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Dark Side of Trust

Im Schatten der Lust

von Mia B. Meyers (Autor:in)
290 Seiten

Zusammenfassung

Isabell ist Shoppingberaterin und an der Männerwelt nicht sonderlich interessiert. Bis sie auf einer Hoteleröffnung auf den charismatischen Investor-Tycoon Aiden Stone trifft. Sofort voneinander fasziniert, kommen sich die beiden schnell näher und es entfacht eine Leidenschaft, von der sie nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Doch Aiden hat Geheimnisse, die es ihm scheinbar unmöglich machen, eine Beziehung zu führen. Gelingt es Isabell, Aiden aus der Dunkelheit zu ziehen, die seine Vergangenheit immer wieder heraufbeschwört? Und kann Liebe wirklich alles aushalten? Enthält explizit beschriebene Liebesszenen Das Buch ist in sich abgeschlossen

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Impressum

Erstauflage Januar 2016

Copyright © 2016

Mia B. Meyers

c/o F. Meyer Unternehmen

Hohenbünstorf 41

29587 Natendorf


E-Mail: miabmeyers@gmail.com

www.miabmeyers.com


Covergestaltung: Casandra Krammer

Covermotiv: Shutterstock.com


Korrektorat: www.sks-heinen.de


Alle Rechte vorbehalten!


Nachdruck, auch auszugsweise,

nur mit schriftlicher Genehmigung

der Autorin.

Personen und Handlungen dieser Geschichte sind frei erfunden.

Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen, Orten oder Ereignissen sind zufällig und unbeabsichtigt.

Markennamen, die genannt werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.


Dieser Roman wurde unter Berücksichtigung der neuen deutschen Rechtschreibung korrigiert.

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

um einer eventuellen Enttäuschung vorzubeugen, möchte ich dich an dieser Stelle vorwarnen.

Vermutlich wird meine männliche Hauptfigur sich stellenweise sehr speziell ausdrücken. Er liebt klare Worte, zu denen auch der ein oder andere Kraftausdruck gehört.

Und ja, er ist so, obwohl er Anfang dreißig und Mitinhaber einer großen Firma ist. Er ist eine fiktionale Figur und darf es somit. Darüber hinaus, wer weiß schon, wie die oberen Zehntausend wirklich miteinander reden?!

Sollte schon dieses Vorwort nicht deinem Geschmack entsprechen, wird es leider auch der Rest nicht tun. Das würde ich zwar sehr bedauern, aber Geschmäcker sind nun einmal verschieden.

In diesem Fall muss ich mich an dieser Stelle leider von dir verabschieden. Ansonsten wünsche ich dir ganz viel Spaß beim Lesen und hoffe sehr, dass es dir gefallen wird.


Deine Mia

Kapitel 1

Isabell

Warum noch mal habe ich mich von Eva breitschlagen lassen, sie zu begleiten?

Ich bin auf der Eröffnung eines Fünfsternehotels, um meine beste Freundin Eva zu begleiten. Sie ist als Journalistin hier, um darüber zu berichten. Folglich hat sie sich gleich nach unserer Ankunft unter die Menge gemischt und mich zwischen all den Möchtegernreichen und -schönen stehen lassen. Dass ich eigentlich nur aus diesem Grunde mitkommen sollte, damit ihr eben diese fragwürdige Ehre erspart bleibt, hat sie in der Hektik wohl vergessen.

Ein weiteres Mal winke ich mir einen der Kellner herbei, die gefüllte Tabletts mit Champagnerflöten durch die Menschenmassen balancieren, und tausche mein leeres Glas gegen ein neues. Besonders schmecken tut die teure Plörre auch nicht, eher wie abgestandener Sekt aus dem Supermarkt. Aber wenn es schon was umsonst gibt, will ich mal nicht so sein.

Die Bar an der gegenüberliegenden Seite des Saales ansteuernd, schlängele ich mich durch die Menschenmassen, wo ich von einer Schulter zur anderen geschubst werde. Immer wieder weiche ich wild gestikulierenden Händen aus, sodass die Hälfte meines Gesöffs schon auf den Kleidern irgendwelcher Leute gelandet ist. Inmitten dieses Tumultes höre ich seitlich von mir ein »Pommespanzer, bist du das?« und bleibe abrupt stehen.

Das kann nicht sein, oder? Das darf einfach nicht wahr sein. Und schon schiebt sich mir Ben, unser damaliges Klassenarschloch, vor die Linse. Ihm habe ich eben diesen rühmlichen Spitznamen zu verdanken, der mich durch die gesamte Schulzeit begleitet hat.

»Mensch, du hast dich aber gemacht. Du hast sogar so was wie ’ne Taille und Kniescheiben bekommen.« Dabei schlägt er mir mit seinen Wurstfingern kameradschaftlich auf die Schulter und lacht grunzend wie ein Schwein beim Ertrinken in der Matschpfütze.

Dazu muss ich sagen, dass Ben weder damals noch heute jemand anderen als Pommespanzer betiteln dürfte.

Angewidert wische ich mir den Nachhall, den seine Berührung in mir ausgelöst hat, von der Schulter und zupfe am Saum meines Kleides, um es in die Länge zu ziehen.

»Hallo Ben. Und du, wie ich sehe noch immer nur deshalb einen Kopf, damit’s nicht reinregnet, was?« Seine kurze Sprachlosigkeit nutze ich, um meinen Weg in Richtung Bar fortzusetzen. Ich schiebe mich auf einen der Barhocker und kippe den letzten Schluck Champagner in mich.

»Na, harten Tag gehabt?« Der Barkeeper lehnt sich über den Tresen in meine Richtung und lässt seine Augenbrauen hüpfen. Dieser mehr als klischeehafte Auftritt bringt mich zum Lachen.

»Was wird einem denn empfohlen, wenn der Tag wirklich kaum zu ertragen war? Oder immer noch unerträglich ist.«

»Es steht nicht auf der Karte, aber ich kann dir meinen ›Scheißegal Spezial‹ anbieten.«

»Na, dann nehme ich den doch.«

Kurz darauf steht ein Cocktailglas mit rötlichem Inhalt vor mir. Bevor ich den ersten Schluck nehme, schnuppere ich daran, kann aber keinen Alkoholgeruch wahrnehmen. Er schmeckt fruchtig nach Kirschen, Bananen und noch irgendwas anderem. Viel besser als das Spülwasser von vorher.

Am Strohhalm nippend, wende ich mich der Menge hinter mir zu, um nach Eva Ausschau zu halten. Dabei wandere ich gedanklich in meine Zeit als Pommespanzer zurück.

Bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr wurde mein Mund von einer festen Zahnspange geziert und ich trug eine riesige schwarze Plastikbrille. Puck die Stubenfliege ist ein Scheißdreck dagegen. Wie der Name schon sagt, war ich auch … sagen wir mal zu klein für mein Gewicht. Kurzum, meine Schulzeit habe ich mehr oder weniger damit zugebracht, möglichst unsichtbar zu sein. Inzwischen bin ich achtundzwanzig Jahre alt, brillen- sowie zahnspangenlos und auch mein Körper hat sich, wie ich finde, zum Positiven verändert. Zwar bin ich noch immer kurvig, habe mich aber damit arrangiert. Aus einem Rottweiler macht man eben keinen Windhund.

Das Geräusch meines restesaugenden Strohhalms reißt mich aus den Gedanken. Durch den süßen Geschmack kann man den Alkohol im Cocktail kaum schmecken. Vielleicht ist auch wirklich keiner drin? Ist doch auch egal. Also bestelle ich mir einen zweiten Scheißegal Spezial. Der Barkeeper rät mir zwar, den ersten Cocktail kurz sacken zu lassen, aber ich bestehe auf einen weiteren.

Wieder suche ich mit meinem Blick den Saal ab und beurteile hier und da den Kleidungsstil einiger Anwesenden. Eva meint, das wäre meine Berufskrankheit als Personal Shopperin.

Damit verdiene ich mein Geld. Leute aus unterschiedlichsten Gründen einzukleiden oder sie beim Shoppen zu begleiten. Manche wissen einfach nicht, was zu ihnen passt, andere brauchen ein Kleid für besondere Anlässe. Einige haben einfach keine Zeit oder Lust, selbst durch die Boutiquen zu gehen, und manche sind schlichtweg geistig zu unterbelichtet, um sich selbst einzukleiden.

Gelangweilt schweift mein Blick weiter von links nach rechts durch die Masse elegant gekleideter Menschen, bis ich stutze und mein Kopf nach links zurückruckt, wo mein Blick am Rücken eines hochgewachsenen Mannes hängen bleibt.

Dieser schwarze Anzug ist definitiv maßgeschneidert und kostet schätzungsweise das, was ich in einem halben Jahr verdiene. Allein der exquisite Stoff des Anzuges sticht aus allen anderen hervor. Der Schnitt des Jacketts, welches sich perfekt an das breite Kreuz des Trägers schmiegt und sich in Richtung der Hüften verjüngt. Der Anzugtyp dreht sich etwas, sodass ich einen Blick auf sein Gesicht werfen kann.

Wow

Die dunklen Haare trägt er im Out-of-Bed-Look, was seinem kantigen, glatt rasierten Gesicht ein wenig von der Härte nimmt. Seine Augen, deren Farbe ich auf die Entfernung nicht erkennen kann, sind von einem Kranz dunkler Wimpern umrahmt, für die manche Frau töten würde. Seine Nase ist schmal und nicht zu lang, aber am meisten Aufmerksamkeit erregen seine sinnlichen Lippen. Meine Güte ist der Typ heiß … darauf brauche ich noch was zu trinken.

»Isch nehm noch ein.« Unbeabsichtigt hart knalle ich mein Glas auf den Tresen. Oha, Rhetorik und Motorik haben mich offenbar verlassen.

In dem Cocktail ist wohl doch etwas mehr Alkohol als vermutet. Viel kann es aber wirklich nicht sein.

»Erst mal das«, damit stellt er mir ein Glas Wasser vor die Nase, »dann bekommst du noch einen.« Und trotzdem beginnt er, meinen nächsten Cocktail zu mischen.

Das Wasser nehme ich, kippe es in meine Handtasche, die neben mir auf dem Barhocker liegt, und reiche ihm strahlend das geleerte Glas. Im Gegenzug nehme ich meinen neuen Cocktail entgegen.

Wieder der Menge zugewandt, steht der Anzugtyp noch immer in der Menschentraube, die um seine Aufmerksamkeit buhlt. Obwohl er freundlich mit ihnen zu reden scheint, liegt ein distanzierter, fast arroganter Ausdruck auf seinem Gesicht. Aber so ist es doch immer, oder? Schöne Männer wissen für gewöhnlich auch, dass sie schön sind. Und das macht sie zu den schlimmsten Exemplaren überhaupt.

Gerade will ich mich wieder umdrehen, da trifft mich sein Blick.

Ungewollt läuft mir bei der Eindringlichkeit seines Blickes eine Gänsehaut über den Rücken und ich will mich ertappt abwenden. Ein noch größerer Teil in mir will aber genau das nicht und so starre ich in gleicher Intensität zurück.

Wenn das mal nicht meine Chance ist. Mutig vom natürlich kaum vorhandenen Alkohol lasse ich meine Zunge hocherotisch über meine Lippen fahren, beiße mir mehrfach auf die Unterlippe und spiele mit meinen Haaren. So habe ich es gelesen und offenbar funktioniert es ja auch. Er kann den Blick kaum von mir lassen.

Autsch. Sofort breitet sich der Geschmack von Eisen in meinem Mund aus. Mit den Fingern ertaste ich die brennende Stelle meiner drangsalierten Lippe und sehe das Blut an meinen Fingerspitzen. Vielleicht bin ich die Sache doch etwas zu beherzt angegangen.

Nehme ich da etwa ein leichtes Zucken um seine Mundwinkel wahr?

Plötzlich lässt mich ein schluchzender Aufschrei von links aufschrecken.

»Oh nein, George, was ist denn mit meiner Louis Vuitton passiert? Was für eine riesen Sauerei!« Plastikgirl hebt ihre Handtasche an, die in einer Pfütze aus Wasser steht und eine tropfende Spur hinter sich herzieht.

Ob die arme Frau überhaupt noch mit den Augen klimpern kann? Ihr Gesicht sieht aus, als würde es in drei Hälften zerreißen, sollte sie es versuchen.

»Das ist wirklich desaströs. Haben Sie vielleicht gesehen, wie das passiert ist?«, fragt besagter George an mich gewandt.

Mein Blick wandert auf den anderen Hocker neben mir, auf dem meine trockene und zum Verwechseln ähnliche Handtasche steht.

Ups …

Ich schüttele den Kopf und drehe mich weg in Richtung Bar, hinter der der Keeper mich mit hochgezogenen Augenbrauen tadelnd ansieht.

»Da bist du ja, ich suche dich schon die ganze Zeit.«

Überglücklich über die Ablenkung freue ich mich, Eva zu sehen. Obwohl ich eigentlich sauer bin, dass sie mich hier die ganze Zeit allein hat sitzen lassen.

»Ich habe so weit alles. Nur der Hauptinvestor beantwortet keine Fragen. Wäre natürlich super gewesen, wenn nur ich ihn bei einem Interview hätte befragen können. Aber jetzt trinken wir erst mal was, hm?«

»Isch hab schonma ohna dich angfang.«

»Das merke ich. Was hast du denn getrunken, sag mal?«

»Schaißigal.«

»Wie bitte?«

Noch bevor ich meine schwere Zunge wieder in Wallung bringen kann, dreht sie mir den Rücken zu und überlässt mich wieder mir selbst. Müde und mit verschwommenem Blick starre ich auf mein schon wieder geleertes Glas. Einen noch und dann ist Schluss. Gerade will ich den Barkeeper zu mir rufen, da stellt er mir schon schmunzelnd ein Neues vor die Nase.

Meine Stirn müde auf dem Tresen abgelegt, höre ich Eva neben mir, wie sie auf schleimige Art und Weise jemandem »bitte, bitte, nur ein oder zwei Fragen« stellen will.

»Bedauerlicherweise gebe ich keine Kommentare ab, Miss Smith. Was mein Pressesprecher vor Beginn der Veranstaltung auch so angekündigt hat«, kommt die Antwort mit tiefer, souveräner Stimme.

»Badaualichawaisääää? Hülf dem amen Kerl, Eva, und zieh ihm deinen Kopf ausm Asch.« Hab ich das jetzt laut gesagt?

»Wie bitte, was haben Sie da gesagt?«, vernehme ich gerade gehörte Stimme direkt neben mir.

Oh, oh … Langsam hebe ich den Kopf mit der puckernden Stirn, bestimmt habe ich dort nun einen roten Abdruck, streiche mir den Vorhang von Haaren aus dem Gesicht und sehe in zwei dunkelblaue funkelnde Augen.

Erschrocken atme ich ein. Scheiße, die Augen gehören zu dem heißen Anzugtypen …

Noch bevor ich reagieren kann, wirft sich Eva zwischen uns, entschuldigt sich in meinem Namen bei ihm und zerrt mich von meinem Barhocker. Mit wackligen Beinen komme ich zum Stehen und teile Eva mit, dass ich nicht werde gehen können. Ohne es zu probieren, weiß ich es und halte mich wie eine Ertrinkende an dem vor der Bar verlaufenden Griff für Besoffene fest. Am liebsten möchte ich weinen.

»Der Pommespanzer rollt nicht mehr«, jammere ich. »Weil er stinkbesoffen ist. Ich werde alles, was sich in diesem Raum befindet, gnadenlos niederwalzen. Einschließlich Ben, diesem kleinen Wurm.« Vielleicht also doch keine so blöde Idee, stelle ich kichernd fest.

Mein Blick sucht verzweifelt nach Eva, die den Barkeeper beschimpft, als plötzlich der Anzugtyp neben mir auftaucht.

»Darf ich?« Damit deutet er auf mich.

Ha, wusste ich es doch, er steht auf mich.

»Sie dürfen damit machen, was Sie wollen.« Dabei pendele ich mit dem Finger über meinen Körper.

Vage bekomme ich noch mit, dass Eva sich prustend die Hand vor den Mund hält, als er mich schon auf seine Arme hebt. Aus Angst, dass er mich nicht halten kann, klammere ich mich an seinen Hals. Dabei kommen wir uns so nah, dass ich seine Körperwärme spüren und seinen Geruch wahrnehmen kann.

Eine Mischung aus Lavendel, Leder und Whisky. Ein warmes Kribbeln durchströmt meinen Körper und sammelt sich zwischen meinen Beinen. Was passiert hier mit mir? Länger als angemessen bleibt mein Blick an seinen Lippen hängen, bevor ich ihm in die Augen sehe, in denen ich ein Funkeln zu erkennen glaube. Doch bevor ich es weiter deuten kann, unterbricht er den Blickkontakt. Trägt mich durch die Menge, die ihm wie selbstverständlich eine Schneise nach draußen freiräumt, wo er mich direkt auf dem Rücksitz eines Taxis absetzt.

Leise bedanke ich mich bei ihm, kann ihm aber keine Regung mehr entlocken. Kaum ersichtlich nickt er Eva zu und verschwindet wieder in dem Hotel.

Laut lachend fällt Eva neben mir auf die Rücksitzbank.

»Ich glaube es ja nicht, Isa! Aiden Stone hat dich ins Auto getragen. Hast du überhaupt eine Ahnung, wer das war?«

Nein, die habe ich nicht.

Ich will sie noch über ihn ausfragen, verliere aber gegen die plötzlich aufkommende Müdigkeit und schlafe wenige Sekunden später ein.

Kapitel 2

Isabell

Mit einem Kaffeebecher in der einen und Laptoptasche in der anderen Hand drücke ich mit meinem Rücken die Tür zur Agentur Attractive auf, bei der ich arbeite. Wie so oft lasse ich mich in letzter Minute auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch plumpsen. Insgesamt besteht unser Team nur aus vier Leuten. Neben mir gibt es noch Daniel, den Personal Shopper, Hannah, die Stylingberaterin, und unsere Chefin Addison, die nur noch einige ihrer Stammkunden selbst bedient.

Gerade hatte ich noch Hoffnung, dass Addison mein Kommen nicht bemerkt hat und ich mich unbemerkt an meinen Platz setzen kann. Um dann so zu tun, als wäre ich schon längst hier und in die Arbeit vertieft. Da höre ich sie schon über den kurzen Flur rufen.

»Isabell, bist du das? Komm doch bitte mal kurz in mein Büro.«

Mist, das ist gar nicht gut. Wie oft hat sie mir schon gesagt, dass ich eine Abmahnung bekomme, wenn ich nicht an meiner Pünktlichkeit arbeite. Fragend blicke ich zu Hannah, deren Schreibtisch vis-à-vis zu meinem steht. Die zuckt nur mit den Schultern, um sich dann wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Also gehe ich widerwillig in den hinteren, abgeteilten Bereich zu Addison.

»Setz dich.« Ohne aufzusehen, zeigt sie auf den Platz ihr gegenüber. »Sagt dir die Firma Stone & Benett Investment was?«

»So spontan glaube ich nicht, warum?«

»Stone & Benett Investment ist eine millionenschwere Investorenfirma, die in etlichen Wohnungen, Firmen, Hotels und was weiß ich nicht alles ihre Finger hat. Ergo: Das ist ein riesiger, extrem fetter Fisch.« Sie strahlt mich an, als hätte sie mir gerade gesagt, dass sie ein echtes Einhorn gesehen hat. Ein Einhorn ist aber tausendmal besser als eine Abmahnung und so strahle ich zurück.

»Heute Morgen hat eine Mrs. Tanner angerufen. Einer der Inhaber sucht einen zweiten Personal Shopper.«

Wartet sie jetzt auf eine bestimmte Reaktion? Ich grinse einfach noch ein bisschen weiter, das kommt immer gut.

»Weißt du, was das für unsere Firma bedeutet?« Sie hält sich die Hände vors Gesicht und schreit leise rein. Junge, die freut sich aber wirklich.

»Wow, das ist ja super. Dann bin ich ja mal gespannt, was daraus wird.« Immer noch leicht verunsichert, auf welche Rückmeldung sie wartet, stehe ich auf, um zu meinem Platz zurückzukehren.

»Stopp, ich war noch nicht fertig. Ich habe dich gefragt, ob du die Firma kennst, weil explizit nach dir verlangt wurde. Du sollst den Auftrag ausführen.«

Zwei Stunden später stehe ich vor einem mir sehr wohlbekannten anthrazitfarbenen Hochhaus in der North Wabash Avenue. Dadurch dass Fassade und Fenster farblich identisch gehalten sind, scheint der ganze Turm fast schwarz zu sein. Lediglich der Eingang ist in eine helle Glasfront gefasst.

Bislang wusste ich nur, dass der Turm einer Firma gehört, die in den oberen fünfzehn Stockwerken ihren Hauptsitz hat. In den unteren fünfzehn liegen einige der begehrtesten Wohnungen von Chicago. Wobei Wohnungen vielleicht nicht der richtige Ausdruck ist.

Jetzt weiß ich also auch, wie diese Firma heißt.

Ich bin mir immer noch nicht sicher, warum gerade ich diesen Auftrag bekommen habe, werde aber allein beim Anblick dieser Größenordnung ein klein wenig nervös. Na gut, vielleicht habe ich auch die Hosen voll.

Froh, dass ich heute noch ein weiteres Kundengespräch habe und deswegen nicht wie sonst an reinen Bürotagen in Jeans und Chucks zur Arbeit erschienen bin, atme ich ein weiteres Mal tief durch und los geht’s.

Durch leise an die Seite gleitende Glastüren betrete ich den ausladenden, in Beige und Grautönen gehaltenen Eingangsbereich des Gebäudes. Einige Meter vor mir steht ein breiter Empfangstresen, hinter dem eine perfekt frisierte, vielleicht etwas zu geschminkte blonde Frau ungefähr in meinem Alter sitzt. Rechts und links an den Wänden befinden sich jeweils vier Aufzüge, die wie die Scheiben des Gebäudes aus fast schwarzem Glas sind. Über denen auf der rechten Seite steht in großen weißen Buchstaben »Stone & Benett Investment«. Inmitten dieses wahnsinnig imposanten Eingangsbereichs stehen zwei Sitzgruppen aus dunklem Leder mit dazu passenden Tischen.

Mit laut hallenden Absätzen gehe ich auf den Empfang zu, wo die Dame, deren Namensschild auf dem Tresen sie als Charlotte Jenkins ausweist, mich freundlich begrüßt.

»Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«

»Hallo, mein Name ist Isabell Young. Ich habe um 13 Uhr einen Termin bei Mr. Stone.«

Sie tippt auf die Computertastatur ein.

»Tut mir leid, aber Mr. Stone ist laut seinem Terminkalender gar nicht im Haus. Sind Sie sicher, dass es mit ihm war, vielleicht ist der Termin auch mit Mr. Benett?«

Äh …

Ich wühle in meiner Aktentasche herum und finde den Zettel mit dem Termin. Jupp, definitiv bei dem Stone.

»Ich bin mir sicher, dass es bei Mr. Stone ist. Ich komme von der Agentur Attractive, es geht um ein Personal Shopping.«

Sie tut, als wäre ihr gerade die Erleuchtung gekommen.

»Ach so, nein. Dann ist der Termin ganz bestimmt nicht bei Mr. Stone. Solche Termine nimmt er nicht während der Arbeitszeit wahr.« Ihr eben noch freundlicher Blick weicht langsam einem entnervten. »Sind Sie sicher, dass Sie hier bei uns mit einem Mr. Stone einen Termin haben?«

Sag mal, denkt diese Bürobarbie, dass ich nicht bis zehn zählen kann, oder was? Ganz ruhig, Isa, jetzt bloß nicht die Kontrolle verlieren und höflich bleiben.

»Jahaa …« Ich ziehe das Wort unnötig in die Länge und sehe demonstrativ auf das Namensschild vor ihr. »Miss Jenkins, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich um 13 Uhr mit Mr. Stone von der Firma Stone & Benett Investment einen Beratungstermin habe. Vielleicht rufen Sie ihn einfach an und fragen nach. Sollte der Termin irgendwie untergegangen sein, werde ich natürlich zu einem günstigeren Zeitpunkt wiederkommen.«

Gekünstelt gackert sie auf.

»Ich rufe Mr. Stone sicherlich nicht einfach so an. Schon gar nicht wegen eines Termins, den er ohnehin nicht vereinbart hat. Sorry.« Sie zuckt mit den Schultern, wendet sich ab und drischt mit ihren viel zu langen, viel zu roten Fingernägeln auf die Tastatur ein.

»Jetzt hören Sie mal zu, Sie buntes Huhn. Es tut mir ja leid, dass ich mit einem einfachen Termin schon Ihre Kompetenzen ausgereizt habe und Ihre Daseinsberechtigung hier offensichtlich nur repräsentative Zwecke erfüllt. Aber ich gehe hier nicht weg, bevor ich diesen Termin wahrgenommen habe.« War das jetzt noch professionell? Vielleicht hätte ich meinen drohenden Finger weglassen sollen? Gerade holt sie Luft, vermutlich um etwas ähnlich Freundliches zu erwidern, als ich rechts hinter mir eine Stimme vernehme, die ich überall wiedererkennen würde.

»Danke, Miss Jenkins. Miss Young hat tatsächlich einen Termin mit mir.«

Mit klopfendem Herzen und wild schreiender Vorahnung drehe ich mich um und sehe ihn.

Den Anzugtypen.

Natürlich, klar. Jetzt fällt mir wieder ein, was Eva gesagt hat. Aiden Stone hat dich ins Auto getragen.

Kapitel 3

Aiden

Fast habe ich schon gedacht, dass sie nicht kommt und ich meinen eigentlichen Termin umsonst verschoben habe, als ich sie auf dem Monitor der Videoüberwachung vor dem Empfangstresen stehen sehe.

Es war ein Leichtes für Leo, sie anhand der Gästeliste – auf der sie als Begleitung dieser nervtötenden Journalistin vermerkt war – ausfindig zu machen und etwas über sie in Erfahrung zu bringen. Ihr Job hat mir dann die ideale Grundlage geliefert, ein Treffen mit ihr zu arrangieren. Keine Ahnung, warum ich mir diese Mühe mache, aber ich wollte sie einfach wiedersehen.

Da es gut sein kann, dass sie nicht zu mir durchgelassen wird, weil ich solche Termine für gewöhnlich nicht im Büro wahrnehme, fahre ich zum Empfang runter, um sie persönlich dort abzuholen. Im Erdgeschoss angekommen öffnen sich die Fahrstuhltüren und sie sieht noch besser aus, als ich sie in Erinnerung habe.

Jetzt, wo sie nicht wie ein unter den Tisch geklebtes Kaugummi vor einem Tresen rumlungert, sehe ich sie mir genauer an.

Eigentlich verkörpert sie das absolute Gegenteil von dem Typ Frau, den ich im Allgemeinen bevorzuge. Sie hat Rundungen und Kurven. Allerdings muss ich zugeben, dass diese an den richtigen Stellen sind. Unter dem schwarzen Kostüm zeichnen sich ihr draller Arsch und ihre prallen Titten deutlich ab.

Bei dem Anblick, wie sie sich mit der Empfangsdame unterhält, sich ihre vollen Lippen öffnen und schließen, fängt mein Schwanz an zu zucken. Ich stelle mir vor, wie ich von oben auf sie herabsehe, meine Hand in ihrem Haar vergrabe und sie hart in diesen Blasemund ficke.

Fuck, wann hat das letzte Mal allein der Anblick einer Frau solche Gedanken, geschweige denn diese Reaktionen in mir ausgelöst?

Vielleicht sollte ich doch lieber an was anderes denken …

Vor mir wird es lauter und ich sehe, wie sie ärgerlich mit dem Finger drohend auf Miss Jenkins einredet. Wieder einmal bringt sie mich zum Grinsen.

Bevor sie anfangen können, sich gegenseitig die Augen auszuhacken, wobei Miss Jenkins mit ihren Freddy-Krüger-Pranken sicherlich gewinnen würde, spreche ich sie an, um meinen Termin entgegenzunehmen.

Sie dreht sich zu mir um und sofort spiegelt sich Erkennen in ihrem Gesicht. Ich wette, bis gerade eben hatte sie keinen blassen Schimmer, wen sie hier treffen wird.

»Guten Tag Miss Young, ich bin Aiden Stone.« Zeitgleich strecke ich ihr meine Hand zur Begrüßung hin. »Ich muss mich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen. Da der Termin mit Ihnen sehr spontan zustande gekommen ist, war er nicht in meinem Terminkalender vermerkt. Miss Jenkins trifft hier keine Schuld.«

Mit Genugtuung beobachte ich, wie ihr sämtliche Gesichtsfarbe entweicht und sie mich mit offenem Mund anstarrt.

»Guten Tag.« Zögernd legt sie ihre Hand in meine. »Isabell Young.«

»Können wir?« Ich zeige auf den Fahrstuhl, während ich ihr eine Hand auf die Stelle direkt über ihren Hintern lege, um ihr den Weg zu weisen.

Sofort versteift sich ihr Körper, trotzdem lasse ich meine Hand da, wo sie ist.

Ich kann nicht genau erklären, warum, aber es fühlt sich gut an, sie zu berühren. Selbst wenn es vorerst so sittsam ist.

Nachdem sich die Fahrstuhltüren schließen, sagt sie weiterhin kein Wort. Die gesamte Fahrt starrt sie zu Boden, was mir Zeit gibt, sie genauer zu inspizieren.

Ihre ebenmäßige Haut, die gerade noch jegliche Farbe verloren hatte, ist jetzt mit einem zarten Rot überzogen. Ihr Gesicht mit den hohen Wangenknochen, der schmalen Nase und diesem Schmollmund ist wirklich attraktiv. Was mir aber sowohl Samstag als auch heute besonders aufgefallen ist, sind diese stechend grünen Augen, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe.

Der Fahrstuhl zeigt an, dass wir im obersten von dreißig Stockwerken angekommen sind. Wieder lege ich ihr die rechte Hand in den Rücken und zeige ihr, dass wir geradeaus müssen. Am Schreibtisch von Amelia müssen wir nach rechts, das Büro auf der linken Seite gehört Liam.

In meinem Büro angekommen, bitte ich sie, in der Sitzecke rechts neben der Tür Platz zu nehmen, und setze mich ihr gegenüber auf die schwarze Couch.

»Möchten Sie etwas zu trinken, bevor wir anfangen?«

Ohne aufzusehen, antwortet sie. »Nein, vielen Dank.« In ihrer Aktentasche kramend, holt sie einen Notizzettel sowie einen Kugelschreiber hervor, dessen Knopf am oberen Ende sie im Sekundentakt drückt.

Wartend schenke ich mir von dem Wasser ein, das auf dem Tisch bereitsteht, lege meinen rechten Knöchel auf dem linken Knie ab und einen Arm locker auf die Lehne hinter mir. Meine Gegenwart macht sie nervös. Das gefällt mir. Zeigt es doch, dass ich eine Wirkung auf sie habe. Bleibt nur noch herauszufinden, welche genau das ist, aber ich habe da bereits eine Ahnung.

Noch immer studiert sie irgendwelche Unterlagen, auf denen gar nichts zu stehen scheint. Für gewöhnlich erwarte ich von meinen Geschäftspartnern, dass sie perfekt vorbereitet zu den Terminen bei mir erscheinen. Für alles andere habe ich keine Zeit und noch weniger Lust.

Bei ihr hingegen bin ich sogar fast amüsiert, während ich darauf warte, dass sie das Gespräch aufnimmt. Irgendwann räuspert sie sich und fährt sich mit der Zunge über ihre vollen Lippen.

Jetzt, wo sie es so unbewusst macht, springt sofort mein Kopfkino an. Wieder spüre ich, wie mein Schwanz pulsierend zum Leben erwacht.

Oh ja. Vielleicht nicht heute, aber schon bald werde ich sie ficken und meinen Schwanz bis zum Anschlag in ihren schönen Mund rammen. Mich etwas zur Seite drehend, hoffe ich, dass sie den halben Ständer in meiner Hose nicht sieht.

Wie alt war ich noch mal?

Bei der Erinnerung, wie sie diesen schönen Mund am Samstag so elendig malträtiert hat, muss ich mir ein Grinsen verkneifen. Wie sie wild auf ihrer Lippe gekaut hat, ungelenk mit der Zunge quer darüber und durch ihr halbes Gesicht geschlabbert hat.

»Also äh … Erst mal freue ich mich, Sie als neuen Kunden bei Attractive begrüßen zu dürfen. Zuerst beginnen wir mit einer Typenanalyse.« Den Blick, den sie jetzt über meinen Körper wandernd lässt, kenne ich. Ihr gefällt, was sie sieht.

»Sie sind ein dunkler Typ und gehören somit zu den Glücklichen, die so ziemlich alle Farben tragen können. Kann ich davon ausgehen, dass Sie dunkle Farben bevorzugen?«

Damit spielt sie vermutlich auf meinen schwarzen Anzug kombiniert mit gleichfarbigem Hemd an.

»Können Sie.«

Etliche Fragen und eine halbe Stunde später kommt sie zu dem Entschluss, ich sei der elegante Typ. Jedoch mit Eigenschaften, die eher dem avantgardistischen Typen ausmachen.

Aha …

»Was im Genauen bedeutet?«

Ihre anfängliche Unsicherheit scheint vergessen und sie völlig in ihrer Arbeit aufzugehen.

»Elegant daher, weil Sie repräsentative Kleidung mögen, bevorzugt aus dunklen, edlen Stoffen. Avantgardistisch, weil Sie souverän wirken und offensichtlich körperbewusst sind.« Wieder taxiert sie mich von oben bis unten. »Gutes Auftreten ist Ihnen wichtig, dabei haben Sie Ihren eigenen Stil, ohne aber die Konventionen zu missachten. Und dann noch die Farbe Schwarz, die eigentlich eine Nicht-Farbe ist. Sie wirkt auf andere einschüchternd, distanziert und steht für Erfolg. Darüber hinaus lenkt sie den Blick auf die helleren Flächen, also Ihr Gesicht …« An dem nun auch ihr Blick hängen bleibt und auf meinen trifft.

Blinzelnd wendet sie sich wieder ihren unbeschriebenen Unterlagen zu.

Ich bin überrascht, was sie nur anhand meines Kleidungsstils über mich herausgefunden hat. Alles, was sie gesagt hat, könnte ich so unterschreiben, was ich ihr natürlich nicht sagen werde. Zum wiederholten Mal streicht sie sich eine nicht vorhandene Haarsträhne aus der Stirn, während sie versucht, jeglichen Blickkontakt zu vermeiden.

»Mache ich Sie irgendwie nervös, Miss Young?«

»Wie bitte?«

»Wie haben Sie sich gestern gefühlt?« Ich sehe, wie es in ihrem hübschen Kopf anfängt zu arbeiten.

Unruhig rutscht sie auf ihrem Platz umher, misshandelt wieder ihren Kugelschreiber und spielt sich am Ohrläppchen. Ganz offensichtlich sucht sie nach den richtigen Worten.

»E-Es tut mir wirklich leid, dass der erste Eindruck, den Sie von mir haben müssen, so blamabel ist. Ich versichere Ihnen aber, dass meine Persönlichkeit eigentlich nicht so ist, wie sie sich am Samstag dargestellt hat.«

»Eigentlich?«

Überrascht weiten sich ihre Augen.

»Ich habe diese Eröffnungsfeier nur meiner Freundin zuliebe besucht, sie war aber den halben Abend beruflich eingespannt. Dann habe ich auch noch einen ehemaligen Bekannten getroffen, auf dessen Begegnung ich gut hätte verzichten können. Die eigentliche Grundidee war nur einen von diesen Cocktails zu trinken, daraus wurden dann eventuell ein paar mehr. Und da ich nur selten Alkohol trinke, hat es mich einfach … umgehauen.«

»Ein Exfreund?«

Fragend zieht sie ihre Augenbrauen zusammen.

»Dieser ehemalige Bekannte?«

Lachend schüttelt sie den Kopf. »Oh Gott nein, ganz sicher nicht.«

»Gut.« Meine Antwort scheint sie zu verwundern. Mich übrigens auch, wie ich zugeben muss.

Ein Klopfen an der Tür unterbricht uns. Es ist Amelia, die mich an den nächsten Termin in zehn Minuten erinnert. Demzufolge verlegen wir das Ausmessen auf den kommenden Freitag in ihrer Agentur.

Mit schnellen Schritten geht sie voran in Richtung der Fahrstühle, die sich zum Glück einmal nicht sofort öffnen. Fast macht es den Eindruck, dass sie es kaum erwarten kann, hier wegzukommen.

Ob sie ihre Hüften überall so schwingen lässt?

»Ach, und noch einmal wegen Samstag. Es tut mir leid, was mir da rausgerutscht ist.« Ohne mich anzusehen, knetet sie ihre Finger. »Auch das, bevor Sie mich in das Taxi getragen haben.«

Natürlich weiß ich, worauf sie anspielt, aber ihre Verlegenheit stachelt mich an, weiterzubohren.

»Was genau meinen Sie?«

»Na ja, ich habe ziemlich viel gesagt und vermutlich nichts davon so gemeint. Also wäre es schön, Sie würden einfach alles vergessen.« Wenn sie so weitermacht, wird sie sich die Finger brechen.

Die Fahrstuhltüren öffnen sich und sie tritt ein. Ich selbst stelle mich in den Sensor der Tür, damit sie sich nicht gleich wieder schließen.

»Sie meinen, dass ich mit Ihrem Körper machen darf, was ich will?«

Schlagartig errötet sie und blickt mir direkt in die Augen. Dieses Grün ist wirklich außergewöhnlich.

»Äh … ja, genau das.«

Ich drücke den Knopf für das Erdgeschoss. Dabei lehne ich mich in ihre Richtung und stoppe mit meinem Mund dicht an ihrem Ohr. Ihr so nah, kann ich ein blumiges Parfüm wahrnehmen und sehe, wie ihre Atmung schneller geht.

»Das zu vergessen, wäre aber schade.« Damit wende ich mich ohne einen weiteren Blick zum Gehen ab, damit sie nicht bemerkt, wie sehr auch sie mich aus der Fassung bringt.

Kapitel 4

Isabell

Abkühlen, ich muss mich erst mal abkühlen.

Demzufolge laufe ich den Weg von Stone & Benett Investment bis in den Loop, wo sich das Attractive befindet. Dabei komme ich am Water Tower Place vorbei, Evas und meiner Lieblings-Mall, und hole mir noch schnell einen Frappé aus dem Starbucks.

Hinterher rufe ich Eva an, um ihr in Kurzfassung von meinem Treffen mit Aiden Stone zu erzählen. Sie ist immer die Erste, die ich anrufe, ebenso ist es auch umgekehrt. Wir kennen uns seit der ersten Klasse und sind seitdem unzertrennlich. Mehr oder weniger ist sie sogar der Grund, warum ich seit fünf Jahren in Chicago lebe und nicht mehr in Ohio.

Als ihre Mutter vor sieben Jahren bei einem Unfall ums Leben kam, wollte sie einfach nur noch weg und ich bin mitgegangen. Obwohl ich meine Eltern oft vermisse, habe ich diese Entscheidung nie bereut.

Wie ich es vermutet und auch erwartet habe, hat sie sich aufgrund dieser Neuigkeiten für den heutigen Abend bei mir zu Hause angemeldet.


Die verbleibenden Stunden bis zum Feierabend vergehen dann aber doch mehr als schleppend.

Endlich zu Hause, sitze ich mit einem Becher Kaffee auf dem kleinen, uneinsehbaren Balkon meiner Zweizimmerwohnung.

Typisch für einen Altbau hat sie hohe Zimmerdecken und entsprechend große Türen. Das Wohnzimmer mit offenem Küchenbereich und dem kleinen Balkon bildet den Mittelpunkt der Wohnung. Seitlich neben der Wohnungstür befindet sich noch das kleine Badezimmer mit Badewanne, daneben das Schlafzimmer. Genau genommen ist die Wohnung so klein, dass man auf einen Blick alles sehen kann, aber genau das liebe ich.

Debil lächelnd, springen meine Gedanken immer wieder zu dem heutigen Treffen zurück.

Erinnerungen an die körperlichen Gefühle, die seine sittliche Berührung am Rücken in mir ausgelöst hat, kommen hoch. Kann es sein, dass man allein davon oder von den Lippen in der Nähe des Ohres erregt sein kann?

Es ist ja nicht so, dass ich gar keine Erfahrung mit Männern hätte, es sind nur nicht sehr viele. Und die Erfahrung, die ich gemacht habe, ist, dass ich auch sehr gut auf sie verzichten kann.

Da ich in der Schulzeit besagter Pommespanzer war, ist die Nachfrage natürlich nicht besonders groß gewesen. Meinen ersten Freund hatte ich dann im Alter von achtzehn. Mit ihm hatte ich auch meinen ersten Sex. Wenn man die zwei Minuten, in denen er schwitzend und grunzend auf mir rumschubberte, so nennen will.

Mein zweiter und letzter Versuch, der Sache etwas abzugewinnen, war vor vier Jahren. Brian hat meinen Oberkörper quasi restlos mit seiner Riesenzunge abgeleckt. Nicht zu vergessen sein Finger, den er wild bohrend in mir versenkte, als wollte er die Innereien eines Brötchens rauspolken. Dabei hielt er sich für ganz versaut, wenn er meine Vagina als »Pfläumchen« bezeichnete. Dass dieses Pfläumchen eher einem Trockenobst ähnelte, lag selbstredend an mir und nicht an seinen stümperhaften Fähigkeiten.

Auch dieses sagenumwobene Gefühl, nennen wir es mal Orgasmus, das angeblich alle beim Sex haben. Ich hatte es nicht.

Nein, mein Single-Dasein liegt nicht daran, dass ich zu schüchtern oder zu emanzipiert bin. Es ist auch nicht so, dass ich einen schönen Mann nicht erkenne, wenn ich ihn sehe, was man ja an Aiden Stone sieht. Ich kann nur sehr gut ohne Mann und dem damit verbundenen schlechten Sex auskommen.

Allerdings gebe ich zu, dass diese körperlichen Reaktionen neu für mich sind, mir aber irgendwie gefallen.

Nachdem ich wieder an meinem Arbeitsplatz war, habe ich auf der Toilette festgestellt, dass ich feucht geworden bin. Und zwar so richtig. Himmel, das muss man sich mal vorstellen. Er hat mich so gut wie gar nicht berührt. Bis auf ein paar wenige Sätze haben wir nur über Geschäftliches gesprochen und ich bin dadurch offensichtlich erregt worden. Von wegen Trockenobst …

Irgendwie finde ich das beruhigend. Hatte ich doch schon fast die Befürchtung, dass da unten was kaputt wäre.

Das Geräusch der Türklingel reißt mich aus meinen Gedanken.

Noch nicht ganz in der Wohnung, quasselt Eva schon auf mich ein, ich solle ihr alles haarklein erzählen, was ich natürlich tue. Einerseits freut sie sich ebenso wie ich darüber, dass es tatsächlich mal einen Mann zu geben scheint, der begehrliche Regungen in mir auslösen kann und ich doch nicht frigide bin. Anderseits rät sie mir zur Vorsicht.

Aiden ist der Investor, mit dem sie vorgestern so gerne ein Interview geführt hätte, der aber keines gegeben hat. Um vorbereitet zu sein, hat sie sich vor der Hoteleröffnung ein wenig über ihn informiert. Dabei hat sie herausgefunden, dass er seine Frauen schneller wechselt, als andere aufs Klo gehen.

Ich versichere ihr, dass es so weit gar nicht erst kommen wird, schließlich soll ich ihm nur ein paar Anzüge besorgen. Ob ich damit nur Eva oder letztlich auch mich beruhigen will, hinterfrage ich jetzt erst mal nicht weiter.

Weit nach zweiundzwanzig Uhr winke ich Eva vom Balkon aus noch einmal zu, bevor sie in ihr Taxi steigt. Schnell räume ich noch unsere Gläser und Chipsschalen in die Küche und gehe ins Bett.

Könnte es sein, dass er Interesse an mir hat? Ich traue mich kaum, in diese Richtung zu hoffen. Versuche stattdessen, das ungewohnte Pochen zwischen meinen Beinen zu ignorieren, und schlafe mit einem Grinsen auf den Lippen ein.

Mit jedem Tag, der dem Freitag näher kommt, werde ich nervöser.

Meine Gedanken spielen den kurzen Moment im Fahrstuhl immer und immer wieder durch. Was meinte er mit »Das zu vergessen, wäre aber schade«?

Will er nicht vergessen, wie unzulänglich ich gewesen bin? Oder spielt er auf mein tatsächliches Angebot an, das er nicht vergessen will? Will er vielleicht wirklich etwas mit meinem Körper machen? Und noch wichtiger, will ich, dass er etwas mit meinem Körper macht?

Wahrscheinlich ist er genau so ein Stümper wie die bisherigen Männer in meinem Leben. Gutes Aussehen allein macht ihn noch nicht zu einem Sexgott. Und trotzdem will ich es.

Anderseits kenne ich mich. Kann ich damit umgehen, wenn er nur einmal mit mir schläft und das wär’s? Was, wenn es entgegen meiner Erwartung auch noch gut sein sollte? Ach verdammt, dieses Nachgrübeln macht mich wahnsinnig. Wie ich hingegen Klarheit in die Sache bringen könnte, weiß ich auch nicht.

Mich ohnehin auf nichts anderes mehr konzentrieren könnend, googele ich ihn.

Na bravo, über neunzehn Millionen Suchergebnisse. Wo soll ich da anfangen zu suchen? Es gibt massenhaft Berichte über das Unternehmen Stone & Benett Investment. Demzufolge hat er dieses vor knapp zwölf Jahren zusammen mit einem Liam Benett gegründet. Zuerst nur zu zweit wuchs die Firma rasant zu ihrer heutigen Größe mit fast fünfzehntausend Angestellten heran.

Wow …

Anfänglich haben sie sich rein auf das Finanzinvestment beschränkt, um Wertsteigerungsgewinne zu machen. Mittlerweile gehören der Firma noch etliche Wohnungen sowie Anteile an diversen Firmen und Hotels.

Leider finde ich so gut wie gar nichts über sein Privatleben. Lediglich ein paar wenige Bilder, die ihn mit seinen Eltern und seinem Bruder, diesem Liam Benett, zeigen, sind zu finden.

Warum sie wohl unterschiedliche Nachnamen haben?

Jede Menge Fotos gibt es hingegen von etwaigen Veranstaltungen und auf nicht wenigen davon hat er eine Frau im Arm. Jedoch keine davon zweimal. Eva hat also recht. Es jetzt aber zu sehen, hat noch einmal eine ganz andere Qualität. Und als wäre das allein noch nicht schlimm genug, haben sie alle eins gemeinsam – sie sind blond und gertenschlank. Und somit das komplette Gegenteil von mir.

Meine bis zum Hintern reichenden Haare sind dunkelbraun und da, wo diesen Frauen die Beckenknochen hervortreten, habe ich ein kleines Bäuchlein. Zumindest habe ich richtige Brüste, wo diese Tussen nur ein paar Mäusefäustchen haben.

Benommen starre ich auf den Laptop, da habe ich also meine Antwort. Wenn es das ist, was er anziehend findet, dann brauche ich mir keine weiteren Illusionen machen.

So weit, so gut, aber warum fühle ich mich dann so niedergeschlagen?

Nervös warte ich, dass Aiden in die Agentur kommt, um sich ausmessen zu lassen. Unzählige Male habe ich bei irgendwelchen Kunden Maß genommen, aber keiner von ihnen hat mein Herz unwillkürlich schneller schlagen lassen.

In dem Moment, als er den Raum betritt, nehme ich ein Kribbeln im Nacken wahr. Mir wieder ins Gedächtnis rufend, dass diese Spannung, die ich zu spüren glaube, nur einseitig ist, bitte ich ihn, sich für das Maßnehmen zu entkleiden.

Lediglich in einer enganliegenden Boxershorts tritt er selbstbewusst vor den Vorhang, was mich scharf einatmen lässt. Ohne jegliche Scham stellt er sich in die Mitte des Raumes. Ich habe vermutet, dass er schön sein würde, aber das hier übertrifft all meine Erwartungen und er ist sich seiner Wirkung durchaus bewusst.

Mein lieber Schwanz, ähm Scholli. Ich kann nicht anders, als ihn anzugaffen.

Die Muskeln an seiner breiten Brust, dem flachen Bauch und den mit Venen überzogenen Armen sind klar definiert. Nicht so sehr, dass es protzig wirkt, sondern auf eine ästhetische Weise.

Mein Blick wandert weiter. Hinab über das von seinen Hüften ausgehende V, über die enge Shorts, die zu leicht erahnen lässt, was sich darunter befindet. Bis zu seinen durchtrainierten Beinen und seinen nackten Füßen.

Das Einzige, was diese fast schon beängstigende Perfektion unterbricht, ist eine etwa fünfzehn Zentimeter lange Narbe unter dem linken Rippenbogen. Räuspernd wende ich mich wieder seinem Gesicht zu, in dem ein wissendes Grinsen steht, das mich sofort erröten lässt.

»Dann fangen wir mal an.« Um Routine bemüht und mit zittrigen Fingern beginne ich damit, Länge und Umfang seiner Arme und Beine zu nehmen. Immer wieder streifen meine Hände dabei über seine warme, weiche Haut, was mein verräterisches Herz wild galoppieren lässt.

Ist das eine Gänsehaut auf seinen Armen? Vermutlich ist ihm nur kalt. Ich hebe den Kopf und sehe sein schiefes Grinsen. Okay, ist ihm also doch nicht nur kalt?

Verdammt noch mal, warum bin ich in seiner Gegenwart so unsicher? Um sein Gesicht nicht weiter ansehen zu müssen, trete ich hinter ihn, um die Breite seiner Schultern zu messen.

Wow, damit habe ich jetzt nicht gerechnet.

Eine riesige schwarzgraue Tätowierung ziert seinen gesamten Rücken. Direkt über dem Bund seiner Shorts ist die Tätowierung sehr dunkel gehalten. Auf der linken Seite sieht man den Rücken einer kleinen, auf Knien zusammengekauerten Person. Sie hält sich mit beiden Händen die Ohren zu und sieht nach oben, in den helleren Teil der Tätowierung. Rechts von ihr ist eine weitere, viel größere, anscheinend brüllende Person. Diese Figur ist jedoch so verzerrt, dass sie eher an ein Monster als an einen Menschen erinnert.

Quer über seine Schulterblätter erstrecken sich im Gegenzug zwei große helle Flügel. Von diesen aus scheinen helle Strahlen auf die offensichtlich verängstigte Person, die ein Kind sein könnte, herab und wirken so, als wollten sie diese von der Dunkelheit ins Helle hochziehen.

Einerseits sieht die Tätowierung unheimlich und doch wunderschön aus.

»Eine schöne Tätowierung. Damit habe ich nicht gerechnet.«

»Womit? Dass so ein Snob wie ich überhaupt eine hat?«

»Was hat sie für eine Bedeutung?«

»Gar keine, es ist nur eine Tätowierung.«

Ich betrachte noch einmal das Bild vor mir.

»Es sieht eher aus, als würde es eine Geschichte erzählen.«

Er dreht sich zu mir um.

»Nein! Es ist nur ein gewöhnliches Bild.« Seine Stimme hat einen bestimmenden Ton angenommen, bevor er in gewohnt lässiger Weise weiterspricht. »Jetzt fehlt nur noch die Brust, oder?«

Kurz lässt mich sein Stimmungswandel stutzen. Ohne dem jedoch weitere Beachtung zu schenken, widme ich mich wieder meiner Aufgabe.

Heilige Scheiße. Um seinen Brustumfang messen zu können, muss ich so dicht an ihn herantreten, dass mein Gesicht fast die glatte Haut seiner Brust berührt. Immer wieder muss ich das Band neu hervorholen, weil es mir vor Aufregung aus den schwitzigen Händen gleitet.

Bewusst nehme ich seinen reinen männlichen Geruch in mich auf, während meine Finger ein ums andere Mal seine samtene Haut streifen. Ohne dass ich es beeinflussen kann, geht meine Atmung stoßweise, was er bitte, bitte nicht merken soll.

Endlich habe ich den Umfang seiner Brust und will mich zum Abschluss seiner Taille zuwenden …

»Oh Gott! Machen Sie das weg!« Meine Hände vor die Augen geschlagen, drehe ich mich ruckartig von ihm weg.

»Und wie genau soll ich das wegmachen?« Ich kann das Lachen in seiner Stimme hören. Trotzdem rast mein Herz so sehr, dass ich befürchte, jeden Moment tot umzufallen.

Er hat eine Erektion, aber was für eine.

Holla die Waldfee.

Blind taste ich mich zu dem Wäscheberg vor, der hier irgendwo sein muss, grapsche nach dem ersten Teil, das ich erwische, und halte es hinter mich in seine Richtung.

»Halten Sie sich das vor.«

»Neiiin, ganz sicher nicht!«

Was ist denn jetzt?

»Jetzt stellen Sie sich doch nicht so an!« Energisch strecke ich meinen Arm noch weiter in seine Richtung. »Irgendwie müssen wir das Problem jetzt lösen.« Oh nein, dieses verräterische Puckern zwischen meinen Beinen geht schon wieder los. Verdammt, was macht er bloß mit mir? Die Wirkung, die seine bloße Anwesenheit auf meinen Körper hat, ist mir völlig fremd. Noch nie hat jemand nur im Ansatz Vergleichbares in mir ausgelöst.

Das ist definitiv personenspezifisch, eine … eine »Aiden-Reaktion« sozusagen.

»Beim Gedanken, mir dieses pinke Röckchen vorzuhalten, hat sich das Problem schon von ganz allein erledigt.«

Ich linse an meinen Fingern vorbei auf den pinken Minirock, den ich Aiden noch immer hinhalte. Dann sehe ich in sein Gesicht, weiter herunter, wo sich das Problem tatsächlich gelöst hat, und fange aus vollem Halse an zu lachen. Beim Gedanken daran, dass dieses Bild von einem Mann, der den reinen Sex-Appeal ausstrahlt, sich einen pinken Rock vor sein bestes Stück hält, kann ich mich kaum mehr beruhigen. In seinem empörten Gesichtsausdruck sehe ich ein kleines Lächeln, das immer breiter wird, bis er ganz in mein Lachen einstimmt.

Nachdem wir uns beruhigt haben, messe ich ihn ohne weitere Zwischenfälle aus und wende mich dem Laptop zu, um seine Daten einzugeben. In der Zwischenzeit zieht Aiden sich seine Sachen über.

Er hat eine Erektion bekommen … Also muss ich ihn doch irgendwie anmachen, oder? Als ich dieses riesige Teil unter dem dünnen Stoff der Shorts erahnen konnte, war ich so erschrocken, dass ich mich umdrehen musste.

Gleichzeitig hat es mich angemacht, dass unsere körperliche Nähe offensichtlich nicht nur auf mich Auswirkungen hat.

Warum musste ich trotzdem so tun, als hätte ich noch nie einen erregten Mann gesehen? Aiden hingegen war das komplette Gegenteil von mir. Keinen Augenblick schien er sich für irgendwas zu schämen.

»Das ist dann schon das zweite Mal, dass Sie sich über mich lustig gemacht haben.«

Ruckartig drehe ich mich um und kann weder seinem Gesichtsausdruck noch seiner Stimme entnehmen, ob er es ernst meint oder sich einen Spaß mit mir erlaubt.

»Das zweite Mal?«

»Ja. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie mich das erste Mal nachgeäfft und behauptet, ich hätte den Kopf ihrer Freundin im Arsch.«

Auch das noch … erschrocken reiße ich die Augen auf, unfähig, darauf etwas zu erwidern.

»Ich würde in Erwägung ziehen, das Ganze zu vergessen, wenn Sie dafür mit mir essen gehen.«

Damit habe ich nun absolut nicht gerechnet und mir klappt die Kinnlade runter, bevor ich versuche, mein darauffolgendes blödes Grinsen zu unterdrücken.

Wir verabreden uns für den morgigen Abend im Pasta e basta, einem kleinen, aber exklusiven Italiener in der Magnificent Mile.

Allein des Preises wegen würde ich von selbst niemals auf die Idee kommen, dort zu essen. Weiterer Grund ist, dass der Laden eine monatelange Warteliste für Tischreservierungen hat. Ob wir also wirklich dort essen werden, wage ich noch zu bezweifeln. Sich dessen hingegen ziemlich sicher, wird Aiden mich morgen Abend um halb sieben von zu Hause abholen.

Kapitel 5

Isabell

Mit zwei Tüten in jeder Hand lasse ich mich auf die Bank im Starbucks plumpsen und warte darauf, dass Eva mit unserem Kaffee an den Tisch kommt.

Wie nach jedem unserer Shopping-Marathons kommen wir her und trinken einen Kaffee zum Abschluss.

Obwohl ich schon gefühlte hundert Mal in dieser Mall gewesen bin, ist es heute anders. Heute weiß ich, dass Aidens Firma, und damit auch er, nur ein paar Gehminuten entfernt ist. Immer wieder ertappe ich mich dabei, dass mein Blick die Umgebung absucht, in der Hoffnung, ihn vielleicht zufällig hier anzutreffen. Irgendetwas sagt mir aber, dass er nicht der Typ ist, der am Nachmittag durch die Geschäfte schlendert.

Eva stellt mir einen Latte macchiato und einen Nugatmuffin vor die Nase. Mmh, dafür könnte ich sterben.

Nachdem Aiden gestern gegangen ist, habe ich wieder einmal sofort ihre Nummer gewählt und mich für heute mit ihr verabredet. Wenn ich mit diesem Mann in ein Nobelrestaurant gehe, muss ich auch dementsprechend aussehen.

Ein Kleid haben wir bereits gefunden.

Es ist ein kurzärmeliges, knieumspielendes Etuikleid in Schwarz. An den Seiten unterstützen beige Einsätze optisch den Schwung meiner Taille. Dazu werde ich schwarze Peeptoes mit acht Zentimeter Absätzen und eine schwarze Clutch tragen.

Kaffee und Muffin verputzt, gehen wir zum Beine enthaaren in Evas Stamm-Kosmetikstudio. Üblicherweise rasiere ich sie nur und zupfe mir die Augenbrauen selbst. Aus gegebenem Anlass jedoch habe ich mich von Eva überreden lassen, heute mit ihr ins Studio zu gehen.

Ich werde einem Kosmetiker namens Mario zugeteilt. Nachdem ich mir die Hose ausgezogen und mich auf die Liege gelegt habe, streicht er mir ein nach Rosen duftendes, warmes Wachs auf die Beine. Offenbar ist er gut in seinem Job, es tut kaum weh und eine halbe Stunde später sind meine Beine glatt wie nie.

Gerade will ich aufspringen, da erklärt er mir, dass ich laut Eva noch ein Brazilian Waxing bekommen soll. Den Namen schon mal gehört, habe ich gerade trotzdem keine Ahnung, was das sein soll. Er klärt mich auf und allein der Gedanke daran, mich so vor jemandem zu entblößen, lässt meine Wangen glühen.

Allerdings scheint Mario eher weniger am weiblichen Geschlecht interessiert, sodass ich mich, warum auch immer, freimache und wieder auf die Liege lege.

Ob Aiden diese Stelle heute vielleicht sehen wird?

Nein, jetzt bloß nicht an Aiden und meine Vagina denken. Mario bekommt wahrscheinlich das kalte Kotzen, wenn meine Aiden-Reaktion einsetzt.

Entsetzt blickt er mir zwischen die Beine und drückt sich in einer theatralischen Geste die Hand auf seine Brust.

Wie unangenehm. Hat die Reaktion schon eingesetzt?

»Igitt … Sag mal, Schätzchen, wann war hier das letzte Mal jemand?« Angewidert kräuselt er die Nase und sieht mich tadelnd an. »Durch den Busch muss ich ja erst mal mit ’nem Langhaarschneider.«

Na danke, das ist ja fast noch schlimmer.

Alles, was ich je über Mario gedacht habe, nehme ich zurück.

Ritsch, Ratsch.

Ohne mir Zeit zu geben, den Schmerz zu veratmen, reißt er wie ein Besessener die Wachsstreifen von meiner empfindlichen Haut.

Laut seiner eigenen Aussage hätte noch nie so eine »Pussy« auf seinem Tisch gelegen. Die Zweideutigkeit scheint ihm nicht aufgefallen zu sein.

Als ich diese äußerst erniedrigende Tortur endlich hinter mir habe, schwöre ich, dass es das erste und letzte Mal war.

Zum Schluss humpele ich breitbeinig zu dem ins Kosmetikstudio eingebundenen Frisör. Eine weitere Stunde später ist aus meinen glatten Haaren eine wilde Lockenmähne geworden, so wie man es selbst nie hinbekommt. Dazu trage ich kaum Make-up, lediglich meine Augen sind stark betont, was das leuchtende Grün noch intensiver aussehen lässt.

Um kurz nach sechs laufe ich nervös in meinem neuen Kleid und den Peeptoes durch die Wohnung. Fieberhaft überlege ich, warum Aiden mich eingeladen hat und was er von diesem Abend erwartet.

Das Piepen meines Handys lenkt mich ab. Eine Nachricht von Eva ist eingegangen, die mich grinsen lässt.


Scheiß auf »Vorsicht« leg ihn flach. :-)


Bei dem Gedanken, dass er womöglich wirklich mit mir schlafen will, überkommt mich ein warmes Kribbeln. Es breitet sich in meinem Magen aus, bis hin zur frisch entwachsten Stelle, die endlich nicht mehr wehtut.

Ein weiteres Mal frage ich mich, ob ich so ein Gefühl schon mal hatte. Oder ob ich von bloßen Gedanken schon einmal so erregt war.

Aber weiß ich überhaupt noch, wie man die Signale richtig deutet? Ich werde immer unruhiger, bis es endlich an der Tür klingelt …

Sowie ich aus der Haustür trete, sehe ich Aiden an einer großen dunklen Limousine stehen. Kaum dass er mich sieht, schenkt er mir ein atemberaubendes Lächeln, mit dem er mich begrüßt und mir die hintere Wagentür aufhält. Nachdem ich eingestiegen bin, wirft er die Tür zu, umrundet den Wagen und nimmt ebenfalls auf der Rückbank Platz.

Wie bisher immer trägt er einen perfekt sitzenden schwarzen Anzug in Kombination mit einem ebenso dunklen Hemd. Heute jedoch stehen die beiden oberen Knöpfe des Hemdes offen und er trägt keine Krawatte.

Ob er auch mal helle Kleidung trägt? Zu wissen, was sich unter dem Hemd befindet, eingehüllt in seinem einzigartigen Geruch, der im gesamten Innenraum des Wagens hängt, lässt mich unruhig auf meinem Platz umherrutschen. Nervös wische ich meine nassen Handflächen auf den Oberschenkeln ab und lasse den Blick durchs Auto schweifen.

Auf dem Fahrersitz sitzt ein Mann um die vierzig, der mir über den Rückspiegel zum Gruß zunickt. Irgendwie finde ich es befremdlich, dass eine dritte Person mit im Wagen sitzt, auch wenn besagte Person diesen nur fährt.

Als könnte er meine Gedanken lesen, spricht Aiden mich an.

»Ich dachte, es wäre gut, uns fahren zu lassen, so kann ich ein Glas Wein mit Ihnen trinken.«

»Sicher, sehr gern.« Himmel bin ich nervös. Ich fummele an meinem rechten Ohrläppchen, eine blöde Angewohnheit, und versuche selbstbewusster zu klingen. »Ich denke, wenn man schon bei einem der besten Italiener der Stadt zu Abend isst, sollte man dort auch einen Wein trinken. Wie haben Sie es angestellt, so kurzfristig einen Tisch zu reservieren?«

»Ich kenne den Inhaber flüchtig und hatte Glück, dass er es nicht vergessen hat.« Er lacht, wobei er eine Reihe ebener weißer Zähne entblößt, die mich kurz ablenken.

Noch bevor ich weiter nachbohren kann, halten wir schon vor dem Pasta e basta.

Kaum im Eingangsbereich angekommen, nimmt man uns die Jacken ab und führt uns an den Tischen der übrigen Gäste im Restaurant vorbei, bis zu einem separat abgeteilten Tisch in der hintersten Ecke. Von hier aus kann man die anderen Restaurantbesucher zwar hören, die Sicht ist indessen durch eine halbhohe Wand versperrt.

Das Licht im gesamten Restaurant ist gedimmt, was die Kerzen auf den einzelnen Tischen umso heller erscheinen lässt. Im Hintergrund spielt leise italienische Musik, die durch das Stimmengewirr, dem Klappern des Bestecks und einiger aneinander klirrender Weingläser jedoch kaum zu hören ist.

Nachdem wir uns an den Tisch gesetzt haben, stellt der Kellner sich mir als Paolo und Inhaber des Restaurants vor, bevor er sich Aiden zuwendet.

»Mr. Stone, es ist mir eine Ehre, Sie heute begrüßen zu dürfen. Noch dazu in so charmanter Begleitung.« Nur kurz huscht sein Blick in meine Richtung. »Darf ich Ihnen einen Wein empfehlen?«

Sagte Aiden nicht, sie würden sich nur flüchtig kennen? Das hört sich für mich aber irgendwie anders an. Der Gute überschlägt sich ja fast.

Aiden sieht mich an und antwortet diesem Paolo, ohne den Blick von mir zu nehmen. »Sicher, Paolo, nur zu.«

Unfähig, seinem eindringlichen Blick auszuweichen, kneife ich die Beine unter dem Tisch zusammen, um das inzwischen bekannte Kribbeln zu besänftigen, mache es dadurch aber nur noch schlimmer. Paolo entfernt sich schnell, kommt aber innerhalb einer Minute mit einer Weinflasche wieder zurück an den Tisch.

»Dieser liebliche Rotwein, der ausgezeichnet zu unserem aktuellen Monatsmenü passt, kommt aus Apulien in Italien. Er besticht durch seine tiefe Fruchtsüße und ein üppiges Aroma. Ich denke, er wird genau nach Ihrem Geschmack sein, Mr. Stone. Darf ich?«

Aidens Blick, unter dem ich beginne fahrig zu werden, wendet sich jetzt Paolo zu.

»Danke, wir nehmen den Wein und zwei Mal das Monatsmenü.«

»Darf ich Ihnen das Monatsmenü noch vorstellen?« Paolos fragender Blick wechselt zwischen Aiden und mir.

»Für mich nicht danke«, erwidert Aiden schnell.

Paolo scheint sich aus irgendeinem Grund vor Freude in die Hose machen zu wollen, während Aiden sich wieder mir zuwendet.

»Wie ist es mit Ihnen, Miss Young?«

Äh, was wurde denn gefragt?

Aidens Mundwinkel zucken. Ich weiß nicht, ob er kurz davor ist, mich auszulachen, oder ob ich ihn einfach amüsiere. »Möchten Sie, dass Paolo Ihnen das Monatsmenü vorstellt?«

»Bloß nicht.« Mist, habe ich das jetzt laut gesagt? Ich räuspere mich. »Entschuldigung. Nein danke, das ist nicht nötig. Vielen Dank.«

Ich bin sogar froh, es mir nicht anhören zu müssen. Dieses geschwollene Gerede über Wein. Ich habe kein einziges Wort verstanden. Das Ambiente sagt mir, dass ich ohnehin keine einfachen Tortellini bekommen kann.

Aidens rechte Augenbraue schießt über meinen Versprecher in die Höhe und er lacht laut auf.

Oh Gott ist das ein Lachen. Sofort verstärkt sich dieses verdammte Kribbeln. Paolo hingegen sieht mich an, als würde er lieber den Kopf schütteln. Öffnet dann aber die Weinflasche, schenkt uns ein und geht, um die Bestellung aufzugeben.

»Warum habe ich den Eindruck, dass Sie lieber woanders hingegangen wären?« Sein Lachen ist noch nicht ganz verschwunden.

Tja, wie soll ich es sagen, ohne unhöflich zu erscheinen?

»Das täuscht, ich wäre nicht lieber woanders hingegangen. Es ist nur … etwas ungewohnt. Ich habe noch nie irgendwo gegessen, wo der Wein in großen Gesten beschrieben wird und gefragt wird, ob man das Essen erklären darf.«

»Ich gebe zu, dass es etwas übertrieben ist, dafür schmeckt es aber ausgezeichnet. Ich verspreche Ihnen, dass wir bei dem Wein bleiben. Dann kommt Paolo nicht in die Verlegenheit, uns wieder ein Referat halten zu müssen.«

Jetzt muss auch ich lachen, gleichzeitig hält Aiden mir sein Weinglas zum Anstoßen hin. »Erzählen Sie mir etwas von sich.«

»Was möchten Sie denn wissen?«

»Alles. Fangen Sie mit Ihrer Familie an.«

Als wir beim Dessert angekommen sind, weiß er, dass ich ein Einzelkind bin und ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern habe. Was sie beruflich machen und dass sie in Greenville Ohio leben, wo ich aufgewachsen bin. Außerdem, dass Eva meine beste Freundin und der Hauptgrund ist, warum ich vor fünf Jahren nach Chicago gekommen bin.

»Was ist mit Ihrer Familie?«

Stutzt er kurz oder bilde ich mir das nur ein? Der Moment ist so schnell vorbei, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob es ihn überhaupt gegeben hat.

»Meine Eltern wohnen wie Liam und ich auch in Oak Park. Morgen findet unser allwöchentliches Abendessen bei ihnen statt und wehe einer von uns kommt nicht. Dann kann meine Mutter ziemlich ungemütlich werden.« Allein der Gedanke scheint ihn zum Lächeln zu bringen.

»Sie wohnen nicht in der Stadt?« Ich kann nicht genau erklären, warum, aber es wundert mich.

»Nein. Ich investiere fast meine gesamte Freizeit in die Firma, bin immer in irgendwelchen Städten unterwegs. Wenn ich dann Feierabend habe, will ich auch wirklich meine Ruhe. Allerdings habe ich ein Zimmer neben meinem Büro, falls es mal ganz spät wird. Aber ich versuche, es zu vermeiden, dort zu übernachten.«

Ich will noch mehr über seine Familie, über Aiden, den Privatmenschen, wissen. Ohne dass es mir bewusst ist, lenkt er unser Gespräch aber wieder in eine andere Richtung.

Wir reden und lachen über meine Arbeit und Kunden mit verrückten Vorstellungen. Stellen fest, dass ich Horrorfilme mag, er hingegen so gut wie nie fernsieht. Dass ich am liebsten jedes Wochenende ins Kino gehen würde, er hingegen schon einen verdammt guten Grund bräuchte, um sich in einen fensterlosen Raum mit lauter knisternden Tüten und schmatzenden Menschen zu setzen.

Von meiner anfänglichen Nervosität ist kaum mehr etwas zu spüren, was vielleicht auch daran liegt, dass die Weinflasche sich dem Ende nähert. Aiden will uns gerade noch einmal einschenken, als der letzte Tropfen in meinem Weinglas landet.

Als er nach Paolo rufen will, stellen wir fest, dass außer uns niemand mehr im Restaurant ist. Ein Blick auf Aidens Uhr zeigt, dass es bereits kurz nach elf ist.

So in unser Gespräch vertieft, haben wir die Zeit und alles andere um uns herum komplett vergessen. Paolo scheint nur darauf zu warten, die Tür hinter uns schließen zu dürfen, traut sich aber aus irgendeinem Grund nicht, uns zum Gehen aufzufordern.

Bedauernd sehe ich zu Aiden rüber, der das Gleiche zu denken scheint.

»Hätten Sie Lust, bei Ihnen oder mir noch ein Glas zu trinken? Wir könnten uns eine Flasche von dem Wein mitnehmen?«

Eine leise Stimme sagt mir, dass es dann nicht bei dem Wein alleine bleibt, und genau das will ich.

»Sehr gerne.« Und damit schenke ich ihm mein hoffentlich schönstes Lächeln.

Nur ein paar Minuten später sitzen wir in der Limousine, die von seinem Fahrer gelenkt wird, der – wie ich mittlerweile erfahren habe – Leo heißt.

Ich habe entschieden, dass wir zu mir fahren.

Zwar würde mich brennend interessieren, wie Aiden lebt, aber ich habe kein Auto dabei und kann nicht einschätzen, wie der Abend endet. Was ist, wenn er nur die Flasche mit mir leeren will und mich dann wegschickt?

Oder, wenn er tatsächlich mit mir schläft und mich gleich darauf loswerden will? Nein, zu Hause fühle ich mich da einfach sicherer. Heimvorteil sozusagen.

In meiner Wohnung angekommen streife ich gleich im Flur meine Schuhe von den Füßen und kann nur mit Mühe ein erleichtertes Stöhnen unterdrücken. So schön diese Dinger auch sein mögen, meine Füße schmerzen wie sau.

Barfuß gehe ich vorweg in die Küche, lege meine Jacke über einen der Stühle und nehme uns zwei Weingläser aus dem Schrank. Aiden folgt mir, legt sein Jackett ebenfalls ab und krempelt die Ärmel seines Hemdes hoch.

»Soll ich den Wein öffnen?«, höre ich ihn direkt hinter mir.

Hart schluckend reiche ich ihm die Flasche und beobachte die Sehnen seiner Unterarme, die bei jeder Bewegung deutlich hervortreten.

Unbewusst stoße ich ein Seufzen aus und blicke erschrocken auf, in der Hoffnung, dass es ihm entgangen ist. Seine dunkelblauen Augen wirken jetzt fast schwarz und sehen mich verhangen an.

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass so etwas wie Lust in ihnen steht.

Langsam stellt er die Flasche neben sich auf den Tisch und kommt mit selbstbewussten, geschmeidigen Schritten auf mich zu. Mein Herz schlägt wie verrückt, sodass er es eigentlich hören müsste. Mit der Zunge benetze ich meine trockenen Lippen und sehe abwechselnd in seine Augen oder auf seinen sinnlichen Mund.

Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und fährt zärtlich mit seinem Daumen über meine Unterlippe. Nur diese zarte Berührung reicht aus und ich merke, wie die Aiden-Reaktion einsetzt.

Ohne weiter darüber nachzudenken, ob ich mich gut anstelle oder nicht, ob ich die Zeichen richtig deute, fahre ich mit meiner Zungenspitze an seinem Daumen entlang.

Scharf zieht er die Luft ein, bevor er mir den Finger wieder entzieht und sich seine Lippen zart auf meine legen.

Sie sind genauso weich, wie ich sie mir vorgestellt habe. Seine Zunge kitzelt mir um Einlass bittend über die Lippen, woraufhin ich meinen Mund öffne und ihm mit meiner Zunge entgegenkomme. Bei der ersten Berührung unserer Zungenspitzen entkommt uns beiden ein Stöhnen, welches wir gegenseitig schlucken.

Er schmeckt so gut, nach Wein und mehr … so viel mehr.

Jetzt gerade ist mir egal, was morgen ist, ob das hier alles für ihn ist oder nicht. Wenn ich diese Situation nicht ausnutze, werde ich es vielleicht für immer bereuen. Also löse ich mich von ihm und ziehe ihn hinter mir her ins Schlafzimmer.

Vor dem Bett stehend bekomme ich dann doch Angst vor meiner eigenen Courage und weiß nicht, wie und ob ich weitermachen soll.

Mir eine Haarsträhne hinter das Ohr streichend spüre ich seine weichen Lippen, seinen warmen Atem an meinem Ohr.

»Willst du das wirklich?« Seine raue Stimme dicht an meinem Ohr lässt meine Erregung noch weiter anwachsen.

»Ja.« Um das Ja zu unterstützen, nicke ich zusätzlich. Noch nie war ich so erregt, ich muss einfach wissen, wie er sich in mir anfühlt.

Er küsst und leckt eine Spur über meinen Hals, die eine Gänsehaut auf meiner Wirbelsäule hervorruft. Umrundet mich dabei und kommt hinter mir zum Stehen. Meine Haare streicht er mir über die linke Schulter, wobei er langsam den Reißverschluss meines Kleides herunterzieht und weiterhin meinen Hals und meine Schulter liebkost.

Seine Finger gleiten an meinem Rücken herunter und bleiben am Verschluss meines BHs hängen. Als er auch diesen öffnet, kann ich ein Stöhnen nicht mehr unterdrücken. Ich drehe mich zu ihm um, sehe in seine vor Lust flackernden Augen und knöpfe sein Hemd auf. Meine Finger zittern so sehr, dass er leise lacht und mir hilft.

Das Hemd streife ich von seinen Schultern, lasse es zu Boden fallen und atme hörbar ein. Wie schon gestern bin ich überwältigt von dieser Vollkommenheit.

Für mich untypische Selbstzweifel bahnen sich an, was Aiden mit jemandem wie mir will. Bilder von ihm und diesen hübschen Frauen kommen hoch und steigern das Gefühl der Unzulänglichkeit nur noch.

Mit seinem Finger unter meinem Kinn zwingt er mich, zu ihm aufzusehen, und bevor ich weiter nachdenken kann, küsst er mich mit einer Leidenschaft, die mich schwindeln lässt.

Langsam streift er mir das Kleid mitsamt dem BH von den Schultern. Zieht es über meine Arme herunter, bis es um meine Füße gebauscht zum Liegen kommt. Er geht einen Schritt zurück und lässt seinen Blick über meinen nur noch in einem Slip gehüllten Körper gleiten. Meinem ersten Impuls folgend, will ich meine Arme schützend vor der Brust verschränken, aber er hält sie an den Handgelenken fest.

»Du bist wunderschön.« Seine Worte sind so leise, dass ich nicht sicher bin, ob er sie nur zu sich selbst gesagt hat. Aber ich habe sie verstanden, er findet mich schön. Nein, wunderschön hat er gesagt und ich will ihm glauben.

Unter seinem intensiven Blick ziehen sich meine Brustwarzen noch fester zusammen, die innere Unruhe in mir wird immer unerträglicher.

Ich will, dass er mich berührt, dass er meine Nippel in seinen Mund nimmt. Dass er das Pochen in meinem Schoß, das nur er auslösen kann, endlich beendet. Am meisten aber will ich, dass er endlich seine mächtige Erektion, die sich unübersehbar unter der Hose abzeichnet, in mich schiebt.

»Leg dich aufs Bett.«

Ihn nicht aus den Augen lassend, tue ich, was er sagt, und krabbele rückwärts zum Kopfende des Bettes hoch. Sehe ihm dabei zu, wie er sich seine Schuhe, die Hose und die enge Shorts darunter auszieht.

Wie heißt noch diese Statue von diesem berühmten Bildhauer? David? Wie auch immer, der Bildhauer würde bei diesem Anblick in Tränen ausbrechen.

Noch nie habe ich verstanden, was manche Frauen an einem Penis schön finden können. Bei ihm jedoch kann ich meinen Blick nicht davon abwenden.

Lang, dick und mit kräftigen Adern überzogen reckt er sich fast bis zu seinem Bauchnabel hoch. Auf der Spitze schimmern die ersten Tropfen und der Gedanke mit der Zunge darüber zu fahren, erregt mich unwahrscheinlich.

Was ist nur los mit mir? Denke ich ernsthaft daran, dieses Monstrum in den Mund zu nehmen?

Seine beachtliche Größe erregt und ängstigt mich gleichermaßen. Mein letztes Mal ist schon so lange her, und wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, hatte keiner von beiden solche Ausmaße.

Die Matratze gibt nach, als Aiden sich neben mich legt und seine Lippen sich über meinen Bauch zu meinen Brüsten hocharbeiten. Fast schmerzhaft dreht er meine Brustwarzen zwischen Daumen und Zeigefinger, was meine Erregung nur noch mehr steigert.

Als er endlich eine von ihnen in den Mund zieht, an ihr leckt und knabbert, möchte ich keine Sekunde mehr länger warten. Ich drücke den Rücken durch und ziehe sein Gesicht zu mir hoch, um ihn zu küssen.

All meine Sinne sind nur noch auf ihn fixiert, nehmen nichts anderes mehr wahr.

Sein wunderschönes Gesicht, sein ganz eigener Geruch. Das Gefühl seiner Haut unter meinen Fingern, zusammen mit dem Gefühl seiner Hände, die mich in Brand zu stecken scheinen. Der Geschmack seiner sanften Zunge und alles, was ich noch höre, ist unser ersticktes Keuchen.

Endlich schiebt sich seine Hand in meinen Slip. Bitte lass ihn meine Klit berühren.

»So nass.«

Oh nein, wie peinlich.

»Ich mag, dass du so bereit für mich bist«, raunt er gegen meine Lippen.

Seine Finger finden meine empfindliche Perle, umrunden sie, drücken leicht darauf.

Oh mein Gott ist das gut … Ich kann und will mein Stöhnen jetzt nicht mehr unterdrücken und bettele ihn regelrecht an, endlich in mich zu kommen.

Ohne auf mein Gewimmer zu achten, schiebt er zuerst einen, dann einen weiteren Finger in mich. Zeitgleich reibt er meine geschwollene Perle weiter mit dem Handballen.

Als mein Körper anfängt, unkontrolliert zu zucken, zieht er seine Hand zurück und setzt sich auf seine Fersen. Ich höre das Knistern der Kondomverpackung, sehe ihm zu, wie er diese aufreißt und es sich gekonnt überzieht. Sofort drängt sich mir der Gedanke auf, dass er das wohl öfter macht.

Sein Körper, der sich über mich beugt, lenkt mich von diesem Gedanken ab. Mit einem Ruck zerreißt er mein Höschen. Drängt mit seinen Knien meine Beine auseinander und legt sich auf mich, sodass ich seine pralle Spitze bereits an meiner feuchten Spalte spüren kann.

Sein Blick auf mein Gesicht gerichtet, beginnt er, sich quälend langsam in mich zu schieben.

Stück für Stück dringt er in mich ein, wobei seine Härte mich fast schmerzhaft dehnt. Meine Versuche, ihm dennoch entgegenzukommen, ihn in mich zu ziehen, scheitern, obwohl ich an seinem verhangenen Blick und seinem zusammengepressten Kiefer erkennen kann, wie schwer auch ihm diese Zurückhaltung fallen muss.

Immer wieder zieht er sich zurück, um von Neuem in mich zu dringen, bis er mit einem letzten kräftigen Stoß seine gesamte Länge in mir versenkt.

Kurz hält er in seiner Bewegung inne, damit ich mich an seinen Umfang gewöhnen kann. Aber ich will, dass er sich bewegt, und strecke ihm zur Aufforderung mein Becken entgegen, treibe ihn somit an, sich endlich zu rühren. Mich abwechselnd küssend und in den Hals knabbernd, beginnt er, langsam und genießerisch in mich zu stoßen.

Dieses Gefühl völlig ausgefüllt zu sein, diesen Druck zu verspüren, habe ich so noch nie erlebt.

Ich will mehr davon, mehr von ihm.

»Bitte«, stöhne ich unter ihm.

»Bitte was?«

»Fester bitte …« Meine Worte kommen nur noch stöhnend und abgehackt.

»Sag mir, was ich fester machen soll!«

Ich kann ihm ansehen, wie sehr er sich beherrschen muss, in diesem Tempo zu bleiben. Trotzdem bin ich verunsichert. Habe keine Ahnung, was er erwartet, und Angst, mich lächerlich zu machen. Aber ich will ihn jetzt endlich richtig spüren.

»Willst du, dass ich dich ficke?«

»Ja.«

»Dann sag es!«

Das kann ich nicht, oder? Aber ich will es so sehr.

»Bitte … fick mich.« Die Worte kommen so leise, dass ich Zweifel habe, ob er sie zwischen unserem Keuchen überhaupt hören kann. Doch kaum ausgesprochen, gräbt er seine Hände in meine Hüfte, zieht sich fast gänzlich aus mir zurück und rammt sich hart wieder in mich.

In immer schnellerem Rhythmus höre ich das Geräusch von aufeinander klatschender Haut. Ich schlinge meine Beine um seine Hüften, um seinen Stößen entgegenzukommen und ihn noch tiefer in mir spüren zu können.

Schweißtropfen bilden sich auf seiner Brust, während mein Stöhnen immer lauter wird. Unverhofft fühle ich seine Finger zwischen uns, die meine Klit reiben, und ein noch nie gekanntes Gefühl breitet sich von diesem Punkt an in meinem Körper aus. Dieses Gefühl ist zu viel, lässt meinen Körper unwillkürlich zucken.

Ich möchte mich seiner Hand entziehen, weil es sich zu intensiv anfühlt, komme aber nicht gegen ihn an.

Mein Herz rast, ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen und dann durchströmt mich ein unbeschreibliches, langgezogenes Gefühl, in dem ich mich verliere, und die gesamte Anspannung fällt von mir ab.

Nach gefühlten Ewigkeiten die Augen öffnend, hält Aiden mich wieder mit beiden Händen an den Hüften. Noch zwei weitere Male stößt er tief in mich, bevor er laut keuchend auf mir zusammenbricht.

Ich weiß nicht, wie lange wir schon so, ohne etwas zu sagen, daliegen. Während er mit einer meiner Haarsträhnen spielt, streichele ich über Aidens Rücken und genieße das Gefühl seines warmen Körpers auf mir.

Irgendwann zieht er sich aus mir zurück, was ein eigenartiges Gefühl der Leere in mir zurücklässt. Am Bettrand sitzend, verknotet er das Kondom und legt es neben das Bett auf den Fußboden.

Wie er so mit dem Rücken zu mir sitzt, zieht sich mein Magen unangenehm zusammen. Die Nähe, die ich eben gerade noch gespürt habe, ist weg. Wie um mich zu schützen, ziehe ich die Decke hoch und verschränke die Arme vor der Brust. Ich weiß nicht, wie ich mich jetzt verhalten soll, was ich sagen soll. Also sage ich das Erste, was mir in den Sinn kommt.

»Warum hattest du ein Kondom dabei? Hattest du das hier geplant?«

Schelmisch grinsend sieht er über seine Schulter zu mir. »Ich habe es gehofft.«

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739383118
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (April)
Schlagworte
Millionär Leidenschaft Sex Liebe Erotik Vertrauen Liebesroman

Autor

  • Mia B. Meyers (Autor:in)

Mia B. Meyers (34) schreibt (Chick-Lit) Liebesromane und veröffentlichte mit Dark Side of Trust ihr Debüt, das am 12.01.2016 erschienen ist. Ihr Wunsch ist es, ihre Leser einen Moment lang aus ihrem Alltag in ihre Geschichte zu ziehen. Dafür zu sorgen, dass Bilder in den Köpfen der Leser entstehen. Wenn sie das schafft, hat sie mehr erreicht, als sie je zu träumen gewagt hat.
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Titel: Dark Side of Trust