Lade Inhalt...

Witwe Tifony

von Tanja Rast (Autor:in)
20 Seiten

Zusammenfassung

Geschickt jongliert die Witwe Tifony ihre Liebhaber, die ihr durch Hingabe und Großzügigkeit ein angenehmes Leben bar jeder finanzieller Sorgen ermöglichen. Bis zu dem verhängnisvollen Morgen, an dem ein Frühstücksei droht, das Kartenhaus zum Einsturz zu bringen. Kurzgeschichte, enthält: ein verklemmtes Ei, eine Gebäckzange und ein pragmatisches Hausmädchen Kurzgeschichte, 4.800 Wörter

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Witwe Tifony

 

Tifony erwachte vom Ächzen der Heißwasserleitungen und dem Plätschern aus dem angrenzenden Badezimmer. Sie wälzte sich herum, zog das Kopfkissen von der nun freien Seite des Bettes heran und drückte es sich auf den Kopf, um den unerwünschten Lärm auszuschließen.

Jede Wette, dass der fette Kerl jetzt wieder eine Stunde lang badete? Und ganz bestimmt würde er auch gleich wieder zu singen anfangen! Wie konnte ein Mann solch ein eitler Geck sein und sich derart ausgiebig waschen? Als wollte er Tifonys Geruch von seiner Haut schrubben. Allein das war ein Affront. Außerdem: Was brachte es? Er würde leuchtend rosa von der Hitze und dem vielen Waschen sein und mehr denn je einem Schweinchen ähneln.

Das Kopfkissen roch nach seinem Schweiß, und Tifony schleuderte es beiseite und mühte sich auf ihrer Seite aus dem Bett. Suchend sah sie um sich, bis sie ihren Seidenmorgenmantel fand, der zerknüllt am Boden lag. Nach weiterem Umherspähen machte sie zumindest einen hochhackigen Pantoffel aus. Unterwäsche? Im halben Zimmer verteilt und garantiert beschädigt. Tifony hatte die Nähte knacken gehört, als der Erzmagus sie aus Spitzen und Seide geschält hatte. Verdammter Trampel.

Der zweite Pantoffel fand sich nach einiger Zeit. Tifony zog sich in ihr Ankleidezimmer zurück, wo eine Schüssel heißes Wasser auf sie wartete. Maraz, die gute Seele, kannte des Erzmagus' unweigerliche Waschgewohnheiten und die daraus resultierende Blockade des Badezimmers ebenso gut wie ihre Herrin.

Tifony machte sich frisch und kleidete sich teuer, aber unaufdringlich an. Sie achtete besonders darauf, dass der Ausschnitt des Kleides ungewohnt verhüllend war, damit sie ihren nächtlichen Besucher gleich nach dem Frühstück loswurde. Nicht noch eine Runde durch zerwühlte Seidenlaken, denn Tifony erwartete zum Mittagessen den Fürsten höchstpersönlich, und es wäre gar nicht gut, wenn jene Kavaliere, die die arme Witwe mit Kostbarkeiten, Geschenken und Geld überhäuften, voneinander wüssten.

Es klopfte, und nach einer knappen Aufforderung steckte Maraz den schuppigen Kopf herein. Allein das winzige, weiße Häubchen machte einem Uneingeweihten deutlich, dass die Drachin sich als Hausmädchen verstand. Tifony fand, dass das Häubchen albern war, aber Maraz bestand darauf. Ihrer Meinung nach trug jedes ordentliche Hausmädchen so etwas. Es hatte sie auch nicht gestört, dass sie zwei Löcher für die Hörner hatte hineinschneiden müssen und der Schuppenkamm auf ihrem langen, pferdeähnlichen Kopf den dünnen Stoff ausbeulte.

»Frühstück, Herrin?« Eine tiefe, angenehme Stimme, und Maraz schaffte es sogar, alle s-Laute ohne Zischeln auszusprechen. Tifony wusste, dass die Drachin darauf sehr stolz war.

»Sobald der Kerl sich fertig gewaschen hat. Ich verhungere, während er meine Seife verbraucht.«

»Ich werde heute neue auf dem Markt kaufen. Ich lege sie hin, wenn wir zurück sind. Er verbraucht nicht nur viel Seife, Herrin, er tropft alles nass.«

»Ach, Markt ist heute auch noch! Nun, ich kenne meine Hausfrauenpflichten.«

Maraz nickte mit steinerner Miene, und Tifony verdächtigte sie, die Wahrnehmung dieser Pflichten eher als die eigene Aufgabe anzusehen. Nun, was weltliche Dinge wie Seife und Kerzen anging, hatte das Hausmädchen gewiss recht. Doch Tifony sorgte für die Auswahl an Weinen und indirekt für jene der Lebensmittel, indem sie Maraz einen Speiseplan für die Woche vorlegte.

Tifony seufzte und kramte eine grauschimmernde Perlenkette aus ihrer Schmuckschatulle. Geschenk des Erzmagus'. Die Kette war gewiss ein überschwemmtes Bad und aufgeweichte Seifenstücke wert. Wenn der Mann sich doch nur ein wenig beeilen würde!

 

Kaum eine halbe Stunde später schritt Tifony am Arm ihres Kavaliers in den kleinen Salon an der Rückseite des Hauses. Ein großzügiges Gebäude, dessen Rechnungen sie nach dem Ableben ihres älteren Ehemannes schier aufgefressen hatten – bis Tifony gelernt hatte, die Gönnerschaft einiger alleinstehender oder verheirateter Männer zu ihren Zwecken zu nutzen. Ein verstohlen zugestecktes Kuvert voller knisternder Banknoten hier, Schmuck von einem anderen Verehrer da und dort die dezente Übernahme einer Handwerkernote von einem dritten Mann. Schwierig war nur, alle Kavaliere voreinander geheim zu halten.

Ohne Maraz, die akribisch Buch führte und Tifony an Verabredungen erinnerte sowie ihrer Herrin beim Abschied auch noch zuraunte, welche Delikatesse dem zu treffenden Mann am besten schmeckte oder welches Schmuckstück er Tifony geschenkt hatte, wäre all das nicht möglich gewesen.

Tifony war es egal, dass einige ihrer Besucher die Nase über Maraz rümpften. Sie wusste genau, was sie an der Drachin hatte.

Der Frühstückstisch war luxuriös überladen. Wie immer, wenn Tifony mit einem ihrer Verehrer gemeinsam speiste. Sonst hielt sie sich zurück. Eine Scheibe Brot, etwas Tee und sie war zufrieden. Das Bankkonto dankte es ihr.

Nun aber bog sich die polierte Holzplatte nahezu unter Silber und Porzellan, Körbchen mit Kleingebäck, Schalen mit verschiedenen Konfitüren, mit Honig, frischem Quark. Abgedeckte Platten warteten mit gebratenem Fleisch, gekochten Eiern, Räucherfisch und Pfannkuchen auf. In silbernen Körben wetteiferten blumengeschmückte Obstsorten untereinander mit ihren bunten Farben. Teeduft durchzog den Raum.

Der Erzmagus rückte den Stuhl für Tifony zurück, drückte einen sehr feuchten Kuss in ihren Nacken, als sie sich setzte, und schob den Stuhl näher an den Tisch.

»Wir sollten dies bald wiederholen«, meinte der rundliche und rosarot leuchtende Erzmagus und stopfte sich eine Serviette in den Kragen, packte Messer und Gabel und betrachtete mit unverhohlenem Appetit die Köstlichkeiten.

Tifony lächelte süß, schnitt ein Brötchen auf und schmierte sehr dünn Butter auf die weichen Hälften, während sie mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination dem Erzmagus zusah, wie er sich Fleisch auf den Teller häufte. Nun, irgendwoher musste sein Leibesumfang ja stammen.

Der Erzmagus hob ein Ei aus dem mit Spitzenstoff besetzten Körbchen, hämmerte die Schale an der Tischplatte auf und pellte das Ei dann umständlich.

»Auf jeden Fall sollten wir das«, sagte Tifony und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Ich werde die nächste Woche bei einer Freundin auf dem Land verbringen, aber ich freue mich schon auf meine Rückkehr nach Hause.«

»Ein wunderschönes Haus, wie ich immer wieder finde.« Er schnippte das letzte Stückchen Kalkschale beiseite und betrachtete das Ei versonnen. »Obwohl die Mauer seitlich der Gartenpforte mir gestern ein wenig … brüchig erschien. Ich möchte deine Abwesenheit in der Stadt nutzen, um einen guten Handwerker mit der Instandsetzung zu beauftragen. Diskret natürlich. Aber es trifft sich gut, dass du nicht da sein wirst, um vom Handwerkerlärm gestört zu werden.«

»Das wäre zu freundlich von dir.«

Er nickte, lächelte zufrieden, warf das Ei hoch und legte den Kopf in den Nacken. Geschickt fing er den kleinen Flugkörper mit dem Mund.

Der Erzmagus klopfte sich mit der Faust auf die Brust, hüstelte angenehm leise und wedelte mit einer Hand.

Tifony ertappte sich bei dem leicht boshaften Gedanken, dass der Happen vielleicht ein wenig heiß gewesen wäre. Doch als gute Gastgeberin schob sie ein Glas Saft in die Reichweite des Erzmagus, der sich wieder auf die Brust klopfte und nicht ganz so dezent hüstelte. Seine Gesichtsfarbe wechselte von Schweinchenrosa zu Purpurrot.

Besorgt erhob Tifony sich und trippelte um die überladene Tafel herum. Sie kam im gleichen Moment beim Erzmagus an, als dieser vornüberkippte und mit dem Gesicht in seinem Teller aufschlug.

Sie zuckte erschrocken zurück, dann klopfte sie auf seine Schulter. »Mein Lieber?«

Der Erzmagus zuckte, dann lag er still.

Tifony klopfte etwas fester. Dann rüttelte sie den rundlichen Mann. Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. »Erzmagus? Dieser Scherz ist weit genug gegangen.«

Sein Arm fiel schlaff hinab und riss dabei die Teetasse zu Boden, wo sie zersprang und braune Flüssigkeit über die Fliesen spritzte.

Tifony packte beide Schultern und versuchte, den Mann rückwärts zu sich zu ziehen, um ihn aus dem gebratenen Fleisch zu bekommen. Dabei knickte sie in einem hochhackigen Pantoffel um und stieß einen leisen Fluch aus. Dass sie ein solch unanständiges Wort kannte, hätte den Erzmagus gewiss sehr überrascht – und entsetzt. Aber der Kerl war schlaff wie eine Lumpenpuppe. Tifony schaffte es nicht, ihn aufzurichten. Schließlich ließ sie ihn los, und alles Geschirr und Besteck auf dem Tisch klirrte vernehmlich, als der Erzmagus wieder in seinen Teller fiel.

»Maraz?« Tifony wischte sich schweißfeuchte Löckchen aus dem Gesicht.

Die Tür schwang auf, und die Drachin lugte ins Zimmer. »Herrin?« Dann weiteten die gelben Augen sich, und Maraz kam hastig herein, wobei ihr langer Schwanz gegen den Türrahmen schlug.

»Er …« Tifony fehlten schlichtweg die Worte. Und so wies sie nur auf die rundliche Gestalt am Tisch.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752130287
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Januar)
Schlagworte
schwarzer Humor Kurzgeschichte Fantasy Humor

Autor

  • Tanja Rast (Autor:in)

Geboren 1968 als echte Kieler Sprotte im nördlichsten Bundesland, wohne ich mit vielen Tieren auf dem Land. Nun habe ich neben meinen bisherigen und zukünftigen Verlagsveröffentlichungen das Abenteuer Selfpublishing für mich entdeckt. Ich schreibe Fantasy in allen möglichen Richtungen: Urban, Geistergeschichten, Gay Romance und Heroic Romance („Schmachten & Schlachten“, wie ich dieses Subgenre mit einem Augenzwinkern nenne) und noch viel mehr.
Zurück

Titel: Witwe Tifony