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Djinküsse

Magical Kisses

von Rebecca May (Autor:in)
130 Seiten

Zusammenfassung

Diana braucht keinen Leibwächter. Nicht wegen der paar Mordversuche gegen sie. Wirklich nicht. Auch keinen wie Jasper, den Djin mit den unordentlichen Haaren und vielfarbigen Augen, der ihr keinen Augenblick von der Seite weicht. Vor allem nicht Jasper, der droht, zu einer Ablenkung zu werden. Denn weder ihr Clan noch ihr Leibwächter wissen, dass Diana eine geheime Mission hat. Die junge Magierin ist wild entschlossen, ihren Auftrag durchzuführen – den Angriffen auf ihr Leben zum Trotz. Doch damit ihr Plan gelingt, muss sie Jasper loswerden. Und Diana ist sich nicht sicher, ob sie das wirklich noch will …

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis















Djin

Küsse


Magical Kisses





Rebecca May



KAPITEL 1


Diana verschränkte die Arme und warf dem jungen Mann gegenüber von ihr einen finsteren Blick zu. Dieser war schlanker, als man es von einem Mann seines Berufes denken würde, und lungerte in dem gepolsterten Lehnstuhl herum, als würde er zum fürstlichen Haushalt gehören. Die schwarzen Haare fielen ihm ungekämmt in die Stirn, und sein Gesicht drückte nichts als höfliches Interesse aus, während er auf ihre Meinung wartete. Doch sie sah die Belustigung in seinen vielfarbigen Augen, und ihre Stimmung verschlechterte sich weiter.

Djin mochten Magier genauso wenig, wie diese ihnen trauten, doch davon war diesem Jasper, wie ihre Mutter in ihr vorgestellt hatte, nichts anzumerken. Sie sah zu ihren Eltern, die in tadelloser Haltung auf den aufwendig geschnitzten Stühlen saßen. »Nun?«, fragte ihre Mutter ungeduldig, und Diana kam nicht länger um eine Antwort herum. Auch wenn es nicht die war, die ihr Clan von ihr hören wollte.

»Ich versteh einfach nicht«, sagte sie und versuchte, so viel Verachtung wie möglich in ihre Stimme zu legen, »warum er notwendig sein sollte. Ich kann sehr gut auf mich selbst achtgeben.« Ihre Magie loderte zustimmend in ihr auf. Sie war nicht unbedingt die fähigste Windmagierin ihres Clans, aber so schwach war sie auch wieder nicht. Sie brauchte keinen Aufpasser. Vor allem jetzt nicht.

Ihr Vater seufzte und strich sich mit den Fingern über seine buschigen Augenbrauen, die in den letzten Wochen wilder und grauer geworden zu sein schienen. Die Ringe an seinen Händen funkelten in den Clanfarben, als wollten sie Diana daran erinnern, dass es nicht nur um sie ging. Was sie wusste. Doch erstens konnte sie nichts für den sinnlosen Streit zwischen ihrem Haus und dem der Relyn, zweitens waren das alles Zufälle und keine Mordversuche, und drittens …

»Das kannst du eben nicht«, sagte ihre Mutter bestimmt, als ihr Vater nur seine Schläfen massierte und aussah, als wollte er überall anders sein, nur nicht hier. »Wenn dein Vater dir nicht zufällig entgegengekommen wäre – nicht auszudenken!« Angst schwang hörbar in der Stimme der Fürstin mit, und Dianas Herz zog sich schuldbewusst zusammen. Sie hasste es, dass ihre Eltern sich solche Sorgen um sie machten. Sie war trotzdem entschlossen, den Leibwächter loszuwerden, den ihr Clan für sie bestimmt hatte. Einen Leibwächter, den Diana nur als schlaksig bezeichnen konnte, so hochgewachsen, wie er in dem Stuhl wirkte, mit seinem ungezähmten schwarzen Haar und unlesbaren Augen. Jasper begegnete ihrem Seitenblick gelassen, und Diana wandte ihre Aufmerksamkeit hastig wieder ihren Eltern zu.

»Es war nur ein Taschendieb«, sagte sie mit betonter Gelassenheit. »Ja, ich war kurz erschrocken, aber ich hätte ihn schon in die Flucht geschlagen.«

»Er hatte ein Messer, Diana«, sagte ihr Vater nun. Sie sah die Müdigkeit über ihre Beschwichtigungsversuche in seinen Augen, und ihr schlechtes Gewissen regte sich mit neuer Heftigkeit. Er war ihr entgegengegangen und just in dem Moment auf sie getroffen, als sie wie versteinert auf die Klinge geblickt hatte, mit der der Räuber ihre Halskette gefordert hatte. In dem Moment hatte sie an ihre Magie nicht einmal gedacht, und sie schämte sich noch immer dafür.

»Haben Taschendiebe nicht alle ein Messer?«, versuchte sie, ihre Eltern ein letztes Mal davon zu überzeugen, dass die Anheuerung eines Leibwächters wirklich übertrieben war. Sie hörte den Djin amüsiert schnauben und ignorierte ihn. Was konnte sie dafür, wenn sie nichts über die Grundausstattung von Kleinkriminellen wusste?

»In unserer Gegend gibt es keine Taschendiebe«, sagte ihre Mutter bestimmt, ganz so, als würden die Unglücklicheren der Gesellschaft es nicht wagen, das schöne Straßenpflaster zwischen den prächtigen Villen zu betreten. Diana öffnete den Mund, doch der warnende Blick ihres Vaters ließ ihre Erwiderung auf ihren Lippen sterben.

»Wir liegen im Streit mit den Relyn«, sagte ihr Vater, als hätte er es nicht schon hundertmal gesagt, wann immer Diana alleine das Haus hatte verlassen wollen, »und diese Unfälle, wie du sie nennst, sind kein Zufall. Irgendwer trachtet dir nach dem Leben, und solange wir denjenigen nicht gefunden haben, wirst du«, sein Zeigefinger stieß in Dianas Richtung, »keinen Schritt mehr ohne ihn«, ein Fingerzeig zu dem Djin, »machen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

Diana rieb sich über die Stirn wie ihr Vater zuvor. Glasklar. Doch innerlich wollte sie die Oberhäupter beider Clans schütteln. Grund für den Streit zwischen den beiden Häusern war eine dumme Wette, von der niemand mehr wusste, worum es gegangen war oder wer sie verloren hatte. Nur, dass eines ihrer Clanmitglieder einen Magier der Relyn bezichtigt hatte, betrogen zu haben. Daraufhin war das Ganze bis zum Duell eskaliert, in dem beide Magier verwundet worden waren, und nun war das gesamte Haus Relyn für Dianas Clan zum Feindbild erklärt geworden. Das Haus, mit denen sie die letzten Jahrzehnte alles zusammen gefeiert hatten, zu dem Dianas beste Freundin gehörte.

»Die Relyn würden nie«, begann sie nun doch, doch ihre Mutter ließ sie nicht weiterreden.

»Ich weiß, dass du gut mit einigen dieses Hauses befreundet warst«, sagte sie, »aber du kennst die Gesetze. Wenn Häuser sich überwerfen, sind alle Feinde. Der Streit eines Clanmitglieds ist der Streit aller.« Diana konnte an dem Ton ihrer Mutter hören, dass die Fürstin die Regel für ebenso engstirnig hielt, wie sie selbst das tat, doch sie wusste auch, dass ihre Mutter dies nie laut äußern würde.

»Wir sagen nicht, dass einer deiner früheren Freunde dir etwas tun will«, sagte ihr Vater nun fast sanft, auch wenn das ›frühere Freunde‹ Diana wie ein Schlag in die Magengrube traf. »Aber das Haus Relyn beherbergt auch Kriminelle, wie wir nun wissen, und ich und deine Mutter werden nicht zulassen, dass dir etwas widerfährt. Also benimm dich, wie es sich für eine zukünftige Fürstin schickt, und folge Jaspers Anweisungen. Verstanden?«

»Aber wie lange? Wir wissen alle, dass es Jahre dauern kann, bis die beiden zur Vernunft kommen!« Wie immer in solchen Fällen hatte der Oberste Rat der Clans jeden Kontakt zwischen den Häusern untersagt, um weitere Kämpfe zu vermeiden. Einzig die Oberhäupter beider Clans konnten vor den Rat treten und die Fehde gemeinsam als beendet erklären, doch Diana wusste so gut wie alle anderen, wie stur die Leiterin ihres Clans war und dass der Clanchef der Relyn ihr da in nichts nachstand. Der Stolz beider hatte in dieser Sache gelitten und es konnte Jahrzehnte dauern, bevor es wieder zu einer Annäherung kam.

Ihre Eltern überhörten die Beleidigung der Clanoberhäupter. »Es dauert so lange, wie es dauert«, sagte ihr Vater lakonisch. »Jasper hat uns bereits zugesichert, uns notfalls auch das nächste Jahrhundert zur Verfügung zu stehen.«

Natürlich hatte er das. Diana gab auf. »Fein«, seufzte sie.

»Ich weiß, als Magierin einem Djin zu vertrauen, ist nicht leicht, aber versuch es, ja?«, sagte ihre Mutter, als ob das das Problem an der ganzen Sache wäre. »Nichts für ungut«, sagte die Magierin dann zu Dianas neuem Leibwächter, der von den Worten der Fürstin ebenso unberührt schien wie von Dianas bohrenden Blicken.

»Ich nehme das nicht persönlich«, sagte er. »Ich weiß, dass die Beziehung zwischen unseren Arten nicht die leichteste ist und ich nicht in Ihre Kreise gehöre. Aber ich verspreche, dass ich meine Arbeit diskret erledigen werde.«

»Gut«, kam es von Dianas Vater. »Je weniger Leute von den Anschlägen auf ihr Leben wissen, desto besser. Der Clan muss ein starkes Bild nach außen zeigen.« Er erhob sich und reichte seiner Frau den Arm. Dianas Mutter legte ihre Hand auf den Arm des Fürsten. Ihre Bewegungen waren graziös wie die einer Tänzerin, doch in der zierlichen Gestalt der Fürstin verbarg sich ein eiserner Wille, und Diana wusste es besser, als offen gegen den Willen ihrer Mutter zu rebellieren. Doch auch wenn sie nicht die zarte Figur ihrer Mutter, sondern die hochgewachsene Statur ihres Vaters hatte - neben den blauen Augen hatte sie auch die Willensstärke der Fürstin. »Am besten, Sie sagen unserer Tochter, wie Sie vorgehen wollen. Sie kennen die Pläne für die nächsten Wochen, wenn ein Besuch oder Ausflug nach einem zu großen Risiko aussieht, streichen Sie ihn.«

»Wir sind Ihnen sehr dankbar. Diana wird keine Schwierigkeiten machen, sondern Ihren Anweisungen folgen«, sagte die Fürstin, und es war allen klar, dass die Worte nicht Jasper galten.

Der Djin erhob sich aus dem Sessel und verneigte sich knapp. »Ich verspreche, dass Ihrer Tochter in meiner Obhut kein Leid widerfahren wird.«

Der Blick der Fürstin ruhte immer noch auf Diana, die versuchte, harmlos auszusehen - oder eben wie eine Tochter, die nicht schon längst mit dem Gedanken beschäftigt war, wie sie ihren Leibwächter loswerden konnte. Die Augen der Fürstin verengten sich. Diana war wirklich nicht gut darin, ihre Gedanken nicht deutlich in ihrem Gesicht zu zeigen. So sah sie sicherheitshalber aus dem Fenster, während ihre Eltern Jasper dankten und das Zimmer verließen. Als die Tür zugefallen war, drehte Diana sich zu dem Djin. Zeit, sich unbeliebt bei dem jungen Mann zu machen, den sie nur als schlaksig bezeichnen konnte.

»Ich brauche kein Kindermädchen«, sagte Diana und versuchte, so arrogant wie möglich zu klingen.

»Das trifft sich gut«, erwiderte Jasper gelassen. »Ich bin auch ein Leibwächter und kein Kindermädchen.«

»Meine Eltern überreagieren«, sagte sie. »Wirklich. Ich habe zurzeit nur etwas Pech, das ist alles.«

»Hm«, machte der Djin. »Eine Kutsche fährt dich fast nieder, eine Schlange in deiner Handtasche, vergifteter Kuchen und jetzt ein angeblicher Taschendieb, der sofort sein Messer zieht«, zählte er auf. »Habe ich etwas vergessen?«

»Der Kuchen war nicht wirklich vergiftet«, murmelte Diana.

»Nun, angenehm war sein Inhalt offenbar nicht, wenn die Katze fast daran gestorben wäre.«

»Zufälle«, sagte sie fest.

Die davor noch blauen Augen unter den wirren, schwarzen Haaren schillerten golden. »Mir scheint, du willst ermordet werden.«

Diana warf ihre braunen Locken über die Schulter und stolzierte aus dem Raum, ohne sich mit einer Antwort aufzuhalten. Er heftete sich sofort an ihre Fersen. Ein Djin, ausgerechnet! Das erschwerte wirklich alles. Entschlossen presste sie die Lippen zusammen. Sie war noch nie vor einer Herausforderung zurückgeschreckt. Jasper würde sich noch wundern, es wäre doch gelacht, wenn sie ihn nicht loswerden …

Der Djin legte seine Hand auf ihren Arm und brachte sie vor ihrem Zimmer zu stehen. »Warte hier«, befahl er, während er an ihr vorbeiging.

»Moment, das ist mein …«

Doch Jasper war schon im Inneren des Zimmers verschwunden. Was, wenn er ihre Sachen durchsuchte? Der Gedanke durchfuhr sie wie ein Blitz und ließ Panik durch sie schießen.

»Was ist, wenn ich hier draußen erdolcht werde?«, rief sie durch die offene Tür.

Jasper tauchte in der Öffnung auf, seine Augen glitzerten türkis. »Das wäre ungünstig«, sagte er gelassen. Er öffnete die Tür, als er ihr Eintritt in ihre eigenen vier Wände gewährte. »Du kannst hereinkommen.«

»Zu gnädig«, knurrte sie. Sie stapfte an ihm vorbei und hoffte, dass er ihren viel zu raschen Herzschlag nicht hören konnte. Sie war für diese Geheimniskrämerei wirklich nicht geschaffen.

KAPITEL 2


Zu Dianas Unmut machte es sich der Djin in ihrem Lesesessel bequem, als ob er täglich bei ihr zum Tee eingeladen wäre. Das ist Jalias Sessel, entkam es ihr fast, doch sie biss sich auf die Zunge. »Du hast nicht ernsthaft vor, mich wirklich nie alleine zu lassen?«, fragte sie stattdessen.

Jasper zuckte nur gelangweilt mit den Schultern. »Dafür werde ich bezahlt«, sagte er.

Diana schnaubte in einem, wie sie hoffte, abfälligen Ton, während sie fieberhaft überlegte, wie man Djin im Allgemeinen loswurde und diesen Djin im Speziellen. Ihre Eltern hatten bei der Wahl des Leibwächters die Eigenwilligkeit ihrer Tochter gut bedacht. Denn anders als bei Gargoyles, Werwölfen oder Elfen folgte die Natur der Djin keinen erkennbaren Regeln. Zumindest keinen, die Magier erkennen konnten. Und so begegneten sie Djin entweder mit widerwilliger Verehrung oder mit ignoranter Verachtung. Die meisten Magierclans neigten zu Letzterem. Es war das erste Mal, dass Diana einen Herzschlag lang fast bedauerte, dass ihr Clan von den alten Gedanken nichts hielt. Dann schämte sie sich für ihre Überlegung.

Jaspers Worte ließen sie zu ihm sehen. »Spannende Lektüre?«

Sie sah zu dem Djin, der das Buch in der Hand hielt, das sie zwischen Kissen und Rückenlehne des Sessels geklemmt hatte. Es war ein schmaler Band über Mittel, die gegen Djinmagie helfen sollten, kaum hilfreich, aber in so hasserfüllter Sprache verfasst, die Diana das Werk mit spitzen Fingern hatte durchblättern lassen, bevor sie es hinter den gepolsterten Sitz gestopft hatte. Der Drang, sich für den Besitz des Buches zu rechtfertigen, überkam sie und Diana öffnete den Mund - und schwieg. Der Gedanke, dass der Djin sie für jemanden hielt, der seine Art aus Neid und Missgunst verachtete, ließ ihren Magen zu einem schmerzhaften Knoten werden, doch war es nicht das, was sie wollte? Dass er beschloss, dass jemand wie sie seine Zeit und Mühe nicht wert war und ihr Clan sich einen anderen Leibwächter für sie suchen sollte?

»Nicht wirklich«, murmelte sie.

Seine Miene war unbewegt, als er sagte: »Statt vergeblich nach irgendeiner Blume oder einem Stein zu suchen, der für mich das ist, was für Werwölfe Silber ist, hilfst du uns beiden besser damit, dass du mir genau sagst, was noch alles passiert ist. Deine Eltern haben mir zwar schon sehr ausführlich darüber berichtet, aber ich habe so das Gefühl, dass du ihnen nicht alles erzählt hast.«

Warum sollte ich dir auch nur irgendetwas sagen? Fast hätte sie es ausgesprochen, doch dann holte ihr Verstand sie ein. Mit den Füßen aufzustampfen wie ein kleines Kind und jede Mitarbeit zu verweigern, würde zwar den Zweck erfüllen, in seinen Augen wie eine verzogene, dumme Göre dazustehen - und wenn er sie unterschätzte, konnte sie ihn leichter abhängen -, aber ihre Eltern würden zweifelsohne davon erfahren und ihr vermutlich verbieten, das Haus überhaupt noch zu verlassen. Und das durfte auf keinen Fall passieren! Es war ein Drahtseilakt, in dem sie den Wunsch des Clans, nach außen stark und unantastbar zu wirken, nicht überstrapazieren durfte. Also glättete sie ihre Züge und änderte ihre Taktik. Sie zwang etwas wie ein freundliches Lächeln auf ihre Lippen. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Wenn ich nervös bin, bin ich immer etwas …«

»Bissig?«, schlug Jasper vor. Sein Blick war kühl. Er hielt immer noch das verfluchte Buch in der Hand, und ihr fiel keine Entschuldigung ein, die ihr passend erschien. Oder die er mir glauben würde. Ja, sie hatte ihren neuen Leibwächter bei ihrem ersten Treffen vor den Kopf stoßen wollen und ihn dazu bringen, den Auftrag abzulehnen, aber sie hatte ihn nicht … verletzen wollen. War das das richtige Wort? War er überhaupt verletzt? Oder kümmerten ihn die verbohrten Vorurteile einer Magierin so wenig wie sie ihn als Person? Und wieso sollte sie das alles kümmern, wenn sie ihn eigentlich nur loswerden wollte?

Diese Begegnung war nicht so gelaufen wie geplant, und Diana widerstand dem Wunsch, am Djin vorbeizugehen, in ihr Bett zu steigen und sich dort die Decke über den Kopf zu ziehen, bis das alles vorbei war. Doch dafür musste sie diesen Abend auf den Ball gehen können, und das konnte sie nur, wenn der Djin es ihr gestattete.

Diana atmete durch. »Mordversuch ist vielleicht ein bisschen viel gesagt«, sagte sie, bevor sie die Liste pflichtgemäß um die Ereignisse erweiterte, die sie ihren Eltern verschwiegen hatte. Eine Kutsche hatte ein paar Mal versucht, sie über den Haufen zu fahren, Dachziegel hatten sich in auffallender Spontanität über ihrem Kopf aus der Halterung gelöst, und einmal hatte der Wein in ihrem Glas ein Loch in das Tischtuch gebrannt.

Jasper folgte ihrer Aufzählung mit höflichem Interesse, doch sie konnte sehen, wie seine Miene sich erhärtete. Ihr Götter, er nimmt diesen Auftrag tatsächlich ernst. Wie werde ich ihn je los? Anderseits, hatte sie von einem professionellen Wächter wirklich erwartet, einen so lukrativen Auftrag einfach abzulehnen?

»Bis jetzt ist dir nichts passiert«, stellte er das Offensichtliche fest, als sie geendet hatte. »Warum nicht?«

Die Frage brachte sie für einen Moment aus dem Konzept. Dann verschränkte Diana die Arme. »Weil ich kein hilfloser Mensch bin, sondern eine der besten Luftmagierinnen unseres Clans«, sagte sie patzig. Und weil sie Glück gehabt hatte. Nicht nur einmal waren es andere gewesen, die sie rechtzeitig aus dem Weg gestoßen hatten. »Und weil meine Freunde auf mich aufpassen«, fügte sie kleinlaut hinzu.

Aus irgendeinem Grund ließ ihn das aufhorchen. »Welche genau?«

»Andere vom Clan«, antwortete sie, bevor sie widerstrebend hinzufügte: »Und Sevin. Er hat mir das Weinglas aus der Hand geschlagen.« Die aufsteigende Rauchwolke hatte dem Abendessen einen gewissen Dämpfer verpasst. Und dem Brokattischtuch besagtes Loch.

»Und woher wusste dieser Sevin, dass der Wein gefährlich war?«, fragte der Djin.

Diana verdrehte die Augen. Die gleiche Frage hatte ihr Clan dem jungen Mann gefühlte tausend Mal gestellt. »Wir sind Magier«, sagte sie. »Ein gewisser Instinkt gehört dazu. Außerdem ist er Wassermagier, es ist kein Wunder, dass er einen besonderen Draht zu Flüssigkeiten hat.« Was sie von ihrer Luftmagie nicht behaupten konnte. »Und überhaupt«, setzte sie hinzu und echote die Worte, die Sevin die letzten Wochen gebetsartig wiederholt hatte, »wenn er mir schaden wollte, hätte er mich wohl kaum gewarnt.«

»Hm«, machte Jasper. »Du nimmst ihn ganz schön in Schutz. Ist da noch etwas, was ich über ihn wissen sollte?«

»Nein«, sagte sie knapp. »Ist das alles?« Sie deutete zur Tür.

Er hob eine Augenbraue. »Hast du etwas Wichtigeres zu tun, als deinen Leibwächter mit den Informationen zu versorgen, die dir das Leben retten könnten?«

»Ja.« Diana stemmte die Hände in die Hüften. »Ich muss mich für den Ball heute Abend vorbereiten.«

Der Djin hob die Hände. »Tu dir keinen Zwang an.« Er lehnte sich gemütlich im Stuhl zurück.

Diana war Luftmagierin, aber einen Augenblick lang meinte sie, ihr Gesicht brennen zu spüren. »Hinaus!«, fauchte sie. Jasper erhob sich gemächlich, so unbeeindruckt von ihr und ihrem Benehmen wie zu Beginn des Tages.

»Wenn du mich brauchst, ruf einfach«, sagte er. »Ich bin gleich vor dem Zimmer.« Und damit schnippte er mit den Fingern, und eine magische Wand zog sich vor Dianas Fenstern hoch. Er schenkte ihr ein Grinsen, ganz so, als ob er von ihren heimlichen Ausflugsplänen wüsste. »Für alle Fälle«, sagte er, bevor er vor sich hin pfeifend den Raum verließ.

Wieder allein bedachte Diana den Tag mit Worten, für die ihr ihr altes Kindermädchen den Mund mit Seife ausgewaschen hätte. Natürlich meinten ihre Eltern es nur gut mit ihr, und sie hätte gelogen, wenn sie gesagt hätte, dass die ›Unfälle‹ der letzten Wochen sie nicht langsam nervös machten. Denn so vehement Diana vor ihren Eltern und dem Rest ihres Clans behauptete, dass es nichts als eine Pechsträhne war: Sie wusste nur zu gut, dass diese Geschehnisse weder Zu- noch Unfälle waren. Wenn sie alleine war, gestand sie sich ihre stärker werdende Furcht ein, doch es änderte nichts daran, dass sie ihr Wort gegeben hatte. Sie würde es nicht brechen und sich in ihrem Heim oder hinter Wächtern verkriechen, nur weil irgendjemand beschlossen hatte, aus ihr eine Warnung für den Clan zu machen.

Entschlossen öffnete sie den Schrank, wo das Gewand für den Ball bereits vorbereitet am Haken hing: Lose Hosen in einem tiefen Blau und ein dazu passendes Oberteil mit schweren Stickereien. Sie breitete die Kleidung auf ihrem Bett aus, bevor sie sich wusch und die braunen Locken bürstete, bis sie glänzten. Manche Häuser hatten eigenes Dienstpersonal, das den Herrschaften bei den Vorbereitungen zur Seite stand, doch Diana hasste den Gedanken, sich von einem anderen bei so einfachen Sachen helfen lassen zu müssen. Ihre Eltern teilten ihre Gedanken glücklicherweise, und so hatte sie vor den Festen wenigstens ein paar Momente Ruhe. Sie schlüpfte in goldene Sandalen und ließ sich vor ihrem Schminktisch nieder.

Die schweren Stickereien hatten ihre Korsage in eine Rüstung verwandelt, die sie dazu zwang, gerade zu sitzen. Doch Diana war nicht böse darüber, für ihre Zwecke war das Oberteil perfekt. Die Kämme lagen bereit in der Schublade, und Diana steckte sich ihre langen Haare nach oben, die Griffe so vertraut, dass sie währenddessen ihren Gedanken nachhängen konnte. Diese kehrten prompt zu dem Djin mit den ungekämmten Haaren und unlesbaren Augen zurück. Dieser Jasper ist ein Problem.

Wenn der Djin tatsächlich vorhatte, den Befehl ihrer Eltern wörtlich zu nehmen, würde sie sich erst wieder frei bewegen können, wenn diejenigen, die hinter den Angriffen auf sie steckten, gefunden waren. Tatsächlich hatte sie es dem Stolz ihres Clans zu verdanken, dass sie nach wie vor zu Festen gehen und sich in der Öffentlichkeit zeigen durfte. Am liebsten wäre sie an diesem Abend zu Hause geblieben und hätte den Ball einfach Ball sein lassen. Diana unterdrückte ein Seufzen. Bis vor ein paar Wochen noch war sie gerne auf die zahlreichen Veranstaltungen gegangen. Zeit mit Jalia und ihren anderen Freundinnen zu verbringen, war die langweiligen und gleichzeitig heiklen Gespräche mit den schwierigeren Mitgliedern der anderen Häuser wert gewesen. Doch nun waren ihre Clans verfeindet. Aber ich kann Jalia nicht im Stich lassen.

Entschlossen rammte sie den letzten Kamm an seinen Platz und zuckte zusammen, als ihre Kopfhaut schmerzend protestierte. Diana fluchte und presste ihre Hand gegen die schmerzende Stelle. Wenigstens hält der Kamm sicher.

Sie warf einen kontrollierenden Blick zur Tür, doch sie blieb geschlossen, ihre Verwünschungen schienen Jasper nicht alarmiert zu haben. Diana drehte sich zu den Fenstern, vor denen immer noch der Schutzwall aus Djinmagie waberte. Die Abendsonne fiel leuchtend durch die Scheiben, und sie hatte nicht mehr lange Zeit, bevor ihre Eltern sie rufen würden. Oder der verfluchte Djin wieder in ihrem Raum auftauchen und … Diana atmete durch und erinnerte sich daran, dass Jasper nichts für ihre schlechte Laune konnte. Die sie hatte, weil er ihr das Leben unnötig schwer machte, was aber an dem Entschluss ihrer Eltern lag, die sich wiederum den Wünschen des Clanoberhauptes fügten, das die Anweisungen nur erteilte, weil zwei halbstarke Toren beschlossen hatten, sich zu duellieren und - Sie brach den Gedankengang ab. Sie konnte nichts an der Situation ändern, und es gab andere Dinge, um die sie sich kümmern musste.

Sie hob die Schmuckschatulle aus der Lade ihres Schminktischchens und räumte die schwere Halskette zur Seite, bevor sie das Samtpolster anhob. Darunter lag ein Briefchen mit blauem Pulver. Diana kontrollierte die Versiegelung, dann schob sie es in die Tasche, die sie in das Oberteil genäht hatte. Noch einmal musterte sie ihr Spiegelbild. Die weiten Hosenbeine umflossen ihren Körper locker, bis auf das steife Oberteil. Die Öffnung der Tasche war nur ein schmaler Schlitz, der zwischen den prunkvollen Stickereien nicht auffiel. Kein verräterischer Abdruck zeigte, dass sie etwas bei sich trug. Sie stieß ein weiteres Seufzen aus. »Lächerlich«, murmelte sie. »Als ob ich ein Verbrechen begehen würde.« Doch die Häuser kannten keinen Spaß, wenn sie miteinander im Streit lagen.

Diana setzte ihr einstudiertes Lächeln auf und musterte ihr Gesicht im Spiegel. Die blauen Edelsteine blitzten spielerisch von den Goldkämmen, die ihre dichten Locken oben hielten, und unter ihren geschwärzten Wimpern sahen ihr ihre blauen Augen ruhig entgegen. Das neutrale Lächeln verlieh ihrer Miene eine nichtssagende Freundlichkeit. Niemand, der sie auf dem Ball traf, würde auch nur einen der illoyalen Gedanken erraten, die sich hinter dem höflichen Lächeln verbargen. Dann verschwand die Zufriedenheit unter einem Anflug schlechten Gewissens. Sie wollte weder ihre Eltern noch ihren Clan hintergehen. Auch wenn sie den Streit zwischen den beiden Häusern für kindisch hielt und sie nichts für verletzten Stolz übrighatte: Sie liebte ihre Familie, und das schlechte Gewissen, das ihr das Brechen der Regeln bescherte, ließ sich nicht so einfach vertreiben. Doch Diana versuchte es. Es ist hoffentlich bald vorbei, dann ignoriere ich das ganze Haus Relyn mit Freuden. Mit geübten Griffen befestigte sie die goldenen Perlen an ihren Ohren und zog sich den Siegelring ihres Clans über den Finger. Keinen Moment zu früh. Ein Klopfen an der Tür warnte sie vor dem Eintritt des Djins, der kaum einen Herzschlag später im Raum stand.

»Deine Eltern warten«, sagte er. Sein Blick ruhte einen Herzschlag länger auf ihr, als es nötig gewesen wäre, bevor er prüfend durch den Raum glitt.

»Es ist niemand im Schrank versteckt«, sagte sie und stand auf. »Oder unter dem Bett.« Sie griff nach ihrem Fächer und ging an ihm vorbei und aus dem Zimmer. Jasper folgte ihr wie ein Schatten, und Diana schritt mit aufgeregt klopfendem Herzen die Treppe hinab. Das wird komplizierter werden, als ich dachte.

Kapitel 3


Normalerweise fuhren sie alle zusammen zu den Festen, doch der Djin hatte nicht nur darauf bestanden, dass Diana getrennt von ihren Eltern fuhr, sondern auch die Familienkutsche mit Leuten seiner Agentur als Passagiere vorausgeschickt. Diana sah zu, wie ihre Eltern in eine wappenlose Kutsche kletterten, die in die falsche Richtung losrollte und das Fürstenpaar in einem umständlichen Bogen zum Ball bringen würde.

Schließlich rollte das nächste Gefährt heran, ein einfacher Wagen mit dem Clansymbol der Seidenweber. Diana bemühte sich, nicht zu der Magierin zu sehen, die sie über sich in den Bäumen wusste. Sie gehörte zu Jaspers Leuten, an denen nichts und niemand unbemerkt vorbeikommen sollte. Sie hoffte, dass sie nicht ganz so gut waren wie ihr Ruf, als sie ins Innere der Kutsche kletterte. Das Innere war so einfach wie das Äußere: Ungepolsterte Bänke begrüßten sie, und als Diana sich auf ihnen niederließ, merkte sie zu ihrem Entsetzen, dass der glatte Stoff ihrer Hose den Sitz in eine Rutschbahn verwandelte. Das hat mir noch gefehlt. Es war eine Kleinigkeit, aber Diana hatte keine Lust mehr, sich weiter erwachsen zu verhalten, und schoss Jasper einen giftigen Blick zu, der hinter ihr in das Gefährt geklettert war.

Er beachtete sie nicht, sondern sah aus dem Fenster, als ob er auf etwas warten würde. Was auch immer das Signal war, nach dem der Djin Ausschau gehalten hatte, er schien es bekommen zu haben. Sein Mund verzog sich zu einem zufriedenen Lächeln, und er klopfte zweimal gegen die Decke des Wagens. Die Kutsche rollte an, und Diana hielt sich instinktiv an der nackten Holzbank fest, bevor sie von ihrem Platz rutschen und Jasper entgegenfallen konnte.

Der ungefederte Wagen holperte über das Pflaster, und Diana konnte spüren, wie die Kämme in ihrer Frisur langsam an Halt verloren.

»Alles in Ordnung, Prinzessin?«

Sie sah hoch und direkt in Jaspers amüsiertes Gesicht. Der ganze Frust der letzten Wochen ballte sich mit plötzlicher Heftigkeit in ihr zusammen. Sie hasste es, ihre Eltern anzulügen, sie vermisste ihre Freundinnen, sie wollte nicht auf diesen dämlichen Ball mit lauter langweiligen Leuten, und nun machte sich zu allem Überfluss auch noch ein völlig Fremder über sie lustig, der ihr Leben angenehmer machen sollte. Es reichte! »Nein«, biss sie heraus. »Musstest du unbedingt diese Klapperkiste nehmen?«

»Es dient alles zu deiner Sicherheit.« Er grinste. »Niemand erwartet Diana aus dem Haus der Teryn in einer, wie du es so gediegen ausdrückst, Klapperkiste.«

»Sicherheit, ha!« Sie polterten über ein Straßenloch, und Dianas Kette hüpfte mit ihr in die Höhe. »Meine Eltern hätten mit Sicherheit für eine bessere Innenausstattung gezahlt.«

Jasper lehnte an der Wand, als würden sie sich in einem Ballsaal unterhalten statt in einer schwankenden Kutsche, die ihre besten Tage bereits weit hinter sich gelassen hatte. Seine Augen waren ein kühles Blau. »Nicht jedes Problem lässt sich mit Geld lösen, Prinzessin.«

»Nenn mich nicht Prinzessin!«

»Wie dann? Göttin? Goldstück?«

»Diana reicht vollkommen«, sagte sie, bevor der Wagen um die Ecke bog und sie erneut den Kampf gegen das Gefährt verlor. Diana rutschte nach links, ihren Blick immer noch auf den Djin gerichtet, der sichtlich zu viel Freude daran hatte, sie wütend zu sehen.

»Ich denke, Goldstück gefällt mir besser.«

»Sich über seine Kunden lustig zu machen, ist nicht gerade professionell«, sagte sie, während sie die Banklänge wieder zurückschlitterte. »Du bist gefeuert.«

»Du kannst mich nicht feuern«, sagte Jasper mild.

»Das werden wir noch sehen«, grummelte sie und klammerte sich an den schmalen Fensterrahmen. »Wenn du meine Eltern in ein ähnliches Monstrum gesteckt hast …«

»Für wie dumm hältst du mich?«, fragte Jasper, und Diana überraschte sich mit einem Lachen. Ihre Streitlust erlosch so rasch, wie sie gekommen war, und ließ nur die vertraute Unruhe der letzten Wochen und leichte Scham über ihr Verhalten dem Djin gegenüber zurück. Sie fuhren um die nächste Ecke, und Diana gab auf und nahm ihre schlitternde Reise ans andere Ende der Bank hin, während die letzten Reste ihrer Gereiztheit verpufften. Es war auch zu lächerlich.

»Wenn ich die Hose durchgescheuert habe, bis wir zum Ball sind, musst du mir deinen Mantel borgen«, sagte sie mit einem Seufzen, als sie am Ende der Bank angekommen war.

Etwas wie Überraschung huschte über das Gesicht des Leibwächters, dann nickte er. »Abgemacht.«

»Danke.«

Ruhe kehrte zwischen ihnen ein und mit ihr eine seltsame Art von Waffenstillstand. Vor den Fenstern leuchteten die Lichter der Villen hinter schmiedeeisernen Toren und blütenbedeckten Hecken.

»Sag schon«, sagte Diana. »Warum sind wir wirklich alleine in diesem unseligen Gefährt?« Sie von dem Rest des Clans zu trennen, der auch eine gewisse Sicherheit darstellte, war ihr von Anfang an eigenartig vorgekommen. Nicht komisch genug, um Verdacht gegenüber dem Djin zu schöpfen, doch ausreichend seltsam, dass sie damit rechnete, dass Jasper sich mit einem Vorwand herausreden würde. Doch er überraschte sie mit einer unverblümten Antwort.

»Ich wollte mit dir alleine sein.«

Diana blinzelte erstaunt. »Warum?«

»Weil ich von dir wissen möchte, wer auf dem Ball sein wird.«

Das … war nicht unbedingt die Erwiderung, mit der sie gerechnet hatte. Nicht, dass sie wusste, was genau sie zu hören erwartet hatte. »Ich dachte, meine Eltern haben dir bereits eine Liste gegeben?«, fragte sie verwirrt.

»Natürlich haben sie das«, sagte Jasper. Er lehnte noch immer scheinbar entspannt an der Wagenwand, aber etwas sagte Diana, dass die Sinne des Djins geschärft waren. »Aber Eltern wissen nicht alles.«

Nein, das tun sie wirklich nicht, musste Diana ihm insgeheim recht geben. Sie senkte ihre Wimpern und musterte den Djin unauffällig. Sollte sie ihn einweihen? Lieber nicht.

»Also?«, fragte Jasper. »Von wem wissen deine Eltern nicht, von dem ich aber wissen sollte?«

Sie tat, als müsste sie länger überlegen, während sie mit sich haderte, ob sie Drak erwähnen oder es drauf ankommen lassen sollte. »Sevin«, sagte sie schließlich. »Heute Abend ist er der Einzige meiner Freunde auf dem Ball.« Zumindest der Einzige, mit dem ich mich sehen lassen kann.

»Der Koryn-Clan«, sagte der Djin zu ihrer Überraschung. Er runzelte die Stirn. »Weder reich an Einfluss noch sonst. Erlauben dir deine Eltern denn den Umgang mit ihm?«

»Ja«, sagte Diana knapp. »Warum sollten sie auch nicht?«

»Das ist selten«, kam es von Jasper zurück, und Diana wollte ihn darauf hinweisen, dass ihre Eltern entgegen aller Ratschläge einen Djin engagiert hatten statt einen der namenhaften Personenschutzverbände von Magiern, doch sie wollte die Stimmung zwischen ihnen nicht wieder ins Kippen bringen. Sie wusste nicht, was der Djin in ihrem Gesicht sah, doch seine Augen funkelten in einem dunklen Gold.

»Das ist es«, gab Diana schließlich zu. »Aber Sevin und ich kennen uns, seit wir Kinder waren. Meine Eltern haben ihre Feiern immer für alle geöffnet, und so sind wir praktisch zusammen aufgewachsen.«

»Seid ihr ein Paar?«

Diana konnte spüren, wie ihr der Mund offenstand. »Was …? Nein! Wieso ist das überhaupt wichtig?«

»Deine Eltern vermuten, dass der Relyn-Clan dahintersteckt«, sagte Jasper. Seine Augen wechselten von dem tiefen Blau zu einem nachdenklichen Lila. Diana war so fasziniert von dem Farbenspiel, dass die Bedeutung seiner Worte zeitverzögert bei ihr ankam. »Und sie mögen recht haben«, fuhr der Djin fort, »doch meiner Erfahrung nach steht selten eine Intrige solchen Ausmaßes hinter Attacken. Meistens sind es Banalitäten. Liebe, Eifersucht, Neid, Habgier.« Er sah sie an. »Irgendein verschmähter Liebhaber? Spielschulden? Duellschulden? Ein zurückgewiesener Antrag?«

»Nein«, sagte Diana, doch ihr Herz setzte einen Schlag aus. Konnte es sein, dass der andere Clan wusste, dass …? Nein, es war unmöglich. Sie waren zu vorsichtig gewesen. Zumindest betete sie, dass sie das waren. Nicht auszumalen, wenn ihnen jemand auf die Schliche gekommen war! »Nein«, sagte sie und blickte direkt in die vielfarbigen Augen Jaspers. »Da ist nichts.« Sie bemühte sich, ihr Gesicht ausdruckslos zu halten, als die Kutsche ruckartig zum Stehen kam.

Diana konnte den kleinen Schrei nicht unterdrücken, als die unerwartete Bewegung sie nach vorne schleuderte. Sie wappnete sich innerlich für den schmerzhaften Aufprall, doch er kam nicht. Stattdessen fand sie sich in den Armen ihres Leibwächters wieder.

»Alles in Ordnung?«, murmelte er neben ihrem Ohr.

»Ich … Ja.« Sie legte die Hände auf seine Schultern, um sich aufzurichten. »Danke«, sagte sie, als sie zurücktrat.

»Nichts zu danken«, sagte Jasper. »Dafür werde ich bezahlt.«

»Das … stimmt.« Wieso traf sie der Satz, wenn er nichts als die Wahrheit war? Sie griff nach ihren Kämmen, die dabei waren, sich endgültig zu lösen, und zog sie heraus. Ihre Locken fielen herab und in ihr Gesicht. »Trotzdem danke«, sagte sie.

Sie wollte die Wagentür öffnen, als der Djin sie zurückhielt. »Wir warten noch«, sagte er, und Diana begriff, dass ein Teil seiner Leute dabei war, sicherzugehen, dass sie wirklich sicher waren. Wenn sie den Kopf etwas schieflegte, konnte sie bereits die beleuchtete Auffahrt des Anwesens sehen, in dem der Ball stattfand, doch sie protestierte nicht. Stattdessen nickte sie nur und setzte sich wieder, ihre Kämme in der Hand. Die Atmosphäre stillen Einvernehmens war aus dem Gefährt verschwunden und hatte einer neuen Anspannung Platz gemacht. Diana bemühte sich, sie so gut wie möglich zu ignorieren und sich innerlich auf die Übergabe vorzubereiten, die ihr in dieser Nacht bevorstand. Jaspers Stimme machte ihre Versuche zunichte.

»Ich kann dir damit helfen.« Er nickte zu dem Haarschmuck auf ihrem Schoß.

Diana setzte dazu an, das Angebot freundlich, aber bestimmt abzulehnen, als sie sich eines Besseren besann. Keine ihrer Freundinnen, die ihr sonst mit ihrer Frisur geholfen hätten, war an diesem Abend auf dem Ball. Sie konnte ihre Mutter bitten, doch die machte sich auch so schon genug Sorgen und würde mindestens einen Mordanschlag vermuten, wenn sie Diana mit der aufgelösten Frisur sah.

»Kannst du das denn?«, hörte sie sich selber fragen und hätte sich am liebsten selbst einen Tritt versetzt, doch der Djin nahm ihr die Frage nicht übel.

»Wir Djin können alles«, sagte Jasper gut gelaunt und streckte die Hand aus.

»Und Hochsteckfrisuren sind ein besonderer Teil eurer Begabung?«

»Natürlich.« In seinen Augen blitzte es schalkhaft. »Und ich habe drei Schwestern.«

»Das erklärt es eher.« Diana grinste und legte ihm die Kämme in die Hand. Der Djin trat vor sie und mit einem Mal war sie nervös. Es gibt keinen Grund, nervös zu sein, erklärte sie sich streng, doch ihr Körper schien anderer Meinung zu sein, als Jasper seine Finger in ihre Locken tauchte. Mit sicheren Handgriffen legte er die Strähnen zurück an ihren Platz. Diana spürte seine Hände in ihren Haaren und hörte seinen ruhigen Atem. Die Kutsche schien immer kleiner zu werden, und sie spielte nervös mit den Pailletten an ihrem Oberteil. Als ihr Leibwächter endlich die Kämme in ihre Locken steckte und einen Schritt zurücktrat, wusste sie nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht war. Enttäuscht worüber? Sie konnte spüren, wie eine ärgerliche Röte über sich selbst in ihre Wangen schoss, und unterdrückte das Verlangen, ihr Gesicht hinter dem Fächer zu verstecken. »Danke«, sagte sie. Ihre Finger wanderten zu den Kämmen, die mit dem richtigen Maß an Festigkeit an ihren ursprünglichen Stellen steckten.

»Bedanke dich erst, wenn du dich im Spiegel gesehen hast«, sagte Jasper, doch es war eine spielerische Leichtigkeit in seiner Stimme, und sie konnte sich vorstellen, dass er so mit seinen Schwestern gescherzt hatte. Sie wusste nicht, was sie mit dem Gedanken anfangen sollte.

»Wann komm ich denn zu einem Spiegel?«, fragte sie, mehr um sich selbst abzulenken.

Jasper warf einen Blick aus dem Fenster und nickte zufrieden. »Jetzt«, sagte er.

Die Kutsche rollte wieder an, doch dieses Mal dauerte es nur kurz, bevor das Gefährt wieder anhielt und die Tür endlich aufging. Jasper half ihr hinaus. Sie waren beim Dienstboteneingang des Anwesens, an dem bereits eine von Jaspers Magierinnen wartete.

»Sehr klug«, sagte Diana anerkennend, als sie neben dem Djin die Diensttreppen zum Ballsaal hinaufging.

»Meistens weiß ich, was ich tue«, sagte Jasper, doch es war keine Ungeduld in seiner Stimme, sondern immer noch der scherzhafte Ton aus dem Wagen. Musik floss zu ihnen, zusammen mit den Geräuschen der versammelten Menge. Jasper blieb stehen.

»Ich werde in deiner Nähe blieben. Tu uns beiden einen Gefallen und erschwere mir das nicht unnötig.«

»Ich werde es versuchen.« Diana bemühte sich, die Leichtigkeit von davor in ihre Stimme zu legen, doch es gelang ihr nicht. Vermutlich deswegen nicht, weil sie log. Die Augen des Djins schillerten silbern. Sein Blick glitt über sie, als wäre sie ein Rätsel, mit dem er nicht gerechnet hatte.

»In Ordnung«, sagte er schließlich. Diana hatte das Gefühl, dass er die Worte mehr zu sich selber als zu ihr sagte. Doch dann öffnete er die Tür, und der Wirbel des Balls umfing sie.

KAPITEL 4


Im Inneren des Ballsaals erwartete sie eine Festbeleuchtung aus wohlriechenden Kerzen und bunten, magischen Lichtern, die munter durch den großen Saal tanzten. Ihre Gastgeber hatten weder Kosten noch Mühen gescheut, der Marmorboden war blank poliert und der ganze Raum mit Blumengestecken geschmückt. Gelächter und Musik wehten zusammen mit der leichten Abendbrise zu Diana. Sie sah, dass die hohen Glastüren offen gehalten worden waren, was den Gästen erlaubte, ohne Umwege auf der Steinterrasse Luft zu schnappen, wenn ihnen danach war.

Sie erspähte ihre Eltern und die vertrauten Gesichter ihres Clans in der Menge und winkte ihnen lächelnd zu, bevor sie sich auf die Suche nach den Gastgebern machte, um ihnen für die Einladung zu danken. Jasper folgte ihr. Er war eine ruhige Präsenz in ihrem Rücken, nicht so nahe, dass sie sich verfolgt fühlte oder Aufsehen erregte, und nicht so weit entfernt, dass sie sich alleine vorkam. Er ist wirklich ein Profi. Sie wusste, dass seine unauffällige Gegenwart genau das war, was man von einem Leibwächter wollte, und dass sie ihm zugutehalten sollte, dass sie seine Nähe nicht als erdrückend oder unangenehm empfand. Gleichzeitig wusste Diana aber, dass sie Gefahr lief, seine Anwesenheit wirklich zu vergessen, und diesen Fehler konnte sie sich nicht erlauben. Ihr Blick glitt über die Anwesenden. Einen Moment lang meinte sie, ihre Freundin Jalia zu sehen, doch dann drehte die junge Frau sich um, und sie erkannte die Heilerin eines anderen Clans. Es wäre auch zu schön gewesen. Doch wenn Jalia das Haus noch hätte verlassen dürfen, wäre all das hier nicht nötig.

Diana ließ ihren Blick weiter über die Gäste gleiten, die in kleinen und großen Gruppen zusammenstanden, einige streng nach Clans getrennt, aber der Großteil nutzte das Fest, um neue Kontakte mit anderen Häusern zu knüpfen oder einfach ihre Freundschaft miteinander zu stärken. Ihre Aufmerksamkeit blieb kurz an dem jungen Mann hängen, dessen finstere Aura so gar nicht zu seinem Lächeln und der gut gelaunten Gesellschaft passen wollte. Seine Kleidung wies ihn als Hexer aus. Dann erspähte sie Sevin in einer Ecke, elegant wie immer in seinem dunklen Anzug und dem schlichten Siegelring an seiner Hand. Seine blauen Augen unter dem sorgsam gekämmten blonden Haar leuchteten erfreut auf, als er sie sah. Sie lächelte ihm zu und lenkte ihre Schritte in seine Richtung. Der junge Magier durchquerte den Saal und wollte sie umarmen, als der Djin mit einem Mal zwischen ihnen stand. Diana sah auf den Rücken ihres Leibwächters.

»Was soll das?«, hörte sie Sevins empörte Stimme.

»Und das ist?« Jasper bewegte sich kein Stück.

»Ich bin ihr Freund«, sagte Sevin eisig. »Und ich weiß nicht, wer du glaubst zu sein, aber das hier ist ein Ball der gehobenen Gesellschaft und …«

»Er ist mein Leibwächter«, seufzte Diana über Jaspers Schulter hinweg und zupfte am schwarzen Hemd des Djins. »Du weißt genau, wer er ist«, sagte sie dann. »Ich habe dir gerade erst von ihm erzählt.«

»Sein Aussehen hast du mir verschwiegen.« Jasper sah über seine Schulter, die Augen ein glitzerndes Grau. »Das ist also Sevin?«, fragte er, obwohl sie schwören konnte, dass der Djin sofort gewusst hatte, um wen es sich bei dem jungen Magier handelte.

»Als ob du das nicht wüsstest«, knurrte Diana. Sie unterdrückte die Versuchung, die Hände in die Hüften zu stemmen. »Könnte ich jetzt bitte meinen Freund begrüßen? Ich verspreche, dass er nicht vorhat, mich zu töten. Du kannst mich wirklich alleine lassen, ich bin mir ziemlich sicher, dass sich keine Mörder auf diesen Bällen herumtreiben.«

»Dein Vertrauen ehrt dich«, sagte Jasper mit unbewegter Miene, doch er verbarg das spöttische Funkeln in seinen Augen nicht. »Aber diese Einschätzung kannst du getrost mir überlassen. Ich bin misstrauisch genug für uns beide. Meine Paranoia ist mein beruflicher Stolz.«

Etwas wie ein Lachen wagte es, ohne Einwilligung auf Dianas Lippen zu erscheinen. »Und wie stellst du dir das vor? Willst du dich etwa den ganzen Abend zwischen jeden hier werfen, der mich begrüßen will? Was, wenn wer versucht, mich von hinten zu erdolchen?«

Der Mundwinkel des Djins zuckte amüsiert, bevor dienstbedingte Ausdruckslosigkeit seine Züge wieder glättete. »Keine Sorge, ich sagte doch, du bist in den besten Händen.«

Bevor Diana ihre schnippische Erwiderung losgeworden war, war der Djin verschwunden. Sie starrte auf die Stelle, an der er eben noch gestanden hatte und ihr nun ein verwirrter Sevin entgegensah.

»Von mir aus können wir uns aus dieser Ecke auch wegbewegen«, erklang es hinter ihrer Schulter und ließ sie erschrocken zusammenzucken. Jaspers amüsiertes Lachen glitt als warmer Hauch über ihre nackte Schulter.

Mit grimmiger Miene hakte Diana sich bei Sevin ein. »Komm, Sev«, sagte sie. »Lass uns … irgendwohin gehen.«

»Zu gerne«, erwiderte der Magier mit einem abschätzigen Blick Richtung Jasper.

Die magischen Lichter tanzten über ihnen hinweg, und die Kerzen hüllten den Saal in ein warmes Licht. Die blankpolierten Marmorwände mit den zahlreichen Spiegeln warfen den vielfarbigen Schein zurück in den Raum, in dem die Tänzer ihre Runden drehten und die Magierinnen und Magier miteinander auf den Abend anstießen. Schmuck und kostbarer Stoff blitzten bei jeder Bewegung, und die Parfüms vermischten sich zu einer süßlich-schweren Note, die auch noch am Tag nach dem Fest in der Luft hängen würde.

»Ein Djin als Leibwächter?«, fragte Sevin, als ob dieser nicht direkt hinter ihnen wäre und jedes Wort hören könnte.

»Meine Eltern wollen eben sichergehen, dass mir nichts passiert«, sagte sie. »Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich gar keinen Personenschutz.« Zumindest noch nicht jetzt. Aus dem Augenwinkel sah sie den Hexer, der sich mit grimmiger Miene einen Weg durch den Saal bahnte. Offenbar war sie nicht die Einzige, die gerne auf den Ball verzichtet hätte.

»Nun, ein persönlicher Wächter ist vielleicht nicht verkehrt«, sagte Sevin neben ihr. »Aber Djin sind nun -«

»Lass uns über etwas anderes reden«, unterbrach ihn Diana bestimmt. »Wie geht es dir? Was gibt es Neues? Wir sehen uns in letzter Zeit viel zu selten.«

Sevin murmelte etwas, das Diana ignorierte, bevor er bereitwillig berichtete, was sich die letzten Tage zugetragen hatte. Sie hörte mit einem Ohr zu, während ihr Blick wie von selbst immer wieder den Hexer suchte. Lass das!, befahl sie sich ärgerlich. Sie konnte die Anwesenheit des Djins spüren, auch wenn sie ihn nicht jedes Mal sah, wenn sie nach hinten blickte. Sie drehten eine Runde durch den geschmückten Saal und blieben nur stehen, wenn Diana oder Sevin jemanden begrüßten. Niemandem schien der Djin weiter aufzufallen, und sie fragte sich, ob Jasper mit seiner Magie nicht nachhalf. Zauber waren bei diesen Zusammentreffen nicht nur ausdrücklich untersagt, es waren auch Bannsprüche platziert, die sichergingen, dass sich alle an die Regeln hielten. Doch Djin und ihre Fähigkeiten gehorchten ihren eigenen Gesetzen, und so würde es sie nicht wundern, wenn seine Kraft unbemerkt agieren konnte. Sie fragte sich, ob das nicht mit ein Grund dafür gewesen war, dass ihre Eltern statt einen der reputablen Magierverbände die Personenschutzgilde des Djins beauftragt hatten.

Wieder sah sie sich nach Jasper um, doch statt ihrem Leibwächter sah sie direkt in die Augen des Hexers. Dann hatte sich der junge Mann weiterbewegt, doch ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.

»Alles in Ordnung?« Sev sah sie besorgt an.

»Ja, ich bin nur ein wenig …«, sie erspähte einen Tisch mit Erfrischungen, »durstig. Würdest du mir etwas zu trinken holen?«

»Natürlich.«

»Nimm was für Jasper mit!«, rief sie ihm hinterher, und Sevin sah aus, als wollte er etwas erwidern, bevor er sich mit einem knappen Nicken wieder umwandte.

Froh, einen Moment alleine zu sein, schloss Diana die Augen und hoffte, dass ihr rasender Herzschlag sich beruhigt haben würde, bis der Magier mit den Getränken zurückgekommen war. Sie wusste nicht, ob es angebracht war, Leibwächter mit Getränken zu versorgen - vielleicht durften sie während ihres Dienstes gar nichts trinken? -, doch die Luft im Ballsaal war drückend schwül, sie hatte dem Djin gegenüber immer noch ein schlechtes Gewissen, und wenn er es nicht wollte, konnte er den Becher einfach stehen lassen.

»Ein Tipp: Wenn einem jemand nach dem Leben trachtet, sollte man sich nicht alleine in eine Menschenmenge stellen und auch noch die Augen zumachen.«

Dianas Lider flogen auf, und sie fixierte Jasper mit einem grimmigen Blick. »Wenn du das öfter machst, sterbe ich an einem Herzinfarkt, bevor die mich erwischen.«

»Also doch nicht alles nur Zufälle?« Jaspers Augen schillerten violett, und sie ertappte sich bei dem Wunsch, zu wissen, welche Bedeutung sich hinter den Farben verbarg.

»Zufälle oder Mörder«, erwiderte sie. »Auf einem Ball wird kaum etwas passieren. Der ganze Saal ist magisch geschützt, hier kann gar nichts geschehen.«

»Hoffen wir, dass es so bleibt«, war die schwarzseherische Antwort.

Diana drehte sich zu ihm. Er sah sie nicht an. Seine Aufmerksamkeit gehörte den umherwirbelnden Tanzpaaren, und sie war sich sicher, dass er auch seine Magie ausgeschickt hatte, um mögliche Gefahren aufzuspüren. »Ist das nicht … trostlos? Immer davon auszugehen, dass in jedem Augenblick alles in einer Katastrophe endet?«

Jasper lenkte seine Aufmerksamkeit auf sie. Seine Augen waren ein blaues Violett, und zu ihrer Überraschung lächelte er. Es war ein ehrliches Lächeln, kein spöttisches, und es schien sein ganzes Gesicht zu verwandeln. Diana ertappte sich bei dem Wunsch, ihn öfter so lächeln zu sehen. Woher kommt das auf einmal? Doch sie vergaß, sich über diesen dummen Gedanken zu ärgern, als der Djin sagte: »Ich bin ja gerade für das Gegenteil hier: um dafür zu sorgen, dass du einen wunderbaren Abend hast, der nicht in einer Tragödie endet.«

»Der Abend wäre perfekt, wenn mir kein Leibwächter hinterherlaufen würde.« Der Satz hatte kaum ihre Lippen verlassen, als sie ihn bereute. Sie klang verzogen und undankbar, und das Gesicht von Jasper war mit einem Mal wieder verschlossen und fremd, das Lächeln spurlos verschwunden.

»Das ist mein Auftrag, wie du weißt«, kam es kühl von ihm zurück. »Außerdem wollen wir doch nicht, dass dich jemand von hinten erdolcht.«

Diana öffnete den Mund, um sich zu entschuldigen, und schloss ihn wieder. Waren sie jetzt nicht quitt? Außerdem - sie wollte ihn doch loswerden. Das war der ganze Plan gewesen, wieso machte sie sich also solche Gedanken darüber, ob ihre unbedachte Aussage ihn verletzt haben könnte? Vor allem, nachdem er ihr es mit gleicher Münze zurückgezahlt hatte und – Er ist nicht hier, um mein Freund zu sein, erinnerte sie sich. Und ihre Eltern würden kaum jemanden anheuern, der sich von ein paar unfreundlichen Worten verschrecken ließ.

Sevin kam mit drei Bechern zurück. Seine Miene verdüsterte sich, als er Jasper sah, doch er sagte nichts. Diana griff dankbar nach dem Kelch, den Sevin ihr reichte, als Jasper dazwischengriff dem Magier das Gefäß mühelos abnahm.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752133608
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Februar)
Schlagworte
Fantasyabenteuer Abenteuer Djin Romantasy

Autor

  • Rebecca May (Autor:in)

Rebecca May lebt, arbeitet und schreibt im schönen Wien. Ihre romantischen Fantasyromane ordnet sie der „Sweet Romance“ Nische zu oder wie die Autorin es gerne nennt: Zuckerwatte in Buchform. In der Magical Kisses Reihe vereint Rebecca May ihre Liebe zur Fantasy mit der zu historischen Liebesromanen: Ihre Heldinnen und Helden durchtanzen die Nacht auf Maskenbällen – wenn sie nicht gerade vor Waldtrollen oder Angriffszaubern in Deckung gehen müssen, heißt das.
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Titel: Djinküsse