreut.” Oliver nickte ihm höflich zu. Erst jetzt, in der hellen Beleuchtung, konnte Esteban dessen Gesicht deutlich erkennen. Er sah noch viel besser aus als von weitem. Die lange, gerade Nase war von Sommersprossen überzogen, das wellige Haar changierte zwischen Sand und Dunkelblond und die Augen … schwer zu sagen. Vielleicht grün oder grau. Oder etwas dazwischen? Außerdem hatte er ein auffälliges Muttermal mitten auf der rechten Wange, ohne das er vielleicht allzu „glatt” ausgesehen hätte. Dazu einen Dreitagebart, ähnlich seinem eigenen, der die Lässigkeit des Benedicts gut betonte.

Mist, er starrte Oliver schon viel zu lange schweigend an. Esteban räusperte sich. „Freut mich auch. Ich bin übrigens ebenfalls Schauspieler.”

„Aha…” Oliver wischte sich weiter die Schminke ab.

„Esteban ist auch bei uns in der Agentur, aber er wohnt noch nicht so lange in London”, erklärte Paula.

„Verstehe. Dann wünsch ich Ihnen viel Erfolg hier, Esteban.”

„Danke. Ihnen auch … ich meine, weiterhin.”

„Danke sehr. Entschuldigt mich bitte, die Regisseurin und ich haben gleich noch ein Interview mit einer Dame von London Theatre.”

„Alles klar.” Paula umarmte ihn. „Schönen Abend noch.”

„War schön, Sie kennenzulernen”, sagte Esteban.

„Gleichfalls.” Oliver schenkte ihm ein freundliches Lächeln zum Abschied.

Auf dem Weg nach draußen stupste Paula ihn an. „Gib’s zu — er gefällt dir, nicht wahr?”

„Paula!”

„Was ist denn?”

„Ich hab mich gerade erst von Cedric getrennt. Ich trauere noch.”

„Das hab ich gemerkt. Er ist übrigens bi, hat sich vor kurzem geoutet.”

„Wer?”

„Na, von wem sprachen wir denn gerade? Oliver.”

„Schön für ihn.”

Sie seufzte. „Ich geb’s auf. Ich hätte gar nicht erst davon anfangen sollen. Aber mal was anderes – traust du dir eine Rolle in einem Hörspiel zu? Ist nur was Kleines, aber sie suchen einen Amerikaner.”

„Von mir aus gern. Ich hab vor zwei Jahren mal was in dem Bereich gemacht, das war für ein Kinderhörspiel.”

Sie lächelte erfreut. „Prima, ich schreib dir morgen die Einzelheiten.”

 

In dieser Nacht wachte er verwirrt auf. In seinem Traum hatte er gemeinsam mit Oliver Waits auf der Bühne gestanden – dieser hatte den Benedict gespielt, aber auch Balthasars Lied gesungen. Esteban selbst trug einen hellen Anzug, ähnlich wie die Beatrice. Oliver und er hatten sich wie in dem Stück ein spielerisches Wortgefecht geliefert, soviel wusste er noch. Doch an den genauen Wortlaut erinnerte er sich nicht mehr.

Was ihn an dem Traum verwirrte, war die Tatsache, dass sonst in seinen Träumen entweder nur Fremde auftauchen oder aber Personen, die ihm sehr nahe standen. So hatte er in letzter Zeit mehr als einen Albtraum gehabt, in dem er die Trennung von Cedric aufs Neue durchlebte. Manchmal tauchten auch seine Eltern in seinen Träumen auf, oder Freunde aus Los Angeles. Aber meistens war es so, dass er sich gar nicht daran erinnern konnte, was er geträumt hatte. Warum war also ausgerechnet dieser Oliver Waits in seinem Traum aufgetaucht?

 

*

 

In den Wochen, die auf den Theaterbesuch folgten, arbeitete Esteban zunächst als Sprecher für das Hörspiel, das Paula ihm vermittelt hatte. Da es nur eine kleine Rolle war, dauerte der Auftrag nicht lang.

Kurz darauf bekam er dank der Agentur eine kleine, kurzfristige Rolle in einer Krimiserie – einen Tatverdächtigen, der nur in einer Folge auftauchte und sich einem kurzen Verhör stellen musste, das er mit mürrischer Miene beantwortete. Für Esteban war es eine Gelegenheit, sich auch vor der Kamera an einem britischen Akzent zu versuchen.

Schon in den Tagen vor dem Dreh sprach er auf diese Weise und führte sogar Selbstgespräche, wenn er allein war. Es half ihm sehr, dass er tagtäglich von Menschen umgeben war, die ebenfalls so sprachen.

Der Regisseur verlangte mehrere Aufnahmen der Szene, aber das war so üblich. Nach der fünften Wiederholung zeigte er sich zufrieden.

 

Kurz darauf hatte Esteban ein weiteres Vorsprechen. Er war Paula dankbar; die Arbeit gab ihm Auftrieb und lenkte ihn von seiner Misere ab, so dass er nicht ständig an Cedric dachte.

Auf der Suche nach einer Bleibe durchforstete er immer wieder das Internet. Er rief auch bei einigen Vermietern an, doch manche wimmelten ihn ab, andere erklärten, die betreffende Wohnung sei bereits vergeben. Er spielte mit dem Gedanken, mit britischem Akzent zu sprechen, weil er sich nicht sicher war, ob diese Leute einfach keine Wohnungen an Ausländer vermieten wollten. Andererseits konnte man seinen Vornamen als Hinweis betrachten, dass er kein Engländer war. Aber es gab noch ein weiteres Problem: Die meisten der angebotenen Wohnungen waren viel zu teuer, oder das Preis-Leistungsverhältnis stimmte nicht. Bei einigen Angeboten stand dabei, dass sie für Wohngemeinschaften geeignet seien. Aber das konnte Esteban sich beim besten Willen nicht vorstellen. Er brauchte Zeit für sich allein und wollte sich nicht auf andere Leute und deren Gewohnheiten einstellen müssen. Vor allem nicht nach seinen Erfahrungen mit Cedric.

Er wollte schon aufgeben, da fiel ihm eine Anzeige für eine Single-Wohnung in South Hampstead auf, die für einige Monate untervermietet wurde. Der Mieter würde für einige Zeit im Ausland arbeiten, stand dabei. Vielleicht eine praktische Übergangslösung, weil Esteban schließlich immer noch überlegte, ob er nicht doch zurück nach Kalifornien ziehen sollte.

 

Wenige Tage später ging er zum Wohnungsbesichtigungstermin, der in der Anzeige angegeben war. Der Stadtteil machte auf ihn einen gediegenen Eindruck: Rötliche Backstein-Wohnhäuser reihten sich in der Straße aneinander, die von vielen Bäumen gesäumt war, und ganz in der Nähe gab es einen Park. Gut zwei Dutzend Interessenten wartete bereits vor der Wohnungstür. Esteban fühlte sein Herz sinken.

Der Vermieter empfing ihn und die anderen Leute im Business-Look, mit Anzug und Krawatte. Esteban hatte sich ebenfalls in Schale geworfen, auch auf die Gefahr hin, zu „geschniegelt” zu wirken. Er wollte einen seriösen Eindruck machen und hob sich mit seinem Outfit von den anderen Interessenten ab, die in Jeans, Cargohosen und ähnlicher Freizeitkleidung hergekommen waren.

Die Wohnung gefiel ihm auf Anhieb. Der Hausherr schien einen minimalistischen Stil zu bevorzugen. Die wenigen dunklen Möbel wirkten edel.

„Ich bin einige Monate geschäftlich in Malaysia”, berichtete der Mann. „Einmal in der Woche kommt eine Reinigungskraft und macht hier sauber. Die Gebühr dafür ist in der Miete mit drin. Ich habe für Sie alle einen Fragebogen vorbereitet. Bitte füllen Sie ihn aus, dann sitzen wir nicht bis heute Nacht hier und Sie müssen mir nicht nacheinander erzählen, wer Sie sind und was Sie beruflich machen.”

Während Esteban sich einen der Bögen und einen bereitliegenden Kugelschreiber nahm, fragte er sich, ob er überhaupt eine Chance hatte. Er war weder Brite noch hatte er eine feste Arbeitsstelle. Aber vielleicht ging es manchen der anderen Bewerber ja ähnlich, zumindest was den Job betraf?

Er füllte den Bogen aus. Angesichts seiner unsicheren Joblage erwähnte er vorsichtshalber den Betrag seiner Ersparnisse, der dank seiner langen Zeit bei der Seifenoper nicht unerheblich war. Anschließend reichte er dem Hausherrn den Bogen.

„Danke. Ich melde mich so schnell wie möglich bei Ihnen, auch im Fall einer Absage”, sagte dieser.

„Das ist sehr freundlich, danke.”

„Haben Sie noch Fragen?”

„Ich habe vorhin Ihre Möbel bewundert. Woher stammen sie?”

Die Miene des Mannes hellte sich auf und er berichtete Esteban mit sichtlichem Stolz, dass er einige der Möbel auf einer Auktion für Antiquitäten ersteigert hatte.

„Da haben Sie aber Glück gehabt, eine schöne Auswahl”, erwiderte Esteban. „Ich werde sie gut behandeln, falls Sie sich für mich als Untermieter entscheiden.”

„Das freut mich zu hören. Ich melde mich.”

Am übernächsten Tag klingelte sein Telefon. „Guten Abend, Mister Anderson. Ich würde mich freuen, Sie als Untermieter zu haben.”

Esteban musste an sich halten um nicht ein lautes ,Yeah!’ von sich zu geben. Stattdessen antwortete er: „Oh, das ist ja großartig! Vielen Dank.”

„Wann haben Sie Zeit für die Schlüsselübergabe? Und dann können wir auch weitere Einzelheiten besprechen.”

Sie verabredeten sich für Ende der Woche.

 

Bereits in der darauffolgenden Woche konnte Esteban in die Wohnung in South Hampstead einziehen und damit das schäbige Hotel hinter sich lassen.

Das brachte allerdings mit sich, dass er sich noch einmal mit Cedric treffen musste. In dessen Wohnung stand noch immer ein Teil seiner Sachen, die er im Hotelzimmer nicht hatte unterbringen können. Ihm grauste vor dieser Begegnung, aber da musste er wohl oder übel durch.

Es war schon relativ spät am Abend, als Cedric ihm die Tür öffnete. Esteban schluckte. Cedric trug ein Businesshemd mit offenem Kragen und eine anthrazitfarbene Hose mit Bügelfalte. Das Outfit stand ihm verdammt gut. Offenbar war er gerade erst von der Arbeit nach Hause gekommen.

„Freut mich für dich, dass du eine Wohnung gefunden hast. Ich dachte, du ziehst vielleicht zurück nach Kalifornien”, begrüßte sein Ex ihn.

„Nein, ich bleibe erst mal in London”, gab Esteban zurück. Er machte sich nicht die Mühe zu erklären, dass er vorübergehend zur Untermiete wohnte. Sollte Cedric doch denken, was er wollte.

„Dein Zeugs steht im Wohnzimmer. Soll ich dir ein Taxi rufen, dann kannst du es damit in die neue Wohnung transportieren?”

Offenbar war seinem Ex nicht der Gedanke gekommen, er könnte Esteban mit seinem eigenen Wagen aushelfen.

Esteban brachte es nicht über sich, ihn um diesen Gefallen zu bitten. Ja, schlimmer noch, er musste sich zwingen, vor ihm nicht die Fassung zu verlieren und in Tränen auszubrechen.

Er biss sich auf die Lippe, der Schmerz lenkte ihn ab. „Ja, ist gut, danke.”

Wenig später schleppten sie zusammen die Kartons und Taschen hinunter. Während der Taxifahrer wartete, umarmte Cedric Esteban kurz. „Das war es dann wohl. Mach’s gut.”

„Du auch”, erwiderte er mit gemischten Gefühlen.

Er setzte sich ins Taxi und sah nach draußen, doch Cedric wartete nicht, sondern hatte sich bereits umgedreht.

Auf Nimmerwiedersehen.

 

Abends, in der neuen Wohnung, erhöhte er die Dosis seines Medikaments leicht, um nicht wieder nächtelang wach zu liegen und zu grübeln.

Schon bevor er hierhergezogen war, hatte er im Internet nach einem Londoner Therapeuten gesucht und schließlich einen Psychiater gefunden, der sich bereit erklärt hatte, seine Behandlung zu übernehmen. Er hatte noch nach anderen Therapeuten Ausschau gehalten, doch bei vielen gab es eine längere Warteliste und bei diesem hatte er Glück gehabt. Er hatte mit ihm abgesprochen, dass er seine Dosis je nach Beschwerden leicht variieren durfte, so wie er es bereits von früher gewohnt war.

 

*

 

In diesen Tagen fühlte sich Esteban zurückversetzt in seine Anfangszeit als Schauspieler, in der er sich von einer kleinen Rolle zur nächsten gehangelt hatte. Allerdings war es immer noch ungewohnt für ihn, hier in dieser fremden Stadt. Das fing bei dem Linksverkehr an, ging über die auffallend höflichen Umgangsformen der Menschen bis hin zu dem teilweise gewöhnungsbedürftigen Essen.

An Fish and Chips würde er sich sein Lebtag nicht gewöhnen, aber er konnte sich nur selten dazu aufraffen, selbst zu kochen und besorgte sich deshalb oft Fertiggerichte oder etwas von einem Imbiss.

Die kleinen Rollen hatten etwas Gutes, sie lenkten ihn ab und das konnte er nach der Trennung gut gebrauchen. Außerdem zwang es ihn, regelmäßig unter Leute zu gehen.

Er schlief immer noch schlecht, träumte oft von seinem Ex und wachte dann verschwitzt und unglücklich auf. Hinzu kam, dass er hier bis auf Paula kaum jemanden kannte. Sicher, sie hatte ihm Oliver Waits vorgestellt, aber das war halt nur eine flüchtige Bekanntschaft.

Esteban ertappte sich beim dem Gedanken, dass er diesen Mann gern näher kennengelernt hätte. Mach dich nicht lächerlich, schimpfte er mit sich selbst. Du hast die Nase voll von Beziehungen und wahrscheinlich ziehst du eh bald wieder nach Kalifornien, also hast du auch keinen gesteigerten Bedarf an Freundschaften hier in der Stadt. Außerdem wusste er so gut wie nichts über Oliver, abgesehen davon, dass dieser bi war, wenn er Paula richtig verstanden hatte. Vermutlich war Oliver längst vergeben und hatte bereits einen großen Freundeskreis...

Mit seinen Freunden in den Staaten zu telefonieren oder zu texten war auch kaum drin, wegen der Zeitverschiebung von minus acht Stunden. Antworten auf seine Textnachrichten bekam er deshalb immer zeitversetzt, was ihn zunehmend nervte.

Hin und wieder rief er seine Eltern an und versicherte ihnen, dass es ihm gutgehe, auch wenn das nicht ganz stimmte. Aber er wollte nicht, dass sie sich sorgten. Es war schwer genug für sie, dass er nun über fünftausend Meilen von ihnen entfernt lebte. Natürlich fragten sie ihn auch nach Cedric und so rückte er schließlich damit heraus, dass sie sich getrennt hatten. Aber er spielte seinen Herzschmerz herunter und behauptete, er hätte das Ende dieser Beziehung ohnehin schon kommen sehen. Immerhin versuchten seine Eltern nicht ihn zu überreden, wieder nach Kalifornien zu ziehen. Diese Entscheidung wollte er ganz allein fällen.

Oft sagte er sich: Morgen. Morgen schreibe ich an die Leute aus der Agentur daheim, ob sie mich wieder aufnehmen. Das wäre ein erster Schritt gewesen, sich in Kalifornien um Arbeit zu kümmern. Aber dann kam Morgen und er fand irgendeine Ausrede, warum es noch einen Tag warten konnte.

Zwischenzeitlich überlegte er sogar, seine Eltern zu fragen, ob er vorübergehend bei ihnen wohnen könnte. Allerdings hätte das nicht viel gebracht, denn sie wohnten in der Kleinstadt Carlsbad – eine mehr als zweistündige Autofahrt von Los Angeles entfernt. Zu weit für die Arbeit, nach der er suchte.

In einem Anfall von Frust löschte er sein Profil auf www.match.com. Von Beziehungen hatte er erst einmal gewaltig die Nase voll. Seine Libido war auch im Keller, schon längere Zeit. Das war nichts Neues für ihn und hing auch ein wenig mit den Medikamenten zusammen. Vermutlich ein weiterer Grund, warum Cedric nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte, denn in den letzten Wochen ihres Zusammenseins hatte Esteban Probleme mit dem Sex gehabt. Aber es war nun egal, wen kümmerte es schon? Er würde sich einfach weiter in Selbstmitleid suhlen...

Nach seinem Ausstieg aus Lifestyle of the Rich and Famous hatte er auch seine Profile in den sozialen Netzwerken gelöscht und nur noch eine Fanpage bei Facebook stehen lassen, über die er aber auch nicht erreichbar war.

Dort schrieb er nur noch selten etwas. Als er noch völlig unbekannt gewesen war, hatte er das Netzwerk genutzt, um mit Freunden im Kontakt zu bleiben, aber später bekam er ständig Nachrichten und Kommentare von Fans, was ihm zunehmend zeitraubend erschien und unter Druck setzte. Es nahm einfach zu viel Zeit in Anspruch, darauf zu reagieren.

Anfangs hatte er sich über die Aufmerksamkeit gefreut, aber schon bald wurde es ihm zu viel. Also wechselte er zu dem Nachrichtendienst Telegram, wo er nur noch mit einigen handverlesenen Freunden und beruflichen Kontakten kommunizierte. Eine davon war Paula.

An einem regnerischen Morgen textete sie ihm: Nächste Woche hab ich ein Vorsprechen für dich, für eine Rom Com. Kommst du heute in die Agentur und holst dir das Drehbuch ab?

Klar. Ich kann gleich vorbeikommen. Gib mir eine Dreiviertelstunde, antwortete er ihr.

Ist gut.

Wenig später saß er in ihrem Büro. An den Wänden hingen Bilder von Models und Schauspielern, viele davon in strengem Schwarzweiß. Auch sein Bild hing mittlerweile dort. Es zeigte ihn mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck im Profil.

Das von Oliver Waits fiel ihm erst jetzt auf. Der Fotograf hatte diesen in einem Moment großer Heiterkeit eingefangen, denn er lachte übers ganze Gesicht. Er hatte eine deutliche Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen, aber dieser kleine Makel war eher interessant, ähnlich wie das Muttermal auf der Wange. Esteban musste wieder an das Theaterstück und diesen seltsamen Traum denken, in dem er mit Oliver zusammen aufgetreten war.

Auf Paulas Schreibtisch stapelten sich Drehbücher und Portfolios.

„Wovon handelt denn die Story? Von dieser Rom Com, meine ich.”

„Also, das dürfte dir gefallen, denke ich. Ist so eine Art britische Variante von Lieblingsfeinde – eine Seifenoper, kennst du den? Mit Kevin Kline, Whoopy Goldberg und Robert Downey Junior?”

Esteban schüttelte den Kopf.

„Na ja, der ist aus den Neunzigern. Wundert mich nicht, dass du ihn nicht kennst. Jedenfalls, in dieser Story hier”, sie deutete auf ein Script, „geht es um ein Filmteam und mehrere Schauspieler, die eine Seifenoper drehen. Und natürlich ist auch eine Liebesgeschichte mit dabei, sonst wär’s ja keine Rom Com.”

„Und was wäre meine Rolle?”

„Du versuchst, die Protagonistin für dich zu gewinnen, verlierst aber letztendlich gegen den Protagonisten. Ihr seid Rivalen. Ach ja, und du spielst einen Amerikaner, wenn du die Rolle bekommst. Also brauchst du dir keine Gedanken wegen des Akzents zu machen.”

„Also eine größere Rolle?”

Paula nickte.

Das hörte sich schon einmal gut an. Aber er wollte gern noch mehr wissen. „Und worum geht es sonst noch?”

„Na ja, die üblichen Verwicklungen einer Komödie, und natürlich auch einige Intrigen am Set der Seifenoper. Lies es dir durch, dann erfährst du die Einzelheiten. Drehstart ist voraussichtlich in zwei Monaten. Deine Rolle heißt Rick.” Sie reichte ihm das Drehbuch. „Das Vorsprechen ist am Dienstag. Ich schreib dir die Adresse auf.”

„Vielen Dank, Paula.”

„Ich drück dir die Daumen. Vermassel es nicht, ja?”

„Hab ich nicht vor.”

„Gut so.”

Er war schon an Tür, als Paula sagte: „Ach, noch etwas…”

Esteban drehte sich um zu ihr.

„Ich habe natürlich gesagt, dass du bei einer Seifenoper mitgespielt hast. Sie fanden das ganz passend. Zeig ihnen, dass du mehr drauf hast als Melodrama. Das hier ist eine Komödie.”

Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Ich geb mein Bestes.”

 

Oliver

 

Das Vorsprechen für die Rom Com fand im Büro einer Casting-Agentur statt, bei der er schon einmal für eine Rolle vorgesprochen hatte. Aber das war schon Jahre her und seitdem hatte Oliver sich einen Namen gemacht. Von den kleinen Rollen in den kleinen Theatern zu den größeren und zwischendurch immer mal wieder etwas im Fernsehen. Oder auch in einem Kinofilm. Eine Liebeskomödie aus dem letzten Jahr hatte ihm einige neue Fans beschert.

Er erinnerte sich an Liam, einen der Mitarbeiter der Agentur.

„Hi, lange nicht mehr gesehen.”

Der braungebrannte Liam lachte, während er die Kamera einstellte, mit der das Vorsprechen aufgezeichnet wurde. „Du stehst ja nun auch mehr auf der Bühne, nicht wahr?”

„Ach, mal so, mal so. Ich mag das Theater, aber auch Filmdrehs. Das bringt mehr Abwechslung, finde ich.”

Zwei Frauen kamen herein, eine davon hatte ein Drehbuch unter dem Arm. „Hallo, ich bin Liz. Schön, dass Sie hier sind. Das ist Sally.”

Er kannte Sally Fain-Lewis von einigen Partys, hatte aber noch nie mit ihr zusammengearbeitet. Sie hatte eine goldblonde Mähne und trug im Alltag eine Brille. Heute hatte sie darauf verzichtet, vermutlich zugunsten von Kontaktlinsen.

„Hallo, Sally, schön, dich mal wieder zu sehen.”

Sally umarmte ihn. „Ebenso.”

Er wandte sich an Liz. „Wir beide kennen uns schon. Sollen Sally und ich ein Szene zusammen sprechen?”

„Genau. Überzeugen Sie beide uns mal von Ihren romantischen Qualitäten. Die Szene, in der Matthew und Margot sich kennenlernen.”

„Ah, ich weiß.” Sally lächelte und warf ihm einen verschmitzten Blick zu.

Er lächelte zurück.

In der ausgewählten Szene lernten sich die beiden Rollen auf einer Party der oberen Zehntausend kennen. Allerdings wusste sein Charakter bereits, mit wem er es zu tun hatte – Margot Pelham, die millionenschwere Tochter eines Kaufhausbesitzers. Und nun ging es darum, möglichst viel Charme zu versprühen. Aber fast noch wichtiger war eigentlich, dass die Chemie zwischen ihm und Sally stimmte. Kein Schauspieltalent der Welt konnte langfristig darüber hinwegtäuschen, wenn sich zwei Schauspieler nicht grün waren. Man hörte zwar immer wieder von Filmen, deren Hauptdarsteller sich auf den Tod nicht leiden mochten, aber das waren wohl eher unrühmliche Ausnahmen, denn in der Regel achteten die Filmemacher darauf, dass ihre Schauspieler zumindest auf der beruflichen Ebene gut miteinander zurechtkamen.

Oliver hatte Glück, denn er hatte Sally Fain-Lewis’ Talent bereits in einigen Filmen gesehen. Er versuchte gar nicht erst, sich vorzustellen, sie sei ein Mann, als sie nun im Rahmen ihrer Rollen miteinander flirteten. Das hatte er früher versucht, wenn es um Anziehungskraft ging, aber es funktionierte für ihn einfach nicht.

Stattdessen verließ er sich nun auf zwei Dinge. Zum einen kam ihm seine Bisexualität zur Hilfe, denn auch wenn er Männer bevorzugte, fand er immer noch manche Frauen ebenfalls anziehend. Zum anderen halfen ihm jahrelange Beobachtungen, Szenen aus romantischen Komödien ebenso wie Alltagsbeobachtungen. Wie Männer und Frauen miteinander flirteten, das unterschied sich eigentlich oft gar nicht so sehr von der Art, wie es bei schwulen Männern war. Tiefe Blicke, mehr oder weniger humorvolle oder anzügliche Kommentare, ein laszives Zurückstreichen der Haare, neugieriges Sich-Vorbeugen und noch andere typische Gesten oder Körperhaltungen.

Man musste seinem Gegenüber das Gefühl geben, er sei der wichtigste Mensch auf der Welt und ihm seine volle, ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. Und das tat er nun Sally gegenüber, die lächelnd darauf einging. Er hatte auf Anhieb ein gutes Gefühl bei ihrem Zusammenspiel.

„Sie sind ein Charmeur, Mister Fielding. Sprechen Sie immer so mit unverheirateten Damen?”, fragte sie ihn.

„Nein, Sie sind die erste”, gab er mit gespielt ernster Miene zurück.

„Das kann ich kaum glauben”, erwiderte sie schmunzelnd.

„Das müssen Sie auch nicht, meine Liebe, es ist aber die reinste Wahrheit, so wahr ich hier stehe.” Er ließ ein Lächeln um seine Mundwinkel zucken.

Sie betrachtete ihn einen Moment lang, ehe sie antwortete. „Da Ihnen keine lange Nase wächst und Sie nicht Pinocchio heißen, bin ich gewillt, Ihnen Glauben zu schenken.”

Er machte eine absichtlich übertrieben theatralische Geste, griff sich ans Herz. „Was für ein Glück!”

Ihre gemeinsame Darstellung kam gut an. Er merkte es an Liz’ Miene, als sie die Szene zu Ende gespielt hatten: Sie strahlte. „Wunderbar. Lassen Sie uns noch etwas aufnehmen. Diesmal einzeln…”

 

Na, wie ist es gelaufen?, textete Paula ihm später.

Ganz gut, schrieb er zurück.

Ganz gut wie in Understatement oder ganz gut wie in ,es lief prima’?

Lief prima. Sie melden sich.

Klasse! Paula sendete ihm einen Smiley, was sie sonst nur selten tat.

 

Abends hatte er einen Interview-Termin mit Gay’s Weekly. Es war das erste Mal für ihn, dass ihn ein queeres Magazin interviewte und auch wenn er schon einiges an Interviews hinter sich hatte, machte es ihn nervös. Oliver musste sich immer noch daran gewöhnen, nun öffentlich geoutet zu sein.

Er traf sich mit einem Journalisten des Magazins im Pub „The Duke of Wellington” in der Wardour Street inmitten von Soho. Dieser Pub war ein beliebter Treffpunkt für Schwule und deren Freunde. Die Außenfassade des Gebäudes an der Straßenecke war bunt gestrichen – hellblau, dunkelblau, grasgrün. Die traditionellen Pubschilder, die an der Mauer hingen, zeigten Portraits des Dukes. Das Innere wirkte eher wie eine Bar. Es war noch relativ früh. Die Musik spielte leise im Hintergrund und nur eine Handvoll Gäste frequentierte Thekenstühle und einige Tische.

Beim Betreten des Pubs nahm er seine Sonnenbrille ab. Ein ungefähr gleichaltriger Mann kam ihm entgegen, der eine Tasche mit dem bunten Logo von Gay’s Weekly trug. Ein paar Pubgäste blickten in ihre Richtung, vertieften sich dann aber wieder in ihre Gespräche.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739490762
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Juni)
Schlagworte
queer Liebesroman schwul England London Depression Romance Schauspieler gay

Autor

  • Amalia Zeichnerin (Autor:in)

Amalia Zeichnerin ist das Pseudonym einer Hamburgerin Autorin. Amalia schreibt Phantastik, Historisches, Cosy Krimis und Romance, gern mit queeren Protagonist*innen und Diversität, denn die Welt ist bunt und vielfältig.
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Titel: Die Rolle seines Lebens