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Münchner Sexg'schichten

Aller Anfang ist schwer

von Jenny Hubertiger (Autor:in)
330 Seiten
Reihe: Münchner Sexg'schichten, Band 1

Zusammenfassung

Die intelligente und attraktive Mathematikstudentin Sieglinde, auch Siggi genannt, aus dem schönen Voralpenland kommt nach München nicht nur wegen des Studiums, sondern auch um etwas zu erleben in Sachen Liebe, genauer gesagt Liebesabenteuer. Dass ihr Studienfach nicht unbedingt die beste Wahl ist um die richtigen Männer dafür zu finden, entdeckt sie schon sehr früh. Ihre unauffällig aussehende Studienkollegin Jasmin scheint da eher das richtige Fach gewählt zu haben, glaubt Siggi zu wissen. Doch da irrt sie sich gewaltig. Die unscheinbare Kollegin und Freundin scheint es faustdick hinter den Ohren zu haben. Während Jasmin aber im alltäglichen Leben kaum Beachtung bekommt, spielen bei einigen Männern beim Anblick Siggis die Hormone verrückt und verlieren alle Hemmungen. Allerdings ist das Mathematikgenie ziemlich schlagkräftig im wahrsten Sinne des Wortes. Den schwarzen Gürtel trägt sie nicht umsonst, wie diese aufdringlichen und daher in Liebesdingen ungeeigneten Kerle schmerzhaft erfahren müssen. Während Siggi das Studium souverän meistert, will es mit dem sinnlichen Vergnügen einfach nicht klappen. Kann ihr da ein zwielichtiger Erotikfotograf und ihre Freundin irgendwie aushelfen?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Reise nach München und ein Blick zurück

Die angehende Mathematikstudentin Sieglinde Hubernagel, oder auch Siggi, wie sie von Familie und Freunden genannt wurde, weil es nicht nur kürzer war, sondern auch zu ihrer burschikosen Art passte, saß in einem halb leeren Regionalzug von Rosenheim nach München. Endlich war sie auf dem Weg dahin nach München, wohin sie schon lange wollte. Sie freute sich nicht nur auf das Studium der Mathematik, weil sie als Schülerin in diesem Fach ein Ass gewesen war. Sie konnte nun auch endlich dem ländlichen Mief entkommen und im aus ihrer Sicht mondänen München ihrem Leben mehr Abwechslung geben, zumindest an besseren Partys teilnehmen als an den ewig gleichen Partynächten in irgendwelchen Dorfdiscos.

Siggi gehörte sicherlich zu den Frauen, die dem Spaß nicht aus dem Weg ging. Ihr selbst kreiertes und etwas altbacken klingendes Motto »Smart girls just wanna have a Gaudi« passte da ganz gut zu ihr.

Obwohl sie auf den ersten Blick burschikos rüberkam – ihr Kurzhaarschnitt und die Jeans trugen bestimmt dazu bei – und weniger wie ein Partygirl, wirkte sie auf den zweiten Blick dafür umso sexier.

Gleich aus der Entfernung fiel ihre große Oberweite sofort auf und das bestimmt nicht nur dem männlichen Teil der Bevölkerung. Man erkannte schon, dass die Knöpfe ihrer Bluse schon schwer arbeiten mussten, um das Ganze darunter im Zaun zu halten. Die enganliegenden Jeans ließen erahnen, dass die Kurven dieser jungen und sportlichen Frau sich nahtlose in den Beinen fortsetzten. Doch ihre wahre Stärke war sicherlich ihr hübsches und nur leicht geschminktes Gesicht mit den kleinen Ohrringen und der kurzen hochgestellten und punkartig aussehenden Frisur. Ihre dunkelblauen Augen und hellbraunen Haare gaben ihr noch den letzten Schliff. Dagegen klang ihr typisch bayrischer Name schon wie ein heraufbeschworenes Vorurteil. Hätte sie sich jemanden am Telefon so vorgestellt und den Namen ausgesprochen mit ihrem bayrischen Zungenschlag, hätte man fast geglaubt, dass am anderen Ende der Leitung irgend so ein oberbayrisches Landei säße, wobei natürlich nichts einzuwenden wäre gegen Landeier.

Im Augenblick interessierte sich allerdings niemand dafür im fast leeren Zugabteil, wo außer Siggi nur ein paar ältere Herrschaften von ihrer Wandertour auf dem Weg zurück nach München saßen. In Fahrtrichtung sitzend blickte sie aus dem Fenster und ließ ihren Blick über die idyllische Voralpenlandschaft schweifen, die in ein spät herbstliches Sonnenlicht eingetaucht war. Ein herrlicher Anblick, der sie leicht melancholisch werden ließ. Schließlich war sie trotz der Eintönigkeit, den sie für ihren Heimatort, genauer gesagt für die dort stattfindenden Partys, empfand, sehr naturverbunden. Die Berge liebte sie. Das würde sie sicherlich in München vermissen. Beim Blick aus dem Fenster schwelgte sie in Erinnerungen an die Kindheit und Jugend.


Siggi musste immer lächeln, wenn sie an ihre Zeit als kleines Mädchen im Vorschulalter zurückdachte. Im Haus ihrer Eltern war sie oft wie ein kleiner Wirbelwind umhergerannt und jagte immer die zwei Familienhunde Bernie und Ert – ein noch nicht ausgewachsener Beagle und ein ebensolcher Schäferhund – durch das Haus oder sie wurde von den zwei Hunden gejagt. Sie balgte sich auch gerne mit ihnen, als wäre sie selbst noch ein Hundewelpe. Mutter und Vater wussten dann nicht, ob sie sich Sorgen machen mussten, dass sie sich irgendwo ihren Kopf stieß, oder ob sie einfach nur fasziniert und amüsiert zuschauen sollten, wie viel Energie in diesem kleinen Mädchen steckte. Sie schien diese Aufmerksamkeit auch zu genießen, ganz zum Verdruss ihres zwei Jahre älteren Bruders Franz. Schließlich war er der kleine Mann im Haus und ging auch schon in die erste Klasse. Dass das zu Konflikten und Hänseleien zwischen dem Geschwisterpaar führte, war unausweichlich. Meistens geschah das, wenn die Eltern nicht da waren. Dann ließ Franz den kleinen Pascha raushängen und wies die kleine Siggi zurecht, dies und das nicht zu machen. Vor allem das Herumtollen mit den Hunden nutzte er als Vorwand, um das kleine Mädchen zu kontrollieren und sie am Arm zu packen, wenn sie nicht hören wollte.

»Lass me los«, schrie sie dann, »oda i sog’s Mama und Babba!«

»Mama und Babba woin, dass i auf di aufpasse, sonst verletzt du di bloß oda machst was kaputt«, erwiderte er einem kindlich autoritären Stil.

Diese angebliche Besorgnis kümmerte das Mädchen wenig. Sie riss sich dann meistens los und jagte den Hunden weiter hinterher. Den kleinen Franz machte das jedes Mal wütender und er griff härter zu. Siggi schrie lauter, die Hunde bellten wie verrückt und das Ganze schien zu eskalieren, bis irgendwann Mutter oder Vater heimkamen und entsetzt fragten, welche Hölle denn hier ausgebrochen wäre. Ein Kindermädchen wäre gut gewesen, war aber zu teuer und auch nicht verfügbar. Und so ging das immer weiter. Sogar einige der Nachbarn beschwerten sich über den Lärm, obwohl die Nachbarhäuser weiter weg standen.

Ein kleines Mädchen, das ihren eigenen Kopf hatte und ihr älterer Bruder, der sie kontrollieren wollte. Dazu noch zwei Hunde, die einfach nur spielen wollten und Siggi als Teil ihres Rudels akzeptierten. Zumindest konnte das Mädchen mit den Hunden ganz gut mithalten. Die Kontrolle durch den großen Bruder ging der kleinen ziemlich auf die Nerven. Schließlich wollte sie die Freiheit genießen, wenn die Eltern mal kurz weg waren. Aber nein, der ältere und vor allem stärkere Bruder übernahm die Elternrolle.

›Ach, wenn i doch nur scho so grous und stoak wia mei Bruada wär‹, dachte sie öfters. Das wäre sicherlich von Vorteil gewesen und im Kindergarten, wo sie zu den kleineren Kindern gehörte, hätte etwas mehr Kraft auch nicht schaden können.

Die Lösung dieses »Problems« kam noch vor der Grundschule und vom Bruder selbst, der gerne fernsah und eine Vorliebe für Actionfilme entwickelt hatte, allerdings nicht für Actionfilme wie »Rambo« oder Filme wo Blut in Strömen fließt. Da passten die Eltern schon auf. Eher Action mit Humor wie in den Jackie Chan oder den Bud Spencer und Terence Hill Filmen. Siggi, neugierig wie sie war, schaute dann mit, denn alleine durfte sie nicht fernsehen. Was sie sah, brachte sie nicht nur zum Lachen, sondern imponierte sie auf eine kindliche und naive Art. Vor allem dieser kleine Chinese wie er gegen eine Überzahl von Gegnern kämpfte, von denen viele auch noch größer waren als er, und mit seinen schnellen Schlägen – mit Händen und Füßen gleichermaßen – diese k.o. schlug, war für sie schon beeindruckend. In diesen friedlichen Momenten – sie und ihr großer Bruder auf der Couch, die Hunde gelangweilt auf dem Boden liegend – fand sie nicht nur Gefallen an diesen asiatischen Kampfkünsten, sondern sie fasste auch den Entschluss, das ganze einmal selber auszuprobieren. Denn wenn ein kleiner Chinese es gegen so viele Männer aufnehmen konnte, dann wäre es doch für sie ein Kinderspiel sich mit dieser Kampfkunst gegen ihren größeren Bruder durchzusetzen. Zumindest dachte sie das, aber ihrem Bruder wollte sie von ihrem Plan nichts verraten. Also nichts wie hin zu Mama und Papa und sie fragen, wie sie ihr das Beibringen konnten.

Nach anfänglichen Zögern einigten sich die Eltern sie in einen Judokurs für Kleinkinder zu schicken. Siggi machten diese Kurse viel Spaß, was für diesen kleinen Wirbelwind nicht überraschend war. Sie konnte sich richtig austoben und dabei Disziplin lernen. Doch sie merkte schnell, dass das hier wenig mit den Kampfkünsten eines gewissen Herrn Chan zu tun hatte und sie ihren deutlich größeren Bruder damit auch nicht wirklich beeindrucken konnte. Dann, kurz vor ihrer Einschulung schnappte sie Begriffe wie »Karate« und »Taekwondo« auf.

»Is denn des ned gefährlich fia a so kleines Madl?«, fragten die Eltern, nachdem Siggi zu ihnen wieder tausendmal »Bitte… bitte… bitte...« gesagt hatte. Gefährlich für dieses Energiebündel? Eher »gefährlich« für ihren Bruder und seinen Machteinfluss.

Im Laufe ihrer Kindheit wurde sie so zur asiatischen Kampfkünstlerin, so eine Art Siggi Chan. Dass ihr großer Bruder sie nicht mehr so einfach ärgern konnte, war dann das Ergebnis ihrer sich ständig verbessernden Kampfkünste. Der Bruder selbst war nicht so ein Karate Kid wie seine Schwester. Er betrieb eher Kampfkunst am Computer mit dem Joystick.

Dieses für ein Mädchen in dieser Gegend eher ungewöhnliche Hobby und ihre nicht allzu enthusiastische Beschäftigung mit Puppen gaben Siggi schon in der Grundschule diesen burschikosen Anstrich. Sie hatte auch mehr Freunde als Freundinnen. Ihr jungenhaftes Auftreten hatte nichts mit lesbischen Neigungen zu tun, auch wenn viele Schülerinnen sie später oft hänselten, vor allem in den ersten Jahren auf dem Gymnasium, weil sie fast immer Hosen und Sportschuhe trug. Das geschah eigentlich aus reiner Bequemlichkeit. Der Grund, warum sie schon so früh mit den Jungs zusammen war, war ganz einfach: Sie mochte Jungs und war auch fasziniert von ihnen, wenn auch nur von wenigen, die auch so sportlich und an Kampfsport interessiert waren wie sie.

Ihr Interesse an Jungs wurde im Laufe der Jahre sogar noch größer, als sie lernte die Sperren auf ihrem Computer zu umgehen und ganz ohne Zensur im Internet zu surfen. Das machte sie vor allem dann, wenn schon alle anderen im Haus in ihren Betten lagen. Für ein neugieriges Mädchen zu Beginn der Pubertät taten sich da Welten auf, in Bezug auf die Sexualität. Die Geschichten, die man kleinen Mädchen erzählte, um sie vor diesem ganzen »Sexzeugs« zu »schützen« – von Bienen, Häschen, Störchen und so weiter – brachte Siggi sowieso nur zum Kichern. Schließlich fragte sie sich schon damals als kleines Mädchen immer, wozu ihr Bruder diesen kleinen »Zipfe« und sie eine »Mumu« hat. Wenn beide doch nur zum Pinkeln wären, wieso schauten dann beide nicht gleich aus?

Während alle anderen Mädchen ihres Alters sich Internetvideos mit Katzen und Schminktipps anschauten, die Siggi sich sicherlich auch oft ansah, bevorzugte sie eher die Webseiten, die von neugierigen Jungs aufgerufen wurden und wo man mit einem Klick versichern musste, dass man schon mindestens achtzehn Jahre alt war. Siggis Neugier war einfach zu stark, keine erzieherische und gesellschaftliche Konvention konnte sie davon abhalten, selbst mal nachzuforschen, wie das so lief zwischen Jungen und Mädchen.

Diese ganzen Regeln und Tabus der Gesellschaft zu allem, was irgendwie mit Sex zu tun hatte, interessierte sie sowieso recht wenig. Dort, wo sie herkam, nämlich aus dem ländlich bayrischen Raum, war das schließlich noch eine Spur konservativer und verklemmter. Denn eines was Siggi klar: Ihr intensiverer Umgang mit Jungs wegen ihrer Vorliebe für den Kampfsport, während Mädchen ihres Alters sie eher langweilten, ließ sie schon früh erkennen, wie das Thema Sex unterschiedlich gehandhabt wurde und eine gewisse Doppelmoral vorherrschte. Das Über-Ich, das stärker ausgeprägt war in konservativen Gesellschaften und da insbesondere bei Frauen und ihrem Sexleben, warf Siggi in den Abfalleimer der Pseudo-Moral. Nach außen aber spielte sie aber immer noch die kleine und unschuldige Siggi, was ihr bestimmt Ärger und üble Nachrede ersparte. Denn intelligenter und geistig reifer als ihre Altersgenossinnen war sie ganz bestimmt.

Je älter sie wurde, desto mehr entwickelte sich bei ihr eine heimliche Vorliebe für »Sexfilmchen«, auch Pornos genannt, die sie die romantische Liebe in anderem Licht sehen ließ. Bei den ersten Bildern und Filmclips war sie zunächst noch etwas geschockt. Die Aufklärung in der Schule war ja schließlich eher oberflächlich und das ganze peinliche Gekichere der Mitschüler macht das Ganze auch nicht besser. Siggi konnte sich aber natürlich auch ein Kichern hin und wieder nicht verkneifen, was aber eher mit dem ungelenken Auftritt der Biologielehrerin zu tun hatte.

Die simulierten Sexszenen in den Mainstream-Filmen waren für sie schon gar nicht hilfreich. Alles läuft da immer perfekt koordiniert ab, die Bewegungen, das unterdrückte Stöhnen und das Timing. Alles erschien ihr dort immer so künstlich. Nach dem Sex, wenn der Mann das Bett verließ und sich die Frau aufrichtete, zog sie dabei immer die Bettdecke über die Brüste, als ob nach dem Sex Nacktheit wieder Tabu war, vor allem in diesen Hollywoodschinken. Amerikas Prüderie und die Zensur ziehen den ganzen Sex ins Groteske und alles wirkt auf den zweiten Blick lächerlich. Siggi fand das alles nur noch zum Lachen. Viele Mitschülerinnen fanden das aber ganz anregend und »so romantisch«. Bei einigen Unterhaltungen mit Freundinnen über diese Liebesfilme oder romantischen Komödien musste sie wie schon im Aufklärungsunterricht innerlich lachen. Was sie aber wirklich an diesen Filmen störte, verriet sie nicht. Die anderen Mädchen hätten sonst auf andere Gedanken kommen und sich eine unvorteilhafte Meinung über sie bilden können.

Allgemein gesehen war Siggi so etwas, was man frühreif nennen konnte und das in der siebten Klasse. Ansehen konnte man dies ihr aber nicht, denn was ihre körperliche Entwicklung anging, waren die anderen Mädchen zu diesem Zeitpunkt schon weiter. Anscheinend war die intensivere sportliche Betätigung für die noch knabenhafte Figur zuständig. Die Buben schienen sie jedenfalls nicht ganz so wahrzunehmen wie die anderen Mädchen, obwohl sie sich mit ihnen öfters aufhielt als mit den Mädels. Das schien sie aber weniger zu stören. Allerdings waren die Burschen in ihren Augen auch nicht so wie die Jungs, die sie heimlich auf ihrem Computer ansah, weshalb sie die Jungen auch nicht als sexuelle Personen wahrnahm und deshalb auch ganz ungezwungen mit ihnen redete. Ganz anders waren die anderen Mädchen, die in diesem Alter die Jungs anders, als sie es tat, betrachteten und beim Anblick dieser untereinander kicherten. Siggi ging das jedes Mal auf die Nerven.


Siggi schaute, das Kinn auf ihre rechte Hand stützend, aus dem Zugfenster. Diese Sitzposition war sehr entspannend, aber verführte sie auch zum Einschlafen. Die Zeitung, die sie am Bahnhofskiosk gekauft hatte, hatte sie schon längst durchgelesen. Ein Buch aus ihren zwei großen Rollkoffern, einer neben ihrem Sitzplatz zwischen den Sitzreihen und ein anderer auf der Kofferablage über ihr, wollte sie jetzt nicht mehr herausholen. Das war ihr in der derzeitigen Entspannungshaltung zu anstrengend. Allerdings musste sie ihren großen Rollkoffer, der zwischen den beiden Sitzreihen stand, zu sich an ihre Beine ziehen, da ein älterer Mann mit einem sehr großen Koffer Probleme hatte zu seinem Sitzplatz durchzukommen.

»Na, bassd scho«, entgegnete er der zuvorkommenden Siggi.

Nachdem er durchgegangen war, stellte sie den Koffer auf den Gang, um wieder genügend Beinfreiheit zu haben, denn die Fahrt nach München war noch lang.


Das erste Mal

 

1.

Siggis burschikoses Auftreten bekam unverhofft einen Dämpfer, denn neben dem typischen Wachstumsschub für Mädchen in dieser Zeit – Siggi steuerte so langsam auf die ein Meter siebzig zu – wuchs bei ihr noch was ganz anderes, was dazu führte, dass die Buben, mit denen sie sich öfters aufhielt als mit den Mädchen ihres Alters, sie anders wahrnahmen. Die eher flachbrüstige Siggi wurde über Nacht zum vollbusigen »Tittenmonster«, wie die anderen pubertierenden und neidischen Teenager, vor allem unter den Mädchen, sich untereinander zuflüsterten. Kinder und vor allem Teenager können ziemlich gemein sein, wenn es darum geht über andere zu hänseln und die gleichaltrigen Mädchen um Siggi waren besonders niederträchtig. Die Jungs waren da weniger gemein, aber nicht unbedingt weniger verletzend. Anstatt ihr in die Augen zu schauen, wenn sie mit ihr sprachen, senkten sich ihre Blicke nach unten. Ihr fiel das natürlich auf und sie haderte erst einmal mit sich, auch weil der verlagerte Körperschwerpunkt ihr ein paar Probleme beim Ausüben ihres Kampfsports bereitete. Talentiert wie sie nun einmal war, konnte Siggi diesen Nachteil aber bald wieder durch Verbessern ihrer Technik beheben.

Auch die Stiche ihrer Klassenkameradinnen langweilten sie zunehmend und sie schenkte ihnen mit der Zeit fast gar keine Beachtung mehr. Zumindest tat sie so, was wiederum die anderen Mädchen ärgerte. Die bewundernden Blicke der Jungs allerdings schien sie mit der Zeit immer mehr zu mögen.

An was sie sich aber nicht gewöhnen konnte, waren die Beleidigungen ihres Bruders. Sätze wie »De Muich fia mei Müsli is aus, kannst ma moi kuaz dei Euta zur Vafügung stäin« waren da noch die harmloseren Sprüche. Bei den Eltern wollte sie sich nicht beschweren. Es wäre zu peinlich gewesen, ihnen zu erzählen, was ihr Bruder Franz da von sich gegeben hatte. Hätte sie ihre Kampfkünste am Bruder ausprobieren sollen? Mittlerweile war sie schon fast zur Meisterin herangereift. Ihr über ein Meter Achtzig großer und unsportlicher Bruder hätte keine Chance gegen sie gehabt und das bei einer viel höheren Gewichtsklasse. Aber nein, Siggi hasste und liebte ihren Bruder zugleich. Außerdem musste er gesund bleiben, denn schon langsam stand bei ihm das Abitur an. Aber gereizt hätte es sie schon.

Dennoch hatten ihre »Monstertitten« auch ihre Reize und Vorteile. Während sie früher zwar oft mit den Jungs herumhing, waren sie nach der Schule meistens getrennte Wege gegangen. Da war sie dann schon eher mit den anderen Mädels zusammen. Das änderte sich nun schlagartig. Plötzlich wurde sie von den Burschen öfters gefragt, ob sie mitgehen wolle, um irgendwo etwas gemeinsam zu trinken oder einen Film im Kino anzuschauen. So schlagartig änderten sich die Umstände und das nur, weil sich etwas mehr Fettgeweben unter der Brusthaut angesammelt hatte. Auch in Dorfdiscos und auf Privatpartys wurde Siggi jetzt oft gesehen, manchmal mit ihren Freundinnen, aber öfters mit den Jungs.

Siggis Vorliebe für Sexfilme aus dem Internet hatte sich inzwischen etwas intensiviert. Sie spielte auch immer mehr die ersten Soloszenen aus dem Internet nach, meistens, wenn keiner zu Hause war. Wenn sie ihr Bruder dabei erwischt hätte, wäre sie vor Scham gestorben, ganz zu schweigen, was passiert wäre, wenn die Eltern sei dabei entdeckt hätten. Die Solosexszenen und die sehr erregte Darstellerin, die sich alleine vergnügte, meistens mit einem Sexspielzeug, spielte sie bis zu dem Zeitpunkt, wo dann plötzlich ein Mann auftauchte – der Pizzabote oder der Mitbewohner des Hauses – und die Frau sich entschloss, das Ganze dann unanständiger werden zu lassen. Zu zweit macht es schließlich mehr Spaß.

Diese Art von Szene konnte sie natürlich nicht nachspielen, weil eben ein Mann oder Junge fehlte. Beim Sexspielzeug konnte sie sich noch anfangs mit einer Gurke aushelfen, aus der später, dank Internet, eine professionelle Masturbationshilfe wurde. Das Problem der Abwesenheit eines attraktiven und geilen Jungen, konnte Siggi leider nicht über das Netz lösen. Die Jungs in ihrer Umgebung waren für sie nicht die, die sie für ideale Sexpartner hielt. Zumindest konnten sie aus ihrer Sicht nicht mit den »Hengsten« im Internet mithalten.

Aber wie es der Zufall so wollte, wurde sie dann eines Tages wieder zu einer Party eingeladen, die von den Jungen ihrer Klasse und ein paar anderen aus den Nachbarklassen veranstaltet wurde. Natürlich durften auch Mädchen auf so einer Party nicht fehlen und vor allem nicht Siggi. Sie entsprach zwar nicht den üblichen Schönheitsklischees, lange blonde Haare, perfekte Schminke und ein Kleid, aber ihr hübsches Gesicht und ihre mittlerweile aufregenden weiblichen Kurven und besonders ihre, wie die Jungs unter sich immer sagten, »geilen Titten«, machten diese klischeehaften Schönheitsattribute, wieder wett. Außerdem konnten die Burschen irgendwie lockerer mit ihr reden, weil sie sich öfters bei ihnen aufhielt und sie auch einen besseren Draht zu ihnen hatte, gerade wegen ihrer burschikosen Art.

Die Party fand in einem großen Haus eines der Jungen statt. Die Eltern waren verreist, was eine sturmfreie Bude bedeutete. Zehn Schüler, acht Schülerinnen und jede Menge Alkohol, hauptsächlich Bier, hätten der Garant sein sollen für eine wirklich gute Party, obwohl die Eltern das so nicht erlaubt hätten. Anfänglich herrschte erst ein mal gepflegte Langeweile. Man unterhielt sich, die Musik lief und hin und wieder lachte jemand. Siggi selbst trank etwas Alkohol, zumindest nippte sie ein bisschen an der Bierflasche. Aber ihr schmeckte das Zeug auch nicht wirklich. Dazu war sie auch zu gesundheitsbewusst und eine Sportlerin durch und durch. Die anderen Mädchen becherten schon mehr. Sie hofften vielleicht im angeheiterten Zustand das Eis zwischen ihnen und den Jungs etwas zum Schmelzen zu bringen. Siggi war da schon weiter, denn schließlich war das Eis zwischen ihr und den Jungs schon längst geschmolzen. Ihre nicht mehr ganz so knabenhaften Figur spielte da eine gewichtige Rolle.

Der Gastgeber der Party, ein gewisser Hans-Rüdiger, ein etwas schmächtiger und blass aussehender Junge, hatte schon ein Auge auf die »fesche« Siggi geworfen, traute sich aber noch nicht so richtig mit ihr ins Gespräch zu kommen, da sie schon von anderen Jungs umringt war. Die anderen Mädchen unterdessen schienen sich zu langweilen und das trotz des schon reichlichen Bierkonsums. Aus diesem Grund drehte der Gastgeber die Musik etwas lauter auf und forderte alle auf das Tanzbein zu schwingen. Anfangs schaute das Tanzen etwas gehemmt und unfreiwillig komisch aus. Diese ganze Discoatmosphäre fehlte schließlich und es waren ganz einfach nicht die richtigen Personen anwesend, um die Stimmung anzuheizen. Es fehlte auch das Gedränge mit dem ständigen Körperkontakt und es war erst früher Abend. Mit der Zeit aber stieg die Temperatur im Wohnzimmer so langsam an, es wurde etwas ungehemmter und man lachte mehr. Auch mit dem Körperkontakt wurde es besser. Die anfängliche Distanz zwischen den Geschlechtern schien sich langsam aufzulösen, wenn auch noch immer ein gewisser Abstand einbehalten wurde, weil man nicht zu aufdringlich wirken wollte und trotz des Alkoholkonsums sich auch niemand traute zu sehr ranzugehen. Bier löste doch nicht alle Hemmungen. Zumindest war der Pegel noch nicht ganz so hoch.

Siggi hatte kaum Alkohol im Blut und doch war sie lockerer drauf als die anderen Mädchen. Auch sie begann zu tanzen und zeigte mit ihren rhythmischen Bewegungen, dass noch ein weiteres Talent in ihr schlummerte. Während die anderen Mädels neidisch auf sie blickten, waren die Jungs ganz angetan von der tanzenden Karatekämpferin und sie schien das zu genießen. Allerdings war ihr so viel Aufmerksamkeit auch zu viel und sie fühlte schon die eifersüchtigen Blicke der anderen Mädchen. Vergrämen wollte sie die anderen bestimmt nicht. Da kam ihr der Druck auf die Blase eigentlich ganz gelegen, um sich erst einmal ein bisschen rarer zu machen.

Sie ging zu Hans-Rüdiger, der auf einem Sessel saß und sie schon seit längerem im Blick hatte, es aber nicht hinbekam, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Sie fragte ihn nach der Toilette. Der verzog enttäuscht das Gesicht, als sie sich von ihm mit der neuen Information wieder wegdrehte.

›Wieder kein Gespräch mit ihr‹, ärgerte er sich. Für den Gastgeber und derzeitigen Hausherrn war das frustrierend. Aber so leicht wollte er nicht aufgeben.

 

2.

Während Siggi auf der Toilette saß und ihr Handy nach Nachrichten checkte, horchte der schon leicht angetrunkene Hans-Rüdiger an der Tür und hörte ihr zu, wie sie pullerte und dann die Spülung zog. Er dachte, dass das sein Moment war, um mit ihr ein paar Worte mehr zu wechseln und sich womöglich an sie ranzumachen. Der Alkohol half ihm auf jeden Fall seine Hemmungen ein wenig zu überwinden. Plötzlich ging die Tür auf und er stand immer noch in Gedanken verloren gebückt mit dem Ohr an der nicht mehr verschlossenen Tür. Er war total überrascht, dass sie plötzlich vor ihm stand, und richtete sich schnell auf.

›Hatte sie sich etwa nicht die Hände gewaschen?‹, fragte er sich. »Oh, hallo Siggi! Du heißt doch so, wollte nur auch mal schnell selbst auf die Toilette.«

Siggi war ein wenig überrascht, aber nicht, weil er ihren Namen erwähnte, sondern weil er plötzlich vor ihr stand. »Jo, des stimmt. Geile Party, dank schön fia de Einladung. Hoffa mia, dass dei Ejdan ned friaha keman als geplant.«

Hans-Rüdiger lachte. »Die sind zu Besuch bei der Oma in Hannover. Das kann noch dauern.«

Er hielt kurz inne, um der lauten Musik im Erdgeschoss zu lauschen und noch etwas mehr Mut zu fassen. Soviel Alkohol hatte er dann doch nicht im Blut. Siggi bemerkte sein Zögern, sagte aber erst einmal nichts.

»Ich habe gehört, du machst Kampfsport und so ein Zeug.«

Siggi machte einen Schritt vorwärts aus dem Türrahmen. »Jo, Karate, Judo, Taekwondo und so a Zeug.« Sie lächelte ironisch.

Hans-Rüdiger schien etwas eingeschüchtert zu sein und lächelte verlegen. »Wow, du bist ja richtig gefährlich. Ich dünnes Hemd hätte gegen dich überhaupt keine Chance.«

»Ach wos, i tu dia doch nix. Brauchst koa Angst zu hom.« Jetzt mussten Siggi und auch Hans-Rüdiger lachen. Anfänglich noch etwas gedrückt, wurde die Stimmung jetzt lockerer. Der blasse Junge ließ sich von ihrem Lachen verzaubern und agierte ganz ungehemmt. Siggi war ganz nach seinem Geschmack: Er, der Nichtbayer und sie, das Mädel vom Lande. Das Eis war auf jeden Fall fast gebrochen. So lief alles schon besser.

»Hast du Lust meine Briefmarkensammlung zu sehen.«

Siggi hielt inne und wusste nicht, ob es sich hier um einen blöden Anmachspruch handelte, es ein doofer Witz war oder ob er tatsächlich Briefmarken sammelte.

Hans-Rüdiger schaute zu der etwas perplex blickenden Siggi, wurde sich seiner unglücklichen Wortwahl bewusst und versuchte sogleich die peinliche und missverständliche Situation zu klären.

»Nein, nicht das, was du vielleicht denkst.«

Siggi war erleichtert, da er sich bemühte galant die Situation zu entschärfen. Solch ein Flirten zwischen zwei Teenagern auf einer Party konnte schon mal zu Missverständnissen führen.

»Also ich habe in meinem Zimmer tatsächlich eine schöne Sammlung, ehrlich.« Hans-Rüdiger zeigt in Richtung seines Zimmers und ging voran.

Siggi fand, dass das Leben zu kurz ist, um über Peinlichkeiten und Missverständnisse zu sehr nachzudenken und folgte ihm in sein Privatgemach, während die Party unten lauter wurde. Im Zimmer angelangt lehnt der Junge hinter sich die Tür an, sodass die Partymusik noch gedämpft zu hören war. Sie waren jetzt für sich allein. Der Bursche zögerte nicht lange und holte sogleich seine Sammlung aus einer Schublade, um sie Siggi zu zeigen.

Die Sammlung war wirklich beeindruckend, soweit sie das beurteilen konnte. Die kompetenten Erklärungen des Sammlers waren es auch. Der Junge verstand was von seiner Sache.

»Wie lang machst des scho?«

»Mit zehn habe ich angefangen. Mein Vater hat mir seine kleine Sammlung überlassen, die er als kleiner Junge selbst gesammelt hatte und ich habe noch einiges hinzugefügt. Die ist jetzt richtig was wert.«

Siggi nickte anerkennend. »Pfundig.«

Beide mussten über Siggis Wortwahl lachen.

Hans-Rüdiger legte den Ordner mit den Briefmarken auf seinen Schreibtisch. »Und, wie findest du die Party?«

»Schee.«

Siggis knappe Antwort mit einem nicht so begeistertem Gesichtsausdruck schien Hans-Rüdiger so zu deuten, dass sie sich eigentlich langweilte, sie es aber nicht zugeben wollte.

»Was sagst du zu dem Haus meiner Eltern?« Hans-Rüdiger setzte sich auf sein Bett.

»Schee.«

Siggi schien irgendwie selbst überrascht zu sein, wie wortkarg sie plötzlich war. Die Stimmung war noch nicht locker genug. Hätte sie etwas forscher an die Situation rangehen sollen, um diesen Moment mehr Antrieb zu geben? Doch sie war der Meinung, dass Hans-Rüdiger für die Unterhaltung sorgen sollte, da es schließlich seine Party war, obwohl dieser Junge nicht unbedingt wie der geborene Entertainer aussah.

Zu dumm, dass der Bube irgendwie seinem blassen und schmächtigem Aussehen gerecht wurde und sich keinen weiteren Schritt vorwagte, trotz des Bieres, dass er schon getrunken hatte. Vielleicht war der Alkoholpegel zu niedrig um mehr Hemmungen zu verlieren.

Sie spürte seine Angst und sein Zögern. Wahrscheinlich musste sie die Initiative ergreifen. »Du Hansi, i deaf di so nenna, oda?«

»Ja klar, Hans-Rüdiger klingt auch so umständlich. Keine Ahnung, was sich meine Eltern damals dabei dachten mich so zu nennen.« Der Junge versuchte etwas Witz und Lockerheit ins Spiel zu bringen.

Siggi gab sich einen Ruck. »Also mia san doch do auf oana Party um uns zu amüsiern.« Sie setzte ihren Dackelblick auf und schaute ihm tief in die Augen. »Und jetzt san mia do ganz aloa in deim Zimmer und da denk i ma, kanntn mia aba bissal mehr draus machen.« Sie schien mehr an das eine interessiert zu sein als der Junge selbst, obwohl dieser von Siggis Anblick schon sehr angetan war.

Der Junge begann so langsam zu ahnen, was ablief, und eine gewisse Vorfreude gepaart mit Nervosität überkam ihn. »Was meinst du?«

Dieses um den Brei reden ging Siggi nicht schnell genug. Es nervte sie langsam, vor allem deshalb, weil doch eigentlich beide irgendwie denselben Plan hatten und es keinen Grund gab an diesem Brei weiter zu rühren. Doch gerade in diesem Moment schrie jemand hinter der Tür.

Einer von den Jungen hatte offenbar ein Problem. Er erblickte die nur angelehnte Tür, vermutete, dass seine Zielperson sich hinter der selbigen aufhielt und stieß sie auf. Überrascht vom Anblick der beiden schenkte er der Situation dennoch wenig Beachtung. Sein Problem war viel größer.

»Hans-Rüdiger, wir brauchen deine Hilfe. Gott sei Dank hab ich dich gefunden. Mensch Alter, das Bier ist aus und die Stimmung ist am Kippen. Du musst mehr besorgen.«

Hans-Rüdiger schien genervt zu sein angesichts der verpassten Chance. »Mist, was soll ich machen? Es gibt kein weiteres Bier im Haus und zum Supermarkt gehe ich bestimmt nicht. Das dauert zu lang.«

Der Junge spielte den Geschockten. »Was, kein Alkohol mehr im Haus? Das ist ja wirklich eine tolle Party. Also der Partyhengst bist du bestimmt nicht.«

Kein guter Gastgeber? Das nagte an Hans-Rüdigers Ego. »Also gut, es gibt noch Alkohol im Haus. Meine Eltern haben im Keller einen Weinschrank. Vielleicht reichen zwei oder drei Flaschen. Meine Eltern werden es sowieso nicht merken. Die sind da nicht so oft.«

»Cool, Problem gelöst. Übrigens, hallo Siggi. Wie geht’s?«

»Bassd scho, Bäda!« Siggi war von dem Jungen ebenfalls genervt, obwohl der das sicherlich nicht mit Absicht gemacht hatte.

»Tut mir leid, dass ich euer Techtelmechtel gestört habe. Aber so ohne Alkohol läuft es halt nicht. Die Bräute unten sind willig, aber nicht voll genug für amouröse Abenteuer, wenn ihr versteht, was ich meine.«

Peter und Hans-Rüdiger lachten süffisant, während Siggi nur den Mund verzog wegen dieses typischen Geplänkel unter Jungs.

Der Gastgeber erhob sich vom Bett. »Okay, Siggi, ich werde mal die Sache richten. Bin gleich zurück, dauert nicht lange.«

Schnellen Schrittes eilte er aus dem Zimmer und ging mit Peter nach unten, während sich Siggi endgültig langweilte und sich aufs Bett legte.

»Wos fia a bärige Party«, sagte sie zu sich selbst sarkastisch.

Nach ein paar Minuten Langeweile begann sie sich im Zimmer umzuschauen, durchstöberte die Regale, öffnete den Kleiderschrank, durchwühlte seine Sachen und schaltete letztendlich seinen Computer an, in der Hoffnung, außer den langweiligen und typischen Sachen eines Jungen, doch noch was Interessantes zu finden. Der Computer verlangte ein Passwort. Das war wohl eine Sackgasse. Sie schaltete ihn wieder aus und setzte sich wieder aufs Bett.

›Mei God, wos fia a Langweila‹, dachte sie sich. Sie hatte sich wohl zu viel erwartet von einem dünnem und blassen Jungen in der Nachpubertät. Moment mal, einen Ort im Zimmer hatte sie noch ausgespart. Sie stand auf und legte sich auf den Boden, um unter das Bett zu schauen. Ein paar Schuhe und ein alter und schwerer Karton, den sie sogleich herauszog. Auf den Knien hockend öffnete sie ihn und erblickte…Sportmagazine, hauptsächlich Fußball und Motorsport. Vielleicht war auch ein Kampfsportmagazin dabei. Sie nahm ein Magazin nach dem anderen heraus und legte sie neben den Karton, bis alle draußen waren. Allerdings bemerkte sie schnell, dass da irgendetwas nicht stimmte. Der Boden des Kartons schien nicht auf gleicher Höhe zu sein wie der Zimmerboden und er wog immer noch beträchtlich. Ein leerer Karton wiegt ja praktisch gar nichts. Es konnte nur eins bedeuten. Diese unscheinbare Pappschachtel hatte einen doppelten Boden. Die Neugier ergriff Siggi. Sie griff an den Rand des Kartonbodens und versuchte unter den Boden zu kommen, was gar nicht so einfach war, denn der Boden schien ein bisschen größer zu sein als die Unterseite des Kartons und steckte deshalb ziemlich fest. Sie drückte die Fingerspitzen gegen die Wand und konnte auf diese Weise doch mit den Fingern unter den Boden gelangen und ihn herausnehmen.

Da waren sie dann. Siggi machte große Augen. Ungefähr zehn Sexmagazine. Nein, nicht so welche wie der Playboy oder Penthouse. Es waren richtige Pornomagazine, wo man wirklich alles sehen konnte und nichts verdeckt war. Zwar kannte sie, was sie sah, schon aus dem Internet, aber dann so was in den Händen zu halten war dann schon etwas anderes und dazu noch im Haus eines Jungen, den sie vor kurzem nicht näher kannte und der bestimmt davon träumte mit ihr Dinge zu machen, die in diesen Magazinen gezeigt werden.

Sie fühlte sich fast schon wie zu Weihnachten, sehr aufgeregt und erregt. Sie wusste nun, dass Hans-Rüdiger sicherlich kein Kostverächter war. Ob er allerdings so alles umsetzen konnte, wie es in den Magazinen gezeigt wurde, stand sicherlich auf einem anderen Blatt Papier. Sie blätterte die Sexmagazine durch. Alles war ihr vertraut. Die untersten Hefte waren jedoch anders. Es waren, wie unschwer zu erkennen war, ältere Magazine, die mindestens schon dreißig Jahre oder sogar älter waren. Da sah Siggi tatsächlich etwas, was sie noch nie vorher so gesehen hatte: Haare, viele Haare und das vor allem unten herum. Für sie schaute das ungewohnt und komisch aus, aber irgendwie auch faszinierend. Während sie die Nackten auf den Bildern der neuen Magazine fast alle kannte, war das bei den älteren Magazinen genau umgekehrt. Genau genommen erkannte sie beim Durchblättern nur einen Darsteller, nämlich Pornolegende Ron Jeremy, und das auch nur, weil er hin und wieder in neuen Pornofilmen mitwirkte. Da jedoch agierte er meistens als Statist und weniger als Darsteller. Schließlich war der Mann schon fast im Rentenalter und ziemlich übergewichtig.

Siggi legte die paar Magazine, die sie durchgeblättert hatte, zurück auf den ganzen Stapel und stellte ihn aufs Bett. Sie schien dabei irgendwie zu vergessen, dass sie im Zimmer eines fremden Hauses war. Ihre Faszination für die Pornomagazine schien ihre Vorsichtigkeit schwinden zu lassen. Sie stellte sich vor, dass das mit dem Alkohol besorgen noch etwas länger dauern würde. Sie legte sich neben den Stapel aufs Bett und blätterte diesmal intensiver mit großen Augen ein Magazin nach dem anderen durch. Vielleicht hätte ein anderes Mädchen ihres Alters diese Sexmagazine entsetzt kurz durchgeschaut und dann geschockt vom Anblick diese sofort weggeschmissen. Siggi war da anders, zumal das, was sie da sah, nichts Neues für sie war, bis auf die älteren Bilder, die bei ihr für ein Schmunzeln sorgten. So langsam überkam sie beim Durchblättern die Lust. Dass sie im Bett eines Jungen lag, der ebenfalls auf das stand, was sie auch mochte, erregte sie noch mehr.

Während sie mit der linken Hand eines der Magazine in der Hand hielt, sich die Bilder anschaute und dabei fantasierte, wie sie eine von diesen geilen und vollbusigen Darstellerinnen wäre, glitt ihre rechte Hand in ihre Hose und dann unter ihr Unterhöschen, wo sie ihren Haarstreifen, oder auch Irokesen, wie sie ihn nannte, fühlte. Was ihre Schambehaarung betraft, entsprach sie den Frauen in den neueren Magazinen. Sie begann sich, an ihrer Intimstelle langsam zu reiben. Zu Hause masturbierte sie oft zu den Pornoclips aus dem Internet. Aber das hier war für sie mindestens genauso erregend, wenn nicht sogar noch mehr, angesichts der Situation, in der sie sich befand. Sie vergaß fast alles um sie herum, auch die Tatsache, dass die Tür zum Zimmer nur angelehnt war.

 

3.

Unterdessen hatte der Gastgeber Probleme mit seinen Gästen, denn das Bier war aus und die drei Flaschen Wein, die er aus dem Keller geholt hatte, waren anscheinend zu wenig. Doch mehr wollte er einfach nicht hergeben, da sonst seine Eltern davon Wind bekommen hätten und der Ärger dann vorprogrammiert gewesen wäre. Außerdem hatte er wichtigeres zu tun, denn eine »heiße Braut« wartete auf ihn im ersten Stock. Davon erzählte er den anderen aber nichts. Das war für ihn sein persönliches Highlight. Schnell entschuldigte er sich auf die Toilette, was die anderen während des hemmungslosen Weintrinkens nicht einmal bemerkten.

Da Hans-Rüdiger schon mehr als fünfzehn Minuten weg war, beeilte er sich, nahm zwei Treppenstufen auf einmal und ging rasch zu seinem Zimmer, wo er unvermittelt stehen blieb wegen eines ungewöhnlichen, aber vertrauten Geräusches, das er aus dem Inneren seines Zimmers vernahm. Er glaubte ein typisches Stöhnen zu hören, das er kannte, wenn er allein vor seinem Computer saß und Webseiten aufrief, wo man vorher »gewissenhaft« bestätigen musste, dass man schon über achtzehn Jahre alt war. Viele Gedanken gingen dem Jungen durch den Kopf. Siggi hatte doch nicht etwa seinen Computer angeschaltet und diese Webseiten aufgerufen? Aber woher hätte sie sein Passwort kennen sollen? Schließlich hatte er ein schwer zu knackendes angelegt, damit auch ja niemand herausfinden konnte, was er mit seinem Computer anstellte. Aber das Stöhnen kam ihm so realistisch vor, dass das unmöglich von seinen Audioboxen kommen konnte.

Während sein Pulsschlag sich beschleunigte, stieß er ganz langsam die angelehnte Tür etwas weiter auf und erblickte Siggi, wie sie mit geöffneter Hose auf seinem Bett lag, neben ihr alle seine geliebten Pornomagazine. Eines davon hatte sie in ihrer Hand, während sie die andere Hand dazu gebrauchte, das zu machen, wofür Hans-Rüdiger eben diese Webseiten aufrief, wo sexy Frauen genau das machten, was diese junge Bayerin jetzt tat. Nun konnte er das sogar live miterleben. Die Frau, genauer gesagt das Mädchen, kannte er auch noch persönlich. Der Junge überlegte lange, ob er sich einen Spaß erlauben und die Tür blitzschnell aufmachen sollte, um sie zu überraschen, oder ob er ganz einfach weiter zuschauen sollte wie ein gewöhnlicher Spanner?

Die schlecht geölte Tür nahm ihm seine Entscheidung ab. Ab einem bestimmtem Öffnungswinkel begann die Tür laut zu knirschen. Hans-Rüdiger und auch Siggi erschraken. Während sie sich schnell die Hose wieder zuknöpfte und den ganzen Stapel Magazine in den Karton neben dem Bett warf – die meisten Magazine fielen neben den Karton und blätterten sich dabei auch noch auf – , zog der Junge die Tür wieder zu sich, ohne sie aber zu schließen. Ein leises »Mist« war noch zu hören. Verstecken konnte er sich aber sowieso nicht mehr und stieß deshalb die Tür wieder langsam auf und sah das Mädchen mit hochrotem Kopf auf dem Bett sitzen. Ihr schien das ganze noch viel unangenehmer zu sein als ihm.

»Servus, Hans-Rüdiger! Scho wieda da?«, fragte sie sichtlich überrascht.

»Ja, da bin ich wieder und wie ich sehe, war es dir in der Zwischenzeit überhaupt nicht langweilig, hast dich anscheinend mit meinen Magazinen vergnügt.«

War das ein Vorwurf, weil sie seine geliebten Sexmagazine angefasst hatte? Auch sein sarkastischer Ton schien Siggi zu sorgen, weshalb sie darauf bedacht war, die Situation zu entschärfen.

»Jo mei, ma war langweilig und i bin a neigieriges Madel.«

Er ging langsam auf sie zu, während er seinen Magazinen auf dem Boden kurze Blicke zuwarf, und setzte sich neben sie auf das Bett.

»Und wie gefallen sie dir?«

»Bassd scho. A boh schöne Nackerte san dabei.« Siggi schien wegen der delikaten Situation ein wenig verkrampft zu sein. Ihren Humor hatte sie aber nicht verloren.

Hans-Rüdiger lachte etwas gequält. Die peinliche Situation war noch nicht überstanden. Siggi hatte immer noch ein gerötetes Gesicht. Er musste irgendwas Lustiges sagen, um diese ganz Angelegenheit wieder auf eine normale Ebene zu führen.

»Tja, jetzt kennst du mein dunkles Geheimnis und ich deines.«

»Mei dunkls Geheimnis?« Siggi schien seinen Satz irgendwie misszuverstehen. »Also wos i do gemacht hob, war eigentle nix Schlimms. Vuilleicht soiad es ned jeda seng.« Ihr selbstbewusstes Auftreten und ihr Ärger schienen ihre Verlegenheit beendet zu haben. »I glab viele andere Madl, die ned jedn Sonndog in di Kiach gengan, hom scho Hand an si gelegt.«

»So so, bist du dir da sicher?« Der Junge versuchte Siggi zu verunsichern, vergeblich.

»Ja freili, de Madl hom genauso a Bedürfnis wia de Burschn. Dei Sexmagazine zeign doch, dass du aa an deim Steuerknüppel herumschbuist.« Sie begann über sich selber zu lachen, während Hans-Rüdiger peinlich berührt zu sein schien.

»Woher willst du das wissen, vielleicht habe ich das ja gar nicht nötig?« Seine unglaubwürdige Ausrede wirkte unfreiwillig komisch.

Siggi brach vollends in schallendes Gelächter aus und konnte kaum noch in vollständigen Sätzen reden. »Ha ha ha, du bisd so a Kasperl. Wahrscheinlich hosd du oan Harem und kimmsd voa lauta Schnackseln gar ned mehr dazua am gloan Hans-Rüdiger seibsd Hand ozulegn. Schliaßlich braucht da gloae aa mal a bissal Ruah.«

Während Siggi weiterhin herzhaft lachte, saß der Junge nur so da mit offenem Mund und brachte kein Wort heraus.

›Die ist schön dreist‹, dachte er sich, ›und das auch noch in meinem eigenen Zimmer‹. Hans-Rüdiger gingen auch noch andere Gedanken durch den Kopf, weil er eigentlich hätte unten sein müssen, um die Party zu kontrollieren. Bei all dem Alkohol hätte was aus dem Ruder laufen können, was es eigentlich auch schon tat, nur dass der junge Partyveranstalter das noch nicht so mitbekommen hatte.

»Also Siggi, weißt du was? Ich werde hier diese Magazine alle wieder einräumen und dann gehen wir beide nach unten. Hier oben sollte eigentlich gar nichts stattfinden, hier ist die Tabuzone.« Der Bursche schien verärgert zu sein und so ganz konnte er den Humor von Siggi auch nicht teilen, die weiterhin recht süffisant lächelte.

»Sei ned so eingeschnappt. Komm, i heifd dia a bissal.« Sie nahm ein paar der Magazine und stapelte sie übereinander, während der Junge die Hefte auf dem Boden ordnete, um sie geordnet in den Karton zurückzulegen.

Siggi war sichtlich guter Laune und nahm eines der älteren Magazine in die Hand. »Du, schau moi, die Pornodame in dem Klassika hod undn herum so vui Hoa, da brauchst a Machete um ins dunkle und feichte Verlies zu gelangn.« Sie begann wieder zu lachen.

»Wieso, lässt du es etwa nicht wild wuchern?« Seine Neugier schien jetzt doch über seine Schüchternheit zu siegen. An den Stress mit der Party dachte er nicht mehr.

»Spinnst du, i muss da regelmäßig stutzn, sonst werd’s zu vui und des Ungeziefa macht sich broad.«

Sie schaffte es diesmal ihm ein sanftes Lächeln zu entlocken.

»Ehrlich gsogt, hob i fast ois wegrasiad, bis auf oan Streifa obahoib moana Mumu, oan Irokesen sozusong. Untenherum bin i quasi a Punk. Mogst moi seng?«

Hans-Rüdiger fiel fast die Kinnlade herunter. Diese Frage hatte er sicherlich nicht erwartet. »Ja…ja, gerne,« stammelte er nur.

Siggi machte den Knopf ihrer Hose auf, zog den Reißverschluss herunter und fasste mit den Fingern ihr Höschen an, um es runterzuziehen, als sie beide plötzlich in diesem erotisch aufgeladenem Moment von unten ein ohrenbetäubendes Geräusch hörten. Beide erschraken und Siggi zog sich ihre Hose sofort wieder an.

»Verdammt, ich glaub, jetzt bin ich in Schwierigkeiten.« Hans-Rüdiger schaute geschockt zur Tür hinaus. »Okay, ich muss da schnell runter. Kannst du mir einen Gefallen tun und hier alles aufräumen.« Mit schnellen Schritten verließ der noch bleicher gewordene Junge das Zimmer, während Siggi alle seine Pornomagazine ordentlich aufräumte und sie wieder dahin stellte, woher sie alle hergenommen hatte. Das ging recht schnell, denn sie wollte natürlich auch wissen, was der Partymob unten angestellt hatte.

Als sie auch im Erdgeschoss war, ging sie von der Treppe die paar Meter zum Wohnzimmer fast laufend, wo sie dann das ganze Dilemma sah. Nicht nur, dass jemand auf den teuren Teppich gekotzt hatte und deutlich mehr als drei Weinflaschen auf dem Wohnzimmertisch standen, sondern eine noch eine viel größere Katastrophe war geschehen, auf die Hans-Rüdiger mit ein paar Jungs und Mädchen blickten. Im Wohnzimmer stand oder eher hatte mal ein große und sehr teure Vitrine gestanden, wo Erinnerungsstücke und andere Souvenirs aus dem Urlaub ausgestellt waren. Die Vitrine schien umgekippt zu sein. Wie sich herausstellte, hatte eines der mittlerweile schwer alkoholisierten Mädchen das Gleichgewicht beim Tanzen verloren und war mit voller Wucht gegen die Vitrine geknallt. Dabei hatte sie versucht sich an der Vitrine seitlich festzuhalten, um nicht auch noch auf den Boden zu fallen. Das war ein Fehler. Diese war dann nach vorne umgekippt und in tausend Scherben zerbrochen. Die gute Nachricht war, dass das Mädchen unverletzt blieb, aber stark benommen und geschockt auf dem Sofa saß. Die meisten Stücke in den Regalen blieben unversehrt, bis auf die, die auch so zerbrechlich wie Glas waren.

Hans-Rüdiger stand nun vor diesem Scherbenhaufen und murmelte ständig verzweifelt leise vor sich hin. »Scheiße, scheiße, scheiße, ich bin erledigt.« Ein anderer Junge legte seinen Arm auf seine rechte Schulter und versuchte ihn zu trösten, was aber nicht die gewünschte Wirkung hatte.

Siggi stand mit einem leicht blassem Gesicht drei Meter vom Geschehen entfernt. »Mei, des war’s wohl. Party is over.« Ihr Englisch klang ein bisschen wie das von Arnold Schwarzenegger und war unfreiwillig komisch, aber die anderen ebenfalls geschockten reagierten kaum.

Nach ein paar Minuten löste sich der Schockzustand langsam. Ein paar der Jungs und Mädchen torkelten – benommen vom Alkohol und des eben Erlebten – Richtung Eingangstür. Weitere folgten, bis nur noch zwei Burschen, Hans-Rüdiger, Siggi und das fast schon schlafende Mädchen auf der Couch, das die Vitrine umgestoßen hatte, übrig blieben. Sie hatte wohl den meisten Alkohol von allen zu sich genommen.

Einer von den Jungen sprach tröstende Worte zu Hans-Rüdiger, die nicht unbedingt Trost bewirkten. »Tja, jetzt ist wohl die Kacke am Dampfen. Vielleicht hätten wir wirklich nur die zwei oder drei Weinflaschen nehmen sollen, so wie du es gesagt hast. Aber irgendwie verlangten die anderen mehr und so kam eins zum anderen.«

Hans-Rüdigers Gesichtsausdruck begann sich so langsam ändern. Der blasse Junge wurde rot im Gesicht angesichts der Erklärung und der Umstände, die zu dieser Katastrophe geführt hatten. Er blickte den Weinflaschenräuber an.

»Warum hast du mehr aus dem Weinschrank rausgenommen als abgemacht?« Sein Tonfall hatte schon was einschüchterndes.

Der Junge schien in der Tat eingeschüchtert zu sein. »Ja weißt du, manche Partys laufen manchmal aus dem Ruder, wenn der Gastgeber nicht zur Stelle ist, um dem Einhalt zu gebieten.«

»Jetzt ist es also meine Schuld.« Hans-Rüdiger wurde laut und schaute dem Jungen wütend in die Augen. »Was bist du für ein Freund? Kann man sich heutzutage nicht mehr auf seine Freunde verlassen? Übrigens, wer hat den die Vitrine umgeschmissen?«

Der andere Junge schaute zur Couch, auf der immer noch das von Alkohol benommene Mädchen saß. »Wie du siehst, beeinträchtigt zu viel Wein das Gleichgewichtsvermögen. Tanzen sollte man auf jeden Fall nicht, wenn man fast eine ganze Weinflasche leer gesoffen hat.«

»Ich hätte den verdammten Weinschrank absperren sollen.« Hans-Rüdigers Stimmung schwankt wieder von wütend auf deprimiert zurück. »Und wer hat auf den Teppich gekotzt? Ach, ist auch schon wieder Wurst.«

Der Tröster fuhr fort. »Wie ich sehe, siehst du das ganze schon etwas entspannter. Das Mädel auf der Couch ist übrigens meine Freundin Theresa und ich werde ihr wohl nach Hause helfen müssen. Hey, Ronny, pack mal mit an! Ich muss mal mein volles Schatzerl hier rausbringen.«

Der andere Junge, der noch nichts Tröstendes zu Hans-Rüdiger gesagt hatte, ging zur Couch, legte den Arm des Mädchens um seinen Hals und half ihr hoch. Der Freund des Mädchens kam hinzu und machte dasselbe mit dem anderen Arm. Zu dritt gingen sie, das Mädchen in der Mitte fast tragend, zur Haustür.

Der Freund des Mädchens drehte noch mal kurz den Kopf zurück. »Also, man sieht sich. Wenn du moralische Unterstützung brauchst, ruf mich an. Ciao!«

 

4.

Einen Augenblick später waren die drei zur Haustür hinaus ohne die selbige zu schließen. Da stand er nun da, der Hans-Rüdiger, vor den Trümmern seines Lebens, während Siggi zur Tür ging, um sie abzuschließen und zurück ins Wohnzimmer kam. Der deprimierte Junge bemerkte das. »Was machst du noch hier?«

»Mei, i denke, dass irgendwie aa i vaantwoatlich bin fia des, wos do passiad is.«

»Wieso, du hast doch nichts kaputt gemacht?«

»Des ned, aber i hob di de ganze Zeid obgelenkt, mit den ganzen Sexmogazina und da Muschigschichdn. Du warst mit ma aufm Zimma anstatt do unten aufzupassn.«

Beim Ausdruck »Muschigschichdn« erschien ein kleines Lächeln im Gesicht des Burschen. »Ach was, ich habe einen entscheidenden Fehler gemacht. Ich hätte ihnen nicht den Weinschrank zeigen sollen. Ein Kasten Bier und Limo hätten genug sein sollen. Aber ich wollte nun mal eine super Party haben und die anderen nicht enttäuschen. Das habe ich nun davon.«

»I schätz, dei Ejdan wern ganz schee wild wern, wenn sie heimkomma.«

»Ja, wird wohl so sein. Ich werde mir wahrscheinlich eine andere Unterkunft suchen müssen.«

Niedergeschlagen von seinen eigenen Worten setzte sich der Junge auf das Sofa und blickte einfach nur noch starr in die Luft. Voller Mitleid setzte sich Siggi neben ihn und hatte spontan eine Idee um ihn schnell wieder auf bessere Gedanken zu bringen.

»Du, Hans-Rüdiger, om woite i dia mei reife Pflam zeign.«

»Was wolltest du?« Anstatt eines starren Blicks schaute er jetzt nur noch total perplex aus.

»Na mei Muschi, meine Vogina. Hosd des scho vagessn?«

Der Junge wusste gar nicht mehr, ob er noch frustriert sein oder vor Glück springen sollte. Es kam aber noch besser.

Siggi genoss es den deprimierten Jungen in emotionale Wallungen zu bringen und setzte deshalb noch einen drauf.

»Du, woasst wos, de Muschis kannst du aa in deinen Mogazina seng. Wie wär’s, wenn du wia de Burschn in desn Pornohefdn deinen Zipfe ausseholst und damit wos Sinnvois ostäist? Zum Beischbui den gloan Bub hart machn – i glaub, i konn dia dabei heifd – und ihn da reinsteckst, wo ea higehört.«

Jetzt war der zuvor niedergeschlagene Junge vollends baff. »Entschuldigung, was soll ich machen?« So richtig trauen konnte er seinen Ohren nicht. ›Hat sie auch vom Wein getrunken?‹, fragte er sich.

»Na schnackseln soist!«, erwiderte Siggi ungeduldig.

Die Miene des Jungen wandelte sich endgültig in eine aufgeregtes, aber fröhliches Grinsen. »Ja, du bist mir ja eine.« Er schien ihr freches Vorgehen zu bewundern, das zu machen, was er niemals gewagt hätte zu fragen, obwohl er es doch so dringend wollte. Ein paar Zweifel kamen ihm dann doch.

»Moment mal, das soll doch nicht etwas so ein Mitleidsfick sein oder gar eine Verarsche. Das wäre bei meiner jetzigen Lage schon grausam.«

»A geh, hör auf. Da Moment is perfekt. Mia san aloa in dem Heisl. Du hosd nix mehr zu valiarn, außa doana Unschuid.«

Siggi begann zu lachen, er stimmte mit ein, bis er darauf kam, dass sie ja eigentlich über ihn lachte. Angesichts der freudigen Erwartung machte ihm das aber auch nichts mehr aus.

»Na, mogst me ned voaha a bissal abschmatzln?«

Hans-Rüdiger dachte kurz nach – so vertraut war er mit dem bayrischen Dialekt schließlich auch nicht – und küsste das freche bayrische Mädel auf die Lippen. Als die beiden fest ihre Münder aufeinander drückten, versuchte der noch etwas unerfahrene Küsser seine Zunge ins Spiel zu bringen.

Siggi beugte sicht zurück. »A geh, lass den Schmarrn.«

Diese Zungenküsse waren nicht so ihr Ding. Ihr missfiel auch, wie sich die Pornodarsteller küssten. Sie dachte immer, dass diese Pornoakteure die Darsteller in normalen Filmen noch übertrumpfen wollten, was sie nicht mussten, denn schließlich folgte danach sowieso echter Sex, im Gegensatz zu den Mainstream-Darstellern und ihren simulierten Sex mit den teils unfreiwillig komischen Verrenkungen. Der Kuss wurde also fortgesetzt, aber ohne Zungenakrobatik. Sie lehnte sich weiter zurück, während er sich weiter über sie beugte.

»Du derfst ruhig etwas frecha sei.«

»Was meinst du?« Der unerfahrene Junge war sichtlich noch sehr nervös.

»Komm, greif ma unter de Bluse an meine Möpse. I droge heid sowieso koan BH, kannst nix foisch machn.«

Wie befohlen griff der Junge unter ihre Bluse und an ihren Busen. Er wurde mutiger und knetete gleich drauf los.

»Na, ned zu fest, bin koa Kua, de Muich gebn muss.« Doch Siggi wollte mehr. »Stopp, ich wui, dass du di ganz ausziehst.«

»Gut, aber nur, wenn du dich auch ganz nackig machst.« Hans-Rüdiger versuchte die Zügel an sich zu reißen.

Siggi spielte mit und zog sich die Bluse ganz aus. Der schon damals sehr große Busen schwang hin und her, sodass der Junge beim Zuschauen schon Schwierigkeiten hatte, nur sein T-Shirt auszuziehen. Sie stand auf und zog sich ihre Jeans bis auf die Fußknöchel runter, setzte sich dann auf das Sofa und zog noch ihre Schuhe aus, um die ganze Hose loszuwerden. Jetzt saß sie nur noch mit einem Höschen bekleidet auf dem Sofa.

»Na, woaauf wartest du no?«

Hypnotisiert von ihren riesigen Brüsten zögerte der Junge ein wenig, ließ sich aber nicht zweimal bitten und entledigte sich auch seiner Hose, bis er nur noch in Boxershorts dastand. Seine Erektion war deutlich darunter zu erahnen. Siggi genoss es, dass sie dafür verantwortlich war.

»So, jetzt wui i deinen Stända seng.«

»Gut, aber nur, wenn du dir gleichzeitig das Höschen ausziehst.« Der Junge wollte nicht als einziger ganz nackt dastehen.

Sie stand auf und zog sich ihren Slip aus. Der Junge starrte zwischen ihre Beine, auf die fast rasierte Vulva.

Siggi ließ nicht locker. »Jetzt komm, i wui deinen Lustlümmel seng.«

Ihre deftige Ausdrucksweise verunsicherte den Jungen. Dennoch zog er sich schnell die Boxershorts runter und war nun auch ganz nackt. Sie starrte auf seinen erigierten Penis. Anders als die »normalen« Mädchen, die angeblich keine Pornos schauten, war Siggi beim Anblick auf den Penis relativ entspannt, obgleich schon etwas aufgeregter als sonst, denn das war hier schließlich ihr erstes Mal. Die meisten Ständer, die sie so schon gesehen hatte, waren nicht viel anders, bis auf ein paar größere Ausnahmen, die in Pornos etwas öfters vorkommen. Aber Siggi konnte die Ausnahme von der Regel unterscheiden.

»A scheener Schniedel.« Ein paar Aufmunterungen waren schon wichtig, das wusste sie. »So, jetzt muss grod no a Verhüterli drüba und es konn losgehn.«

»Kondome?« Jetzt war der Junge dann doch auf dem falschen Fuß erwischt worden. Siggi antizipierte das schnell und entschärfte die Situation sofort.

»Koa Problem, i hob eins do.« Siggi griff in die auf dem Boden liegende Tasche der Hose, nahm den Geldbeutel raus und aus dem wiederum ein Kondom. Sie nahm das Gummiteil aus der Verpackung.

»Deaf i?«

Der Junge nickte und sie stülpte es, ohne zu zögern über seinen Penis. Der Junge war schon leicht erschrocken über Siggis forsches Vorgehen, ließ es aber über sich ergehen angesichts dieser einmaligen Situation und Chance, die so schnell nicht wieder kommen würde.

»So fertig, Verhüterli bassd perfekt.« Zufrieden wie ein Handwerker setzte sie sich auf die Couch und spreizte ihre Beine, als wäre es eine Kampfsportübung.

Bei diesem Anblick wurde sein Penis sogar noch härter. ›Mein Gott‹, dachte er sich, ›die geht echt ganz schön ran. Ob das alle Mädchen so machen?‹

Irgendwie hatte er da ganz andere Geschichten gehört. Ihm gefiel es aber so sehr, dass er die Sache mit der Vitrine und dem Wein schon zu vergessen begann. Er kniete auf der Couchkante zwischen ihren Beinen, setzte seinen Penis genau vor das Ziel und drang langsam in sie ein. Sie stöhnte laut auf. Leise war die Siggi beim Sex nicht, auch wenn es das erste Mal war. Irgendwie schien sie unbewusst die Darstellerinnen in den Sexfilmen zu imitieren, aber es war auch ganz ihre Natur, alles ungehemmt und ohne Scham herauszulassen.

Das rein und raus Spiel begann, in einem vielleicht zu hohem Tempo.

»Ned so schnei, ganz langsam.« Siggi dirigierte ihn und er gehorchte, auch deshalb, weil er den Eindruck hatte, dass sie mehr darüber wusste als er, obwohl er auch ein regelmäßiger Pornogucker wie sie war und beide noch keine Erfahrung hatten. Allerdings glaubte er nicht, dass sie Pornos schaute, denn Mädchen ihres Alters tun so was nicht. Da lag er wohl daneben.

Siggi stöhnte noch lauter. Gut, dass sonst niemand im Haus war.

Der Junge hielt sich beim Stöhnen noch zurück, denn Siggi war nicht nur lauter als er, sondern sie war auch diejenige, die die Kontrolle über das Ganze hatte. Zusätzlich zur Penetration hielt sie ihn an, an ihren Brustwarzen herumzuspielen. Genauso hatte sich Siggi das vorgestellt. Beide fingen mittlerweile an richtig zu schwitzen und sie merkten, dass das ganze immer erregender und intensiver wurde. Mit diesem sehr attraktiven und super sexy Mädchen Geschlechtsverkehr zu haben, anstatt nur passiv jemanden beim Sex zuzuschauen, war für jemand unerfahrenen wie Hans-Rüdiger und seine stimulierten Sinne dann doch zu erregend und zu viel Reizüberflutung. Und so endete es wie bei vielen Jungen und auch vielen erwachsenen Männern. Der Junge kam zu früh und verschoss sein Pulver zu schnell. Ein vorzeitiger Samenerguss ist nichts Seltenes und sogar ziemlich normal, aber dennoch meistens peinlich.

Siggi merkte bei all ihrer Erregung erst ein Mal nichts.

»Verdammt«, fluchte der Junge leise vor sich hin und hörte mit dem rein und raus Spiel auf.

Nun aber bemerkte auch sie, dass etwas nicht stimmte. »Wos hosd’n?«

»Ja, weißt du, das ist mir eigentlich noch nie passiert, aber du bist ja auch so verdammt heiß.«

Siggi wusste aus Erfahrung, dass Jungs um eine peinliche Ausrede nie verlegen sind. Sie verdrehte enttäuscht die Augen. »I nehm an, du hosd wohl de Rakete zua fria obgeschossn. Mei, solche Sachn passiern scho moi.«

Sie zog ihre Beine zu sich, schloss sie und rollte sich zur Seite, während der Junge noch immer in seiner Stellung verharrte, als hoffte er, dass es irgendwie doch noch weiter gehen würde. Aber der Zug war schon abgefahren.

Sie zog sich langsam ihr Höschen wieder an, während er sich des Kondoms entledigte.

»Also i werd moi langsam heim gehn. Braast no wos? A moaalische Unterstützung oda oan Blowjob?« Sie kicherte leicht.

»Meinst du das ernst?«

»Ja freili, des voahin ging ma a bissal zua schnei. I lutsch an deim Zipfe, wenn du voaha mei Mösn leckts.«

Nach seiner ersten Sexpleite überlegte der Junge nicht zu lange. »Okay, neuer Versuch. Oralsex ist ja auch nicht schlecht.«

Siggi zog sich das Höschen wieder aus, setzte sich aufs Sofa und spreizte die Beine erneut, während sich Hans-Rüdiger vor dem Sofa hinkniete und ihr genau zwischen ihre Beine starrte mit einem etwas ratlosen Gesicht.

»Woasst du scho, wos machn musst?«

Er kniete sich vor ihr hin, ging prompt mit seinem Kopf zwischen ihre Beine und begann an ihrer Vagina zu lecken, was aber aussah wie bei einem Hund, der das Gesicht seines Herrchens ableckt. Siggi bemerkte das und sah, was er da zwischen ihren Beinen veranstaltete. Es erregte sie nicht wirklich, außer der Situation an sich. Sie hatte auch keine Lust ihn da noch zu korrigieren. Schließlich fand erst vor kurzem das erste Versagen statt und sie wollte das Selbstvertrauen des Jungen nicht gänzlich ruinieren. Deshalb spielte sie mit und stöhnte pornoreif, was der junge Bursche für seinen Verdienst hielt. Hin und wieder schaute er stolz zu ihr auf und nahm ihren sexuell verzückten Gesichtsausdruck als Dank auf, was Siggi wiederum stolz machte auf ihre guten schauspielerische Fähigkeiten.

›Als Darstäierin fia oan Softporno häd i sicherlich a guade Chance‹, dachte sie sich.

Aber das ganze musste ja auch irgendwann zum Schluss kommen, sonst hätte er sie noch wund geleckt. Sie begann deshalb schneller und lauter zu stöhnen bis sie einen lauten Schrei von sich gab und der junge Zungenakrobat aufhörte.

»Na, bist ja gekommen. Es hat dir scheinbar gefallen.« Er beglückwünschte sich quasi selbst, während Siggi nur die Augen rollte und begann sich wieder anzuziehen.

»Du, es is scho spät gewoadn. I muss jetzt langsam heim. Den Blowjob gibt’s irgendwann schbada.« Sie musste sich ein Lachen verkneifen, da Hans-Rüdiger immer noch nackt vor ihr stand, der dünne und etwas blasse Junge mit dem ziemlich ernsten Problem.

»Wos sogst deinen Ejdan?«

Der Junge wurde von ihr wieder in die Realität zurückgeholt. In seiner Stimme war etwas Verzweifeltes herauszuhören. »Ach, diese verdammte Party und diese verantwortungslosen und versoffenen Kinder.«

Vielleicht half ihm etwas Selbstironie das Ganze besser zu verarbeiten. Er begann sich anzuziehen.

»Ich werde erst mal die Kotzlache auf dem Teppich entfernen, die Scherben aufkehren und die noch nicht geöffneten Weinflaschen in den Schrank zurückstellen. Und wenn ich dann endlich fertig bin, gehe ins Internet und kaufe mir ein billiges Flugticket irgendwohin nach Südamerika. Ich habe zwei Tage Zeit um meinen Plan zu verwirklichen.«

Siggi zwang sich zu einem Lachen. Er tat ihr leid. »Wengstens hosd du ned deinen Humoa valoan. Du, i werd dia wos helfen. I räum de Glaslscherbn weg, aba de Speibe musst du entferna.«

»Danke, der Herrgott segne dich.«

Sein Humor in dieser schwierigen Situation gefiel Siggi. Aber an seinen Sexkünsten musste er noch arbeiten.

So also endete Siggis und Hans-Rüdigers erster Sex. Aber wahrscheinlich wäre es gar nicht zum Sex gekommen, wenn nicht diese angeblichen Freunde gewesen wären, die diese Katastrophe verursacht hatten. Ein paar Mal sah Siggi diesem Pechvogel noch in der Schule, sie grüßten sich und sprachen auch miteinander. Sie erfuhr von ihm, dass sein Vater, nachdem er alles erfahren und gesehen hatte, nicht wild mit ihm geschimpft, sondern eher leise in sich hinein gegrollt hatte, während seine Mutter anfangs sprachlos gewesen war und dann versucht hatte, ihn zu trösten. Wie sich herausstellte, war nicht die zu Bruch gegangene Vitrine der teuerste Schaden, sondern die insgesamt fünfzehn von dreißig leer getrunkenen oder verschütteten Weinflaschen, die die Vitrine an Wert um einiges übertrafen. Und das alles für ein paar Jugendliche, die nur wegen des Alkohols die Flaschen öffneten und den Geschmack des teuren Weines gar nicht zu schätzen wussten.

Zwei Wochen später sah Siggi den Jungen nicht mehr. Er schickte ihr eine E-Mail, dass er zu seinem Onkel nach München gezogen sei und dort auf ein Gymnasium gehe. Sie konnte nur noch den Kopf schütteln über seinen Vater und den teuren Wein, der so viel wichtiger war als ein nicht ganz perfekter Sohn, der wie alle in seinem Alter schon mal schwerwiegende Fehler begehen konnte. Dafür war er aber ein umso humorvoller Bursche. Sie mochte Jungs mit Humor.


Der Zug fuhr im Schneckentempo dahin. Siggi war leicht eingenickt. Das langsamere Tempo und der damit eingehende Rhythmuswechsel weckte das Mädchen. Während ihres kurzen Dösens hatte sich ein Seniorenpaar in ihr Sitzabteil gesetzt.

»Na, haben wir dich aufgeweckt.« Das Paar lächelte freundlich Richtung Siggi.

»Bassd scho, i hob sowieso ned richtig gschlafa.«

Sie rieb sich die Augen und fragte sich, warum wie so oft der Zug wieder so langsam fuhr. Schließlich wollte sie nicht zu spät in München ankommen, da sie sich mit einer der zwei Mitbewohnerinnen der Studenten-WG am Telefon verabredet hatte. Diese sollte ihr noch einen Wohnungsschlüssel überreichen und ihr alles zeigen und erklären, wie in der Studenten-WG die Dinge so liefen. Anrufen wollte Siggi sie wegen der Verspätung aber noch nicht. Sie wollte der Bahn noch eine Chance geben einigermaßen pünktlich anzukommen.

Das ältere Paar unterhielt sich lebhaft. Sie aber hörte nicht hin, sondern schaute wieder aus dem Fenster. Der Zug nahm wieder an Fahrt auf und Siggi hoffte doch noch rechtzeitig in München anzukommen. Mindestens eine Stunde bis zum Zielort würde es aber dauern. Sie schaute noch mal kurz zu den zwei Senioren rüber, die sie an ihren ersten Job erinnerten.


Die erste und letzte Sexparty

 

1.

Siggi dachte an diese verhängnisvolle Party und ihren ersten Sex mit einem lachenden und weinendem Auge zurück. Lachend, weil sie zum ersten Mal mit einem Jungen Sex gehabt und nicht immer anderen beim Sex zugesehen hatte, und weinend, weil diese verhängnisvolle Party ihr vielleicht die Möglichkeit genommen hatte einen echten Freund zu haben, mit dem sie auch mehr als einmal Sex haben konnte. Wie sich nämlich später herausstellte, war es gar nicht so einfach jemanden sympathischen und zugleich einigermaßen attraktiven Jungen zu finden, den man mochte und mit dem man unkomplizierten Sex haben konnte. Außerdem hatten die meisten gut aussehenden Jungs schon Freundinnen und die Burschen, die auch noch recht ansehnlich waren, trauten sich nicht die selbstbewusste Siggi anzusprechen und sie dann auch noch zu irgendetwas einzuladen. Zwar konnte das Mädchen gut mit den Jungs auskommen, schließlich war sie mehr mit ihnen zusammen als mit ihren Freundinnen, aber einen von ihnen ansprechen, um mal nicht über Kampfsport zu reden, war dann doch eine ganz andere Sache.

Die Wochenenden in den Dorfdiscos waren auch nicht von Erfolg gekrönt. Sie unterhielt sich meist mit ihren Freundinnen. Von den Jungs auf der Tanzfläche kamen zwar viele intensive Blicke, aber so richtig ins Gespräch kam sie nicht mit ihnen. Allerdings ging ihr das ständige Schreien – in der lauten Disco war das die einzige Möglichkeit sich zu unterhalten und von jemand anderem verstanden zu werden – ziemlich auf die Nerven.

Mit den vielen Burschen aus ihrer Kampfsportgruppe ging auch nichts Sexuelles, weil das erstens ihre Kumpels waren, und zweitens, war sie mittlerweile schon so erfolgreich in den verschiedenen Disziplinen, dass sie den schwarzen Gürtel trug. Wer will sich schon mit der Meisterin auf ein amouröses Abenteuer einlassen? Alle die möchte-gern Karate Kids und Jackie Chans hatten einfach zu viel Respekt vor ihr. Dabei wollte sie doch so unbedingt noch einmal richtig »schnackseln«, wie mit Hans-Rüdiger, nur länger und besser. Aber so vergnügte sie sich wie immer allein zu Hause mit ihrem neu gewonnen »Freund«, dem Dildo aus dem Internetsexshop.

Nach dem erfolgreich bestandenem Abitur – da war sie erst neunzehn Jahre alt – beschloss sie erst einmal vom Lernen eine Auszeit zu nehmen und ein freiwilliges soziales Jahr zu absolvieren. Sie erhielt auch gleich die Möglichkeit in einem Altenheim als Pflegehilfskraft zu arbeiten, die den ausgebildeten Pflegern zur Hilfe stand. Wie sich aber bald herausstellte, tat sie im Grunde genommen dasselbe wie die Profis, denn das Altenheim am Rande von Rosenheim war chronisch unterbesetzt, weshalb sie auch mit offenen Armen von den überwiegend nicht deutschen Pflegern aus dem osteuropäischen Ausland empfangen wurde. Die Chefin des Heims war eine blonde Polin um die fünfzig namens Olga, mit strengen, aber freundlichen Blick und tiefen Ringen unter den Augen. Von der 38,5 Stunden Woche und einem hohen westeuropäischem Gehalt hatte sie in Polen geträumt. Hier in Deutschland war sie in der harten Realität aufgewacht, vor fünfzehn Jahren, wie sie selbst Siggi schon am ersten Tag anvertraute. Mit dem deutschen Gehalt war sie einigermaßen zufrieden, auch wenn die Wochenarbeitsstunden wesentlich höher ausfielen, bei gleichem Lohnausgleich. Siggi dachte etwas naiv für sich selbst, dass jemand mit einem einen schwarzen Gürtel im asiatischen Kampfsport doch hart im Nehmen sei und das ganze doch gut überstehen würde. Sie merkte aber früh, dass ihr soziales Jahr doch härter werden würde als sie vermutet hatte.

Olga setzte die unerfahrene Siggi gleich noch am ersten Tag in einen Altenpflegeanzug, ein weißes kurzärmeliges Hemd mit Druckknöpfen vorne, weiße Hose und weiße Schuhe, die wie Holzklotzschuhe aussahen. Im Umkleideraum zog sie unter Aufsicht von Olga ihre Sportschuhe, Jeans, Jacke und T-Shirt aus. Da stand sie nun da, nur noch Söckchen, Stringtanga und BH. Die konservative Olga bemerkte ihren Stringtanga und die großen Brüste, die gerade noch so von ihrem BH in Zaum gehalten wurden. Sie konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen mit ihrem harten polnischen Akzent.

»Was machst du in Freizeit, bist du Busenmodel?«

Siggi schaute verdutzt, sagte aber nichts.

Die Chefin wollte aber auf keinen Fall die Neue vergrämen. Jeder neue Mitarbeiter war schließlich eine Erleichterung.

»Mache nur Spaß. Aber große Busen ist gut. Bei mir in Heimat sagt man, Mädchen mit großen Busen gebären später viele gesunde Kinder. Polen lieben Kinder.«

»Mei, i glab in einign Teiln Bayerns sogt ma des aa.« Siggi konterte gekonnt und setze der strengen Chefin gleich mal ein Lächeln ins Gesicht. Sie zog sich die bequeme weiße Hose an und schlüpfte in die harten und weißen Schuhe. Zum Schluss war noch die weiße Bluse dran, die vorne Druckknöpfe hatte. Dabei bereiteten gerade diese Knöpfe Probleme, denn Altenpfleger hatten für gewöhnlich nicht so große Brüste.

Olga sah das Problem und nach dem Motto, was nicht passt, wird passend gemacht, legte sie selber Hand an die Knöpfe. Sie zog fest die Bluse zusammen, um die Knöpfe zudrücken zu können.

»So Siggi, halte Luft an, ich ziehe Hemd zusammen.«

Siggi hielt die Luft an, während Olga mit aller Kraft das Hemd zuknöpfte.

»Geschafft! Hoffe Hemd hält Druck von Busen aus. Wie sagt man in Bayern: Du hast sehr viel Holz vor Haus.«

Siggi wollte sie noch korrigieren, konnte aber kaum sprechen wegen des Druckes auf ihre Brüste. ›So konn i doch ned den ganzn Dog arbadn‹, dachte sie sich. »Ja gibt’s koa andere Gress?«

Gerade in diesem Moment gingen die Knöpfe im oberen Brustbereich wieder auf und ein Teil der Brüste hatten sich wieder mehr Freiheit erkämpft. Olga schien frustriert.

»Das ist Einheitsgröße. Hemd gibt es nur für kleinere oder größere Frauen, aber nicht für Frauen mit Riesentitten.«

Siggi musste innerlich lachen. Aus Olgas strengem Mund klang das schon ziemlich lustig, als ob ihr großer Bruder gerade durch sie gesprochen hätte. Da kam ihr eine Idee.

»Oiso wenn i den BH weglasse, is etwas mehr Blotz da. De enge Bluse stützt scho mei Brust, so wia da BH.«

Olga schien nicht gerade begeistert. »Was, willst du wie Stripperin durch Gegend laufen?«

Allerdings fiel ihr auch keine andere Lösung ein und stimmte deshalb zu. Siggi zog sich die Bluse und den BH aus. Die eher nicht so üppig ausgestattete Chefin blickte neidisch auf ihren großen Busen mit den großen Nippeln.

›Hoffentlich macht sie die männlichen Heimbewohner nicht verrückt‹, dachte sie sich.

Siggi zog sich wieder die Bluse an ohne den BH und es schien zu passen. Sie konnte atmen, obwohl die Bluse noch immer recht eng anlag. »Bassd scho, oda?«

»Gut, wenn du so besser arbeiten kannst.« Die Chefin war nicht begeistert, aber was nicht passte, musste irgendwie passend gemacht werden. Dieses Mal eben von Siggi und Olga schien zufrieden.

Die Chefin begann dann mit einer Einführungstour durchs Altenheim. Sie zeigte Siggi alle Räume und stellte sie auch schon mal einigen Senioren vor. Einige männliche Bewohner reagierten sichtlich erfreut beim Anblick der neuen Pflegerin und begannen sogleich ihren altmodischen Charme spielen zu lassen. Siggi lächelte dann freundlich, während die Chefin skeptisch schaute. Sie kamen auch an Zimmern vorbei, in denen einige ältere Menschen den ganzen Tag verbrachten, weil sie ihr Bett nicht mehr verlassen konnten. Es roch auch meisten etwas unangenehm in diesen Zimmern. Spätesten da begriff die junge Pflegerin, dass dieser Job noch viel mehr abverlangen würde.

»Hier du sehen, warum Arbeit oft sehr hart werden kann und warum viele deshalb oft erschöpft und krank zu Hause bleiben oder Beruf ganz aufgeben.« Olga klang frustriert. »Aber ich glaube, du bist starke Person. Ich sehe, du hast gute Armmuskeln. Du machst viel Sport?«

»Jo, des stimmt. I bin voa oiem Kampfspoatlerin im asiatischn Stil.«

Olga wurde neugierig. »Ah, wie diese Männer aus China oder dieser eine Schauspieler. Habe Name von diesem vergessen.«

»Jackie Chan is sei Name.« Siggi wusste genau, wen sie meinte.

»Stimmt, genau den ich meine. Kämpft sehr schnell und alles sehr lustig.« Dieses neue Gesprächsthema verbesserte die Laune der Chefin, die beim Thema »bettlägrige Heimbewohner« in schlechte Stimmung geraten war. »Ich glaube, wir werden hier gut auskommen, wir beide.«

Siggi nahm ihre Aufmunterung dankend an und versuchte diese positive Energie in ihren neuen Job zu stecken.

Diese Energie war auch dringend notwendig, denn schon die nächsten Tage wurden richtig anstrengend. Sie putzte, half in der Küche, griff gehbehinderten Senioren unter die Arme und besorgte ihnen ein Glas Wasser. Das ging den ganzen Tag so, aber dennoch war sie froh darüber, weil sie nicht bei den bettlägrigen Heimbewohnern mit anpacken musste. Am liebsten hielt sie sich jedoch im Gemeinschaftsraum auf, wo die Bewohner TV schauten, Bücher und Magazine lasen oder miteinander Karten spielten. Da spielte sie dann oft mit oder schaute mit anderen in die Glotze, meistens irgendwelche Heimatfilme oder Seifenopern. Einmal schlug sie vor doch mal einer dieser neuen US TV-Serien anzuschauen, als eine Art Abwechslung vom Alltag. Die Idee wurde aber gleich verworfen, weniger von den Alten als vielmehr von den Kolleginnen, die abwiegelten. Diese Serien wären zu aufregend. Man musste ja schließlich bedenken, dass die Zuschauer schon ziemlich alt und vom Herzinfarkt nur noch eine Aufregung entfernt waren. Spannende Serien wären das letzte für sie gewesen, was man ihnen hätte zumuten können.

Siggi empfand das als eine lahme Ausrede und eine Bevormundung angesichts des langweiligen Lebens dieser Heimbewohner. Schließlich mussten sie sowieso irgendwann sterben und da hätten sie vorher noch etwas erleben sollen, auch wenn es nur ein spannendes Fernsehprogramm war. Sie glaubte eher, dass nicht zu viel Aufregung und Spannung ihr Leben gefährdete, sondern das eintönige Dahinsiechen.

Für etwas Aufregung sorgte aber Siggi manchmal selbst, wenn auch nicht ganz freiwillig. Das enge Hemd ihrer Uniform stand immer noch unter Spannung. Den BH, den sie weggelassen hatte, änderte nicht wirklich viel daran. In manchen Momenten, wenn sie sich reckte und streckte, was bei ihrer helfenden Tätigkeit ziemlich oft passierte, gingen die oberen Druckknöpfe ihres Hemdes auf und ihr Busen drängte sich nach draußen, raus in die Freiheit und an die frische Luft. Sie hatte dann plötzlich dieses gewaltige Dekolleté. Meistens schaffte sie es ihrem Busen Einhalt zu gebieten und machte die obereren Knöpfe wieder schnell zu. Sie glaubte dann ein paar Blicke der männlichen Senioren zu spüren. Sie hielt das nicht für schlimm, wollte aber nicht, dass das ihre Kolleginnen sahen und vor allem nicht die Chefin. Allerdings kam es auch vor, dass sie einem älteren Heimbewohner beim Gehen oder Anziehen half und da konnte sie diejenige Person nicht einfach loslassen und sich um ihr Hemd kümmern. So konnten dann ihre Brüste schon mal mehrere Minuten die Freiheit genießen. Hin und wieder bekam sie dafür sogar bewundernde Pfiffe von irgendwelchen männlichen Senioren zu hören, ohne genau auszumachen, von wem sie kamen. Ihr war das zwar anfangs peinlich, aber mit der Zeit amüsierte sie das eher.

Die Kolleginnen, die das auch hin und wieder bemerkten, rümpften dann schon mal die Nase, sagten aber nichts, denn sie waren einfach zu beschäftigt. Die Chefin bemerkte es nie. Darauf passte Siggi schon auf. Ansonsten gab es bei ihrer anstrengenden Arbeit auch nicht viel zu lachen. Wenn sie wie immer spät nachmittags heimkam, war sie erst einmal fix und fertig. Am Anfang hatte sie gedacht, dass sie das als Sportlerin gut überstehen wird können. Da hatte sie die Rechnung ohne die anstrengenden Senioren gemacht. Um nicht in Selbstmitleid zu verfallen, relativierte sie alles bei dem Gedanken an ihre Kollegen, die dort noch länger arbeiten und sogar über Nacht bleiben mussten. Viele der Heimbewohner brauchten schließlich auch nachts oft Hilfe oder es lag ein Notfall vor.

Doch es konnte sogar noch anstrengender werden. Viele ihrer Kolleginnen waren schon länger dabei, älter und nicht mehr ganz die fittesten. Deshalb war der Krankenstand bei den Mitarbeitern relativ hoch. Wenn also an einigen Tagen mehrere von ihnen ausfielen und das kam schon mal öfters vor, dann musste auch Siggi richtig ackern. Die Stimmung der Chefin war dann auch noch im Keller, denn die Heimbewohner konnten nicht alle optimal versorgt werden und wurden deshalb ziemlich ungeduldig und reizbar. Man konnte an diesen Tagen schon eine aggressive Grundstimmung wahrnehmen.

Siggi gefiel das gar nicht. Sie dachte sich, dass, wenn schon die Arbeit mehr wurde, sie doch leichter fallen würde, wenn keine aggressive, sondern eine heitere und entspannte Atmosphäre herrschen würde. Doch wie hätte sich die negative in eine positive Stimmung umwandeln können? Nun, offensichtlich wurde diese schon ein wenig besser, wenn bei ihr die oberen Knöpfe des Hemdes aufgingen. Deshalb machte sie die oberen Knöpfe auch irgendwann nicht mehr zu, nachdem ihre Brüste wiedermal dem Ruf der Freiheit gefolgt waren. Und in der Tat hatte das schon nach kurzer Zeit positive Auswirkungen. Ihre Brüste lenkten die Heimbewohner, allen voran die männlichen, von ihren negativen Gedanken ab. Waren die älteren Herren oft launisch und mürrisch, hellte sich ihre Stimmung beim Anblick von Siggi sofort auf. Auch die älteren Damen profitierten von der guten Stimmung der männlichen Leidensgenossen. Sie nahmen die gelockerte Atmosphäre auf und der Alltag schien leichter.

Ein Problem und Tabuthema im Seniorenheim war die vorkommende Gewalt der Senioren gegenüber den Seniorinnen. Doch auch hier schien sich die Lage zu verbessern. Siggis Kollegen, die ihrer Brustoffensive anfangs negativ eingestellt waren, nicht weil sie zu prüde waren, sondern Olgas möglichen Zornausbruch fürchteten, bemerkten, dass die bedrückende Stimmung sich aufhellte und sie besser mit den alten Menschen zurechtkamen, weil auch eben diese Gewalt zurückging.

Auch die Chefin merkte, dass die Stimmung im Heim besser wurde, wusste aber nicht worauf das zurückzuführen sei, da sie als Einzige von Siggis ausuferndem Dekolleté nichts mitbekam.

Einmal kam Siggi sogar die Idee anstatt der öden und langen weißen Einheitshose einen Rock zu tragen, um noch mehr Sexappeal auszustrahlen. Doch wie sollte sie die Chefin davon überzeugen auf die Hose zu verzichten? Das stellte sich dann aber als gar nicht so schwer heraus, denn die gerade geschnittene Hose bereitete anderen Pflegerinnen Probleme und damit auch Siggi, wie sie vorgab. Außerdem hatte Olga keine Einwände gegen einen konservativen und weißen Rock, denn Siggi schnell und billig über das Internet besorgen konnte. Und schon ein paar Tage später konnte sie in einem etwas zu kurzen weißen Rock, der deutlich über dem Knie aufhörte, durch das Altenheim gehen und den zusätzlich erhofften Sexappeal auch verbreiten. Die Chefin war zwar von dem etwas zu kurzen Rock nicht so begeistert, doch schließlich hatte sie ihn genehmigt und sie wollte sich auch nicht allzu sehr damit beschäftigen, denn sie hatte zu der Zeit schon genug andere Probleme.

Siggis Kolleginnen blickten anfangs etwas erstaunt und überrascht. Doch niemand lästerte oder kritisierte sie, denn das Ganze stellte sich als recht positiv dar. Die männlichen Heimbewohner waren noch weniger mürrisch, dafür freundlicher und versuchten sogar hin und wieder mit ihr zu flirten. Auch die Seniorinnen genossen diese erotisch angehauchte Atmosphäre. Sogar das Arbeitspensum war bei dieser Stimmung leichter zu ertragen, obwohl wegen der deutlich erhöhten und krankheitsbedingten Ausfälle der Pflegekräfte Personalnot bestand.

Siggi merkte, dass ihre Idee mit dem Rock genial war, was sie sogar schon fast übermütig werden ließ und sie deshalb noch mehr Knöpfe ihres Hemdes aufmachte, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Chefin nicht in der Nähe war. Das ging einige Zeit lang gut, was sie immer selbstbewusster machte und die Heimbewohner immer fröhlicher. Auch die Chefin merkte, dass etwas anders war wie früher. Sie konnte sich aber keinen Reim darauf machen. Dass nur die neue Pflegerin dafür verantwortlich sein könnte, glaubte sie nicht. Von Siggis freizügiger Art ihren Job auszuführen hatte sie keine Ahnung und niemand sonst im Pflegeheim wollte ihr das Geheimnis verraten. Man wollte doch nicht den Zorn der Chefin und den Rauswurf von Siggi riskieren.

Der Gemeinschaftsraum des Altenheims war der Ort im ganzen Gebäude, wo sich tagsüber die meisten Senioren aufhielten. Hier gingen die alten Menschen allerlei Beschäftigungen nach, um irgendwie die Zeit totzuschlagen. Die, die noch körperlich einigermaßen fit waren, gingen im Garten vor dem Haus spazieren. Um für etwas mehr Abwechslung zu sorgen, wurden manchmal im Gemeinschaftsraum Musikshows veranstaltet, wo dann irgendwelche Amateursänger eingeladen wurden, um alte Schlager zu singen. Die technische Anlage, das Abspielgerät, die Boxen und das Mikrofon, waren schon vorhanden. Einige der Senioren schunkelten mit im Takte der Musik, aber die meisten sahen nur gelangweilt aus, klatschten dann nach dem Ende Liedes höflich Beifall. Bei diesen öden Shows verließ Siggi immer den Raum und schwor sich niemals ein Schlagerfan zu werden. Das schlimmste jedoch waren die Kasperletheater, die ebenfalls stattfanden. Anscheinend traute man den Senioren nichts Anspruchsvolles mehr zu und behandelte sie wie kleine Kinder. So langsam kotzte es Siggi an, wie mit den Alten umgegangen wurde. Ihr tägliches Auftreten als sexy Altenpflegerin war dagegen Unterhaltung auf höchstem Niveau und darauf war sie sogar stolz.

Das freiwillige soziale Jahr neigte sich schnell dem Ende entgegen und sie hatte schon einen signifikanten Eindruck bei den Senioren hinterlassen. In ihren Gesichtern war öfters ein fröhlicher Ausdruck zu sehen, zumindest bei den meisten, die ihr Zimmer verlassen konnten und einen Blick auf die sexy Pflegerin werfen konnten.

Doch bevor sie das Altenheim für immer verließ, wollte sie noch einen ganz besonderen Eindruck bei den Senioren hinterlassen, etwas, an das sie sich bis kurz vor ihren Tod noch erinnern würden. Kurz vor dem Ende des freiwilligen sozialen Jahres wartete sie auf einen geeigneten Moment. Eines Tages schien dieser gekommen zu sein. Es war einer dieser Tage, an dem wieder mal viele Altenpfleger krankheitsbedingt fehlten. Alle ihre Kolleginnen waren im Dauerstress, da sie auch noch für die fehlenden Arbeitskräfte einspringen mussten. Auch Olga, die Chefin, hatte mehr zu tun als normalerweise. Sie musste jede Menge Papierkram in ihrem Büro erledigen, obwohl sie eigentlich dafür keine Zeit hatte. Sie war auf jeden Fall sehr angespannt und gereizt, versucht aber trotzdem immer ruhig und sachlich mit allen Mitarbeitern zu reden. Siggi merkte, dass sie die Nerven der Chefin auf keinen Fall reizen sollte, als sie zu ihr morgens gerufen wurde.

Olga saß angespannt hinter ihrem Schreibtisch und las Dokumente durch, während sie mit ihrem polnischen Akzent sprach, der scheinbar unter Stress stärker hervortrat und die Grammatik in Mitleidenschaft zog. »Siggi, ich muss mit dir sprechen, dringend. Wie du sehen, ist heute sehr stressiger Tag. Viele Pfleger fehlen und alle haben viel zu tun, ich besonders. Nach dem Mittagsessen du wirst dich um alle Senioren im Gemeinschaftsraum alleine müssen kümmern, für ein bis zwei Stunden. Du trägst Verantwortung für alle. Bist du bereit dazu? Kannst du das?«

»Mei, i denk scho. I bin fit.« Siggi schien locker drauf zu sein und das Gegenteil von der gestressten Chefin.

»Sehr gut, nach Mittagsessen ich lasse dich allein mit alte Leute. Wenn was Dringendes ist, du rufst mich einfach.«

Siggi sah dem gelassen entgegen, denn schließlich beschäftigten sich die Senioren sowieso die ganze Zeit mit sich selbst.

 

2.

Nach dem Mittagessen ging sie gleich in den Gemeinschaftsraum. Da das Wetter regnerisch war, hielt sich auch kein Senior und keine Seniorin draußen auf. Der Raum war also gut gefüllt. Man las, sah fern, spielt irgendein Kartenspiel, aber viele starrten auch nur einfach so vor sich hin. Außer mal ein Glas Wasser zu holen, gab es nicht viel zu tun. Die notwendigen Medikamente waren alle schon verabreicht worden. Siggis übrig gebliebene Kollegen – fast ein Drittel der Belegschaft fehlten – hatten viel zu tun in der Küche, Wäsche waschen, die bettlägrigen Alten pflegen und so weiter. Die Chefin war auch schwer am Schuften. Viel Papierkram war zu erledigen, um dann nachher ebenfalls zu den Senioren aufs Zimmer zu gehen. Siggi dagegen hatte nicht viel zu tun, außer die Alten zu überwachen. Es herrschte gepflegte Langeweile im Gemeinschaftsraum. Genau jetzt war es also Zeit ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen und diese Langweile zu durchbrechen. Bis schließlich ein Kollege oder die Chefin wieder diesen Raum betreten würde, konnte es noch dauern.

Sie ging zur Musikanlage, schaltete sie ein und nahm das Mikrofon in die Hand. Sie stellte es auf nicht ganz so laut und sprach in Hochdeutsch. »Meine Damen und Herren, darf ich um ihre Aufmerksamkeit bitten!«

Einige drehten sich neugierig zu ihr hin, während andere nicht von ihrer Tätigkeit abließen.

»Ich verbringe heute etwas länger Zeit mit euch alleine und da ich euch bald verlassen werde, wollte ich euch was Tolles anbieten und eine letzte und eigene choreografierte Show präsentieren. Nicht die übliche langweilige Unterhaltung, sondern etwas mit einem erotischen Touch. Auf gäds, Leid!«

Spätestens von da an hatte sie die Aufmerksamkeit aller Senioren. Sie legte das Mikrofon zur Seite, nahm einen MP3-Stick aus ihrer Hosentasche und steckte ihn in die moderne Musikanlage. Dann wählte sie ein bestimmtes Lied aus, Joe Cockers You Can Leave Your Hat On.

Siggi begann zur Musik lasziv zu tanzen und man hörte schon, wie einige Senioren ihre Stühle rückten, um einen besseren Blick auf sie zu haben. Erstaunlich wie fit einige auf einmal waren, wo sie zuvor für jede Anstrengung um Hilfe baten. Anfangs war Siggi noch sehr nervös, aber nicht, weil sie nicht wusste, wie die Zuschauer darauf reagieren würden, sondern, weil sie fürchtete, dass vielleicht doch noch einer ihrer Kolleginnen mit der Arbeit früher fertig werden könnte als vorhergesehen. Oder schlimmer noch, die Chefin plötzlich den Raum betreten würde. Aber sie wusste, dass das alles irrationale Angst war. Die anderen hatten so viel um die Ohren, dass sie nicht einmal herkommen würden, wenn sie die Musik gehört hätten, was bei der geschlossenen Tür und der abseits gelegenen Lage des Raumes im Gebäude eigentlich auch nicht möglich war. Diese Angst konnte sie schon mal bei Seite wischen. Und was die Senioren betraf, glaubte sie nicht, dass einer von ihnen sie verraten würde. Schließlich hatte ihr schon niemand die Rolle als sexy Altenpflegerin Übel genommen. Im Gegenteil, alle waren positiv ihr gegenüber eingestellt. Doch wie würden diese älteren und sicherlich auch konservativen Herrschaften auf einen Striptease reagieren? So weit sie das sehen konnte, waren alle nicht nur neugierig, sondern auch angenehm überrascht, und zeigten ein Lächeln im Gesicht. Die Show konnte also unvermittelt weitergehen.

So viel Kleidung hatte sie nicht abzulegen, der Rock, das Hemd, BH hatte sie keinen, die Schuhe blieben dran und zum Schluss das Unterhöschen, falls sie überhaupt so weit gehen würde, was sie aber nicht vorhatte. Während des Tanzes gewann sie zunehmend an Selbstvertrauen, ihre Bewegungen wurden sicherer und lasziver. Sie begann auch mit dem Publikum zu flirten. Die für gewöhnlich trostlosen Blicke der alten Leute wurden ersetzt durch weit geöffnete und funkelnde Augen. Die Lethargie, die die Heimbewohner meistens zeigten, wich einer Lebensfreude, die sie wahrscheinlich schon seit geraumer Zeit nicht mehr erlebt hatten, denn Siggi tanzte nicht nur erotisch, sondern sie zeigte es auch. Sie drehte ihren Rücken zu den Zuschauern und streifte ihren Rock langsam runter, bis dieser auf dem Boden lag und sie ihn mit dem linken Fuß wegschleuderte, auf einen Herrn im Rollstuhl in der ersten Reihe. Der nahm das Geschenk lachend an und wurde von anderen Männern und Frauen links und rechts von ihm beglückwünscht.

Jetzt stand Siggi nur noch mit einem Stringtanga da und dem zu engen weißen Hemd. Sie tanzte einfach weiter. Sie schien in einem Rausch zu sein und hatte schon fast vergessen, wo sie hier diese Show eigentlich abzog. Schon begann sie ihr Hemd aufzuknöpfen. Ihr ging das zu langsam. Das Hemd hatte Druckknöpfe und sie riss es deshalb einfach auseinander, sodass ihr prächtiger Busen nur so vor Freude heraussprang.

Ein Raunen ging durch das Publikum. Wahrscheinlich hatten sie das doch nicht so erwartet oder sahen so was zum ersten Mal. Ansonsten ging es bei den alten Herrschaften erstaunlich ruhig zu.

Siggi kümmerte sich nicht darum. Sie war richtig drin in ihrem Element. Sie tanzte einfach weiter und ihr Busen hüpfte fröhlich mit im Takte der Musik. Da hörte sie plötzlich ein Pfeifen aus dem Publikum, so eins, wie man es in einer Stripbar oder bei einer Junggesellenfeier öfters hört. Sie nahm das wie ein Anfeuern wahr, das sie noch mehr drängte, weiter zu machen und sogar noch mehr zu zeigen, als sie eigentlich vorhatte. Und so war es dann auch. Wieder drehte sie ihren Rücken zum Publikum, beugte ihren Oberkörper nach vorne und streifte langsam ihren Tanga runter. Jetzt sahen die Senioren etwas, was sie wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben gesehen hatten. Eine blank rasierte Vulva. Einige der Senioren schienen geschockt zu sein auf eine positive Art. Vielleicht kannten sie diese Art der Vaginapräsentation noch nicht. Schließlich herrschte früher untenherum Wildwuchs.

Siggi nahm vom Publikum keine Notiz. Sie tanzte einfach weiter, nur noch mit ihren absolut unerotischen Altenheimpflegeschuhen bekleidet. Nach dem ersten Schock wurde das Publikum mutiger und gieriger. Man merkte kaum noch, dass da ein Haufen von pflegebedürftigen Senioren saß. Der Vaginaschock wurde gut verkraftet und das erregte Publikum, inklusive der Frauen, feuerte die Altenheimstripperin mit Klatschen weiter an.

Sie tanzte weiter und fühlte sich dabei wie in einem Stripklub. Joe Cockers Song hatte schon aufgehört, doch es ging ohne Unterlass weiter mit instrumentaler und schlüpfriger Stripmusik. Dafür hatte Siggi schon gesorgt. Die Alten kümmerte das herzlich wenig. Sie waren jetzt nur noch jugendliche Spanner. Sie fühlten etwas, was sie schon seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hatten, die Neugier auf etwas Verbotenes, denn schließlich war das, was hier Siggi darbot, zu ihrer Zeit in der Tat ein großes Tabu und bestimmt in den meisten gesellschaftlichen Kreisen nicht erlaubt. Deshalb genossen sie es um so mehr. Und Siggi lieferte ihnen diese verbotene Show und vielleicht sogar mehr als sich so manche Stripperin zu jener Zeit getraut hätte. Damals hätten die Zuschauer noch ein paar kurze Blicke auf den intimen Wildwuchs erhaschen können und die Show wäre dann mit diesem haarigen Höhepunkt zu Ende gegangen. Doch Siggi war in Sachen Nacktheit ganz anderes gewohnt. Sie wusste und sah es auch im Internet, was die weiblichen Pornostars auf Erotikmessen so veranstalteten. Und genau das versuchte sie zu imitieren, um sich wenigstens einmal so zu fühlen, wie diese Frauen.

Sie hatte zwar keinen Dildo dabei, dafür aber zehn Finger. Die schon verschwitzte Siggi setzte sich auf den Tisch neben der Musikanlage, sodass alle Senioren sie gut im Blick hatten und spreizte ihre Beine vor ihnen, als wolle sie ihnen die weibliche Anatomie erklären. Gierig schauten alle zwischen ihre Beine, als ob da ein Außerirdischer gerade herausgeschaut hätte. Sie machte einfach wie im Rausch weiter und rieb sich ihre Klitoris und zupfte an ihren Schamlippen, als wolle sie ihnen ein paar Töne entlocken. Wieder geschockt und fasziniert zugleich schauten ihr die Heimbewohner zu. Vielleicht hatten schon einige einen Striptease gesehen, aber früher war das eben mehr ein Burlesk, ein bisschen nackte Haut, oben ohne und zum Schluss als Höhepunkt ein paar Schamhaare. Das, was sie aber jetzt sahen, war eindeutig etwas Neues. Trotz des Schocks und der nicht offen gezeigten Empörung, konnte doch keiner die Blicke von ihr lassen, selbst die Seniorinnen schauten gebannt und fasziniert zu.

Siggi bemerkte alle ihre Blicke, was sie noch mehr erregte. Auch viele demente Menschen waren unter ihnen, die nicht mehr am Gesellschaftsleben teilnahmen. Ob dement oder nicht, ihr war das egal, denn sie hatte sie alle aus der Langweile und Lethargie rausgeholt.

Sie ging vom Tisch runter, stand vor ihnen und schwang ihren mächtigen Busen hin und her. Die Herren in der ersten Reihe folgten den Bewegungen der Brüste wie die Zuschauer eines Tennismatches der gelben Filzkugel. Das hatte schon fast was Komisches. Siggi amüsierte sich prächtig. Sie fügte dem Ganzen noch eine weitere komische Variante hinzu. Sie drehte allen den Rücken zu und beugte sich so weit nach vorne, dass sie fast durch ihre Beine hindurch die Zuschauer verkehrt herum sehen konnte, wenn ihr hängender Busen die Sicht nicht versperrt hätte. Dann packte sie mit ihren Händen die beiden Pobacken und zog sie auseinander. Jetzt konnte die Senioren sogar ihr Anus sehen und sogar an den Schamlippen vorbei das zarte Rosa in der Vagina, das schön glänzte, da sie offenbar erregt und feucht war. Sie ließ die Pobacken wieder los und zog sie wieder auseinander.

Dann beugte sie sich wieder auf und ging noch zu einem der Herren in der ersten Reihe, bei dem sie bemerkte, dass er besonders amüsiert war und mit der Musik mitschwang. Sie beugte sich zu ihm runter und drückte ihm ihren Busen ins Gesicht. Der lachte und jubelte und die anderen stimmte mit ein. So viel Spaß hatten anscheinend alle noch nie in diesem Altenheim gehabt, vielleicht sogar noch nie in ihrem ganzen Leben.

Die Musik ging zu Ende und Siggi beendete ihren Strip oder eher ihre Sexshow. Zumindest war es das für die total in Schweiß gebadete Siggi. Alle klatschten enthusiastisch und sie verbeugte sich wie eine große Künstlerin nach einer gelungenen Darbietung. Das war wahrscheinlich ihr bisher größter Moment im Leben oder der, wo sie den größten Spaß hatte.

Plötzlich gab es einen lauten Krach am Eingang des Raums, also ob Glas zerbrochen wäre. Alle schauten hin und erblickten eine andere Altenpflegerin. Es war die noch sehr junge Rumänin Nadia, die erst seit ein paar Wochen in diesem Altenheim arbeitete und ungefähr im gleichen Alter wie Siggi war, aber irgendwie noch minderjährig wirkte, weil sie viel kleiner war wie Siggi, sehr schüchtern wirkte und auch sonst einen naiven Eindruck machte. Ihre Deutschkenntnisse waren auch noch verbesserungswürdig. Sie hatte der neue »Nacktstar« nicht auf der Rechnung gehabt.

Nadia war in der Einarbeitungsphase und machte noch Kleinigkeiten. Einer dieser Kleinigkeiten war es, mehrere Karaffen Wasser in den Gemeinschaftsraum zu bringen, damit die alten Menschen immer genügend zu trinken hatten. Als sie aber die vollen und schweren Karaffen auf einem Tablett vorsichtig in den Raum brachte, was für sie schon eine recht wackelige Angelegenheit war, und dann auch noch die in Schweiß gebadete nackte Siggi erblickte, erschrak sie etwas. Das reichte aber aus, alle vollen Karaffen zu Boden zu befördern.

Siggi zog sich schnell ihre Sachen an, um schnell die Angelegenheit mit Nadia zu bereinigen. Während die glänzend aufgelegten Heimbewohner wieder an ihre alten Plätze zurückgingen, nahm sie sich die junge Rumänin zur Brust und versuchte ihr ins Gewissen zu reden.

»Du, Nadia, du hast was Komisches gesehen, dich erschrocken und alles fallen gelassen.« Sie sprach Hochdeutsch, damit sie auch verstanden wurde.

Nadia sprach mit einem starken Akzent. »Ich erst ein paar Monate hier bin, aber warum du nackt stehen vor allen alten Menschen?« Wie sie das so sagte mit ihrem Akzent, wirkte sie noch eine Spur schüchterner als sonst.

»Ach, das ist nichts. Ich habe mit den Alten etwas Sport gemacht, habe es etwas übertrieben und meine Kleidung war danach ganz nass vor Schweiß. Ich musste sie zum Trocknen auszuziehen.«

Nadia schaute skeptisch. Selbst Siggi kam diese Ausrede total dämlich vor, doch beide hatten keine Zeit darüber nachzudenken, denn gerade in diesem Moment kam die gestresste und übel gelaunte Chefin vorbei und sah sofort die zerbrochenen Karaffen auf dem Boden.

»Ja, was hier los seien? Warum sind alle Gläser mit Wasser kaputt?« Die gestresste Chefin hatte einen arbeitsintensiven Bürojob hinter sich und der Tag war noch lange nicht zu Ende.

Siggi sprang sofort Nadia zu Hilfe. »I glaub des is mei Schuid. I woite dringend zua Toilette und de Nadia kam grod rein und mia stießn beide mitanand. I bin oiwa no ganz nass.«

Siggi hielt die Luft an. Würde die strenge Chefin diese Ausrede schlucken?

»Aber warum Nadia ganz trocken und du ganz nass?« Olga war misstrauisch.

»Mei, i bin hoid a bissal ungeschickta ois de Nadia«, erwiderte Siggi in einer süffisant bayrischen Art, die anscheinend die überarbeitete und müde Chefin fürs Erste zufrieden stellte. Die hatte keine Lust auf lange Diskussionen, schaute kurz in den Gemeinschaftsraum, bemerkte nichts Ungewöhnliches und wies die beiden noch an, alles schnell sauber zu machen, bevor sie wieder an die Arbeit ging. Als sie außer Hörreichweite war, musste Nadia lachen.

»Siggi, du fast wie meine Schwester. Sie hat keine Lust alte Menschen zu pflegen und tanzt deshalb nackt in Bar in München. Du pflegst alte Menschen und tanzt auch nackt.«

Siggi lachte zurück. »Mei, i konn hoid beids.«


Eine Woche später war Siggis freiwilliges soziales Jahr zu Ende. Sie verabschiedete sich von allen Kollegen, der Chefin Olga und besonders vom Pflegeküken Nadia, die ihr dunkles Geheimnis kannte, aber nichts verraten hatte. Auch die Senioren und Seniorinnen, um die sich Siggi so »leidenschaftlich« gekümmert hatte, sagten Lebewohl und hatten auch nichts der Chefin oder jemand anderem von ihrer Nacktshow erzählt.

Beim Abschied grapschten ein paar der alten Herren ihr an den Po, was weniger eine sexuelle Belästigung, sondern vielmehr eine Anerkennung und Erinnerung an ihre ungewöhnliche Arbeitsweise war. Schließlich hatte sie alle aus dem Alltagstrott geholt und ihrem Leben noch ein wenig Sinn gegeben, bevor der Sensenmann vorbeischauen würde. Die Chefin nahm das allerdings wahr und setzte einen bösen Blick in Richtung dieser Senioren auf. Siggi tat es ihr gleich, um keinen Verdacht bei ihr zu erwecken, zwinkerte dabei aber mit einem Auge in Richtung der Senioren. Die alten Frauen und Männer zwinkerten zurück. Olga bemerkte es und fragte sich zum ersten Mal, was wirklich zwischen Siggi und den alten Menschen abgegangen war.

Bevor Siggi das Altenheim in Zivilkleidung verließ, beglückwünschte die Chefin sie nochmal persönlich zu ihrer Arbeit und lobte sie, dass sie so einen guten Draht zu den alten Menschen aufgebaut hatte. Siggi musste ein Lachen unterdrücken, schüttelte Olgas Hand und ging auch schon neuen Abenteuern entgegen.


Siggi blickte wieder zu dem Seniorenpaar gegenüber, wo mittlerweile Schweigen herrschte und jeder in die Lektüre eines Buches vertieft war, und fragte sich, ob die beiden auch schon so was Aufregendes erlebt hatten wie die Senioren in ihrem Altersheim.

Der Zug hatte schon die Vororte Münchens erreicht und bald würde sich herausstellen, wie gut Siggi sich in der großen Stadt orientieren wird können. Ihre erste Bewährungsprobe war es ihr neues Zuhause schnell zu finden. Sie war diesbezüglich schon ganz schön aufgeregt, denn schließlich war sie diesmal nicht nur zum Spaß hier. Der Ernst des Lebens stand an.


Neue Freunde

 

1.

Der Zug fuhr verspätet in den Seitenbahnhof ein, einem schäbigen Teil des noch schäbigeren Münchner Hauptbahnhofs. Siggi stieg mit zwei riesigen Rollkoffern aus und hatte das ungute Gefühl, dass mit so einer Last und ihren geringen Kenntnissen des Münchner Nahverkehrs sie ihr Ziel, eine Studenten WG im Stadtteil Schwabing, nur unter großer Kraftanstrengung und mit viel Schweiß erreichen würde.

Sie stieg anfangs in die richtige S-Bahn Richtung Marienplatz ein, doch beim Umstieg in die U-Bahn nahm sie aus Versehen den Zug in die falsche Richtung, was sie aber erst später bemerkte. So erreichte sie die nicht so weit entfernte U-Bahnstation Münchner Freiheit erst nach über einer halben Stunde seit dem Ausstieg aus dem Seitenbahnhof. Dort angekommen musste sie auch noch ihre zwei riesigen Rollkoffer die Treppe hinaufschleppen, da die Rolltreppe nicht funktionierte. Oben angekommen fehlte dem Landei, das so viel geschäftiges Treiben nicht gewohnt war, erst einmal der Überblick. Dazu war sie auch noch durstig und hungrig, hatte aber keine Zeit mehr sich irgendwo was zu kaufen, da sie schon sehr spät dran war und eigentlich auch nicht wusste, wo man was Richtiges essen und trinken konnte.

Nach über zehn Minuten und einer Verschnaufpause, hatte sie endlich die richtige Straße gefunden, die sie erst einmal entlang gehen musste. Doch auch hier ging es erst einmal in die falsche Richtung. Zu fragen traute sie sich auch nicht, da die meisten Passanten hektisch und schnell an ihr vorbeigingen, was sie auch nicht so gewohnt war von dort, wo sie herkam. Aber mithilfe ihres Smartphones und einer Naviapp fand sie letztendlich doch die richtige Haustür zur WG. Nach kurzer Vorstellung über die Sprechanlage, »Servus, i bin de Siggi«, sagte man ihr, sie solle ins oberste Stockwerk kommen und nicht den Aufzug nehmen, da es diesen sowieso nicht gab. Die Rollen an den beiden riesigen Rollkoffern halfen jetzt auch nichts mehr. Sie schleppte beide mühevoll bis in den vierten Stock dieses alten Gebäudes aus den frühen Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Normalerweise mochte sie so alte Gebäude, aber ihre Müdigkeit, der Hunger und die zwei schweren Koffer vermiesten ihr die Stimmung. Sie war zwar im Vergleich zu anderen Frauen ihres Alters sehr sportlich und auch kräftig, aber diese Kraftanstrengung wäre selbst für einen Mann zu viel gewesen. Oben endlich angekommen, ran ihr der Schweiß nur so runter, was sehr unangenehm war für einen ersten Eindruck. Kaum zu Atem gekommen, ging auch schon eine Tür auf und eine Studentin mit langen pechschwarzen Haaren kam heraus.

»Ach, tut mir leid, dass ich dir nicht helfen konnte.« Sie schaute erstaunt auf Siggis riesige Koffer. »Du schleppst anscheinend deinen ganzen Hausrat mit dir. Übrigens, ich bin die Claudia und du musst die Sieglinde sein.«

Beide schüttelten sich die Hände.

»Du kannst me Siggi nenna, is kürza und dahoam nenna me sowieso olle so.« Siggi schnaufte immer noch, war aber erleichtert endlich angekommen zu sein.

»Ah, wie ich höre, bist du eine Eingeborene, so viele kenne ich persönlich noch nicht, seitdem ich vor fast zwei Jahren aus Frankfurt hierher zum Studieren gekommen bin.« Beide lächelten sich an. Siggi mochte Claudias ironische Bemerkung, was sie auch gleich zum Kontern reizte.

»Mei, als Saupreißin kannst du endlich moi de Sitdn und Gebräuche aus easta Hand ealerna.«

Beide begannen zu lachen. Claudia nahm einen der schweren Koffer und führte Siggi in ihr neues Zuhause, eine vier Zimmer Wohnung, deren Zimmer aber alle winzig wirkten. Sie merkte sofort, wie klein die Wohnung war, was Claudia, die hinter ihr die Tür schloss, auch mitbekam.

»Tja, so ist das nun einmal mit diesen Dachgeschosswohnungen, früher wohnten hier die armen Leute und heutzutage können sich mehrere Studenten kaum so eine Wohnung leisten. Ich hoffe, du hast finanziell vorgesorgt, denn das Bafög reicht da kaum.«

»I hob scho wos im Sparstrumpf. Fia de naxtn boh Wochn reicht’s. Danoch muss i arbadn. I glaub, so als Madhemadikstudentin gibt’s scho a boh Möglichkeitn.«

»Ah, sehr gut, du hast Möglichkeiten. Ich muss leider als Germanistikstudentin nehmen, was kommt: Kellnerin, Barfrau, Hostess auf Messen, irgendeinen langweiligen Bürojob und so weiter. Ich hoffe, dass ich später einen Job bekomme, der meinen Qualifikationen entspricht. Aber genug gequatscht. Du bist sicherlich schon sehr müde. Da drüben ist dein Zimmer.«

Claudia half und zog einen der beiden Koffer hinter sich her durch den Flur. Sie öffnete die Tür in das neue Heim der angehenden Studentin, ein Minizimmer mit Schrank, Schreibtisch und ein Bett ohne Bezug. Siggi hatte ein Bild der Wohnung und ihres neuen Zimmers schon im Internet gesehen, aber so klein sah das damals nicht aus. Allerdings war ihr das im Moment bei der Müdigkeit auch ziemlich egal. Jemand fehlte aber noch in dieser WG.

»Du, Claudia, wo is denn die dritte Bewohnerin.«

»Ja, du meinst die Hildegard, auch Hilde genannt. Die ist gerade im Zimmer nebenan und ist schwer am Büffeln, so wie fast die ganze Zeit. Sie ist nämlich Medizinstudentin.«

Claudia ging zur Tür von Hilde und klopfte an.

»Ja, bitte!«, hörte Siggi jemand genervt durch die Tür sagen.

Claudia stieß sie auf. »Na, Hildegard, wieder im Lernstress?«

Hildegard, eine schon ältere und sehr schlanke Studentin mit kurzen hellbraunen Haaren, die eine gewisse Autorität ausstrahlte, drehte sich von ihrem Schreibtisch weg und schnaufte. »Ja, es muss wieder viel Wissen in meinen Kopf gepresst werden. Wie ich sehe, ist unsere neue Mitbewohnerin angekommen.«

Claudia zog Siggi zu sich heran. »Darf ich dir vorstellen, unsere neue Verstärkung, die Sieglinde aus den Bergen. Ein echtes bayrisches Mädel.«

Siggi ging zur sitzenden Hilde und schüttelte ihr die Hand. »Servus, i bin de Siggi aus da Nähe vo Rosenheim.«

»Hallo Siggi! Wenn du die Siggi bist, dann kannst du mich ruhig Hilde nennen. Endlich treffe ich eine echte Bayerin persönlich.«

Hilde schien begeistert von Siggi zu sein. Vielleicht hoffte sie, dass Siggi sie ein bisschen vom stressigen Alltag ablenken konnte. »Ich bin auch als gestresste Hilde bekannt. Wie du siehst, bin voll im Lernmodus. Ich studiere nämlich Medizin. Was willst du studieren?«

»Madhemadik«, antworte Siggi etwas eingeschüchtert angesichts des sichtbaren Arbeitsaufwandes auf Hildes Schreibtisch.

»So was«, tat Hilde etwas überrascht. »Das ist eher mehr was für die Jungs. Mädels gibt es da eher selten.«

»Mei, ma foid hoid des Jongliarn mid Zoin leicht und Madhemadika braast oiwei.«

»So ist es.« Hilde war bemüht der Konversation ein Ende zu bereiten. »Ich muss jetzt weiterlernen. Claudia, kannst du uns allen einen Gefallen tun und für uns alle was zu Essen machen. Ich muss noch viel lernen und Siggi schaut schon ziemlich müde aus. Ich werde mich beim nächsten Mal auch revanchieren.«

»Kein Problem. Habt ihr Lust auf Spaghetti?« Ohne die Antwort abzuwarten, ging Claudia in Richtung Küche.

Siggi folgte ihr, nachdem sie sich noch kurz von Hilde verabschiedet hatte, welche sich sofort wieder in ihre Arbeit stürzte. In der Küche wusste Siggi erst einmal gar nicht, wo sie hätte helfen sollen.

Claudia beschwichtigte gleich. »Jetzt mach dir mal nicht gleich Stress. Ich mache das hier alleine. Geh du jetzt erst mal in dein Zimmer, packe deine Sachen aus, mach dich frisch und ruhe dich aus. Wenn das Essen fertig ist, werde ich die Glocke läuten.«

»Measse!«, entgegnete Siggi erleichtert, denn sie war in der Tat ziemlich müde und musste auch mal die neue Situation verarbeiten.

In ihrem neuen Zimmer bezog sie zuerst das Bett, um sich sogleich draufzulegen und die ersten Eindrücke zu verarbeiten. Ihre zwei Mitbewohnerinnen waren eigentlich ganz nett. Claudia war gleich von Anfang an sehr zuvorkommend. Sie hatte ihr zwar nicht beim Koffer hoch schleppen geholfen, sie aber dafür herzlich empfangen. Sie war irgendwie wie die Empfangsdame in einem Ferienhotel, die den Besuchern alles freundlich und geduldig erklärt.

Hildegard war da anders. Sie war reservierter, wie Siggi glaubte. Sie hatte den Eindruck, dass ihr Auftreten bei ihr vorhin irgendwelche Vorurteile geweckt hatte. Aber vielleicht täuschte sie sich auch, denn Hilde wirkte nicht nur gestresst, sondern war es auch. Sie wollte das ganze Begrüßungsritual schnell hinter sich lassen und sich wieder dem Studium widmen.

Siggi hoffte, dass sie das Mathematikstudium nicht so stressen würde, wie das Medizinstudium Hilde, denn schließlich wollte sie auch noch was vom Großstadtleben mitbekommen und neue Erfahrungen sammeln. Vielleicht könnte es unter Umständen auch zu Liebesabenteuern kommen, fantasierte sie, wobei die Betonung nicht unbedingt auf Liebe war. Ob ihre zwei Mitbewohnerinnen schon Erfahrungen gesammelt hatten? Irgendwann würde sie die beiden unter Umständen mal fragen.

Siggi stand auf und packte alle ihre Sachen aus. Zum Schluss schloss sie noch ihren Laptop an und probierte ihn aus. Das Passwort für das WLAN stand auf einem Zettel auf dem Schreibtisch und drunter der Satz »Viel Spaß beim Surfen«, gezeichnet Claudia. Mit der Claudia könnte sie sich gut anfreunden.

 

2.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass alles mit dem Internet klappte, wollte sie endlich unter die Dusche. Sie roch auch schon ein wenig. Kein Wunder, denn ihre schweren Koffer hatten ihr einiges abverlangt. Sie entledigte sich ihrer Kleider, zog Bademantel und watschelte mit den Schlappen an den Füßen ins Badezimmer, ohne die Tür hinter sich abzuschließen. Sie ging unter die Dusche, drehte das Wasser auf und genoss, wie es angenehm warm an ihr hinunterfloss. Ganz entspannt nahm sie das Duschgel und rieb sich damit ein, ihr Arme, die Schulter, ihre zwei großen Brüste, die Beine und auch zwischen den Beinen, wo sie etwas länger verharrte, weil sie das auch etwas erregte und noch mehr zur Entspannung beitrug. Der Duschvorhang der Badewanne war teilweise durchsichtig, nur ein paar bunte Fische verdeckten die glatte Durchsicht. Siggi störte das jedoch nicht, weil sie ganz in der Entspannungsphase war. Während das Wasser laut nieder prasselte, ging die Badezimmer auf, was sie nicht bemerkte. Hilde musste dringend auf das einzige Klo der Wohnung. Zwar merkte sie, dass schon jemand drin war, aber wenn man dringend muss und die Badezimmer nicht abgeschlossen ist, dann ergreift man die Chance. Als sie drinnen war und die Tür hinter sich zu machte, hatte Siggi sie noch immer nicht bemerkt. Hilde schaute erst einmal neugierig durch den beschlagenen Duschvorhang auf die neue nackte Mitbewohnerin, wollte sie aber nicht im Ungewissen lassen.

»Hallo Siggi!«

Siggi erschrak leicht, fasste sich aber schnell und zog den Duschvorhang leicht zur Seite, um Hilde richtig zu sehen. Dabei kam eine ihrer nassen und mit Schaum bedeckten Brüste voll zum Vorschein. Ihre Vagina war nicht zu sehen. Ein großer Ballen Schaum bedeckte sie unten herum. »Servus Hilde. I glaub, i hob vagessn de Dia zua schliaßn. Aba des macht nix. Wenns wos braast, hol’s dia!«

»Siggi, normalerweise komm ich nicht so hereingeschneit, wenn jemand duscht, aber ich muss dringend Pippi machen.«

»Jo, mach nur.« Siggi duschte weiter, als wäre nichts gewesen.

Hilde war ein wenig erstaunt über Siggis Lockerheit, dachte sich aber nichts weiter dabei. Der Druck auf die Blase war einfach zu groß. Sie zog schnell die Hose runter und ließ es fließen. Nachdem sie fertig war, drückte sie die Spülung und verließ das dampfende Badezimmer wieder schnell. Da die Spülung jetzt das kalte Wasser verbrauchte, kam natürlich mehr heißes Wasser aus der Dusche. Siggi schrie kurz »hoass hoass hoass« und stellte die Dusche ganz ab.

Vom Essensgeruch angezogen, ging Hilde vom Badezimmer gleich in die Küche, wo Claudia am Herd stand. »Ah, das duftet gut. Ich hab auch schon einen Riesenhunger. Soll ich dir noch helfen Claudia?«

»Ja, bitte deck schon mal den Tisch und hol was zum Trinken. Ich glaube, unser neues WG-Mitglied ist mit dem ›Frisch machen‹ auch schon fertig. Die kannst du dann auch gleich holen.«

Während Hilde den Tisch deckte, musste sie Claudia noch vom Badezimmer berichten. »Apropos neues WG.-Mitglied, ich habe sie vorhin ganz nackt gesehen.«

»Was meinst du mit nackt? Und wieso hast du sie überhaupt unbekleidet im Badezimmer gesehen?«

»Na ja, ich musste dringend Pippi machen, bin schnell zum Badezimmer und merkte, dass sie nicht abgeschlossen hat. Ich konnte nicht mehr warten und bin einfach reingegangen. Zuerst hat sie mich nicht bemerkt, also sagte ich ›Hallo Siggi‹. Sie war ein wenig überrascht, zog aber den Vorhang zur Seite um mich besser zu sehen. Und da schauten ihre Brüste raus.«

Claudia rührte im Kochtopf um, unbeeindruckt von Hildes Geschichte. »Hast du sie ganz nackt gesehen?«

»Fast ganz nackt, aber durch den Vorhang konnte ich schon viel sehen und erahnen. Als Medizinstudentin hat man da den Blick dafür.«

»So, so.« Claudia schien immer noch unbeeindruckt zu sein. »War sie untenherum rasiert oder nicht?«

Hilde wurde auf dem falschen Fuß erwischt. »Was ist denn das für eine Frage?«

»Du sagtest doch, du hast sie nackt gesehen und deshalb kannst du mir doch eine genaue Antwort geben.«

»Also gut, so ganz nackt habe ich sie nicht gesehen. Der Vorhang war beschlagen, ihr Intimbereich von Schaum verdeckt. Aber ihren Busen konnte ich sehen und die waren riesig, mit so einem großen Nippel, wie bei einer von diesen Frauen in diesen Busenmagazinen.«

Claudia schüttete die weich gekochten Nudeln in das Sieb im Waschbecken. »Vielleicht ist sie ja ein Busenmodel. Da kriegt man viel Geld für wenig Arbeit und als Studentin ist man ja immer knapp bei Kasse, wie du sicherlich weißt.«

Hilde schüttelte den Kopf skeptisch. »Nee, glaub ich nicht. Die ist ja nicht mal zwanzig Jahre alt und kommt gerade erst aus einer Gegend, wo noch viele in Traditionen verhaftete Menschen leben, die regelmäßig in die Kirche gehen. Außerdem haben dort viele Bauerntöchter einen großen Vorbau, das ist irgendwie genetisch bedingt. Der Spruch ›viel Holz vor der Hütte haben‹ kommt schließlich von dort. Ist dir nicht aufgefallen, dass sie viel hat obenherum? Ich hab es beim ersten Mal nicht gemerkt, war zu sehr im Lernstress.«

Claudia war wieder am Herd um die Spaghettisauce vorzubereiten. »Also wie du weißt, bin ich Hetero. Ich habe nicht so sehr darauf geachtet. Außerdem hat sie mir in einer E-Mail gesagt, dass sie Kampfsportlerin ist und die haben für gewöhnlich nicht viel Brust. Leidest du etwas unter Busenneid?«

»Ach, hör mir doch auf. Ich hab genügend und außerdem sind zu große Brüste unpraktisch.«

Claudia widersprach. »So unpraktisch kann ein so großer Busen gar nicht sein, denn schließlich ist sie wie gesagt Kampfsportlerin: Judo, Karate, Taekwondo und so weiter. Die Frau kann richtig zuschlagen und gleichzeitig bei Männern den Verstand abschalten mit ihren großen Möpsen.«

Beide lachten laut und bemerkten in dieser gelösten Atmosphäre nicht, wie gerade in diesem Moment Siggi in die Küche kam, gekleidet in einer Jogginghose und einem zu engen T-Shirt, als wollte sie den Beweis liefern, dass sie wirklich eine riesige Oberweite hatte. Ihre Haare waren noch etwas nass und sie steckte einen Finger in das rechte nasse Ohr. Die beiden hörten unverzüglich auf zu lachen und schauten etwas verlegen. ›Hatte sie etwa alles mitgehört‹, fragten sich die beiden gleichzeitig und schauten sich dabei in die Augen.

»Hobt ihr a boh Oahrstäbchn? Meine beidn Oahen san vastopft, passiad oiwei, wenn i zua lang dusche.«

Hilde war gleich hilfsbereit. »Ja, im großen weißen Schrank im Badezimmer, oberstes Regal hinten.«

»Measse dia. Ihr zwoa seid ja richtig guad drauf. Hobt ihr a boh Witze gerissn?«

Claudia nahm den Topf mit der fertigen Spaghettisauce vom Herd. »Wir haben nur über ein paar Jungs geredet. An der Uni laufen jede Menge skurrile Typen umher.«

Siggi lächelte leicht, schenkte dem aber scheinbar wenig Beachtung und drehte sich um in Richtung Badezimmer. Bevor sie ging, schaute sie noch einmal zurück zur Küche und sagte süffisant. »Mei, i bin scho gspannt, wia diese Jungs meine grousn Möpse findn.«

Dann ging sie endgültig und ließ die zwei ertappten baff in der Küche zurück.

Nach ein paar langen Sekunden war Claudia die Erste, die das Wort ergriff. »Meine Fresse, die ist ja drauf.«

Hilde fasste sich auch langsam. »So viel zum Thema, dass sie aus einer konservativen Gegend kommt.«

Claudia hatte mittlerweile die Spaghetti angerichtet, alle drei Teller damit gefüllt und dazu noch eine kleine Schale mit Parmesan bereitgestellt. Die zwei saßen schon vor ihren Tellern, zögerten aber noch mit dem Essen anzufangen. Über einen dritten zu reden und von diesem dabei ertappt werden, ist nicht appetitsteigernd.

Siggi kam in die Küche, in ihrer Jogginghose auf Flip-Flops schreitend und dem für sie eigentlich zu engem T-Shirt. Ihre kurzen Haare waren schon trocken und auch sonst schien sie bereit zu sein für was auch immer.

»Servus, ihr zwoa. Des schaut richtig lecker aus.«

Claudia bat sie an den Tisch. »Hier, nimm doch Platz. Ich hab dir gleich mal eine Portion in den Teller getan. Da drüben ist der Parmesan.«

»Measse, Claudia.« Siggi nahm sogleich Platz, denn sie hatte, seit sie das elterliche Haus verlassen hatte, nichts

mehr gegessen. Sie streute noch etwas Parmesan über die Spaghetti, sagte noch »Oan guadn« zu den anderen und fing gleich an zu essen.

Hilde und Claudia wünschten Siggi fast synchron einen guten Appetit und fingen auch an noch ein wenig zurückhaltend zu essen. Sie wunderten sich, dass die neue Mitbewohnerin den peinlichen Zwischenfall recht locker weggesteckt hatte. Siggis Reaktion und ihr heiteres Auftreten gaben auch ihnen bald den Appetit zurück und das Essen nahm doch noch einen normalen Verlauf.

Hilde versuchte das Eis zu brechen, vermied es aber über den Busenvorfall zu reden. »Und was sagst du zu Claudias Kochkünsten?«

»Mei, wos soll i song. Oafach supa!«, erwiderte sie anerkennend mit vollem Mund Richtung Claudia, die sich gleich ebenfalls mit vollem Mund bedankte, was dem Ganzen eine komische Note gab.

Hilde setzte die Konversation fort. »Ich habe gehört, dass du Kampfsport ausübst. Wie gut bist du schon? Müssen wir zwei uns Sorgen machen um unsere Gesundheit?«

Siggi begann mit vollem Mund zu lachen. »Wenn ihr nett seid zua ma, braucht ihr koa Ongst hom.« Sie aß weiter und die anderen zwei lächelten mit.

Fünfzehn Minuten später waren dann alle mit dem Essen fertig und Claudia bot an den Abwasch alleine zu machen, da die beiden anderen schon so müde wirkten. »Aber beim nächsten Mal kochen wir alle zusammen.«

Die müde Siggi verabschiedete sich schon als erste und wünschte allen schon mal »A guade Nochd, schloft schee!«

Als Siggi schon aus der Küche war, wandte sich Hilde noch mal zur Claudia, die schon mit dem Abwasch beschäftigt war. »Du, weißt du was, ich glaube, die ist ganz gut drauf. Deine Wahl, sie als neue Mitbewohnerin zu akzeptieren, war in Ordnung.«

»Mir hat ihr Profil im Internet auch ganz gut gefallen. Außerdem wollte ich nach zwei Jahren in München endlich mal ein bisschen den bayrischen Dialekt kennenlernen. An der Uni hörst du ja fast gar nichts.«


Der Alltag und das Ungewöhnliche

 

1.

Am nächsten Morgen begann für Siggi schon der Ernst des Lebens. Nach einem kurzen Frühstück, das diesmal Hilde zubereitet hatte – sie hatte die Wohnung auch als erste verlassen – ging sie zusammen mit Claudia zur Universität, die sie unterwegs informierte, wo alles zu finden sei. Siggi musste noch zum Studentenwerk, bevor sie zur ersten Vorlesung gehen konnte. Dieser ganze bürokratische Aufwand und dieses sich noch Zurechtfinden stresste sie. Im großen München zu leben war eben doch was anderes als daheim im idyllischen Voralpenland. Am Zielort angekommen verabschiedete sich Claudia gleich zu ihrer Vorlesung und Siggi stand nun plötzlich alleine da in der großen Uni. Sie musste zu ihrer ersten Vorlesung, den »Grundlagen der höheren Mathematik«. Nachdem sie die Eingangstür zum Hörsaal gefunden hatte, guckte sie erst mal fast schon schüchtern durch die offene Eingangstür hinein. Es war ein großer und typischer Hörsaal mit aufsteigenden Sitzreihen für mindestens 300 Studenten. Allerdings war er noch nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Ihr fiel sofort auf, dass sie noch keine einzige Studentin in diesem großen Raum erblickt hatte. Sie ging hinein, stieg ein paar Stufen nach oben und setzte sich in eine der mittleren Reihen hin, nahe an der Treppe, sodass sie die Tafel unten gut im Blick hatte. Sie blickte sich noch einmal um und tatsächlich, keine einzige Kommilitonin. In ihrem Mathematikleistungskurs auf dem Gymnasium waren etwa ein Drittel der Teilnehmer weiblich. ›Na guad‹, vertröstete sie sich ironisch, ›mehr Burschn fia mi‹. Das dumme aber war, dass all diese Burschen hier nicht so ganz Siggis Kragenweite zu sein schienen. Waren beim Leistungskurs auf der Schule noch ein paar attraktive Jungs dabei – ein paar von ihnen waren auch beim Sportleistungskurs – , gab es hier eher vorwiegend den Typ Nicht-Sportler und Nerds, soweit sie das beurteilen konnte. Viele dieser blassen und hageren Studenten waren nicht so nach Siggis Geschmack. Doch dann fiel ihr ein, dass genau so ein blasser Typ sie doch mal ihrer Jungfräulichkeit beraubt hatte. Genau das waren alle diese Burschen, ein Saal voller Hans-Rüdigers. Vielleicht hätte sie wie schon damals aus Mitleid mit allen Sex haben sollen, quasi ein Mathe-Gangbang. Bei dem Gedanken musste Siggi anfangen zu lachen.

»Hallo, was ist den so lustig?« Eine zarte Frauenstimme riss sie aus ihren komischen Fantasien. »Ist neben dir noch ein Platz frei?«

Siggi fühlte sich wie ein Spanner, der ertappt wurde. »Oh, servus. Ois frei, links und rechts vo ma.«

Eine recht kleine und zierliche Studentin mit schulterlangen schwarzen Haaren setzte sich gleich rechts neben Siggi, ganz außen neben der Treppe.

Siggi fiel auf, dass sie wie die Burschen recht blass und ebenfalls dünn war, aber ein nettes und hübsches Gesicht hatte. Ansonsten war sie das Gegenteil von der groß gewachsenen Siggi: kleiner Busen, gerader, kurvenarmer Körper mit dünnen Arme und Beinen. Neben der sexy kurvigen Siggi wurde das noch mal deutlicher sichtbar.

Sie stellte sich vor und reichte Siggi ihre zierliche Hand. »Nochmals hallo, ich bin die Jasmin. Ich hoffe, dass ich richtig hier bin für ›Höhere Mathematik‹.«

»Jo, jo bassd scho. Übrigens, i hoas Sieglinde, kannst me aba Siggi nenna.«

»Du hörst dich so an, als wärst du eine echte Münchnerin.«

»Ned ganz. I komm aus da Nähe vo Rosenheim, ois sehr ländlich. I muss mi east an de Grousstod gewöhna.«

Jasmin seufzte. »Ich habe mein ganzes Leben in einer Großstadt verbracht. Erst in Bremen und jetzt in München. Ich wollte schon immer mal auf dem Land leben, am besten auf einem Bauernhof mit Tieren.«

Jasmin redete weiter mit ihrer Stimme, die auch ganz zu ihrer Figur passte. Sie erzählte ganz frei von ihrer Kindheit in Bremen, ihrer alten Schule und Siggi hörte ihr halb gelangweilt zu, weil Jasmin für sie, Siggi das Landei, etwas zu schnell redete. Ansonsten war auch noch nichts los unten an der Tafel. Der Professor hatte wohl Verspätung.

»...und dann beschloss ich einen Tapetenwechsel zu machen und im großen München zu arbeiten und zu studieren. Ich wollte was vom berühmten Nachtleben sehen, das alle so preisen, und auch mal ein paar nette Jungs mit, wie man in Bayern sagt, strammen Wadeln kennenlernen.« Dabei begann sie wie ein kleines Mädchen zu kichern.

Siggi stimmte mit ein, denn schließlich hatte sie so was Ähnliches auch schon im Hinterkopf. Ihre Aufmerksamkeit wurde aber plötzlich geweckt, nicht weil Jasmin dieses »stramme Wadeln« mit einem etwas ungelenken bayrischen Dialekt aussprach, sondern die Art und Weise, wie sie es aussprach, das sie an irgendetwas oder jemanden erinnerte, den sie schon mal im Internet oder Fernsehen gesehen und gehört hatte. Es fiel ihr aber beim besten Willen nicht wieder ein. Sie hatte auch keine Zeit mehr dazu, denn gerade kam schon der Professor herein, steckte sich sein Mikrofon an und begrüßte alle Studienanfänger.

Der Raum hatte sich mittlerweile fast ganz gefüllt und Siggi konnte bei einem Blick in den ganzen Saal bemerken, dass sie und Jasmin nun doch nicht die einzigen Frauen waren. Was die Jungs betraf – sie konnte sie irgendwie nicht als Männer wahrnehmen – hatte sich ihr erster Eindruck nicht geändert, nur das sich zu den blasen und dünnen auch noch ein paar dicke Studenten gesellt hatten.

Der Mathematikprofessor an der Tafel erschien wie ein Vertreter der alten Generation von Dozenten, ein freundlich aussehender Herr mit grauem Haar und einem ebenfalls kurzen und grauem Bart. Doch wirkte er trotzdem keinesfalls alt, sondern wie ein jung gebliebener Senior, so um die sechzig, mit altem Charme und einem recht attraktiven Aussehen.

»Liebe Studienanfänger und Anfängerinnen....« Der Professor stockte kurz und guckte in den Saal. »Wie ich sehe, haben sich tatsächlich ein paar Frauen hierher verirrt.«

Ein Gelächter durchzog den großen Saal. Der Professor stellte sich vor und begann über die Wichtigkeit und den Verlauf des Mathematikstudiums zu erzählen.

Siggi hörte nur halb zu und urteilte, dass dieser Professor wohl der George Clooney unter den Dozenten war. Zumindest machte er auf sie diesen Eindruck, was sein Aussehen betraf. Sie überlegte, ob das nicht daran lag, dass er sie an ihren Vater erinnerte. Aber sie wischte diesen Gedanken beiseite und fantasierte, wie sie mit ihm beim Essen wäre oder ihm Kino und er ihr den Arm um ihre Schulter legen würde, während sie sich einen romantischen Film anschauten. Später würden sie noch beide in sein großes Luxusapartment gehen, um den Abend ausklingen zu lassen, bis dann...gar nichts passierte. Siggi wachte plötzlich auf aus ihrer Fantasie. Sie merkte, dass sie für diesen Mann gar keine sexuellen Begierde entwickeln konnte. Da wusste sie, dass sie von ihm schwärmte, weil er sie an ihren Vater erinnerte.

Sie schielte neben sich auf Jasmin, die sich fleißig Notizen machte und eigenartig starr auf den Professor blickte. Da hatten sich wohl beide in den gleichen Mann verguckt. ›Wie wuild san wohl Jasmins Gedankn und Fantasien?‹, fragte sich Siggi.

Nach dem Ende der ersten Vorlesung trafen sich beide noch vor der Tür des Hörsaals zu einem kurzen Geplauder.

Jasmin erwähnte sofort das Thema Professor. »Na, was hältst du von unserem Mathepro? Der ist, glaub ich, richtig gut. Da fällt das Lernen leicht.«

Siggi tat ganz unberührt. »Koa Ahnung, ob der aa so guad leahn konn, wia er ausschaut. Des werd sich scho no in den naxtn Togn zeign. Schaun mia moi.«

»Also ich glaube, dass er scho ganz gut ist.«

»I glab, des sogst bloß, weil er dia gefoid.«

Jasmin lächelte verlegen, unterbrach ihr Lachen abrupt und verabschiedete sich. »Ich hab es eilig. Wir werden uns sicherlich noch in den nächsten Tagen treffen. Man sieht sich.«

Siggi erwiderte ein leises »Servus« und Jasmin entfernte sich rasch Richtung Ausgang.

Etwas überrascht über Jasmins schnellen Abgang, schaute sie noch in ihren Terminkalender, um die nächsten Termine in Angriff zu nehmen: Beim Studentenwerk wieder vorbeischauen und am nächsten Tag noch eine Vorlesung in einem anderen Mathematikkurs. Dazu hatte sie noch im Nebenfach Informatik Kurse, heute und übermorgen. Ihr kam in den Sinn, dass ihre Fächer nicht unbedingt die beste Wahl waren, interessantere Jungs kennenzulernen als in einer Mathematik-Vorlesung. In diesem Moment des Lamentierens über ihre Lage drückte eine Studentin ihr einen Flyer in die Hand, »Große Semesteranfangsparty in der Mensa am Wochenende«. ›Na also‹, dachte sich Siggi, ›doch no a Gelegenheit a boh nette Burschn kennenzulerna.‹

Draußen vor der Uni schien die Sonne und viele Studenten hockten auf der Wiese oder auf einer Bank und genossen die letzten warmen Sonnenstrahlen des Herbstes. Siggi hockte sich auf die Stufe des Sockels, auf dem der Springbrunnen vor der Uni stand und der dem ganzen Vorplatz des Universitätsgebäudes etwas parkähnliches verlieh. Das war genau das richtige für sie, um kurz zu entspannen, etwas Uniatmosphäre zu schnuppern und nachzuschauen, was sie noch erledigen musste.

Es war noch warm, weshalb sie sich erstmals ihrer Jacke entledigte. Drunter trug sie eine eigentlich eine viel zu enge Bluse und die Knöpfe hatten schon wieder schwer zu arbeiten das Ganze zusammenzuhalten. Mit diesen Brüsten war es für sie manchmal wirklich schwer passende Oberbekleidung zu finden, ganz zu schweigen von passenden BHs. Aber bei dieser eng anliegenden Bluse war das auch nicht nötig.

Schon bald schielten einige Studenten hinüber zu ihr. Ihr fiel das auf, denn das passierte nicht zum ersten Mal. Sie kümmerte das aber reichlich wenig, im Gegensatz zu anderen Frauen, die sich bei so was unter Beobachtung fühlten und sich dann lieber bedeckt hielten. Siggi empfand das eher als Kompliment und anerkennende Bewunderung, denn schließlich konnten das nur wenige vorweisen, was sie unter der Bluse hatte. Sie hatte mehr Oberweite als viele dicke Frauen und auch mehr als die Frauen, die mithilfe eines Schönheitschirurgen nachgeholfen hatten.

Vertieft in ihren Terminkalender und den Stundenplan interessierten die vollbusige Studentin diese Blicke schon längst nicht mehr. Ihre Woche war recht ordentlich verplant und sie musste auch noch bald arbeiten, denn ein Leben nur mit Bafög war in München zu karg und eigentlich nicht erschwinglich. Die Miete für ihr Studentenbude riss schon ein großes Loch in ihr Budget. Während sie darüber grübelte, näherte sich ein Mann von der Seite an die in Gedanken verlorene Siggi.

»Entschuldigung, hallo!«

Siggi bemerkte erst gar nicht, dass jemand sie ansprach und erschrak leicht. »Oh, servus.«

Der gut aussehende Mann war Ende vierzig und sportlich, aber gleichzeitig elegant gekleidet.

»Hallo, mein Name ist Jürgen und ich bin auf der Suche nach jungen Studentinnen.«

Sie schaute den Mann misstrauisch an.

»Nein, nein, versteh mich nicht falsch!« Der Mann setzte sich unaufgefordert neben Siggi. »Ich arbeite für eine Modelagentur und mir ist dein hübsches Gesicht mit dieser frechen Punkfrisur aufgefallen.«

Siggi überlegte erst, ob es vielleicht doch nicht ihre Brüste waren, die ihm aufgefallen waren, aber entschied dann dennoch sich vorzustellen.

»Servus, mei Name is Sieglinde.«

»Ah, ein echtes bayrisches Mädel, sehr gut. Da gibt es auch nicht so viele davon in unserer Agentur.« Er zog etwas aus seiner Tasche und reichte es ihr. »Das ist meine Visitenkarte. Da sind alle Infos drauf. Wenn du Lust hast, kannst du mal vorbeikommen oder du kannst auch anrufen und fragen, was du wissen willst. Vergiss nicht am Telefon zu erwähnen, dass du mit Jürgen gesprochen hast.«

Sie schaute sich die Visitenkarte an, auf der ›Model Hotspot‹ stand.

Jürgen stand wieder auf. »Wenn du Lust hast vorbeizukommen, ruf vielleicht vorher an und erwähne ›Jürgen‹ am Telefon. Die wissen Bescheid. Also dann, bis später irgendwann.« Er winkte kurz und ging auch schon.

Siggi schaffte es gerade noch »Servus« zu sagen. Verblüfft über dieses unerwartete Treffen und eine vielleicht neue alternative Möglichkeit Geld zu verdienen, stand die neue Studentin gut gelaunt auf um ihre restlichen Termine wahrzunehmen.

 

2.

Am späten Nachmittag stieg eine müde Siggi die Treppen hoch zu ihrer WG, sperrte die Tür auf und fand das ganze Apartment verlassen vor. Hilde und Claudia waren anscheinend immer noch in der Uni oder beim Jobben. Jetzt musste sie den Haushalt alleine bewältigen und für die anderen Kochen. Der Aufwand für ihr Studium war noch gering, sodass sie sich ganz auf die Haushaltsaufgaben konzentrieren konnte. Aber zuerst legte sie sich auf ihr Bett, um den Tag Revue passieren zu lassen. Nach dem ersten Chaos und den vielen Eindrücken, fand sie in der ersten Vorlesung schnell jemanden, den sie sympathisch fand.

Auf Siggi machte Jasmin den Eindruck einer netten Person, mit der man gut zurechtkommen kann. Auf so einer großen Uni bei all dem Lernstress waren gute Studienkollegen nie verkehrt. Nur an wen erinnerte Jasmins Stimme, genauer gesagt der eine Satz, den sie sprach, sie nur. Das war ihr letzter Gedanke an sie für den Tag.

Der attraktive Mathematikprofessor war für sie zwar ein angenehmer Hingucker, aber die Ähnlichkeit zu ihrem Vater ließ doch ihre erotischen Fantasien wie Seifenblasen platzen. Und dann war da noch der Modelagent und ein möglicher alternativer Job, der vielleicht viel Geld bringen könnte. Den Aufwand im Studentenwerk und bei anderen Behörden danach, die lange Wartezeit und ein paar fehlende Unterlagen verbuchte sie als lehrreiche Erfahrung. Dass sie noch immer keinen gut aussehenden Studenten kennengelernt hatte, wie sie sich das vorgenommen hatte, machte ihr erst einmal nichts aus. Am Wochenende stand noch die Semesteranfangsparty an. Sie glaubt, dass dann dort bestimmt die Gelegenheit kommen würde.

Siggis Handy klingelte und am anderen Ende meldete sich Claudia.

»Hallo Siggi! Gut, dass ich dich erreichen kann. Du hör mal! Bei mir wird es etwas spät wegen des Jobs und Hilde steht heute mal wieder unter Dampf. Kannst du vielleicht etwas zu Essen machen? Ich hoffe, du kannst kochen.«

»Koa Problem, i werd wos Zünftigs zuabereidn.«

»Hört sich nach guter Hausmannskost an, lecker. Also, wir sehen uns dann in zwei oder drei Stunden. Tschüs!«

Claudia legte schnell auf.

»Mei, hoffentlich hob i ned zua dick aufgetrogn«, sagte Siggi zu sich, denn Kochen war nicht unbedingt ihre Leidenschaft. Sie überlegte lange, was sie kochen sollte. Vielleicht irgendwas bayrisch deftiges, aber bestimmt keinen Schweinsbraten. Nun ja, den mochte sie selber nicht. Sie riskierte erst mal einen Blick in die Küchenschränke. Viele Packungen mit Nudeln und fertigen Tomatensoßen, so wie sie es erwartet hatte. Aber wieder Spaghetti? Allerdings waren die Spaghetti, die Claudia gestern gekocht hatte, nicht unbedingt nach ihrem Geschmack, eher ein typisches schnell gemachtes Studentenessen, so wie das, was sie an diesem Tag in der Mensa gegessen hatte. Sie entschied sich die Spaghetti mit anderen Nudeln und einer selbst gemachten Tomatensoße zuzubereiten, so wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte und dazu noch frischer Parmesan, nicht der trockene. Frischer Basilikum durfte auch nicht fehlen.

Vorher musste sie noch beim Supermarkt um die Ecke noch schnell etwas einkaufen. Die vielen Treppen rauf und runter waren für sie ohne Koffer ein Kinderspiel. Die sportliche Betätigung tat ihr ganz gut, weil sie auch nicht mehr regelmäßig Kampfsport betreiben konnte.


Siggis Kochkünste waren nicht so gut im Vergleich zu ihrer Mutter, aber sie schlug sich tapfer, auch wenn die Küche kurz vor Ende der Zubereitung wie ein Schlachtfeld aussah. Claudia und Hilde waren schon im Treppenhaus, während sie noch mit dem Decken des Tisches beschäftigt war. Hilde ging schnaufend die Treppe hoch. »Jedes Mal diese Tortur.«

Claudia widersprach. »Ich weiß gar nicht, was du hast. Als angehende Doktorin musst du ein Vorbild sein. Außerdem hast du keine Zeit am Unisport teilzunehmen. Du musst das als kleine Fitnessübung zwischendurch sehen.«

Hilde verzog ihr Gesicht. »Jetzt klingst du fast schon wie meine Mutter. ›Kindchen, lass dich von deinem Studium nicht kaputt machen, treib mehr Sport, bewege dich und iss was Gesundes!‹ Dabei laufe ich doch regelmäßig. Apropos Essen, hast du unserer neuen Mitbewohnerin gesagt, dass sie was zu Essen machen soll. Schließlich ist sie es, die Zeit hat.«

Claudia beschwichtigte. »Ja, ja, ich habe sie schon vor Stunden angerufen und sie gebeten, was zu machen.«

»Mein Gott, hoffentlich macht unser Landei nicht irgendwas Primitives, wie einen Schweinebraten.« Hilde machte einen auf angeekelt sein.

»Spinnst du, dafür ist doch gar keine Zeit. Sie wird schon was Anständiges kochen, hoffe ich.«

Hilde seufzte. »Und ich erst, bin schon wirklich am Verhungern.«

Schon im obersten Stockwerk wehte den beiden ein angenehmer Duft von Essen entgegen.

Claudia schnupperte erleichtert. »Na riechst du das. Also ich glaub, das ist Knoblauchgeruch.«

»Ich wusste gar nicht, dass diese Eingeborenen so was wie Knoblauch kennen.«

Claudia spürte etwas Verachtung in Hildes Tonfall, sagte aber nichts dazu und sperrte die Tür auf.

»Hallo Siggi, wir sind wieder da!«

Siggi kam aus der Küche, mit Spritzern von der Tomatensauce im Gesicht und auf ihrem T-Shirt. »Servus Leid. Wie war eia Dog?«

Hilde pustete aus. »Wie immer zu viel Arbeit in zu kurzer Zeit, auf gut deutsch ›Stress‹.«

Claudia versuchte weniger schlechte Laune zu verbreiten. »Also bei mir war es ganz angenehm. Nach der letzten Vorlesung ging ich gleich zum Kellnern ins Café und traf auf spendierfreudige Gäste. Fünfzig Euro Trinkgeld in drei Stunden. Ich kann nicht klagen.«

»Freit mi zua hearn. I hob fia eich Spoghetti gekocht.«

Hildes Laune wurde mieser. »Oh nein, nicht schon wieder.«

»Ah geh, jetzt werd ned gleich narrisch. Mei Spoghetti san besonders.«

Hilde wurde schnippisch. »Also ich habe da meine Zweifel.«

Claudia schaute nur amüsiert, ohne auf Hildes abwertenden Tonfall zu reagieren.

Siggi beendete die Diskussion. »Jetzt hört endlich auf mid dem Schmarrn. Probiat’s ganz oafach!«

Claudia und Hilde wuschen sich noch schnell die Hände im Badezimmer und eilten ungeduldig in die Küche, wo Siggi den Tisch schon gedeckt und auch gleich drei Teller mit reichlich Nudeln vermischt mit ihrer selbst gemachten Tomatensauce hingestellt hatte. Dazu hatte sie noch eine Schale mit frisch geriebenem Parmesan in die Mitte des Tisches gestellt.

Hilde fiel schon sofort der Unterschied auf. »Also es duftet schon ganz anders, dazu noch frischer Parmesan und nicht dieser trockene aus dem Beutel.«

»Jetzt bin ich aber gespannt.« Claudia befürchtete, dass ihre Kochkünste als solche nicht mehr gelten würden.

Alle drei setzten sich an den Tisch. Siggi schaute erst mal nur zu, wie die beiden begannen zu essen.

Claudia sprach gleich mit vollem Mund. »Also es schmeckt wirklich.«

Hilde setzte gleich noch einen drauf. »Du hast was vergessen. Es schmeckt wirklich besser, sogar viel besser als deine Spaghetti aus der Fertiggericht-Tüte. Komplimente an die Köchin!«

Siggi nahm es mit einem Lächeln auf.

Doch Hilde war noch nicht fertig und wandte sich noch an Claudia. »Und übrigens: Claudia, du bist gefeuert!«

Siggi und Hilde lachten laut, während Claudia griesgrämig schaute, auch wenn das nur ein böser Scherz Hildes war.

 

3.

Während der nächsten Tage nahm Siggi an verschiedenen Vorlesungen und Kursen teil und bekam so langsam mit, wie das ganze Studium aufgebaut war und ablaufen sollte. Sie hatte aber auch den Eindruck, dass das ganze irgendwann arbeitsintensiv und stressig werden könnte, vor allem neben einem Job. In einem Tutorium zu einer Vorlesung traf sie auch Jasmin wieder, die fast genauso gekleidet war wie ein paar Tage zuvor bei ihrer erster Vorlesung. Dass Jasmin sie an irgendetwas oder jemanden erinnert hatte, hatte Siggi indes schon vergessen.

»Servus, Jasmin. Wie gäds?«

»Passt schon. Und selbst?«

»Mei, es laffd.«

Sie setzten sich beide wieder nebeneinander. Das Tutorium bestand aus fünfzehn Studenten und diente dazu das in der Vorlesung durchgeführte Thema besser zu verstehen und zu vertiefen. Sie saßen da und hatten noch etwas Zeit, da der Dozent noch nicht erschienen war.

Siggi nutzte die Zeit für etwas Smalltalk. »Und, wie war dei easte Studeanwoche bis jetzt? Ois kapiad?«

Jasmin beschwichtigte. »Also bis jetzt habe ich alles verstanden. Wenn es nicht zu viel wird, wird das Studium kein Problem. Und bei dir?«

»Ois Roger. Kimmd aba drauf an, wie vuil de uns no beibringn woin.«

Jasmin seufzte. »Also ich verstehe alles sehr gut, solange der Stoff nicht zu viel wird. Ich muss ja auch noch arbeiten. München ist ja so teuer für Studenten.«

»Oiso i hob no koan Job. I werd boid in am Büro ofangn zua arbadn, wo de Studentn braan mid Madhe und a bissal Programmierkenntnissn. Werd guad bezoit.«

»So was Ähnliches habe ich auch. Bei mir reicht der Verdienst aber nicht ganz aus, um anständig zu leben. Ich mach noch ein paar andere Sachen.«

»Wos denn?«

Jasmin begann plötzlich zu zögern, als ob sie nicht ganz so sicher war, ob sie davon erzählen sollte. »So Sachen, die nichts mit dem Studium zu tun haben und wo man ständig auf den Bildschirm schauen muss.«

Wegen Jasmins vager Erklärung wollte Siggi noch nachfragen, kam aber nicht mehr dazu, da der Leiter des Tutoriums schon den Raum betrat und sich vorstellte. Sie nahm sich vor, Jasmin nach dem Unterricht danach zu fragen. Der Leiter des Tutoriums war eine etwas ältere Ausgabe eines typischen Mathematikstudenten. Siggi fand seinen Unterricht auch dementsprechend langweilig, weil sie in Grunde alles vorher schon gut verstanden hatte. Den Eindruck hatte sie aber nicht von allen Teilnehmern. Vor allem Jasmin durchlöcherte ihn mit Fragen. Die Antworten aber waren für sie nicht unbedingt zufriedenstellend.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739479088
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Dezember)
Schlagworte
Dialekt Bayern Feminismus Erotik Humor

Autor

  • Jenny Hubertiger (Autor:in)

Jenny Hubertiger wurde 1980 in München geboren und studierte später Soziologie auch hier. Sie war und ist eine sportliche Frau mit einer selbstbewussten Einstellung zu ihrem Körper, weshalb sie keine Hemmung beim Thema Sexualität kennt. Ihre Erfahrung ist, dass viele angeblich moderne Menschen beim Thema Sex in altmodische Denkmuster zurückfallen. Inspiriert von ihren privaten Erfahrungen begann sie humorvolle sexpositive Geschichten zu schreiben.
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Titel: Münchner Sexg'schichten