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My Dad's CEO

Liebesroman

von Lila Meier (Autor:in)
149 Seiten

Zusammenfassung

Lieber Himmel, er ist wieder da!
Ich kann es kaum glauben, als mich die Neuigkeit erreicht. Nathan Wood kehrt zurück! Vier Jahre lang war er in Schottland, jetzt wird er wieder CEO in der New Yorker Firma meines Vaters, in der auch ich inzwischen arbeite. Soweit nichts Besonderes. Wenn man von der Tatsache absieht, dass ich seine persönliche Assistentin sein werde – und ich mich schon vor fünf Jahren, als ich ihn zum ersten Mal sah, Hals über Kopf in ihn verliebt habe. Mit fünfzehn – in einen Mann, der mein Vater sein könnte! Das Schlimmste aber ist, dass sich an meinen Gefühlen für ihn nicht das Geringste geändert hat. Das wird mir spätestens jetzt klar, als ich ihn zum ersten Mal nach all der Zeit wiedersehe. Gott, ich liebe Nathan Wood noch immer!

Abgeschlossener Liebesroman mit detaillierten Szenen in eindeutiger Sprache.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

Story

 

Lieber Himmel, er ist wieder da!

Ich kann es kaum glauben, als mich die Neuigkeit erreicht. Nathan Wood kehrt zurück! Vier Jahre lang war er weg, jetzt wird er wieder CEO in der Firma meines Vaters, in der auch ich inzwischen arbeite. Soweit nichts Besonderes. Wenn man von der Tatsache absieht, dass ich seine persönliche Assistentin sein werde – und ich mich schon vor fünf Jahren, als ich ihn zum ersten Mal sah, Hals über Kopf in ihn verliebt habe. Mit fünfzehn – in einen Mann, der mein Vater sein könnte!

Das Schlimmste aber ist, dass sich an meinen Gefühlen für ihn nicht das Geringste geändert hat. Das wird mir spätestens jetzt klar, als ich ihn zum ersten Mal nach all der Zeit wiedersehe.

Gott, ich liebe Nathan Wood noch immer!

 

 

Prolog

Amy

 

„Und heute Abend will ich, dass ihr euch benehmt, verstanden?“, mahnt mein Vater und sieht mich mit strengem Blick über den Frühstückstisch hinweg an. „Vor allem du, Amy. Dein Bruder ist erst elf, aber du bist schon fast erwachsen. Von dir kann man das wohl erwarten.“

„Sie ist fünfzehn, Ed“, meldet Ma sich zu Wort und schenkt Dad Kaffee nach. „Sie ist auch noch ein Kind.“

Unwirsch winkt Dad ab und starrt wieder auf sein Handy. „War ja klar, dass das von dir kommt. Du warst in dem Alter ja auch nicht besser, nach allem, was deine Eltern so erzählen. Ich habe in dem Alter schon Geld verdient und Verantwortung getragen.“

Ah ja, die Leier wieder. Ich kann das echt nicht mehr hören. Man muss nämlich wissen, dass der Vater meines Vaters, also mein Opa, den ich nie kennengelernt habe, seine Frau und seine Kinder im Stich ließ, als mein Vater fünfzehn war. Die Mutter meines Vaters litt daraufhin wohl an Depressionen, trank sich die Leber kaputt und konnte kaum arbeiten, sodass mein Vater früh die Verantwortung für seine jüngeren Geschwister und irgendwie auch für seine Mutter hatte. Wie er sagt, ist er dann wohl nach der Schule bis in die Nacht hinein jobben gegangen, um alle über die Runden zu bringen. Ich meine, klar, tut mir auch leid und so, aber hey, es nervt halt dann doch, wenn man das zum gefühlt tausendsten Mal zu hören bekommt, und ich bin nun mal nicht er.

„Mit fünfzehn ist man so gut wie erwachsen“, fügt er hinzu.

„Ach, und warum behandelt mich hier dann keiner so?“, frage ich. „Mir wird doch hier alles vorgeschrieben. Amy, tu dies, Amy, tu das … Wenn ich abends länger wegbleiben will, heißt es, dazu bin ich noch zu jung.“

„Das Leben besteht nun mal nicht nur aus Weggehen und Party machen, junge Dame. Und auch als Erwachsener muss man manchmal tun, was einem gesagt wird.“

„Vor allem, wenn man für dich arbeitet, was? Deine Sklaven tun mir manchmal wirklich leid.“

„Das sind keine Sklaven, sondern hervorragend bezahlte Mitarbeiter.“

„Mit einem Chef, der keine Meinung duldet außer seiner eigenen“, murmele ich, und das veranlasst Dad dann doch noch mal dazu, von seinem Handy hochzublicken.

Mit warnendem Blick.

„Vorsicht, junge Dame. Treib es nicht zu weit …“

Ich stochere lustlos in meinem Frühstücksmüsli herum. „Ist doch wahr …“

Ist es nämlich auch. Dazu muss man wissen, dass mein Dad ziemlich erfolgreich ist. Womit? Alarmanlagen. Genauer gesagt mit allgemeiner Sicherheitstechnik. Seinen Betrieb hat er wohl damals aus dem Nichts heraus aus dem Boden gezogen und innerhalb kürzester Zeit in ein Millionen-Unternehmen verwandelt. Heute stattet Benkow Security die teuersten Villen und größten Unternehmen in New York und ganz Amerika aus. Bald soll sogar eine Zweigstelle in Europa eröffnen. Tja, an Geld mangelt es unserer Familie also nicht. Allerdings auch nicht an einem Vater, der seine Familie oft mit seinen Mitarbeitern verwechselt. Der Befehlston, den er eigentlich immer an den Tag legt, ist nämlich ziemlich ätzend, zudem erwartet er stets, dass alle genau das tun, was er sagt, und zwar „am besten bis gestern“. Da kann mir doch keiner erzählen, dass er als Chef anders ist!

Wobei …

„Dass du diesem Typ so in den Arsch kriechst, ist aber schon komisch“, murmele ich vor mich hin.

Allerdings laut genug, dass meine Ma mich direkt strafend ansieht.

„Nicht solche Ausdrücke bei Tisch, Amy“, rügt sie mich sogleich. „Dein Bruder sitzt neben dir, und er ist erst …“

Ja, ja, den Rest krieg ich schon gar nicht mehr mit. Mein lieber unschuldiger Bruder … der übrigens von der Diskussion hier null mitbekommt, weil er Kopfhörer aufhat und mit seinem Tablet beschäftigt ist, während er sein Sandwich verdrückt. Das sollte ich mir mal erlauben! Übrigens gehe ich jede Wette ein, dass in den Songs, die Carl so hört, noch ganz andere Ausdrücke vorkommen als Arsch.

Jedenfalls hat mein Kommentar bewirkt, dass Dad doch noch mal von seinem Handy aufblickt. Mit zusammengekniffenen Augen sieht er nun mich an.

„Ich krieche niemandem in den Hintern, junge Dame“, stellt er klar.

„Hört sich aber irgendwie anders an“, gebe ich trotzig zurück. „Ich meine, dir gehört der Laden, und …“

„Dieser Laden ist ein millionenschweres Unternehmen, das deinem Bruder und dir eine unbeschwerte Kindheit in einer Fünfzehn-Millionen-Dollar-Villa in den Hamptons ermöglicht hat und …“

Ja, ja, die Villa.

Der Knast …

Knast deshalb, weil das verdammte Teil hier einem Hochsicherheitstrakt in nichts nachsteht. Dad ist nun mal reich und hat ein Unternehmen für Sicherheitstechnik. Klar, dass diese Technik auch in unserem Zuhause Anwendung findet. Das sieht dann so aus: Wenn man ins Haus will, muss man erst mal einen Code an der Tür eingeben. Dann erfolgt ein zusätzlicher Sicherheitscheck per Fingerabdruck, die Iris wird auch noch gescannt. Da wird mir nicht selten schwindelig von, aber das juckt hier ja keinen. Dann geht eine Tür auf und gleich automatisch hinter einem wieder zu. Anschließend darf man auf keinen Fall vergessen, mittels einer PIN-Eingabe der Alarmanlage noch einmal zu bestätigen, wer man ist. Sonst geht die nämlich los. Und wie! Das weiß ich deshalb so genau, weil es mir nicht gerade selten passiert, dass ich das vergesse. Ach so, will man mal ein Fenster aufmachen, muss man auch erst einen Code eingeben, sonst passiert dasselbe in Grün. Kameras sind hier auch an jeder Ecke, sogar im Bad. In meinem Zimmer früher auch, aber da hab ich dann später protestiert, und Dad hat sie abmontieren lassen. So ganz traue ich dem Braten aber bis heute nicht.

Muss ich eigentlich erwähnen, dass mein lieber Herr Vater diese gesamte Sicherheitstechnik von unterwegs mit seinem Handy steuern kann? Das hat für ihn den unschlagbaren Vorteil, dass er genau sehen kann, wer von seiner Familie wann das Haus verlässt und wer wann was tut. Tja, und wenn er nicht will, dass ich rausgehe, weil ich mal wieder Hausarrest habe, ändert er mal eben die Codes. Na, ist das mit dem Knast jetzt wirklich so übertrieben?

„Du hast noch nie einen Bewerber nach Hause eingeladen“, sage ich, nachdem Dad aufgehört hat zu reden. Was er noch gesagt hat, habe ich gar nicht mehr mitbekommen.

„Bewerber? Junge Dame, Nathan Wood ist nicht irgendein Bewerber! Nathan Wood ist CEO bei einem der größten Unternehmen für Sicherheitstechnik in Edinburgh. Wenn ich meinen Traum, eine Zweigstelle in Europa zu eröffnen, wirklich wahr machen will, dann brauche ich genau diesen Mann – als meinen CEO. Deshalb die Einladung, mit uns zu Abend zu essen.“

„Ein Schotte?“, frage ich ungläubig. „Kommt der dann im Schottenrock?“ Ich kichere albern, als ich automatisch daran denken muss, was er dann wohl unter seinem Kilt trägt.

Dad sieht mich warnend an. „Ich sag’s noch einmal, junge Dame: Benimm dich. Wenn du Wood vergraulst und ich dadurch …“

„Dann lass mich doch einfach auf meinem Zimmer bleiben oder ganz einfach mal weggehen“, sage ich und trinke meinen O-Saft aus. Herausfordernd sehe ich Dad an. „Und schon wäre das Problem gelöst. Na?“

Unwirsch schüttelt Dad den Kopf. „Kommt nicht infrage“, bestimmt er und wendet sich wieder seinem Handy zu. „Wir treten Wood gegenüber als das auf, was wir sind: eine Familie.“

„Ja, schöne Familie“, maule ich, stehe auf und verdrücke mich auf mein Zimmer, um meine Sachen für die Schule zu packen. „Eine Frau, zwei Kinder und ihr Boss …“

Aber das hört Dad schon nicht mehr. Oder will es nicht hören.

 

„Du findest das alles echt lustig, was?“, motze ich meinen Bruder am Abend an. Nicht, dass den das auch nur im Geringsten interessiert. Er schaut kaum mal von seinem Smartphone auf. Carl hängt praktisch den ganzen Tag nur vor irgendeinem Bildschirm. Smartphone, Laptop, Tablet oder Fernseher, irgendwas ist immer an. Aber wehe, ich will mal fünf Minuten ungestört vor meinem Rechner sitzen und meinen Tumblr-Blog auf den neuesten Stand bringen.

Nein, da gibt es natürlich immer irgendwas für mich zu tun. Und ich rede hier von Dingen, die bei uns normalerweise das Hauspersonal erledigt, also den Müll rausbringen oder die Spülmaschine einräumen. Kein Quatsch, mein Vater hat angewiesen, dass solche Sachen für mich liegenbleiben sollen. Und ja, wir haben echt nicht gerade wenig Hausangestellte. Jetzt auch nicht so eine ganze Armee, aber eine Haushälterin, Dolores, die morgens um sieben kommt und dann um vier wieder geht, einen Koch, einen Gärtner und einen Poolboy. Die Letzteren kommen aber nur zweimal in der Woche, sind also nicht fest angestellt.

Aber egal, das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, Carl …

Mein Bruder rollt nur kurz mit den Augen und widmet sich dann wieder mit voller Hingabe seinem Smartphone. Einen Twitter-Account dürfte er eigentlich noch gar nicht haben. Ich hab mich da informiert. Aber ich komme schon wieder vom Thema ab.

„Worüber regst du dich jetzt schon wieder auf?“, fragt er gelangweilt.

„Darüber, dass unser lieber Herr Vater hier ein Riesentheater abzieht, wegen dieses Schotten.“

Was ich gegen Schotten habe? Nun, eigentlich ist die Frage ganz einfach zu beantworten. Gar nichts. Mir geht einfach nur mein Dad tierisch auf die Nerven. Er interessiert sich kein Stück dafür, was ich so mache und wie es mir geht. Hauptsache, ich tanze nach seiner Pfeife. Aber für diesen schottischen Supermann sollen wir jetzt alle einen auf heile Welt machen.

Ist doch echt zum Kotzen.

Carl zuckt mit den Achseln. „Er hat mir versprochen, dass ich mit Stoner zur Comic-Con darf, wenn ich mitspiele. Ich wäre schön blöd, mir das durch die Lappen gehen zu lassen.“

„Was?“ Ich starre ihn an. Das ist doch jetzt nicht wahr, oder? Mein kleiner Bruder hat sich kaufen lassen. Mit Eintrittskarten für die Comic-Convention. Ehrlich? Mich ärgert eigentlich nicht einmal so sehr, dass er sich die Tickets eingesackt hat. Mich ärgert, dass ich leer ausgehe. Verdammt, als Ältere sollte eigentlich ich diejenige sein, die so was im Griff hat. Aber so bin ich eben nicht. Ich denke nicht nur an mich selbst, sondern … Ach, wem will ich hier eigentlich was erzählen?

Doch da klingelt es auch schon, und damit ist es endgültig zu spät, um noch nachzuverhandeln. Mist, verdammter.

„Amy“, höre ich meine Mutter aus dem Schlafzimmer rufen. „Dein Vater und ich sind noch nicht ganz fertig. Machst du bitte auf?“

Ich spiele kurz mit dem Gedanken, mich zu weigern. Aber was soll das bringen? Allerhöchstens doch, dass mein Bruder sich noch mehr bei meinem Vater einschleimen kann. Und das ist nun wirklich das Letzte, was ich brauchen kann. Wer weiß, vielleicht kann ich am Ende ja doch noch etwas aus meinem alten Herrn herauskitzeln, wenn ich bei seinem kleinen Schmierentheater mitmache.

Einen Versuch ist es jedenfalls wert.

Ich laufe also nach unten und öffne die Tür. Für den heutigen Abend hat Dad übrigens die Alarmanlage abgestellt. Witzig, was? Wahrscheinlich hat er Angst, sich zu blamieren, wenn die aus irgendeinem Grund versehentlich losgeht. Ist ja so was wie sein Aushängeschild hier.

„Herzlich willkommen im Casa Benkow“, verkünde ich – und eigentlich sollte der Spruch noch weitergehen, aber plötzlich habe ich vergessen, wie Sprache funktioniert.

Warum? Ganz einfach.

Vor mir steht ein Gott.

Natürlich nicht wörtlich. Aber der Mann, der vor unserer Haustür steht, könnte locker einer sein.

Groß – und wenn ich groß sage, meine ich wirklich groß. Locker einsneunzig, und zweidrittel davon Bein. Sind so eng geschnittene Hosen eigentlich legal? Und wie schafft der Typ es, trotzdem noch seriös auszusehen?

Seine Haare sind dunkelblond und leicht wellig, seine Augen von einem hellen Graublau und – wow! – er hat unglaublich lange Wimpern.

Oh … und hatte ich schon erwähnt, dass er alt genug ist, um mein Vater sein zu können?

Großer Gott – warum sieht er dann trotzdem so gut aus?

„Hey“, sagt er. „Du musst Mr. Benkows Tochter sein.“ Er streckt mir die freie Hand entgegen – in der anderen hält er einen Blumenstrauß, und unter den Arm geklemmt eine Flasche Wein. „Ich bin Nathan Wood, aber meine Freunde nennen mich Nat.“

„Nat“, wiederhole ich lahm und starre ihn an, bis mir klar wird, was ich da tue. Meine Wangen brennen, als ich schließlich seine Hand ergreife und schüttele. „Ich … Ja, ich bin Eds … Ich meine ich bin die Tochter von meinem Dad.“ Nein! Nein! Nein! Nein! „Ich bin Amy.“

„Hi, Amy.“ Sein Lächeln wirkt echt. Ehrlich. Ich kann mich nicht erinnern, wann mich ein Erwachsener das letzte Mal so angesehen hat. Eben nicht so, als wäre ich ein lästiges kleines Kind. Er entzieht mir seine Hand (habe ich die echt die ganze Zeit festgehalten? Peeeeeinlich!), zieht eine rosafarbene Rose aus dem Strauß und reicht sie mir. „Freut mich, dich kennenzulernen.“

„Ich … freue mich auch“, stammle ich und nehme die Blume entgegen. Hat mir jemals schon mal jemand Blumen geschenkt? Ich glaube nicht. Dafür bin ich ziemlich sicher, dass Nathan Wood von jetzt an mein absoluter Lieblingsmensch ist.

„Darf ich vielleicht reinkommen?“

Es dauert einen Moment, bis seine Worte für mich Sinn ergeben. Seine Lippen sind aber auch eine echte Ablenkung. Eher schmal, aber … Ich weiß auch nicht. Ich kann einfach nicht aufhören, seinen Mund anzustarren.

Bis mir klar wird, was er da gerade gefragt hat.

Oh Gott, das wird ja immer schlimmer mit mir. Wenn ich so weitermache, hält er mich noch für eine komplette Idiotin. Wobei es vermutlich schon zu spät ist, das noch zu verhindern. Ich würde am liebsten im Boden versinken, aber das würde die Sache jetzt wohl auch nicht mehr besser machen, oder?

Ich hole tief Luft. „Aber ja … klar, kommen Sie doch rein, Mr. Wood. Mein Vater bringt mich um, wenn ich Sie vergraule. Er redet praktisch von nichts anderem und …“ Stopp! Mein Mund ist mal wieder um einiges schneller als mein Verstand – wie üblich.

„Ist das so?“ Er grinst amüsiert, und mir bleibt fast das Herz stehen. „Aber sag ruhig Nathan zu mir – oder eben Nat.“

„Echt?“ Ich strahle ihn an. „Gern!“

Fuck, Amy, krieg dich ein! Wenn kein Wunder geschieht, ist der Typ schon bald Dad’s CEO! Er ist … was? Mitte dreißig? Ende Dreißig? Heilige Scheiße!

Ich trete zur Seite und lasse ihn endlich rein. Er lächelt noch immer, als er an mir vorbei ins Haus tritt. Ich bin fast erleichtert, als in dem Moment mein Vater die Treppe herunterkommt.

„Nathan“, ruft er und breitet in einer Geste des Willkommens die Arme aus. „Endlich treffen wir uns einmal persönlich. Herzlich willkommen in meinem bescheidenen Heim!“

Ich unterdrücke ein Schnauben. Unser Haus mag ja vieles sein, aber eines ganz sicher nicht: bescheiden.

Ganz im Gegenteil. Ich würde es sogar als ziemlich protzig beschreiben. Sie müssen sich das so vorstellen, dass es praktisch zu gut zwei Drittel aus Glas besteht. Dass es im Sommer trotzdem nicht zu einem Brutkasten wird, liegt nur daran, dass wir eine echte High-Tech-Klimaanlage haben. Das Neueste vom Neuesten – was anderes kommt bei meinem Vater nicht in die Tüte.

Jedenfalls, was nicht aus Glas ist, besteht aus irgendeinem sauteuren Tropenholz, wegen dem die Regenwälder abgeholzt werden, und Beton. So wie die Treppe, die mein Dad gerade förmlich herunterschwebt. Ein total bescheuertes Ding, bei dem sich einer von uns irgendwann noch den Hals brechen wird, weil sie kein Geländer hat. Aber sie sieht stylisch aus und macht Eindruck, und das ist für meinen Dad genug.

„Mr. Benkow, ich freue mich ebenfalls.“

„Lassen wir doch die Förmlichkeiten“, entgegnet mein Vater und streckt seinem Gast, als er den unteren Treppenabsatz erreicht, die Hand entgegen. „Ich bin Ed.“

„Nathan. Sie wohnen hier wirklich ganz herrlich. Ich war bisher immer nur in New York City, aber die Hamptons sind wirklich ein Traum.“

„Ja, und unfassbar kostspielig“, sagt mein Vater, bescheiden wie immer. „Aber es ist jeden Cent wert, wenn man bedenkt, wie nahe wir hier an New York City dran sind. Traumhafte Umgebung, und man ist in Nullkommanichts in der Stadt.“

Er führt Nathan Wood in den großen Wohnbereich. Ich bleibe derweil im Eingangsbereich zurück und atme tief durch. Na, das kann ja ein heiterer Abend werden …

 

„Amy, Liebes, reichst du mir bitte die Kartoffeln rüber?“

Meine Mutter sieht mich nicht mal an, während sie die Hand nach der Schale mit den Kartoffeln ausstreckt. Stattdessen hängt sie wie gebannt an Nathan Woods Lippen. Er spielt schon über eine Stunde lang den Alleinunterhalter. Witzig – normalerweise ist das der Job meines Dads. Der hört sich nämlich gern selbst reden, und tut das auch gern ausgiebig. Doch anders als bei ihm ist das, was Nathan Wood so zu erzählen hat, tatsächlich interessant. Sogar für mich. Und das, obwohl es um Sicherheitstechnik geht! Sachen gibt’s …

„… die Iriserkennung nicht richtig programmiert, weswegen immer wieder derselbe Fehler auftrat. Das hat die Familie fast in den Wahnsinn getrieben, bis endlich jemand gemerkt hat, was wirklich Sache war.“

„Iriserkennung ist der letzte Scheiß.“

Es scheppert, als mein Vater die Gabel auf den Teller fallen lässt. Alle starren mich an. Moment, habe ich das gerade etwa laut gesagt?

„Amy“, zischt meine Mutter. „Benimm dich! Was soll unser Gast denn denken?“

Nathan Wood winkt ab. „Nein, lassen Sie nur, Mrs. Benkow. Das interessiert mich. Was genau hast du an der Iriserkennung denn auszusetzen, Amy?“

„Mir wird davon immer total schwindelig“, erwidere ich nach kurzem Zögern wahrheitsgemäß. Warum auch nicht? Ich meine, schlimmer kann ich es ja jetzt auch nicht mehr machen, oder?

Mein Vater sieht das ganz offensichtlich anders. „Jetzt reicht’s aber wirklich, Amy! Das ist doch reine Einbildung!“

Doch Nathan Wood schüttelt den Kopf. „Oh, das würde ich nicht sagen. Ich höre das jedenfalls nicht zum ersten Mal. In Europa werden bei Smartphones, die mit Iriserkennung ausgestattet sind, sogar entsprechende Warnhinweise vermerkt. Allerdings fehlt es bisher an Studien, um dieser Nebenwirkung auf den Grund zu gehen.“

„Tatsächlich?“ Dad wirkt skeptisch, will es sich nun aber nicht so anmerken lassen. Ihm scheint wirklich viel daran zu liegen, Nathan Wood als CEO zu gewinnen. Was eindeutig zeigt, wie erfolgreich Nathan sein muss. Sonst würde Dad nie und nimmer einen solchen Aufwand betreiben – und vor allem würde er niemals eine solche Schleimspur hinterlassen.

Nathan erzählt weiter, und wieder sind alle, die mit ihm um den Tisch herumsitzen, wie gefesselt. Nur ich bekomme kaum ein Wort mit, sehe nur zu, wie seine Lippen sich bewegen.

Träume ich, oder hat er mich gerade wirklich ernstgenommen? Das ist mir ja noch nie passiert.

Ich starre ihn an. Mein Herz pocht, und in meinem Bauch flattert ein ganzer Schwarm Schmetterlinge auf.

Ich schlucke, als mir klar wird, was diese eindeutigen Reaktionen meines Körpers auf Nathan Wood zu bedeuten haben.

Himmel, ich glaube, ich habe ein ernstes Problem.

Ein verdammt ernstes Problem.

 

 

 

1.

Amy

Fünf Jahre später.

 

„Ich sag’s dir, ich bin durch für heute. Noch so einen Tag, und du kannst mich einweisen.“

Genervt ziehe ich mein Headset von Kopf, lehne mich auf meinem Schreibtischstuhl zurück und ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche. Schon sieben Uhr durch und keine eingegangenen Nachrichten. Tja, warum sollte mir auch noch wer schreiben? Seit ich in der Firma meines Dads arbeite, habe ich ja ohnehin kein Privatleben mehr. Und daher auch keine Zeit für Freunde und irgendwelche Unternehmungen.

Wobei es nicht immer so wahnsinnig stressig ist. Das geht erst seit kurzer Zeit so. Nachdem es in Manhattan zu einer großen Zahl an Einbrüchen in Privatanwesen gekommen ist – die Polizei nimmt an, dass dahinter wohl kriminelle Banden stecken –, haben die reichen Grundstücksbesitzer in der Stadt Angst bekommen und beschlossen, sicherheitstechnisch ordentlich aufzurüsten. Tja, Dad kann es freuen, denn fast alle wenden sich an den Marktführer Benkow Security.

Und da ich seit einer Weile in der Auftragsannahme bin, wo die Leitungen heiß glühen, bekomme ich das mit den anderen hier natürlich als Erstes zu spüren.

Die anderen – das sind meine Kolleginnen, die mit mir hier im Großraumbüro in der Firmenzentrale von Benkow Security im sechzehnten Stockwerk eines Wolkenkratzers an den Telefonen sitzen. Eine davon ist Judy, sie hat den Platz direkt gegenüber von mir. Wir fangen meistens gemeinsam an und machen gemeinsam Feierabend, und so haben wir uns ein bisschen angefreundet. Judy ist ein paar Jahre älter als ich und arbeitet schon eine ganze Weile für meinen Vater. Ursprünglich hat sie hier wohl neben ihrem Studium gejobbt, da sie das aber irgendwann geschmissen hat, wechselte sie dann auf Vollzeit. Jedenfalls gehört Judy zu den wenigen Leuten hier, denen es egal ist, dass ich die Tochter meines Vaters bin. Die meisten anderen stören sich daran. Manche lassen sich das mehr anmerken, manche weniger.

Ja, mag sein, dass ich mir das auch oft nur einbilde. Ich meine, wenn mich jemand kaum wahrnimmt oder sogar gar nicht beachtet, meine ich direkt, es liegt eben daran, dass ich die Tochter von Boss bin. Möglich, dass ich mir das dann einrede und der Grund in Wahrheit nur der ist, dass hier, in so einer riesigen Firmenzentrale im Big Apple, ohnehin kaum einer den anderen wahrnimmt. Keine Ahnung. Einigen passt es aber garantiert nicht, dass ich hier arbeite, wobei mir schleierhaft ist, warum eigentlich. Immerhin kriege ich hier keine Extrawurst gebraten oder so was. Ganz im Gegenteil. Wenn die wüssten, welchen Rang ich in den Augen meines Vaters in der Hierarchie hier habe …

„Was ist, gehen wir noch was trinken?“, fragt Judy über die niedrige Trennwand hinweg, die an sämtlichen Tischen hier angebracht sind. Die Teile sind nur so hoch, dass man sich im Sitzen noch gegenseitig angucken kann, verhindern aber, dass die Telefongespräche der anderen Mitarbeiter zu sehr zu einem herüberdringen, wenn man mit leicht geneigtem Kopf telefoniert.

Ich überlege kurz, zucke dann aber die Schultern. „Klar, warum nicht?“, sage ich, obwohl ich eigentlich ziemlich k. o. bin. Bloß zieht es mich jetzt auch noch nicht wirklich nach Hause.

Ich logge mich aus, fahre meinen Computer herunter und nehme meine Tasche.

„Jetzt mach dir mal nicht so einen Kopf wegen den anderen“, meint Judy, als wir kurz darauf nebeneinander auf dem Flur zu den Aufzügen gehen. „Die müssen sich halt damit abfinden, mit der Tochter vom Boss zusammenzuarbeiten. So ist das Leben.“

Im ersten Moment bin ich erstaunt, doch das legt sich schnell wieder. Wenn ich eines inzwischen wissen sollte, dann ist es, dass Judy sozusagen die Gedankenleserin vom Dienst ist. Im Ernst, sie errät immer, was man gerade denkt. Das war mir schon mehr als einmal unheimlich. Inzwischen habe ich mich aber schon so sehr daran gewöhnt, dass ich es immer wieder vergesse.

„Und jetzt komm mir nicht wieder mit dem Gedankenlesekram“, sagt sie, ehe ich antworten kann. „Ich kann nichts dafür, dass man dir ansieht, was in deinem hübschen Kopf vor sich geht.“

„Man sieht mir gar nichts an“, widerspreche ich. „Mein Dad sagt immer, ich bin ein Buch mit Sieben Siegeln.“

„Tja, dann kennt dein Dad dich offenbar nicht.“

„Da ist was dran.“

Wir erreichen die Aufzüge – und ich bekomme natürlich direkt wieder mal eine gewischt, als ich den Knopf drücke.

„Au, verdammt!“, fluche ich und wedele wild mit der Hand herum. „Dieser verfluchte Bau bringt mich eines Tages noch um. Egal, was ich hier anfasse, ich krieg immer eine gewischt.“

Judy lacht. „Du bist halt geladen.“

Wir steigen in den Aufzug, in dem sich schon einige andere Leute befinden, und auf geht’s nach unten.

Als wir ein paar Minuten später unten ankommen und das Gebäude verlassen, empfängt uns draußen kühle Abendluft. Es ist März, das Wetter seit ein paar Tagen ziemlich verregnet. Jetzt nieselt es nur ein bisschen, sodass Judy ihren Schirm gar nicht erst öffnet und ich es nicht bereue, überhaupt keinen mitgenommen zu haben. Wir rennen auch nicht, weit haben wir es ohnehin nicht. Denn das Taylor’s – die Bar, in der wir nach der Arbeit öfter mal was trinken gehen – befindet sich nur ein paar Meter entfernt auf derselben Straßenseite.

Als wir eintreten, ist der Laden schon ziemlich voll, und wir entdecken auch einige Kollegen. Ein kleines Grüppchen hat sich vor der Theke versammelt. Sie stehen da mit ihren Bierflaschen in den Händen und sind ziemlich in eine Unterhaltung vertieft.

Judy verrenkt sich den Hals, um nach einem freien Tisch zu suchen, und wird auch fündig. „Da hinten ist noch was frei“, ruft sie und nickt mir zu. „Geh schon mal hin und sicher uns die Plätze. Was trinkst du?“ Dann winkt sie ab. „Ach, was frage ich dich Colasüchtige das überhaupt?“

Ich lache und kämpfe mir den Weg zum Tisch frei. Dort angekommen, lasse ich mich mit einem Seufzen nieder. Die Stühle sind hier recht bequem, überhaupt ist die ganze Atmosphäre nett. Es ist alles im Loungestil gehalten, und von den Farben her dominieren Braun, Beige und ein sehr dunkles Bordeauxrot. Die Sessel sind mit kunterbunten Kissen übersät, und die Spots, die in den dunklen Deckenpanelen angebracht sind, verbreiten ein gedämpftes Licht.

Es dauert nicht lange, bis Judy mit meiner Cola und ihrem O-Saft an den Tisch kommt und sich mir gegenüber hinsetzt.

Wir trinken einen Schluck, dann sieht mich an.

„Also, um noch mal aufs Thema zurückzukommen: Die Leute hier haben nichts gegen dich. Aber wenn die Tochter vom Boss neu anfängt, sind halt alle immer etwas zurückhaltend.“

„Aber ich hab doch schon vor einem halben Jahr angefangen. Und außerdem bin ich doch auch eine ganz normale Angestellte.“

„Na ja, aber du bist halt nicht irgendwer.“

Seufzend verdrehe ich die Augen. „Ja, ich weiß, wer ich bin. Die Tochter vom Big Boss persönlich. Aber ich mache hier trotzdem eine ganz normale Ausbildung. Und durchlaufe deshalb auch alle Stufen. Anfangs war ich im Einkauf, dann im aktiven Verkauf, jetzt in der Auftragsannahme …“

„Und nächste Woche bist du die PA vom CEO himself“, fällt Judy mir ins Wort. „Merkst du selbst, oder?“

Seufzend verdrehe ich die Augen. „Ja, ich weiß, was du jetzt denkst.“

„Ich denke gar nichts, Süße. Mir ist das auch ehrlich gesagt ziemlich egal, ich hab damit kein Problem. Aber wie das auf einige der anderen wirkt, dürfte nicht schwer zu erraten sein.“

„Wie eine Extrawurst, ich weiß, ich weiß … Aber ich kann doch da auch nichts für! Mein Vater … Ach, keine Ahnung. Ich war ja nicht mal wild auf den Job.“

Stimmt. Um ehrlich zu sein, war ich sogar ziemlich entsetzt, als Dad mit dem Vorschlag kam, dass ich meine Ausbildung bei Benkow Security machen soll. Was heißt Vorschlag? Aus seinem Mund klang es wie ein Befehl, und so war es sicher auch gedacht. Das Problem war, dass ich absolut keinen Plan für die Zeit nach der Highschool hatte, und genauso wenig hatte ich Bock den Stress, den meine Eltern schon zu Schulzeiten wegen Bewerbungen und dem ganzen Kram machten. Ja, ich gebe es zu, ich hab die ganze Sache mit Beruf oder Studium nicht wirklich ernst genommen, und das sollte man so natürlich nicht machen, aber zu der Zeit war ich halt so. Und genau deshalb habe ich schließlich Ja zum Vorschlag meines Vaters gesagt. Ich dachte mir halt, wenn ich bei ihm anfange, hat er seinen Willen und ich meine Ruhe … oder so ähnlich. Dann verdiene ich mir was, kann in der Zeit überlegen, was ich später wirklich mal machen will, und habe keinen Stress.

Wobei es noch einen anderen Grund für meinen Entschluss gab, mich dem Willen meines Vaters zu unterwerfen. Einen weitaus bekloppteren, aber auch gewichtigeren Grund, wie ich zu meiner Schande gestehen muss.

„Jedenfalls liegen die Leute ziemlich daneben, wenn sie meinen, dass der Big Boss sein Töchterchen ganz nach oben bringen will, weil er so sehr an sie glaubt“, sage ich mit einem schiefen Grinsen.

„Ach ja?“

„Aber so was von. Ich denke, ich darf mich da eher als so eine Art … Notnagel betrachten.“

Judy trinkt ihre Flasche leer und zieht die Brauen zusammen. „Inwiefern das?“

„Mein Bruder ist jetzt sechzehn. Und wahrscheinlich steht für meinen Vater schon genauso lange fest, dass er es ist, der einmal die Firma übernehmen soll. Bloß ist das eben genau das, was Carl nicht will. Mein Bruderherz ist offenbar fest entschlossen, nach der Schule nach Japan zu gehen, um dort Computerspiele zu entwickeln.“

„Was natürlich in dem Alter noch eine fixe Idee sein kann.“

„Sicher. Wobei er schon ziemlich entschlossen zu sein scheint. Ich meine, hey, wenn mein Bruderherz freiwillig Japanisch lernt, hat das schon was zu bedeuten.“ Ich schüttele den Kopf. „Ist ja auch egal, jedenfalls wird mein lieber Herr Vater die nächsten Jahre nutzen, um Carl umzustimmen und auf den rechten Weg zu bringen, wie er es ausdrücken würde. Und sollte ihm das doch nicht gelingen, muss er halt zu Plan B greifen und mit mir Vorlieb nehmen. Und dann ist es natürlich vorteilhaft, wenn ich schon meine Erfahrungen im Unternehmen gemacht habe. So sieht das Ganze nämlich aus. Und glaub mal nur nicht, dass ich mich darauf freue, ab nächste Woche die PA von diesem alten Griesgram Monty zu sein. Der Kerl wird mir das Leben zur Hölle machen und jede meiner Verfehlungen sofort meinem Vater stecken, da kannst du dich drauf verlassen.“ Ich trinke meine Cola aus und stehe auf. „Willst du auch noch was?“ Fragend deute auf ihre leere O-Saft-Flasche. „Die Runde geht auf mich.“

Sie nickt. „Aber diesmal ein Wasser. Medium.“

„Geht klar.“ Ich kämpfe mich wieder durch die Menge und stelle mich an die Schlange, die sich inzwischen an der Theke gebildet hat.

Während ich warte, höre ich rechts neben mir das Gespräch meiner Kollegen mit an, die eben schon da standen und mich noch gar nicht gesehen haben.

„Nächste Woche kommt der neue CEO schon?“, fragt Ellen aus der Buchhaltung. „Und was ist mit Monty?“

„Fristlos entlassen“, antwortet Nick vom Vertrieb. „Keine Ahnung, was da vorgefallen ist, aber Benkow kocht vor Wut. Monty darf nicht mal mehr das Gebäude betreten.“

„Wow, das ist ja die Neuigkeit des Tages.“

Keine Ahnung, wer das jetzt sagt. Mein Hirn versucht gerade, diese Neuigkeit zu verarbeiten. Monty kein CEO mehr? Soll es wirklich wahr sein? Habe ich endlich mal Glück?

„So neu ist Montys Nachfolger übrigens gar nicht“, höre ich Nick sagen. „Der war schon mal CEO und hat die letzten Jahre die Zweigstelle in Europa betreut. Wood hat …“

Wood? Nathan Wood? Das ist … Nein, das kann einfach nicht … Ich muss mich verhört haben!

Mit zwei Schritten bin ich bei der kleinen Gruppe. „Wie war das?“, mische ich mich in das Gespräch ein. „Wer wird neuer CEO?“

Nick sieht mich grinsend an. „Nanu, hat Daddy dir das etwa noch nicht gesteckt? Müsstest du als die Tochter vom Big Boss nicht …“

„Wer, Nick? Sag es mir einfach, okay?“

„Sagte ich doch eben. Nathan Wood. Er kommt am Wochenende aus Europa angeflogen.“

Nick wendet sich wieder den anderen zu, und ich drehe mich um. Wo bin ich gerade, was wollte ich hier? Keine Ahnung. Ohne noch irgendetwas um mich herum wahrzunehmen, gehe ich zurück zu Judy. Als ich vor dem Tisch stehe, sieht meine Kollegin mich fragend an.

„Willst du nichts mehr trinken?“, fragt sie stirnrunzelnd, während ich wie ein begossener Pudel dastehe. „Und wo ist mein Wasser?“

„Wasser? Was für Wasser?“

„Na, mein …“ Sie hält inne und wirkt nun eindeutig besorgt. „Sag mal, geht’s dir nicht gut?“, fragt sie. „Du bist ja weiß wie die Wand. Komm, setz dich erst mal.“

Doch ich bleibe stehen. „Er kommt zurück“, stammele ich. „Nathan Wood kommt zurück.“

Und die einzige Frage, die ich mir immer wieder stelle, ist, ob er mich genauso vermisst hat wie ich ihn.

 

 

2.

Nathan

 

Mit einem letzten tiefen Stoß und einem lauten Aufschrei ergieße ich mich in Tammy, die im Doggy-Style vor mir kniet, und schließe die Augen. Himmel, was für ein Orgasmus! War aber auch nötig. Eine Woche ohne Sex mag für manch einen Mann nichts Besonderes sein, für mich ist das eine Ewigkeit.

Ich öffne die Augen wieder, blicke noch mal nach unten auf die zwei herrlichen prallen Backen vor mir, gebe auf die rechte noch einen Klaps und ziehe meinen Schwanz dann aus Tammy raus.

Mit einem erleichterten Seufzen lasse ich mich rücklinks auf das breite Bett fallen. „Lieber Himmel, das hat gut getan“, stoße ich hervor.

Tammy, die sich in dem Moment zu mir legt, wobei sie es klugerweise unterlässt, sich an mich anzukuscheln, lacht auf. „Da war ordentlich Druck drauf“, stellt sie fest. „Was war los? Hatte keine deiner anderen Gespielinnen Zeit für dich?“

„Du weißt, dass ich keine anderen festen Gespielinnen habe.“

„Aber so ziemlich jeden Tag einen One-Night-Stand.“ Sie macht eine abwinkende Handbewegung. „Nicht dass mich das stört. Du weißt, dass ich genauso wenig von festen Bindungen und Treue halte wie du.“

Das weiß ich in der Tat. Deshalb passen Tammy und ich ja auch so gut zusammen. Was uns verbindet, ist eine Freundschaft mit dem gewissen Etwas. Wir kennen uns seit der Uni, reden über alles miteinander, und ab und zu treiben wir es miteinander.

„Ich wundere mich bloß, dass du so ausgehungert warst, als du eben reinkamst.“ Sie lacht wieder. „Ich kam ja nicht mal dazu, ‚hallo‘ zu sagen, da hatte ich schon deinen Schwanz im Mund. Und ziemlich gefrustet wirkst du mir auch. Ist es, weil du wieder nach New York musst?“

Ich verdrehe dir Augen. „Hör mir damit auf. Seit ich den Anruf vom Big Boss erhalten habe, kam ich zu gar nichts mehr, schon gar nicht zum Vögeln.“ Ich atme tief ein und wieder aus. „Das muss man sich mal vorstellen, da denkst du, alles läuft perfekt, dann kriegst du einen Anruf und erfährst, dass du nächste Woche wieder nach New York und bis dahin hier alles in trockenen Tüchern haben musst.“

„Aber du bist doch damals extra nach Übersee, um da groß Karriere zu machen, als CEO von diesem Benkow.“

„Um Karriere in den USA ging es mir kein Stück, das weißt du doch.“

Das stimmt. Ich war damals CEO beim Sicherheitsunternehmen Sinclair in Edinburgh. Doch Sinclair, mein Boss, hatte zwei Jahre zuvor abgedankt und die Firma seinem Sohn überlassen – der das ganze Unternehmen dann nach und nach gegen die Wand fuhr. Ich wusste zu dem Zeitpunkt, dass ich von Bord musste, wenn ich nicht mit dem sinkenden Schiff untergehen wollte. Da kam mir das Angebot von Benkow gerade recht. Der wollte mich nämlich als CEO für Benkow Security in New York abwerben, mit dem Hintergedanken, dass ihm helfe, eine Zweigstelle in London zu eröffnen.

Ich fing also in seiner Firma an, und ein Jahr später war es soweit – Benkow zog eine Zweigstelle in London aus dem Boden, deren Leitung ich übernahm. So konnte ich also wieder zurück nach Europa.

„Dass ich jetzt wieder zurück muss, passt mir gar nicht in den Kram“, sage ich. „Ich mag die Amerikaner nicht. Ich bin Europäer, verdammt!“

„Und warum genau musst du jetzt zurück?“

Ich stoße ein Seufzen aus. „Sein CEO hat sich irgendwas erlaubt, ich weiß nicht mal, worum es dabei genau ging. Jedenfalls hat er ihn gefeuert und will nun, dass ich den Karren aus dem Dreck ziehe. Bis dahin muss hier alles auf Vordermann sein, damit mein Nachfolger sich ins gemachte Nest setzen kann. Ich sag dir, mir qualmt der Schädel vor lauter Arbeit.“

„Aber das ist nicht alles, oder?“ Tammy lacht. „Gib’s zu, dir stinkt es vor allem die Nähe zu deinem Boss, wenn du wieder in den Staaten bist. Da musst du aufpassen, in welche Betten du hüpfst.“

Ich lasse einen abfälligen Laut hören. „Wen ich flachlege, geht Benkow ja wohl nichts an.“

„Stimmt. Es sei denn …“

„Es sei denn was?“

„Nun, müsste sein Töchterchen inzwischen nicht alt genug sein, dass du an sie ran darfst?“

„Amy?“, frage ich entgeistert. „Grundgütiger, die ist ein Kind!“

Tammy lacht. „Na, na. Wie alt war sie denn damals? Fünfzehn oder sechzehn? Dann müsste sie jetzt neunzehn oder zwanzig sein.“

„Sag ich doch. Ein Kind.“

„Das lass mal keine Frau in dem Alter hören! Ich meine, ich bin jetzt mit Mitte dreißig in einem Alter, wo ich nichts dagegen habe, für jünger gehalten zu werden, aber mit zwanzig …“

„Tammy, ich bin vierzig. Doppelt so alt wie sie. Ich könnte ihr Vater sein.“

„Viele Männer stehen auf so junge Dinge. Je älter ihr werdet, desto jünger sind eure Geliebten. Ist doch so bei euch Kerlen.“

„Bei mir jedenfalls nicht. Du weißt genau, dass ich nicht auf Frischfleisch stehe. Püppchen, die man noch mit Samthandschuhen anfassen muss, sind nichts für mich.“

Ihr Lachen wird lauter. „Oh ja, das weiß ich sehr wohl. Du hast lieber Frauen, die erfahren sind und einiges wegstecken können. Die mitgehen und gegenhalten und die auch nicht bei jedem etwas festeren Stoß ‚Aua‘ schreien.“ Sie sieht mich von der Seite an und zwinkert. „Und vor allem stehst du auf Frauen, die du nicht erst mit einem Vorspiel auf Touren bringen musst.“

„Ich hasse Vorspiele.“

„Stell dir vor, das weiß ich.“ Sie hält kurz inne. „Aber die Kleine ist in dich verliebt.“

„Sie war in mich verliebt. Oder sagen wir besser, sie war in mich verknallt. Eine Schwärmerei halt.“

„Die du nicht erwidert hast.“

„Genau das.“

„Also hast du der Kleinen das Herz gebrochen.“

Ich winkte unwirsch ab. „Quatsch. Wir haben ja nie drüber gesprochen. Ich habe mir natürlich nicht anmerken lassen, dass ich gemerkt habe, wie sehr sie …“

„Auf dich steht?“

Ich nicke.

„Tja, dann sei dir mal nicht zu sicher.“

„Sicher wobei?“

„Dass sie heute nicht mehr auf dich abfährt.“

„Ich war ein Jahr in den Staaten. Seit ich nach Europa zurückgekehrt bin, sind vier Jahre vergangen. Vier Jahre! Eine solche Zeitspanne mag in unserem Alter nichts sein – für einen Teenager ist das eine Ewigkeit.“ Ich schüttele den Kopf. „Nein, nein, ich bin sicher, sie erinnert sich nicht mal mehr an mich. Und falls doch, wird sie mich einfach als das sehen, was ich bin. Als einen ziemlich alten Mann, der für ihren Vater arbeitet. Was übrigens schon der zweite Grund für mich ist, die Kleine nicht anzurühren.“

„Weil du CEO ihres Vaters bist?“

„Genau das. Was glaubst du, was der mit mir machen würde, wenn ich über seine Kleine rutsche? Ich glaub, da würde mir kein Sicherheitssystem der Welt helfen können.“

„Hört, hört, der große Nathan Wood hat Angst vor einem alten Mann.“

Ich werfe Tammy einen scharfen Blick zu. „Der alte Mann ist gerade mal acht Jahre älter als ich und versteht, wenn es um sein Töchterchen geht, keinen Spaß. Außerdem bin ich daran interessiert, meinen Job in seinem Unternehmen zu behalten.“ Ich setze mich auf, schwinge die Beine über den Rand des Bettes und suche den Boden nach meiner Unterhose ab, die hier irgendwo liegen muss. „Der Lebensstandard, den ich mir dadurch leisten kann, ist mir zufälligerweise viel wert.“

„Auch wenn du dafür jetzt wieder in die Staaten muss?“

Ich finde die Unterhose und ziehe sie mir rasch an. „Was sein muss, muss sein“, erwidere ich. „Aber ich sehe zu, dass ich es irgendwie eingefädelt kriege, rasch wieder nach London zurückkommen zu können. Keine Ahnung, wie ich das anstellen soll, aber mir wird schon was einfallen.“

„Dann gib mal dein Bestes, Cowboy. Ich werde deine unverhofften Besuche hier nämlich ganz schön vermissen.“

„Ich dich auch, das kannst du mir glauben.“

„Wenn das so ist, dann nutze die Gelegenheit doch noch mal richtig aus.“

Sagt sie und spreizt, nackt, wie sie da auf dem Rücken liegt, die Beine.

Tja, das lasse ich mir dann nicht zweimal sagen. Also wieder aus der Unterhose raus – und rein ins Vergnügen.

 

Als die Maschine, die mich ein paar Tage später von London Heathrow nach New York gebracht hat, die endgültige Landeposition erreicht, bin ich gerade ein paar Minuten wach. Solche Langstreckenflüge mögen für viele Menschen eine Belastung sein, für mich keineswegs. Bei mir läuft es nämlich immer so ab: Start, anschließend ein paar Nachrichten checken, dann ein leichtes Essen genießen, anschließend einen Drink – und dann mache ich die Augen zu und schlafe genau so lange, bis der Landeanflug unmittelbar bevorsteht. Wenn ich dann die Maschine verlasse, bin ich fit und ausgeruht wie ein junger Hüpfer.

So wie jetzt.

Was allerdings nichts an meiner miesen Laune ändert. Denn die habe ich noch immer, und zwar ganz einfach deshalb, weil ich eigentlich gar nicht hier in den Staaten sein möchte. Ich meine, ich habe nichts gegen New York. Aber mein Leben in London verlief in geregelten Bahnen. Zwar war ich dort ebenso „nur“ CEO, wie ich es hier schon einmal war und wieder einmal sein werde im Headoffice von Benkow Security, aber es lag halt eine entsprechende Entfernung zwischen mir und dem Boss, was ich immer als recht angenehm empfinde. Zudem habe ich die Zweigstelle in London selbst aufgebaut, war dort mein eigener Herr, alles lag in meinen Händen.

Im Grunde hatte ich da das Sagen. Ab und zu mal ein Videomeeting mit Benkow, ein paar Anweisungen von ihm, das war’s.

Tja, jetzt ich bin also zurück in den Staaten, wo mir der Alte wieder jeden Tag auf den Sack geht. Ganz klasse.

Jetzt beginnt erst mal der übliche Stress nach der Ankunft. Maschine verlassen, Passkontrolle, aufs Gepäck warten … Das Gepäck besteht in meinem Fall lediglich aus einem Trolley mit den wichtigsten Sachen. Meine ganzen anderen Klamotten bleiben in London, ich hab schließlich keine Ahnung, wie lange ich hier bleiben werde, und auf jeden Fall die Hoffnung, dass Benkow nicht auf die Idee kommt, mich dauerhaft hierhaben zu wollen. Irgendwie muss ich es hinkriegen, dass ich lediglich ein halbes Jahr, maximal ein Jahr hier festsitze. Neue Klamotten werde ich mir dann hier anfertigen lassen, und Benkow hat dafür gesorgt, dass ich mein großzügiges Apartment, in dem ich schon damals gewohnt habe und das sich nicht zu weit vom Büro entfernt befindet, wieder bekomme.

Im Flughafen herrscht natürlich ein riesiger Menschenauflauf. Klar, ist ja auch New York. Ist hier nicht anders als in London, höchstens noch schlimmer. Da kann man Business-Class fliegen und im Flugzeug schlafen, so viel man will, sobald man ein paar Minuten im Flughafen ist, ist die Erholung dahin. Die Warterei bei der Passkontrolle, am Gepäckband und beim Zoll nervt dann noch zusätzlich.

Endlich habe ich es geschafft und betrete mit meinem Trolley die Ankunftshalle, wo ich nach Benkow Ausschau halte.

„Mein lieber Nathan, selbstverständlich hole ich Sie persönlich vom Flughafen ab“, hat er überschwänglich am Telefon versichert. Zu meinem Leidwesen, wohlgemerkt. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er mir einfach eine Limousine schicken sollen. Zur Not hätte ich auch ein Taxi genommen. Oder den gottverdammten Bus.

Ja, ich gebe es zu: Ich mache nicht gerade vor Freude einen Purzelbaum, wenn ich Benkow gleich wiedersehe. Sicher, ich habe ihm einiges zu verdanken. Er hat mir damals den Job als CEO hier in seiner New Yorker Firmenzentrale gegeben, und dann ist nicht viel Zeit vergangen, bis er das Vertrauen in mich setzte, eine Zweigstelle in London aus dem Boden zu ziehen und zu leiten. Selbstredend ist mein Gehalt als CEO nicht zu verachten.

Bloß ist Benkow eben ein Mann, der … schwierig ist. Er hat halt seine eigenen Vorstellungen, oft kommen ihm mal eben irgendwelche Ideen, die umgehend umgesetzt werden müssen, am besten gestern, zudem hat er insgesamt eine recht altmodische Vorstellung. So passt es ihm zum Beispiel überhaupt nicht, dass ich als sein CEO mit vierzig nicht längst verheiratet bin.

„Eine häusliche Ehefrau und zwei Kinder täten Ihnen gut, Nathan. So etwas erdet einen erfolgreichen Mann, gibt ihm den nötigen Rückhalt.“

Den Satz durfte ich mir zum ersten Mal vor fünf Jahren anhören, als ich nach dem gemeinsamen Essen mit ihm und seiner Familie bei ihm zu Hause in den Hamptons von ihm ins Arbeitszimmer geführt wurde und wir bei einem Brandy ein „Männergespräch“ führten.

Wie oft ich den Satz seitdem gehört habe, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Zu oft jedenfalls. Er hängt mir mittlerweile ganz schön zum Hals raus.

Ich meine, mal ehrlich. Benkow ist mein Boss – aber das bedeutet nicht, dass ihn mein Privatleben irgendetwas anginge. Nicht, dass er mir besonders viel davon lässt. Die meiste Zeit verbringe ich nämlich damit, seine europäische Niederlassung in Schwung zu halten.

Tja, und was mich jetzt hier in New York erwartet … Ich habe keine Ahnung. Aber die Tatsache, dass ich praktisch in London alles stehen und liegen lassen musste, spricht nicht unbedingt dafür, dass mich hier ein ruhiges Leben erwartet. Irgendetwas ist im Busch, zumal mein Nachfolger und jetzt auch Vorgänger anscheinend fristlos entlassen wurde.

Aber noch mal zu der Sache mit den Privatleben, dass das meine Sache ist und so. Meiner Erfahrung nach ist es vollkommen illusorisch, irgendeinem Chef so etwas zu vermitteln zu versuchen. Für die bist du ihr Angestellter – und zwar 24/7. Und eigentlich habe ich damit auch kein Problem. Freizeit wird überbewertet. Ehrlich, wenn ich mal einen ganzen Nachmittag frei habe, weiß ich meistens gar nichts mit mir anzufangen. Ich bin ja nun auch keine zwanzig mehr, wo man noch feiern geht und seine Zeit mit irgendwelchem unnützen Kram vergeudet. Ein gutes Essen und ein guter Fick, mehr brauche ich nicht als Ausgleich zum stressigen Berufsalltag.

Suchend lasse ich meinen Blick erneut durch die Empfangshalle schweifen. Ich bin ziemlich groß, sodass ich über die Köpfe der meisten Menschen hinwegsehen kann. Und auch wenn es schon wieder eine ganze Weile her ist, dass ich ihn persönlich getroffen habe, ich würde Benkow unter Tausenden wiedererkennen.

Und deshalb bin ich auch absolut sicher, dass er nicht hier ist.

Na, das fängt ja gut an!

Warum er mich unbedingt selbst abholen muss, ist mir schleierhaft. Das konnte ja nur schiefgehen. Der Mann ist als Ingenieur erste Klasse, und was das Geschäftliche betrifft, kann man ihm auch nichts vormachen. Aber was alles andere angeht, kommt er mir manchmal wie ein zerstreuter Professor vor.

Es sollte mich also wirklich nicht wundern, dass er nicht aufgetaucht ist. Tut es auch nicht. Aber es ärgert mich trotzdem.

Also dann eben ein Taxi.

Ich ziehe den Griff meines Trolleys hoch, drehe mich um – und pralle gegen etwas Weiches.

Nein, Korrektur: gegen jemand Weiches.

Und besagter Jemand stolpert und landet auf allen Vieren vor mir auf dem hellen Marmorboden der Lobby.

Das Erste, was mir auffällt ist, dass es sich ganz eindeutig um einen weiblichen Jemand handelt. Was für ein Hintern! Nicht zu groß, nicht zu klein, prall und wohlgeformt. Genauso, wie ich es mag.

„Können Sie nicht aufpassen, wohin Sie laufen?“

Die erboste Stimme holt mich ziemlich abrupt wieder in die Realität zurück. Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja. „Ich? Sie sind doch geradewegs in mich reingerannt.“

Die Frau richtet sich auf und klopft sich – vermutlich imaginären – Schmutz von der Hose. Dabei schnaubt sie und schüttelt den Kopf. „Ein Engländer, war ja klar. Ihr redet alle, als wäret ihr mit dem goldenen Löffel im Mund geboren, aber am Ende seid ihr doch nur eins: Männer.“

Das klingt jetzt fast schon bitter. Da hat wohl jemand schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht. Nicht, dass mich das etwas anginge.

Oder dass es mich interessieren würde.

Verdammt, was ist mit mir los? Jetzt ärgere ich mich über mich selbst. Und an wem lasse ich das aus?

Zu meiner Verteidigung, normalerweise bin ich gar nicht so. Aber hinter mir liegt ein langer Flug, und auch wenn ich geschlafen habe und ausgeruht bin, so will ich jetzt einfach nur in mein neues altes Zuhause. An Flughäfen ist es immer stressig, ach was. Ganz New York ist stressig. Ich brauche etwas zwischen die Zähne, eine heiße Dusche und ein Bett – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Außerdem ärgere ich mich noch immer darüber, dass mir dieser verflixte Hintern nicht aus dem Kopf geht!

„Sie müssen es ja wissen“, knurre ich. „Ach übrigens, ich bin Schotte, kein Engländer. Und hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Vorurteile unfassbar unsexy sind?“

„Und wer sagt, dass ich es darauf anlege, sexy zu sein?“ Die Frau dreht sich zu mir um, ihr rotblondes Haar fliegt – und mir stockt der Atem.

Mein Gott, was für eine Schönheit! Ein heller Teint mit einem Hauch von Sommersprossen, strahlendblaue Augen und lange feine Wimpern, die denselben Kupferton besitzen wie ihr Haar, das sich glatt und glänzend über ihre schmalen Schultern ergießt.

Sie ist jung, das sieht man auf den ersten Blick.

Jung – aber zu jung?

Ich schüttele den Kopf über meinen eigenen Gedanken. Ich stehe nämlich eigentlich gar nicht auf junge Dinger, wie ja schon bekannt sein dürfte. Ich bevorzuge Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, Lebenserfahrung besitzen und im Bett wissen, was sie tun. Na ja, vor allem Letzteres ist mir wichtig. Unterhaltungen führe ich mit meinen Bettgespielinnen ohnehin nie, außer noch mit Tammy.

„Oh, Fuck!“

Wieder ist es ihre Stimme, die mich auf den Boden der Tatsachen zurückkehren lässt. Die Kleine starrt mich an, so als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen. Beinahe fühle ich mich versucht, zu überprüfen, ob noch alles beim Alten ist.

„Was ist?“ Ich runzele die Stirn. „Habe ich irgendwas im Gesicht?“

Sie geht gar nicht darauf ein. „Nathan Wood!“

Die Falte auf meiner Stirn vertieft sich. „Moment mal, woher kennen Sie meinen Namen?“

„Du erkennst mich nicht“, stellt sie fest.

Schnellmerkerin. Das dürfte ja wohl offensichtlich sein. „Sind wir uns denn schon mal begegnet?“

Sie hebt eine Braue. „Amy. Amy Benkow.“

Jetzt bin ich es, der beinahe laut flucht. Amy? Benkows kleine Tochter? Mir wird ganz schlecht. Gott, wie alt mag sie jetzt sein? Das letzte Mal, als ich sie gesehen habe, war sie auf jeden Fall noch ein schlaksiger Teenager mitten in der tiefsten Emo-Phase. Zwanzig, genau. So alt müsste sie jetzt sein.

„Holy Shit! Da hat sich aber jemand verändert.“

Offenbar habe ich das in meiner Überraschung laut ausgesprochen, denn ihre Mundwinkel zucken ein wenig, und sie lächelt beinahe. „Kann schon sein. Und du hast dich in den vergangenen vier Jahren auch ziemlich verändert.“

„Ich hoffe, das ist jetzt positiv gemeint?“

„Kein Stück. Ich habe dich jedenfalls als … nett in Erinnerung. Als netten älteren Mann.“

Älteren Mann? Also …

„Jetzt bist du ein überheblicher und arroganter alter Mann.“

Ich halte mal kurz die Luft an. Die Kleine ist nicht auf den Mund gefallen, das muss man sagen. Wenn ich mich recht erinnere, stand ich damals mit ihr eigentlich auf recht gutem Fuße. Sie hat mich halt ziemlich angehimmelt und jede Chance genutzt, mich zu sehen. Wahrscheinlich war es auch ein Fehler, nett zu ihr zu sein. Ich habe ihr zugehört und sie auch mal vor ihrem Vater in Schutz genommen. Da hat sie sich wohl Hoffnungen gemacht.

Dann bin ich ab nach London und habe seitdem nie wieder mit ihr gesprochen. Ob sie mir das irgendwie übelnimmt? Aber sie wird sich doch wohl denken können, dass ein erfolgreicher, vermögender und attraktiver Mann in meinem Alter nicht mit einem Kind … Aber ist jetzt ja auch unwichtig. Sie ist die Tochter vom Boss, und damit sowieso tabu.

„Ich bin übrigens hier, um dich abzuholen“, spricht sie weiter. „Dad ist etwas in der Firma dazwischengekommen. Aber keine Sorge, er wird rechtzeitig zum obligatorischen Familienessen wieder zurück sein. Also, können wir?“

„Was? Wohin?“

„Na, zu meinem Wagen. Ach, und wenn wir zu Hause sind, steht da auch schon dein neuer Firmenwagen bereit. Du kannst dann dein Gepäck umladen und dich nach dem Essen auf den Weg in die City machen. Schickes Teil übrigens, der Wagen. Damit würde ich auch gern mal eine Runde drehen.“

Eine Runde drehen würde ich mit Amy auch nur allzu gern …

Verdammt, wo kam denn der Gedanke jetzt her?

Ich kann nur hoffen, dass ich Amy für die Dauer meines Aufenthalts in New York größtenteils aus dem Weg gehen kann. Denn irgendwie habe ich das beunruhigende Gefühl, dass ich in ihrer Gegenwart nur allzu schnell die Kontrolle verlieren könnte.

Und das darf auf keinen Fall passieren.

 

Als ich vor fünf Jahren zum ersten Mal bei den Benkows vor der Tür stand, war es Amy, die mir geöffnet hat.

Amy Benkow, Tochter des Mannes, der mich eingeladen hatte, um mich für sein Unternehmen zu gewinnen.

Amy Benkow, gerade mal fünfzehn Jahre alt, ein nettes, freundliches, ein bisschen schüchternes Mädchen, das sich eindeutig noch nicht selbst gefunden hatte.

Als ich jetzt wieder vor Benkows Villa vorfahre, ist das ein bisschen wie ein Déjà-vu für mich – mit dem Unterschied, dass ich nicht hinter dem Steuer meines Wagens sitze, sondern Beifahrer bin. Und hinterm Lenkrad – ganz dicht neben mir – sitzt Benkows kleine Tochter. Fünf Jahre älter, deutlich gereift, eine junge Frau, die sich inzwischen eindeutig selbst gefunden hat.

Und deren Nähe meine Hose enger werden lässt.

Verdammt, ja, mein Schwanz ist hart. Während der ganzen Fahrt schon. Ich weiß nicht, woran es liegt. Amy ist eigentlich nicht mein Typ. Viel zu jung.

Die Betonung muss wohl auf dem Wort eigentlich liegen. Denn aus irgendeinem Grund macht die Kleine mich tierisch an.

Das Parfüm, das sie aufgetragen hat, ist so … erwachsen. Die Art, wie sie sich gibt, ist so … erwachsen. Und das, obwohl sie zumindest auf den ersten Blick keinen Tag älter aussieht, als sie tatsächlich ist. Eher sogar jünger.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739477848
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Dezember)
Schlagworte
Liebesroman Millionär Workplace Romance erotische Romane chic-Lit Office Romance deutsch young adult Spannung New Adult Humor Erotik Dark Romance

Autor

  • Lila Meier (Autor:in)

Lila Meier ist eine junge Autorin aus dem Ruhrgebiet, die vor allem zwei Dinge liebt: Schokolade und Bücher. Schon seit Schulzeiten liest sie alles, was sie in die Finger bekommt, vor allem aber Romances. Und da sie ebenso gern schreibt wie liest, aber keine Lust hat, sich an die engen Vorgaben der Verlage zu halten, hat sie nun beschlossen, ihr Glück als Selfpublisherin zu versuchen.
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