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Anne Wilson und der ungebetene Gast

von Ruth Herbst (Autor:in)
180 Seiten

Zusammenfassung

Anne Wilson erbt von ihrer Tante Hilda, von der sie seit Jahren nichts mehr gehört hat, ein Haus in Fayland. Ihre Freude über diese unerwartete Erbschaft wird dadurch getrübt, dass sie in ihrem neuen Zuhause jeweils in der Nacht seltsame Geräusche vom Dachboden hört. Auch die Dorfbewohner benehmen sich eigenartig, wenn sie auf ihre Tante zu sprechen kommt. Also macht sich Anne daran, nach und nach das schreckliche Geheimnis um ihre Tante und die seltsamen Geräusche zu lüften.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

Langsam stand Anne Wilson auf und drückte vorsichtig den Rücken durch, was zu einem unangenehmen Knacksen führte. Zufrieden blickte sie sich in ihrem grossen Schlafzimmer um. Die letzte Kiste war nun fertig gepackt und somit alles bereit für den Umzug. Bald würde ihr langersehnter neuer Lebensabschnitt beginnen. Schon lange hatte sie gehofft, dass eines Tages ihr Leben eine interessante Wendung nehmen würde, sie herauskäme aus der Grossstadt Monsend, doch nie hatte Anne sich erträumt, dass es so kommen würde, wie es nun gekommen war.

Alles begann mit der Trennung von ihrem langjährigen Freund. Das heisst, eigentlich hatte es schon früher begonnen. Viel früher. Es war damals, in der zweiten Klasse, als sie eine grosse Leidenschaft entdeckte, die sie ihr Leben lang nicht mehr loslassen würde. Auf ihrem Unterrichtsplan stand neu die Handarbeit. Von zu Hause aus hatte Anne nie etwas mit Handarbeit zu tun gehabt. Ihre Mutter hatte mit nähen und stricken nichts am Hut. Lieber kaufte sie die fertigen Kleider im Ausverkauf in einem der grossen Warenhäuser. Als Anne im Unterricht jedoch lernte, was man mit dieser Handwerkskunst alles machen konnte, wollte sie nichts anderes mehr tun. Anfänglich waren ihre Strick- und Nähversuche noch unbeholfen, doch schon bald verbesserte sie sich zusehends und konnte ihre Kreativität voll ausleben. Ein Jahr später wünschte sie sich von ihren Eltern zum Geburtstag eine Nähmaschine. Da ihre Eltern finanziell nicht auf Rosen gebettet waren, wurde es auch gleichzeitig noch das diesjährige Weihnachtsgeschenk. Doch dies machte ihr nichts aus. Sie hätte sofort auf alle Geschenke bis ans Ende ihrer Tage verzichtet, nur damit sie diese Nähmaschine bekam. Von nun an verbrachte sie ihre ganze Freizeit mit nähen. Den Stoff bekam sie gratis in einem kleinen Stoffgeschäft in der Stadt. Sie durfte jeweils die Restabschnitte abholen, die nicht mehr verkauft werden konnten. Der Inhaber des Geschäftes freute sich so über die Begeisterung der jungen Anne, dass er ihr jeweils extra die schönsten Reststücke auf die Seite legte und wenn sie dann vorbeikam, konnte sie meistens einen ganzen Sack voller Stoffe mit nach Hause nehmen. Zudem legte er ihr oft noch ein Nähgarn oder ein paar Knöpfe dazu. Als sie eines Tages eine betagte Nachbarin sah und ihr erzählte, wie gerne sie stricken und nähen würde, vermachte diese ihr ihre Stricknadeln, sowie jede Menge Wolle, da sie durch die von der Arthrose verkrümmten Finger nicht mehr stricken konnte.

Anne entwarf nun ihre eigenen Kleider, nähte diese, strickte sich Mützen, Schals, Socken und vieles mehr. Ihr grösster Traum war, eines Tages eine Ausbildung als Modeschneiderin zu machen. Doch ihre Eltern hatten andere Pläne mit ihr. Sie wollten, dass sie eine ‚solide‘ Ausbildung machen würde, damit Anne es später einfacher haben würde als sie selber. Da sie ihre Eltern nicht enttäuschen wollte, machte sie eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich. Nach der erfolgreich bestandenen Ausbildung wechselte sie in eine grosse Firma und stieg dort stetig auf. Sie war eine fleissige und kluge Angestellte und legte jeweils viel Wert darauf, niemanden zu enttäuschen. Sie war immer bereit, Überstunden zu leisten, übernahm Aufgaben, vor denen sich alle drückten und war am Morgen immer die Erste und am Abend die Letzte. Jede zusätzliche Aufgabe nahm sie ohne Murren an. Bei jedem Mitarbeitergespräch, bei dem sie über allen Klee gelobt wurde und bei jeder Lohnerhöhung dachte sie, wie stolz nun ihre Eltern auf sie sein konnten. Doch immer öfter wurde ihr bewusst, dass es der Traum ihrer Eltern war, den sie lebte und nicht ihren eigenen. Eigentlich hätte sie nichts lieber getan, als Mode zu entwerfen, zu nähen und zu stricken. Dabei ging es ihr nicht um Berühmtheit, sondern darum, Menschen mit ihren Kleidern glücklich zu machen. Aber mit ihrem strengen Job musste sie das Nähen auf ihre Freizeit beschränken. Manchmal stellte sie sich am Morgen beim Aufwachen vor, wie es wohl wäre, wenn sie jetzt, anstatt in das Büro zu fahren, sich an die Nähmaschine setzen könnte. Es wäre das schönste Geschenk für sie gewesen. Doch ihre Eltern hatten ihr immer wieder eingeimpft, dass man froh sein könne, einen sicheren, gut bezahlten Arbeitsplatz zu haben. Anne wäre deshalb nie in den Sinn gekommen, ihre Eltern zu enttäuschen. Doch dann starb zuerst ihr Vater und drei Jahre später ihre Mutter. Beide hatten sich zu Tode geschuftet und waren am Ende ihres Lebens, trotz ihres noch nicht sehr hohen Alters, verbraucht gewesen. Nach einer Zeit des Trauerns wurde Anne plötzlich bewusst, dass sie etwas in ihrem Leben ändern wollte und musste. Sie musste nun ihren Eltern nichts mehr beweisen. Als sie ihrem Freund Peter eines Abends erzählte, dass sie sich wünschte ihren Job zu kündigen und mit dem Nähen und Stricken ihren Lebensunterhalt zu verdienen, riet er ihr sofort davon ab. Er redete ihr zu, dass sie ihren Job als Bereichsleiterin unter keinen Umständen kündigen durfte. Dass sie sich in den Ruin treiben würde mit ihrer Näherei. Also hörte sie auf ihn, so wie sie immer auf andere gehört hatte, und arbeitete weiter in einem Job, der ihr nichts bedeutete und ihr im Grunde ihres Herzens keine Freude bereitete. Doch täglich träumte sie von ihrem Leben als freie Frau, die ein kleines Atelier hatte und jeden Tag ihrer grossen Leidenschaft nachgehen konnte. Manchmal redete sie sich ein, dass ein Traum besser sei, als ein gelebter Traum, der dann platzte. Doch natürlich wusste sie auch, dass ein gelebter Traum, sie glücklich machen würde. Vielleicht würde ihr Traum sie wirklich in den Ruin treiben. Doch immerhin konnte sie sich dann sagen, dass sie es wenigstens versucht hatte. Sie hoffte auf ein Wunder. Doch Anne war auch realistisch genug um zu wissen, dass Wunder nicht in ihr Leben passten. Wunder waren etwas für Menschen, die sowieso schon alles hatten. Wunder waren etwas für Menschen, die sie gar nicht schätzen würden. Doch für sie würde es kein Wunder geben. Sie würde ihr Glück selber herbeizwingen müssen. Doch dazu fehlte ihr der Mut.

Kapitel 2

Doch dann schlich sich das Wunder langsam in Annes Leben, ohne dass sie es zuerst als solches bemerkt hätte. Alles fing mit der Trennung von ihrem Freund Peter an. Eines schönes Frühlingtages kam er nach der Arbeit nach Hause und erklärte ihr nonchalant, „wir müssen reden. Ich habe eine andere Frau kennengelernt. Ich liebe sie schon so lange und will nicht mehr länger ein doppeltes Spiel spielen. Ich weiss wir waren lange zusammen, aber meine Liebe für dich hat sich verflüchtigt, auch wenn du mir eine gute Freundin warst. Aber diese Frau, ja diese Frau liebe ich.“ Dass diese neue Frau eine erfolglose Schriftstellerin war, und in Peters Augen eigentlich einer brotlosen Kunst nachging, war irgendwie ein Scherz des Schicksals. Anne fand diesen Scherz jedoch nicht lustig und verfluchte Peter, dass er sie nie unterstütz hatte, ihren Traum zu leben. Als Peter nach ein paar Tagen endgültig auszog, fiel Annes Welt auseinander. Zuerst war sie froh, dass ihre Eltern diese Trennung nicht mehr miterleben mussten. Dann fragte sie sich, was sie falsch gemacht hatte. Natürlich war sie jeden Abend spät von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte oft auch an den Wochenenden gearbeitet. Aber er hatte ja immer darauf gepocht, dass sie diese Stelle unter allen Umständen behalten sollte. Zudem hatte auch er es streng in seinem Job gehabt und war nicht viel zu Hause gewesen. Nun wurde Anne bewusst, dass Peter wahrscheinlich nur halb so viel Zeit bei der Arbeit verbracht hatte, wie sie immer geglaubt hatte. Anne hätte darauf gewettet, dass er während all seiner Überstunden bei seiner neuen Freundin gewesen war. Und sie Naivchen hatte es ihm auch immer abgekauft, wenn er ihr erklärt hatte, dass er noch ein Wochenendmeeting in einer anderen Stadt hatte. Nie hatte sie an seinen Gefühlen für sie gezweifelt. Nach der ersten schwierigen Zeit voller Selbstzweifel, Trauer, Wut und Einsamkeit, begann sie ihr Leben endlich aus einer neuen Sicht zu sehen. Sie sah plötzlich Perspektiven für ihre Zukunft, die ihr bis anhin verwehrt geblieben waren. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie tun und lassen was sie wollte. Doch da sie ihr Leben lang das getan hatte, was andere von ihr erwartet hatten, lähmte dieser Gedanke sie anfänglich. Deshalb arbeitete sie noch mehr als sonst und war nur noch zum Schlafen zu Hause. Bei einer Nacht und Nebel Aktion räumte Peter die meisten Möbel aus der Wohnung und plünderte das gemeinsame Konto, auf welchem zum Glück nie sehr viel Geld war. Sie hatten es nur für laufende Rechnungen, Einkäufe und Ferien geführt. Da sie aber infolge ihres hohen Arbeitspensums selten Ferien machten, zahlten sie auch nie sehr viel darauf ein. Finanziell war sie sowieso nie auf ihn angewiesen gewesen, hatte ihre eigenen Konten, die gut gefüllt waren. Das Einzige was sie belastete, war der Gedanke, dass er sie nach über zehn gemeinsamen Jahren, derart hinterging. Hätte er sie um die Möbel gefragt, sie hätte sie sofort herausgerückt. Zum Glück hatte er ihre Näh- und Stricksachen dagelassen, über die er sich sowieso immer nur lustig gemacht hatte. Über etwas, was er ihr aber ohne Murren überliess, und worüber sie überglücklich war, war der gemeinsamen Cockerspaniel Max. Sie hatten ihn vor zwei Jahren als kleinen Welpen aus einem Tierheim geholt. Anfänglich verbrachten sie gemeinsam viel Zeit mit ihm. Sie besuchten Hundekurse und machten am Abend und den Wochenende lange Spaziergänge. Doch Peters Begeisterung für Max liess bald nach und Anne baute dadurch eine enge Beziehung zu Max auf. Als Peter nun ausgezogen war, tröstete er sie über die einsamen Stunden hinweg, und da sie ihn mit zur Arbeit nehmen durfte, verbrachte sie weiterhin viel Zeit mit ihm. Er war ihr steter, treuer Begleiter in ihrem Leben. Nun sass sie also in dieser viel zu grossen und viel zu teuren Stadtwohnung fest und wusste nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Nur eines wusste sie, unter den jetzigen Umständen würde sie nie wirklich glücklich werden. Und dann kam das eigentlich Wunder.

Kapitel 3

Eines Abends, es war schon spät und Anne hatte einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich, fand sie eine Abholungseinladung für einen eingeschriebenen Brief in ihrem Briefkasten. Sie wusste, eingeschriebene Briefe bedeuteten nie etwas Gutes. Sie ging alle Möglichkeiten durch, was sie in dem Brief erwarten könnte. Hatte man ihr die Wohnung gekündigt, da man nun wusste, dass sie alleine darin leben würde und sie für sie alleine viel zu gross war? Eigentlich war sie auch für zwei Personen viel zu gross. Doch das konnte sie sich nicht vorstellen. Das wäre kein Kündigungsgrund, da sie die Miete weiterhin pünktlich bezahlte. Vielleicht war es aber auch ein Brief von der Bank. Das wäre natürlich möglich, doch sie wusste nicht, weshalb sie einen erhalten sollte. Sie war mit Peter nicht verheiratet gewesen, die Trennung war still und leise über die Bühne gegangen und das gemeinsame Konto hatten sie gekündigt, nachdem kein Geld mehr drauf war. In dieser Nacht schlief sie schlecht und sie machte sich viele Gedanken. Obwohl sie wusste, dass sie nichts zu verlieren hatte, hatte sie Verlustängste. Wieder einmal musste sie an ihre Eltern denken, und was sie wohl davon halten würden, würde der Brief tatsächlich eine schlechte Nachricht, welcher Art auch immer, überbringen. Am nächsten Tag ging sie ausnahmsweise später ins Büro, um zuerst den Brief auf der Post abzuholen. Als sie den Brief endlich in den Händen hielt, er war von einer Anwaltskanzlei, getraute sie ihn jedoch nicht zu öffnen. Was wollte eine Anwaltskanzlei von ihr? Sie hatte noch nie etwas mit einer Anwaltskanzlei zu tun gehabt. Ob wohl Peter etwas damit zu tun hatte? Vielleicht hatte er sie für irgendetwas verklagt? Sie wüsste nicht wofür, aber sie hatte diesen Mann, mit dem sie über zehn Jahre Bett und Stuhl geteilt hatte, scheinbar nie richtig gekannt. Sie stopfte den Brief in ihre Handtasche und machte sich auf den Weg ins Büro. Ihr späteres Eintreffen schien einige Aufregung ausgelöst zu haben, denn alle behandelten sie, als hätte sie ein Kapitalverbrechen begangen. Und einmal mehr wurde ihr bewusst, dass sie dieses Leben so nicht mehr führen wollte. Sie war eine Sklavin ihrer selbst geworden. Am Abend getraute sie sich erst das Büro zu verlassen, als alle anderen Feierabend gemacht hatten. Doch als sie endlich das Gebäude verliess, konnte sie es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und den Brief zu öffnen. Natürlich hätte sie es schon längst tun können, doch sie wollte, sollte es etwas Schlimmes sein, alleine sein mit ihren Gefühlen. Zu Hause nahm sie mit zitternden Fingern den Brief aus der Tasche und bevor sie Jacke und Schuhe auszog, öffnete sie ihn sorgfältig mit einem Brieföffner. Sie getraute sich fast nicht den Brief auseinanderzufalten. Doch als sie es dann wagte, konnte sie nicht glauben, was sie las. Sie hatte von ihrer Tante Hilda, der einzigen Schwester ihres Vaters, das Haus geerbt. Zu ihrer Tante hatte sie nie ein enges Verhältnis gehabt, da sich ihr Vater mit ihr zerstritten hatte. Den Grund für den Streit hatte sie nie erfahren und wahrscheinlich hatten ihn mit der Zeit nicht einmal mehr die zwei Geschwister gewusst. Trotzdem durfte sie Tante Hilda einmal in ihrer Kindheit besuchen. Es war, als ihr Vater wegen eines offenen Magengeschwürs im Krankenhaus war. Damals zehnjährig, wäre sie für ihre Mutter nur eine Last gewesen, die neben der Arbeit täglich ihren Vater besuchte. Da gerade Sommerferien waren, wurde mit Tante Hilda vereinbart, dass Anne sie für zwei Wochen besuchen durfte und die Tante willigte unter den gegebenen Umständen ein. Also setzte ihre Mutter sie in den Zug und alleine machte sie die Fahrt nach Fayland. Sie erinnerte sich jetzt an diese Fahrt, als wäre sie gestern gewesen. Der Zug fuhr aus der grauen Masse der Stadt hinaus, durch grüne saftige Wiesen, dunkle Wälder, vorbei an Moore und wunderschönen Seen. Es wurde immer ländlicher, bis es hiess, umsteigen. Dann gab es noch eine viertelstündige Fahrt mit einer kleinen Bahn ab Hollup, dem letzten Städtchen vor Fayland. Als sie in Fayland ausstieg, kam es Anne vor, als wäre sie in einem ihrer geliebten Märchen gelandet. Ab dem Bahnhof führte ein Kopfsteinpflasterweg auf den Dorfplatz, auf welchem ein grosser Brunnen stand, der mit wunderschönen, blühenden Geranien geschmückt war. Durch das ganze Dorf floss ein kleiner Bach. Vom Dorfplatz zweigten verschiedene Wege ab. Einer war eine Allee mit grossen alten Pappeln. Die anderen zwei waren mit schönen Steinhäuschen mit grünen Fensterläden gesäumt die alle kleine, sauber gepflegte Vorgärten hatten. Am Ende dieser einen Strasse lag das Haus von Tante Hilda. Eigentlich war es eher ein Häuschen, klein und verhutzelt, aber gut erhalten mit einem Dach, das bis fast auf den Boden reichte. Im Vorgarten blühten Rosen in allen Farben und im Garten hinter dem Häuschen waren Beete, welche mit verschiedenen Gemüsen bepflanzt waren, jede Menge Himbeer- und Brombeersträucher, sowie ein kleiner Birnenbaum, dessen Zweige von den reifen Birnen heruntergezogen wurden. Neben dem hinteren Garten stand ein kleiner Schuppen, in dem die Gartenwerkzeuge aufbewahrt wurden. Daneben war ein Unterstand, in dem ein braunes Auto stand. Das Haus selber war im Innern genauso gemütlich wie von aussen. Wenn man durch die Türe trat, ging rechts davon eine Türe ab, die zur Wohnküche führte, geradeaus nach hinten war ein erstaunlich grosszügiges Wohnzimmer mit einer kleinen Terrasse in den hinteren Garten. Vom Eingangsbereich führte eine Treppe in den zweiten Stock, in dem sich zwei Zimmer sowie das Bad befanden. Eine weitere Treppe führte in den Dachstock, in dem es links ein Mansardenzimmer, wie auch ein ganz kleines Bad gab und rechts eine Türe in einen grossen Abstellraum führte. Zudem verfügte das Häuschen über einen Keller, der zwar gross, dafür aber umso unheimlicher war. Die sanitären Anlagen, wie auch die Küche, waren sehr modern. Dafür war der Rest der Zimmer gemütlich altmodisch. Im Wohnzimmer wie auch in den Schlafzimmern befand sich jeweils einen Kachelofen. Im Haus roch es leicht schimmlig und Anne schien es die ganze Zeit feuchtkalt, trotzdem wurden diese zwei Wochen bei ihrer Tante die schönsten ihres bisherigen Lebens. Ihre Tante teilte ihr zum Schlafen das Mansardenzimmer zu. Zuerst fand sie es unheimlich, so ganz alleine unter dem Dach zu schlafen, doch als sie am ersten Abend im Bett lag und durch die Dachluke die Sterne, sowie den Mond vorbeiziehen sah, wurde ihr ganz ruhig ums Herzen. Noch nie war sie an einem Ort gewesen, an dem es so still war. In Monsend hatte sie einen nie enden wollenden Strom von Autos der vor dem Fenster vorbeizog, doch hier hörte man in der Nacht nur die Grillen zirpen, das Plätschern des Dorfbaches und manchmal ein Bellen, ob von einem Fuchs oder einem Hund, das wusste sie nicht. Am Morgen jedoch war an Ausschlafen nicht zu denken. Zuerst begannen die Vögel in aller Frühe zu zwitschern. Etwas später hörte sie die Traktore vorbeifahren und Menschenstimmen, die sich einen Morgengruss zuriefen. Doch Anne wollte in dieser Zeit gar nicht ausschlafen. War sie sonst eine Schlafmütze, die man fast nicht aus dem Bett brachte, rannte sie schon vor sieben Uhr die Treppe hinunter und ging in die Küche, um zu sehen, was ihre Tante zum Frühstück vorbereitete. Nach dem Frühstück machte sie mit ihrer Tante lange Spaziergänge, schwamm im nahegelegenen See oder erledigte mit ihr die Einkäufe im Dorf. Hier schien jeder jeden zu kennen, was sie am Anfang befremdete. Doch schon bald gewöhnte sie sich daran. Am Mittag assen sie manchmal in einem der zwei Restaurants Mittag. Entweder im Cherrytree oder im Rosegarden. Meistens gab es nur ein einfaches Menü, doch es schmeckte Anne besser als alles, was sie je zuvor gegessen hatte. Doch das Schönste an diesen Ferien waren die Abende. Neben dem Wohnzimmer befand sich noch eine kleine Stube. Die Nähstube ihrer Tante. Diese war bestückt mit einer modernen Nähmaschine und allem, was das Näherherz begehrte. Dort sassen sie jeweils Abend für Abend, nähten und strickten, während sie Radio hörten und ihre Tante ihr manchmal eine Geschichte erzählte. Manchmal arbeiteten sie aber auch nur schweigend, jede in ihre Gedanken versunken. Diese Stube hatte ein kleines Schaufenster und einen Nebenausgang, der auf die Strasse führte. An diesen Abenden träumte Anne oft davon, wie sie in diesem kleinen Schaufenster an einer Schaufensterpuppe ihre Kleider ausstellen würde und die Leute vom Dorf bei ihr die Kleider nähen lassen würden. Irgendwie wünschte sie sich während den ganzen Ferien, dass Tante Hilda sie nun bei sich behalten würde. Doch das war natürlich nicht der Fall und nach zwei Wochen musste sie wieder nach Monsend zurück. Es fiel ihr sehr schwer, sich zu Hause wieder einzuleben. Alles schien ihr zu laut, zu hektisch und zu falsch. Einmal überlegte sie sich ernsthaft, ob sie von zu Hause abhauen und nach Fayland zu Tante Hilda fahren sollte. Doch was hätte es gebracht? Wahrscheinlich hätte sie sofort wieder in die Stadt zurück gemusst. Also harrte sie aus und mit der Zeit ging es ihr wieder besser. Vor allem die Hoffnung, dass sie ihre Tante Hilda sicher bald wieder in den Ferien besuchen dürfte, liess sie alles erträglicher erscheinen. Doch dies geschah nie mehr.

Kapitel 4

Nun also hatte Anne dieses Haus geerbt. Anne konnte es nicht glauben. Natürlich hatte sie gewusst, dass Tante Hilda nicht verheiratet war und auch keine Kinder hatte, trotzdem wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass sie die nächste Erbin war. War sie bei ihren Eltern bei der Erbschaft praktisch leer ausgegangen, erbte sie nun von ihrer Tante neben dem Häuschen auch noch einen ziemlich hohen Geldbetrag. Bereits am nächsten Tag nahm sie Kontakt mit der Anwaltskanzlei auf und klärte die Details ab. Dann nahm sie kurzfristig ein paar Tage frei, was ihr wieder schräge Blicke ihrer Arbeitskollegen einbrachte, was sie wiederum ärgerte. Immer mehr fühlte sie sich eingeengt und der Entschluss, würde das Haus nicht total verlottert oder eine Ruine sein, würde sie nach Fayland ziehen, stand schon so gut wie fest. An einem klaren und kalten Januartag, machte sie sich mit Max auf den Weg nach Fayland. Sie hatte eine kleine Tasche gepackt, um ein paar Tage dazubleiben und abzuklären, was am Haus zu machen sei, und wie sie in der Dorfgemeinschaft aufgenommen würde. Am Abend vor der Fahrt nach Fayland war sie aufgeregt und redete sich immer wieder ein, dass es sicher nicht mehr so wie früher sein würde und sie nicht enttäuscht sein dürfte, immerhin war es fast dreissig Jahre her, seit sie das letzte Mal dort gewesen war. Sowieso nahm man als Kind alles anders wahr als Erwachsene. Doch als sie an diesem Morgen in den Zug stieg und die Stadt verliess, war es sogar noch schöner als sie es sich vorgestellt hatte. Schon bald war die Landschaft mit Raureif überzogen und etwas später lag sogar Schnee auf den Feldern. Die Sonne schien von einem wolkenlosen hellblauen Himmel, wie er nur im Winter sein konnte. Einmal sah sie sogar vier Rehe an einem Waldrand und sie kam sich wieder vor als wäre sie wieder zehnjährig. Keinen Augenblick konnte sie ihren Blick vom Fenster wenden, während Max friedlich zu ihren Füssen schlief. Nun kam das Umsteigen in Hollup. Und dann kam sie in Fayland an. Es war erstaunlich. Alles war noch genauso wie damals. Nur dass diesmal alles mit Schnee bedeckt war. Das Kopfsteinpflaster war rutschig und ihre Schuhe nicht geeignet für den Schnee. Da sie keine anderen dabei hatte, würde sie wohl oder übel die nächsten Tage mit diesen zurechtkommen müssen. Den einzigen Unterschied, den sie ausmachen konnte war, dass ihr diesmal die Distanzen kürzer vorkamen als damals. Doch alles andere schien unverändert. Das Hotel Cherrytree auf dem Dorfplatz. Das Restaurant Rosegarden in einer Nebengasse. Der Dorfladen, die Metzgerei und die Molkerei, ebenfalls auf dem Dorfplatz. Das Antiquitätengeschäft neben dem Rosegarden. Das Schuh- und Kleidergeschäft, wie auch das Blumengeschäft in einer anderen Nebengasse. Dann waren noch die Schule und daneben eine altmodische Bibliothek, die sich am Ende der Pappelallee befanden. Bevor sie zu ihrem Häuschen ging, spazierte sie alles ab. Es kam ihr unwirklich vor, dass alles noch so war wie in ihren Erinnerungen. Begegnete sie jemandem, wurde sie jeweils freundlich gegrüsst. Auch daran würde sie sich gewöhnen müssen. In Monsend war alles so anonym und die Menschen oft unfreundlich und abweisend. Max hatte sie die ganze Zeit an der Leine gehabt. Obwohl er sehr gut gehorchte, wollte sie nicht, dass er jemanden verärgerte. Aufgeregt schnüffelte er an jeder Ecke und jedem Baum. Als er ein Häufchen machte, las sie es pflichtbewusst auf und entsorgte dann das Säckchen in einem Abfalleimer. Doch ihr fiel auf, dass es hier nirgends Kästen mit den üblichen Hundekotsäckchen gab. Wahrscheinlich wurde hier das Aufnehmen der Häufchen nicht so gross geschrieben. Als sie sich ihrem vielleicht zukünftigen Zuhause näherte, wurde sie immer aufgeregter. Sie hatte Angst, dass genau das nicht mehr ihrer Vorstellung entsprechen würde. Doch als sie davor stand, wurde sie nicht enttäuscht. Die Rosen waren zurückgeschnitten und lagen nun unter einer dicken Schneedecke. Als sie zuerst um das Haus herumging um nach dem hinteren Garten zu sehen, schien dieser ebenfalls noch genauso zu sein wie damals. Nur der Birnenbaum war um einiges gewachsen. Der Anwalt hatte ihr erklärt, dass der Schlüssel auf der Lampe neben der Eingangstüre liegen würde. Als sie danach tastete war er jedoch nicht da. Kurz ergriff sie Panik. Doch dann sah sie, dass er heruntergefallen war und sie hob ihn erleichtert auf. Nachdem sie ihn ins Schloss gesteckt und umgedreht hatte, holte sie noch einmal tief Luft, und öffnete dann langsam die Türe. Bevor sie in das Haus trat, klopfte sie sich gewissenhaft den Schnee von den Schuhen. Es roch zwar abgestanden, aber nicht mehr schimmlig. Zudem war es angenehm warm. Als sie den Lichtschalter betätigte und das Haus in hellem Licht erstrahlte, fühlte sie sich wieder in ihre Kindheit versetzt. Nichts schien sich verändert zu haben. Im Eingangsbereich war immer noch die Garderobe mit einigen Kleiderbügeln, darunter die Ablage für die Schuhe. An einem Kleiderbügel hing noch ein brauner Wintermantel ihrer Tante und darunter schwarze schwere Winterstiefel. Einen Augenblick fühlte sie sich wie einen Eindringling und hatte Angst, ihre Tante könnte jeden Moment erscheinen und sie fragen, was sie hier zu suchen hätte. Doch es blieb ruhig im Haus und so zog sie den Mantel sowie die Schuhe aus, hängte den Mantel neben der ihrer Tante auf einen Kleiderbügel und stellte die Schuhe darunter. Dann stellte sie ihre Tasche ab, band Max los und machte sich auf Socken auf Erkundigungstour durch das Haus. Zuerst blickte sie in die Küche, die tadellos aufgeräumt war und scheinbar erst kürzlich modernisiert worden war. Das Wohnzimmer sah noch aus wie früher. Mit klopfendem Herzen öffnete sie die Tür zum Nähzimmer und auch hier war alles noch so, wie sie es in Erinnerung hatte. Kurz stand sie da, und sah sich bereits hier arbeiten. Dann begab sie sich in das obere Stockwerk, wo ebenfalls alles beim Alten war, bis auf das Badezimmer. Das schien ebenfalls renoviert worden zu sein. Als Letztes besah sie den Dachstock. Im Mansardenzimmer standen ein Bett, ein alter zweitüriger Schrank, ein kleines Pult und ein Holzstuhl. Das kleine Badezimmer schien nicht renoviert worden zu sein. Der Abstellraum im Dachstock war überstellt mit allerlei altem Gerümpel und Möbeln, die ihre Dienste schon lange getan hatten. Wieder im ersten Stock, warf sie einen Blick in die Schränke und musste feststellen, dass alle Kleider und Schuhe ihrer Tante noch darin waren. Bei ihrem Rundgang war ihr zudem aufgefallen, dass ausser im Wohnzimmer die Kachelöfen entfernt worden waren, dafür gab es neu eine Zentralheizung. Deshalb roch es auch nicht mehr schimmlig und war so schön trocken und warm. Annes Fazit war schlussendlich, dass alles in einem guten Zustand war, nur eben von einer dicken Staubschicht bedeckt. Wie sie von ihrem Anwalt erfahren hatte, war Tante Hilda vor ihrem Tode kurz im Krankenhaus gewesen und auch dort gestorben. Eine Lungenentzündung hatte zu ihrem Tode geführt, doch scheinbar war sie schon länger vorher krank gewesen. Natürlich hatte sie es deshalb mit dem Putzen in den letzten Tagen ihres Lebens nicht mehr so genau genommen. Doch das war für Anne kein Problem. Sofort machte sie eine Bestandsaufnahme, zupackend wie ihre Art war. Zuerst musste sie entscheiden, was sie behalten wollte und was nicht. Dann würde sie vielleicht kleinere Reparaturen oder Renovationen vornehmen müssen. Schlussendlich würde sie dann entscheiden, was sie neu anschaffen musste. Während sie durch das Haus lief und in Gedanken Möbel, Kleider und Gebrauchsgegenstände aussortierte, schlief Max friedlich auf dem Teppich im Wohnzimmer. Ganz in ihre Arbeit vertieft, bemerkte sie nicht, wie das Wetter umschlug. Plötzlich hörte sie den Wind um das Haus pfeifen und als sie aus dem Fenster in der Küche blickte, sah sie grosse Schneeflocke, die in wildem Treiben durch die Luft gewirbelt wurden. Nun stellte sie fest, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte und nichts Essbares im Haus hatte. Als Stadtmensch getraute sie sich nun nicht mehr in das Schneetreiben hinaus. Auch für Max hatte sie nichts im Hause und nahm deshalb einen Suppenteller, um ihm wenigstens Wasser hinzustellen. Zufrieden mit der erledigten Arbeit schaute sie auf ihre Liste. Die meisten Möbel würde sie entsorgen und durch neue, modernere ersetzen. Auch die Küche würde sie neu einrichten. Die Bilder an den Wänden würde sie behalten. Es waren Gemälde mit schönen Landschaften, und soweit sie feststellen konnte, Originale. Den Abstellraum im Dachstock würde sie ebenfalls räumen lassen. Zuerst musste sie sich nun informieren, wer so etwas in der Gegend machte. Dann würde sie neue Möbel in Monsend kaufen und diese liefern lassen. Den Rest würde sie selber besorgen und mit einem Umzugswagen herbringen lassen. Nun, da sie hungrig und müde war, setzte sie sich aufs Sofa und stellte fest, dass es keinen Fernseher gab. Den würde sie aus ihrer Wohnung mitnehmen müssen. Als sie auf dem Sofa sass, fielen ihr langsam die Augen zu und schlief schlussendlich ein. Geweckt wurde sie vom aufgeregten Bellen von Max. Dies war untypisch für ihn und sie fuhr erschrocken hoch. Der Nacken und die Schultern taten ihr weh, von der unbequemen Haltung, die sie im Schlafen eingenommen hatte. Verwirrt blickte sie sich um. Im ersten Moment hatte sie keine Ahnung wo sie sich überhaupt befand. Doch dann kam ihr alles wieder in den Sinn und eine tiefe Zufriedenheit erfasste sie. Doch dann rumorte ihr Magen und mit einem Blick auf die grosse Standuhr im Wohnzimmer, stellte sie fest, dass es erst vier Uhr am Morgen war. Da Max immer noch ganz unruhig war und immer wieder bellte und aufgeregt hin und her lief, stand sie auf und schaute aus dem Fenster. Das Schneetreiben hatte aufgehört, doch die Welt vor dem Fenster lag unter einer dicken Schneedecke ruhig und friedlich da. Trotz der frühen Morgenstunde hielt sie nichts mehr zurück. Da ihre Schuhe für dieses Wetter nicht viel taugten, probierte sie die Winterstiefel ihrer Tante. Sie waren ihr zwar ein bisschen zu klein, doch sie behielt sie an, zog sich ihren Mantel über, nahm die Leine, pfiff Max zu sich und verliess mit ihm das Haus. Anne wollte einen Spaziergang zum nahegelegenen See machen. Die Natur war zu dieser Zeit noch so ruhig und der Schnee tauchte die Landschaft in einen silbrigen Schein. Der See war zugefroren und die Welt sah wie verzaubert aus. Ihre Schritte waren die ersten durch den frisch gefallenen Schnee und glücklich sah Anne, wie sie die ersten Spuren in ihrem neuen Leben hinterliess. Nach einem zweistündigen Spaziergang machte sie sich durchfroren auf den Weg zurück ins Dorf. In einer Nebengasse entdeckte sie ein Café das scheinbar bereits geöffnet hatte. Das Café hiess Sarvela und schien neuer zu sein, denn sie konnte sich nicht erinnern, dass es das damals schon gegeben hatte. Sie klopfte sich den Schnee vor der Türe von den Schuhen und trat dann schnell ein. Eine angenehme Wärme empfing sie und liess sie noch intensiver die Kälte spüren, die ihr in den Knochen steckte. Das Café gefiel ihr. Es war gemütlich mit Polstermöbel eingerichtet. Die Tische waren aus Holz und an den Wänden hingen Bilder mit Landschaften. Ähnlich denjenigen, die sie zu Hause hängen hatte. Sie ging vorbei an einer leckeren Auslage von verschiedenen Patisserien, Sandwiches und Broten und setzte sich an einen Tisch am Fenster. Eine Bedienung war nicht zu sehen. Wartend hoffte sie, dass bald jemand kommen würde. Sie war am Verhungern. Nach einer kurzen Weile erschien eine rundliche ältere Frau mit kurzem graumeliertem Haar, welche sich atemlos entschuldigte, dass sie hatte warten müssen. „Sie sind aber ein früher Gast“, meinte sie dann freundlich und blickte auf Max, der sie erwartungsvoll anschaute. Wahrscheinlich erhoffte er sich ein Leckerli von der netten Frau. „Ja, tut mir leid“, entschuldigte sich Anne, obwohl sie nicht so recht wusste, wofür sie sich entschuldigte. „Kann man bei ihnen auch frühstücken?“ „Aber natürlich“, meinte die Bedienung und verschwand hinter der Verkaufstheke, um gleich darauf mit einer Speisekarte zurückzukehren. Sie schlug sie fachmännisch auf der richtigen Seite auf und zeigte Anne das Angebot. Sie wählte ein grosses Frühstück mit Brot, Käse und Fleisch, dazu gab es eine Kanne Kaffee. Das alles würde ihre Lebensgeister wieder wecken. Nachdem das Frühstück gebracht worden war, gab sie verstohlen Max etwas davon ab. Dieser machte sich gierig darüber her. Während sie noch frühstückte trafen nach und nach Dorfbewohner ein, kauften zum Teil nur Brot und Sandwiches an der Verkaufstheke oder kamen ins Café, um ihren Morgenkaffee zu trinken. Alle begrüssten Anne freundliche, schauten sie jedoch auch neugierig an. Es war ungewohnt, dass im Winter Fremde ins Dorf kamen. Die waren zudem auch nie so früh am Morgen unterwegs. Nachdem Anne sich gestärkt und wieder aufgewärmt hatte, sass sie noch eine Weile zufrieden da und sah aus dem Fenster dem Treiben im Dorf zu. Die ersten Schüler spazierten am Café vorbei. Alle mit grossen Schulranzen. Einige hüpfend und plaudernd in Gruppen, andere noch mit Schlaf in den Augen und alleine. Nach einer Weile bezahlte sie die Rechnung und machte sich dann auf, um im Dorf einige Einkäufe zu erledigen. Doch zuvor erkundigte sie sich noch bei der Bedienung, wo sie ihre Möbel entsorgen könnte und welche Handwerker sie ihr empfehlen würde. Als diese erfuhr, dass Anne die neue Besitzerin des Hauses von Hilda Wilson war, wurde ihr Gesichtsausdruck neugierig, aber noch etwas anderes spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider, das Anne nicht einordnen konnte. War es Angst? Da die Frau sich sofort vorstellte, machte sie sich weiter kein Gedanken darüber. „Es freut mich sehr, sie kennenzulernen. Mein Name ist Holly Klippwood. Aber nennen Sie mich einfach Holly.“ „Und ich bin Anne, Anne Wilson. Freut mich auch, Sie kennenzulernen. Ich habe vor, hierherzuziehen und benötige noch einige Hilfe, um mich hier zurechtzufinden.“ „Woher kommen Sie denn?“ fragte Holly neugierig. „Ich komme aus Monsend.“ „Aha“, meinte sie und zog vielsagend eine Augenbraue hoch. Anscheinend hielten sie hier nicht viel von Städter. Vielleicht würde es doch nicht so einfach werden, sich hier einzuleben. Doch dann erklärte ihr Holly, dass sie sich beim Antiquitätengeschäft bei Jeremy Barcley melden könne. Der würde sicher gerne ihre Sachen anschauen und was er gebrauchen könnte, mitnehmen. Für die Entsorgung von alten Sachen könnte sie mit Henry Frober Kontakt aufnehmen. Der führte eine Abfallentsorgungsfirma in Bayland, dem Nachbarsdorf. Holly entschuldigte sich kurz und kam dann mit Stift und Papier zurück, um ihr die Namen und Nummern aufzuschreiben. Zusätzlich gab sie ihr noch ein paar zuverlässige Handwerker aus dem Dorf an. Dankend nahm Anne den Zettel entgegen und verabschiedete sich dann. Als sie das Café mit Max verliess spürte sie die neugierigen Blicke der Dorfbewohner, die ihr auf die Strasse hinaus folgten. Dann machte sie sich auf in den Dorfladen um das Nötigste zu kaufen. Den Grosseinkauf würde sie erst machen, wenn sie dann definitiv hierherzog. Wieder zurück in ihrem Haus fütterte sie als erstes Max und rief dann Jeremy Barcley an. Eine unfreundliche Männerstimme meldete sich mit „hallo?“ Als sie ihr Anliegen bekanntgab, wurde die Stimme etwas freundlicher, aber nur eine Spur. Mit ihm einen Termin zu vereinbaren wurde fast zu einem Ding der Unmöglichkeit. Am morgen früh hatte er keine Zeit, nach dem Mittag hatte er keine Zeit, nicht mal am Abend spät hatte er Zeit. Als Anne langsam der Geduldsfaden riss und sie meinte, „dann rufe ich Henry Frober an, dass er den ganzen alten Plunder direkt entsorgt“, wurde ihr Gesprächspartner plötzlich zugänglicher. „Ich könnte morgen nach Ladenschluss vorbeikommen, wenn Ihnen das Recht wäre“, schlug er nun vor und Anne sagte sofort zu. Immerhin war sie nur ein paar Tage hier und wollte möglichst viel erledigt haben, bevor sie wieder abreiste. Wenn morgen Jeremy Barcley die Sachen mitnahm die er benötigte, könnte Henry Frober den Rest der nicht mitgenommenen Sachen vielleicht bereits übermorgen zur Entsorgung abholen. Sie hoffte, der würde sich, was einen Termin betrifft, nicht so kompliziert anstellen wie Jeremy Barcley. Als sie mit dem Räumen des Kleiderschrankes beginnen wollte, stellte sie fest, dass ihr Kartonschachteln zum Verstauen der Ware fehlte. Also nahm sie wieder Max an die Leine und machte sie nochmals auf ins Dorf. Sie versuchte ihr Glück im Dorfladen, doch die Verkäuferin, eine unfreundliche Frau namens Gabrielle meinte Kaugummikauend, dass sie so etwas wie Kartonschachteln nicht im Sortiment hätten. Auf die Frage von Anne, wo sie die denn kriegen könne, zuckte Gabrielle nur die Schultern. Nachdem sie den Laden frustriert verlassen hatte und nun ratlos dastand, fiel ihr Blick in der nächsten Gasse auf ein Geschäftsschild, das mit Papeterie zum Stift angeschrieben war. Schnell überquerte sie den Dorfplatz und öffnete die Tür zur Papeterie. Ein leises Glöckchen erklang. Als sie eintrat erschien sofort eine ausnehmend hübsche junge Frau mit schwarzen langen Haaren und einer schlanken Figur und erkundigte sich bei Anne, was sie wünschte. Sie äusserte ihren Wunsch was die Kartonschachteln betraf und wurde sofort kompetent bedient. Kurze Zeit später verliess Anne die Papeterie mit zwei Packen Kartonschachteln. Wieder zu Hause hatte sie erst einmal Hunger. Also ging sie in die Küche und machte sich ein einfaches Nachtessen aus Pasta und Fleisch mit Sosse. Auch Max bekam seinen Anteil an Futter. Während sie ihr Nachtessen genoss, staunte sie wieder einmal, wie modern die Küche war. Nach dem Essen stellte sie das Geschirr in den Geschirrspüler und machte sich dann an die mühsame Arbeit des Aussortierens und Einpackens. Erst gegen Mitternacht hatte sie einigermassen Ordnung geschafft. Doch noch immer würde jede Menge Arbeit auf sie warten. Aber jetzt war sie viel zu müde um weiterzumachen. Sie ging noch kurz ins Bad, machte eine Katzenwäsche und putzte sich die Zähne. Da sie nicht im Bett ihrer verstorbenen Tante schlafen wollte, legte sie sich wieder aufs Sofa und schlief augenblicklich ein.

Kapitel 5

Wie bereits am Morgen zuvor wurde Anne vom Kläffen ihres Max geweckt. Voller Schrecken fuhr sie hoch. Was war bloss los mit Max? Er bellte sonst nur, wenn er sich angegriffen fühlte. Doch hier war es so friedlich und still, sie konnte sich seine Aufregung nicht erklären. Nachdem ihre Beruhigungsversuche auch diesmal erfolglos geblieben waren, stand sie auf, zog sich an und machte sich auf zu einem Spaziergang. Wieder hatte sein Gebelle um zirka vier Uhr begonnen. Ob um diese Zeit etwas im Haus ein Geräusch machte, das ihn erschreckte? Zum Beispiel die Heizung? Während Anne vor sich hin grübelte, tobte Max ausgelassen durch den Schnee. Da um diese Zeit niemand unterwegs war, hatte sie ihn von der Leine gelassen. Auch diesmal kehrte sie nach ihrer Spazierrunde im Café Sarvela ein. Holly begrüsste sie freundlich und fragte Anne, ob sie wieder ein Frühstück möchte. Diese bejahte und setzte sich auf denselben Platz am Fenster wie gestern. Gedankenverloren starrte sie in die langsam erwachende Dorfwelt. Als Holly das Frühstück brachte, fragte diese, ob Anne schlecht schlafen würde, dass sie schon so früh unterwegs sei. „Nein, eigentlich schlafe ich fantastisch und die Ruhe ist herrlich. Aber mein kleiner Max da“, dabei klopfte sie ihm auf die Flanke und er schaute sie erwartungsvoll an, „der weckte mich immer mit seinem Gebelle. Das macht er sonst nie. Irgendetwas scheint ihn aufzuwühlen. Aber naja, was solls, dann mache ich mit ihm einen Spaziergang und komme hierher zum Frühstücken. Einen besseren Start in den Tag kann man sich doch eigentlich gar nicht vorstellen.“ Das Letzte sagte sie lächelnd, doch Holly erwiderte ihr Lächeln nicht. „So so, er bellt also gegen den Morgen hin, was er sonst nie macht. Das ist…“ Doch was es ist, erfuhr Anne nicht. Im selben Moment kam ein junger hübscher Mann zur Tür herein, grossgewachsen, mit kohlrabenschwarzen Locken und sportlicher Figur, und der Gesichtsausdruck von Holly änderte sich schlagartig. Ein Strahlen breitete sich auf ihrem Gesicht aus und mit einem „Guten Morgen, guten Morgen“, begrüsste sie den frühen Kunden, während sie zur Verkaufstheke eilte. Anne bewunderte einen kurzen Moment den jungen Mann, bevor sie sich wieder ihrem Frühstück zuwandte. Danach kam laufend neue Kundschaft, wie schon am Vortag und Holly hatte alle Hände voll zu tun. Nachdem Anne auch diesmal den Schülern auf ihrem Weg zur Schule zugeschaut hatte, machte sie sich auf den Heimweg. Es gab noch allerhand zu tun, bis am Abend dieser Jeremy Barcley kommen würde.

Den Rest des Tages war sie sehr fleissig. Sie hatte soweit alles für Jeremy Barcley vorbereitet. Zudem hatte sie viele Dinge, wie zum Beispiel Kosmetikartikel oder alte Zeitschriften, weggeworfen. Dann hatte sie mit dem Putzen begonnen. Zwischendurch hatte sie kurz Max in den Garten hinaus gelassen, damit der sich ein bisschen austoben konnte. Während sie nun halb in der Kloschüssel steckte, um diese intensiv zu reinigen, klingelte es an der Tür. Schnell zog sie die Plastikhandschuhe aus und warf einen Blick in den Badzimmerspiegel, ob sie halbwegs anständig aussah. Doch ihr Spiegelbild liess sie zurückweichen. Ihr Gesicht war rot und verschwitzt und ihre Haare standen auf alle Seiten ab. Also wusch sie sich schnell das Gesicht mit kaltem Wasser, trocknete es sorgfältig ab und band ihre kurzen schwarzen Haare zu einem anständigen Pferdeschwanz zusammen. Dann eilte sie zur Türe und rief dabei, „ich komme, ich komme schon“. Als sie die Tür aufriss, stand der schwarzhaarige Schönling von heute Morgen vor ihr. Einen Moment glaubte sie, dass er sich in der Tür geirrt haben könnte, doch als er ihr die Hand entgegenstreckte und sich mit den Worten, „hallo ich bin Jeremy Barcley“, vorstellte, war sie sich sicher, dass er bei ihr richtig war. „Anne Wilson, freut mich“, stotterte sie, und war sich ihres unvorteilhaften Äusseren mehr als bewusst. Sie trug ein altes ausgeleiertes Sweatshirt und eine alte bequeme Jogginghose. Einen Moment zu lang hielt sie seine Hand fest, dann liess sie los, trat einen Schritt zurück und bat ihn, einzutreten. „Also, wo wollen wir beginnen?“ fragte sie konfus und er meinte trocken, „das müssen Sie wissen.“ Sie kam sich lächerlich vor. Aber dieser Jeremy Barcley brachte sie aus dem Konzept. Wahrscheinlich geht es Holly genauso, schoss es ihr durch den Kopf. Dann führte sie ihn in den ersten Stock. Doch bevor er in die erste Kartonschachtel, die sie ihm hinhielt schauen konnte, meinte sie, „nein, kommen Sie, gehen wir doch zuerst auf den Dachboden“, und schritt forsch davon. Kopfschüttelnd folgte er ihr. Geduld war nicht seine Stärke. Doch auf dem Dachboden begannen seine Augen zu leuchten. Hier hatte sie noch nichts zusammengepackt und so sah er allerlei Prachtstücke, die er mitnehmen würde. Zuerst sagte ihm aber Anne, was er mitnehmen dürfte und was nicht. Sie hatte hier einige Möbel entdeckt, die sie vielleicht noch in ihre Einrichtung integrieren wollte. Sofort begann er Dinge herunterzutragen und in seinem Pick-Up zu verstauen, der vor dem Haus stand. Gerne hätte sie ihm geholfen, doch als sie merkte, dass sie nur im Weg stand, blieb sie auf dem Dachboden und sah zu, was er alles mitnahm. Nachdem er alles, was sie erlaubt hatte mitzunehmen, weg war, gingen sie in den ersten Stock. Kleider und Schuhe nahm er keine mit, riet ihr jedoch, diese zu spenden, was sie vorhatte zu tun. Gerne hätte er auch die Bücher aus der grossen Bücherwand mitgenommen, doch die wollte sie behalten. Es waren viele interessante Titel darunter, die noch lesen wollte. Das Besteck, das sie nicht mehr wollte, nahm er ebenfalls mit. Das würde sich gut verkaufen, meinte er nur. Im Wohnzimmer nahm er ebenfalls die Möbel mit. Nur das Sofa liess er noch da, da sie darauf die nächsten Nächte schlafen wollte. Aber sie versprach ihm, dass er es an ihrem letzten Tag abholen durfte und machte auch gleich einen neuen Termin mit ihm ab. Als er auf die Tür des Nähzimmers zeigte und wissen wollte, was sich dahinter befand, winkte sie ab. Von diesen Sachen würde sie nicht ein Stück weggeben. Dann verabschiedete er sich, dankte für die vielen Sachen die er bekommen hatte und drückte ihr ein paar Geldscheine in die Hand. Perplex schaute sie darauf und dankte dann dafür. Als er wegfuhr sah sie ihm noch lange nach. Mit dem Geld hatte er sie sicher übers Ohr gehauen. Aber eigentlich hatte sie mit gar keiner finanziellen Entschädigung gerechnet, und somit war diese auf jeden Fall höher als erwartet. Als sie sich endlich vom Fenster lösen konnte, ging sie ins Nähzimmer, um Max vom hinteren Garten wieder hereinzulassen. Dieser stürzte sich in das warme Haus und auf den frisch gefüllten Fressnapf. Da nun ein Grossteil der Möbel weg war, fiel es Anne einfacher, das Haus zu putzen. Nun stand ihr nichts mehr im Wege. Somit kam sie auch schneller vorwärts mit ihrer Arbeit. Trotzdem war es bereits ziemlich spät, als sie sich ein Fertigmenü in der Mikrowelle wärmte. Während des Essens schlief sie fast ein, so erschöpft war sie von der ungewohnten körperlichen Arbeit. Obwohl sie todmüde war, stand sie noch unter die Dusche und schrubbte sich den ganzen Dreck und Staub der sich heute beim Putzen angesammelt hatte vom Körper und wusch sich gründlich die Haare. Dann legte sie sich aufs Sofa und schlief augenblicklich ein.

Kapitel 6

An diesem frühen Morgen erwachte Anne ab einem seltsamen Geräusch. Es schien aus dem Haus zu kommen und sie erschrak sich zu Tode. Mit klopfendem Herzen lag sie da und lauschte den Schritten, die aus dem oberen Stockwerk zu kommen schienen. Dann begann jedoch Max wieder zu bellen und sie konnte nichts mehr hören, da das Gebell ihres Hundes jedes andere Geräusch übertönte. Mit zitternden Beinen stand Anne auf, packte Max am Halsband und wollte ihn in das obere Stockwerk mitnehmen, um zu sehen, was da oben vor sich ging. Doch Max sträubte sich dagegen und blieb am Treppenabsatz stocksteif und knurrend stehen. Anne beängstigte dieses Verhalten sehr. Wie gerne hätte sie nachgesehen, wer sich dort oben herumtrieb. Doch ihn hinaufschleifen wollte sie nicht. Und alleine getraute sie sich nicht nachzusehen. Also zog sie sich kurzerhand Mantel und Schuhe an, nahm die Leine und verliess fluchtartig das Haus. Wieder war es kurz nach vier Uhr und nun wusste Anne, wieso Max jedes Mal um diese Zeit so verzweifelt gebellt hatte. Doch was hatten diese Geräusche, diese Schritte, zu bedeuten? War noch jemand in diesem Haus? Aber das wäre doch gar nicht möglich. Diese Person hätte sie doch schon längst angetroffen. Ausser jemand verbrachte nur die Nächte im Haus und verliess es dann jeweils um vier Uhr? Aber wo hätte diese Person hereinkommen können? Durch die vordere und die hintere Türe war es schlicht nicht möglich, da sie diese abschloss und jeweils die Nacht im Wohnzimmer verbrachte. Dass jemand durch ein Fenster kletterte, konnte sie sich auch nicht vorstellen. Jedes Fenster war fest verschlossen. Während sie über all das sinnierte, führte ihr Weg sie wieder an den See. Doch diesmal ging sie nach dem Spaziergang nicht ins Café Sarvela sondern direkt nach Hause. In der ausgeleierten Jogginghose und dem Sweatshirt, in denen sie geschlafen hatte, sah sie aus wie ein Penner. So konnte sie sich nicht im Café zeigen. Als Anne das Haus betrat und sah, dass Max weder bellte noch knurrte, sondern sofort auf seinen Fressnapf zusteuerte, nahm sie allen Mut zusammen und machte sich, nachdem sie Mantel und Schuhe wieder ausgezogen hatten, auf den Weg in das obere Stockwerk. Max sprang ihr schwanzwedelnd hinterher, was sie sehr beruhigte. Im oberen Stockwerk schaute Anne in jedes Zimmer, aber da war nichts Aussergewöhnliches. Sogar auf dem Dachboden schaute sie nach, wo alles beim Alten war. Also begab sie sich in die Küche, fütterte Max und machte sich einen Tee. Hunger hatte sie heute Morgen keinen. Sie durfte sich jetzt wegen diesen Vorkommnissen einfach nicht verrückt machen! Es gab sicher eine ganz einfache Erklärung für Max seltsames Verhalten und die Geräusche. Der heisse Tee beruhigte ihre Nerven und schon bald war Anne wieder voller Tatendrang. Um acht Uhr rief sie Henry Frober an und vereinbarte einen Termin für den gleichen Nachmittag, um die Ware für die Entsorgung mitzugeben. Wenn nur Jeremy Barcley so zuvorkommen gewesen wäre, dachte sie böse und machte sich dann daran, die Ware für die Entsorgung in den Eingangsbereich zu stellen. Nachdem das erledigt war, mass sie die Wohnung aus, damit sie beim Möbelkauf wusste, was sie wo gebrauchen konnte. Dabei machte sie sich Notizen, welche Möbel sie benötigte und welche Farben passen würden. Als dann Henry Frober die Ware abgeholt hatte, sah das Haus sehr leer aus und plötzlich freute Anne sich darauf, nach Monsend zurückzufahren und dort die restlichen Angelegenheiten zu klären, bevor sie definitiv hierher ziehen würde. An diesem Abend zog sie sich etwas Schickeres an und machte sich dann mit Max auf den Weg ins Dorf. Sie wollte heute auswärts essen. Während sie noch überlegte, ob sie ins Cherrytree oder doch lieber ins Rosegarden gehen sollte, lief ihr Jeremy über den Weg. Er schloss gerade sein Antiquariat ab, als sie vorbeispazierte. Er grüsste sie, nicht unfreundlich, aber auch weit weg von freundlich. Irgendwie teilnahmslos. Sie wollte schon etwas sagen, über die Sachen die er bei ihr abgeholt hatte, zum Beispiel ob er schon etwas verkauft hätte, als er sich umdrehte und eilig davonlief. Sie sah ihm eingeschnappt nach. Da das Rosegarden sich direkt neben dem Antiquariat befand, entschied sie sich, dort einzukehren. Als sie eintrat, bemerkte sie, dass es noch genauso aussah wie vor fast dreissig Jahren. Es war rustikal eingerichtet mit Holzmöbel, zum Sitzen gab es Stühle und Bänke und auf den Tischen lagen rot-weiss karierte Tischdecken aus Leinen. Die wenigen Besucher, die vor allem an der Bar sassen, warfen einen skeptischen Blick auf Max. Er schien hier nicht sehr willkommen zu sein. Da jedoch an der Tür kein Schild stand, dass Hunde nicht erlaubt seien, nahm sie ihn ohne schlechtes Gewissen mit zum Tisch. Max draussen irgendwo anzubinden um dann hier in Ruhe zu Essen käme für sie sowieso nicht in Frage. Sie setzte sich an einen Tisch im hinteren Bereich des Raumes. Kaum hatte sie sich gesetzt und den Mantel ausgezogen, kam schon die Bedienung zu ihrem Tisch. Irgendwie kam die ihr bekannt vor. Als diese ihr Kaugummikauend eine Speisekarte hinstreckte, wusste sie auch sofort wieder, woher. Es war Gabrielle, die Kassierin vom Dorfladen. Etwas verstimmt nahm Anne die Karte entgegen und als Gabrielle weiterhin dastand und sie fragend und kaugummikauend anstarrte, starrte sie ebenso zurück. Wenn sie etwas von ihr wollte, sollte sie sie das gefälligst fragen. Doch dann drehte sie sich einfach wortlos um und verschwand wieder hinter dem Tresen. Kopfschüttelnd warf Anne einen Blick in die Karte. Die Auswahl der Speisen war zwar klein, doch ihr sagte fast alles zu. Also Entschied sie sich für einen Braten mit Pommes-Frites und Marktgemüse, dazu ein Bier. Als Gabrielle wieder auftauchte gab sie ihr die Bestellung auf, die diese schweigen auf ihrem kleinen Notizblock notierte. Ebenso wortlos nahm sie ihr die Karte aus der Hand und verschwand wieder. Sie würde ihr sicher noch ins Essen spucken, ging es Anne durch den Kopf, doch sie wollte sich den heutigen Abend nicht verderben lassen. Aber bald würde sie eine Einwohnerin von Fayland sein, dann könnte sie vielleicht mal etwas zu diesem Verhalten sagen. Doch solange brauchte sie gar nicht zu warten. Nachdem Gabrielle ihr das Bier hingestellt hatte, erschien ein Mann anfangs fünfzig mit rotblondem Haar, einem buschigen Bart und grosser kräftiger Statur an ihrem Tisch und fragte sie, ob alles zu ihrer Zufriedenheit sei. Da konnte sie sich nicht zurückhalten und meinte nur, „eigentlich schon, danke, aber die Bedienung könnte etwas freundlicher sein. Etwas weniger kaugummikauen, dafür einmal mehr Danke sagen wäre nicht schlecht.“ Der Bärtige sah sie einen Moment lang mit grossen Augen an, dann begann er schallend zu lachen. Sein ganzer Körper bebte unter diesem Lachen und Anne schaute ihn verständnislos an. Als er sich wieder beruhigt hatte, meinte er entschuldigend, „ach, unsere Gabrielle. Sie ist unsere Tochter und hilft im Winter, wenn wenig läuft, bei uns aus. Im Sommer haben wir normalerweise fest angestellte Kellnerinnen. Aber Gabrielle lässt sich von ihren Eltern gar nichts sagen. So nach dem Motto ‚wenn ich schon aushelfen muss, dann tue ich es so, wie ich es will‘. Also entschuldigen Sie bitte das Verhalten meiner Tochter. Ich hoffe Sie kommen trotzdem wieder einmal vorbei?“ Erstaunt über diese Wendung meinte Anne nur, „aber klar. Vor allem dann halt im Sommer“, fügte sie schmunzelnd hinzu und erklärte dann, „ich habe das Haus meiner Tante Hilda Wilson geerbt und werde in den nächsten Monaten nach Fayland ziehen.“ „Ach so, sie sind also die Nichte von Hilda! Sehr erfreut!“ Sofort streckte er ihr die Hand hin und stellte sich als Herbert Mainer vor. „Aber einfach nur Herby tut es schon“, setzte er freundlich hinzu. „Anne, Anne Wilson, sehr erfreut“, erwiderte sie und nahm seine Hand. „Dann freuen wir uns natürlich, dich hier bei uns begrüssen zu dürfen. Hast du denn schon bestimmte Pläne? Wo kommst du überhaupt her?“ „Ich bin aus Monsend“, was denselben Gesichtsausdruck hervorrief, den bereits Holly bei der Erwähnung der Stadt, gehabt hatte. Schnell fuhr sie fort, „konkrete Pläne habe ich noch keine. Aber meine Tante hatte ein schönes und gut eingerichtetes Nähzimmer, vielleicht kann ich damit etwas machen. Nähen und Stricken, das sind meine grossen Leidenschaften und es wäre mein Traum, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen.“ Herby wackelte mit dem Kopf, als sei er unsicher, ob sich in Fayland damit Geld machen lassen würde, doch dann rief er durch die ganz Wirtsstube, dass Anne zusammenzuckte, „Sophie! Sophie, komm mal her! Das ist die Nichte von Hilda Wilson!“ Nun drehten sich natürlich alle Köpfe der Anwesenden zu ihr um, was ihr sehr unangenehm war. Doch dann musste sie sich sagen, wenn sie erst mal hierhergezogen war, würden ja sowieso alle wissen wer sie wäre. Eine kleine, ebenfalls rothaarige Frau um die fünfzig kam atemlos aus der Küche. „Herby, was schreist du bloss so rum? Was ist denn los?“ Während sie nähertrat, trocknete sie sich die Hände an der Kochschürze ab. Dann fügte sie noch hinzu, „ich muss doch das Essen kochen, da kann ich nicht einfach davonlaufen.“ Doch dann fiel ihr Blick auf Anne und einen Moment stockte sie. Anne kam das seltsam vor, doch vielleicht waren diese Dorfbewohner auch etwas seltsam. „Das ist Anne Wilson, die Nichte von Hilda Wilson“, wiederholte Herby, diesmal leiser und zeigte dabei auf Anne, obwohl gar niemand anders damit gemeint sein konnte. Die Wirtin trocknete sich nochmals die Hände an der Schürze ab, was wahrscheinlich ein Tick war, und reichte ihr dann ebenfalls die Hand. „Sophie. Hallo Anne. Freut mich, dich hier zu begrüssen. Willst du hierherziehen? In das Haus deiner Tante?“ Die Frage kam atemlos und dann schien es, als würde sie die Luft anhalten, um die Antwort abzuwarten. „Freut mich auch. Ja, ich werde in den nächsten Monaten herziehen. Ich muss nur noch in Monsend alles regeln, dann werde ich mich hier häuslich niederlassen.“ Mit jedem Wort waren die Stirnfalten tiefer geworden, doch als Sophie nichts erwiderte, gab ihr Henry einen kleinen Schubs mit dem Ellbogen und meinte dann, „ich glaube, jetzt musst du in die Küche zurück.“ „Ja klar“, stotterte Sophie, wandte sich ab und trocknete sich nochmals die Hände an der Schürze ab, bevor sie in der Küche verschwand. „Sophie ist manchmal etwas konfus, vor allem wenn sie bei der Arbeit ist“, entschuldigte Herby das seltsame Verhalten seiner Frau. Anne wusste darauf nichts zu erwidern und war froh, als Herby sogleich fortfuhr, „ich muss jetzt auch wieder los. Aber wie gesagt, herzlich willkommen. Und lass dich von Gabrielle nicht ärgern“. Er zwinkerte ihr dabei zu und begab sich dann wieder hinter den Tresen, um ein weiteres Bier zu zapfen. Gabrielle war danach überraschend freundlich und das Essen erstaunlich gut. Als Gabrielle Max sogar eine Schüssel Wasser brachte und ihn dann auch noch hinter dem Ohr kraulte, musste Anne ihre Meinung über Gabrielle revidieren. Wer ihren Hund so nett behandelte, der konnte einfach kein schlechter Mensch sein. Nach dem Essen bestellte sie sich noch einen Kaffee und als Dessert bekam sie einen Stück Apfelkuchen, der aufs Haus ging. Ein Begrüssungsgeschenk, wie Herby meinte, als er ihn ihr an den Tisch brachte. Als sich Anne gegen elf auf den Heimweg machte, fühlte sie sich satt und zufrieden. Erst als sie die Wohnungstüre öffnete, bekam sie ein schauriges Gefühl, beim Gedanken, was sie wohl diesmal morgens um vier erwarten würde. Doch nach dem gemütlichen Abend war sie nun viel zu müde, um weiter darüber nachzudenken und legte sich sofort aufs Sofa schlafen. Als sie erwachte, war es bereits acht Uhr. Erleichtert über die störungsfreie Nacht, stellte sie sich unter die Dusche und machte sich dann auf zu einem Spaziergang mit Max. Da sie ausnahmsweise später unterwegs war, kamen ihr auch viel mehr Menschen entgegen und sie nahm Max schnell an die Leine. Als sie jedoch bemerkte, dass alle Hundehalter ihre Hunde frei laufen liessen, liess sie ihn auch wieder los. Schon bald tobte er mit einem Golden Retriver durch den Schnee. Dabei kam sie mit der Hundehalterin ins Gespräch. Sie hiess Regina Prickles und führte zusammen mit ihrem Mann die Metzgerei Prickles auf dem Dorfplatz. Der Hund hiess Goldie und war fünfjährig. Nachdem sich auch Anne vorgestellt und erklärt hatte, dass sie die Nichte der verblichenen Hilda Wilson sei, veränderte sich der Gesichtsausdruck von Regina. Plötzlich musste Regina dringend zurück in die Metzgerei. Es gebe ja noch so viel zu tun. Sie pfiff Goldie zu sich und weg war sie. Anne war dieses Verhalten suspekt. Sie konnte sich gar nicht erklären, wieso alle Dorfbewohner, anfänglich so nett, so seltsam auf die Mitteilung reagierten, dass sie die Nichte von Hilda Wilson sei. Während ihren Ferien in Fayland war ihr ihre Tante gut in die Dorfgemeinschaft integriert vorgekommen. Aber als Kind konnte man so etwas oft auch nicht richtig einschätzen. Bevor sie sich wieder auf den Heimweg machte, kehrte sie noch im Café Sarvela ein und trank dort einen heissen Tee, der sie wieder erwärmte. Holly begrüsste sie freundlich und erkundigte sich, ob sie nun besser schlafen würde. „Letzte Nacht hatte ich geglaubt, ich hätte Schritte im oberen Stockwerk gehört. Aber diese Nacht hatte ich wunderbar geschlafen. Sogar Max hat nie gebellt“, dabei beugte sie sich zu ihm herunter und sah deshalb nicht den entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht von Holly. Als Anne sich Holly wieder zuwandte, hatte die sich wieder im Griff und strahlte sie an. „Das freut mich sehr für dich! Wie lange willst du noch hierbleiben?“ „Morgen reise ich wieder ab. Ich habe soweit alles geklärt und muss nun meine Sachen in Monsend regeln. Danach werde ich zurückkehren. Ich denke, so in etwa drei Monaten.“ Das war realistisch. Mit den ganzen Kündigungsfristen würde es schon noch ein Weilchen dauern, bis der Umzug stattfinden konnte. Nach kurzem Geplauder, wie Arbeitsintensiv so ein Umzug sein konnte und an was man alles denken musste, verabschiedete sich Anne von Holly und wünschte ihr eine gute Zeit. Als Anne aufstand, drückte Holly sie kurz und meinte noch, dass sie sich freuen würde, wenn sie endgültig hier in Fayland wohnen würde. „Dann habe ich einen Stammgast mehr“, erklärte sie lachend, dann begleitete sie Anne zur Tür, sagte noch etwa drei Mal „bis bald“, und schloss dann die Tür hinter sich. Plötzlich wurde Anne bewusst, dass sie morgen wieder zurück nach Monsend musste. Dass der Stadtalltag sie sicher noch drei Monate in ihren Krallen haben würden. Am liebsten wäre sie einfach hier geblieben, hätte alles was in der Stadt war vergessen. Doch natürlich war das nicht möglich. Als sie am Antiquitätengeschäft zum Hut vorbeispazierte, fiel ihr Blick auf die Auslage. Da waren all die Dinge von Tante Hilda ausgestellt. Beschriftet mit erstaunlich hohen Preisen. Ob das wohl jemand kaufen würde? Vielleicht nicht, wenn sie wüssten, von wem die Sachen stammten. Anne musste an die seltsamen Reaktionen der Dorfbewohner denken, wenn sie erwähnt hatte, dass sie die Nichte von Hilda Wilson war, doch jetzt wollte sie sich darüber keine Gedanken machen. Als sie ihr Gartentor öffnete, sah sie zum ersten Mal jemanden im Nebenhaus im Garten. Es war eine Frau in ihrem Alter, mit leuchtend roten langen Locken und einer beneidenswerten Figur. Einen Moment starrte sie die Frau an und fragte sich, ob diese grossen Brüste und die vollen Lippen wohl von Natur aus so waren. Doch dann entdeckte die Frau sie und kam mit einem strahlenden Lächeln zum Gartenzaun. „Sie müssen die Nichte von Hilda Wilson sein“, begrüsste sie Anne und streckte ihr über den Gartenzaun die Hand hin. „Mein Name ist Sarah Tribble. Sie können mich einfach Sarah nennen, wenn es Ihnen recht ist. Wenn nicht, auch.“ Dann brach sie in ein lautes, etwas vulgäres, Lachen aus. Dabei wippte ihre ganze Lockenpracht. Anne nahm verschüchtert die Hand und stellte sich nun auch vor. „Ich bin Anne, freut mich. Und Sarah ist okay. Ein schöner Name. Da sehe ich kein Problem, ihn nicht zu sagen.“ Nun lachte Sarah wieder, noch lauter, falls das überhaupt möglich war. Anne war das Lachen Unangenehm und sie zog die Hand schnell wieder zurück. „Bist du schon eingezogen?“ wollte nun Sarah wissen, worauf Anne nur den Kopf schüttelte. Diese Frau schüchterte sie irgendwie ein, und es braucht viel, bis sie eingeschüchtert war. Auch Max schien das Verhalten dieser Frau suspekt zu sein, denn nun begann er zu bellen. Anne versuchte ihn zu beruhigen, doch er gebärdete sich wie ein Wilder. So blieb ihr schlussendlich nichts anderes übrig, als sich über den Lärm des Bellens schreiend zu verabschieden und verschwand dann schleunigst in ihrem Haus. Während sie Max von der Leine liess und Mantel und Schuhe auszog, fragte sie sich, was ihr an dieser Sarah nicht gefiel. Sie hatten doch kaum richtig miteinander gesprochen und doch kam sie ihr seltsam vor. Den Rest des Tages verbannte sie alle Gedanken an Sarah Tribble ihre seltsame Nachbarin, die komischen Reaktionen der Dorfbewohner und die Schritte in ihrem Haus. Sie vereinbarte einen Termin mit dem Maler aus dem Dorf, dass er in ihrer Abwesenheit das Haus streichen sollte. Eigentlich wäre es normal gewesen, den Schlüssel bei ihrer Nachbarin zu deponieren, doch das getraute sie sich nicht. Also machte sie sich doch noch einmal auf den Weg zum Café Sarvela und bat Holly, den Schlüssel während ihrer Abwesenheit dem Maler zu geben und ihn dann zu verwahren. Beim Aufräumen hatte sie noch einen zweiten Schlüssel gefunden, so dass sie diesen mitnehmen konnte. Nachdem sie sich wieder wortreich von Holly verabschiedet hatte, schlich sie zu ihrem Haus und nahm den Hintereingang durch das Nähzimmer, damit sie nicht befürchten musste, wieder an Sarah Tribble zu geraten. Am Abend kochte sie sich mit den restlichen Esswaren, die sie noch im Haus hatte ein kleines Nachtessen und legte sich dann früh schlafen. Morgen würde sie am Mittag ihre Heimreise antreten. Kaum war Anne eingeschlafen, schreckte sie hoch, da sie glaubte, seltsame Geräusche zu hören. Doch da diesmal Max nicht angab, war sich Anne sicher, diese Geräusche sich nur eingebildet zu haben.

Am nächsten Morgen in aller Frühe erschien Jeremy Barcley, um das Sofa abzuholen. Wieder war er sehr abweisend, holte das Sofa mit einem Kollegen aus dem Wohnzimmer und verschwand nach einem kurzen Abschiedsgruss. Nun waren alle Möbel weg und Anne war froh, konnte sie es verlassen und dann mit ihren Möbeln wieder einziehen. Sie wischte noch grob den Boden, bevor sie sich mit Max auf den Weg zum Bahnhof machte. Es kam ihr so vor, als würde sie ihr Zuhause verlassen. Die Heimreise mit dem Zug genoss sie sehr. Wieder schaute sie praktisch die ganze Fahrt über aus dem Fenster und bestaunte die verschneite, verzauberte Landschaft.

Kapitel 7

Wieder in der Stadt begann für Anne eine hektische Zeit. Sie musste die Arbeitsstelle und die Wohnung kündigen, neue Möbel besorgen, die Umzugsfirma bestellen, sich auf den Ämtern abmelden, die Adressänderung durchgeben und viele weitere kleine Besorgungen erledigen. So streng diese Zeit auch wurde, so sehr liebte sie diese Vorbereitungen für ihren Umzug nach Fayland. Wie sie vorausgeahnt hatte, würde der Umzug erst im Mai stattfinden. Nach den paar ruhigen Tagen in Fayland, fiel ihr nun auf, wie hektisch die Stadt war, mit ihren oft unfreundlichen Menschen und dem vielen Verkehr. Jetzt konnte sie sich manchmal kaum noch vorstellen, wie sie all die Jahre ihres Lebens hier hatte verbringen können. Es war, als würde sie endlich dort hinkommen, wo sie auch hingehörte. Da sie bis jetzt kein Auto besessen hatte, in der Stadt hatte sie bis jetzt nie die Notwendigkeit dafür gesehen, kaufte sie sich einen gut erhaltenen silberfarbenen Ford Kombi. Zudem besorgte sich Anne für ihr Nähatelier eine Schaufensterpuppe, die sie in einer Brockenstube entdeckt hatte. Beim Möbelkauf achtete sie vor allem darauf, dass sie nicht zu modern waren, sondern gut in ihr Häuschen passen würden. Deshalb hielt sie sich an Leder in Brauntönen und eher hellerem Holz. Sie kaufte sich bereits neues Besteck und andere Kleinigkeiten. Wenn sie einzog, wollte sie sich so schnell wie möglich einrichten können. Aus ihrer Wohnung nahm sie ein paar der wenigen Möbel mit, die ihr Peter noch gelassen hatte, natürlich die Kleider und Accessoires sowie Kosmetikprodukte, aus der Küche einige Dinge, aber das meiste kaufte sie neu. Anne wollte ihren Neuanfang richtig angehen. Nichts sollte sie an ihre Zeit in der Stadt erinnern. Sie warf viel fort oder brachte es in die Brockenstube. Und nun war also der Vorabend des Umzugs gekommen und alles war gepackt. Erschöpft schaute sich Anne um, ob auch wirklich jede Kiste angeschrieben und gut verklebt war. Dann warf sie einen Blick in alle Einbauschränke und legte sich dann müde aufs Bett. Obwohl sie erschöpft war von den strengen Tagen, konnte sie nicht einschlafen. Sie war aufgeregt, nun aber auch ein bisschen ängstlich. Obwohl sie sehr nett aufgenommen worden war in der Dorfgemeinschaft, machte sie sich nun Sorgen, ob es auch so bleiben würde. Wie würden die Dorfbewohner darauf reagieren, wenn sie erfuhren, dass Anne ein Nähatelier eröffnen würde? Vielleicht würden sie nichts bei ihr nähen oder flicken lassen wollen, so dass sie kein Einkommen hätte. Im Moment sah es bei ihr finanziell sehr gut aus, doch sie war immerhin erst 37 und für den Rest des Lebens würden ihre Ersparnisse nicht reichen. Anne gab sich in Gedanken ein halbes Jahr um sich gut einzuleben und das Nähatelier aufzubauen. Sollte bis Herbst alles schief gehen, könnte sie immer noch das Häuschen vermieten und wieder in die Stadt zurückziehen. Einen Job würde sie schnell wieder finden. Sehr erfolgreich hatte sie zehn Jahre lang einen ganzen Bereich einer grossen Firma geführt und immer Gewinne erzielt, und das, ohne beim Personal einzusparen. Die Firma hatte sie nur ungern ziehen lassen, aber auch ihr war am letzten Tag wind und weh gewesen, alle ihre netten Arbeitskollegen zu verlassen und vielleicht nie mehr zu sehen. Doch nun wollte sie nach vorne schauen.

Kapitel 8

Am nächsten Morgen erschien der Umzugswagen ziemlich früh. Anne hatte zuvor noch geduscht und eine Kleinigkeit gegessen. Die Umzugsfirma würde zuerst die Ware aus ihrer Wohnung abholen, dann im Möbelgeschäft die bestellte Ware aufladen und dann nach Fayland fahren. Anne hingegen würde noch die Wohnung dem Vermieter abgeben und dann mit ihrem Auto und wichtigen oder heiklen Dingen zu ihrem neuen Zuhause fahren. Da sie wahrscheinlich nach dem Umzugswagen in Fayland eintreffen würde, hatte sie Holly gebeten, die Türe den Umzugsmännern zu öffnen. Als der letzte Karton im Umzugswagen verstaut war, stiess der Vermieter dazu. Anne ging mit ihm hoch in die Wohnung. Der Vermieter kontrollierte genau die Wohnung auf Mängel und Schäden, nahm diese auf und besprach dann mit Anne das weitere Vorgehen. Sie hatte eine Reinigungsfirma organisiert, die die Wohnung Abnahmefertig putzen würde. Zudem würde sie die Mängel vom Vermieter beheben lassen und die Rechnungen übernehmen. Sie hatte nicht vor, bald wieder zurück nach Monsend zurückzukehren. Nachdem alles geklärt war, übergab sie dem Vermieter den Schlüssel, packte die letzten paar Schachteln, sowie Max, ins Auto und machte sich dann auf den langen Weg nach Fayland. Zwei Mal legte sie auf der Fahrt eine Pause ein. Es war eine Pinkelpause für sich und Max, aber auch um etwas zu Essen. Der Weg aus der Stadt wurde für Anne zur Tortur und sie verfluchte sich, dass sie mit dem Wagen nach Fayland fahren würde und nicht einfach dort einen gekauft hatte. Als sie nur stockend vorwärts kam, stellte sie sich vor, wie gemütlich es jetzt im Zug wäre. Doch dann liess sie endlich die Stadt hinter sich. Zuerst führte ihr Weg sie über die Autobahn, dann über eine Schnellstrasse, die sie dann verliess und nun ging es weiter auf Nebenstrassen und durch Dörfer. Als Anne in einem kleinen Dorf Halt machte um etwas zu Essen und die Beine zu vertreten, hatte sie das Gefühl, bereits in Fayland angekommen zu sein. Auch dieses Dorf war klein, mit sternförmig angereihten Pflastersteinstrassen, die auf den Dorfplatz führten, auf dem ein grosser Brunnen stand. In einer Nebenstrasse fand sie vor einem kleinen Restaurant einen Parkplatz. Um nicht viel Zeit zu verlieren und da es von aussen schmuck aussah, ging Anne hinein. Unfreundlich wurde sie begrüsst, als man sah, dass sie mit einem Hund das Restaurant betrat. Als sie Platz genommen hatte, bemerkte sie, dass der Tisch noch voller Brösmel und klebrig war. Die junge Bedienung machte sich nicht die Mühe den Tisch abzuputzen, sondern nahm sofort die Bestellung auf. Das Essen war fad und die Portion für ihren grossen Hunger viel zu klein. Ohne ein Trinkgeld zu geben, verliess Anne enttäuscht das Lokal. Kein Wunder war sie der einzige Gast gewesen. Und das um die Mittagszeit. Nachdem sie mit Max noch eine Runde gedreht hatte, machte sie sich auf die letzte Etappe ihrer Reise. Als sie endlich über die Strassen von Fayland fuhr, fühlte sie sich beflügelt und glücklich. Stolz hielt sie vor ihrem Häuschen und bemerkte, dass die Umzugsmänner schon fast fertig waren. Holly stand bei ihnen und dirigierte sie, damit die Möbel an die richtigen Stellen kamen, obwohl Anne der Umzugsfirma ein Plan des Hauses mit den eingezeichneten Möbeln zugestellt hatte. Als Holly Annes Erscheinen bemerkte, lief sie sofort strahlend auf sie zu und drückte sie herzlich. Auch Max, der Holly fröhlich bellend umtanzte, bekam seine Streicheleinheiten ab. Sofort packte Holly mit an und half Anne die Kartons aus dem Auto ins Haus zu tragen. Dann fuhr Anne das Auto in den Unterstand und ging nun zum ersten Mal als definitive Bewohnerin dieses Hauses durch die Türe. Entzückt blieb sie im Eingangsbereich stehen. Die ausgesuchten Möbel passten perfekt in ihr Haus. Zudem sah es mit den frisch gestrichenen Wänden wie neu aus. Holly gestand ihr dann auch noch, dass sie es sich nicht hatte nehmen lassen, das Haus nochmals gründlich zu putzen, bevor sie einzog. Das sei sozusagen ihr Willkommensgeschenk. Anne war gerührt von so viel Hilfsbereitschaft und drückte sie nochmals kurz. Dann schritt sie Raum für Raum ab, Max immer dicht auf den Fersen. Sie war sehr zufrieden mit dem, was sie sah. Nachdem sie ihre Kartonschachteln in die gewünschten Räume gebracht hatte und die Umzugsmänner ihre Arbeit erledigt hatten, machte sie sich auf in den Dorfladen, um den Kühlschrank zu füllen. Diesmal nahm sie Max nicht an die Leine und er folgte ihr brav bei Fuss. Als sie den Weg Richtung Dorfplatz nahm, kam sie an einem Stoffgeschäft namens ‚zum Stich‘ vorbei. Das Geschäft war ihr bei ihrem letzten Besuch nicht aufgefallen und nun studierte sie genau die Auslage. Es schien alles zu haben was ein Näherherz begehrte. Das war natürlich ein Glücksfall. Andererseits konnte es sich auch als Stolperstein für ihre Selbstständigkeit erweisen, wenn die Leute hier lieber selber nähten als ihre Kleider in ein Nähatelier zu bringen oder sie dort nähen zu lassen. Da sie im Moment gut ausgestattet war mit Stoff und Faden, ging sie weiter zum Dorfladen. Nachdem sie ihre Einkäufe erledigt hatte und zur Kasse kam, wurde sie dort erstaunlich freundlich von Gabrielle bedient. Sie schien sich noch an Anne zu erinnern und begrüsste sie sogar mit Namen und wünschte ihr einen guten Start im Dorfleben. Schwer schleppend machte sich Anne wieder auf den Heimweg. Bis jetzt war alles nach Wunsch gelaufen und sie hoffte, es würde auch so weitergehen. Als sie die Gartenpforte öffnete, bemerkte sie eine Frau, die vor ihrer Haustüre stand. „Äh, hallo?“ machte sich Anne bemerkbar und die Frau drehte sich ruckartig zu ihr um. Es war eine dünne, sehr blasse Frau, deren Alter schwer einzuschätzen war. Obwohl es frühlingshaft warm war, Anne trug Jeans und eine leichte Bluse, war die Frau dick eingemummelt. Sie trug einen schwarzen Rock mit dicken schwarzen Strümpfen und einen gestrickten senfgelben Pullover, der für die kältesten Wintertage geeignet zu sein schien. Trotzdem machte die Frau nicht den Eindruck, dass es ihr heiss wäre. Langsam kam sie auf Anne zu, schaute jedoch immer knapp an ihrem Gesicht vorbei. Anne hätte sich am liebsten umgedreht, um zu sehen, ob noch jemand hinter ihr sei, doch sie ging davon aus, dass diese Frau einen Tick hatte. Max rannte sofort bellend auf sie zu und Anne rief ihn mit scharfer Stimme zurück, als die Frau erschrocken stehenblieb. Max, über den strengen Ton seines Frauchens erschrocken, blieb sofort stehen und schaute Anne mit treuem Hundeblick an. Die jedoch liess sich nicht erweichen und befahl ihm mit einem „sitz!“, sich nicht von der Stelle zu rühren. Dieser gehorchte sofort und setzte sich artig hin. Die Frau blieb nun aber immer noch stehen und so ging Anne schnell auf sie zu. Dann streckte sie ihr die Hand hin und stellte sich vor. Die Frau nahm zögernd ihre Hand. Ihr Händedruck war schlaff und ihre Hände schweissig feucht und eiskalt. „Hallo. Ich bin Emily“, stellte sie sich mit leiser Stimme vor. „Ich wollte Sie nicht überfallen“, entschuldigte sich Emily, „ich wollte sie nur im Dorf begrüssen und fragen, ob sie vielleicht Hilfe bräuchten.“ Dabei warf sie einen Blick auf die schweren Einkaufstaschen, die Anne neben sich abgestellt hatte. „Das ist sehr nett“, erwiderte Anne, „aber im Moment komme ich gut klar. Ich muss noch einiges Einräumen, aber das hat Zeit.“ Dann standen sie einander verlegen gegenüber und Anne überlegte sich, ob Emily wohl erwartete, dass sie sie hereinbat. Eigentlich wollte sie das nicht, denn zuerst musste sie Ordnung schaffen. Für Kaffeekränzchen würde sie später noch genug Zeit haben. Also sagte sie nichts weiter. Emily schien aufzufallen, dass Anne damit das Gespräch beendet hatte und gerne weiter ihre Arbeiten erledigen würde, und so verabschiedete sie sich etwas unbeholfen von ihr. „Also dann, wir sehen uns sicher bald wieder. Ich wünsche auf jeden Fall einen guten Start.“ Mit einem „Danke“ verabschiedete sich Anne von ihr und sah ihr gedankenverloren nach, als Emily den Garten verliess. Ihr Gang war seltsam roboterhaft. Als Emily sich nochmals umdrehte und sah, wie Anne ihr nachstarrte, ging sie schneller und verschwand in der nächsten Strasse. Kopfschüttelnd über diese seltsame Begegnung hob Anne wieder ihre schweren Einkaufstaschen auf und gab Max ein Zeichen, dass er sich nun auch wieder erheben durfte. Dieser lief schwanzwedelnd zur Tür. Doch dann blieb er stehen, drehte sich um und rannte wild kläffend zum Gartenzaun, der an das Nachbarsgrundstück angrenzte. Dort stand Annes Nachbarin Sarah und winkte ihr lächelnd zu. „Auch das noch“, fuhr es Anne durch den Kopf und sie stiess einen leicht genervten Seufzer aus. Dann rief sie wieder Max zu sich, der nicht zu beruhigen war. Sarah machte nicht den Eindruck, als würde sie das Gekläffe stören. Es schien sogar, als ob sie es gar nicht bemerken würde. Anne winkte zurück, doch damit war es leider nicht getan. „Ich wünsche einen guten Start hier bei uns“, begrüsste Sarah Anne, wie es auch schon die anderen getan hatten. Es war ja nett, waren alle so höflich, doch jetzt wollte sie doch noch das eine oder andere ausräumen und vor allem ihre Einkäufe aus der Sonne in die Kühle bringen. „Danke, vielen Dank“, sagte Anne strahlend und fügte noch hinzu, „dann werden wir uns ja öfter sehen.“ Und in Gedanken noch den Nachtrag, leider. „Auf eine gute Nachbarschaft!“ rief Sarah und winkte wieder. Und dann begann sie wieder zu lachen. Dieses laute, ordinäre Lachen. Anne war immer weniger zum Lachen zumute und so erwiderte sie das Lachen nur mit einem säuerlichen Lächeln, zeigte dann auf ihre Einkaufstaschen und suchte den Hausschlüssel aus der Handtasche. Wieso mussten diese grossen Handtaschen nur so verflixt unpraktisch sein, was das verstauen von kleineren Gegenständen anbelangte? Was sie schon in ihrer Tasche gesucht hatte! Da jegliche Worte von Sarahs Lachen sowieso übertönt worden wären, winkte sie noch einmal und hoffte inständig, endlich diesen blöden Schlüssel zu finden. Endlich hatte sie ihn. Sie pfiff Max zu sich, öffnete die Türe und verschwand dann eiligst in ihrem Haus. Aufatmend, den aufdringlichen Dorfbewohnern entkommen zu sein, schloss sie gründlich die Türe ab und begann dann mit der Arbeit. Zuerst verstaute sie ihre Einkäufe im Kühlschrank. Dann begann sie mit dem Auspacken der Kisten. Was wahrscheinlich für jede andere Person eine mühselige Arbeit geworden wäre, war für Anne die reinste Freude. Im Moment gab es für sie nichts Schöneres, als ihr neues Zuhause einzurichten. Das Einzige nervige war Max, der ihr immer wieder zwischen die Beine lief und nicht verstehen konnte, was sein Frauchen da eigentlich machte. Zuerst packte sie in der Wohnung alles ein und jetzt packte sie alles im Haus wieder aus. Das verstand er nicht und machte ihn ganz konfus. Doch mit der Zeit wurde er müde und legte sich im Wohnzimmer in seinem Körbchen schlafen. Wenigstens das kam ihm bekannt vor und roch immer noch nach ihm. Währenddessen stellte Anne Dekoartikel auf, platzierte die Pflanzen an die geeigneten Stellen, füllte das Wandregal mit Büchern und verstaute ihre Kleider im Kleiderschrank. Obwohl Kleidermachen ihre grosse Leidenschaft war, mochte sie für sich selber am liebsten ganz einfache Kleider. Meistens trug sie bequeme Jeans und eine weite Bluse oder engere T-Shirts. Bei kälterem Wetter ergänzte sie diese mit einer Strickjacke. Im Winter liebte sie Rollkragenpullover und manchmal einen Rock. Immer Sommer durfte es gerne auch mal ein Röckchen sein, am liebsten natürlich selbst gemacht. Leider hatte sie in all der Zeit während sie in der Stadt gearbeitet hatte, Deux Pieces und Kostüme anziehen müssen. Dazu Pumps, Stiefeletten mit hohen Absätzen und immer etwas Schmuck. Auch ungeschminkt zur Arbeit zu erscheinen, wäre ein No-Go gewesen. Und da Anne fast die ganze Zeit gearbeitet hatte, war sie fast immer nur in eleganter Kleidung anzutreffen gewesen. Höchstens mal an den Wochenenden war sie im Trainer zu Hause herumgelümmelt und natürlich wenn sie mit Max längere Spaziergänge gemacht hatte. Nun genoss sie es umso mehr, ungeschminkt und ungestylt aus dem Haus zu gehen. Trotzdem hatte es Anne nicht übers Herz gebracht ihre eleganten und zum Teil auch sehr teuren Kleider wegzugeben. Also hängte sie diese nun im Mansardenzimmer in den Schrank und stellte darunter auf den Kleiderschrankboden ihre eleganten Schuhe. Sehr viele waren es nicht, dafür umso teurere. Meistens hatte sie mehr an den Namen gezahlt als an die Qualität. Doch leider war auch das ein Zeichen von Erfolg und Selbstbewusstsein, welche von ihr verlangt wurde auszustrahlen. In ihrem eigentlichen Kleiderschrank waren nun nur noch T-Shirts, Blusen, Jeans, Röcke und Pullover. Zudem liebte sie Hoodies und Cardigans, die ebenfalls einen Teil des Schrankes ausfüllten. Schuhe hatte sie nur noch Sneakers und Sandaletten im Schrank. Die Wintersachen hatte sie auf dem Dachboden im dort noch vorhandenen Kleiderschrank untergebracht. Bis weit in die Nacht hinein räumte sie ihre Dinge ein, doch irgendwann konnte Anne nicht mehr. So entschied sie sich zu schlafen und stellte mit Entsetzen fest, dass sie das Bett noch nicht angezogen hatte. Im Moment hatte sie keine Ahnung, in welcher Kiste die Bettwäsche war und so entschied sie sich, wieder einmal eine Nacht auf dem Sofa zu schlafen. Als sie sich im Badezimmer schlaffertig machte, fielen ihr fast die Augen zu. Wie im Schlaf lief sie die Treppe hinunter zu ihrem neuen Sofa, legte sich hin, und kaum hatte ihr Kopf das Zierkissen berührt, war sie auch schon eingeschlafen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739427867
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (September)
Schlagworte
Gespenstergeschichte Krimi Mystery Gruselgeschichte Übernatürliches Historisch

Autor

  • Ruth Herbst (Autor:in)

Ruth Herbst lebt und arbeitet in der Schweiz. Von ihr erschienen sind bereits die SKYLAND Trilogie sowie diverse Kurzgeschichtensammelbände.
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Titel: Anne Wilson und der ungebetene Gast