Ich stehe vor dem Haupteingang zu Dacota & Partner, einer Drehtür, die öfter passiert wird, als die Starbucks Filiale, bei der ich mir vorhin einen Kaffee geholt habe. Ich frage mich, wie viele Menschen in New York Rechtsbeistand benötigen. Schon verquer, was heute zu einer Standardausrüstung im Leben gehört. Waren es früher Zahnärzte, ein Babysitter und ein Friseur, benötigt man heute eine Entourage an Leuten, die einem das Leben angenehm macht: einen Dermatologen, einen Stilberater, eine Kosmetikerin, einen Rechtsanwalt, einen Imageberater, ein, zwei Schulpsychologen für die Kids, den besten Scheidungsanwalt der Stadt und jede Menge Therapeuten für die großen und kleinen Leiden im Alltag.
Ich nehme den letzten Schluck meines Mochas und werfe den Becher in den gegenüberliegenden Mülleimer.
In der rechten Hand halte ich die Laptoptasche, mit der Linken streife ich mein rotes Kostüm zurecht. Es ist knallrot und soll signalisieren, dass ich in den vergangenen Jahren erwachsen geworden bin. Der Mann aus dem Verhandlungssaal, der mich damals in den Boden gestampft hat, kann mir nichts mehr anhaben. Dieses Mal werde ich diejenige sein, die ihm in die Eier tritt.
Mit zurückgenommenen Schultern melde ich mich beim Portier an und darf passieren. Ich fahre hoch in den vorletzten Stock. Alles im Gebäude wirkt stylisch. Nichts ist dem Zufall überlassen. Weißer, teurer Marmor, eindrucksvolle Gemälde an den Wänden. Ich marschiere einen langen Gang entlang und sehe durch gläserne Büros hindurch, in denen man den Mitarbeitern beim Arbeiten zuschauen kann. Edle, teure Materialien erstrecken sich auf dieser Etage. Perfekt angezogene Leute, die vermutlich ebenso nichts dem Zufall überlassen, sitzen an ihren Schreibtischen, führen Gespräche, Telefonate oder bearbeiten Fälle an ihren Computern. Die Atmosphäre flirrt, sie ist ein wenig hektisch und voller Spannung.
Rechtsanwältin wäre kein Job für mich. Ständig unter Anspannung stehen und sich den Gesetzen beugen oder versuchen, sie so zu drehen, dass sie einem dienlich sind. Dann lieber Geschichten und Realitäten erfinden, so wie ich es mag. Ich erkundige mich bei einer dunkelhaarigen Frau am Ende des Ganges nach dem Büro von Mason Dacota. Sie sieht argwöhnisch von ihrem Pult hoch.
»Sind Sie Ms. Lombard?«
»Mrs. Lombard«, bessere ich sie aus.
»Mrs. Lombard, verzeihen Sie. Sie werden schon erwartet.« Sie kramt in ihren Unterlagen herum und meldet mich per Telefon an.
Ich fahre nervös an meinem Ehering entlang. Eigentlich trage ich ihn seit drei Monaten nicht mehr, seit Anthony und ich beschlossen haben, uns scheiden zu lassen. Da der Mistkerl aber gerade mit seiner neuen Freundin in Mexiko urlaubt – was er auch schon während unserer Ehe mit großer Euphorie getan hat –, konnten wir uns noch nicht auf dem Papier voneinander trennen. Lediglich das Bett, den Frühstückstisch und das Badezimmer teilen wir nicht mehr miteinander. Es geht um eine Stange Geld, deshalb zögert er es hinaus. Anthony ist Musikproduzent und wir hatten uns Hals über Kopf verliebt. Im Nachhinein weiß ich, dass es bloße Leidenschaft und keine Liebe gewesen ist. Er war zu gut im Bett, ich zu gierig nach seinen Lenden. Ich lernte ihn kennen, als er mich für eine PR-Beratung beauftragte. Ich verpasste ihm ein neues Image, er mir diesen Ring. Ein echt teurer Klunker, mit dessen Verkauf ich bestimmt ein Jahr unbeschwert durch die Welt reisen und in den besten Hotels nächtigen könnte. Eine kleine Abfindung für unsere verkorkste Ehe, denn mein geliebter Ehemann, kurz Mistkerl, bekommt den Ring mit Sicherheit nicht zurückgeschmissen. Der wird verkauft! Dass Anthony nicht der Richtige für mich war, wurde mir schnell klar. Aber der Sex mit ihm war fantastisch. (Und vermutlich denken all seine Affären, die er in den letzten Monaten beziehungsweise in den zwei Jahren, in denen wir zusammen gewesen sind, genauso.)
»Wenn Sie mir bitte folgen.« Die dunkelhaarige Dame steht von ihrem Stuhl auf, streift sich ihr lachsfarbenes Etuikleid zurecht und begleitet mich in ihren Louboutin Stilettos zum Lift, mit dem wir in den letzten Stock hochfahren. Wir gehen zu einem Meetingraum, der nicht aus Glas, sondern aus richtigen Wänden besteht und somit keinen Einblick in das Geschehen preisgibt. Sie öffnet die Tür und lässt mich eintreten.
Eine Kühle schlägt mir entgegen. Mason steht mit dem Rücken zu uns gewandt da.
»Sir, Ihr Termin! Mrs. Lombard.« Beinahe verneigt sie sich ein Stück und trippelt dann auf leisen Sohlen zurück. Das Mrs. hatte sie besonders stilvoll betont, so, als würde sie ihn warnen wollen.
Die Temperatur im Raum fällt weiter. Ein Kribbeln läuft durch mein Inneres, denn auch wenn ich mich darauf vorbereitet habe, ihn wiederzusehen, ist dennoch dieses überraschte Gefühl von Anspannung und unheimlicher Erregung präsent. Er nickt, blickt aus dem Fenster, dreht sich nicht um. Ich beobachte seine Rückenansicht im dunkelgrauen Anzug, der perfekt sitzt, wie sein kurzes, schwarzes Haar, das im Einfall des Sonnenlichts glänzt. Und dann, ganz langsam, dreht er sich zu mir um und setzt dieses verdammt heiße Grinsen auf, das er auch schon damals hatte, als er mich beim Kaffeeautomaten mit seinem Lächeln einfing.
»Karen Lombard«, raunt er, beinahe freundschaftlich, als würden wir uns schon lange kennen, und hätten uns in den letzten Jahren nur aus den Augen verloren.
Ganz klar, sein Spiel.
Langsamen Schrittes kommt er auf mich zu und mustert mich. Er scannt und checkt mich von oben bis unten ab, als wäre ich ein einladendes Bett, das er vorhat, zu kaufen. Sein Blick wandert meine Beine entlang, verharrt kurz an meinen Knöcheln und den High Heels, stolpert nach einer dumpfen Pause hoch zu meinen Hüften, dann weiter Richtung Brustkorb, streift meine Brüste und landet schlussendlich an meinem Dekolleté, als hätte er ganz vergessen, dass es schicklicher ist, Frauen zur Begrüßung ins Gesicht als in den Ausschnitt zu sehen. Das kommt mit auf die Benimm-Liste, die ich für ihn zusammenstellen werde!
Ich räuspere mich und hebe eine Augenbraue, wodurch er seinen Blick auf mein Gesicht lenkt. Er bleibt stehen, wo er ist, als erlaube er sich nicht, unsere professionelle Distanzzone zu durchbrechen.
»Das Mädchen vom Kaffeeautomaten. Café Latte mit einem Schuss Schokolade«, sagt er und reicht mir seine Hand zur Begrüßung.
»Beinahe richtig. Nur die Bezeichnung ›Mädchen‹ ist veraltet. Die Kaffeevorliebe ist geblieben. Das naive Mädchen längst verschwunden. Immerhin wurde sie nach einem unschuldigen Latte-Chocolate in einem Verhandlungssaal innerhalb weniger Minuten zerquetscht.«
»Autsch, Sie haben es also nicht vergessen.« Er fährt sich über die Wange, als hätte ich ihm soeben eine Ohrfeige erteilt.
»Wie hätte ich auch?« Ich mache einen Schritt auf ihn zu, durchbreche damit unsere Distanzzone und starre ihm direkt in die Augen. »Dreihunderttausend Dollar, um die Sie mich erleichtert haben, können verdammt wehtun. Das vergisst man nicht. Aber lassen wir das jetzt, ich bin wieder aufgestanden. Das sind Altlasten, ich habe mich davon erholt, wie Sie sehen können. Ich bin mir sicher, Sie haben weit bessere Fälle in der Zwischenzeit gewonnen, an denen sich Ihr Ego zu vollem Größenwahnsinn ausbauen konnte.«
»Schon wieder … Autsch.« Abermals reibt er sich die Wange.
»Sie werden doch jetzt nicht sensibel. Es gibt etwas zu besprechen, deswegen sind wir doch hier.« Ich werfe meine Laptoptasche auf den Tisch und sehe ihn herausfordernd an.
»Durch und durch Businessfrau, das gefällt mir«, bemerkt er und streckt mir eine Hand erneut entgegen.
»Neustart? Mason Dacota – Rechtsanwalt.«
»Karen Lombard. Mrs. Lombard mittlerweile«, erwidere ich und ergreife seine warme Hand, die sich viel zu gut in meiner anfühlt. Als wären sie dazu bestimmt, einander zu berühren.
»Mrs. Lombard? Welch eine Überraschung! Sie sind also verheiratet? Wie kommt’s, dass Sie noch denselben Namen tragen? Fühlen Sie sich ihrem Mann nicht genug verbunden?«
»Ich dachte, sie würden besser kombinieren. Aus marketingtechnischen Gründen, Mr. Dacota. Lombard ist mein Mädchenname. Ich trage einen Doppelnamen, doch für meine Geschäfte benutze ich den eigenen Familiennamen, da er in der Branche bekannt ist.«
»Also geben Sie vor, eine Mrs. Lombard zu sein, obwohl sie eigentlich eine -« Er sieht mich fragend an. Zu gerne würde er wissen, mit wem ich mein Bett teile.
Ich nenne den Namen des Musikproduzenten, mit dem ich verheiratet bin, immerhin sieht er gut aus und ist durch diverse Fernsehshows bekannt.
»Verstehe. Das ist der Typ, der erst kürzlich bei der Supertalentshow als Gastjuror mit nacktem Oberkörper in der Jury saß, weil ihm angeblich zu heiß war?«
Ich räuspere mich und schäme mich für meinen zukünftigen Ex-Mann. »Ganz genau. Immerhin kann er zeigen, was er hat. Und er hat noch weit mehr zu bieten«, prahle ich.
Mason Dacota zieht beeindruckt eine Braue nach oben. »Also wurden Sie vom Leben reich beschenkt. … Nach der Niederlage im Gerichtssaal. Schön zu hören! … Bitte, setzen Sie sich doch. Möchten Sie Kaffee? Ihre favorisierte Sorte, mit einem Schuss Schokolade?«
Er hat es wirklich nicht vergessen! Ich nicke, verberge aber die Freude, die aus mir brechen möchte. »Mocha. Am liebsten mit doppelter Schokolade. Das wird sich niemals ändern.«
Dafür tausend andere Dinge. Zum Beispiel meine gutgläubige Einstellung gegenüber Männern. Nun bin ich vorsichtig, sobald ich einen neuen Typen kennenlerne.
Dacota beordert über die Telefonanlage Kaffee. »Fiona, bitte bringen Sie uns einen Mochaccino, einen doppelten Espresso und ein paar von diesen süßen Dingern. Sie wissen schon, die mit Vanillecreme. Und bringen Sie auch gleich einen Espresso für Helen mit. Sie wird gleich da sein und ohne Espresso wird Helen unausstehlich sein, immerhin war sie gestern in Los Angeles und dürfte übernächtigt sein«, sagt er.
»Sehr gerne, Mr. Dacota«, antwortet die Assistentin.
Eine Weile sehen wir uns nur an, als würde ein Blick genügen, um neu anzufangen. Als würde ein unschuldiger und verträumter Augenaufschlag unsere Vergangenheit auslöschen können.
Meine Hände halte ich in meinem Schoß verschränkt. Dacota sitzt mir mit einem leichten Lächeln in dem braunen Lederstuhl gegenüber und hat ein Bein über das andere geschlagen. Seine Aura hat sich in all den Jahren nicht verändert. Sie ist nach wie vor verlockend, als würde man in diesen verheißungsvollen Nebel, der ihn umgibt, einbrechen müssen, um aus der Einsamkeit, die einen festhält, auszubrechen. Doch das würde schlimmer enden, als man sich vorstellen kann. Der Kern eines Menschen verändert sich nicht. Das ist leider unbestritten und mittlerweile bestätigt mir mein Beruf täglich diese Annahme.
Es liegt eine drohende Verbundenheit zwischen uns, die mich vereinnahmt. Seinen Blick könnte man als Entschuldigung interpretieren, für das, was er damals vor Gericht abgezogen hat. Doch vermutlich täusche ich mich, immerhin ist er ein knallharter Rechtsanwalt, der genau weiß, wie er die Dinge bekommt, die er haben möchte, und die Nummer vor dem Kaffeeautomaten hatte damals bestimmt zu seinem Spiel gehört. Berechnend!
Es dauert nicht lange, ehe die Tür aufschwingt und eine geschäftig wirkende Frau in einem perfekt sitzenden, schwarzen Hosenanzug das Zimmer betritt.
Sie schiebt sich ihre rote Brille zurecht, ihr dunkler Bob schwingt mit und sie kommt auf mich zu, um mich zu begrüßen.
»Mrs. Lombard, wie schön, dass Sie die Beratung übernommen haben! Bitte entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten. Ich hatte eben noch ein Telefonat zu erledigen. Ich hoffe, Mason hat sich von seiner guten Seite gezeigt?«
»Er hat sich bestimmt bemüht. Auch Kaffee wurde mir bereits angeboten.«
»Und diese Vanilledinger, vergessen Sie das nicht!«, wirft er mit einem Grinsen ein und trommelt mit den Fingern auf den Tisch.
»Cupcakes, Mason. Das sind Cupcakes. Wie oft denn noch.«
Er neigt seinen Kopf ein wenig schief und sieht mich grinsend an. »Wir bekommen diese Vanilledinger« – Seitenhieb zu Helen – »in Unmengen geschenkt, weil der Hersteller unser Klient ist. Und seit wir ihn erfolgreich in einer Causa vertreten haben, werden wir damit überschüttet. In den letzten Wochen sind alle im Büro um einige Pfund schwerer geworden. Ich sollte nach einem Kunden Ausschau halten, der Smoothies oder Fitnessgeräte herstellt.«
»Mason ist der Einzige in der Kanzlei, der sich bei den Cupcakes nicht zurückhalten kann.«
»Noch ist keine Gefahr in Verzug«, wirft er trocken ein. Er knurrt verächtlich und streicht sich über den Bauch, der keinerlei Wölbung unter dem weißen Hemd zeigt. Vermutlich trainiert er die Cupcakes locker im Fitnesscenter oder Central Park weg. Er wirkt fit und sein Körper ist gestählt. Bilderbuchkörper.
Helen setzt sich auf den freien Stuhl neben Mason. »Nun gut, hören wir auf, über Desserts zu sprechen. Karen, wir hatten am Telefon schon über den Auftrag gesprochen. Wir möchten einen Klienten gewinnen, der Wert auf ein geregeltes, ordentliches Leben legt. Auch Zurückhaltung und Understatement scheint dem potenziellen Kunden wichtig zu sein. Es geht um die Non-Profit-Gesellschaft Earth for Life. Kennen Sie die? Sie vertreten den nachhaltigen Lebenswandel und treten für die Rechte von Bedürftigen ein.«
»Ja, ich kenne die Organisation«, sage ich.
»Ein Unternehmen, das überhaupt nicht zu uns passt«, wirft Dacota ein und schnalzt mit der Zunge.
»Von mir aus können wir der Firma auch eine Absage erteilen. Ich hätte einen Plan B für einen anderen Kunden. Vielleicht ist es die ganze Aufregung gar nicht wert. Finanziell brauchen wir diesen Auftrag nicht, wir haben genügend Klienten, doch du willst Earth for Life an Land ziehen. Ich erinnere dich, du warst es, der kurz nach unserem Gespräch entschlossen in mein Büro geschossen kam und darauf bestand, dass wir alle Hebel in Bewegung setzen, um die Geschäftsführung von uns zu überzeugen.« Im nächsten Atemzug wendet sich Helen mir zu. »Ich habe die Vorarbeit geleistet, doch sie wollen mit Mason sprechen, um zu sehen, ob ihre Werte mit unseren kompatibel sind. Und ich fürchte, hier versagen wir auf ganzer Linie.«
Dacota schnauft verächtlich und setzt sich in eine noch lässigere Pose, die seine Arroganz, die er bereits in XL-Portion ausstrahlt, weiter unterstreicht.
»Warum wollen Sie den Klienten unbedingt gewinnen?«, frage ich Mason.
»Damit er nicht an Miller geht.«
»Sein stärkster Konkurrent«, wirft Helen mit einem Augenrollen ein.
»Das ist Ihr Beweggrund?«, stoße ich aus und mache mir eine Notiz vom Namen seines Herausforderers.
»Mike Miller ist sein verhasster Studienfreund. So ein Rivalen-Männerdings. Absolut bescheuerte Sache. Sie sollten die beiden mal in Aktion sehen. Wie kleine Kinder!«
Mason stöhnt. »Wir kennen uns seit der Uni und er war für zwei Jahre mein Partner.«
Ich runzle überrascht die Stirn. »Sie sind schwul?«
»Geschäftspartner«, knurrt er.
»Oh … natürlich.« Warum denke ich bei Mason Dacota immer an die Frage, ob er vergeben ist? Ich mache mir eine Notiz auf dem Block, obwohl ich nicht weiß, warum ich das tue. »Mason Dacota – nicht schwul!« – steht jetzt groß und fett auf dem karierten Blatt vor mir, sodass es alle lesen können.
Helen lacht laut auf und hält sich die Hand vor den Mund. »Wie dem auch sei«, sagt sie und beruhigt sich wieder, »müssen wir dem nichtschwulen Mason Dacota -«
»Helen kann so witzig sein«, wirft er ein.
»- Müssen wir ihm ein neues Image verpassen. Und da kommen Sie ins Spiel.«
Ich nicke, zerknülle den Zettel vor mir und fische mein MacBook aus der Tasche. »Das sollte kein Problem sein. Vielen Dank, Helen, für die relevanten Informationen, die Sie mir vorab geschickt haben.«
Mason Dacota hebt überrascht und argwöhnisch eine Augenbraue. Es dürfte ihm nicht in den Kram passen, dass ich persönliche Fakten über ihn erhalten habe, worüber er nicht Bescheid weiß.
Ich beschwichtige das Ganze: »Wir haben eine erste – oberflächliche – Bestandsaufnahme gemacht, mit den Infos, die Helen uns geschickt hat, mit Auskünften, die wir mithilfe eines Pressespiegels herausfinden konnten und … das wird Ihnen vermutlich nicht gefallen, Mr. Dacota … aber wir haben auch alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft, um mehr über Sie in Erfahrung zu bringen.« Ich mache eine kurze Pause, in der er mich scharf mustert. »Helen war so frei, mir die Firmenkreditabrechnungen zu zeigen«, fahre ich fort.
Mason knallt eine Hand auf den Tisch. »Seid ihr beide verrückt geworden? Noch wurde kein Vertrag unterzeichnet. Wir sollten erst besprechen, ob Mrs. Lombard überhaupt für diesen Auftrag geeignet ist!« Er spricht das Wort Mrs. verächtlich aus.
»Mason, du wärst nicht einverstanden«, wirft Helen ein. »Also habe ich ihr bereits meine Zustimmung gegeben.«
»Was hast du?! Es reicht doch, wenn wir ein paar nette Geschichten erfinden, ich in Zukunft freundlich in die Paparazzi-Kameras lächle und eine große Summe für irgendwelche wohltätigen Firmen spende.«
Ich schüttle mit einer gewissen Genugtuung den Kopf. »So einfach wird das nicht werden. Wenn es glaubwürdig sein soll, müssen wir einiges verändern, nicht nur oberflächlich ein paar Möbel umstellen. Das würde nicht authentisch wirken«, erkläre ich und Helen nickt, als hätte sie nur darauf gewartet, dass Mason endlich seine kalte Dusche abbekommt. Dann folgt ein Siehst-du-ich-hab’s-dir-ja-gesagt-Blick von ihr, für den er sie vermutlich am liebsten aus dem Büro werfen würde.
Dacota stöhnt. Dann gleich noch einmal. Plötzlich richtet er einen scharfen Blick auf mich.
»Und welche Veränderungen wären das?«
»Nun«, sage ich und fische eine Mappe hervor. »Zuerst einmal sollten wir uns überlegen, was Sie erreichen möchten, wie Sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollen.«
»Sie können alles aus mir machen?«
»Na ja …«, sage ich und räuspere mich. »Ich werde mein Bestes versuchen, um Sie ins rechte Licht zu rücken. Aber ich kann nicht zaubern und aus Ihnen keinen Heiligen machen.«
»Schade, ich dachte schon, ich würde der erste ferrarifahrende Papst New Yorks werden.« Der Sarkasmus liegt bittersüß in seinem Gesicht.
»Na, na … Den Papst lassen wir mal lieber im Vatikan. Und ein Mann Gottes geht zu Fuß. Das wäre nichts für dich«, wirft Helen spöttisch ein. »Problem eins: Mason fährt entweder Ferrari, Maserati, große protzige SUVs oder auf irgendwelchen Zweirädern durch die Stadt«, sagt sie. »Und ich spreche hier nicht von einem Mountainbike.«
»Ich besitze eine BMW-Maschine – Sonderanfertigung. 202 PS«, bemerkt er stolz. Fehlt nur noch, dass er mir Bilder zeigt wie Eltern überschwänglich ihre Kinderfotos.
»Dekadent«, kontert Helen. »Und unnötig. Fahr doch mal mit dem Taxi oder Uber. So wie ich. Die Rechnungen kannst du bei der Buchhaltung einreichen.«
Masons Augen bekommen die Tiefe und Kälte von Tropfsteinhöhlen. Vermutlich ist er mittlerweile so weit, Helen nicht hinauszubitten, sondern aus dem Fenster zu schleudern.
»Mr. Dacota«, sage ich mit ruhiger Stimme. »Ihr exorbitanter Lebensstil ist tatsächlich ein Problem und da der potenzielle Klient, den sie an Land ziehen wollen, einiges für den Umweltschutz tut, sollten wir dort ansetzen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wir müssen etwas einsparen.«
»Ich kann mir meine Autos leisten«, stöhnt er.
»Das weiß ich … vermute ich zumindest. Wir müssen Ihren Fuhrpark, auf den Sie so stolz sind, ein klein wenig verändern und reduzieren. Oder Sie dürfen ihn in nächster Zeit nicht nutzen. Schlagwort Klimawandel.«
»Das heißt konkret was?«
Ich hole die Auflistung seiner Fahrzeuge heraus. »Der Maserati ist gestrichen.«
»Und der Ferrari?«
»Gestrichen.«
»Porsche?«
»Gestrichen.«
Er sieht mich baff an.
»Wie wäre es mit einem energiefreundlichen Kleinwagen? VW? Die haben sehr praktische Kraftfahrzeuge im letzten Jahr entworfen, die perfekt für eine Großstadt wie New York sind. Und Dyneff, der Geschäftsführer von Earth for Life, fährt auch so einen Wagen.« Ich zeige ihm ein Bild, welches ich von einem passenden Modell ausgedruckt habe.
Dacota fällt beinahe vom Stuhl und würde ich es nicht besser wissen, würde ich sagen, er stünde knapp vor einem Herzinfarkt, als ich ihm den Fotoausdruck von einem silbergrauen Elektroauto hinüberschiebe.
Ein kurzer Blick auf das Foto, dann schüttelt er angewidert den Kopf. »Ihr beide habt sie ja wohl nicht alle! Ist das die versteckte Kamera?« Mason sieht sich um.
»Es reicht nicht aus, dass Sie eine Unsumme für den Klimaschutz spenden und dann jeden Tag mit einem anderen Sportwagen herumflitzen. Das ist Heuchelei.«
»Das ganze Leben ist eine Lüge, Ladys! Ich lasse mir von Ihnen, oder von dir, Helen, sicher nicht vorschreiben, welches Auto ich zu fahren habe. Dieses stupide Treffen ist hiermit beendet! Sie, Mrs. Lombard, sind somit gefeuert! Helen, ein Wort von dir und du kannst deine Sachen packen!« Dacotas Worte sind eine Warnung, die seine Geschäftspartnerin ehrfürchtig zusammenzucken lassen. Anscheinend weiß sie, wann genug ist.
Erzürnt steht er auf und verlässt harten Schrittes das Büro.
Er ist der Chef und Helen in seiner Gegenwart eine Angestellte. Das Einzige, das bleibt, als er gegangen ist, sind die Anspannung und sein betörender Geruch, der im Raum wie ein Aphrodisiakum liegen geblieben ist.