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Sweet Temptation - Ein Milliardär zum Anbeißen

von Karin Koenicke (Autor:in) Lotte Römer (Autor:in)
360 Seiten
Reihe: New York Lovestorys, Band 1

Zusammenfassung

New York City, 16. Straße Emilias ganzer Stolz ist ihre kleine Konditorei „Pastry Passion“ mitten in Manhattan. Als der attraktive Richard Stone den Laden betritt, ahnt Emilia nicht, dass dies fatale Folgen für ihr Geschäft haben wird. Denn Richard ist nicht nur einer der begehrtesten Junggesellen der Stadt, sondern auch Boss des riesigen Schokoladenkonzerns „Sweet Temptation“. Der charmante Milliardär umgarnt Emilia. Doch hat er es wirklich auf sie abgesehen oder eher auf ihre exquisiten Pralinenrezepte? Emilia weigert sich strikt, dem Mann aus der High Society zu vertrauen. Und ihrem Herz schon gar nicht! Doch so ganz kann sie sich dem Zauber dieses Richard Stone nicht entziehen, zumal er offenbar ein sehr belastendes Geheimnis mit sich herumträgt ...

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Table of Contents

Titel

Kurzbeschreibung

1. Creamfudge Blackberry Truffle

2. Lowfat vegan Brownies with chocolat drops

3. Chocolate Bomboloni with orange touch

4. Coconut Pecan Crunchies

5. Hot Dog

6. Chocolate Cappuccino with liquid center

7. Macarons

8. Crème brûlée

9. Donut with Vanillacream and Strawberry-Icing

10. Almond Crunch Caramel Cheesecake

11. Tiramisu

12. Himbeer-Nougat-Trüffel mit weißer Schokoladenblume

13. Peppermint Ponds

14. Quarkschnecken mit Walnuss-Crumble

15. Cinnamon Knots

16. Cornetto

17. Blueberry Muffins

18. Chili Bagels

19. Schafskäse Oliven Focaccia

Rezepte

Karin Koenicke

Impressum

 

 

 

 

Sweet Temptation -
Ein Milliardär zum Anbeißen

 

 

 

Ein romantischer Liebesroman von

Lotte Römer und Karin Koenicke

 

 

Kurzbeschreibung

New York City, 16. Straße

Emilias ganzer Stolz ist ihre kleine Konditorei „Pastry Passion“ mitten in Manhattan. Als der attraktive Richard Stone den Laden betritt, ahnt Emilia nicht, dass dies fatale Folgen für ihr Geschäft haben wird. Denn Richard ist nicht nur einer der begehrtesten Junggesellen der Stadt, sondern auch Boss des riesigen Schokoladenkonzerns „Sweet Temptation“. Der charmante Milliardär umgarnt Emilia. Doch hat er es wirklich auf sie abgesehen oder eher auf ihre exquisiten Pralinenrezepte?

Emilia weigert sich strikt, dem Mann aus der High Society zu vertrauen. Und ihrem Herz schon gar nicht! Doch so ganz kann sie sich dem Zauber dieses Richard Stone nicht entziehen, zumal er offenbar ein sehr belastendes Geheimnis mit sich herumträgt ...

 

Eine traumhaft romantische Liebesgeschichte

 

 

Über die Autorinnen

Lotte Römer und Karin Koenicke sind erfolgreiche Liebesromanautorinnen und haben sich über eine literarische Agentur kennengelernt. Eines Tages steckten sie die Köpfe zusammen und dachten sich eine märchenhafte Romanze aus - natürlich auch mit einem Schuss Humor. Viel Spaß beim Lesen und Träumen!

 

Anmerkung:

Handlung, Personen sowie Firmen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Orten, Menschen oder Unternehmen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Für beim Lesen auftretende Hungerattacken und Appetitanfälle übernehmen wir keine Haftung. Die erwähnten Lieder sind alle real und haben uns beim Schreiben begleitet, selbst Matt the Electrician ist ein echter Musiker und kein Handwerker.

 

Selbstverständlich waren wir schon oft bei Emilia in der New Yorker Konditorei und haben genau die eine einzigartige Praline aus unseren kühnsten Schokoladenträumen gekauft. Wir sollen liebe Grüße von ihr weitergeben und teilen am Ende des Romans gerne einige ihrer Rezepte mit euch!

 

Lotte Römer

Karin Koenicke

 

 

 

 

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1. Creamfudge Blackberry Truffle

 

 

Samtenes Karamell vereint sich mit der dezenten Säure der Beeren zu einer überraschenden Geschmacksexplosion

 

New York, Manhattan, 16. Straße

 

„Nur noch ein Hauch von Zimt obendrauf, dann seid ihr perfekt“, erklärte Emilia den frisch gebackenen Dark Chocolate Brownies und bestäubte sie vorsichtig. Sie schob das Tablett mit den Leckereien in die Theke, zwischen die säuberlich aufgereihten Pralinen und die Cupcakes. Keine New Yorker Bäckerei, die etwas auf sich hielt, kam ohne diese bunt verzierten Küchlein aus. Wobei Emilias winziger Laden, der sich „Pastry Passion“ nannte, mit einer herkömmlichen Bakery so wenig zu vergleichen war wie die Yankees mit den Toronto Blue Jays. Langweiliges Weißbrot oder fetttriefende Donuts fanden sich hier nicht. Emilia machte den meisten Umsatz mit selbst hergestellten Pralinen und aufregenden Gebäckkompositionen, deren Rezepturen es nur bei ihr im Laden gab. Das Geschäft war ihr ganzer Stolz und sie probierte ständig neue Sorten aus.

Als die Türklingel hell bimmelte, blickte Emilia auf.

„Hallo, Mrs. Witherleaf“, begrüßte sie die grauhaarige Frau, die gerade den Laden betrat. „Wieder einmal Lust auf etwas Süßes bekommen?“

„Ach ja“, seufzte sie, „diese Schokoladen sind einfach zu einladend! Davon hätte ich gern zwei.“ Sie deutete auf die Brownies mit Bitterschokolade. „Die hätten sogar meinem Steve, Gott hab ihn selig, geschmeckt.“

Emilia wusste, dass Mrs. Witherleaf verwitwet war und keine hohe Rente hatte. Ihr Mann war Police Officer beim NYPD gewesen und vor über zehn Jahren bei einem Einsatz ums Leben gekommen. Seither versuchte sie, allein zurechtzukommen. Als Highlight gönnte sie sich hin und wieder eine Leckerei von „Pastry Passion“.

„Ich packe Ihnen ein paar davon ein“, sagte Emilia und strich sich eine ihrer dunklen Haarsträhnen hinters Ohr. „Und dazu noch sechs von den Toffee Trüffeln mit Blackberries?“

Mrs. Witherleaf kramte unschlüssig in ihrer Geldbörse.

„Ich weiß nicht recht. Ich habe nur drei Dollar dabei“, antwortete sie und ließ beschämt den Kopf hängen.

„Die Trüffel sind heute im Angebot“, log Emilia.

Sie gab einige davon in ein Tütchen, packte noch vier Brownies dazu und ein wenig von dem Schokoladenbruch, der vom Garnieren übrig war. Solche unverkäuflichen Restbestände hob sie immer auf, um sie Mrs. Witherleaf zu schenken.

Die Augen der grauhaarigen Frau strahlten, als sie Emilia zusah.

„Sie sind ein echter Engel“, sagte sie.

„Unsinn.“ Emilia schüttelte den Kopf, dass ihre Locken nur so flogen. „Man muss hier in der Nachbarschaft doch zusammenhalten. Außerdem ist Frühling und ich mache gleich Feierabend.“

Mrs. Witherleaf nickte zustimmend, zahlte und legte die Tüte mit den Köstlichkeiten bedächtig in ihre abgewetzte Handtasche.

„Noch einen schönen Abend, Emilia“, wünschte sie und verließ den Laden mit einem glücklichen Lächeln.

Emilia freute sich immer, wenn die grauhaarige Frau vorbeikam. Natürlich verdiente sie an ihr nichts, aber das war egal. Es gab zum Glück noch ein paar andere Kunden, die das ausglichen. So hoffte sie zumindest. Für die neue Kühltheke, die sie vor drei Monaten angeschafft hatte, war ein Kredit nötig gewesen. Den galt es jetzt erst einmal abzustottern, was nicht leicht war. Aber wenn man einen Laden hatte, musste man eben auch investieren. Finanzen und Buchhaltung waren allerdings etwas, mit dem sich Emilia ungefähr so gut anfreunden konnte wie mit einem Magengeschwür. Schon in der Schule war Mathe ihr schlechtestes Fach gewesen. Aber bisher kam sie mit „Pasty Passion“ gut über die Runden. Sie verdiente kein Vermögen, doch sie liebte ihren Job und es reichte zum Überleben.

Emilia sah auf ihre Armbanduhr. In einer Viertelstunde würde sie hier abschließen. Sie überlegte gerade, ob sie schon einige der Backwaren in die luftdichten Aufbewahrungsboxen geben sollte und beugte sich nach unten zu einer Schublade, da klingelte die altmodische Türglocke Sturm. Irgendjemand hatte heftig die Ladentür aufgerissen.

Erschrocken fuhr Emilia hoch. Zwei elegant gekleidete Männer betraten mit hastigen Schritten den Raum. Mit einem schnellen Blick versuchte sie, die beiden einzuschätzen. Der erste, der hereinstürmte als handle es sich um eine Razzia, trug einen mürrischen Gesichtsausdruck vor sich her und einen riesigen Blumenstrauß in der Hand. Seine rotblonden Haare waren hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden und vorne mit Gel an den Kopf geklebt. Emilia hatte schon freundlichere Typen gesehen. Bei seinem Anblick ging alles an ihr in Habachtstellung.

Der andere, ein hochgewachsener Mann Mitte dreißig in einem perfekt sitzenden schwarzen Anzug und mit der Aura eines hochrangigen Geschäftsmannes, hielt ein Handy ans Ohr, in das er hineinredete. Sein markantes Kinn war für Emilias Geschmack viel zu glattrasiert, die blauen Augen zu kühl und seine Haare waren so dunkel, dass sie sich fragte, ob das schimmernde Schwarz echt sein konnte. Er war einer dieser typischen New Yorker Businesstypen, stellte Emilia sofort fest. Solche Wichtigtuer konnte sie von Haus aus nicht leiden, insbesondere wenn sie nicht einmal „Guten Tag“ herausbrachten, sondern ohne aufzusehen in ihr Smartphone sprachen.

„Das Marketingkonzept sollte bis heute um fünf auf meinem Schreibtisch liegen! Verzögerungen akzeptiere ich nicht. Ich erwarte, dass meine Anordnungen befolgt werden. Geben Sie mir fünfhundert Gramm von Ihren besten Pralinen.“

Es dauerte einen Moment, bis Emilia klar wurde, dass mit dem letzten Satz sie selbst und nicht sein bemitleidenswerter Gesprächspartner gemeint war. Sie funkelte den Anzugträger vorwurfsvoll an. Er hatte sie nicht einmal angesehen! Am liebsten hätte sie ihn vor die Tür gesetzt, aber bei dieser Bestellmenge überlegte sie es sich doch schnell anders.

Alles an dem Kerl roch nach Geld. Seine goldene Uhr, die maßgeschneiderten Klamotten, das teure Handy an seinem Ohr, dem er weiterhin seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Sie würde ihm einen Sonderpreis machen – aber in anderer Richtung als bei Mrs. Witherleaf.

„Soll ich die Pralinen in eine Schachtel packen als Geschenk oder wollen Sie sie selbst essen, als Heilmittel gegen Ihren stressigen Job?“, fragte sie mitten in sein Gespräch hinein und lächelte ihn dazu betont freundlich an.

Das brachte ihn offenbar aus dem Konzept. Sein Blick schoss zu ihr und hielt den ihren fest. Emilia musste unwillkürlich schlucken, so intensiv war das Blau seiner Augen, aber auch der selbstbewusste Ausdruck in seinem Blick. Er war es allem Anschein nach nicht gewohnt, infrage gestellt zu werden.

„Natürlich als Geschenk. Ich esse nichts Süßes“, erwiderte er barsch, wandte sich wieder seinem vernachlässigtem Handy zu und diskutierte anschließend eine immens innovative Verkaufsstrategie.

Mit hochgezogenen Augenbrauen befüllte Emilia eine lila Schachtel, die das Emblem ihres Ladens trug. Auch wenn ihr durch den Augenkontakt für einen Moment die Luft weggeblieben war – von einem Typen wie diesem ließ sie sich nicht einschüchtern. „Hätte mich tatsächlich gewundert, wenn so jemand einen Sinn für Genuss mitbrächte“, murmelte sie vor sich hin, während sie die Pralinen zusammensuchte. Sie fand es unmöglich, dass diese Typen hier hereinmarschierten, als sei „Pastry Passion“ ein Schnellrestaurant. Schließlich war das hier nicht irgendein Laden. Emilia wusste, dass ihre Pralinen und ihre Gebäcke die besten weit und breit waren.

Der Rothaarige stopfte sich inzwischen den halben Inhalt des Probiertellers in den Mund. Als er bemerkte, dass sie ihn vorwurfsvoll ansah, schnauzte er sie an.

„Los, ein bisschen schneller. Wir haben nicht ewig Zeit!“

Dann vertilgte er die nächste Nougatkugel. Der Kerl war widerlich. Wenn der andere Mann schon kein Genussmensch war – dieser hier warf ihre wertvollen Pralinen ein, als wären sie gesalzene Erdnüsse auf der Tribüne des Yankees-Stadions.

Emilia beeilte sich, die lilafarbene Geschenkverpackung zu schließen. Kaum war sie fertig, streckte sie sie dem fleißigen Telefonierer entgegen, aber der reagierte gar nicht. Glaubte der allen Ernstes, sie würde ewig so dastehen?

„Macht achtundsiebzig Dollar“, verlangte sie laut.

Der Dunkelhaarige nickte dem Pferdeschwanztypen wortlos zu, welcher ihr eine Hundert-Dollar-Note in die Hand drückte.

„Stimmt so, Schätzchen“, sagte der Rote und grinste schleimig. Dazu zwinkerte er ihr auch noch anzüglich zu.

Emilia kochte innerlich. Da war ihr Mrs. Witherleaf tausend Mal lieber.

Endlich hatte der Anzugträger aufgelegt und sah zu ihr herüber. Sie nutzte die Chance, um ihn anzusprechen.

„Ich habe Ihnen meine Creamfudge Blackberry Truffles mit eingepackt. Die passen nämlich außerordentlich gut zu Ihrem Handy“, erklärte Emilia und schenkte ihm ein aufgesetztes Verkäuferinnenlächeln.

Er schien Emilia zum ersten Mal als Person wahr zu nehmen. Seine meerblauen Augen, die einen attraktiven Kontrast zu den dichten, dunklen Haaren bildeten, weiteten sich leicht.

„BlackBerry?“, wiederholte er fragend, als wisse er nicht genau, ob sie vom Smartphone oder von der Praline gesprochen hatte. Er sah sie an, als wolle er sie genau ergründen. Wieder fand sein Blick den ihren, verweilte bei ihr, machte sie atemlos. An ihrem Nacken prickelte es und die Luft im Verkaufsraum schien mit einem Mal zu flirren. Seine Augen hatten irgendetwas an sich, das andere Menschen zu durchdringen schien. Emilia hatte so einen Blick noch nie erlebt und fühlte sich hin- und hergerissen. Sie spürte eine fast magnetische Anziehung, die es ihr unmöglich machte, einfach wegzuschauen. Gleichzeitig war sie verärgert, weil der Mann sie abschätzend taxierte. Es fiel ihr schwer, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren. Dabei hatte sie sich vorgenommen, diesen aufgeblasenen Wichtigtuer mit lieblicher Höflichkeit aus dem Konzept zu bringen. Sie räusperte sich und kam auf das Thema zurück.

„Genau. Blackberry Truffle. Mit Sahnekaramell, das ich zu einer leicht herben Note eingekocht habe, und der aparten Säure von Schwarzbeeren. Sehr gerne dürfen Sie diese exquisite Kreation probieren! Sie ist geradezu ideal für hart verhandelnde Geschäftsmänner wie Sie.“

Emilia hielt ihm auffordernd einen Trüffel mit der Zange hin. Ihr Ton war sehr bestimmend. Dass ihr Atem viel zu schnell kam, hörte man zum Glück nicht. Drohend schob sie die Süßigkeit noch näher an sein Gesicht. Niemand hier in ihrem Laden kaufte einfach so nebenbei Pralinen, nicht mal ein attraktiver Manager mit hypnotischem Blick! Das war eine ernste Angelegenheit und sie würde auch diesen ungehobelten Kerl dazu zwingen, sich ihren Köstlichkeiten mit dem ihnen gebührendem Respekt zu nähern.

„Also gut“, sagte er und seine raue Stimme ließ winzige Eiskristalle über ihren Rücken rieseln. Er nahm ihr den Trüffel vorsichtig ab und schob ihn sich gehorsam in den Mund. Hübsche Lippen hatte der Mann, das musste man ihm lassen. Sinnlich und so schön geschwungen, als hätte Botticelli sie gemalt.

Gespannt blickte Emilia ihn an. Hatte sie ihn mit der Praline für Süßes begeistern können? Ein leichter Duft nach Bergamotte, Baumrinde und würzigem Moos stieg in ihre Nase. Sie schnupperte. So ein Männerparfüm war ihr noch nie untergekommen. Irgendwie roch er anders als die Anzugträger, die sonst hier hereinschneiten. Natürlicher. Nicht so künstlich. Der andere Typ, der ekelhafte, roch wie Emilias schlimmster Geruchs-Albtraum. Süßscharf, verbunden mit einem säuerlichen Eigengeruch. Aber der Dunkelhaarige verströmte einen Duft, der sie an laue Sommerabende in einem Pinienhain vor den Toren von Rom erinnerte. Sie wäre am liebsten näher an ihn herangetreten und hätte das Aroma genauer erkundet. Emilia hatte eine gute Nase, schon als Kind hatte sie sich an Düfte erinnern können und diese Fähigkeit kam ihr auch bei ihrer Arbeit zugute.

Prüfend musterte sie den Geschäftsmann. Was war das für ein Typ? Er wirkte mächtig und selbstbewusst. Sicher war er einer, der bestimmte, wo es lang ging. Wie würde er sich zu der Blackberry-Praline äußern? Ihre Blicke trafen erneut aufeinander, nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber Emilias Puls beschleunigte sich, obwohl sie arrogante Manager wie ihn nicht mochte.

Doch der kurze Augenblick wurde jäh unterbrochen. Der rothaarige Pralinenvernichter räusperte sich laut. „Senator Barrington wartet vor dem Dinner noch auf uns“, warf er ein. „Wir haben doch jetzt alles. Es wird wirklich Zeit loszufahren.“

Er nahm dem anderen Geschäftsmann die lila Schachtel mit dem „Pastry Passion“-Logo ab und ging zur Tür. Der Mann mit den blauen Augen wandte sich mit einer abrupten Bewegung von Emilia ab. Er folgte seinem Kollegen umgehend, ohne sich zu verabschieden oder auch nur ein Wort über die Trüffelkreation fallen zu lassen. Nur ein zarter Hauch von Waldduft blieb zurück.

„Unhöfliche Holzklötze!“, rief Emilia den beiden hinterher, kaum dass sie den Gehweg betreten hatten und die Tür hinter ihnen zugefallen war. Sie holte den Ladenschlüssel und ging nach vorne, um für heute abzusperren. Als sie auf die Straße blickte, sah sie eine abgedunkelte Limousine losfahren. Na wunderbar. Das waren also tatsächlich irgendwelche hoch bezahlten Manager aus einem der vielen Glaspaläste gewesen. Investmentbanker oder Anwälte, die zu einem noblen Dinner eingeladen waren und unterwegs in letzter Minute noch Blumen und Pralinen für die Gastgeberin besorgt hatten. Dass der Strauß von Sam, der neben ihrem Laden eine Blumenhandlung führte, gewesen war, hatte sie gleich erkannt.

Auf dem Weg nach Hause fiel ihr ein, dass sie noch nie Bergamotte für ihre Pralinen verarbeitet hatte. War eigentlich keine schlechte Idee. Vielleicht sollte sie das demnächst einmal ausprobieren.

 

*

 

Draußen roch es nach Sommer. Der Frühling neigte sich fast schon dem Ende zu. Obwohl sich ihr Laden mitten in Manhattan befand, erschnupperte Emilia den dezenten Duft von aufblühendem Jasmin und Mandelbäumchen, die in schweren Töpfen manchen Hinterhof bevölkerten. Emilia liebte es, wenn der Sommer unmittelbar bevorstand. Es war eine einzige Verheißung. Die Menschen kamen ihr freundlicher vor um diese Jahreszeit und sie mochte es, wenn man die Sonne wieder warm auf der Haut spürte. Das erinnerte sie immer an ihre Kindheit in Rom. Ach, wie hatte sie die Wärme dort genossen! Und auch den Duft von Oleander. Den hatte sie heute noch in der Nase, wenn sie an die warmen Monate in Italien dachte.

Auf dem Weg nach Hause ging Emilia noch kurz in den italienischen Supermarkt. Es gab dort diese fantastische Pasta, handgemacht. Und sie wollte Tante Violetta eine Freude bereiten. Emilias Tagliatelle Salmone waren Vios Leibgericht. Eigentlich war sie ihre Großtante, aber so durfte man sie nicht ansprechen, außer man wollte Ärger.

Als Emilia mit der vollen Einkaufstasche in der Hand die Tür zu der Wohnung aufschloss, die sie mit ihrer Großtante teilte, kam ihr eine Rauchwolke entgegen.

„Violetta? Violetta!“

Emilia stürmte in die Küche, wo sie den Ursprung des Gestanks und des Rauchs vermutete. Violetta hatte wohl wieder einmal vergessen, dass sie gerade beim Kochen gewesen war. Emilia packte die Pfanne und ihren bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Inhalt und hielt sie unter das kalte Wasser. Es dampfte und zischte. Dann riss sie die Küchenfenster auf und holte tief Luft.

Wo war Violetta nur?

„Tantchen, wo bist du?“

Emilia fand Violetta am Fenster im Wohnzimmer. Sie streckte den Kopf hinaus, um mehr sehen zu können, und rauchte gemütlich eine Zigarette.

„Da steckst du ja, dio mio!“

Emilia stützte sich neben Violetta auf der Fensterbank ab. „Du hättest fast die Bude abgefackelt! Die ganze Küche war schon zugeraucht und…“

„Ciao, Bella! Schön dass du jetzt da bist.“ Violetta hielt Emilia ihre gepuderte Wange zum Kuss hin. Wie immer war die Tante perfekt geschminkt. Die grauen Haare trug sie zu einer Art Turban aufgetürmt. Das Mundstück ihrer Zigarette war fünfzehn Zentimeter lang, was ihren Gesten beim Rauchen Eleganz verlieh.

„Ich dachte, ich koche dir etwas Schönes. Daraus wird jetzt wohl nichts, tut mir wirklich leid. Haben wir einen Plan B?“ Violetta lächelte Emilia an und tätschelte ihr die Wange.

Diese Frau war wirklich durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Emilia drehte die Augen gen Decke. Sie hatten diese Diskussion schon oft geführt.

„Ich habe doch mehrmals gesagt, dass ich für uns koche! Irgendwann brennt noch das ganze Haus.“

Tante Violetta blies Rauchkringel in die Luft. Sie war voll auf ihre Tätigkeit konzentriert.

Emilia gab auf. Vio war ein Schatz. Aber stur wie ein Esel. Und wenn sie etwas nicht wahrhaben wollte, konnte Emilia sich auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln, bringen würde es am Ende nichts.

Sie stieß sich von der Fensterbank ab und machte sich auf den Weg in die Küche. Der Lachs musste noch in ihre spezielle Zitrusmischung eingelegt werden. Sie wollte die Gewürze frisch mörsern und das Gemüse musste auch blanchiert werden. Bestimmt würde Violetta sich über die Tagliatelle Salmone freuen.

Emilia deckte liebevoll den kleinen Tisch mit der rotkarierten Tischdecke, entkorkte eine Flasche Weißwein und briet den Lachs genau auf den Punkt. Alles war perfekt. Die Pasta war al dente, der Pinot Grigio hatte genau die richtige Temperatur und das Wasser war „gassata“, wie Violetta es mochte.

Als die Tante an den Tisch kam und sah, was es zu essen gab, strahlte sie.

„Emilia, es ist wirklich ein Segen, dich hier zu haben.“ Violetta hob ihr Glas und stieß mit Emilia an. „Auf dich, Carissima!“

Die beiden Frauen tranken den ersten Schluck Wein. Er war wunderbar trocken, wie Emilia es liebte. Sie gab noch frischen weißen Pfeffer auf die Tagliatelle. Dann saßen die beiden einträchtig beisammen und genossen ihre Nudeln.
„Genau so lecker wie ein Burger“, sagte Violetta, als sie ihre Portion aufgegessen und das letzte bisschen Soße mit einem Stückchen Ciabattabrot aufgetunkt hatte.

„Ein Burger? Violetta! Das ist eine Beleidigung!“, rief Emilia in gespielter Entrüstung.

Violetta war New Yorkerin mit ganzem Herzen. Sie liebte die Stadt. Zwar hatte sie wie Emilia italienische Wurzeln, aber sie lebte schon ihr Leben lang in New York. Für sie war der Vergleich von Emilias fantastischer Pasta mit einem Burger ein hohes Lob, während Emilia wohl nie verstehen würde, was den Reiz von Fastfood ausmachte.

Emilia genoss die Abende mit Violetta in der Küche. Sie fühlte sich hier wohl und geborgen. Die antiken Möbel, die nicht so recht zueinander passen wollten, der goldumrandete Spiegel im Flur, die Küche, die seit Jahrzehnten gute Dienste tat – was man ihr mittlerweile auch ansah. Für Emilia war das hier der gemütlichste Platz auf der Welt. Hier erfand sie ihre einzigartigen Rezepte und verfeinerte altbekannte Backgenüsse. Ihre Schokoladenpudding-Bomboloni beispielsweise waren ein Renner! Normalerweise waren diese italienischen Krapfen mit Vanillepudding gefüllt. Aber weil Violetta Schokopudding nun mal liebte, hatte Emilia ihr zum Geburtstag eine schokoladige Version des süßen Genusses zubereitet. Jetzt waren die Gebäckstücke im Laden immer sofort ausverkauft, wenn sie sie in die Theke sortiert hatte.

„Wie war denn dein Tag, Bella?“

Violetta riss Emilia aus ihren Gedanken. Nun, wo ihre Tante älter wurde, kam sie nicht mehr so viel unter die Leute. Es war ein bisschen so, als würde sie Emilias Leben mitleben. Jeden Abend erzählte sie ihr von ihrem Tag und schmückte die Anekdoten ein wenig aus, sodass die Augen ihrer Tante nur so strahlten.

„Heute ist so ein BlackBerry-Business-Heini dagewesen. Du weißt schon, einer von diesen Ego-Typen. Sein Begleiter hat meine Schüssel mit den Schokoladenproben leergefressen. Ehrlich, es war widerlich. Und dieser Anzug-Fuzzi hat mich behandelt wie Luft. So extrem ist mir das überhaupt noch nie passiert.“

Emilia gestikulierte wild herum, wie es nur Italienerinnen können, und erzählte die ganze Geschichte. Sie war eine sehr gute Erzählerin. Violetta lauschte gebannt, mit leicht geröteten Wangen.

Als Emilia von der Blackberry-Truffle Praline erzählte und wie sie das Schokowerk quasi direkt in seinen Mund gezwungen hatte, musste Violetta herzlich lachen.

„Typisch, Bella! Du kannst es nicht lassen.“ Sie schüttelte den Kopf und kicherte noch immer.

Dann jedoch bekam sie diesen besonderen Blick, den Emilia nur zu gut kannte. Sie wusste, was jetzt kommen würde, und behielt natürlich recht.

„Hatte dieser reiche Kerl einen Ehering am Finger? Und war er attraktiv?“, fragte Violetta gerade heraus.

Emilia verdrehte die Augen. Sie wusste, dass ihre Großtante sie nur zu gern unter der Haube sehen würde. Eine von Violettas Lieblingsbeschäftigungen war es, in Hochzeitsmagazinen zu blättern. Doch so gerne Emilia ihre Verwandte hatte – diesen Wunsch konnte sie ihr nicht erfüllen.

„Er war ein arroganter Holzklotz!“, stellte sie klar. „Ohne den geringsten Anstand. Den würde keine Frau der Welt haben wollen.“

Violetta wiegte ihren Kopf hin und her.

„Täusch dich da nicht, Cara. Geld macht Männer anziehend“, sagte sie.

„Für mich nicht. Für mich ist dieser Kerl so anziehend wie ein eingewachsener Zehennagel.“

Sie stand auf, um das Geschirr in die Küche zu räumen. Doch Violetta packte sie am Ellbogen.

„Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ihr euch wiederseht“, sagte die Tante mit bedeutungsschwerer Stimme. „Manchmal habe ich Vorahnungen, das weißt du doch.“

Jetzt musste Emilia lachen. „Wäre mir nur recht. Der Typ hat mir hundert Dollar da gelassen. Als Kunde darf er gerne jeden Tag kommen.“

Violetta ließ sie los, seufzte theatralisch und ging zum Sideboard, wo die Flaschen standen. „Du nimmst die Liebe einfach nicht ernst, das ist dein Problem! Wirklich schlimm mit dir.“

Dann goss sie sich ein großes Glas Grappa ein, leerte es in einem Zug und deutete auf die Flasche. „Außerdem solltest du daraus mal Pralinen machen, nicht nur aus Nüssen und Marzipan.“

„Gute Idee, Tantchen. Ich nehme die Flasche morgen mit und probiere das aus.“

Beide lachten.

Emilia wischte den Tisch ab und gesellte sich dann zu ihrer Großtante. Satt und zufrieden lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück. Wieder einmal fiel ihr auf, wie wohl sie sich in dieser unkonventionellen Wohngemeinschaft fühlte.

Violetta deutete mit dem Kopf in Richtung des Flurs.

„Hast du die Post beim Reingehen gesehen?“, fragte sie. „Du hast ein paar Briefe bekommen.“

„Du bist ja witzig, Tante. Beim Reingehen habe ich nur Rauch gesehen, sonst gar nichts.“

Violetta hatte wohl doch einen Anflug von schlechtem Gewissen, denn sie stand selbst auf und kam kurz darauf mit zwei Briefen zurück, die sie ihrer Nichte übergab. Einer war von einem kleinen Kakaohersteller, mit dem sie kürzlich Kontakt aufgenommen hatte. Seine Schokosplitter hatten eine feine Zimtnote, die Emilia sich einfach wundervoll auf Apfelcupcakes vorstellte. Sie musste das Rezept unbedingt bald mal ausprobieren.

Und dann war da noch ein Brief von der Hausverwaltung des Gebäudes, in dem sich ihre Bäckerei befand. Oh Gott, hoffentlich war das keine Mieterhöhung! Das würde sich Emilia nicht leisten können, sie stotterte schließlich immer noch die Raten für die Kühltheke ab.

Sie warf Violetta einen verstohlenen Blick zu. Doch die Tante hatte zu einem kleinen Taschenspiegel gegriffen und zog sich ihre Lippen hochkonzentriert in leuchtendem Pink nach.

Mit einer schnellen Bewegung riss Emilia den Brief auf. Es half ja nichts.
Während sie las, wurde sie immer blasser. Das durfte einfach nicht wahr sein!

Emilias Herz klopfte wie wild, als sie den Brief ein zweites und drittes Mal las. Das war eine Katastrophe!

„Ist alles gut, Bella?“ Tante Violetta schaute sie besorgt an.

„Ja, klar, warum? Es geht nur um die Nebenkosten…“, sagte sie schnell.

Emilia brachte es nicht fertig, ihrer Tante die Wahrheit zu sagen. Violetta hatte schließlich ihr ganzes Vermögen in das Geschäft gesteckt. Außerdem litt sie manchmal unter Herzrhythmusstörungen und Emilia hatte sich geschworen, jede Aufregung von ihrer Großtante fernzuhalten.

„Gut, dann geh ich mal ins Wohnzimmer.“ Violetta zückte ihre Zigarettenspitze und verließ die Küche.

Emilia starrte noch immer auf das Schreiben in ihrer Hand. Ihre Finger zitterten. Die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen:

„… müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass das Gebäude verkauft wurde und Sie bis zum Ende des übernächsten Monats Ihren Laden räumen müssen“, las sie zum wiederholten Male.

Sie musste also raus. Musste in drei Monaten ihren Laden, den sie so mühsam aufgebaut hatte, aufgeben.

Emilias Kehle war wie zugeschnürt. Sie konnte förmlich spüren, wie die Verzweiflung von ihr Besitz ergriff. Was sollte sie nur tun? Ihre Existenz hing von diesem Geschäft ab.

Mit zittrigen Händen schenkte sich Emilia einen Grappa ein und kippte ihn, was sonst gar nicht ihre Art war, in einem Schluck hinunter. Das Brennen in der Kehle tat gut, sie wurde ein wenig ruhiger.

Langsam erholte sich ihr Gehirn von dem Schock und begann wieder zu arbeiten.

Man hatte ihr also eine Kündigung geschickt. Okay. Aber das hieß noch lange nicht, dass sie das einfach so hinnehmen würde.

Entschlossen schüttelte Emilia das negative Gefühl ab. So einfach würde sie nicht aufgeben! Schon allein wegen Violetta. Sie beide hatten für den Erfolg von „Pastry Passion“ hart gearbeitet und nun ließ sich Emilia das alles nicht einfach kaputt machen, von irgend so einem dahergelaufenen Hausverwalter. So konnte man mit ihr nicht umspringen. Sie würde das tun, was sie schon ihr Leben lang gewohnt war: Sie würde kämpfen!

 

2. Lowfat vegan Brownies with chocolat drops

 

Fettreduziertes Schokoladengebäck, mit zartschmelzenden Schoko-Minz-Tropfen verfeinert für die ganz besondere Note

 

 

Emilia schreckte aus dem Schlaf auf. Was für ein fürchterlicher Albtraum! Sie streckte sich und rieb sich die Augen. Da fiel ihr alles schlagartig wieder ein. Die Kündigung für den Laden war kein Traum gewesen, sondern bittere Realität.

Kein Wunder, dass sie kaum geschlafen hatte.

Gleich am Abend hatte sie noch versucht, die Hausverwaltung zu erreichen, aber natürlich war dort niemand mehr gewesen um die späte Uhrzeit.

Also hatte sie die Zeit bis zum Schlafengehen irgendwie totgeschlagen, die Küche geputzt und noch einen Grappa mit Violetta getrunken. Violetta liebte Grappa. Sie hatte ein bisschen über den Durst getrunken und war dann zu Paolo Conte durchs Wohnzimmer getanzt. „Via con me“ war eigentlich ein Song, der bei Emilia sofort gute Laune zauberte, aber es war ihr schwer gefallen, ein fröhliches Gesicht zu machen. Gut, dass Violetta dank des Grappas und des von ihr sehr verehrten Signor Conte nicht besonders aufmerksam gewesen war.

Emilia rieb sich den Schlaf aus den Augen. Sie musste unbedingt gleich die Hausverwaltung anrufen. Ob es schon spät genug war? Sie schaute auf ihren Wecker. Oh nein! Das auch noch. Sie hatte verschlafen. Das war ihr noch nie passiert! Seit sie ihr Geschäft betrieb, war sie eigentlich immer von selbst aufgewacht. Meistens ging sie schon ganz früh in den Laden, weil sie viele Pastries schon vor den Öffnungszeiten in den Ofen schob. Heute hatte sie die Apfelcupcakes in Angriff nehmen wollen und Chocolate Bomboloni machte sie freitags eigentlich auch immer.

Emilia sprang aus dem Bett und stürmte ins Bad, um sich notdürftig zu waschen und ihre widerspenstigen Locken zu einem Pferdeschwanz zu binden. Sie schlüpfte in ihre Arbeitsuniform – schwarze Hose, schwarzes T-Shirt – und lief in die Küche. Ein schneller Espresso musste einfach sein, sonst funktionierte sie nicht richtig.

Violetta saß in einem seidenen Morgenrock und mit einem riesigen Handtuchturban auf dem Kopf am Tisch und schlürfte einen Latte Macchiato. Ohne ihr abenteuerliches Make-up wirkte sie so alt wie sie war und sah ein wenig zerbrechlich aus.

„Buongiorno, Emilia.“ Die alte Frau trank einen Schluck aus ihrer Tasse und lächelte ihre Nichte liebevoll an.

Die drückte aufs Knöpfchen für den Espresso. „Warum weckst du mich denn nicht? Ich muss doch zur Arbeit!“

„Ach Kind! Die Welt besteht nicht nur aus Arbeit, Arbeit, Arbeit. Du solltest das Leben auch ein wenig genießen. Schließlich bist du jung und schön. Die Welt ist voller Abenteuer.“

Der Blick von Violetta schweifte in die Ferne und sie machte eine weit ausholende Geste.

„Bist du noch betrunken, Tante?“

Emilia sah Vio zu, wie diese einen weiteren Schluck ihres Kaffees nahm und genüsslich die Augen schloss. Manchmal wusste sie wirklich nicht, ob ihre Großtante sich ein wenig Schnaps in den Kaffee kippte. Aber sie vermutete, dass das gar nicht nötig war. Violetta hatte nun mal eine etwas andere Lebenseinstellung. Dazu brauchte es keinen Alkohol.

Hastig trank Emilia ihren Espresso aus, küsste ihre Tante auf die Wange und rannte aus der Wohnung. Ihr Ziel für diesen Morgen war klar: Sie musste dringend die Hausverwaltung erreichen.

Heute hatte sie keinen Blick für die Morgenstimmung und das geschäftige Treiben auf den Straßen. Sie rannte fast in die 16. Straße, um „Pastry Passion“ aufzusperren. Schon von Weitem sah sie das auffällige lila Schild, das sie sich extra hatte anfertigen lassen. Der Gedanke, dass sie alles, was sie sich hier aufgebaut hatte, verlieren könnte, war einfach unerträglich.

„Bist spät dran heute, Em!“

Sam, der Besitzer des Blumenstandes von nebenan, winkte freundlich zu ihr herüber. Er trug wie immer eine alte Jeans und ein Sweatshirt, heute mit einem Grizzlybären als Aufdruck. Das Bärenoberteil war sein Lieblingskleidungsstück und Emilia fand, der rundliche Grizzly passte gut zu Sams graumelierten Vollbart.

Emilia erwiderte seine freundliche Geste und grinste ihm zu. Sie würde ohnehin gleich einen Kaffee mit ihm trinken. Aber erst musste sie ans Telefon.

Emilia sperrte ihren Laden auf.

Sofort stiegen die unterschiedlichen Gerüche in ihre Nase. Da war der zartherbe Duft bester Schokolade, die Vanillenote, die über allem schwebte und ein zarter Geruch von Zimt und Nelken. Die Nelken waren die geheime Zutat der Brownies für Mrs. Hannigan-Flynn. Emilia hatte sie eigens für die Jetset-Lady erfunden. Sie waren extra fettarm, hatten viele Ballaststoffe und waren vegan. Also eine low-fat und low-carb Leckerei, was genau den Bedürfnissen der New Yorker High Society-Ladies entsprach. Mrs. Hannigan-Flynn holte jeden Freitag eine riesige Ladung Brownies für ihr Kaffeekränzchen mit den anderen Upperclass-Damen ab. Es war eine große Herausforderung gewesen, für die Damen, die sich quasi ohne Kohlenhydrate und nach strengem Diätplan ernährten, etwas Süßes zu kreieren. Aber dank Agavensirup, Vollkornschrot und einer großen Ladung ausgeklügelter Gewürze hatte Emilia das Wunder vollbracht. Nun war die Hannigan-Flynn-Clique süchtig nach ihren gesunden Brownies und das schlug sich äußerst positiv im Umsatz nieder.

Emilia schmiss die Espressomaschine an. Sie brauchte eindeutig einen zweiten Kaffee, bevor sie sich auf das Gespräch einließ. Anschließend kramte Emilia in ihrer Handtasche nach dem Brief von der Hausverwaltung.

Als sie die Nummer gewählt hatte und den Hörer ans Ohr drückte, hielt sie vor Aufregung die Luft an. Endlich meldete sich jemand. Nachdem sie ihr Aktenzeichen mitgeteilt hatte, kam sie direkt auf ihr Anliegen zu sprechen.

„Wer hat denn das Haus gekauft? Ich meine, vielleicht lässt der neue Besitzer ja mit sich reden.“

„Ich bedaure sehr, Madam, aber ich darf Ihnen da keine Auskunft geben“, sagte die neutrale Stimme am anderen Ende der Leitung.

Emilia spürte leichte Panik in sich aufsteigen – gepaart mit einer deutlichen Portion Wut wegen der so offensichtlich zur Schau getragenen Gleichgültigkeit ihres Gesprächspartners.

„Ist Ihnen klar, dass meine Existenz bedroht ist?“ Emilia musste sich zusammenreißen, um den emotionslosen Kerl nicht anzuschreien.

„Wie schon gesagt, ich kann Ihnen da leider nicht weiterhelfen. Ich bin nicht befugt, Ihnen Auskunft zu erteilen.“

„Ich will doch nur den Namen des Käufers wissen. Bitte! Ich möchte doch nur nachfragen, ob ich mein Geschäft hier weiter betreiben kann. Haben Sie ein Herz!“ Emilia hasste es zu betteln. Aber was blieb ihr übrig?

„Es tut mir leid.“ Die Stimme am anderen Ende des Apparats war ein wenig weicher geworden. „Wir haben Schweigepflicht. Ich bin genauso auf meinen Job hier angewiesen wie Sie auf Ihr Geschäft. Ich habe Familie.“

„Verstehe.“

Emilia seufzte. Offensichtlich war ihr Telefonat aussichtslos. Sie musste sich etwas anderes einfallen lassen. Dann verabschiedete sie sich und legte auf.

Die Hausverwaltung würde ihr niemals verraten, wer der Käufer des Hauses war. Ob Sam mehr wusste? Sie würde gleich zwei Tassen Cappuccino machen und zu ihm rübergehen. Das Backen verschob sie ausnahmsweise auf später. Die Sache mit dem Haus ging einfach vor.

Als Emilia Sam seinen Kaffee hinhielt, strahlte er sie an.

„Danke Em, dein Cappuccino ist einfach der Beste in ganz Manhattan.“

Sie erwiderte sein Lächeln und umschloss ihre Tasse mit beiden Händen.

„Sag mal, Sam, hast du was mitgekriegt, dass die Häuser hier verkauft werden?“

„Nein, warum?“ Auf Sams Stirn bildete sich eine kleine Sorgenfalte.

„Ich habe die Kündigung bekommen. Es wird wohl renoviert oder so. Zumindest gibt es einen neuen Besitzer. Und du weißt, dass ich mir den Laden dann nicht mehr leisten kann.“

Emilia spürte, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. Sie wollte hier nicht weg. Allein wegen Sam und weil sie gerade so viel Geld in das Geschäft investiert hatte. An Violetta wollte sie gar nicht denken. Sie erinnerte sich, wie ihre Tante am Vorabend mit dem Grappa in der Hand durch die Wohnung getanzt war. Wie hätte sie ihr sagen sollen, dass „Pastry Passion“ und somit Vios gesamten Ersparnisse in Gefahr waren? Allein der Gedanke daran bereitete Emilia Magenschmerzen.

Sam schlürfte ein wenig Milchschaum.

„Und was machst du? Du wirst dich doch sicher wehren!“ Für ihn war ganz klar, dass Emilia niemals klein beigeben würde – dafür kannte er sie schon gut genug.

„Ich muss erst einmal herauskriegen, wer das Haus gekauft hat, um handeln zu können. Aber so schnell lasse ich mich nicht vertreiben, keine Sorge.“

Emilia nippte an ihrer Tasse. In diesem Moment bremste der rote Porsche von Mrs. Hannigan-Flynn neben ihr und hupte.

„Juhuuu“, flötete die spindeldürre Frau und winkte affektiert. Obwohl sie die fünfzig sicher schon weit überschritten hatte, war ihr Gesicht dank Botox fast faltenfrei. Nur mit der Mimik haperte es etwas, vielleicht neigte sie deshalb zu übertriebener Gestik. Die vegane Kuchenliebhaberin parkte direkt vor „Pastry Passion“ im Halteverbot und stieg aus. Emilia verabschiedete sich von Sam und ging zu dem Sportflitzer.

„Kommen Sie gleich mit, Mrs. Hannigan-Flynn, ich habe Ihre Brownies schon hergerichtet. Vielleicht wollen Sie ja auch ein paar kandierte Apfelstücke mit Nüssen und Rosinen probieren? Die sind auch vegan und wären bestimmt ein Renner bei ihren Freundinnen.“

„Ach, Emilia, Sie wissen einfach, was ich brauche.“ Mrs. Hannigan-Flynn stöckelte hinter Emilia her in das Ladenlokal.

Emilia reichte ihr eines der kandierten Apfelstückchen über den Tresen.

„Köstlich, einfach köstlich! Ob man das auch mit Aprikosen machen kann? Ich könnte zu meinem Geburtstag nächste Woche ein Kandisfruchtbuffet anrichten. Es wird nur ein kleiner Umtrunk, wissen Sie. Und man weiß ja heutzutage nicht mehr, was man noch bieten soll. Sie verstehen das sicher.“

Emilia nickte mitfühlend. „Natürlich. Man hat es schon nicht leicht heutzutage.“ Innerlich verdrehte sie die Augen. Aber natürlich durfte ihre Kundin das nicht merken.

„Selbstverständlich kann ich Ihnen sämtliche Köstlichkeiten auch aus Aprikosen zaubern. Alles was Sie wünschen. Ich würde auch ein paar Nussbissen für die Herren vorschlagen. Mit Marzipan. Und vielleicht ein paar Grissini mit hausgemachten Dips zum Champagner?“

„Großartig, so machen wir es! Sie sind einfach die Beste!“

Emilia freute sich über den unerwarteten Auftrag. Gerade jetzt konnte sie wirklich jeden Dollar brauchen.

„Wollen Sie, dass ich die Sachen liefere?“

„Ja, das wäre gut. Mein Auto ist einfach zu unpraktisch.“ Mrs. Hannigan-Flynn steckte sich vermeintlich unbemerkt eine Nougatpraline vom Probierteller in den Mund, als Emilia sich über ihren Notizblock beugte.

Was ihr Personal Trainer wohl dazu sagen würde, dass sie sich eine Kombination aus Fett und Zucker zu Gemüte führte? Emilia musste heimlich lächeln.

Sie schrieb sich alles genau auf. Es war ein toller Auftrag. Sicher fünfhundert Dollar, die extra in die Kasse flossen, bei den Mengen, die Mrs. Hannigan-Flynn orderte. Sie würde Bitterschoko-Gewürz-Weintrauben, Erdbeer-Balsamico-Spieße mit Kandis, die Apfelstücke und Aprikosen im Kokosmantel liefern. Dazu noch die Nussbissen und deftige Aufstriche mit Vollkorngrissini, selbstgebacken, aber das war bei Emilia sowieso selbstverständlich.

Als Mrs. Hannigan-Flynn ihr Geschäft verlassen hatte, nahm Emilia einen weiteren Schluck des mittlerweile kalt gewordenen Cappuccinos. Sie musste sich beschäftigen und über ihre missliche Situation nachdenken.

Wenn Emilia sich unwohl fühlte, fand man sie von jeher in der Küche, wo sie sich mit Kochen ablenkte. Gestern hatte sie sich nach dem Vorschlag ihrer Tante ein Rezept für Pralinen mit flüssiger Grappafüllung ausgedacht. Mal sehen, ob es sich in die Praxis umsetzen ließ. Man könnte sicher wunderbare Süßspeisen mit gutem Grappa zaubern. Und das wäre sogar etwas, womit man männliche Kunden begeistern könnte, da diese Pralinen erstens nicht süß wären und zweitens Alkohol beinhalteten. Vielleicht eine ganz neue Verkaufsstrategie.

Emilia verschwand in dem kleinen Nebenraum, um Schokolade zu schmelzen, zu würzen und in Formen zu gießen. Dabei dachte sie über ihre Optionen nach. Ihr fiel im Moment nicht ein, wie sie – außer über die Hausverwaltung – an den neuen Besitzer des Hauses herankommen konnte. Womöglich musste sie sich nach einem anderen Ladenlokal umsehen. Was das wieder kosten würde! Dabei konnte sich Emilia im Augenblick keine großen Sprünge erlauben.

Wunderbare Gerüche stiegen aus den Formen mit den langsam trocknenden Pralinenhüllen auf. Emilia gab etwas vom Zuckergranulat, das sie selbst erfunden hatte, in die Rohlinge. Es würde etwas dauern, bis sich die gewünschte Kruste gebildet hatte.

Sie schob eine CD in den Player, die leise im Hintergrund laufen würde. Fabrizio de Andre. Emilia liebte die italienischen Liedermacher. Und seine melancholischen Songs passten zu ihrer heutigen Stimmung. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu ihrer finanziellen Situation. Beim letzten Mal, als sie ihre Kontoauszüge angeschaut hatte, war sie gerade so im Plus gewesen. Es würde auch jetzt nicht viel besser sein. Violetta konnte sie nicht fragen. Sie traute sich ja nicht einmal, ihr von der Kündigung zu erzählen.

Es war wirklich ausweglos.

Den ganzen Tag über grübelte sie über eine Lösung nach, aber ihr fiel nichts ein. Nachdenklich widmete sie sich am späten Nachmittag den inzwischen erkalteten Grappapralinen. Emilia füllte die einzelnen Stücke mit dem Alkohol. Anschließend schmolz sie die Ränder der Deckel, die sie mittig mit Traubenmarzipan bestrichen hatte, an und drückte sie auf die Unterseiten.

Perfekt!

Trotzdem hatte sie keine Freude an der neuen Kreation, ihr Kopf war einfach nicht frei.

Gerade als Emilia die Grappapralinen in die Theke gestellt hatte und sich im Nebenzimmer die Hände wusch, klingelte die Türglocke.

Schnell wischte sich Emilia ihre Finger an der Schürze ab und lief nach vorne in den Verkaufsraum.

„Oh, hallo!“ Emilia war mehr als erstaunt. Sie hätte nicht gedacht, dass der Businesstyp von gestern noch einmal hereinschneien würde. Er stand in seinem dunkelblauen Maßanzug und der edlen Krawatte im Laden, als wäre er direkt einem Hochglanzmagazin entsprungen. Die schwarze Limousine parkte genau wie der Porsche von Mrs. Hannigan-Flynn direkt vor der Tür im Halteverbot. Anscheinend war es den reichen Leuten allesamt nicht möglich, auch nur einen Meter zu Fuß zu gehen.

„Guten Tag“, sagte der Mann. Seine Miene war undurchdringlich.

Emilia trat näher an die Theke und wollte gerade fragen, was es heute sein dürfte, da nickte er ihr kurz zu.

„Sie haben das wirklich gut gemacht“, erklärte er mit tiefer Stimme. Er strahlte eine Art natürlicher Autorität aus, die Emilia nicht einordnen konnte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich.

„Die Praline?“ Sie war verwirrt. Sollte das ein verspätetes Lob für den Blackberry Trüffel sein? Fragend sah sie ihn an und spürte dabei wieder dieses eigenartige Prickeln im Nacken. Seine Anwesenheit löste etwas in ihr aus, was ihr gar nicht gefiel.

Ein winziges Lächeln blitzte auf seinem Gesicht auf.

„Nein. Mir zu zeigen, dass ich mich daneben benommen habe. So etwas hat bisher noch nie jemand getan – aber ich habe den Wink mit dem Zaunpfahl gestern durchaus verstanden.“

Emilia fühlte, wie ihr eine leichte Röte ins Gesicht stieg. Als Geschäftsinhaberin sollte sie sich eigentlich im Griff haben und neue Kunden nicht mit aufgedrängter Schokolade vergraulen, vor allem, wenn diese für viel Geld einkauften. Es war ihr ein wenig peinlich, wie sie sich am Vortag verhalten hatte.

„Ich war wohl nicht besonders professionell“, sagte sie.

„Im Gegenteil. Sie haben mir auf äußerst charmante Art zu verstehen gegeben, dass ich mich völlig daneben benehme. Allerdings wurde mir das erst richtig bewusst, als ich im Wagen saß. Der Tag gestern war extrem hektisch.“

Er kam näher an den Tresen heran und beugte sich ihr ein Stück entgegen.

„Aber eine Sache muss ich unbedingt noch klarstellen.“

Emilia hielt die Luft an. Was hatte er Wichtiges zu sagen? Erneut stieg sein aparter Geruch in ihre Nase und vernebelte ihr die Sinne. Und wieder dieser Blick, dem sie sich nicht entziehen konnte.

„Was denn?“, presste sie hervor. Ihre Rückenmuskeln spannten sich an.

„Diese Blackberry-Praline war köstlich“, erwiderte er. „Dabei bin ich absolut kein Freund von Süßem. Aber Ihre Kreation hat mich sehr beeindruckt.“

Er nahm die Augen nicht von ihr, während er sprach.

Emilia musste sich räuspern. Die Nähe dieses attraktiven Fremden brachte sie durcheinander. Dabei konnte sie mit Managern, die sich selbst viel zu wichtig nahmen, wirklich nichts anfangen.

„Vielen Dank.“ Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wusste nicht, was sie nun sagen konnte.

Überrascht beobachtete sie, wie der Geschäftsmann sein Handy hervorzog und es demonstrativ auf das andere Ende des Tresens legte.

„So komme ich erst gar nicht in Versuchung“, erklärte er. Das Lächeln stand ihm gut.

Emilia war mehr als überrascht. Sollte dieser Kerl tatsächlich einen Funken Anstand besitzen? Sie musterte ihn, aber konnte ihn nicht ergründen.

„Außerdem wollte ich die Unmenge Pralinen bezahlen, die mein Assistent verkostet hat“, fuhr er fort. „Im Gegensatz zu mir liebt er Schokolade.“ Er zückte seine Geldbörse und zog eine Note heraus.

Sprachlos starrte Emilia auf den Geldschein, ohne diesen richtig wahrzunehmen. Allein diese Geste fand sie erstaunlich.

„Also, danke“, stammelte sie. „Das ist wirklich nett von Ihnen.“

Ihre Hände berührten einander, als sie nach dem Geld griff. Es prickelte in ihren Fingerspitzen, als hätte sie in Eiswasser gefasst. Gleichzeitig wurde ihr so heiß, dass sie sich am liebsten kühle Luft zugefächelt hätte. Sie nahm den Schein an sich und schloss ihre Faust um ihn.

„Ich bin übrigens Richard.“

„Emilia.“

„Freut mich, Emilia.“ Richard lächelte sie an. Seine außergewöhnlichen Augen blitzten und für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen. Der Knoten seiner silbernen Seidenkrawatte war ein bisschen schief gebunden. Das gefiel Emilia. Vielleicht war der Mann doch nicht der stets perfekte und knallharte Businesstyp, für den sie ihn gehalten hatte? Immerhin war er hergekommen, um sich für sein Verhalten zu entschuldigen.

Er sah sie immer noch an und sein Blick machte sie nervös. Emilia wollte etwas sagen, irgendetwas Geistreiches oder Charmantes, aber in ihrem Kopf herrschte gähnende Leere. Da ihr nichts Besseres einfiel, griff sie mit ihrer kleinen Zange zur nächstbesten Praline und hielt sie ihm unter die Nase.

„Die geht auf‘s Haus“, sagte sie reflexartig. Wieso war sie plötzlich so angespannt?

Er zögerte.

„Ich mag eigentlich nichts Sü-…“

„Das ist Grappa“, unterbrach sie ihn und ärgerte sich sofort über den barschen Ton in ihrer Stimme. Was war nur los mit ihr? Sie benahm sich schon wieder so aufdringlich wie gestern!

„Dann ist es natürlich etwas anderes“, lenkte Richard ein, schmunzelte und steckte sich die Praline gehorsam in den Mund.

Er kaute mit geschlossenen Augen.

„Die ist einfach wunderbar. Und darauf können Sie absolut stolz sein. Ich mag nämlich wirklich keine Schokolade. Aber die Füllung ist großartig.“

Wieder ließ Richard sein jungenhaftes Lächeln sehen. Emilia musste einfach zugeben, dass dieser Kerl attraktiv war. Wäre er nur nicht so ein reicher Schnösel gewesen…

„Der Grappa kommt direkt aus Italien“, erklärte sie.

„Wenn ich es richtig herausschmecke, arbeiten Sie auch noch mit Marzipan?“

Begeistert nickte Emilia. Er interessierte sich offenbar für ihre Praline. Das war ein großes Lob von einem Schokoverweigerer.

„Um genau zu sein: Es ist Traubenmarzipan. Und die Zuckerkruste mache ich auch selbst, ich gebe ein paar Tropfen Grappa mit hinein, damit es harmonisch schmeckt.“

„Mein Kompliment. Sie haben ein ganz besonderes Händchen für Pralinen. Und für Kunden offenbar auch, schließlich haben Sie mir schon wieder eine Süßigkeit untergejubelt. Auch das hat noch niemand fertiggebracht.“

Richard lachte. Es war ein sehr melodisches Lachen, das Emilia an italienische Feste erinnerte. An Rotwein und Mandolinenklänge, an reife Pfirsiche und den Duft von Jasmin, an kichernde Kinder und einen großen Tisch voller Menschen.

„Woher kommen Sie, Emilia?“, fragte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Er stützte seinen Anzugarm am Tresen auf, wie es sonst nur Sam tat. Heute schien Richard offenbar alle Zeit der Welt mitgebracht zu haben.

„Aus Rom.“ Emilia fand es überraschend angenehm, mit ihm zu plaudern. Sie hatte ganz plötzlich Lust, sich noch viel länger mit Richard zu unterhalten. „Aber ich lebe schon seit…“

In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und der unsympathische Rothaarige streckte den Kopf zur Tür herein.

„Chef, wir müssen. In einer halben Stunde ist die Besprechung wegen der neuen Werke in Mexiko. Und Sie wollten doch vorher noch die Controllingabteilung in die Zange nehmen.“ Der Assistent würdigte Emilia keines Blickes.

„Ja, ich komme schon, Leroy.“ Richard blickte auf seine goldene Armbanduhr. Seine Gesichtszüge wurden härter, kühl und professionell. Eilig wandte er sich ab.

„Danke, Emilia. Es war nett, Sie kennenzulernen“, sagte er geschäftsmäßig und verließ im Laufschritt Emilias Laden, direkte hinter dem Rotschopf. Der Chauffeur sprang aus dem Auto und hielt den beiden Männern die Wagentür auf. Richard nickte ihm zu. Dann stiegen die beiden Geschäftsleute hinten ein, der Fahrer schloss die Tür, setzte sich hinters Steuer und brauste davon.

Richard hatte nicht zurückgeschaut.

Emilia warf einen Blick auf den Geldschein in ihrer linken Hand. Fünfzig Dollar! Ihr blieb fast die Luft weg. Dieser Kerl musste im Geld nur so schwimmen. Für diese Summe konnte Leroy, der Ekelhafte, Pralinen essen, bis sie ihm zu den Ohren rauskamen. Typisch. Diesen Reichen fehlte jede Relation zu ihrem Geld, während sie selbst um ihre Existenz kämpfen musste.

Trotzdem sah sie der Limousine hinterher, als diese sich elegant in den fließenden Verkehr einreihte.

Emilia fiel die Liste von Mrs. Hannigan-Flynn ein, für die sie noch einiges vorbereiten musste, als ein seltsames Geräusch sie erschreckte.

Was war das denn?

Seit wann krähte ein Hahn mitten in ihrem Laden?

Es dauerte einen Moment, bis Emilia verstand, woher das Geräusch kam. Auf dem Tresen lag immer noch das BlackBerry, das wütend vor sich hin vibrierte. Und das Krähen war sein Klingelton. Emilia musste zum ersten Mal an diesem Tag lachen. Sie schüttelte den Kopf. Ein Krähen!

Dieser Richard würde sicher bald noch einmal auftauchen, um sein Telefon wiederzubekommen. Oder jemanden vorbeischicken, um es abzuholen. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass es ihr lieber wäre, er käme selbst vorbei. Emilia wunderte sich über sich selbst. Aber dann musste sie erneut schmunzeln, weil das Handy krähte.

Ganz offensichtlich war Richard für so manche Überraschung gut.

3. Chocolate Bomboloni with orange touch

 

 

Luftig-zarter Hefeteig mit reicher Schokoladenfüllung und einem Hauch Orangenaroma

 

 

Emilias Nachmittag im Laden war den Vorbereitungen des Geburtstags von Mrs. Hannigan-Flynn gewidmet. Immer wieder kamen Kunden. Als es Abend wurde, trödelte sie noch eine Zeit lang im Geschäft herum, darauf wartend, dass dieser superwichtige Richard nochmal vorbeikäme, um sein ebenso wichtiges Handy abzuholen. Als er jedoch zur Feierabendzeit immer noch nicht da war, beschloss sie, sich auf den Heimweg zu machen. Wäre ja noch schöner, wenn sie wegen dieses Schnösels noch ihren Abend opfern würde! Er war bestimmt auch über das Festnetz der Firma, in der er arbeitete, zu erreichen. Oder konnte sich das Telefon dieses rothaarigen Wichtigtuers ausleihen. Morgen würde er sicher jemanden vorbeischicken, um sein BlackBerry abzuholen.

Sie schob das Handy achtlos in ihre Handtasche, schloss ab und machte sich auf den Weg nach Hause.

Dieses Mal hatte Violetta nichts in Brand gesetzt, was schon mal ein guter Beginn des Feierabends war. Da Emilia noch nicht dazugekommen war, eine neue Pfanne zu besorgen, bereitete sie kurzerhand einfach Bruschette zu. Diese knusprigen Brotscheiben mit Tomaten, Parmesan und Kräutern aß auch ihre Tante gern.

„Gib noch ordentlich Knoblauch drauf“, verlangte Violetta. „Oder musst du heute noch jemanden küssen?“

Emilia lachte.

„Nicht dass ich wüsste. Außer, du hast Onkel Alfredo eingeladen.“

„Um Himmels Willen, nein!“, rief Violetta entsetzt. Alfredo entstammte einem anderen Familienzweig, und seit irgendeiner alten Fehde um nichts konnte Violetta den Verwandten nicht leiden. Er besaß in Queens und Brooklyn zwölf Pizzerien und hatte netterweise dafür gesorgt, dass Emilia eine Green Card erhielt und arbeiten konnte. Dafür war sie Onkel Alfredo sehr dankbar.

Als Emilia voll Appetit in ihr erstes Bruschetta biss, sah Violetta sie plötzlich komisch an. Die Tante neigte den Kopf zur Seite und setzte ihr mystisches Gesicht auf, das nie etwas Gutes verhieß.

„War er heute da?“, fragte sie.

Emilia hatte zwar eine Ahnung, worauf ihre Großtante hinaus wollte, spielte aber erst einmal die Ahnungslose.

„Wer denn?“, fragte sie unschuldig.

„Na, dein Anzugträger.“

„Tantchen, er ist nicht mein Anzugträger! Er ist nur irgend so ein reicher Schnösel. Und außerdem kann er nicht mal eine Krawatte richtig binden.“

„Hah!“ Violetta klatschte begeistert in die Hände. „Er war also da, ich wusste es! Und du hast ihn dir ganz genau angesehen, das ist ein hervorragendes Zeichen. Das hatte ich doch von Anfang an im Gefühl.“

Emilia verdrehte die Augen.

„Es fiel mir einfach nur auf, sonst nichts“, versuchte sie, die Begeisterungsstürme ihrer Tante abzuschwächen. Doch die ließ nicht so schnell locker.

„Natürlich, weil das ein untrügliches Zeichen ist, dass er keine Frau hat! Und du hast darauf geachtet! Brava! Es ist also doch nicht Hopfen und Malz verloren bei dir, ich bin stolz auf dich.“

Violetta schob beiläufig eine Zeitung zur Seite, sodass die darunterliegenden Magazine hervor spitzten. Man sah die Beine einer Braut.

„Er war nur ein paar Sekunden im Laden, mach dir keine Hoffnungen, Vio“, erwiderte Emilia schnell. „Und er wird sicher nicht so bald wiederkommen. Es war also eine einmalige Begegnung, rein geschäftlich, nichts weiter.“

„Soso“, murmelte die Tante vielsagend.

Emilia gab es auf. Hatte Violetta sich einmal eine Idee in den Kopf gesetzt, brachte nichts und niemand sie davon ab. Das Einzige, was jetzt half, war ein Ablenkungsmanöver. Sie brachte das Gespräch auf Violettas baldigen Besuch bei einer alten Freundin. Der war zwar erst in zwei Wochen, aber ihre Tante war schon ganz aufgeregt, weil sie New York selten verließ. Dabei wohnte Rosemary in New Jersey, was fast vor der Haustür war.

„Ich bin ewig nicht aus der Stadt rausgekommen, hoffentlich finde ich mich zurecht“, sagte Violetta.

„Das ist kein Problem, Rosemarys Schwiegersohn holt dich doch ab.“

„Ja schon. Aber ich bin eben ein Großstadtkind“, betonte die Tante und zündete sich mit einer eleganten Geste ihre Zigarette an.

Emilia musste schmunzeln. Vio war schon echt eine Marke.

Sie wusch die Teller ab, während Violetta drüben im Wohnzimmer die Wäsche zusammenlegte. Plötzlich kam die alte Frau erschrocken angelaufen.

„Im Flur ist ein Tier!“, rief sie und schloss schnell die Küchentür.

„Eine Kakerlake?“, fragte Emilia und blickte sich nach einer geeigneten Waffe um, mit der sie dem Ungeziefer den Garaus machen konnte. Diese Schaben waren eine echte Plage in New York und schafften es auf geheimnisvolle Weise immer wieder, in die Wohnbereiche vorzudringen.

„Nein, etwas Größeres. Ein Huhn!“

Emilia sah ihre Tante an, als hätte diese den Verstand verloren.

„Wir wohnen im dritten Stock“, entgegnete sie.

„Ja eben“, sagte Violetta. „Das ist ja das Unheimliche.“

Während sie sprachen, erklang plötzlich aus dem Flur ein lautes Krähen.

„Da!“, rief Violetta entsetzt und wurde blass um die Nase. „Schon wieder!“

Endlich wurde Emilia klar, was da herumkrakeelte. Das war natürlich nur Richards Handy, das noch in ihrer Handtasche steckte. Und diese lag auf dem Schuhschränkchen im Flur. Sie hatte es beim ersten Krähen überhört, weil sie mit den Tellern herum geklappert hatte.

„Ach, das ist nur ein Klingelton“, erklärte Emilia, lief in den Flur und holte das Corpus Delicti aus ihrer Tasche.

„Klingelton?“, wiederholte Violetta fragend, als sie das Mobiltelefon sah. „Aber wieso hast du da einen so lauten Gockel eingestellt?“

„Das ist nicht mein Handy.“ Emilia legte das BlackBerry auf den Tisch und hoffte, dass ihre Tante sich mit dieser Erklärung zufrieden gab. Doch Violetta war wie ein Drogenspürhund, sie erschnupperte einen Mann zwei Meilen gegen den Wind.

„Wem gehört das Ding?“, fragte sie und blickte Emilia so tief in die Augen, dass diese nicht schwindeln konnte.

„Dem Anzugträger. Er hat es liegen lassen.“

„Hah!“, rief Violetta schon zum zweiten Mal an diesem Abend. Es klang sehr triumphierend. „Er war also doch länger da. Von wegen: nur dienstlich. Und garantiert hat er das Handy absichtlich liegen lassen. Ja, das ist völlig klar. Er ist Single-Mann, das hast du selbst schon festgestellt, sonst würde ihm seine Ehefrau die Krawatte anständig binden. Einen Ring trägt er auch nicht, hast du gesagt. Und er kam extra nochmal bei dir vorbei, um sein Handy liegen zu lassen. Weil er sich nämlich auf den ersten Blick in dich verliebt hat.“

Entsetzt blickte Emilia ihre Tante an, die sich immer mehr in Rage redete. Violettas Wangen röteten sich und die Augen strahlten. Fast tat es Emilia leid, sie enttäuschen zu müssen.

„Ich habe nie etwas von einem Ring gesagt“, stellte sie trotzdem klar. „Ich habe nicht einmal danach geschaut. Und es war echt ein Versehen mit dem Handy. Dieser Typ mag ja nicht einmal Schokolade!“

„Papperlapapp. So was lässt man doch als Geschäftsmann nicht einfach herumliegen, da kannst du mir nichts erzählen, Bella. Er ist sicher verrückt nach deinen dunklen Augen und deinen tollen Haaren! Wenn ich ein Mann wäre, oh Mama mia!“

„Aber Tante, ich …“

Der vorlaute Hahn krähte schon wieder los.

„Geh doch ran!“, schlug Violetta vor. „Sicher ist er selbst dran, das hat er extra so eingefädelt. Er will dich jetzt garantiert ausführen. Ins Ritz oder ins Plaza. Hach, ich bin ganz aufgeregt!“

Sie hob das Mobiltelefon mit spitzen Fingern auf und hielt es Emilia entgegen.

„Der Bildschirm ist garantiert gesperrt, ich kann da nichts bedienen“, sagte diese und starrte auf das Telefon.

Ein Name blinkte auf.

„Samantha privat“, stand in großen Lettern auf dem Display.

„Schau, seine Freundin ruft ihn an“, erklärte Emilia.

Das unterbrach die Hochzeitspläne ihrer Tante nun doch. Zumindest kurzfristig. Sie zog die Stirn in Falten, hatte aber wie immer blitzschnell eine Erklärung parat.

„Ach was, mit so einer affektierten Samantha, die ihm ständig mit Telefonterror auf die Nerven geht, nimmst du es doch leicht auf“, sprach sie nach ein paar Sekunden Bedenkzeit, machte eine wegwischende Handbewegung und setzte sich an den Küchentisch. Dort zog sie das Brautmodenmagazin, das sie irgendwo abgestaubt hatte, vollständig unter dem Zeitungsstapel hervor und vertiefte sich ohne weitere Worte aber mit bedeutungsschwangerem Blick darin.

Emilia lachte. Ihre Großtante war wirklich unerschütterlich.

Nach dem dritten Hahnenschrei stand Emilia vom Tisch auf und stopfte das vorlaute Gerät mit entschlossenem Gesicht zwischen zwei Sofakissen.

„Hier kann es krähen, bis die Sonne aufgeht“, stellte Emilia fest und setzte sich dann seelenruhig wieder zurück an den Tisch.

Es war wieder Samantha gewesen, die angerufen hatte. Emilia ärgerte sich über sich selbst, weil ihr das einen kleinen Stich versetzte. Schließlich stand dieser Richard für niemanden außer Violetta tatsächlich zur Diskussion. Was sollte sie denn bitteschön mit einem großkotzigen Manager anfangen, der sich herumkutschieren ließ, von einem Meeting zum anderen hetzte und sich dabei superwichtig vorkam? Und überhaupt – ein BlackBerry! Wo doch allgemein bekannt war, dass auch Barack Obama mit so einem Modell telefonierte. Wahrscheinlich hatte es Richard nur deshalb gekauft. Um ganz besonders mächtig rüberzukommen. Solche Leute hatte sie noch nie ausstehen können.

Außerdem war sie seit der Sache mit Anthony damals sowieso an keiner Beziehung mehr interessiert. Der Schmerz saß noch immer tief, sobald sie an der Erinnerung rührte. Nie wieder würde sie sich so sehr von jemandem verletzen lassen, das stand fest. Sie hätte auch gar keine Zeit gehabt für eine Liebelei. Es gab viel wichtigere Dinge, um die sie sich kümmern musste. Ihr Geschäft zum Beispiel.

Emilia ging in ihr Zimmer, fest entschlossen, keinen Gedanken an diesen Richard zu verschwenden und sich lieber zu überlegen, wie sie der Hausverwaltung doch noch etwas über den Käufer entlocken konnte.

 

*

 

Als Emilia am nächsten Morgen ihren Laden aufsperrte, dauerte es nicht lange, bis tatsächlich die Limousine vorfuhr. Einen Moment lang dachte Emilia, nur der Fahrer würde aussteigen, aber es war dann doch die hintere Tür, die sich öffnete.

Sie hatte das Handy bereits zurecht gelegt, aber so, dass Richard es nicht gleich sehen konnte.

„Guten Morgen, Emilia“, begrüßte er sie freundlich, nachdem er eingetreten war. „Kann es sein, dass ich gestern etwas vergessen habe?“

Sie grinste.

„Meinen Sie vielleicht etwas, dass so ähnlich klingt wie eine Pralinensorte von mir?“, fragte sie.

Er nickte. Heute trug er Armani, ganz klar am Schnitt zu erkennen. Emilia war keine Modeexpertin, aber dass sein Anzug die Handschrift eines italienischen Designers trug, konnte sogar sie sehen. Nur die fliederfarbene Krawatte saß wieder ein klein wenig schief. Nicht so deutlich wie gestern, aber Emilia bemerkte es und es entlockte ihr ein zartes Lächeln.

Sie holte das Handy aus ihrer Tasche, die sie neben sich stehen hatte, und gab es ihm.

„Vielen Dank.“ Er steckte es ein, ohne es genau anzuschauen. „Wirklich nett, dass Sie es aufbewahrt haben.“

Emilia überlegte einen Augenblick, ob sie auf die zahlreichen Anrufe dieser Samantha hinweisen sollte, aber sie ließ es bleiben. Er würde das sicher in den Anruflisten nachlesen können.

„Hoffentlich ist Ihnen kein wichtiger Deal durch die Lappen gegangen deswegen“, sagte sie.

„Sicher nicht. Auch ich habe irgendwann einmal Feierabend.“

„Dann fährt Ihr Chauffeur Sie abends also nicht mehr in der Gegend herum? Ich dachte, ein Mann von Ihrem Kaliber ist immer im Einsatz.“ Das hatte viel spitzer geklungen als beabsichtigt und sie sah Richard an, dass auch ihm dieser Tonfall aufgefallen war. Wieso brachte dieser Mann sie so durcheinander?

„Ich bin gar nicht so wichtig, wie es aussieht“, antwortete er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

„Wirklich?“ Sie blickte ihn interessiert an.

Richard fuhr sich mit der Hand durch sein welliges Haar. Er bemerkte gar nicht, dass er die Frisur durcheinanderbrachte und nun aussah wie ein Kerl, der mit verwuschelten Haaren vom Sporttraining zurückkommt. Emilia fand ihn gerade sehr jungenhaft und das gefiel ihr besser, als ihr lieb war.

„Der Wagen gehört der Company. Ich betreibe das Marketing. Da bin ich viel unterwegs, das ist nun mal praktischer, als immer ein Taxi zu rufen oder mit der Subway zu fahren. Aber mir wird gerade klar, wie überheblich das rüberkommt.“

„Ein bisschen schon“, gab Emilia zu und konnte nicht verhindern, dass sie ihn anlächelte.

„Naja… und mein Kollege“, fuhr er fort, „der koordiniert das eben mit den Terminen. Wir tun doch alle nur unseren Job. Der eine als Paketausfahrer, der andere als Geschäftsmann. Und wieder andere verkaufen die tollsten Pralinen, die ich je gegessen habe.“

Er machte eine angedeutete Verbeugung in ihre Richtung und grinste dabei.

Es gefiel ihr, dass Richard sich nicht als der größte Manager aller Zeiten darstellte. Vielleicht hatte er recht und sie waren wirklich alle nur Angestellte in unterschiedlichen Berufszweigen? Und vielleicht war er nur deshalb so gut gekleidet, weil er in der Textilindustrie beschäftigt war?

„Was genau macht denn die Firma, für die Sie arbeiten, Richard?“, fragte sie ihn.

Gerade als er antworten wollte, wurde die Tür aufgerissen.

„Ich habe China in der Leitung“, rief der rothaarige Pralinenvernichter und sprach nebenbei in sein Handy, um anzukündigen, dass er gleich weitergeben würde, bevor er im Vorbeigehen auch noch ein Stück Vanillekrokant aus dem Probierteller klaubte und es hastig in seinen Mund stopfte.

„Sorry, Emilia! Ich werde mich noch separat für das Handysitting bedanken.“, sagte Richard, nahm das Smartphone dieses Leroys in Empfang und spurtete los. Ohne aufzublicken verließ er den Laden und stieg draußen in die wartende Limousine.

Emilia seufzte.

Sie wusste absolut nicht, was sie von diesem Kerl halten sollte.

Als der Wagen davonfuhr, wurde die Tür erneut aufgedrückt und ein kleines Mädchen stürmte herein, ihre Mutter hinter sich herziehend. Sie hatten schon einmal hier eingekauft. Emilia erinnerte sich an die Kleine, weil sie so niedliche Zöpfchen gehabt hatte – und riesige Augen, die begeistert auf die Flut von Süßigkeiten und Gebäckstücke geschaut hatten.

„Könnten Sie mir ein paar von den Grissini einpacken?“, fragte die Dame.

„Ja, gern.“

„Du, ich bekomme jetzt Taschengeld“, redete die Kleine in eifrigem Ton dazwischen.

„Echt? Dann bist du sicher sehr reich.“ Emilia liebte Kinder. Und dieses Mädchen war besonders niedlich.

Das kleine Mädchen nickte eifrig und zeigte Emilia eine quietschrosa Geldbörse, die sie eifrig schüttelte, so dass man das Klimpern der Münzen hören konnte.

„Kann ich einen Lolly bei dir kaufen?“, fragte das Kind. „Für einen Quarter krieg ich doch einen, oder?“

„Lolly habe ich leider keinen, aber magst du einen Bombolone? Die sind mit Schokolade.“ Sie zeigte dem Kind einen der gefüllten Krapfen. Man sah an der Mimik des Kindes deutlich, wie es überlegte, ob es sich auf das Wagnis Schokobombolone einlassen sollte.

„Na gut“, sagte das Mädchen und kramte nach dem Quarter.

Dann griff die Kleine nach dem Gebäckstück und biss sofort ganz wagemutig hinein. „Der ist gar nicht schlecht“, rief sie erleichtert und zeigte ein strahlendes Schokogrinsen.

Emilia und die Mutter grinsten ebenfalls. Anschließend packte Emilia die Grissini ein und Mama und Tochter verließen als zufriedene Kunden den Laden.

Emilia dachte an den Gesichtsausdruck des kleinen Mädchens, als es festgestellt hatte, wie lecker der Bombolone war. Manches Mal musste man eben ein bisschen flexibel sein...

Sie hielt inne. Der Lappen, mit dem sie eben noch die Theke hatte polieren wollen, verharrte in der Luft.

Flexibel sein. Und ein bisschen tricksen. Das waren sehr gute Stichworte. Insbesondere, wenn man es mit sturen und regeltreuen Mitarbeitern einer Hausverwaltung zu tun hatte.

Emilia pfefferte den Lappen auf die Ablagefläche und eilte zum Telefon. Sie hatte eine geniale Idee, wie sie doch noch an die gewünschten Daten kam.

Als sich ein Mitarbeiter der Hausverwaltung meldete – dieses Mal ein sehr junger Mann – stellte sie sich erst einmal vor:

„Guten Tag, ich bin Jessy Smith von den Gaswerken. Es geht um das Objekt in der 16. Straße. Mir ist da leider ein Fehler unterlaufen in der Akte, eine ganz dumme Sache. Irgendwas habe ich da falsch einsortiert. Ich habe als neuen Besitzer die Wilson Company hier stehen, aber das stimmt nicht. Können Sie mir auf die Sprünge helfen, damit ich das Objekt richtig ablegen kann? Es muss ja bei Besitzübergang die Gasuhr abgelesen werden. Wenn mein Boss das mitbekommt… Oh je.“

Mit wild hämmerndem Herzen lauschte sie in den Hörer. Würde man ihr diese Lüge abkaufen?

„Ach, das kenn ich“, antwortete der Angestellte. „Ich lege ständig was falsch ab und kassiere anschließend einen Anschiss vom Chef. Warten Sie, ich schaue mal nach.“

Es knackte, als der Hörer zur Seite gelegt wurde.

Atemlos wartete Emilia ab. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Endlich meldete sich der junge Mann zurück.

„So, hier haben wir es schon. Käufer ist nicht die Wilson Company, da haben Sie recht. Es ist die Global Invest.“

„Richtig“, flötete Emilia. „Jetzt wo Sie es sagen, fällt es mir auch wieder ein. Vielen Dank für Ihre Hilfe!“

„Gar kein Problem“, kam zurück. Es tutete in der Leitung. Der Angestellte der Hausverwaltung hatte aufgelegt.

„Ich bin gut!“, rief Emilia und strahlte.

Sie hatte zwar keine Ahnung, wer und was Global Invest war, aber zumindest gab es jetzt einen Anhaltspunkt. Sicher konnte man die Firma ausfindig machen und den Boss fragen, was er mit dem Haus vorhatte. Bestimmt gab es einen Weg, sich zu einigen. Ein wenig mehr Miete konnte sie bestimmt aufbringen, zur Not würde sie Tag und Nacht fettfreie Süßigkeiten für Mrs. Hannigan-Flynn kreieren. Oder den Laden auch am Sonntag öffnen.

Mit neuem Mut machte sie sich daran, endlich die längst überfälligen Apfelcupcakes zu backen. Sie hatte wieder Hoffnung und das war ein tolles Gefühl.

 

4. Coconut Pecan Crunchies

 

 

 

 

Eine knackig-knusprige Kreation aus edlen Nüssen mit dem besonderen Flair der Karibik und einem Schuss Rum

 

 

 

Nachmittags gaben sich die Kunden die Klinke in die Hand, was Emilia absolut fantastisch fand. Sie kam zwar nicht dazu, etwas zu backen, aber in der Theke waren noch genug süße Köstlichkeiten vorhanden. Außerdem schadete es nicht, wenn Geld in die Kasse kam.

Sie bediente gerade eine elegante Mitvierzigerin, die sich nicht zwischen Marzipan und Nougat entscheiden konnte, da tauchte Sam in der Ladentür auf, einen riesigen Blumenstrauß im Arm. Er wartete geduldig, bis die Kundin endlich die lila Box von „Pastry Passion“ entgegennahm, sich verabschiedete und den Laden verließ.

„Hast du eine Lieferung und brauchst noch etwas Süßes dazu?“, fragte Emilia. Sam lieferte nämlich seine Sträuße auch aus und als besonderen Service bot er den Kunden sogar an, Pralinen von „Pastry Passion“ als Geschenk hinzuzufügen. Im Gegenzug durfte sich Emilia manchmal seinen Lieferwagen ausleihen, sie hatte kein eigenes Auto. In New York war das auch gar nicht nötig.

Doch heute schüttelte der bärtige Mann den Kopf und grinste breit.

„Ich habe die kürzeste Lieferstrecke aller Zeiten, die Blumen sind nämlich für dich!“ Er drückte ihr den duftenden Strauß aus blauen Lilien, zarten Rosen und eleganten weißen Freesien in die Hand.

Emilia sah ihn verblüfft an.

„Für mich?“

„Ja, ein telefonischer Auftrag. Eine Karte hängt auch noch dran.“ Er deutete auf ein kleines Kuvert, das an der Schleife baumelte. „Ich muss wieder rüber. Wir sehen uns!“

Weg war er.

Völlig verdutzt stand Emilia da und wusste im ersten Moment nicht, wohin mit dem gigantischen Strauß. Sie fand im Nebenraum einen hohen Messbecher, den sie kurzerhand als Vase missbrauchte. Auf so ein riesiges Ding war sie hier nicht eingerichtet, sie stellte höchstens mal einzelne Nelken zur Dekoration auf ihre Theke.

Kaum waren die Blumen verstaut, riss sie den Umschlag auf.

„Liebe Emilia“, las sie. „Würden Sie mir erlauben, Sie als kleines Dankeschön für das Handysitting am kommenden Sonntag zu einem Picknick in den Central Park einzuladen? Ganz gemütlich und selbstverständlich ohne Chauffeur. Ich verspreche sogar, dass das BlackBerry ausbleibt! Rufen Sie mich bitte an, ich würde mich freuen, wenn Sie Zeit hätten. Richard“

Darunter stand seine Handynummer. Emilia fand den Gedanken wie das Handy krähen würde, wenn sie anrief, sehr amüsant. Aber würde sie das überhaupt tun?

Nachdenklich drehte sie die Karte in ihrer Hand. Machte es Sinn, sich mit diesem Richard näher anzufreunden? Was wollte der eigentlich von ihr? Sie passte ganz sicher nicht in sein Leben. Andererseits ging es ja nur um ein harmloses Picknick.

Bevor sie eingehender grübeln konnte, kam schon der nächste Kunde in den Laden. So ging es weiter bis zum Abend. Emilia kam nicht dazu, sich ausführlich mit der Picknick-Frage zu beschäftigen, von einer Recherche in Sachen Global Invest ganz zu schweigen.

Nach Ladenschluss musste sie sich beeilen. Sie hatte heute eine Verabredung mit ihrer Freundin Sandy, wollte aber vorher noch eine Pfanne kaufen. Den Strauß würde sie hier im Laden lassen und nicht mit nach Hause nehmen, denn sonst rannte Violetta sofort los und bestellte das Aufgebot. Deshalb steckte sie nur die Karte von Richard in ihre Handtasche und machte sich auf den Weg.

Als sie eine Stunde später mit einer neuen Pfanne heimkam, rauschte ihre Großtante sofort an.

„Und?“, fragte sie und baute sich mit erwartungsvoller Miene vor Emilia auf.

„Alles okay“, erwiderte diese. „Die Pfanne war im Sonderangebot, hat nur zwanzig Dollar gekostet.“

„Du weißt genau, was ich meine! Was hat dein Krawattenmann gesagt? Trefft ihr euch bald? Du solltest mal zum Friseur gehen. Und neue Klamotten brauchst du auch, ich komme gerne mit und berate dich beim Einkaufen. Oder zahlt er das?“

Emilia schüttelte den Kopf, dass ihre dunklen Locken nur so flogen.

„Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, ich lasse mir eine goldene Kreditkarte in die Hand drücken und gehe in Nobelschuppen zum Einkaufen wie Julia Roberts in ‚Pretty Woman‘?“

Auf Violettas Gesicht entstand ein schwärmerischer Ausdruck.

„Ein toller Film!“, seufzte sie. „Und diese Vivian hatte fast die gleichen Haare wie du, nur eben in rot. Und schau, bei den beiden ging es ja auch gut aus, obwohl er viel reicher war.“

Emilia gestikulierte mit den Händen. „Tantchen, das ist ein Film! Ein Märchen! Das hat doch nichts mit dem realen Leben zu tun.“

„Du bist immer so nüchtern. Betrachtest alles mit dem Kopf statt mit dem Bauch. Ich muss dir noch beibringen, das Leben von der richtigen Seite zu betrachten, nicht wie ein Buchhalter.“

„Buchhalter?“ Emilia riss die Augen auf. „Also wirklich. Nur weil ich vernünftig bin. Eine hier im Haus muss das ja sein.“ Sie deutete auf die Zigarette, die auf dem Wohnzimmertisch bedrohlich nah am Zeitungsstapel vor sich hin glimmte. Ein Windstoß würde genügen, um die Glut einen Zimmerbrand auslösen zu lassen.

Emilia packte einen Truthahn-Wrap aus, den sie unterwegs eingekauft hatte. Zum Kochen blieb heute keine Zeit.

„Ich muss gleich weiter, bin mit Sandy verabredet“, erklärte sie. „Hier, ich hab dir auch einen Wrap mitgebracht.“

Tante Vio war begeistert. Junkfood. Ihre Leidenschaft!

Emilia biss in den Turkey-Wrap. Für sie würde dieses abgepackte Zeug immer Essen zweiter Klasse bleiben.

Als sie fertig gegessen hatte, warf sie sich in andere Klamotten und machte sich auf den Weg nach Brooklyn, wo sie sich mit ihrer Freundin im „Tipsy Donkey“ traf. Diese flippige Kneipe war schon lange ihr Lieblingstreffpunkt.

Sandy war bereits da. Sie hatte Position an der Bar bezogen und winkte Emilia fröhlich zu, als diese das gut besuchte Lokal betrat. Die Freundin sprang von ihrem Barhocker auf und umarmte Emilia stürmisch.

„Emilia, Darling, du siehst ja fürchterlich aus. Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“

Sandy war wie immer offen und direkt. Eigenschaften, die Emilia wahnsinnig an ihrer Freundin schätzte. Das und ihre Herzlichkeit.

„Ach weißt du, diese Woche war nicht unbedingt meine beste.“ Emilia quetschte sich auf einen Barhocker, bestellte einen Cocktail und kam sofort zur Sache. Sie erzählte Sandy vom Verkauf des Hauses an Global Invest, ihrer Kündigung und dem damit verbundenen Ende von „Pastry Passion“.

Es in dieser geballten Sachlichkeit auszusprechen, führte ihr wieder einmal vor Augen, wie ernst ihre Situation war. Sie strich sich eine Strähne hinters Ohr und blickte Sandy traurig an.

„Alles, wofür ich gekämpft habe, steht auf dem Spiel! Und nicht nur meine Existenz, auch die von Violetta hängt daran. Ich habe es ihr noch gar nicht erzählt.“

Emilias Stimme klang belegt, sie musste schlucken. Viel fehlte nicht und ihr würden die Tränen kommen.

Die warme Hand von Sandy legte sich mitfühlend auf Emilias Unterarm. Es tat gut, mit jemandem zu reden, der so aufmerksam zuhörte.

„Hast du schon mit den Leuten von dieser Global Invest gesprochen?“, wollte Sandy wissen.

Emilia schüttelte den Kopf. „Ich habe heute erst herausgefunden, dass die der Käufer des Hauses sind. Allerdings habe ich keine Ahnung, welche Art Firma das ist. Ich muss mal sehen, was ich über dieses Unternehmen herausfinden kann.“

„Da brauchst du nicht bis morgen zu warten!“

Sandy zückte sofort ihr teures Smartphone. Sie liebte Technik – ganz im Gegensatz zu Emilia, die sich hartnäckig gegen Handys und den ganzen Schnickschnack wehrte. Sie vertrat die Auffassung, dass sie nicht immer erreichbar sein musste, geschweige denn wollte.

„Lass uns zumindest mal checken, wo die Firma ihren Sitz hat, ja?“, schlug Sandy vor und Emilia nickte. Sie nippte an dem Manhattan, den der Barkeeper gerade vor ihr abgestellt hatte. Der Mann hinter der Theke zwinkerte ihr freundlich zu.

Emilia nahm noch einen großen Schluck von ihrem Drink und beobachtete Sandy, deren Finger blitzschnell über den Bildschirm strichen.

„Also: hier habe ich was. Das ist so eine dubiose Firma, die sich nicht in die Karten schauen lässt… Da steht gar nichts von wegen Immobilien. Nur von Investitionen aller Art. Und namentlich erwähnt ist auch keiner. Nur eine Adresse und eine Telefonnummer…“ Sandy war wie immer hoch engagiert bei der Sache. Sie war ein Mensch, der einfach anpackte.

„Am besten, du gehst da gleich mal persönlich vorbei, dann kann man dich nicht so leicht abwimmeln. Wenn du magst, begleite ich dich.“ Die Freundin war gar nicht mehr zu bremsen.

Emilia dachte kurz über Sandys Idee nach. Ja, schnelles Handeln war vermutlich genau richtig. Einfach in diese Firma zu gehen, mit dem Chef zu sprechen und alles ins Reine zu bringen. Wenn der erst sah, dass sie eine erfolgreiche und willensstarke Geschäftsfrau war – vielleicht konnte das diesen Typen beeindrucken. Sie hatte Richard schließlich auch dazu gebracht, die von ihm so verhasste Schokolade zu probieren, und das nur mit einer Praline und etwas Nachdruck. Also würde sie eines dieser Businesskostüme anziehen und den Boss der Firma einfach umhauen.

„Ich schaffe das schon allein, aber danke, Sandy.“ Emilia richtete sich auf. Sie war voller Hoffnung.

Emilia winkte dem Kellner und ließ sich einen Zettel bringen. Sie notierte sich die Daten, die Sandy zu Global Invest New York gefunden hatte.

Sandy fing zwischenzeitlich an, von ihrer neuen Liebschaft zu erzählen. Bei Sandy passierten immer kuriose Dinge mit irgendwelchen Typen. Gerade hatte sie George kennengelernt. George war ein sehr maskuliner Typ, der allerdings leidenschaftlich Puppen sammelte.

„Und jetzt stelle ich mir die Frage, ob ich das nicht irgendwie gruselig finde. In seiner Wohnung schauen einen überall diese Augen an.“ Sandy war voll in ihrem Element, während sie Emilia anstarrte, als sei sie eine Barbiepuppe auf Speed.

Unweigerlich musste Emilia lachen.

„Das ist noch gar nichts. Du solltest mal Leroy, den Pralinenfresser, treffen. Ehrlich, das war der gruseligste Mann, der je meinen Laden betreten hat.“

„Leroy, hm?“ Sandy schaute Emilia fragend an.

„Dieser Typ hat einfach seinen Unterkiefer ausgeklappt und meinen Probierteller in seinen Mund geleert. Jedenfalls beinah. Er hat so viel gefuttert, dass sein Chef anschließend für die Verkostung seines Mitarbeiters bezahlt hat.“

„Aber das ist doch hochanständig, oder?“

„Allerdings. Ich kann ja gerade jeden Cent brauchen. Und stell dir vor, der Typ hat mir fünfzig Dollar in die Hand gedrückt. Einfach so.“

Emilia sah Richard unweigerlich vor sich. Sein jungenhaftes Lachen, das Blau seiner Augen, diesen schief sitzenden Krawattenknoten, den sie so sympathisch gefunden hatte…

„Oh, Emi, diesen Blick hab ich zuletzt gesehen, als du frisch in New York warst und…“ Sandy sprach ihren Satz nicht zu Ende.

Energisch schüttelte Emilia den Kopf.

„Nein, nein, nein! Mit Anthony ist dieser Richard nicht zu vergleichen. Anthony war ein Hochstapler. Dieser Richard ist so ein Businessfuzzi mit Chauffeur und Angeberhandy. Und dann hat er noch Leroy Wichtigtuer. Das ist eine ganz andere Welt. Außerdem habe ich mir seit Anthony geschworen, niemals mehr einem Mann auf den Leim zu gehen.“

Sie war achtzehn gewesen, als Anthony mitten in Rom, besser gesagt auf der Piazza della Rotonda, in ihr Leben getreten war. Emilia war nicht nur jung gewesen, sondern auch unschuldig, wie es sich für eine junge italienische Frau aus biederem Elternhaus nun mal gehörte. In dem Café, in dem sie bediente, wurde sie öfters von Touristen angesprochen, aber dieser Anthony hatte irgendetwas Besonderes gehabt. Und ihr vorgeschwärmt von seinem Reichtum und der großen Liebe. Tja, sie war dumm genug gewesen, ihm zu glauben. Und ihm nachgekommen in sein wunderbares Amerika, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Unbegrenzt war dann eher ihre Enttäuschung ausgefallen, nachdem sie die Wahrheit herausgefunden hatte. Aber zurück nach Rom konnte sie auch nicht, also war sie hiergeblieben, im Big Apple. Das Leben in Amerika gefiel Emilia, doch sie hatte sich eine Sache geschworen: Nie wieder würde sie sich von schönen Augen und geflüsterten Liebesschwüren einlullen lassen!

„Das ist ewig her“, sprach Sandy in ihre Erinnerungen hinein. „Sieben Jahre, wenn ich richtig gezählt habe.“

„Na und? Es hat sich nichts geändert. Männer säuseln Frauen etwas vor, damit sie sie ins Bett bekommen. Punkt. Mehr ist nicht dahinter. Und auf so etwas habe ich keine Lust, ich bin gerne mein eigener Herr.“

Sandy schüttelte lachend den Kopf.

„Ach komm schon, Em! Die Kerle sind nicht alle verlogen. Außerdem macht Sex doch auch Spaß. Und man bekommt schließlich noch andere schöne Dinge von ihnen.“

Emilia verschränkte entschlossen die Arme.

„Pah!“, machte sie. „Unnütze Dinge wie Blumen, Karten oder ekelhaft süßes Parfüm. Darauf kann ich verzichten. Und ein Picknick im Central Park kann ich auch alleine veranstalten.“

Sandys Kopf fuhr von ihrem Cocktailglas hoch. Bei solchen Themen hatte sie leider Ohren wie ein Luchs.

„Er hat dich zum Picknick eingeladen? Das ist doch toll. Er ist ein Romantiker! Und offenbar gar kein Großkotz, denn das ist ein echt bodenständiger Vorschlag. Das musst sogar du zugeben.“ Der Blick der Freundin wurde ähnlich glasig wie der von Violetta.

„Also ich weiß nicht recht. So ganz kann ich mir das nicht vorstellen. Der wichtige Richard samt Anzug und Handy mit einem Picknickkorb in der Hand?“

Sie musste schmunzeln bei dieser Vorstellung. Ein wenig neugierig war sie ja schon, ob er das wirklich durchziehen würde.

„Erzähl, wie ist es dazu gekommen!“, forderte Sandy sie auf und rutschte mit ihrem Stuhl näher heran, damit ihr auf keinen Fall etwas entging.

„Ganz einfach“, begann Emilia. „Richard hat mir Blumen schicken lassen, nachdem er die Pralinenvernichtung seines Assistenten bezahlt hat. Und eine Karte anhängen lassen, dass er mich zu einem Sonntagspicknick einlädt. Eigentlich ist das schon eine ganz süße Idee… Aber ehrlich, wohin sollte das führen? Er lebt in einer ganz anderen Welt als ich.“

Emilia griff nach ihrem Cocktailglas und nahm einen großen Schluck. So sehr ihr Verstand auch sagte, dass dieses Treffen im Park keine gute Idee war: In ihrem Bauch begann ein leichtes Kribbeln, wann immer sie daran dachte. Da würde ihr Kopf noch ein hartes Stück Überzeugungsarbeit leisten müssen.

„Warum versuchst du es nicht? Ich meine, du hast jetzt lange genug getrauert. Du kannst dich doch ganz platonisch mit ihm treffen und dich amüsieren.“

Sandy legte kurz ihre Hand auf die von Emilia. Sie hatte damals das ganze Drama um Anthony mitbekommen und stets ein offenes Ohr für Emilia gehabt. Als Hairstylistin von Violetta, die sich sehr regelmäßig ihre Haare kreativ färben ließ, war sie immer auf dem neuesten Stand hinsichtlich Emilias Leben.

Eines Tages hatte Violetta Emilia zu ihr geschleppt, um, wie sie sagte, mit einer neuen Frisur einen neuen Lebensabschnitt für ihre Großnichte einzuleiten. So hatten sich die beiden kennengelernt und waren schnell Freundinnen geworden.

Allerdings hatte Emilia seit dieser Sache mit Anthony all ihre Energie auf die Arbeit konzentriert und keinem Mann mehr eine Chance gegeben. Ihr Privatleben war quasi nicht existent, was sie jedoch nicht störte. Bis jetzt zumindest.

„Ich trauere nicht mehr. Schon lange nicht. Ich habe nur keine Zeit für Männer, und das ist etwas ganz anderes“, sagte Emilia jetzt im Brustton der Überzeugung und deutete dem Barkeeper an, dass sie einen weiteren Cocktail bestellen wollte.

Sandy widersprach. „Von wegen! Du weißt doch gar nicht mehr, wie man sich während eines Dates benimmt.“

„Blödsinn. Ich will nur… ich meine…“

Emilia kam ins Stottern. Was, wenn Sandy recht hatte? Vielleicht wäre es ja ganz nett mit Richard im Park? Sie dachte an sein jungenhaftes Lächeln und ihr Herz – dieses verräterische Ding – machte einen wilden Hüpfer.

„Vielleicht hast du recht. Möglicherweise sollte ich Richard zusagen. Nur, um mal wieder rauszukommen natürlich. Es ist ja nur ein Nachmittagspicknick.“

Sandy grinste ihr zu. „Das ist die richtige Einstellung, Em. Darauf trinken wir.“

Die beiden Frauen prosteten einander zu.

„Aber denke bitte daran: Der Mann darf sich deiner nie zu sicher sein“, schärfte die Freundin ihr ein. „Du darfst nicht sofort heute noch zusagen, du musst ihn unbedingt erst mal im Ungewissen lassen.“

Sandy erklärte Emilia ihre Theorie vom Zappelnlassen nach genau festgelegten Zeiträumen. „Der Mann will seine Beute schließlich erobern“, schloss sie ihre Erläuterungen ab.

Emilia kicherte. Langsam spürte sie den Alkohol. Sandy und ihre Ansichten über die Männerwelt waren immer amüsant zu hören. Sie ließ ihre Freundin von den unterschiedlichen Eroberungsfeldzügen erzählen, die diverse Männertypen schon bei ihr probiert hatten, und lauschte ihren Theorien, während sie ihren Cocktail genoss. Wer mit Sandy befreundet war, konnte sich jeden Kinofilm sparen.

„Du kommst vorher zu mir“, beschloss Sandy. „Ich habe im Salon eine unglaublich tolle Haarkur, Olivenöl-Litschi, damit wirst du deinen Richard umhauen.“

„Ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt will. Also ihn umhauen. Die Haarkur natürlich schon.“ Emilia grinste Sandy an. Litschi im Haar! Die Vorstellung fand sie ziemlich lustig.

Als Sandy zu den Waschräumen verschwand, um sich frisch zu machen, blätterte Emilia in einer New Yorker Monatszeitschrift, die auf dem Tresen herumlag. Bei den Veranstaltungshinweisen sprang ihr sofort ein Name ins Gesicht.

„Matt the Electrician kommt zu einem Konzert in die Stadt“, rief sie Sandy gleich zu, als diese zurückkam.

„Wie bitte? Ich brauche doch gar keinen Elektriker, dafür ist die Hausverwaltung zuständig“, erwiderte Sandy und sah sie an, als überlege sie, wie viele Cocktails Emilia denn schon intus hatte.

Die drehte die Zeitungsseite herum und deutete auf den entsprechenden Absatz.

„Ich rede von dem Songwriter, du Quatschkopf! Von dem habe ich dir doch schon erzählt, der kommt aus Austin, Texas, und ist ein echter Geheimtipp.“

Emilia seufzte hingerissen. Sie liebte seine gefühlvolle Stimme und die eingängigen Songs. Er erinnerte sie ein bisschen an Francesco de Gregori, obwohl dieser italienische Liedermacher eine ganz andere Generation war als der junge Texaner. Aber Emilia hörte gerne die alten Sachen, insbesondere die „Cantautori“, wie man die Songwriter aus Italien nannte. Diese Musik berührte sie einfach und brachte ihr ein Fleckchen Heimat zurück. Auch wenn Matt ein waschechter Amerikaner war, hatte er dieses Stück Sehnsucht in der Stimme, das bei Emilia für Gänsehaut sorgte. Und deshalb wollte sie den Sänger unbedingt live erleben.

Gehorsam beugte sich Sandy über die Zeitung.

„Er spielt drüben im Sub-Club, gleich an der Bahnstation“, las sie. „Also ich hätte Zeit nächsten Dienstag und würde diesen Matt total gerne mal sehen. Ist sowieso ein Wunder, wenn du mal von einem Kerl schwärmst. Da kann ich doch gar nicht anders, als gleich morgen früh die Karten zu besorgen!“

Emilia musste lachen. „Optisch ist der nicht mein Fall mit seinem langen Bart. Der sieht eher nach einem Kellner in der Shisha-Bar aus als nach einem Musiker. Aber ich freu mich wahnsinnig, wenn wir beide dort hingehen! Du bist ein Schatz.“

Sie beugte sich spontan zu Sandy und drückte ihr einen satten Schmatz auf die Wange. So eine Freundin war einfach unersetzlich. Dann lehnte sich Emilia wieder auf ihrem Stuhl zurück und schlürfte den letzten Rest aus ihrem Glas. Das Leben war gar nicht so schlecht. Sie hatte eine herrlich skurrile Mitbewohnerin und eine Freundin, auf die man sich in allen Lebenslagen verlassen konnte. Wer bitteschön brauchte da noch einen Mann?

 

*

 

Am nächsten Morgen stand Emilia zeitig auf, duschte ausgiebig, trank ihren Espresso Doppio und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Violetta schlief noch tief und fest, als Emilia ging. Eigentlich war sie darüber gar nicht undankbar. Ihre Tante hätte nur wieder nach Richard und dem Voranschreiten ihrer nicht vorhandenen Liebesbeziehung gefragt. Oder Emilia gezwungen, das unsägliche Heiratsmagazin mit den Sahnebaiser-Kleidern zu studieren. Eine schreckliche Vorstellung!

So war das Picknick am Wochenende ihr kleines Geheimnis. Sie musste zugeben, dass sie beim Gedanken daran schon ein paar Schmetterlinge in ihrem Bauch spürte.

Als sie den Laden aufsperrte, zog ihr der Duft von Richards Blumenstrauß in die Nase. Mit einem Lächeln auf den Lippen ging sie zu der bunten Pracht auf dem Tresen und roch an einer der Rosen. Herrlich! Der ganze Verkaufsraum duftete nach Blumen und Schokolade. Emilia musste ganz automatisch an eine neue Kreation denken. Rosenschokolade. Vielleicht mit Krokant und einem Hauch Vanille. Man müsste die Blütenblätter vorher gut trocknen, dann würde sich das Aroma wunderbar entfalten, da war sie ganz sicher.

Sie musste das unbedingt probieren. Träumerisch fuhr sie mit den Fingerspitzen über die Blütenblätter einer Lilie. Das Picknick würde sicher schön werden. Vielleicht konnte sie dafür noch ein Ciabatta backen, das kam bei den Kunden immer super an. Je länger sie über die Idee eines Dates mit Richard nachdachte, desto mehr freute sie sich auf den Ausflug.

Emilia ging in die kleine Küche. Sie machte heute kleine Marzipankugeln mit Limettenzesten und bereitete einen Teig für ihre einzigartigen Zitronen-Himbeer-Tartlettes vor. Emilia mochte diese ruhige Zeit am Morgen, wenn noch nicht so viel im Laden los war und sie den Tag vorbereiten konnte.

Da klingelte die Ladentür und Sam rauschte herein. Er kam ohne Umschweife in die Küche.

„Emilia, du bist ja genial! Ich wusste gar nicht, dass du so gute Beziehungen hast! Super Schachzug, das muss ich schon sagen.“

Emilia hatte ein Fragezeichen im Gesicht.

„Du willst mir doch nicht sagen, dass du das nicht eingefädelt hast?“, fragte er. „Medienwirksamer geht es ja wohl nicht mehr! Ich wusste gar nicht, dass Richard Stone ein Freund von dir ist. Ich dachte, der ist zufällig hier hereingeschneit.“

Sam hielt Emilia eine Klatschzeitung hin. Es war eines dieser Schmierblätter, denen Emilia keinen Blick schenkte und die Sam neben seinen Blumen in rauen Mengen auf Vorrat hatte. Offenbar liefen die Dinger super.

Jetzt starrte Emilia auf ein Bild von Richard, der neben einer unfassbar schönen Frau stand und in die Kamera grinste wie ein Honigkuchenpferd. In seiner Hand hielt er die schöne lila „Pastry Passion“ – Pralinenschachtel von Emilias Konditorei.

„Richard Stone – versucht der begehrte Junggeselle mit konzernfremden Süßigkeiten bei Lexi Hannigan zu punkten?“, lautete die Bildunterschrift.

Emilia konnte nicht anders. Sie starrte auf das Foto und besonders auf die attraktive Dame in seiner Begleitung. So rank und schlank würde Emilia in ihrem Leben nicht sein, dafür liebte sie ihre eigenen Produkte viel zu sehr. Irgendwie versetzte ihr das Bild einen Stich.

In dem Artikel stand, dass Richard an einer Charity-Gala teilgenommen und eine riesige Summe für krebskranke Kinder gestiftet hatte. Er war dort mit einem „einzigartig schönen“ Blumenstrauß, wie die Zeitung schrieb, und Pralinen einer „unbekannten Firma“ aufgetaucht. Jetzt fragte sich das Schmierblatt, ob Stone Fremdprodukte bevorzugte.

Emilia war verwirrt.

„Wer ist denn dieser Stone? Und wieso schreiben die ständig was von Fremdprodukten?“, fragte sie Sam.

„Das weißt du nicht? Schätzchen, du hast ja überhaupt keine Ahnung von der New Yorker High Society, hm? Vielleicht solltest du öfter mal eines meiner Klatschblätter lesen.“

Sam lachte. Dann erklärte er ihr, dass Richard niemand anders war als der Inhaber von „Sweet Temptation“.

Emilia blieb fast die Spucke weg. „Sweet Temptation“ war nicht irgendein x-beliebiger, sondern der Süßwarenhersteller in New York. Sie stellten alles her, was auch nur entfernt mit Süßigkeiten zu tun hatte. Marshmallows, Schokoladenriegel, Candies, Puddings, abgepackte Kuchen, alles. Neuerdings versuchten sie sogar, hochwertigere Produkte auf den Markt zu werfen. „Sweet Temptation“ war ein Imperium, wenn es um Massenware rund ums Süße ging.

Und dieser Stone war also nicht nur hoher Mitarbeiter irgendeiner Produktionsfirma, sondern der Chef dieses Großkonzerns. Er hatte ihr also glatt ins Gesicht gelogen, ohne mit der Wimper zu zucken.

So ein Mistkerl!

Heiße Wut kochte in Emilia hoch. Er hielt sie wohl für ein naives Dummchen, dem er irgendeinen Blödsinn erzählen konnte und die dann sofort auf ihn hereinfiel.

Waren die Männer denn alle gleich? Automatisch dachte Emilia an Anthony und die bitteren Enttäuschungen, die er ihr beschert hatte. Nein, so weit würde Emilia es nie wieder kommen lassen. Dieser Richard konnte ihr gestohlen bleiben. Sollte er doch mit dieser Lexi anbandeln. Ganz eindeutig war ihr erster Eindruck der richtige gewesen und mit so einem aufgeblasenen Geschäftsmann wollte sie nichts zu tun haben, Werbeträger hin oder her. Sie hatte ohnehin wichtigere Dinge zu tun. Zornig schnappte Emilia sich den Teller mit den übrigen Probierpralinen vom Vortag und biss in einen der Pecan Crunchies.

Das mit der Rosenschokolade würde sie sich auch schenken. Kein Mensch brauchte sowas, wenn er Pecan Crunchies hatte. Ihre Zähne mahlten wütend.

„Kann ich auch so ein Ding haben?“ Sam stand immer noch neben Emilia wie bestellt und nicht abgeholt.

„Oh, klar.“ Emilia reichte ihm den Teller. „Darf ich die Zeitung behalten?“

Sam nickte und grinste Emilia an.

„Wirst du ihn noch öfters treffen, diesen Stone? Der hat sicher Millionen auf dem Konto, dem gehört ein riesiger Konzern. Wenn du dir den angelst, brauchst du dir um nichts mehr Sorgen zu machen.“

„Sehe ich aus wie eine dieser Frauen, die nur zur Dekoration da sind?“, fauchte sie ihn an.

„Schon gut.“ Sam hob abwehrend die Hände. „Ich bin ja schon ruhig. Muss eh wieder rüber, da ist Mr. Jones, der will seine Tageszeitung.“

Sam winkte Emilia zu und machte sich kauend auf den Weg zurück zu seinem Kiosk, während Emilia ohne Nachzudenken nach einer weiteren Praline griff und sie in ihren Mund schob.

Richard war also ein Lügner. Einer, der Menschen manipulierte. Er hatte garantiert bemerkt, dass sie skeptisch war wegen seines Reichtums und sofort beschlossen, seine Wichtigkeit herunterzuspielen. Nur, um sie für sich einzunehmen. Dabei konnte er sich als superreicher Geschäftsmann die Frauen doch sicher aussuchen. Warum also tat er das?

Emilia zerbiss einen weiteren Crunchy und wusste schließlich die Antwort. Es war einfach seine Masche. Er war garantiert einer dieser Typen, die gewohnheitsgemäß Menschen manipulierten. Das machte er mit seinen Geschäftspartnern, mit Angestellten oder mit Leuten wie der High Society Lady, die er mit seinem Lächeln und den Pralinen um den Finger gewickelt hatte. Er hatte sich solche Dinge ganz einfach antrainiert und sonnte sich anschließend in seinen Erfolgen, was den Umgang mit seinen Mitmenschen anging.

Aber nicht mit ihr.

An ihr würde er sich die Zähne ausbeißen, sie ließ sich nämlich nicht belügen. Energisch schob Emilia den Teller mit den Probierpralinen zur Seite. Sie beschloss, dass es dringend an der Zeit für einen Cappuccino war, bevor sie sich wieder an die Tartelettes machen würde. Und an diesen verlogenen Pinocchio aus dem Stone Imperium würde sie keinen einzigen Gedanken mehr verschwenden, das stand unumstößlich fest.

 

*

 

„Also, auch wenn ich gesagt habe, du sollst nicht mehr kochen: Dein Vitello Tonnato ist ungeschlagen das beste der Welt!“ Emilia lehnte sich zurück und war so zufrieden, wie man das nach so einem Tag eben sein konnte. Immer wieder blitzte ein Gedanke auf an Richard und den Blumenstrauß, an das Foto in dem Klatschheft. Aber sie schob ihn stets schnell zur Seite. Trotzdem musste sie sich leider eingestehen, dass ihre Enttäuschung größer ausfiel, als ihr lieb war.

Als das Telefon klingelte, zuckte sie zusammen. Sie stand eilig auf und hob den Hörer ab. Es war Sandy, die irgendwie bedrückt klang.

„Em, ich hab schlechte Nachrichten“, begann sie.

„Gab es keine Tickets mehr?“

Emilia war überrascht. Der Club war zwar nicht groß, aber dass das Konzert von Matt so schnell ausverkauft wäre, hätte sie nie gedacht.

„Nein, mit den Karten ist alles klar, ich hab sie hier liegen. Aber ich komme gerade vom Arzt.“

„Oh Gott, Sandy, was ist denn passiert?“

Die Freundin seufzte tief. „Ich bin im Salon auf einem Klecks Haarkur ausgerutscht. Die mit den Litschis und dem Olivenöl. Jetzt habe ich einen Bänderriss. So ein Scheiß.“

„Das ist ja schrecklich! Musst du operiert werden?“

Emilia presste das Telefon ganz fest ans Ohr. Die arme Sandy!

„Zum Glück nicht. Aber ich hab einen Gips und kann nicht mit zum Konzert. Ich schick dir die Tickets mit der Post, du findest sicher eine andere Begleitung. Tut mir so leid, Em.“

„Mach dir doch darüber keinen Kopf. Werde lieber schnell gesund.“

Sie redeten noch ein paar Minuten, dann legte Emilia auf und ging zurück zu ihrer Großtante. Schade um das Konzert. Alleine würde sie bestimmt nicht hingehen und Violetta passte – abgesehen vom anderen Musikgeschmack – so gar nicht in diesen legeren Club. Die Tante trug heute ein sehr extravagantes lila Kleid mit Pailletten. Unglaublich, dass sie in dem Ding gekocht hatte. Ihre Haare waren in einem passenden Lilaton gefärbt. Das war neu. Emilia musste wohl mal ein Wörtchen mit Sandy reden. Es gab schließlich in Vios Alter gewisse Grenzen.

„Wie war denn dein Tag, Emi?“ Violetta brach sich noch ein Stückchen Ciabatta ab, das Emilia von der Arbeit mitgebracht hatte.

„Ach, wie immer.“

„War dein reicher Gentleman wieder da?“ Violetta zwinkerte Emilia zu.

„Also erstens ist er nicht mein Irgendwas, zweitens ist er alles, aber kein Gentleman. Und nein, er war heute nicht da. Zum Glück.“

„Bella, was ist denn mit dir los? Was hat er denn getan, um dich so zu verärgern?“

Violetta schien ehrlich betroffen.

„Er hat mich belogen. Er meinte, er sei in einer Firma tätig, die irgendwelche Sachen produziert und gar nicht so wichtig, Dabei ist er der Inhaber von ‚Sweet Temptation‘, das muss man sich mal vorstellen!“ Emilia wurde richtig laut.

Ihre Tante neigte den Kopf nachdenklich zur Seite.

„Na, nüchtern betrachtet hat er nicht gelogen“, meinte sie. „Er hat vielleicht nicht ganz die Wahrheit gesagt, aber…“

„Tantchen, gib es auf. Ich weiß einfach, dass der Kerl nichts für mich ist“, sagte Emilia im Brustton der Überzeugung. Für sie war das Thema erledigt.

„Wie, du weißt das? Was sagt denn dein Bauch?“

„Der Bauch ist nur bei Vitello Tonnato ein guter Ratgeber. Oder bei weißen Schokochip-Cookies. Ansonsten verlasse ich mich lieber auf meinen Kopf.“ Emilia trank einen riesigen Schluck des Pinot Grigios, den Tante Violetta ihr gerade nachgeschenkt hatte.

„Ach, Cara, du machst es dir so schwer. Glaub mir, dein Bauch weiß mehr, als du denkst.“ Violettas Gesicht war ernst und sie sah Emilia tief in die Augen. „Du solltest wirklich lernen, deinen Gefühlen zu vertrauen. Und mal wieder einen Mann an dich heranlassen.“

„Von wegen! Dieser Richard Stone wollte mich nur unter Vorspiegelung falscher Tatsachen rumkriegen. Da muss man schließlich nur eins und eins zusammenzählen. Aber da hat er sich geschnitten.“

Emilia zog die kleine Karte aus ihrer Handtasche und holte das Telefon aus dem Gang.

„Und genau dies werde ich ihm nun mitteilen“, kündigte sie an. Dann wählte sie die Nummer, die auf der Karte stand.

Violetta sah ihr mit entsetzt aufgerissenen Augen zu. „Überlege dir gut, was du tust, Cara“, rief sie, doch der Anschluss hatte sich schon aufgebaut.

Emilia hörte die bekannte Stimme, die leicht metallisch klang:

„Hallo, dies ist die Mailbox von Richard. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Ton.“
Dieser Kerl wollte sogar bei seiner Mailbox vertuschen, wer er wirklich war. Das war fast schon unverschämt. Aber seine Stimme… Emilia versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Er hatte einen so warmen Bariton. Sanft wie heller Nougat und doch männlich tief. Genau wie Anthony. Unglaublich, dass verlogene Betrüger immer mit so herausragenden Eigenschaften glänzen konnten.

Emilia zog die Schultern gerade. Sie würde jetzt einfach eine Nachricht aufsprechen und das Kapitel Richard im Speziellen und Männer im Allgemeinen hinter sich lassen. Sie geriet ohnehin immer an die falschen Kerle.

„Ja, hallo, hier Emilia von ‚Pastry Passion‘, ich wollte unser Treffen absagen. Trotzdem danke. Aber bitte machen Sie sich keine Mühe, einen anderen Tag anzubieten. Wiedersehen.“

Ihr Herz klopfte wild, als sie auflegte. Emilia hoffte, so formell geklungen zu haben, wie sie es sich wünschte. Und sie konnte spüren, wie ihre Wangen rot anliefen.

Klar, dass das auch Violetta nicht verborgen blieb. Es war ohnehin schwierig, etwas vor ihrer Tante zu verstecken.

„Was hast du denn jetzt abgesagt?“, fragte diese sofort. „Wollte dich dieser Richard etwa wiedersehen?“

Violetta hatte diesen Blick, den sie immer bekam, wenn sie ein Geheimnis witterte. Da Emilia keine Lust hatte, sich nun tagtäglich einer spanischen Inquisition zu unterziehen, beschloss sie, ihrer Tante die Wahrheit zu sagen.

„Er hat mir Blumen geschickt, wenn du es genau wissen willst, und er wollte mit mir picknicken. Aber ganz ehrlich, ich lasse mich nicht mehr auf solche Typen wie ihn ein. Deshalb habe ich mir erlaubt, die ganze Sache abzublasen. So, und jetzt gehe ich duschen. Der Tag war lang.“

Emilia hoffte, ihrer Tante damit den Wind aus den Segeln genommen zu haben.

„Wie du meinst, Bella.“

Violetta griff nach ihrer Zigarettenspitze und ging aus dem Raum, um am Wohnzimmerfenster zu rauchen. Offenbar sah sie dieses Mal ein, dass sie verloren hatte. Emilia war sehr froh, dass ihre Tante sich den Tatsachen fügte und sich nicht weiter einmischen würde. Manchmal konnte sogar Vio vernünftig sein. Sie stellte die Teller in die Spüle und verschwand anschließend im Bad.

Sie war heute unglaublich müde. Die Sechs-Tage-Woche war anstrengend. Emilia managte ihre Konditorei ganz allein und am Samstag war selbstredend auch geöffnet. Dazu kam, dass Emilia und Sandy am Vorabend noch viel zu lange in der Bar geblieben waren und sich verquatscht hatten. Alles, was Emilia brauchte, war ein ruhiger Sonntag ohne irgendwelche Aufregungen. Gut, dass sie Richard abgesagt hatte. Sonst wäre morgen auch schon wieder so ein stressiger Tag gewesen.

Emilia ließ sich das heiße Wasser über den Kopf laufen und genoss das Gefühl der Wärme, das sich in ihr ausbreitete. Es war nur gut, dass sie rechtzeitig die Reißleine gezogen hatte. Eine Beziehung mit Richard hätte nichts als Kummer und Sorgen bedeutet. So konnte sie wenigstens ihre Energien bündeln und sich auf die Rettung von „Pastry Passion“ konzentrieren.

Als Emilia aus der Dusche kam, hörte sie, dass Violetta es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatte. Sie lachte gerade laut auf und schien den Schauspielern irgendwelche Kommandos zuzurufen. Das war typisch für Violetta: immer mit vollem Einsatz dabei!

Emilia liebte es, mit ihrer exzentrischen Tante zusammenzuleben. Sicher würde die sich jetzt auf dem Sofa ausgebreitet haben, ein Glas Wein in der Hand, und aussehen wie ein Filmstar in ihrem Paillettenkleid. Emilia grinste und dachte an die neugefärbte Haarpracht von Vio. Vielleicht sollte sie ihre Tante einfach machen lassen. Schließlich war sie ganz offensichtlich glücklich und zufrieden mit sich selbst – was mehr war, als die meisten Leute von sich behaupten konnten.

In ihrem Zimmer schlüpfte Emilia in den unglaublich bequemen und mindestens ebenso hässlichen Flanellschlafanzug, den ihre Mutter ihr aus Italien geschickt hatte. Mama dachte immer noch, dass es außerhalb von Rom und insbesondere in New York stets klirrend kalt war. Das erklärte allerdings noch lange nicht die grässlichen Karos in Grau und Grün, die den zartrosa Hintergrund des Stoffes fast überlagerten. Aber egal. Kein Mensch würde sie sehen in diesem Ungetüm, und der Pyjama war herrlich weich.

Sie kroch mit einem wohligen Seufzer unter ihre Bettdecke und griff zu dem Krimi, der auf dem Nachtkästchen wartete. Der Fall war so spannend, dass sie bis weit nach Mitternacht darin las. Da morgen Sonntag war, konnte sie sich das erlauben. Erst als ihr die Augen fast zufielen, legte sie das Buch weg, drehte sich zur Seite und schlief beinahe schlagartig ein.

 

5. Hot Dog

 

Weiches Brötchen, mit knackigem Würstchen, Gürkchen, Zwiebeln und Senf gefüllt. Ein echtes Original für Liebhaber des herzhaften Genusses

 

 

 

Emilia wachte auf, weil es Sturm an der Wohnungstür klingelte. Sie fluchte. Da konnte sie ein einziges Mal ausschlafen und dann das. Warum machte Violetta nicht auf? Emilia schaute auf den Wecker auf ihrem Nachttisch und rieb sich die Augen. Es war elf Uhr vormittags. Oh Mann, sie hatte richtig lange geschlafen. Sie überlegte einen Moment, ob sie das penetrante Klingeln einfach ignorieren sollte. Aber dann stand sie doch auf. Vielleicht hatte Violetta sich bei irgendeinem Delivery-Service etwas bestellt. Wenn sie die Lust auf Burger oder Pizza packte, war Tante Vio von so etwas Banalem wie der Uhrzeit nicht von ihrem Vorhaben abzubringen. Und bevor der arme Lieferbote die Tür eintrat, um sein Fastfood loszuwerden…

„Violetta! Wo steckst du nur?“, rief Emilia, während sie gähnend zur Wohnungstür schlurfte.

Keine Antwort.

Stirnrunzelnd fischte Emilia im Flur den Geldbeutel aus ihrer Handtasche, denn sie würde den Pizzajungen schließlich bezahlen müssen. Dann lugte sie durch den Türspion und fiel fast in Ohnmacht.

Draußen stand Richard.

Sie schnappte nach Luft. Wie war der denn hierher gekommen? Das durfte nicht wahr sein! Sie hatte doch ganz klar abgesagt. Und überhaupt – woher hatte er ihre private Adresse?

„Möchtest du nicht aufmachen?“ Violetta stand plötzlich grinsend hinter Emilia, noch dazu in einem tief ausgeschnittenen Oberteil und dazu passenden pinkfarbenen Leggings.

„Tante, das ist dieser Richard“, flüsterte sie. „Der Krawattenmann!“

„Das weiß ich doch, Bella“, flötete Violetta. Sie drängelte sich zur Tür und öffnete, ohne dass Emilia die geringste Gelegenheit hatte zu protestieren.

„Sie müssen Richard sein. Ich hab schon so viel von Ihnen gehört, kommen Sie doch erst einmal rein.“ Violetta hielt Richard ihre schmale Hand hin.

Er sah umwerfend aus. Sein legeres Hemd und seine Jeans, die Sneakers – alles an ihm war lässig. Wären die Sachen nicht so eindeutig von hervorragender Qualität gewesen, er wäre als sportlicher Typ von nebenan durchgegangen. Sein Sakko war eine eindeutige Maßarbeit. So etwas gab es einfach nicht von der Stange. Es passte natürlich farblich perfekt zum Hemd und seinen Augen, was Emilia zu ihrem eigenen Bedauern sofort auffiel.

Richard wirkte ein wenig irritiert vom Anblick der Tante im Nanny-Fine-Outfit. Sein Blick wanderte weiter zu Emilia, während er zögernd die Wohnung betrat.

„Wieso haben Sie abgesagt?“, bohrt sich seine dunkle Stimme in ihr schlechtes Gewissen. Die Frage schwebte wie eine unheilvolle Wolke durch den Flur und verharrte genau über ihrem Kopf. Was sollte sie nur antworten?

„Ich…nun…“, stammelte Emilia. Ihr fiel beim besten Willen nichts ein.

„Es klang, als wollten Sie mich nie mehr wiedersehen“, insistierte er. „Ist das denn so?“

Seine Augen waren nur auf sie gerichtet. Emilias versuchte, den Knoten in ihrer Zunge zu lösen.

„Nein“, presste sie schließlich hervor. „Ich dachte nur… Weil wir beide in so unterschiedlichen Welten leben. Ich wollte nicht, dass Sie sich zu irgendetwas verpflichtet fühlen.“ Langsam fing sie sich wieder. „Wissen Sie, Richard, auch ich habe meine Zeit nicht gestohlen. Ich wollte es uns beiden ersparen, nur wegen einer Lappalie wie diesem Handysitting Stunden zu vergeuden, die wir vielleicht eher zum Arbeiten benötigen.“

Das war gut! Emilia sah ihm herausfordernd in die Augen. Sie hatte ihm bewiesen, dass sie erstens Geschäftsfrau war und zweitens nicht im Geringsten an ihm interessiert war, so wie all diese Society Ladies. Richard hielt ihrem Blick stand und nickte.

„Ich verstehe. Allerdings habe ich mir ganz bewusst für heute frei genommen. Sie hingegen stecken anscheinend sehr in der Arbeit?“

Er schien Emilia prüfend zu mustern. Da erst wurde sich Emilia ihrer Aufmachung bewusst. Ihre Locken standen wie jeden Morgen ungebändigt vom Kopf ab und sie hatte sich noch nicht einmal die Zähne geputzt. Zu allem Überfluss trug sie noch den wild karierten Flanellpyjama, der total ausgewaschen war und an einem Knie ein Loch hatte, weil sie einmal die ganze Wohnung in dem Ding geputzt hatte an einem dieser Sonntage, wo man ohnehin nicht aus dem Haus ging. Vom Styling her würde sie gut zu diesen Typen passen, die an der Central Station herumhingen, nur die Schnapsflasche in der brauen Tüte fehlte noch. Unvorteilhafter ging es wirklich nicht.

„Oh, also, ich hab gar nicht mit Ihnen gerechnet. Ich muss eben… ich meine…“ Verdammt!

Emilia fühlte sich fürchterlich. Das hier war die peinlichste Begegnung, die sie jemals in ihrem Leben durchgemacht hatte. Richard stand hier, natürlich wie aus dem Ei gepellt, während sie noch nicht einmal gekämmt war. Von diesem Pyjama im Grunge-Look ganz zu schweigen.

Sie bemerkte, wie er beiläufig die Wohnung musterte, und ihr Schamgefühl schlug allmählich in Wut um. Sie hatte dem Mann abgesagt für heute! Wie konnte er einfach hier auftauchen und woher zum Teufel hatte er die Adresse? Das war ihr immer noch nicht klar.

In diesem Moment wurde sie des triumphierenden Lächelns ihrer Tante gewahr. Die sah ganz und gar entzückt aus. Daher wehte also der Wind. Violetta hatte ihre Finger im Spiel! Das sah ihr ähnlich.

„Entschuldigen Sie, Richard. Emilia hat ein wenig verschlafen. Sie wollte sich gerade fertigmachen und ist bestimmt gleich so weit“, mischte sich Violetta jetzt auch ein, bevor Emilia noch etwas sagen konnte. „Und selbstverständlich geht sie mit Ihnen zum Picknick, sie freut sich schon darauf.“ Ihre Tante zwinkerte Emilia zu und ignorierte den wütenden Blick, den die Nichte ihr zuwarf, einfach völlig.

Violetta hakte sich bei dem noch immer leicht verwirrten Richard unter und zog ihn in Richtung Küche.

„Kommen Sie, kommen Sie nur. Wir haben eine fabelhafte Espressomaschine. Wir trinken einfach ein Tässchen Cappuccino, während meine Nichte sich fertigmacht, ja? Es findet sich bestimmt auch noch etwas Süßes dazu…“

„Den Kaffee nehme ich gerne, aber Süßes ist nicht so mein Ding“, hörte Emilia ihn sagen. „Mit Ausnahme der Blackberry Pralinen von ‚Pastry Passion‘. Oder die mit Grappa, aber die fallen wohl eher unter Alkohol als unter Süßes.“

Wutschnaubend verzog sich Emilia ins Bad, wo sie sich erst einmal so zurecht machte, dass sie unter Menschen gehen konnte. Was sollte sie nun tun? Sie musste Richard irgendwie loswerden, fragte sich nur, wie.

Es war an der Zeit, ein ernstes Wörtchen mit ihrer Tante zu reden. Sollte die doch sehen, wie sie Richard wieder losbekam. Sie hatte ihn schließlich herbestellt. Emilia öffnete die Badezimmertür einen Spalt breit.

„Vio!“, rief sie streng. „Komm her, ich muss mit dir reden!“

Ihre Tante lachte gerade hell auf – offenbar war Richard unglaublich witzig. Dann hörte Emilia, wie Violetta sich entschuldigte. Breit grinsend kam sie den Flur entlang auf Emi zu, drehte sich aber noch kurz zur Küche um.

„Ich bin gleich wieder bei Ihnen, Richard. Emi braucht eine kleine Beratung in Modedingen, Sie wissen ja, wir Frauen suchen immer nach dem perfekten Outfit“, flötete sie ihm zu.

Emilia zog die Tante am Ärmel ins Zimmer und knallte die Tür hinter ihr zu.

„Was soll das?“, zischte sie. „Wie kommt der hierher?“

Violettas Miene blieb völlig ungerührt. „Du hattest doch selbst etwas ausgemacht mit ihm“, erklärte sie. „Ich habe nur ein wenig nachgeholfen.“

Emilia verstand immer noch nicht.

„Wie?“ fragte sie.

Violetta betrachtete in aller Ruhe ihre sorgsam lackierten Fingernägel. „Na mit der Wahlwiederholung, das war ganz leicht. Wir hatten ein nettes kleines Gespräch, als du unter der Dusche warst.“

Das waren also die Stimmen gewesen, nicht der Fernseher! Nun fiel es Emilia wie Schuppen von den Augen. Das war das gleiche Lachen gewesen. Wenn Violetta in Richards Alter gewesen wäre – vermutlich hätte sie gleich selbst ihr Glück bei ihm versucht. Sie konnte ihn gerne haben, wenn es nach Emilia ging!

„Ich geh nicht mit“, stellte sie klar.

„Natürlich tust du das. Er liebt deine Pralinen. Das muss ein Zeichen sein! Sag, seit wann hast du denn welche mit Grappa? Das hast du noch gar nicht erzählt. Bringst du mir morgen welche davon mit, Cara? Immerhin stammt die Idee dafür eigentlich von mir.“

„Lenk nicht ab, Tante.“ Emilias Kopf war schon ganz vernebelt von all den Überraschungen am frühen Morgen.

Violettas Gesicht kam nah an ihres heran. „Tu deiner alten Tante den Gefallen, Bella“, flüsterte sie. „Bitte geh mit ihm zum Picknick. Mir zuliebe. Das wünsche ich mir so sehr! Es würde dir so guttun. Du musst einfach mal wieder jemandem eine Chance geben.“

Sie legte ihre Hand auf ihre Brust und seufzte inbrünstig. Es war fast schon bewundernswert, wie Violetta es schaffte, auf Kommando alt auszusehen.

Emilia wusste, dass Vio gerade alle Register zog, aber sie schaffte es nicht, ihrer Großtante den Wunsch auszuschlagen. Außerdem würde Violetta vor Richard wirklich dumm dastehen, wenn sie ihn ganz umsonst hierher eingeladen hatte.

„Also gut“, lenkte Emilia schließlich ein. „Ich tue es. Aber nur dieses eine Mal, damit das klar ist.“

Violetta strahlte übers ganze Gesicht.

„Du machst eine alte Frau sehr glücklich“, sagte sie, öffnete die Zimmertür und tänzelte leichtfüßig wie eine Primaballerina durch den Flur.

Emilia schüttelte lachend den Kopf. Sie war Violetta einiges schuldig, gerade jetzt, wo es so schlecht um „Pastry Passion“ stand, kam auch noch ein gehöriges schlechtes Gewissen dazu. Ihr diesen Gefallen zu tun, auch wenn sie dafür in den sauren Apfel beißen musste, schien ihr beinahe eine Verpflichtung zu sein.

Sie würde Richard einfach auf Abstand halten, das sollte kein großes Problem sein.

Als sie im Bad fertig war, ging sie in ihr Zimmer hinüber. Emilia riss den Kleiderschrank auf und entschied sich spontan für einen weitschwingenden knallroten Rock mit weißen Punkten und ein passendes weißes Top. Diese Klamotten im Rockabillystil hatte Emilia in einem Secondhand-Shop gefunden und für ein paar Dollar erworben. Sogar flache Schnürschuhe mit Punkten hatte sie aufgetrieben und schlüpfte jetzt hinein. Ihre Locken bändigte sie mit einem breiten Haarband in Rot. Sie schminkte sich nur ganz dezent und trug ein wenig Lipgloss auf. Schon war sie fertig.

Noch einmal tief durchatmen, dann riss sie ihre Zimmertür auf, stolzierte nach draußen und rief: „Also meinetwegen können wir sofort zum Park.“

Als Violetta erschien, sah Emilia an deren Miene, dass sie mit der Wahl ihres Outfits nicht unbedingt zufrieden war. Sie hätte ihre Nichte sicher lieber in einem aufreizendem Minikleid oder etwas sehr tief Dekolletiertem gesehen, aber Emilia fühlte sich wohl in diesen leicht exzentrischen Klamotten.

Von Richards Gesicht konnte sie keine Reaktion ablesen. Das war im Grunde ja auch egal. Falls sie in dieser Kleidung nicht seinem Niveau entsprechen sollte, war das umso besser. Er schenkte ihr immerhin ein freundliches Lächeln.

„Dann nichts wie los“, schlug er vor und verabschiedete sich von Violetta, die ihm elegant ihren Arm entgegenhielt, mit einem gekonnten Handkuss. Vios Wangen glühten vor Freude. Dass sie genau dies erwartet hatte, war leicht zu erkennen. Emilia verdrehte die Augen. Typisch Vio.

Und Richard versuchte wohl, Eindruck zu schinden. Jetzt manipulierte er auch noch ihre Großtante! Der Mann schreckte wirklich vor nichts zurück.

Im Hinuntergehen drehte er sich zu ihr um. „Es freut mich sehr, dass Sie doch noch eine Stunde für mich erübrigen konnten an einem so arbeitsreichen Sonntag.“ Er grinste schelmisch.

„Bilden Sie sich nur nichts darauf ein“, erwiderte Emilia. „Nur weil sie ältere Damen um den Finger wickeln können, heißt das noch lange nicht, dass das auch mit mir funktioniert.“

„Das ist mir vollkommen klar, Emilia.“

Wieder sah sie ihn lächeln und war sehr unschlüssig, ob sie ihm böse sein sollte oder seine Ironie gut fand.

„Wartet der Chauffeur unten?“, fragte sie, als sie den untersten Treppenabsatz erreicht hatten, doch er schüttelte nur den Kopf.

Erstaunt sah sich Emilia um, nachdem sie auf den Gehweg getreten war. Keine Limousine weit und breit, auch kein Taxi. Nur ein Kleinwagen, irgendein japanisches Modell, war vor dem Hauseingang abgestellt worden. Genau auf diesen steuerte Richard nun zu.

„Sie sind mit dem Auto hier?“, fragte sie. Und noch dazu mit so einem winzigen! Emilia wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. „Also mit diesem Auto?“

Er nickte. „Ich weiß doch, dass Sie nicht viel von Angeberlimousinen halten“, schmunzelte er. „Also wollte ich mal mit etwas ganz Normalem vorfahren.“

Richard ließ es sich natürlich nicht nehmen, ihr die Tür aufzuhalten. Als Emilia nach hinten auf die Rückbank blickte, sah sie einen großen Picknickkorb. Er meinte es ernst damit, sie in den Central Park auszuführen.

Na, das konnte ja was werden. Ein Luxustyp wie er, mit diesem Sakko auf der Wiese. Das alles hier war doch nur Berechnung. Sie traute ihm nicht über den Weg. Er wollte sie mit Sicherheit nur beeindrucken. Wahrscheinlich hatte sie irgendeinen testosterongesteuerten Jagdinstinkt bei ihm geweckt, weil sie nicht sofort von seinem Reichtum und seiner weltmännischen Aura hingerissen gewesen war. Und nun musste er sich selbst beweisen, dass ein Richard Stone jede Frau östlich des Hudson Rivers rumkriegte.

Bei ihr hatte er sich allerdings getäuscht!

Emilia lehnte sich entspannt im Sitz zurück. Sie war neugierig, was er noch alles auffahren würde, um sie von seiner Unwiderstehlichkeit zu überzeugen. Wenn er dieses Spiel spielen wollte – bitte sehr. Es war sicher keine schlechte Lektion für ihn, auch mal auf Granit zu beißen. In seinem sonst so sorgenfreien Luxusleben war das bestimmt etwas Neues. Sie würde sich natürlich nicht anmerken lassen, dass sie sein Manöver durchschaut hatte. Sollte er sich ruhig als der große Verführer fühlen, irgendwann würde sie ihn dann auflaufen lassen. Darauf freute sie sich jetzt schon diebisch.

Richard nahm auf dem Fahrersitz Platz, ließ das Auto an und ruckelte ungeschickt am Schaltknüppel herum. Emilia beschlich das Gefühl, er hatte nicht viel Erfahrung, was Autos mit Gangschaltung anbelangte.

„Fahren Sie sonst Automatik?“, fragte sie ihn.

„Nein. Ich fahre sonst eher gar nicht“, sagte er mit einem entschuldigenden Lächeln, das irgendwie unsicher wirkte, drehte das Lenkrad und blickte dann mit höchster Konzentration auf die Straße.

Der Wagen machte einen Satz nach links und wurde von Richard gekonnt abgewürgt, da er den dritten Gang eingelegt hatte. Hinter ihnen begann ein Hupkonzert und Richards Gesicht bekam einen zarten Rosaton, was Emilia sehr amüsierte.

„Verflixt“, schimpfte er und ließ den Motor erneut an.

Emilia versuchte, ihr Grinsen zu verbergen. Das war aber gar nicht notwendig, da Richard seine volle Aufmerksamkeit für das Fahren benötigte.

Als er die Madison Avenue im zweiten Gang und mit aufjaulendem Motor entlangkroch, kam Emilia zu der Erkenntnis, dass er generell mit Autos nicht viel Erfahrung hatte, egal welche Schaltung sie besaßen.

Sie fand es herrlich, ihn schwitzen zu sehen, als er abbiegen musste und ein Lieferwagen ihn hupend überholte, wobei ihm der Fahrer den Vogel zeigte.

„Normalerweise sitze ich hinten“, erklärte er kleinlaut, als der Central Park endlich in Sichtweite kam.

Nun galt es, einen Parkplatz zu finden. Natürlich war an so einem schönen Sonntag alles rund um die Grünfläche vollgeparkt. Richard musste zwei Mal auf und ab fahren, bis er schließlich aufgab und einfach ein Stück Straße ansteuerte, über dem groß und breit ein „no parking“-Schild prangte.

„Das könnte teuer werden“, sagte Emilia aus einem Reflex heraus. Sofort fiel ihr aber ein, dass dies wohl kein Problem für Richard darstellen würde. Dafür hatte er umso mehr Schwierigkeiten, den Rückwärtsgang einzulegen und das Auto in die Lücke zu lenken. Als er etwas energischer aufs Gas stieg, hüpfte der Kleinwagen auf den Bordstein und prallte mit dem Kotflügel gegen die Stange des Parkverbot-Schildes. Entsetzt sah Richard auf das nun schief hängende Verkehrsschild.

Emilia konnte nicht mehr anders, sie musste lauthals lachen.

„Sorry, Richard“, prustete sie. „Es tut mir echt leid, dass ich lache. Aber Sie sind kein besonders geübter Autofahrer, stimmt’s?“

Er seufzte tief und begann ebenfalls zu lachen.

„Da haben Sie natürlich recht“, erwiderte er. „Ich habe in der Schule den Führerschein gemacht - wie alle. Aber unsere Familie hatte immer einen Chauffeur. Und dann diese Gangschaltung … Dabei habe ich mir für heute extra einen Kleinwagen ausgeliehen, damit ich wenigstens das Einparken ordentlich hinbekomme… Was nicht wirklich klappt, wie Sie sehen.“

Emilia kicherte immer noch, als Richard das Auto erneut rangierte.

Er schaffte es irgendwie, den Wagen mehr schlecht als recht in die Lücke zu bugsieren. Dann stieg er aus, nahm den Picknickkorb von der Rückbank und ging neben Emilia durch das nahe liegende Tor in den Central Park hinein. Unwillkürlich holte Emilia Luft.

Es war, als beträte man eine andere Welt.

Schon bei ihrer Ankunft in New York, vor nunmehr fast sieben Jahren, war sie von der „grünen Lunge“ der Stadt begeistert gewesen. Mitten in all der Hektik von Manhattan lag dieses herrliche Paradies für Sportler, Kinder, Spaziergänger und Künstler. Von irgendwoher klang immer Musik. Mal spielte ein klassisches Orchester im Halbrund der Naumburg Bandshell, dann wieder stand eine kleine Jazzcombo vor dem John Lennon Memorial in den Strawberry Fields. Und natürlich gab es jede Menge Straßenmusiker, die den speziellen Sound des Central Parks prägten. Man hörte den hellen Schlag, wenn ein Baseballschläger den ledernen Ball traf, und weiter oben, nördlich des Reservoirs, das elegante Ploppen von Tennisbällen. Dazwischen Kinderlachen und Hufgeklapper, das Bellen von Hunden und aufgeregtes Gezwitscher, wenn eine ältere Lady ihre mitgebrachten Brösel unter die Vögel warf.

„Schauen Sie doch!“ Richard deutete auf eine junge, asiatische Musikerin in zerfetzten Jeans, die eine virtuose Geigensonate spielte und dabei im Takt einen Hula-Hoop-Reifen um ihre schmalen Hüften kreisen ließ.

Er schüttelte lachend den Kopf und marschierte schließlich weiter, am See entlang.

„Kommen Sie oft hierher?“, fragte Emilia.

Sie war ein wenig durcheinander. Ihre Theorie, dass Richard sie mit ausgefeilten Tricks nur aus Jagdgründen beeindrucken wollte, bröckelte gehörig seit der peinlichen Autofahrt. Würde jemand, der gern Menschen manipulierte, um besser dazustehen, sich wirklich so zum Affen machen? Es fiel ihr zunehmend schwer zu glauben, dass all dies hier Berechnung war und sein Lächeln gar nicht echt sein sollte.

Was, wenn er wirklich nur bescheiden hatte sein wollen?

„Wenn ich ehrlich sein soll“, antwortete er, „Ich war seit fünf Jahren nicht mehr hier. Irgendwie war nie Zeit dafür. Wissen Sie, die Firma nimmt mich sehr in Anspruch, ich bin dort zuständig für...“

„Ich weiß Bescheid über Sie, Richard Stone“, unterbrach ihn Emilia. „Sie müssen mir nicht mehr vorgaukeln, ein Angestellter zu sein. Sie sind Inhaber des Stone-Konzerns, Ihnen gehört ‚Sweet Temptation‘ und Sie werden als begehrtester Junggeselle der ganzen Stadt gehandelt.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739438658
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
New Liebesroman Millionär USA Kuchen Milliardär York Cupcakes Humor

Autoren

  • Karin Koenicke (Autor:in)

  • Lotte Römer (Autor:in)

Lotte Römer und Karin Koenicke lernten sich über eine Agentur für Kurzgeschichten kennen und beschlossen spontan, ein gemeinsames Buch zu schreiben. Mit Sweet Temptation begannen sie die überaus erfolgreiche Reihe New York Lovestorys, in der inzwischen 7 Bücher erschienen sind. Beide Autorinnen haben auch abseits der Serie diverse rasante, witzige oder emotionale Liebesgeschichten verfasst.
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Titel: Sweet Temptation - Ein Milliardär zum Anbeißen