Lade Inhalt...

Mordseelügen

Tod einer Romanceautorin

von Marcus Ehrhardt (Autor:in)
160 Seiten
Reihe: Maria Fortmann ermittelt, Band 8

Zusammenfassung

Wo ist Isabell Springer? Als die Bestsellerautorin ein wichtiges Meeting verpasst und ihr Agent sie nicht erreichen kann, meldet er sie als vermisst. Maria Fortmann und ihr Partner Peter Goselüschen nehmen die Ermittlungen auf, in deren Verlauf sich die Anzeichen verdichten, dass die Autorin einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Die Kommissare vermuten einen Zusammenhang mit dem beruflichen Umfeld Springers und tauchen tief in das Haifischbecken der Literaturbranche ein. Sie erleben hautnah, wie skrupellos das Business betrieben und die Fairness mit Füßen getreten wird. Doch geht man in der Szene auch über Leichen?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mordseelügen

 

 

Maria Fortmann ermittelt

 

 

Kapitel 1

 

 

An den Wänden präsentierten Schaukästen die Kinoposter von Verfilmungen erfolgreicher Bestseller hinter ihrem Glas. Dazwischen hingen gerahmte Zeitungsartikel aus der FAZ, der Welt und anderen überregionalen Printmedien, die die großen Erfolge des familiengeführten Verlagshauses Breitenfeld dokumentierten, das seit den frühen 1920er Jahren als feste Größe in der deutschen Literaturlandschaft verankert war.

Die Stimmung im Konferenzraum war blendend. Die Anwesenden strahlten mit der Sonne, die das Zimmer durch die bodentiefe Fensterfront erhellte, um die Wette. In einer Ecke hielten der Cheflektor und sein Vertreter einen Smalltalk mit der Marketingleiterin, in einer anderen lachte die Sekretärin des Juniorchefs pflichtbewusst über seinen zweideutigen, im Zuge der internationalen Metoo-Debatte höchst bedenklichen Witz.

Auf der Mahagoniplatte des Tisches, an dem bequem vierzehn Menschen sitzen konnten, lagen akkurat acht Entwürfe des Vertrags verteilt, zu dessen Abschluss dieses Meeting anberaumt worden war. Mittig der Tischplatte, umrahmt von Kristallgläsern, wartete eine Flasche Champagner in einem verchromten Kühlbehältnis darauf, geöffnet und zur Feier des Tages geleert zu werden.

Einzig Tom Feldmann musste sich zu seinem Lächeln zwingen. Verstohlen blickte er immer wieder zur Uhr und aus einem der Fenster. Sie befanden sich in der fünften Etage, von wo aus er den Parkplatz vor dem Gebäude gut überblicken konnte. Doch nirgends entdeckte er den schwarzen Lexus seiner Klientin. Wo blieb sie bloß? Tom rechnete bereits seit gut 10 Minuten vergeblich mit ihrem Eintreffen, das passte überhaupt nicht zu ihr. Denn obwohl Isabell Springer manchmal sprunghaft in ihren Launen war – Nomen est Omen –, konnte Tom sich nicht daran erinnern, dass sie jemals unzuverlässig gewesen wäre. Erste Schweißperlen traten auf seine Stirn.

»Tom, ist Ihnen warm?«, wollte Hans Breitenfeld wissen, während die Klimaanlage mit einem leisen Surren für eine angenehme Raumtemperatur sorgte. Der Seniorchef des Verlagshauses lächelte breit.

»Ja, ich bin mehr der Herbsttyp«, log Tom und umschloss mit einer Hand in der Hosentasche sein Handy. Jetzt blickte auch Breitenfeld auf seine schwere Armbanduhr.

»Na, Isabell will uns wohl auf die Folter spannen, was?« Sein Lächeln blieb, doch die Fältchen um seine Augen verschwanden, als er Toms gequälten Gesichtsausdruck sah.

»Ich, äh, sie wird sicher jeden Moment hier sein.« Von Minute zu Minute wuchs die Sorge, dass sie den über Monate eingefädelten Deal platzen lassen würde. Nicht auszudenken, welche Konsequenzen das für sie, aber vor allem für ihn und seinen Ruf als Literaturagent haben würde. Er griff sich an seinen Hemdkragen und verschaffte sich etwas Luft, indem er den obersten Knopf öffnete.

»Das hoffe ich.« Das Lächeln war fort. »Sie stehen schließlich bei uns im Wort. Was das bedeutet, muss ich Ihnen sicher nicht näher erläutern.« Nein, das musste er in der Tat nicht. Isabell Springer war eines der Zugpferde seiner Agentur. Sollte sie tatsächlich einen Rückzieher machen, würden die Breitenfelds bei ihrer nächsten Golfrunde oder Charity-Veranstaltung schnell dafür sorgen, dass seine Firma auf die rote Liste käme. Das würde, zumindest für eine gewisse Zeit, verhindern, einen Fuß in der Tür der Topverlage behalten zu können. Und so gut stand es finanziell nicht um seine Agentur, dass er sich das hätte leisten können. Wie viele andere machte auch sein Unternehmen harte Zeiten durch in der dem Wandel unterworfenen Branche.

»Entschuldigen Sie mich einen Moment«, sagte er und verließ mit schnellen Schritten den Raum. Draußen lehnte er sich mit dem Rücken an die Wand, zog sein Smartphone hervor und wählte zum wiederholten Male in der letzten Viertelstunde die Nummer Isabells. Er hielt die Luft an, als das Freizeichen ertönte. »Geh ran, Mädel«, betete er, doch im nächsten Moment schaltete sich die Mailbox an. Er wartete den Signalton ab. »Isa, was ist los? Wo bist du? Sieh zu, dass du hier auftauchst, oder sag mir wenigstens, dass du einen plausiblen Grund hast, noch nicht hier zu sein! Bitte!«

Kapitel 2

 

 

Der Stachel der Demütigung saß tief.

»Wenn Sie alle Ihre Klienten so wenig im Griff haben wie die Springer, wundert es mich nicht, dass Sie mit Ihrer Agentur seit Jahren auf der Stelle treten«, hielt Breitenfeld ihm zum Abschluss der gescheiterten Vertragsunterschrift vor, nachdem die Autorin auch eine weitere Viertelstunde später nicht aufgetaucht war. Tom spürte die Blicke aller Anwesenden, die ihn mit einer Mischung aus Verachtung und Mitleid durchbohrten. Jedenfalls fühlte es sich so an.

Das war erst vorbei, als Breitenfeld seinem Team mit einer einzigen Kopfbewegung das Ende der Besprechung signalisierte, worauf alle kommentarlos den Saal verließen und Tom wie einen begossenen Pudel vor der Glasfront stehenließen. »Kriegen Sie Ihren Laden in den Griff«, sagte Breitenfeld, der sich im Türrahmen noch einmal zu ihm umgedreht hatte. »Ansonsten erwarten wir den Vorschuss innerhalb einer Woche zurück auf unser Konto.« Bäm! Das saß. Nicht nur, dass er sich vorgeführt fühlte wie ein Schuljunge, dem vor der versammelten Mädchenschar der Klasse die Hose einschließlich der Unterhose bis zu den Knien heruntergezogen wurde und der sich dem Gekicher und Fingerzeigen ausgesetzt sah – nein, die Existenz seiner Agentur war ernsthaft bedroht. Denn würde er die einhunderttausend Euro, die ihm Breitenfeld vorgestreckt hatte, tatsächlich nächste Woche überweisen müssen, könnte er auf direktem Weg den Insolvenzverwalter aufsuchen.

 

***

 

Konrad Breitenfeld beobachtete Tom Feldmann von seinem Büro aus, wie der Agent mit hängenden Schultern zu seinem Porsche schlich. Ein süffisantes Lächeln umspielte seine Lippen. Er hatte seinen Vater bereits vor Tagen davor gewarnt, einen Vertrag mit Isabell Springer abzuschließen – schließlich hatten sie sich schon einmal die Finger an ihr verbrannt. Doch sein alter Herr meinte ja leider nach dem christlichen Motto verfahren zu müssen, jedem eine zweite Chance einzuräumen, egal, wie verwerflich dessen Tat auch gewesen sein mochte. Für Konrad Breitenfeld hingegen zählte einzig der finanzielle Aspekt und bei der Kosten-Nutzen-Abwägung im Geschäftsvorgang Isabell Springer schätzte er die Risiken ungleich höher ein als den zu erwartenden Gewinn. Jedenfalls, wenn man die Gefahr eines Reputationsschadens für den Verlag in die Rechnung mit einbezog. Aber mit dem geplatzten Deal war das Schlimmste vorerst abgewendet und er würde alles in seiner Macht stehende unternehmen, dass es dabei blieb. Da er wusste, dass sein Vater Unzuverlässigkeit verachtete, sollten die Argumente nach dem Nichterscheinen Springers für ihn sprechen. Er griff zu seinem Smartphone und wählte eine Nummer, die weit hinten in seiner Kontaktliste stand. Während er dem davonfahrenden Feldmann hinterher sah, meldete sich die Stimme seines Gesprächspartners.

»Ja?«

»Gute Arbeit. Feldmann ist gerade unverrichteter Dinge vom Hof gefahren.« Nach einer Pause antwortete der andere in ruhigem Ton:

»Danke. Es war übrigens einfacher als gedacht. Wie geht es weiter?« Jetzt war es Breitenfeld, der sich die Antwort scheinbar genauer überlegen musste.

»Halten Sie sich erstmal zurück, bis Sie neue Instruktionen von mir bekommen.«

»Sie sind der Boss.« Der Angerufene beendete das Gespräch und Breitenfeld ließ sich auf den Bürostuhl hinter seinem, von Manuskripten übersäten, Schreibtisch fallen und legte die Füße hoch. Mit beiden Händen umfasste er das Smartphone und schaute auf das Display. Lächelnd legte er es zur Seite. Seit Jahren konnte er sich auf Charlie Meister verlassen. Immer, wenn schmutzige Arbeit anfiel, griff Konrad zu dieser Geheimwaffe: Er kannte den ehemaligen Soldaten nur vom Telefon. Empfohlen wurde er ihm als jemand, der durch Einsätze im Kosovo und Afghanistan vollkommen abgestumpft und hemmungslos agierte. Das genügte Breitenfeld und er hegte keinerlei Bedürfnis, ihn jemals persönlich zu treffen. Je weniger man den Veteranen mit ihm in Verbindung bringen konnte, umso besser.

 

***

 

Je näher Tom dem Strandhaus kam, das Isabell Springer seit einigen Jahren ihr Zuhause nennen durfte, desto mehr wich seine Wut der Sorge, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte. Als er jedoch die geschotterte Auffahrt erreichte und ihren Lexus neben den Stufen zur Holzveranda erblickte, die das komplette Haus umgab, kam sie geballt zurück.

»Ich hoffe inständig für dich, dass du mit einem gebrochenen Bein im Bad liegst und nicht ans Telefon gehen konntest!«, knurrte er und überwand die Stufen mit großen Schritten. Der eher zur Dekoration rechts neben der Tür stehende Strandkorb mit den in dieser Gegend üblichen blau-weißen Streifen war sauber. Wie die Dielen des Bodens der Veranda auch, sah man von einzelnen herumliegenden Zweigen und Blättern ab, die von dem Korkenzieherbaum stammen mussten, der vor dem Geländer wuchs, dachte er. Offensichtlich hatte Penélope, die mexikanische Putzfrau Isabells, erst vor kurzem mit ihren Feudeln und Tüchern darüber gewischt. Von der kannst du dich auch verabschieden, wenn du den Arm, der uns ernährt, so vor den Kopf stößt, Mädel. Ihm fiel auf, dass die Redewendung nicht passte, was ihm jedoch egal war.

Mittlerweile war er überzeugt davon, dass sie den Deal bewusst hatte platzen lassen und ihm gleich den Grund dafür nennen und ihn im selben Zug feuern würde. Tief durchatmend drückte er auf den Klingelknopf aus Messing, während er gleichzeitig mit der linken Hand gegen die weiß gestrichene Haustür klopfte und ihren Namen rief. Als ob sie deswegen schneller öffnet, du Depp, sagte er sich. Wider besseren Wissens wiederholte er es. Nichts. Außer dem Schrei einer Möwe, die über seinen Kopf und das Dach des Strandhauses hinweg einen Bogen flog, bis sie in Richtung des Meeres verschwand, hörte er nur das Blut an seinen Ohren vorbeirauschen. Er schlug mit der flachen Hand gegen die Tür. »Isabell, verdammt, mach die scheiß Tür auf!« Doch sie tat ihm diesen Gefallen nicht. Genervt trat er gegen den optisch einem Holzfass nachempfundenen Blumenkübel, worauf die darin wachsenden Margeriten erzitterten. Mit stampfenden Schritten ging er links herum, bis er auf der ausladenden Terrasse hinter dem Haus angekommen war, von wo er freie Sicht auf den kleinen Sandstrand und den Bootsanleger hatte, der seit einigen Jahren nicht mehr genutzt wurde. Das Haus war vor Jahrzehnten auf einer Anhöhe erbaut worden, daher konnte der Deich die Aussicht nicht trüben. Doch von Isabell fehlte auch hier jede Spur. Die beiden Sonnenliegen waren akkurat gen Süden ausgerichtet und die zusammengelegten Wolldecken auf ihnen deuteten darauf hin, dass auch hier zuletzt Penélope gewirkt hatte. Wo zum Teufel steckte sie nur?

Tom legte beide Hände an die Fensterscheibe des Wohnzimmers und drückte das Gesicht an das kühle Glas, bis seine Nase und Stirn es berührten. Nichts bewegte sich darin. Tom atmete aus, sofort beschlug die Oberfläche. Er wollte gerade enttäuscht den Rückzug antreten, da fiel ihm etwas im Augenwinkel auf: Eine der Türen, die von innen auf die Veranda führten, war nur angelehnt. Tom stieß sie mit dem Fuß an, woraufhin sie leise knarrend nach innen aufschwang. Er trat ein.

 

 

 

Kapitel 3

 

 

Vor nicht allzu langer Zeit hätte Maria Fortmann die Abkühlung noch willkommen geheißen, denn die mehrwöchige Hitzewelle, die über den Norden Deutschlands hinweggerollt war, setzte der blonden Kriminalhauptkommissarin körperlich mehr zu, als sie es erwartet hatte. Kreislaufprobleme waren ihr bisher gänzlich fremd gewesen, in diesen Wochen quälten sie jedoch vermehrt Schwindel und Kopfschmerzen.

»Du wirst halt auch nicht jünger«, frotzelte ihr etwa zehn Jahre älterer Kollege Peter Goselüschen, als sie sich mal wieder stöhnend über das Wetter beschwert hatte, woraufhin sie ihn mit einem bösen Blick bedachte. Ihn schien die Wärme abgesehen vom Schwitzen überhaupt nicht zu stören. Aber Unrecht hatte er damit wohl nicht, musste sie sich eingestehen. Ja, als Teenager vor zwanzig Jahren hätte sie vermutlich über die Maria von heute gelacht. Zwar konnte sie auch damals schon nicht nachvollziehen, warum die Leute sich freiwillig stundenlang in die Sonne legten und bräunen ließen, das lag aber vielmehr an ihrem ausgeprägten Bewegungsdrang, den sie vor allem bei der Leichtathletik auslebte, und weniger an ihrem empfindlichen, nordischen Hauttyp. Hummeln im Hintern, wie ihre Mutter früher immer gesagt hatte, trieben sie auch heute noch um: Ihr würde definitiv etwas fehlen, wenn sie ihre tägliche Joggingrunde aus irgendwelchen Gründen nicht mehr absolvieren können würde. Ich muss mal recherchieren, inwieweit das tatsächlich dem Älterwerden geschuldet ist, dachte sie. Aber so richtig vorstellen konnte sie es sich eigentlich nicht.

Seit 14 Tagen erbarmte sich die Quecksilbersäule und pendelte tagsüber um spätsommerlich angenehme 22 Grad Celsius herum. Hin und wieder streute der Wettergott einen kurzen Schauer ein, der gierig von der Flora aufgesogen wurde, sodass die Wiesen wieder in kräftigem Grün erstrahlten und die Spätblüher für bunte Farbtupfer sorgten. Die Natur wirkte fast so, als ob es die niederschlagsfreien zwei Monate mit täglichen Temperaturen jenseits der 30 Grad nicht gegeben hätte. Wahrscheinlich ist sie viel besser dazu fähig, sich dem Klimawandel anzupassen, als die Menschheit dies kann, ging es Maria durch den Kopf. Was natürlich logisch war, schließlich gab es sie Millionen von Jahren länger und es wird sie auf dem Planeten noch geben, wenn der letzte Mensch schon ewig von der Erdoberfläche verschwunden ist.

Der Starkregen kam plötzlich und unerwartet, auch wenn der Wetterbericht für die nächsten Tage wechselnde Bewölkung mit Schauern prognostiziert hatte. Die Scheibenwischer arbeiteten auf höchster Stufe und trotzdem konnten sie der Wassermengen kaum Herr werden, die der Wolkenbruch über ihren Dienstwagen ergoss. Maria ging vom Gas und orientierte sich an der rechten Fahrbahnmarkierung, welcher sie in Schrittgeschwindigkeit folgte. Sie konnte höchstens zehn Meter gucken, alles dahinterliegende schien die Wand aus Regen und aufspritzenden Wassertropfen zu verschlucken. Um sich besser auf die Straße konzentrieren zu können, wollte Maria gerade das Radio ausstellen, als jedoch die ersten Takte von Rihannas Umbrella erklangen, nahm sie den Finger von der Aus-Taste und ließ es laufen. Sie drehte sogar die Lautstärke auf, bis der Wagen unter den wummernden Bässen vibrierte. »Das passt ja wie die Faust auf´s Auge.« Lächelnd summte sie das Lied mit.

Bevor die letzten Töne des Songs verstummten, war das faszinierende Schauspiel vorbei und die Wolkendecke brach auf. Ein Regenbogen in der Ferne verhieß den glücklichen Findern an jedem Ende einen Topf voller Gold, wie Marias Mutter gern zum Besten gegeben hatte, wenn die Sonne im Verbund mit der feuchten Luft dieses Phänomen hervorzauberte. Maria dachte wehmütig an ihre Mama zurück, die viel zu früh dem Krebs erlag. Gleichzeitig lief ihr eine Träne über die Wange und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, wie fast immer, wenn sie an die herzensgute Frau dachte.

Sie zog den Wagen wieder mittig auf die rechte Spur und beschleunigte. Ein Blick auf das Navigationssystem verriet ihr, dass sie das Strandhaus Isabell Springers in etwa zehn Minuten erreicht haben würde.

Ein gewisser Tom Feldmann hatte die Kollegen verständigt, weil er davon ausging, dass ihr etwas zugestoßen sein müsste. Und da er am Telefon sehr aufgewühlt, aber dennoch überzeugend gewirkt haben soll, informierten sie die Kriminalpolizei. Maria, die sich gerade in der Nähe des vermeintlichen Tatorts befand, wurde gebeten, sich die Sache anzuschauen. »Ich mache definitiv etwas falsch«, sagte sie schmunzelnd, als sie ihren Dienstwagen zwischen einem Lexus und einem Porsche parkte, die allerdings stilistisch hervorragend zu dieser auf einer Anhöhe gelegenen Strandvilla passten. Ein Streifenwagen der Kollegen aus Esens parkte etwas abseits im Schatten einer gigantisch wirkenden Linde, was aber eher daran lag, dass die übrigen Bäume und Sträucher kaum höher als zwei Meter gewachsen waren.

»Moin, Maria«, begrüßte sie die rothaarige Katja Detersen mit einem Lächeln. Die junge Frau, ihres Zeichens Dienststellenleiterin der Polizei in Esens, kam die Stufen von der Veranda herunter auf sie zu.

»Hallo Katja«, erwiderte Maria den Gruß. »Was hast du für mich?« Nachdem Maria ihren Teamkollegen Sebastian vor einigen Wochen auf die attraktive Beamtin aufmerksam gemacht und er sie tatsächlich gedatet hatte, führten sie mittlerweile eine Beziehung, wodurch auch sie und Goselüschen die Frau nun privat kannten. Nachdem sie ihre gegenseitige Sympathie festgestellt hatten, landeten sie schnell beim Du.

»Noch nicht viel«, sagte sie und deutete mit dem Kopf in Richtung der Veranda. Jetzt erst sah Maria den schlanken Mann, der ungefähr in ihrem Alter sein musste, an einen Strandkorb gelehnt dort oben stehen. »Das ist Tom Feldmann, der Literaturagent von Isabell Springer. Ich denke, du hörst es dir direkt von ihm an«, schlug sie vor. Maria nickte und ging mit ihr gemeinsam auf den Zeugen zu.

»Guten Tag, ich bin Maria Fortmann von der Kripo Aurich«, stellte sie sich vor. Hände wurden geschüttelt.

»Feldmann, Tom Feldmann. Gut, dass Sie da sind.« Seine tiefe Stimme passte nicht ganz zu der unsicheren Ausstrahlung, die Maria im Moment bei ihm wahrnahm. Er sah verdammt gut aus, musste sie zugeben, und die Stimme allein sorgte sicher bei mancher Dame dafür, dass sie fast vom Stuhl rutschte. Aber sein fahriger Blick und das leise Sprechen ließen ihn gerade eher wie einen kleinen Jungen wirken, der bei einem Streich erwischt worden war.

»Fangen Sie einfach von vorne an. Warum glauben Sie, dass Frau Springer etwas zugestoßen ist?«

Er holte tief Luft, die er geräuschvoll ausstieß, bevor er zusammenfasste, dass sie einen extrem wichtigen Termin ohne Begründung hätte platzen lassen und er sie seither nicht erreichen könnte.

»Ich bin dann sofort hier hergekommen und wollte von ihr wissen, was der Scheiß soll. Aber sie hat nicht aufgemacht.«

»Vielleicht ist sie einfach unterwegs. Einkaufen, bummeln, zum Friseur oder nur spazieren«, warf Maria ein, obwohl ihr klar war, dass Feldmann noch mehr zu erzählen hatte.

»Ja, schon klar«, sagte er hastig. »Kommen Sie einfach mit.« Er ging zwischen den beiden Frauen hindurch und nahm denselben Weg um das Haus herum wie vor etwa einer Stunde. Maria wechselte einen Blick mit Katja. Schulterzuckend folgten sie dem Agenten, bis er auf der Rückseite vor einer angelehnten Tür abrupt stoppte. »Die war vorhin schon einen Spalt offen. Ich bin dann rein und hab nach Isabell gerufen. Als keine Antwort kam, habe ich nach ihr gesucht, ich befürchtete, sie wäre im Bad gestürzt oder läge mit einem Schlaganfall im Schlafzimmer oder was weiß ich. So genau habe ich nicht nachgedacht, ich wollte sie nur schnell finden.«

»Und Sie haben Frau Springer nicht gefunden«, folgerte Maria murmelnd mehr für sich selbst.

»Nein, natürlich nicht, sonst hätte ich ja nicht die Polizei gerufen.« Sie standen mittlerweile im Wohn- oder Arbeitszimmer. Ganz genau konnte Maria es nicht einordnen, da einfach überall Bücher herumlagen. Jedoch nicht kreuz und quer oder unordentlich: Es wirkte so, als ob jedes Einzelne und jeder Stapel genau dort hingehörten, wo sie lagen: Auf dem Couchtisch, auf einer Sessellehne, selbst die beiden Romane, die auf der Fensterbank zwischen zwei Blumentöpfen lehnten, schienen dort ihren festen Platz zu haben. »Warum ich angerufen habe –«, sagte er und zeigte auf den Stuhl vor einem gediegenen Holzschreibtisch, »ist das hier.« Maria folgte seinem ausgestreckten Arm und sah die rote Lederhandtasche, deren Griffschlaufen über die linke Lehne des Drehstuhls fielen.

»Na ja, für einen Strandspaziergang nehme ich auch nicht zwingend meine Handtasche mit.«

»Und die offenstehende Tür kann ja auch heißen, dass Frau Springer nur vergessen hat, abzuschließen«, warf Katja ein. Toms Gesichtszüge verhärteten sich. Er schnappte sich die Tasche und zog den Reißverschluss auf, dann steckte er seine Hand hinein und zog etwas hervor.

»Ohne Handtasche ja, vielleicht auch ohne Handy«, sagte er und hielt einen zylindrischen Gegenstand hoch, »aber nicht ohne ihr Notfall-KIT. Isabell ist hochallergisch und obwohl sie hier an der See verhältnismäßig selten einen Anfall bekommt, würde sie keinen Schritt ohne die Spritze aus dem Haus wagen.« Er schüttelte den Kopf. »Glauben Sie mir, ich habe in der Vergangenheit oft genug erlebt, wie panisch sie wurde, wenn ihr auffiel, dass sie ihr Notfallmedikament nicht in greifbarer Nähe hatte.« Maria kräuselte die Stirn, nahm Feldmann das Gerät aus der Hand und las die Beschriftung und die Bedienungsanleitung. Sie hatte es bei einer Freundin miterlebt, wie diese nach einem Bissen Kuchen fast wegen der Nussspuren darin erstickt wäre, wenn sie sich nicht noch rechtzeitig die Injektion gesetzt hätte. Ja, sie konnte sich das Verhalten Isabell Springers dahingehend sehr gut vorstellen.

»Wogegen ist sie allergisch?«, fragte Katja.

»Die Frage ist eher, wogegen nicht«, erwiderte er. »Ich kenne mich selbst zum Glück kaum damit aus, aber gegen alle möglichen Gräser und Nüsse, soweit ich weiß. Jedenfalls würde sie nie etwas essen, von dem sie nicht einhundertprozentig weiß, was alles drin ist.« Er bewegte sich wieder zur Tür und winkte die Polizistinnen zu sich. »Das ist aber noch nicht alles, kommen Sie bitte mit.« Abermals folgten sie ihm, nur ging es dieses Mal nicht um das Haus herum, sondern einige Stufen von der Veranda hinunter. Ein gewundener Pfad führte durch meterhohes Schilf mal mehr mal weniger steil bergab, bis sie den kleinen Privatstrand erreichten. Zumindest ging Maria davon aus, dass er exklusiv zum Strandhaus gehörte. Wenige Schritte trennten sie von einem Steg oder Bootsanleger. Feldmann ging direkt darauf zu, drehte sich aber hin und wieder zu den Frauen um, als ob er sich vergewissern müsste, dass sie ihm noch folgten. Maria warf einen Blick an ihm vorbei und mutmaßte, den Grund erkannt zu haben, warum er sie hergelotst hatte. Und tatsächlich blieb er etwa in der Mitte des etwa dreißig Meter langen Holzstegs stehen. Zu seinen Füßen lag ein einzelner, roter Damenschuh. »Der gehört Isabell.«

»Ganz sicher?«

»Ja, die Schuhe hat sie vorige Woche zusammen mit der Handtasche gekauft, extra für das heutige Meeting. Das ist einer ihrer Ticks: Sie meinte, wenn man einen neuen Lebensabschnitt durchläuft, sollte man das in neuen Schuhen tun.« Marias und Katjas Blick trafen sich und sie mussten sich zusammenreißen, nicht aufzulachen. Warum tat der Feldmann so verwundert und warum sollte das ein Tick sein? Die Polizistinnen waren sich wortlos einig, dass dies vollkommen normal wäre.

»Okay«, sagte Maria schließlich, »der Platzregen von vorhin wird natürlich die meisten möglichen Spuren beseitigt haben. Nichtsdestotrotz werden wir unsere Spezialisten hier und im Haus an die Arbeit schicken. Ich müsste von Ihnen wissen, was Sie alles angefasst haben, seit Sie hier sind.«

»Ja, kein Problem.«

»Hast du einen Stift für mich?«, wollte sie von Katja wissen. Die schüttelte den Kopf.

»Erledige du den Anruf und außerdem willst du sicher noch einen Blick ins Haus werfen. Lass mich seine Aussage aufnehmen.« Maria nickte ihr kurz zu.

»Danke«, sagte sie und ging zum Strandhaus zurück.

 

***

 

Goselüschen legte den Hörer zurück. Gerade hatte ihn Maria über die mögliche Entführung Springers in Kenntnis gesetzt. Ächzend stand er auf und wenige Minuten später saß er im Büro seines Kollegen Sebastian, dem IT-Spezialisten der Dienststelle.

»What the fuck? Das ist die erste richtig Prominente, mit der ich es zu tun bekomme, seit ich im Polizeidienst bin«, entfuhr es dem schlaksigen Nerd. Goselüschen runzelte die Stirn und kratzte sich am Kinn, was ein schabendes Geräusch erzeugte. Er hatte doch tatsächlich am Morgen vergessen, sich zu rasieren.

»Deine Faszination in Ehren, aber ich hab noch nie von der Trulla gehört.« Sebastian zog die Augenbrauen hoch.

»Dein Ernst? Könnte es sein, dass du keine Bücher liest?« Er zwinkerte. »Oder gar nicht lesen kannst?«

»Fresse«, erwiderte Goselüschen knapp. »Maria möchte, dass wir – in diesem Fall du – alles über die Frau in Erfahrung bringst, was das Netz und unsere Datenbank über sie hergeben.«

»Puh, das wird nicht ohne. Die Springer ist Bestsellerautorin und sieht obendrein noch gut aus. Da gibt es bestimmt tausende von Meldungen allein auf Facebook oder Instagram.«

»Du scheinst ein Fan von ihr zu sein. Dann wird es dir ja eine Freude sein, die Recherche voranzutreiben.«

»Na ja, sie hat zwei Thriller geschrieben, die ich hammermäßig fand, aber den größten Erfolg hat sie mit Liebesgeschichten, Romance oder wie auch immer das genaue Genre heißt.« Goselüschen nickte wissend. Liebesschnulzen also, dann war es kein Wunder, dass er nie von ihr gehört hatte. Wie viele seiner Geschlechtsgenossen machte auch er einen großen Bogen um alles, was auch nur den Hauch von kitschig an sich hatte. Schlimm genug, dass ihn seine Lebensgefährtin Sylvia hin und wieder dazu nötigte, mit ihr einen dieser Schmachtfetzen im TV zu gucken. Aber was tat man nicht alles für Essen und Sex?

»Okay, kümmer du dich um das drumherum – Fans, Facebook und den Kram – ich schaue, was ich über sie persönlich und ihre Familie in Erfahrung bringen kann.«

»So gut wie erledigt, Gose.«

»Alles klar, wir treffen uns in, sagen wir, drei Stunden hier wieder. Dann sollte Maria auch zurück sein.«

 

***

 

Die Begehung des Hauses brachte auf den ersten Blick keine offensichtlichen Hinweise auf den Verbleib Springers. Falls sie entführt worden war, deutete nichts darauf hin. Es gab keine Kampfspuren und auch keine Indizien, die auf ein gewaltsames Eindringen in das Haus schließen ließen. Ganz im Gegenteil: Die Haustür war von innen verriegelt, der Schlüssel steckte noch im Schloss. Die Wohnung war komplett aufgeräumt. Weder stieß Maria auf benutztes Geschirr in der Spülmaschine noch befand sich Kleidung in der Waschmaschine oder im Wäschetrockner. Es wirkte eher so, als wäre schon länger niemand hier gewesen. Einzig Isabell Springers Handtasche auf dem Bürostuhl passte nicht in dieses Bild. Warum war die nicht ordentlich aufgeräumt an einem dafür vorgesehenen Platz? Mit übergestreiften Plastikhandschuhen griff Maria danach und inspizierte erneut ihren Inhalt. Neben der Medikamente beherbergte sie die üblichen Verdächtigen: ein paar Kosmetik- und Hygieneartikel, das Smartphone und ihre Geldbörse, in der Maria neben Springers Ausweispapieren noch etwas über 200 Euro Bargeld fand. Einen überrumpelten Einbrecher könnten sie damit wohl ausschließen, wobei ihr ein Dieb, der aus der Situation heraus zu einem Entführer mutierte, in ihrer Dienstzeit auch noch nicht untergekommen war. Maria kam dazu passend die Redewendung mit dem Pferd vor der Apotheke in den Sinn.

»Klar, vorstellbar ist alles, doch wahrscheinlich hat sich die Springer doch spontan entschieden, vielleicht wollte sie nur kurz raus, um frische Luft zu schnappen. Deshalb hat sie ihre persönlichen Dinge hier gelassen und dabei das Abschließen vergessen«, murmelte sie vor sich hin. Und ihre Medikamente ebenfalls? Und wie passte der Schuh ins Bild? Warum lag ein einzelner Schuh auf dem Steg? Fragen über Fragen. Maria beschlich der Gedanke, dass sich hier ein äußerst interessanter Fall entwickeln könnte.

Sie trat auf die Veranda zu Katja, die dort mit Feldmann saß und eifrig dessen Informationen notierte.

»Herr Feldmann, wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit Frau Springer?«

»Wir haben heute Nachmittag noch telefoniert, so drei Stunden vor unserem Termin«, antwortete er sofort.

»Ist Ihnen an ihrer Stimme etwas aufgefallen oder war sie anders als sonst?« Tom presste die Lippen aufeinander und schüttelte langsam den Kopf.

»Nein, eigentlich war sie wie immer. Das heißt, sie klang etwas nervös. Aber das ist wohl normal vor so einem Deal, schließlich ging es für sie dabei um ein kleines Vermögen.«

»Geld scheint eine große Rolle zu spielen.« Maria deutete mit den Händen auf das Haus und den Garten und gedanklich auf die Luxusfahrzeuge von Springer und auch von Tom Feldmann. »Hat sie Angestellte? Einen Gärtner oder eine Hauswirtschafterin? Hier sieht alles aus wie aus dem Ei gepellt, selbst der Rasen neben dem Haus scheint zentimetergenau geschnitten zu sein.«

»Penélope Martinez ist ihre Putze, die kommt ein paar Mal in der Woche, und für den Rest hat sie einen Hausmeisterservice engagiert, der sich um den Rasen, die Dachrinne und den ganzen anderen Kram kümmert. Auf einer Tafel neben dem Kühlschrank hat sie ihre wichtigsten Telefonnummern aufgeschrieben. Dort müssten Sie fündig werden.« Maria fiel die Magnettafel neben dem amerikanischen Kühlschrank ein, an der ein maschinengeschriebener Zettel mit etlichen untereinanderstehenden Telefonnummern pinnte.

»Herr Feldmann, haben Sie eine Vorstellung, wer Ihre Klientin entführt haben könnte und vor allem, warum? Hat sie Feinde oder jemanden, der ihr nicht wohlgesonnen ist? Gab es Drohungen gegen sie, von denen Sie wissen? Irgendetwas, mit dem wir arbeiten können?« Tom stützte das Kinn auf seine wie zum Gebet verschränkten Hände und blickte Maria in die Augen.

»Ich habe absolut keine Ahnung.«

»Kennen Sie die finanziellen Verhältnisse Ihrer Klientin? Sprich: Können wir mit einer hohen Lösegeldforderung rechnen?«

»Ich bin ihr Literaturagent, nicht ihr Vermögensverwalter. Keine Ahnung, was sie auf der Bank liegen hat.«

»Was wissen Sie über ihre Freunde und Familie?«

»Ihre Eltern leben in Spanien. Sie haben dort einen Altersruhesitz – sponsored by Tochter. Aber sie hat kaum Kontakt zu denen, soweit ich weiß. Ihr Mann Simon hat sich vor einem halben Jahr von ihr getrennt.« Er seufzte. »Sie müssen wissen: Isabell lebt sehr zurückgezogen. Von Freunden weiß ich nichts, jedenfalls hat sie mir gegenüber nie etwas erwähnt. Aber unser Verhältnis ist rein beruflich, auch wenn –«. Er brach ab. Maria nickte Katja zu, die darauf den Stift über das Papier flitzen ließ und die Namen der Eltern aufschrieb, die Tom nannte. Maria wollte gerade nachfragen, da fiel ihr etwas ins Auge.

»Was hast du?«, fragte Katja, nachdem ihr deren skeptischer Blick aufgefallen war. Maria hatte den Kopf leicht geneigt und die Augen zusammengekniffen.

»Da passt was nicht ins Bild«, erwiderte sie und lief von der Veranda hinunter in den Garten.

 

***

 

Für Außenstehende mochte das Büro Konrad Breitenfelds geräumig wirken, im Vergleich zu dem seines Vaters hatte es allerdings die Ausmaße einer besseren Besenkammer.

»Du wolltest mich sprechen, Vater?« Kurz nach seinem Telefonat hatte seine Sekretärin ihm den Wunsch des Seniorchefs übermittelt, der natürlich einem Befehl gleichkam. Er wartete in der Tür, bis Hans Breitenfeld von seinen Unterlagen aufsah und ihn heranwinkte. Konrad durchschritt den Raum mit großen Schritten. Es dauerte gefühlt eine Minute, bis er einen der drei reich verzierten Stühle im Barockstil erreicht und sich zurecht gezogen hatte, die gegenüber des ausladenden Schreibtisches seines Vaters im selben Stil bereitstanden.

»Ich möchte deine Einschätzung wegen der Springer-Sache hören.« Konrad verdrehte die Augen, wobei er darauf achtete, dass sein alter Herr es nicht sehen konnte. Es war wirklich langsam an der Zeit, dass er den Vorstandsposten räumen und für ihn freimachen würde. Doch er wusste, dass der Alte freiwillig niemals zurücktreten würde.

»Dazu habe ich dir im Vorfeld alles gesagt und dieser Affront heute bestätigt mich. Wir sollten die Finger von dieser Autorin lassen – er zog das Wort Autorin in die Länge, als würde es hochinfektiös sein – und ich hoffe, du siehst das jetzt ein.« Nach wie vor verstand er nicht, welchen Narren sein Vater an dieser Frau gefressen hatte. Egal, was sie auch machte, er zog sich stets ein paar Gründe aus den Fingern, die sie aus der Schusslinie und alle Schuld von ihr nahmen. »Die Frau ist pures Gift. Für uns und die ganze Branche!«

»Wie üblich übertreibst du auch jetzt. Das hast du von deiner Mutter. Aber ich kann dich beruhigen: Ich habe Tom Feldmann zu verstehen gegeben, dass wir nicht mehr an einer Zusammenarbeit interessiert sind.« Konrad lächelte und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

»Na endlich, Vater. Endlich ziehen wir an einem Strang.« Er wollte sich gerade erheben und zu seinem Arbeitsplatz zurückkehren, da gebot sein Vater ihm Einhalt. Konrad ließ sich wieder auf den Stuhl fallen. »Ja?«

»Ich denke, wir werden ihr einen neuen Vertrag mit deutlich reduzierten Tantiemen anbieten, falls sie uns einen guten Grund für ihr Fernbleiben liefert.«

»Das ist doch nicht dein Ernst! Wie lange willst du dir noch auf der Nase herumtanzen lassen?« Seine Gesichtsfarbe verdunkelte sich ins Tiefrote. Er hielt dem Blick seines Gegenübers stand, der ihn zu durchbohren schien. »Außerdem hast du doch gerade gesagt, dass wir auf eine Zusammenarbeit mit ihr verzichten!«, schrie er fast.

»Reiß dich zusammen, Konrad«, herrschte ihn sein Vater an, um direkt mit gleichgültiger Stimme fortzufahren. »Das war es schon. Danke.« Er vertiefte sich wieder in die vor ihm liegenden Dokumente. Konrad schnappte nach Luft, doch er wusste, dass jedes weitere Wort sinnlos gewesen wäre. Niemals in den letzten zwanzig Jahren, seitdem er im Verlag tätig war, hatte sein Vater eine getroffene Entscheidung zurückgenommen. Genauso wenig, wie er es zu Hause tat. Wortlos sprang er auf, eilte hinaus und warf die Tür hinter sich mit einem Knall zu.

 

***

 

Goselüschen und Sebastian erwarteten sie bereits. Maria hatte noch die Kollegen der Kriminaltechnik eingewiesen, worauf sie verstärkt achten sollten, bevor sie sich auf den Weg zur Dienststelle machte. Katja Detersen und Tom Feldmann waren bereits einige Minuten zuvor vom Strandhaus weggefahren.

»Am besten fängst du an«, forderte Goselüschen sie auf, kaum dass sie sich gesetzt hatte.

»Moin erstmal, ihr Pflaumen.«

»Soll das jetzt paradox-sexistisch sein?«

»Klappe, Gose.« Sie knuffte ihn mit der Faust am Oberarm, worauf er kurz aufschrie und sich anschließend mit der Hand darüber rieb. »Ziemlich interessant, die ganze Geschichte«, fuhr sie fort. Sie fasste das Gespräch mit Feldmann und ihre Beobachtungen am vermeintlichen Tatort zusammen. »Sehr auffällig war dabei, dass das komplette Anwesen, innen wie außen, wie geleckt ausgesehen hat, die Biomülltonne draußen jedoch überquoll.«

»Vielleicht hat sie nur vergessen, sie zur Abholung rauszustellen.«

»Mag sein, Basti. Spannend fand ich auch nicht, dass sie voll war, sondern womit.«

»Mach es nicht so spannend, Blondie. Was lag denn drin?« Goselüschen klopfte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Etwa der Leichnam der Springer oder vielleicht nur ihr Kopf?« Sebastian schaute ihn befremdlich an und Maria seufzte. »Was denn?«, fragte Goselüschen unschuldig.

»Blumensträuße. Fünf habe ich gezählt. Jeweils zehn rote Rosen.«

»Vielleicht hatte sie vor kurzem Geburtstag?«, mutmaßte Goselüschen. Sebastian wandte sich zum Monitor und rief die Daten Springers auf.

»Nein, der war vor drei Monaten.«

»Selbst wenn er diese Woche gewesen wäre: Erstens würden Geburtstagssträuße nicht nur aus roten Rosen bestehen und zweitens waren die nicht alle vom selben Tag«, erklärte Maria. »Einige waren komplett vertrocknet, einer noch taufrisch.«

»Und warum liegt der dann in der Mülltonne?«

»Das ist eine der vielen Fragen, denen wir uns stellen müssen, Basti. Vielleicht hat die Springer eine Allergie gegen Rosen, was tatsächlich nicht so unwahrscheinlich ist bei den ganzen Dingen, auf die sie überempfindlich reagiert.«

»Oder sie mag einfach keine Rosen«, warf Goselüschen ein. »Oder denjenigen, von dem sie sind.« Maria reckte den Daumen nach oben.

»Ich vermute das auch, also Letzteres. An einem Gebinde klemmt eine Karte. Damit sollten aufklären können, wo die Sträuße gekauft wurden. Dann sollten wir auch den Galan ausfindig machen können.«

»Galan?«

»Schlag es nach, Basti, oder frag Google«, sagte Goselüschen kopfschüttelnd. »Diese Jugend von heute, einfach kein Gespür mehr für die schönen Wortschöpfungen.«

»Jedenfalls nicht für die aus dem Mittelalter«, verteidigte sich Sebastian.

»Fahrt mal wieder runter, ihr Kampfhähne. Sagt mir lieber, was ihr herausgefunden habt.« Goselüschen bedeutete seinem Kollegen, Maria aufzuklären. Sebastian wandte sich wieder seinem Rechner zu und begann:

»Fangen wir mit ihren Personalien an.« Maria kannte sie zwar bereits von den Ausweispapieren, die sie im Strandhaus gefunden hatten, unterbrach Sebastian jedoch nicht. Es konnte nicht schaden, eine solche Information öfter als einmal zu hören. »Isabell Springer, 35 Jahre, geboren in Hamburg. Sie ist verheiratet mit Simon Springer, der allerdings seit etwa einem halben Jahr eine andere Meldeadresse hat, keine Kinder. Ihre Eltern leben im Ausland, Geschwister und andere Verwandte hat sie nicht.« Er drückte eine Taste, worauf sich ein neues Fenster auf dem Monitor öffnete. »Laut Auskunft ihres Finanzamtes ist sie seit 2012 hauptberuflich Schriftstellerin. Außer ein paar Tickets wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr spuckt unser System nichts über sie aus, sieht man von einer Strafanzeige wegen Stalkings ab, die sie im letzten Jahr gestellt hat.« Maria zog die Augenbrauen hoch. Das würde zu den Blumensträußen passen. »Das Gericht hat seinerzeit eine Verfügung gegen einen gewissen Harald Schwarzer erlassen, die ihm jeglichen Kontakt zu ihr untersagt.«

»Die Adresse von ihm haben wir bereits ermittelt, können ihm also nachher einen Höflichkeitsbesuch abstatten«, warf Goselüschen ein. Maria nickte und forderte Sebastian mit einer Handbewegung auf, fortzufahren.

»Mehr haben wir noch nicht. Aber die KTU hat mich bereits informiert, dass sie mir ihren Laptop zur Überprüfung bringen lassen. Ich denke, damit erfahren wir deutlich mehr über sie. Das werde ich dann mit den Erkenntnissen abgleichen, die ich in den sozialen Netzwerken über sie finde. Und das sind verdammt viele! Man glaubt gar nicht, was alleine auf Facebook in dieser Branche los ist. Wusste gar nicht, dass es so viele Autoren, Schriftsteller und Büchergruppen oder -Blogs gibt.«

»Okay«, sagte Maria und stand auf. »Dann wühl du dich weiter durch das Netz. Ich fahre zu ihrem Mann und ihrer Haushälterin. Mal sehen, ob mein Spanisch noch flutscht. Übernimmst du den Stalker?« Sie schaute zu Goselüschen. Er biss sich auf die Lippe und sog im Anschluss geräuschvoll Luft ein.

»Sehr gern. Bin schon gespannt auf das Früchtchen.«

Kapitel 4

 

 

Simon Springer entsprach so gar nicht dem Bild, das sich Maria auf der Fahrt von ihm gemacht hatte. Als Pendant zu der äußerst attraktiven Autorin hätte sie einen ebenso auffälligen Partner erwartet. Der Ehemann Isabells hingegen bot optisch das, was man landläufig als unscheinbar bezeichnete. Als er die Tür zu seiner kleinen Wohnung im dritten Stock des Wohnblocks öffnete, der sie an die Sozialbauten der 1970er Jahre erinnerte, begegnete er ihr auf Augenhöhe, maß demnach also keine 1,80 Meter. Seine schütteren, halblangen, straßenköterblonden Haare trug er nach hinten gekämmt und ein kleiner Bauchansatz war noch das Auffälligste an dem Mann mit dem nichtssagenden Gesicht. Erst als er sie mit seiner rauchigen Stimme hineinbat, bekam Maria eine Vorstellung davon, was eine Frau an ihm reizen konnte. Und nicht nur die Stimmlage, auch seine Art zu reden erzeugte fast augenblicklich ein Gefühl des Wohlbefindens. Das war aber auch bitter nötig, dachte Maria in Anbetracht der armselig wirkenden Ausstattung der zwei Zimmer, die sie zu sehen bekam. Einfache Möbel aus einem Discounter, keine Bilder an den Wänden, die einzige Blume auf der Fensterbank lechzte nach Wasser und mit der Ordnung schien es Simon Springer auch nicht zu genau zu nehmen. Letzteres machte sie an den einzelnen, herumliegenden Kleidungsstücken auf dem fleckigen Kunstfaserteppich fest. Sie erwartete jede Sekunde die statische Entladung.

»Isabell ist also verschwunden, sagen Sie?«, wiederholte er Marias Worte, nachdem sie sich über Eck auf der abgewetzten Wohnzimmergarnitur niedergelassen hatten. »Und Sie meinen, dass ich etwas damit zu tun habe? Sie vielleicht gar entführt habe?« Seine Stimme schwankte kein bisschen. Also wusste er tatsächlich nichts davon, oder er war abgebrüht bis ins Mark, vermutete Maria. Sie lächelte.

»Herr Springer, Ihnen als ehemaliger Staatsbediensteter dürfte klar sein, dass wir in so einem Fall in alle Richtungen ermitteln müssen.« Tom Feldmann hatte ihr erzählt, dass Simon Springer auf Wunsch seiner Frau vor Jahren seinen sicheren Job als technischer Angestellter bei der Stadtverwaltung in Aurich aufgeben hatte, da ihre Tantiemen zum Lebensunterhalt mehr als ausreichen würden. Er sollte sich um das Haus und den Hund kümmern, den sie damals noch hatten, damit er sich schonmal daran gewöhnen könnte. Simon Springer sollte nämlich die Erziehung der Kinder größtenteils übernehmen, so jedenfalls sahen die Planungen Isabells aus. »Wir gehen zur Zeit von keinem freiwilligen Verschwinden aus, können es aber noch nicht mit Gewissheit sagen. Vielleicht taucht sie in ein, zwei Tagen wieder auf und es löst sich alles in Wohlgefallen auf.«

»Doch bis dahin müssen Sie ermitteln, weil?«

»Weil wir sowohl ihre Papiere als auch ihre Medikamente im Strandhaus gefunden haben.« Jetzt bemerkte sie die erste Gefühlsregung im Gesicht ihres Gesprächspartners, konnte ihr jedoch keine bestimmte Emotion zuordnen. Er neigte sich etwas nach vorn und schaute aus dem Fenster, das von Schlieren überzogen war.

»Sie würde niemals ohne ihr Notfall-Set rausgehen. Und auch ihre medizinischen Unterlagen führt sie normalerweise immer mit sich, damit im Falle eines anaphylaktischen Schocks die Ersthelfer nachlesen können, was ihr fehlt. Sie ist da etwas, sagen wir mal, übervorsichtig.« Nach Feldmann war jetzt also der zweite Befragte davon überzeugt, dass Isabell sich nicht auf einer ausgedehnten Wanderung befand, sondern mehr dahinter stecken musste. Und nun schien er wirklich betroffen zu sein, sofern sie seine Mimik richtig las.

»Ja, das hörten wir schon. Herr Springer. Warum haben Sie sich von Ihrer Frau getrennt?« Aus seiner Betroffenheit wurde postwendend Überraschung.

»Was? Wie kommen Sie denn darauf?« Er lachte humorlos. »Sie hat mich verlassen, beziehungsweise mich rausgeworfen.« Maria stutzte. Feldmann behauptete doch, er wäre gegangen. Warum sagte Springer jetzt das Gegenteil, zumal ihn das noch eher verdächtig machte? Dieser Fall versprach immer interessanter zu werden.

»Das ist wohl falsch bei uns angekommen.« Sie zuckte unschuldig mit den Schultern. »Womit hat sie die Trennung denn begründet?« Er taxierte die Kommissarin, bevor er tief Luft holte.

»Nun, wir hatten in den vergangenen Jahren viele sehr gute Zeiten, emotional und auch finanziell, aber mindestens genauso so viele schwierige Phasen. Was sie am Ende zu diesem Schritt bewogen hat, weiß ich nicht. Vermutlich lag es daran, dass es mit einem Kind nicht geklappt hat. Sie meinte dann, dass sie weder die Lust noch die Zeit hätte, mich mit durchzuschleppen.«

»Sie hätten doch wieder in Ihren Job zurückkehren können oder sich einen anderen suchen.«

»Das stimmt. Allerdings fehlte mir zu der Zeit die Motivation dazu. Ich war gesundheitlich angeschlagen, wissen Sie?«

»Aber mittlerweile arbeiten Sie wieder?«

»Ja, klar«, sagte er lachend. »Die Liebe war weg und nur von Luft kann ich nicht leben. Zumindest konnte ich einen Job bekommen, der meine Kosten deckt.«

»Wenn Sie Ihre Anstellung zu Gunsten der Karriere Ihrer Frau aufgegeben haben, bekommen Sie dann keinen Unterhalt von ihr?«

»Tja, im Normalfall schon. In unserem Fall wiederum verhindern das die Zauberworte Gütertrennung und Ehevertrag.« Jetzt war es an ihm, mit den Schultern zu zucken. »Aber ich stamme aus bescheidenen Verhältnissen, daher komme ich klar damit.« Simon Springer wurde ihr von Minute zu Minute sympathischer und ihre anfänglichen Zweifel waren wie weggewischt. Seine einnehmende Art machten sein durchschnittliches Erscheinungsbild mehr als wett. Nichtsdestotrotz stand er auf der Liste der möglichen Verdächtigen, sollte sich die Entführung Isabell Springers als solche erweisen.

»Herr Springer, haben Sie eine Idee, wer Isabell entführt haben könnte?«

»Tut mir leid, Frau Fortmann, ich habe in den letzten Monaten versucht, Gedanken an diese Frau weitestgehend aus meinem Leben zu verbannen, daher bin ich nicht im Bilde über ihre derzeitigen Bekanntschaften.« Er breitete die Arme aus, um seine Ahnungslosigkeit zu unterstreichen. »Aber Isabell war nie streitsüchtig oder intrigant, und da sie generell wegen ihrer Introvertiertheit eher wenig Kontakt zu anderen Menschen sucht, kann ich mir kaum vorstellen, dass sie jemandem auf die Füße getreten ist.«

»Sie sagten, Sie hätten einen Ehevertrag und Gütertrennung vereinbart.« Er nickte. »Das schließt jedoch nicht automatisch aus, dass Sie über die finanzielle Situation Isabells informiert sind. Lohnt sich eine Lösegeldforderung für einen möglichen Entführer? Ich meine, das Anwesen sieht schon nach einem gewissen Vermögen aus.« Simon Springer verzog die Lippen zu einem feinen Lächeln. Er lehnte sich zurück, worauf das Sofa leise knarrte.

»Es ist nicht immer so, wie es scheint. Aber das muss ich Ihnen sicher nicht erläutern.«

»Doch«, entgegnete Maria, »ich bitte darum.«

»Nun«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Das Strandhaus mit dem Grundstück hat sicher einen Marktwert von ein bis zwei Millionen Euro. Aber wie ich Ihnen vorhin schon gesagt habe, wir hatten viele gute und viele schlechte Zeiten, auch wirtschaftlich gesehen. Die letzten Jahre war es eher dürftig, sodass die eine oder andere Hypothek auf dem Häuschen lastet. Das ist allerdings der Stand von vor einem halben Jahr. Keine Ahnung, ob sie in der Zwischenzeit mal wieder einen lukrativen Titel veröffentlicht hat. Ich verfolge das nicht. Einerseits will ich nicht ständig an sie erinnert werden und andererseits lese ich eher weniger triviales Zeug als das, was sie schreibt.« Maria vermerkte sich die Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse Isabell Springers auf ihrer gedanklichen To-Do-Liste und verabschiedete sich.

Bevor sie zu Penélope Martinez aufbrach, rief sie aus dem Wagen Sebastian an.

»Ich hab gerade mit Gose telefoniert. Er ist auf dem Rückweg, der Stalker scheint ausgeflogen zu sein.«

»Okay, Basti. Kannst du mal schauen, was du bei der Bank Springers herausbekommen kannst? Ihr Ex deutete an, dass sie möglicherweise Geldsorgen haben könnte.«

»Geldsorgen? Wer hat die nicht?«, antwortete er lachend. »Aber klar, ich kümmere mich drum.«

»Ich klapper noch eben die Haushälterin ab. Haben deine anderen Recherchen schon etwas ergeben?«

»Oh ja«, sagte Sebastian und seine Stimme ließ sie aufhorchen.

»Schieß los.«

»Ich bin noch mitten drin, am besten erzähl ich euch beiden nachher alles. Aber ich verspreche, es wird interessant.« Kurz überlegte sie, sich sofort aufklären zu lassen, doch sie verwarf diesen Gedanken. Sie traute Sebastian durchaus zu, die Dringlichkeit der Informationen einschätzen zu können.

 

***

 

Penélope Martinez überraschte Maria gleich in mehrfacher Hinsicht. Sie entsprach so gar nicht dem Bild, welches sie von einer mexikanischen Haushälterin hatte. Mit ihren schwarzen, wallenden Haaren und den ebenso dunklen Augen, dem bronzenen Teint und der schlanken Figur hätte sie glatt als Double von Salma Hayek, der weltbekannten Schauspielerin, einspringen können. Maria hatte eher mit einer Frau im Format Montserrat Caballés gerechnet, vielleicht ein paar Kilogramm leichter als der im letzten Jahr verstorbene, spanische Opernsuperstar. Du musst aus deinem Schubladendenken herauskommen, ermahnte sie sich nicht zum ersten Mal in der jüngeren Vergangenheit.

Leichte Nebelschwaden hielten sich unter der Zimmerdecke und obwohl alle Fenster im Wohnzimmer der Mexikanerin auf kipp standen, schien sich der Schleier kaum zu bewegen.

»Sí, ich war heute bei Señora Isabell, warum fragen Sie?«, antwortete sie mit rauchiger Stimme, was sich Maria mit ihrem Zigarettenkonsum erklärte, und nur die Schärfe, mit dem sie das S betonte, verriet, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache war. Penélope führte sie zum Esszimmertisch und stellte Maria ungefragt ein Glas Wasser hin.

»Danke«, sagte Maria und nahm einen Schluck. »Herr Feldmann hat uns benachrichtigt, dass sie wie vom Erdboden verschluckt wäre. Daher versuchen wir, herauszubekommen, wo sich Isabell Springer gerade aufhält.«

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739478920
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Dezember)
Schlagworte
Cozycrime Inselkommissarin Regiokrimi Ostfriesenkrimi Nordseekrimi Romantik Krimi Spannung Erpressung Ostfrieslandkrimi Thriller Cosy Crime Whodunnit

Autor

  • Marcus Ehrhardt (Autor:in)

Der Autor, 1970 geboren, lebt im niedersächsischen Vechta. Er ist Vater zweier erwachsener Kinder. Die Idee, Geschichten zu erzählen und Bücher daraus entstehen zu lassen, kam quasi über Nacht. Seinen großen Sympathien den USA gegenüber in all ihren Vielfalten und endlosen Weiten ist es geschuldet, dass einige seiner Titel eben dort verankert sind. Demgegenüber erscheinen immer wieder Titel, die vorrangig in seiner norddeutschen Heimat angesiedelt sind.
Zurück

Titel: Mordseelügen