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How to steal a millionaire

von Melody J. Rose (Autor:in)
95 Seiten

Zusammenfassung

Tessa hat kein schlechtes Gewissen, als sie sich auf Max Valentines Party einschleicht, um ihm ein Gemälde zu stehlen. Schließlich ist er Millionär und hat ihr einst das Herz gebrochen. Seit sie vor zehn Jahren aus Portland abgehauen ist, verdingt sie sich als Kunstdiebin. Das Werk von Édouard Manet zu stehlen, sollte ihre letzte Nummer werden. Doch ihr Plan geht nicht auf und Max erwischt sie auf frischer Tat. Um einer Anzeige zu entgehen, würde Tessa alles tun und Max sieht seine Chance gekommen, mit ihrer Hilfe seinen kürzlich ruinierten Ruf wiederherzustellen. Kann Tessa seine Forderung erfüllen und für ein paar Tage die ihn liebende seriöse Verlobte spielen, ohne ihr Herz erneut an Max zu verlieren?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Ich war mir sicher, Max Valentine konnte es verschmerzen, wenn ich ihn um ein einziges Gemälde erleichterte. Daher hatte ich überhaupt kein schlechtes Gewissen, was diesen Auftrag anging.

Wir befanden uns in einem Vorort von Seattle, wo die reichen Snobs ihre Privatsphäre genossen. Auch dieses Grundstück war komplett eingezäunt. Nur zum Meer hin war es offen, aber dort erstreckte sich die Steilklippe und sogar ich wagte mich nicht dort hoch. Aus dem Fenster des Wagens spähte ich auf den wundervollen Garten, in dem sich die Gäste des Empfangs tummelten. Dies war meine einzige Chance, ins Haus zu kommen.

„Worauf wartest du?“, fragte Caleb von vorne. Ich zog meine Strumpfhose zurecht, öffnete den obersten Knopf meiner weißen Bluse und schob den schwarzen Rock, der zu meiner Kellneruniform gehörte, noch ein Stück höher. Dann stieg ich aus. Noch einmal drehte ich mich zu Caleb um. Neben ihm saß Petruschka, sein treuer Beagle und sah mich erwartungsvoll an. Ich streichelte ihm über den Kopf.

„Wünscht mir Glück“, flötete ich.

Caleb schnaubte nur. „Vermassel es bloß nicht, Tessa!“

Ich warf ihm einen genervten Blick zu. Er brauchte mich nicht daran zu erinnern, wie wichtig dieser Auftrag war. Wir brauchten das Geld dringend, um unsere Schulden bei Dimitri zu bezahlen.

Noch einmal ging ich sicher, dass mich niemand gesehen hatte, lief auf das Grundstück zu und pfiff durch die Zähne. Das Haus, das ich zwischen den Tannen ausmachen konnte, war beeindruckend. Modern, mit breiter Glasfassade. Perfekt in die Landschaft eingefügt. An die dreihundert Quadratmeter groß. Es bestand aus zwei Ebenen, die rechte lag höher und war direkt auf den Felsen gebaut. Sicher hatte es ein Stararchitekt entworfen.

Aber ich war nicht hier, um das Haus zu bewundern und auch nicht, um mir über Max Gedanken zu machen. Allein der Auftrag zählte, rief ich mir in Erinnerung. Schnell lief ich zum Personaleingang.

„Susan“, stellte ich mich meinem heutigen Chef vor, als ich das Catering-Zelt betrat. „Ich bin hier für ...“

„Ja ja. Gut, dass du einspringen konntest.“ Er drückte mir eine Platte mit Häppchen in die Hand und ich ging damit auf die Gäste zu. So leicht war es, sich auf Max Valentines Empfang einzuschleichen. Gut, ich hatte drei der bei der Catering-Agentur angestellten Kellnerinnen in den letzten Tagen angerufen und sie mit einer hanebüchenen Geschichte davon überzeugt, dass sie sich heute krank meldeten. Punkt eins meines Plans hatte reibungslos funktioniert. Lächelnd bot ich den Gästen die Häppchen an und nahm selbst eins mit exquisitem Kaviar. Es schmeckte köstlich. Als ich den strengen Blick einer anderen Helferin einfing, mahnte ich mich jedoch dazu, professionell zu bleiben. Ich musste mir das Gelände einprägen und einen Weg ins Haus finden. Der Empfang fand als eine Art Charity-Event statt. Max leitete eine Stiftung für den Naturschutz, um sein öffentliches Image zu pflegen und hatte all diese reichen Leute eingeladen, damit sie ein wenig spendeten. Wahrscheinlich wollten sie in Wirklichkeit nur diesen genialen Ausblick aufs Meer genießen. Oder sich herausputzen und auf Männerfang gehen, so wie die beiden total überschminkten Frauen vor mir, die es auch mit Schönheitsoperationen ziemlich übertrieben hatten. Aber wer war ich, sie zu verurteilen? Jedem das Seine. Es gab zugegebenermaßen einige attraktive Kerle hier. Die meisten allerdings mindestens zwanzig Jahre älter als ich. Dabei war Max doch gerade erst neunundzwanzig. Hatte er keine reichen Freunde in seinem Alter? Nun, es wurde wohl nicht jeder so jung zum Millionär.

Wir waren zusammen zur Schule gegangen, in Portland. Ich hatte immer gewusst, dass Max es weit bringen würde. Jeder hatte das gewusst. Aber dass er so schnell zum Millionär wurde ... Er hatte eine Software entwickelt und sie verkauft. Seitdem brauchte er praktisch nicht mehr zu arbeiten. Es war nicht so, dass ich es ihm nicht gönnte. Max war in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, seine Mutter hatte ihn allein aufgezogen. Sein Vater war gestorben, als er sechzehn war. Aber er hatte mir auch das Herz gebrochen und seitdem ging er mit den Frauen nicht besser um, wenn man der Klatschpresse glauben durfte.

Als ich mir ein neues Tablett holte und damit so unauffällig wie möglich aufs Haus zusteuerte, kam mir der Catering-Chef entgegen. „Hey, Susann. Da bist du ja. Wir brauchen Verstärkung bei den Getränken. Kannst du Cocktails mixen?“

„Ähm ich ...“ Bevor ich sagen konnte, dass ich das nicht konnte – was außerdem eine glatte Lüge wäre – hatte er mich bereits zum Getränkestand geführt und lief weiter.

„Beeil dich!“, rief mir ein Kollege zu. Er mixte so schnell Cocktails, dass mir beim Zusehen schwindlig wurde. Am Stand hatte sich eine Schlange gebildet, nur eine Handvoll Leute. Aber so reiche Menschen wollten offenbar nicht warten.

Das passte nicht in meinen Plan. Wie sollte ich jetzt zum Haus kommen? Eigentlich hatte ich vorgehabt, mich ums Haus herum zum Terrasseneingang zu schleichen. Aber mein Kollege würde es sofort bemerken, wenn ich meinen Posten verließ. Also setze ich ein Lächeln auf und wandte mich an den nächsten durstigen Kunden. Bald mixte ich einen Drink nach dem anderen und hatte keine Zeit, zwischendurch innezuhalten und einen Plan zu schmieden.

„Sunrise, bitte“, erklang eine männliche Stimme. Ich sah kaum auf und mixte den Cocktail. Erst als ich das Glas an den Gast reichte, trafen sich unsere Blicke. Unglauben spiegelte sich in seinem Blick.

„Tessa? Tessa Morgan?“

Ich starrte den Mann vor mir nur an. Er hatte leicht dunkle Haut, krauses Haar und sanfte Augen. Er war ordentlich gewachsen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte.

„Simon?“, fragte ich.

„Verdammt, wie lange ist das her?“

„Ähm zehn Jahre?“ Zuletzt hatte ich Simon an meinem letzten Schultag gesehen. Ich war erstaunt, dass er mich überhaupt erkannte. Hatte ich mich denn nicht verändert? Ich hatte Simon immer gemocht und unter anderen Umständen hätte ich mich gefreut, ihn zu sehen. Jetzt jedoch passte es mir überhaupt nicht. Die Möglichkeit, dass mich hier jemand erkennen könnte, war mir bewusst gewesen, schließlich war ich in der Nähe aufgewachsen. Aber ich hatte einfach angenommen, dass Max inzwischen andere Freunde hätte.

„Und du arbeitest hier?“, fragte Simon belustigt.

„Sieht so aus.“ Ich mixte den nächsten Drink, da mir mein Kollege schon missbilligende Blicke zuwarf.

„Mensch, das muss ich sofort Max sagen.“

„Warte ...“, rief ich ihm nach. Doch er hörte mich nicht mehr. Verdammt, wenn Max mich sah, konnte das alles gefährden. Sicher, auch an diese Möglichkeit hatte ich gedacht. Aber ich hatte die Menschen um mich immer im Blick behalten, bereit mich zur Seite zu drehen, wenn er auftauchte. Darin hatte ich schließlich jahrelange Übung. Und selbst wenn er mich sah, er wusste nichts darüber, was ich jetzt machte. Aber ich war immerhin hier, um ihn auszurauben und plötzlich war mir die Vorstellung, ihm zu begegnen absolut unangenehm. Also rief ich meinem Kollegen zu, ich müsste ganz dringend zur Toilette und rannte in Richtung des Schildes, das die WCs auswies. Doch kurz bevor ich die Tür zum Schuppen erreichte, wo sich offenbar die Gäste-WCs befanden, traten mir zwei Männer in den Weg.

„Tessa!“, erklang eine tiefe Stimme vor mir. Ich hob den Blick und es traf mich wie ein Schlag. Max stand vor mir. Und auch wieder nicht. Nicht der Max, den ich in Erinnerung hatte. Nicht der Siebzehnjährige, nicht der Nerd mit der Brille und den immer verwuschelten Haaren. Den Star-Trek-Shirts und den zerrissenen Jeans.

Stattdessen ein Mann in schwarzem Anzug und Krawatte, an die einsachtzig groß, mit kräftigen Schultern und ausgeprägteren, erwachseneren Zügen. Ein kurzer Bart umgab sein Kinn. Seine braunen Augen bohrten sich in meine.

„Mein Gott, Tessa!“ Er schien nicht glauben zu können, dass ich vor ihm stand. Ich sollte etwas sagen, irgendetwas, aber mir fehlten die Worte. Ich hatte mir ein Foto von ihm angesehen, ich hätte wissen müssen, wie er aussah. Aber irgendwie war es etwas ganz anderes, so direkt vor ihm zu stehen. In seinem Blick lagen so viele Emotionen, mit denen ich nicht gerechnet hatte.

„Max ...“, stammelte ich. Ich hatte Simon ganz vergessen, der nun Max auf die Schulter schlug und sich verabschiedete. So blieb ich allein mit Max zurück und obwohl um uns herum Trubel herrschte, Stimmen und Gelächter an mein Ohr schwemmten, fühlte ich mich, als wären wir allein.

„Tessa“, sagte Max noch einmal meinen Namen. So wie nur er ihn aussprach. Das S so sanft und weich.

„Ich ... ich muss zum Klo“, sagte ich schnell und spürte, wie ich rot wurde. Ich hastete in Richtung der Toiletten, doch Max folgte mir.

„Warte! Ist es dir etwa peinlich, hier zu arbeiten?“

Wenn er nur wüsste ... ich drehte mich zu ihm um.

„Überhaupt nicht. Kann ja nicht jeder Millionär sein.“ Ich lächelte und verschwand hinter der Damentoilette. Hierher würde er mir hoffentlich nicht folgen. Ich musste aber eigentlich gar nicht und so klatschte ich mir einfach kaltes Wasser ins Gesicht. Dann blickte ich in den Spiegel. Mein Zopf hatte sich ein wenig gelöst, aber meine blonde Perücke saß fest. Darunter schwitzte ich und musste den Drang unterdrücken, sie zu lösen und mich zu kratzen. So sollte eine Kellnerin auf so einem Empfang nicht aussehen. Ich richtete meine Frisur und zog den Lippenstift nach. Schon viel besser. Ich schenkte mir selbst ein Lächeln. Du schaffst das, Tessa! Ich atmete tief durch. Jetzt musste ich nur noch ins Haus kommen. Caleb würde die Rolle mit dem Bild im Flur hinterlegen. Er hatte sich letzte Woche als Postbote verkleidet und herausgefunden, dass Post und Pakete hier in einem Fach im Flur landeten. Sobald ich ihm ein Zeichen gab, würde er es einwerfen und ich musste es nehmen, bevor es jemand anderes fand.

Als ich aus den Schuppen treten wollte, hielt ich abrupt an. Max stand immer noch da und schien auf mich zu warten. Er spielte mit einem schwarzen Collie-Mischling, der wild an einem Spielzeug zerrte. Noch hatte er mich nicht bemerkt. Schnell lief ich zum anderen Ausgang. Dann einmal um den Schuppen herum und direkt in die Arme meines Chefs. Er sah mich mit einem Blick an, der mich sofort zusammen zucken ließ.

„Was machen Sie hier? Gehen Sie zurück an die Arbeit!“

Ich murmelte, dass ich nur auf der Toilette war und lief notgedrungen zurück zur Bar. Er ließ mich nicht aus den Augen, bis ich meine Aufgabe wieder aufnahm und Getränke ausgab. Innerlich seufzte ich. Caleb wartete sicher schon ungeduldig auf mein Zeichen. Aber ich kam hier einfach nicht weg. Ich mixte einen Cocktail nach dem andern und lächelte dabei. Damals, nachdem ich aus Portland abgehauen war, hatte ich eine Weile als Kellnerin gearbeitet. Daher fiel es mir nicht allzu schwer, mich als solche auszugeben und die Arbeit ging mir leicht von der Hand. Besonders, wenn ich daran dachte, dass ich am Ende mit zweihunderttausend Dollar belohnt werden würde. Doch so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich hatte mich hier einschleichen und dann so schnell wie möglich einen Weg ins Haus suchen wollen. Aber der Catering-Chef und meine Kollegen waren einfach immer in der Nähe. Normalerweise wäre mir jetzt etwas eingefallen, um das Problem zu lösen. Improvisieren war meine Stärke. Aber die Begegnung mit Max hatte mich ganz durcheinander gebracht und mir fiel keine Ausrede ein, mit der ich mich davon machen konnte. Ich könnte mich krank stellen, behaupten, ich wäre von einer Biene gestochen worden und wäre allergisch. Doch das würde nur Aufmerksamkeit auf mich ziehen und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Catering-Chef wieder in dem Moment auftauchen würde, wenn ich versuchte, mich ums Haus zu schleichen. Ich seufzte. Es blieb mir wohl nichts anderes übrig, als zu warten, bis es leerer wurde und ich mich irgendwo verstecken konnte.

Als die Schlange vor meinem Stand endlich abriss, nutzte ich die Gelegenheit, Caleb eine Nachricht zu schreiben.

Gegen Abend lichtete sich die Zahl der Gäste. Die Luft kühlte merklich ab. Ich wischte mir mit einer Serviette den Schweiß von der Stirn. Ich würde einen Moment brauchen, um meine Konzentration zu sammeln, bevor ich einen Versuch wagen konnte, die Sicherheitsanlage auszuschalten. Ich hatte sechs Stunden ohne Pause gearbeitet. Wann war meine verfluchte Schicht endlich zu Ende? Als hätte er darauf gelauert, mich allein zu erwischen, kam Max auf mich zu.

„Du siehst erschöpft aus“, sagte er.

„Danke.“

Er verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Ich wollte nur nett sein und deinem Chef sagen, dass er dir frei geben soll.“ Wäre ich eine echte Kellnerin, ich hätte das Angebot aus Solidarität zu meinen Kollegen abgelehnt. Aber diese würde ich nie wieder sehen.

„Gerne“, sagte ich deshalb erleichtert.

Max wandte sich an den Catering-Chef, der zwar das Gesicht verzog, aber zustimmte.

„Komm“, sagte Max und legte mir wie selbstverständlich eine Hand auf den Rücken.

„Ich möchte dir etwas zeigen.“ Doch nicht etwa das Bild, den Manet, den ich stehlen wollte?

Seit Monaten verfolgte ich das Bild, weil ein anderer Sammler es auf eben dieses Gemälde abgesehen hatte.  Max hatte es ihm bei der Auktion vor zwei Wochen weggeschnappt. Er hatte fast eine Million dafür gezahlt. Und wenn ich ihm den Manet wieder abnahm und an den Sammler verkaufte, würde für mich da ein hübsches Sümmchen bei abspringen. Würde ich jetzt endlich das Original sehen? Mein Herz schlug schneller. Aber er führte mich weg vom Haus, quer durch den Garten und ignorierte alle, die ihn auf dem Weg ansprechen wollten.

„Was willst du mir zeigen?“, fragte ich ungeduldig.

„Wirst du gleich sehen.“ Er lächelte und wir erreichten das Ende des Grundstücks. Vor uns lag das Meer. Ich atmete tief die salzige klare Luft ein. Eine Brise durchdrang meine Bluse und erfrischte mein überhitztes Gehirn. „Die Aussicht ist wundervoll.“

„Das ist der Grund, warum ich das Haus hier gebaut habe. Gefällt es dir?“

Er sagte es, als sei ihm meine Meinung wirklich wichtig. Ich ließ meinen Blick zurück zum Haus, über den Garten und schließlich über die traumhafte Aussicht gleiten. Ein Steilhang führte hinunter zum Meer. Der Strand war steinig. Im Osten wurde die Klippe von einem Wald gesäumt.

„Es gefällt mir sehr. Es passt zu dir.“

„Komm, unten ist es noch schöner.“

Max schloss ein Tor auf und ich folgte ihm den Weg entlang zu einer steilen Treppe. Wir kletterten herunter zum Strand. Max blieb stehen und sah mich an. Er schüttelte den Kopf. „Tessa. Wo warst du die letzten zehn Jahre?“

Wie sollte ich ihm das nur erklären? Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder.

„Es ist viel passiert“, sagte ich schließlich.

Ich zog meine Schuhe aus und balancierte auf den Steinen zum Wasser, lief hinein. Angenehme Kälte umspülte meine Füße. Es war eine Ewigkeit her, seit ich mir für so etwas Zeit genommen hatte.

Der Anblick des Meeres berührte mich jedes Mal. So unendlich, eine Weite, die man nicht fassen konnte. Und ich dagegen klein und unbedeutend.

„Weißt du noch, unser Ausflug mit Dads Wohnmobil? Als ich den Strand hier gesehen habe, hat er mich an den bei Carmel erinnert.“

Ich lachte auf. „Ja. Du hast dich ständig darüber beschwert, dass es kaum Sand gab und dass überall Mücken waren.“ Ich sah mich zu Max um. Er lächelte.

„Es war ein schöner Urlaub. Ein schöner Sommer.“

„Das war es.“ Das erste Mal war ich für eine Woche von zu Hause weg. Max hatte seinen Dad überredet uns seinen Wohnwagen zu leihen und wir waren damit an der West-Küste entlang gefahren, hatten dort gehalten, wo es uns gerade gefiel. Es hatte uns einander näher gebracht, diese Zweisamkeit. Nächte vor dem Lagerfeuer, aneinander gekuschelt unter der Decke hatten wir uns Geschichten erzählt. Unsere intimsten Gedanken geteilt. Es war wie ein anderes Leben. Wahrscheinlich erlebte man so etwas nur mit Sechzehn, unbeschwert, ohne schlechte Erfahrungen. Zwei Monate später war Max‘ Vater gestorben. Damals hatte sich für uns beide alles geändert. Dieser Sommer am Meer war der letzte für uns gewesen, wo wir noch unbeschwert und kindlich gewesen waren.

„Du wurdest von einem Krebs gebissen, weißt du noch?“

„Ja. Das hat höllisch wehgetan!“

Ich lachte und Max knuffte mich in die Seite. Als wären wir immer noch Sechzehn.

„Ich habe immer gehofft, dich irgendwann wiederzusehen“, sagte er unerwartet ernst. Ich sah zu ihm. Er kickte Steine ins Wasser, sah mich nicht an.

„Niemand wusste, was aus dir geworden war.“

Ich atmete tief durch. „Ich weiß. Ich ... ich brauchte das. Einen Neuanfang.“

„Ich verstehe“, aber es klang nicht so, als täte er das wirklich. Wie sollte er das auch verstehen? Er wusste nichts über mich.

„Ich habe deine Mutter im Gefängnis besucht. Sonst hätte ich überhaupt nicht gewusst, ob du noch lebst.“

Ich sah Schmerz und Enttäuschung in seinen Augen. „Es tut mir leid. Ich musste einfach weg.“ Damals war ich abgehauen, hatte nur meiner Mutter Briefe geschrieben. Aber ich hatte nicht erwartet, dass es Max so sehr verletzt hatte, dass er immer noch daran dachte.

„Hast du denn kein gutes Leben hier?“

„Gutes Leben? Na ja. Ich habe viel erreicht. Aber was ist mit dir?“

„Ach, bemitleide mich nicht, weil ich es nur zur Kellnerin gebracht habe. Ich habe viel erlebt.“

„Ja, das kann ich mir vorstellen.“

Ich bezweifelte, dass er das konnte. Er würde sich nicht im Traum ausmalen, wie mein Leben wirklich aussah.

„Komm, lass uns zurückgehen. Ich möchte dir noch etwas zeigen. Es wird dir gefallen.“

Wir stiegen die Treppe hoch und gingen zurück zum Haus. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich jetzt meine Chance bekam.

„Also, sag schon, was willst du mir zeigen?“

Max behielt seine Hand auf meinem Rücken und führte mich Richtung Haustür.

„Warum bist du wieder hier?“, fragte Max. „Sag nicht, es ist ein Zufall, dass du hier arbeitest.“

„Tut mir leid, dich zu enttäuschen, aber es ist ein Zufall. Ich bin kurzfristig eingesprungen, eigentlich wollte ich es vermeiden, hier zu arbeiten.“

Er blieb abrupt stehen und seine Augen verengten sich. „Warum?“, fragte er. Eine Frage, aus der aufrichtige Verletzung sprach. Warum hatte ich ihn nicht sehen wollen? Warum hatte ich mich nie gemeldet? Warum war ich damals ohne ein Wort abgehauen? Ich schluckte, öffnete die Lippen und fand keine Worte. Zum Glück erschien Simon in dem Moment. „Hey Tessa! Zeigt Max dir das Haus? Du wirst es lieben! Bis später!“ Er hielt sein Glas hoch und verschwand wieder in der Menge.

Max führte mich direkt in einen großen offenen Raum. Ein Wohnbereich mit integrierter Küchenzeile an der Seite. Die Wand zum Meer hin bildete eine breite Glasfront. Alle Möbel waren Designerstücke, aber keines war protzig, wie ich es oft in den Häusern der Reichen gesehen hatte. Helle Holzmöbel kombiniert mit braunem Leder und sandfarbenen Fliesen in der Küche erzeugten eine gemütliche Atmosphäre. Entweder besaß Max Stil oder einen verdammt guten Innenarchitekten. Es gefiel mir. Dann wanderte mein Blick hoch. Die Decke war mindestens vier Meter hoch. Eine Galerie erstreckte sich auf der linken Seite. Eine Treppe führte in den zweiten Stock.

„Hm, dein Geschmack hat sich verändert“, bemerkte ich.

„Nun, ich bin nicht mehr derselbe Mann wie damals“, sagte Max schmunzelnd.

„Damals warst du überhaupt kein Mann. Du warst siebzehn.“

Max verzog gespielt beleidigt den Mund. „Über zehn Jahre und du bist immer noch genauso schnippisch.“

„Einige Dinge verändern sich nie.“ Ich grinste und spürte seinen Blick auf mir. Er schien mich durchdringen, hinter meine Fassade blicken zu wollen. Ich schluckte und wandte den Blick ab.

„Und warum hast du mich ins Haus gebeten? Wolltest du mir zeigen, wie weit du es gebracht hast?“

Er zog die Augenbrauen zusammen. Offenbar hatte ihn die Bemerkung getroffen. „Nein, Tessa. Und du weißt, dass ich nicht so bin. Ich möchte dir ein Bild zeigen, allein. Ich weiß, dass es dir gefallen wird.“

Endlich. Was für eine bessere Gelegenheit konnte es geben? Nur dass ich Caleb noch nicht das Signal gegeben hatte, um die Fälschung ins Haus zu schmuggeln. Wie sollte ich jetzt nur daran kommen?

„Das wäre fantastisch“, flötete ich. „Entschuldige mich nur einen kurzen Moment. Ich muss zur Toilette ...“

Ich hastete raus und tippte eine Nachricht an Caleb. Er kam keine Minute später, hatte schon gewartet. Ich band mir ein Tuch um die Stirn, zog eine Schürze unter meinem Rock hervor und ließ sie darüber hängen. Dann setzte ich mein Dienstmädchengesicht auf. Unauffällig, untergeben. Eigentlich gar nicht da. So verschwand ich zum Seiteneingang, und öffnete die Postbox, die von innen nicht gesichert war. Darin fand ich die Rolle. Zum Glück war das Bild so klein, dass die Rolle unter meinen Rock passte. Ich steckte sie rasch in die Strumpfhose und das Gemälde war verstaut. Ich blickte mich um. Niemand beachtete mich. Erleichtert machte ich mich auf den Weg zurück zu Max. Auf dem Treppenabsatz tat ich, als wäre mir etwas herunter gefallen, bückte mich und ließ die Schürze, das Tuch und die Rolle mit dem Bild in einer herumstehenden Vase verschwinden.

„Schon wieder da“, murmelte ich und schloss zu ihm auf.

Er führte mich die Galerie entlang.

„Also, was willst du mir zeigen?“, fragte ich ungeduldig.

„Es ist gleich hier.“ Er lächelte und blieb in der Mitte der Galerie stehen. Links führte der Gang in den Flur zum zweiten Stock. Auf der anderen Seite erstreckte sich eine Glaswand, so dass es unmöglich war, herunterzufallen. Max legte seine Hand auf die Wand und eine Klappe öffnete sich. Ein Zahlenfeld erschien und er gab einen Code ein. Ich merkte mir die Zahlen. Dann folgte ein weiteres Feld und ein Schlüssel, mit dem er die Wand vor dem Bild hochfahren ließ. Ich musste mir eingestehen, dass es schwierig geworden wäre, diese Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden. Ich hatte gehofft, das Bild wäre noch nicht so gut gesichert, da er es noch nicht so lange besaß. Aber ich hätte es besser wissen müssen. Als das Bild unter der hochfahrenden Fassade erschien, hielt ich den Atem an. So oft hatte ich das Bild in den letzten Tagen betrachtet. Zumindest Calebs Fälschung davon. Er war verdammt gut. Es ließ sich keinerlei Unterschied erkennen. Nur mit einer genaueren Untersuchung würde es als Fälschung entlarvt werden können. Aber jetzt vor dem Original zu stehen, war doch etwas anderes. Zu wissen, dass Manet es persönlich gemalt hatte und nicht Caleb. War es die Aura des Kunstwerks? Die sich durch Nichts nachahmen ließ?

Das Bild zeigte ein junges Mädchen mit einem Buch im Schoß. Ihr Blick ging abwesend in die Ferne. Dunkles Haar umrahmte ihr Gesicht.

„Du hast einen Manet gekauft?“ Ich versuchte, überrascht zu klingen.

„Ich wusste, dass es dir gefällt“, raunte Max. „Sie hat mich irgendwie an dich erinnert.“

„An mich?“, fragte ich überrascht. Das Mädchen auf dem Bild hatte doch keinerlei Ähnlichkeit mit mir.

Doch er lächelte. „Ihr Ausdruck. Dieser Ausdruck in den Augen, den hattest du oft.“ Ich zog Luft ein, sah mir das Bild noch einmal ganz genau an. Das Mädchen blickte entschlossen, stolz, aber es lag auch eine Verletzlichkeit in ihrem Blick. Hatte ich es deshalb so sehr gemocht? Weil ich mich selbst in ihr erkannte?

Max legte eine Hand auf meine Schulter. „Ich habe versucht, dich zu finden, weißt du?“

Ich drehte mich zu ihm, blickte in seine warmen braunen Augen.

„Ich wollte nicht gefunden werden.“

„Das habe ich gemerkt.“ Er schüttelte den Kopf. „Dass du ausgerechnet jetzt hier auftauchst ... gerade wo ich wieder an dich denken musste.“

Ich schmunzelte. „Du glaubst an Schicksal? Das passt doch gar nicht zu dir.“

„Vielleicht doch.“ Er lächelte. Er hatte sich wirklich verändert. Früher war er immer so zynisch gewesen. Er kam noch einen Schritt näher, stand direkt vor mir, lehnte sich vor, seine Wange an meiner. Die unerwartete Nähe ließ mein Herz schneller schlagen. Ich schluckte. Er roch immer noch genauso gut wie damals.

„Du hast mir damals das Herz gebrochen, Tessa“, sagte er in mein Ohr. Ich ihm? Sollte das ein Witz sein? Er war doch derjenige, der ... seine Lippen streiften meine und ich vergaß den Gedanken, vergaß alles. „Max“, hauchte ich. Die Gefühle, die in mir hochkamen überwältigten mich. Ich hatte diesen Mann einmal geliebt und jetzt war er mir mit einem Mal wieder so vertraut. Als ich meine Hände um ihn legte, zog er mich an sich, als hätte er nur darauf gewartet. Er küsste mich mit aufgestauter Leidenschaft. Unsere Lippen verschmolzen miteinander. Und als unsere Zungen sich berührten, durchfuhr ein Hitzestoß meinen ganzen Körper. Max drückte mich gegen die Wand. Es gab kein Zurück mehr. Er wollte mich und ich wollte ihn. Jetzt, hier. „Oh Gott“, stöhnte er an meinen Hals, küsste mich

auf die Stelle unter meinem Ohr. Nach all der Zeit erinnerte er sich also noch daran, wie er mich wahnsinnig machen konnte. Er zerrte an meiner Bluse und streifte sie über meine Schultern. Küsste meine bloße Haut. Jeder Kuss ließ mich schaudern. Ich war wie von Sinnen. „Ich will dich, Tessa“, raunte Max und das gab mir den Rest. Seine Hände umfassten meine Brüste, schoben sich in meinen BH. Er zwirbelte meine Nippel, bis sie ganz hart waren. Ich war da schon immer sehr empfindlich gewesen. Seine Hüfte rieb gegen meine und ich spürte die Härte in seinem Schritt. Hastig öffnete ich seine Hose. „Nicht“, raunte er. „Sonst komme ich sofort.“

Ich grinste und ließ von ihm ab. Er nahm meine Handgelenke und pinnte sie über mir gegen die Wand. mit der anderen Hand schob er meinen Rock hoch und zog meine Strumpfhose runter. Normalerweise mochte ich es nicht, so behandelt zu werden. Ich behielt gerne die Kontrolle. So eine Entschlossenheit hatte ich bei ihm niemals erwartet und gerade deshalb machte sie mich unheimlich an. Seine Hand streichelte meinen Bauch und Hitze breitete sich aus. Meine Mitte zuckte erwartungsvoll. Endlich schob er seine Hand tiefer. Ich stöhnte auf. „Du bist ja ganz feucht, Tessa.“ Ich hörte, wie sehr ihn das anmachte. Seine Hand massierte meine Vulva. Schob endlich den Slip zur Seite. Seine Finger umschlossen meine Perle und die Berührung ließ mich erzittern. Es war eine Ewigkeit her, seit ich so eine Lust verspürt hatte. Mein ganzer Körper brannte vor Erwartung und ich sah in seinen Augen, dass es ihm genauso ging. Er erstickte mein Keuchen in einem Kuss. Erst streifte er neckisch meine Lippen mit seinen und als ich mehr wollte, wich er zurück. Dann küsste er mich umso heftiger. Jede Berührung unserer Zungen ließ mich schmelzen. „Tessa!“ Er packte mich um die Hüfte und ich schlang meine Arme um seinen Hals. Er hob mich hoch, drehte mich herum und setzte mich vor dem Geländer wieder ab. Dann drückte er meinen Rücken runter. Ich stütze mich auf das Geländer, das so hoch war, dass es auf meiner Schulterhöhe lag. Sein kräftiger Arm schlang sich von hinten um meinen Bauch. „Was tust du?“, rief ich empört. Ich sah die Gäste durch die Glasfassade im Garten. Keiner blickte hoch, aber das konnte jeden Moment geschehen! Ich hörte etwas rascheln und im nächsten Moment drängte sich seine Erektion gegen meine Scham. Er rieb sich in meinen feuchten Eingang. Drängte dagegen und dann glitt er in mich. Mit einem festen Stoß. Ich keuchte auf. Mir war alles egal, außer dem hier. Max in mir. Er stieß noch tiefer, füllte mich vollkommen aus. Schauder der Lust durchliefen meinen Körper. Max keuchte an meinem Ohr. Sein Arm stütze mich. Seine Hand lag zwischen meinen Beinen, umspielte meine Perle, reizte sie zwischen seinen Fingern. Jeden Moment konnte uns jemand sehen ... aber es war mir egal. Ich schloss die Augen und ließ es geschehen, gab jegliche Kontrolle auf und genoss es. Immer wieder stieß Max in mich, bis sich mein Höhepunkt anbahnte. Ich spürte, wie es sich tief in mir zusammenzog. Meine Lust steigerte sich unermesslich. Max legte eine Hand über meinen Mund, als ich aufstöhnte. Dann explodierte ich und ich spürte an Max schnellem Keuchen, dass auch er gekommen war. Vollkommen überwältigt hing ich in seinen Armen. Nur langsam kehrte mein Verstand zurück.

„Verdammt Max, wenn uns jemand gesehen hat!“ Mein Schamgefühl meldete sich verspätet zurück. Aber Max lachte nur.

„Tess! Dachtest du echt, dass wir von unten zu sehen sind? Du versautes Luder.“ Er grinste und ich war kurz davor ihm meinen Ellenbogen in die Rippen zu hauen.

„Uns kann von unten niemand sehen. Ich habe eben die Scheibe abgedunkelt.“

„Oh.“ Wie dumm von mir, dass ich das nicht bemerkt hatte.

Er grub seine Hände in meinen Hintern und zog mich an sich. „Du bist unglaublich“, sagte er grinsend.

„Du hast auch ein bisschen was gelernt in den letzten Jahren.“

Er lachte und wirkte vollkommen selig. Wir hatten schon oft miteinander geschlafen. Aber nie so. Wir waren Teenager gewesen, hatten keine Ahnung von nichts gehabt. Aber das eben hatte mir deutlich gezeigt, dass die Gerüchte um Max stimmen mussten. Es hieß, dass er einen hohen Frauenverschleiß hatte. Vor meinem Auftrag hatte ich mich grob informiert. Er hatte eindeutig viel Erfahrung gesammelt. So etwas wie eben tat er offenbar ständig.

„Lass mich kurz ...“ Er schloss seine Hose und verschwand im Gang zum zweiten Stock. Er wollte wohl das Kondom entsorgen. Gut, das gab mir Zeit. Er hatte vergessen, die Alarmanlage wieder anzustellen. Nun, Max. Immerhin hattest du deinen Spaß mit mir. Kein Grund, sich über einen gestohlenen Manet zu beschweren. Ich holte die Rolle aus der Vase, zog mir Handschuhe an und holte mein Werkzeug heraus und öffnete damit den Rahmen. Dann schnitt ich die Leinwand so groß wie möglich aus. Ich hatte das hunderte Male geübt. Routiniert zog ich die Fälschung auf. Achtete darauf, dass sie genauso im Rahmen saß, wie das Original zuvor. Dann schraubte ich den Rahmen wieder zu, verstaute das Original sorgfältig in der Rolle und schob sie in meine Strumpfhose. Max hatte meine Kleidung ziemlich durcheinander gebracht. Ich schloss meine Blusenknöpfe und strich meine Haare glatt. Meine Mitte brannte immer noch und meine Beine zitterten ein wenig. Ich holte tief Luft. Dann lief ich die Treppe herunter. Zeit, hier zu verschwinden.

„Tessa!“ Abrupt blieb ich stehen und sah mich um. Max stand vor der Treppe und blickte mich an. Seine Stirn in Falten.

„Ich muss jetzt gehen. Es war schön mit dir.“ Ich lächelte und wollte weiter.

„Bleib stehen! Wenn du noch einen Schritt machst, rufe ich die Polizei!“

Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Hatte er mich gesehen? Aber das konnte doch unmöglich sein!

„Ich hätte es wissen müssen! Du bist nicht hier, um mich zu sehen. Du wolltest nur an den Manet. Ich habe alles auf Video!“

„Video?“ Mein Atem ging flach. Ich war kurz davor, umzukippen. Das konnte einfach nicht wahr sein.

Er verzog spöttisch den Mund. „Ich dachte, ich bin anständig und lösche unser kleines Sextape. Dachtest du wirklich, ich habe keine Kamera auf den Manet gerichtet?“ Er zeigte auf den Deckenbalken. Ich konnte nichts erkennen, aber dort musste sich eine Kamera befinden.

„Und als ich das Band löschen wollte, was sehe ich da? Du, wie du den Manet stiehlst.“ Er schüttelte den Kopf.

„Ich habe ihn dir mit einer verdammt guten Fälschung ersetzt. Du hättest den Unterschied gar nicht bemerkt!“

„Und das soll mich trösten? Was, wenn ich versucht hätte, ihn weiter zu verkaufen? Dann hätte ich es auf jeden Fall gemerkt! Ich kann nicht glauben, dass du so skrupellos bist. Du wolltest mich nur ablenken.“

Seine Stimme war schneidend. Ich hörte die Verletzung darin, und ganz kurz überkam ich ein schlechtes Gewissen. Aber nein. Er hatte es nicht anders verdient.

„Ich hätte nicht mit dir schlafen müssen, um dich abzulenken.“ Ich grinste. „Das war extra. Erwarte nicht, dass ich ein schlechtes Gewissen habe. Weißt du noch? An dem Tag, als meine Mutter verhaftet wurde, als ich alles verloren habe? Da hast du mit Paris Fuhrman geschlafen!“ Ich schnaubte. Es war ewig her. Aber diese Verletzung würde ich niemals vergessen. Ausgerechnet das Mädchen, das mich immer gemobbt hatte. Es passierte auf einer Party einer Klassenkameradin. An diesem Abend war meine Mutter von der Polizei abgeholt worden. Ich war zur Party gestürmt, um mit Max zu reden und als ich ihn endlich gefunden hatte, war das im Zimmer der Gastgeberin, wie er mit Paris auf dem Bett saß und ihre Brüste betatschte. Diesen Anblick würde ich nie vergessen. In dieser Nacht war ich aus Portland abgehauen.

Max riss die Augen auf. „Das ist deine Entschuldigung? Du kannst nicht ernsthaft immer noch glauben, ich hätte mit Paris geschlafen"!“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist lächerlich, Tessa.“

Kurz war ich verunsichert. „Ich habe euch genau gesehen!“

„Paris hat sich mir an den Hals geworfen. Wärst du einen Moment länger geblieben, hättest du gesehen, wie ich sie von mir gestoßen habe. Aber du bist ja ohne ein Wort verschwunden. Ich bin derjenige, der ein Recht darauf hat, verletzt zu sein. Wenn du mir ein bisschen vertraut hättest, dann hättest du das gewusst.“ Er blickte mich unverwandt an.

„Was wirst du jetzt tun?“

„Wir sollten nicht hier darüber reden. Komm mit.“

Da mir keine andere Wahl blieb, folgte ich ihm ans andere Ende des zweiten Stockwerks. Dort öffnete Max eine Tür. Dahinter lag ein Raum mit PCs. Die Bildschirme zeigten verschiedene Kameraaufnahmen im Haus. Auch die Galerie und der Blick auf den Manet waren dabei. Max tippte auf einer Tastatur und die Aufnahme von uns erschien. Er spulte vor, und der Sex lief im doppelten Tempo ab. Es sah komisch aus. Ich hätte beinahe gelacht, wäre die Situation nicht so ernst. Und dann erschien ich, wie ich die Bilder austauschte. Max stoppte die Aufnahme.

„Ehe du auf die Idee kommst, mich zu erschießen und die Aufnahme zu löschen. Sie wird automatisch in einer Cloud gespeichert. Und die ist so gut gesichert, dass du da niemals rankommst. Darf ich bitten?“ Er streckte die Hand aus und zögerlich reichte ich ihm die Rolle mit dem Bild.

„Ich hätte dir nie was getan, Max.“

Er schnaubte. „Ich werde dich nicht an die Polizei ausliefern.“

Erleichtert atmete ich aus und spürte erst, wie nervös ich gewesen war, als sich meine Muskeln entspannten. Gleich darauf bemerkte ich meinen Fehler. Das war noch nicht alles.

„Aber?“, fragte ich.

„Aber ich habe Bedingungen.“ Er schien einen Moment nachzudenken. „Weißt du, ich bin besonders deshalb sauer, weil ich den Manet an ein Museum spenden wollte. Ich finde, jeder sollte dieses wunderbare Bild sehen können. Es wäre nicht dasselbe, hätten sie eine Fälschung ausgestellt.“

Ich wusste, dass er recht hatte. Auch wenn Calebs Fälschungen so gut waren, dass es tatsächlich nicht aufgefallen wäre. Das Erlebnis der Besucher wäre genau dasselbe gewesen. Aber damit würde ich Max nicht überzeugen.

„Ich habe einen Vorschlag für dich. Bleibe einige Tage hier und tu so, als wärst du meine Partnerin, meine Verlobte.“

„Was?“ Ich hatte mit vielem gerechnet, aber das? Mir entgleisten die Gesichtszüge und ich starrte ihn mit offenem Mund an.

„Was denkst du von mir? Nur für die Öffentlichkeit natürlich. Morgen werde ich dir alles erklären. Such dir eins der Gästezimmer aus. Ich werde jetzt dafür sorgen, dass du den Manet nicht noch einmal stehlen kannst. Sein Blick verfinsterte sich und ich spürte, dass ich nichts mehr sagen konnte, um ihn zu beschwichtigen. Also verließ ich den Raum mit zittrigen Beinen. Dann schrieb ich endlich Caleb eine Nachricht: „Habs vermasselt! So sorry!!! Gib mir ein paar Tage Zeit und versteck dich. Ich regel das.“

Er würde so wütend sein und das zu recht.

Max schickte die letzten Gäste fort und ich blieb allein mit ihm zurück. Er ignorierte mich völlig und hatte nicht mehr als einen bösen Blick für mich übrig. Ich sah ihm nach und öffnete die Türen, um mir ein Zimmer zu suchen. Ich nahm eines mit Meerblick, setzte mich aufs Bett und seufzte. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Was war mit mir los? Sonst hatte ich nie ein schlechtes Gewissen. Aber sonst raubte ich auch niemanden aus, den ich kannte. Ich fühlte mich, als hätte ich Max betrogen und ich hatte keine Ahnung, was er jetzt tun würde. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als mitzuspielen.

Die Sonne blendete mich durch die Vorhänge. Schläfrig streckte ich mich und blinzelte irritiert. Wo war ich? Nicht in meinem Bett ... mit einem Mal fiel mir alles wieder ein. Verdammt, ich hatte den Auftrag versaut. Seufzend richtete ich mich auf. Ich hatte in meiner Kellner-Uniform geschlafen. Etwas anderes hatte ich schließlich nicht dabei. Sie war knittrig und fühlte sich an, als hätte ich sie eine Woche getragen. Meine Beine schmerzten vom langen Stehen gestern. Es half nichts, ich musste mich Max stellen. Was hatte er nur damit gemeint, ich sollte seine Verlobte spielen?

Von einem Tag auf den anderen hatte sich mein Leben komplett verändert. War ich gestern noch eine Kunstdiebin, und verbrachte den Großteil meiner Zeit damit, zusammen mit Santiago und Caleb Pläne auszuhecken, war ich jetzt plötzlich die Verlobte eines Millionärs. Na ja, fast. Mir war jede Sekunde bewusst, dass das nicht die Realität war. Aber als ich am Morgen durch das Haus lief, mich an die Fensterfront stellte und zum Meer hinaus blickte, bedauerte ich es für einen Moment. Bildete mir ein, ich würde wirklich hier leben. Dann schreckte mich ein Tapsen hinter mir auf. Der schwarze Hund von gestern rannte auch mich zu. Er sprang mir um die Beine und ich lachte. „Na, wer bist du denn?“, fragte ich und kraulte ihn hinter den Ohren.

„Fury“, erklang eine tiefe Stimme von der Küche her.

Ich sah mich zu Max um. Er blickte mich finster an, als wollte er mich nicht hier haben. Dabei hatte er mich doch dazu gezwungen zu bleiben.

„Frühstück ist gerade fertig.“

Ich folgte ihm auf die Terrasse. Es war angenehm warm und die Aussicht auf das Meer einfach herrlich. Auf dem Tisch lockte ein reichhaltiges Frühstück mit den Resten von gestern und frischen Brötchen. Ich nahm mir eines und belegte es mit Lachsstreifen. Doch ich bekam kaum etwas herunter.

Endlich legte Max seine Zeitung weg und sah mich an.

„Und?“ fragte ich. Ich hielt diese Spannung zwischen uns kaum aus. Was, wenn er seine Meinung geändert hatte und die Polizei schon auf dem Weg war?

„Die Sache ist die. Ich habe ein Naturschutz-Projekt geplant. Ich möchte ein Stück Urwald kaufen und erhalten. Damit das möglich ist, habe ich mit Hilfsorganisationen ein Projekt entwickelt, bei dem wir besonders Frauen darin fördern, ihr eigenes Einkommen zu generieren. Wir bilden sie darin aus, Wilderer fernzuhalten. Es ist ein gutes Konzept, das ähnlich schon woanders funktioniert. Aber ich kann die Kosten nicht alleine stemmen. Gestern ist einiges zusammengekommen. Aber das reicht noch nicht. Ich möchte andere überzeugen, mich zu unterstützen.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752113358
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (September)
Schlagworte
Dieb Millionär Kunst Sexy Romance Liebe

Autor

  • Melody J. Rose (Autor:in)

Melody J. Rose schreibt auch als Celia Jansson Gay Romance. Sie wurde 1986 in Hamburg geboren, wo sie nach dem Soziologie-Studium in Bremen wieder lebt. In einem Umfeld voller Bücher aufgewachsen, hat sie bereits als Kind mit dem Schreiben begonnen. Außerdem begeistert sie sich für Serien, Kunst und Musik und besucht leidenschaftlich gerne Konzerte.
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Titel: How to steal a millionaire