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Giulia – Liebe mich, Master

von Pia Conti (Autor:in)
260 Seiten

Zusammenfassung

Giulia Bertani sehnt sich nach der Liebe ihres Mannes Alessandro und träumt davon, sich ihm lustvoll zu unterwerfen. Doch ihr Ehemann erwidert ihre Gefühle nicht und Giulia traut sich nicht, ihm ihre Neigung zu gestehen. Enttäuscht von seiner anhaltenden Kälte, ist sie ein leichtes Opfer für den dominanten Fabrizio Testi. Er verführt sie mit leidenschaftlicher Entschlossenheit, doch Giulia zögert. Wird sie seinem Werben erliegen oder bleibt sie Alessandro treu? Sie ahnt nicht, dass er mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat und sie lediglich vor seinen dunklen Begierden schützen will. Neuauflage wegen Rechterückgabe. Der Titel kam früher unter dem Titel Giulias Geheimnis heraus.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1.

Giulia klopfte an Alessandros Schlafzimmertür. Sie wartete nicht wie sonst ab, bis er sie hereinbat, sondern stieß – wenn auch sehr leise - die Tür auf. Der Anblick, der sich ihr gleich darauf bot, ließ ihr den Mund trocken werden. Alex stand mit dem Rücken zu ihr vor seinem Bett und trug nichts weiter am Leib, als ein weißes Handtuch. Er hatte es sich um die schmalen Hüften geschlungen, und der Frotteestoff saß so tief, dass schon die geringste Erschütterung ausgereicht hätte, um es ins Rutschen zu bringen. Dieser Gedanke beherrschte sie, während sie gierig lechzend ihren eigenen Ehemann anstarrte, als wollte sie ihn verschlingen. Ihr Schoß zog sich in lüsterner Vorfreude zusammen und ihr dummes Herz schlug so schnell, dass sie befürchtete, er könnte das Hämmern selbst über die Entfernung hinweg hören.

Eine vertraute Reaktion, von seiner bloßen Anwesenheit ausgelöst, doch leider war sie nicht die einzige Frau in Rom, die auf seine männliche Schönheit ansprang. Eines Tages würde sie noch vor Eifersucht eine furchtbare Dummheit begehen, denn obwohl er sie nicht liebte - es nie getan hatte - verspürte sie dennoch den typischen Besitzanspruch einer Ehefrau. Leider gab er ihr allen Grund ihm zu misstrauen, auch wenn sie ihm seine Untreue nicht nachweisen konnte. Sie konnte sich aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein so schöner Mann wie er sich mit den wenigen sexuellen Begegnungen die sie miteinander hatten, zufriedengab. Bestimmt stillte er seinen Hunger bei anderen Frauen und Gelegenheit hätte er weiß Gott genug dazu.

Alex’ optische Vorzüge, stellten die anderer Männer bei weitem in den Schatten. Ein Adonis mit einem perfekt proportionierten Körper und dem Gesicht eines Engels. Den Mittelpunkt bildeten seine vor Intelligenz sprühenden hellgrünen Augen, die sich perfekt in seine harmonischen Gesichtszüge einfügten. Das dunkelbraune, ungefähr kinnlange Haar vervollständigte sein gutes Aussehen und ließ andere Männern neben ihm erblassen.

Jetzt bewegte er sich und sie erhaschte einen kurzen Blick auf sein Profil. Auf seinen gebräunten Wangen spross noch der morgendliche Bartschatten. Also hatte er noch nicht geduscht, denn die Rasur erledigte er immer erst danach.

Komisch, dass sie über solche intimen Details Bescheid wusste und andere Dinge blieben ihr verborgen, doch Alex blieb auch nach fast drei Jahren Ehe ein Fremder für sie. Jemand, der sie nicht in sein Inneres und schon gar nicht in sein Herz blicken ließ. Da er ihre Anwesenheit noch nicht bemerkt hatte, verhielt sie sich still. Er packte gerade seine Tasche für eine mehrtägige Geschäftsreise und so lag auf seinem Bett noch eine Menge Kleidung. Hemden, Krawatten und Socken. Immer wenn er danach griff, bewegten sich die Muskeln verführerisch unter seiner goldbraunen Haut.

Er beugte sich ein wenig weiter nach vorn und die Kontur seines herrlichen Hinterns zeichnete sich formgetreu unter dem Handtuch ab. Giulia musste sich am Türrahmen festhalten. Die Augen hielt sie wie paralysiert auf die harten Wölbungen gerichtet und ihre Finger zuckten. Sie wollte diese stahlharten Muskeln umfassen, spüren, wie sie sich unter ihrer Berührung zusammenzogen und dann wieder entspannten.

Ihre Sehnsucht frustrierte sie. Wie viele Nächte hatte sie nun schon ohne ihn verbracht? Waren es drei Wochen oder lag ihr letzter Sex schon länger zurück? Giulia konnte es nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Die Tage glitten diffus ineinander, sodass Zeit an Bedeutung verlor. Auch die Erinnerungen an ihr Liebesspiel verblassten zusehends, so selten ging er mit ihr ins Bett.

Alex richtete sich wieder auf. Nun würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis er sie entdeckte und so nutzte sie die letzten verbleibenden Sekunden, ehe sie wieder die Augen senken musste. Wie eine brave und sittsame italienische Ehefrau das eben zu tun hatte, wenn sie einem nur unzureichend bekleideten Mann gegenüberstand. Dabei war sie nichts von alledem. Er nahm keine Notiz von ihrer Sinnlichkeit oder von ihrer Bereitschaft sich ihm auf jede nur erdenkliche Weise hinzugeben, und es schmerzte mit jedem Tag aufs Neue, dass er blind für ihre Liebe blieb. Und vor allem für ihr wahres Ich.

Mit dem Fortschreiten ihrer Ehe verminderte sich auch sein Interesse an ihr. Alessandro begehrte er sie nur mäßig und sie konnte an einer Hand abzählen, wie oft er im letzten halben Jahr mit ihr ins Bett gegangen war. Wahrscheinlich fickte er sie nur noch, um seinen Eltern irgendwann den ersehnten Enkel präsentieren zu können. Giulia vergötterte Kinder, doch der Gedanke, ihre Tochter oder ihr Sohn könnten in einem Elternhaus aufwachsen, in dem es ähnlich lieblos zuging, wie einst in ihrem, jagte ihr eine Heidenangst ein. Glücklicherweise blieb ihr eine Schwangerschaft bisher erspart, denn sie hätte niemals ohne sein Wissen verhütet.

Alex liebte sie nun mal nicht, das war eine nicht zu leugnende Tatsache. Er hatte sie aus ihr unbekannten Gründen geheiratet und naiv wie sie mit Anfang zwanzig durchs Leben gegangen war, hatte sie an die große Liebe geglaubt. Alessandros und ihre Eltern waren zu Lebzeiten ihrs Vaters sehr eng befreundet gewesen und so wuchs sie mehr oder weniger mit Alessandro und seinem älteren Bruder Nicola auf. Sie verehrte sie beide, doch es war schon immer Alex gewesen, bei dem ihr Herz schneller schlug, und als sein brüderliches Verhalten von einem Tag auf den anderen in männliches Interesse umschlug, kannte ihr Glück keine Grenzen.

Er schien sie wirklich zu begehren, doch diese Lust erwies sich als Strohfeuer, das schon kurz nach der Heirat abflaute. Voller Bitterkeit wurde ihr klar, dass er sie nur geheiratet hatte, um seinen Eltern ihren innigsten Wunsch zu erfüllen. Laura und Guiliano Bertani hatten nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr sie sich darüber freuen würden, wenn einer ihrer Söhne, Giulia zur Frau nehmen würde. Doch Alex plötzlich erwachte Leidenschaft für sie überdauerte noch nicht mal die ersten drei Monate ihrer Ehe und schon nach einem halben Jahr zog er ins Gästezimmer, mit der fadenscheinigen Begründung, er wolle ihr seinen unruhigen Schlaf nicht zumuten.

Nun lebten sie nebeneinander her. Gleichgültig, ohne echte Wärme und das, was sie wirklich wollte: sich seiner Kontrolle zu unterwerfen und ihm zu dienen, als willige Sklavin seiner Lust, das blieb ihr verwehrt.

Ein Rascheln schreckte sie auf. Alex griff nach seinem Hemd, das akkurat zusammengefaltet neben dem Koffer lag. Bei dieser Bewegung erhaschte sie einen seitlichen Blick auf seine herrlichen Bauchmuskeln. Sie bewegten sich unter seiner straffen Haut, führten förmlich ein Eigenleben und betonten die raubtierhafte Schönheit seines Körpers. Breite Schultern, schmale Hüften und kräftige Beine. Geistig ergänzte sie das Bild und dachte an seinen Schwanz. Lang und massiv, eingerahmt von üppigen Hoden, die ihre Zunge lustvoll kribbeln ließen, weil sie gern von der zarten Haut gekostet hätte.

Giulia wollte sein Handtuch abstreifen, um ihn in den Mund zu nehmen, bis seine Männlichkeit zwischen ihren Lippen anschwoll und sich ihr lang und hart entgegenstreckte, damit sie an ihm lutschen konnte. Ihr ganzer Körper versteifte sich bei der Vorstellung. Sie wollte gefickt werden, hart und hemmungslos. Vor lauter Anspannung presste sie die Schenkel zusammen und ihr entfuhr ein erstickter Laut, den er natürlich hörte. Blitzartig fuhr er herum, seine türkisgrünen Augen funkelten aggressiv, als er sie am Türrahmen stehen sah.

„Kannst du nicht anklopfen?“, fauchte er.

Ein bitterböser Unterton schwang in seiner Stimme mit und sie zuckte zusammen. Sonst verhielt er sich ihr gegenüber immer höflich und zuvorkommend. Schon in den letzten Tagen war ihr aufgefallen, dass sein Geduldsfaden zunehmend dünner wurde. Er wirkte irgendwie unruhig, nicht so gelassen und kühl wie sonst, sondern eher wie ein eingesperrtes Tier, das sich nach der Freiheit sehnte. Was war nur mit ihm los?

„Ich habe angeklopft, ich dachte, du hättest es gehört“, erklärte sie ganz ruhig, obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug.

„Wie du siehst, war das nicht der Fall. Was willst du?“

Seine abweisende Antwort stimmte sie unendlich traurig und er mied ihren Anblick. Dabei hatte sie sich heute besondere Mühe mit ihrem Aussehen gegeben und sich sogar ein wenig geschminkt. Der schwarze Lidstrich betonte ihre graublauen Augen, ein aparter Kontrast zu ihren dunkelbraunen Locken, die ihre samtene Haut gut zur Geltung brachten. Auch ihr üppiger Busen, mit der schmalen Puppentaille, war nicht zu verachten. Wenn sie auf den Straßen Roms unterwegs war, erntete sie viele bewundernde Blicke von Männern und neidische von Frauen. Nur ihren Mann schienen ihre optischen Vorzüge nicht zu interessieren.

„Giulia, wieso bist du hier?“, fragte er ungeduldig. „Ich dachte, wir haben gestern Abend alles geklärt.“

Du hast gestern alles geklärt, dachte sie nur und fühlte sich unzulänglich und überflüssig. Alex konnte nicht verbergen, dass ihm ihre Anwesenheit in seinem Schlafzimmer unangenehm war.

Giulias Herz zog sich zusammen, es schmerzte. Was hatte sie nur verbrochen, dass er sie mit solcher Gleichgültigkeit behandelte?

Möglicherweise verachtete er ihre Nachgiebigkeit, sobald es um ihn ging. Eine devote Natur war nicht jedermanns Geschmack und vielleicht reizten ihn eher selbstbewusste Frauen, nur konnte sie sich nicht dazu zwingen, sich so zu geben, denn es entsprach nicht ihrer Natur. Wirklich wohl fühlte sie sich nur, wenn sie angeleitet und geführt wurde. Teilweise im Alltag, aber vor allem wenn es um intimere Belange ging.

Bevor Alessandro merken konnte wie verloren und allein sie sich fühlte, blendete sie alles aus und schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln. „Wir haben nicht alles geklärt. Ich weiß immer noch nicht, wie lange du weg sein wirst.“

Alessandro seufzte und wandte sich ihr ganz zu. Jetzt erst bemerkte er ihren Aufzug und seine Augen weiteten sich kaum merklich. Giulia spürte wie ihr die Wangen heiß wurden, als sein Blick an ihr entlang nach oben glitt und dabei eine Spur länger als sonst an ihren Brüsten verweilte, ehe er ihr wieder ins Gesicht sah. War das Anerkennung, die da in seiner Miene aufblitzte?

Da die Wettervorhersage einen ausgesprochen warmen Frühlingstag angekündigt hatte, trug sie heute ein aufregendes rotes Sommerkleid im Carmen-Stil. Normalerweise gab sie sich eher zurückhaltend, so ein aufreizendes Kleidungsstück wie dieses entsprach nicht ihrem üblichen Modegeschmack, doch so wie es aussah, machte sich ihr Mut bezahlt. Alessandros Reaktion zeigte eindeutig männliches Interesse und als sich ihre Augen über die Distanz hinweg trafen, entfaltete sich unter ihrer Haut ein wahrer Flächenbrand. Die Atmosphäre im Raum heizte sich auf, als wäre sie voller sexueller Hormone.

Wieder richtete er den Blick auf ihre Brüste und sein Mund öffnete sich ein wenig. Keiner sagte mehr ein Wort. Giulia atmete schwer. Diese Stille und dieser lüsterne Blick mit dem er sie geradezu aufspießte, weckten Erinnerungen an eine schon Monate zurückliegende Nacht, die der Alkohol völlig aus seinem Gedächtnis gelöscht hatte.

Nach einer Party hatte er sie im betrunkenen Zustand in ihr Schlafzimmer gedrängt, direkt aufs Bett zu, wo er sie ohne große Worte unter seinem Körper begrub. Das Gesicht zwischen ihren Brüsten vergraben, hatte er ihr das Kleid mit einem Ruck von den Brüsten gezogen und ihr zugeraunt, ihre Titten seien perfekt zum Ficken geeignet. In ihrer Verwirrung über seine ungewohnte Leidenschaft, verstand sie damals nicht sofort, worum es ihm ging, doch gleich darauf wurde ihr eindrucksvoll demonstriert, was er damit hatte ausdrücken wollen. Während sie atemlos unter ihm gelegen hatte, schwang er sich rittlings über ihren Brustkorb und befreite seinen schmerzhaft erregten Schwanz. Wortlos schob er den dicken Schaft zwischen ihre weichen Brüste, die sein pralles Geschlecht wie zwei feste Kissen einrahmten und befriedigte sich an ihnen, bis er mit einem heiseren Stöhnen seinen Samen auf ihrem Dekolleté und teilweise auf ihrem Gesicht verspritzt hatte. Dio mio, es war so schamlos pervers und geil gewesen, sie wurde allein beim Gedanken daran feucht. Leider hatte sich etwas Derartiges nicht mehr wiederholt. Obwohl er viel zu betrunken gewesen war, um sich am nächsten Tag daran zu erinnern, empfand sie diesen Überfall, als die erregendste sexuelle Erfahrung ihres gesamten Lebens. Alessandros Wildheit und Rücksichtslosigkeit hatten sie förmlich überwältigt und sie fühlte tief in ihrem Inneren, dass auch in ihm ein völlig anderer Mensch steckte. Hinter der Fassade des distanzierten Ehemannes verbarg sich ein leidenschaftlicher Fremder, der berauscht vom Wein alle Schranken fallen ließ und sie mit seiner animalischen Gewissenlosigkeit in den Wahnsinn getrieben hatte. So, wie sie es sich insgeheim schon immer gewünscht hatte!

Wie unglaublich tragisch, dass er sich am nächsten Tag nicht mehr daran erinnern konnte. Vielleicht hätte das einiges zwischen ihnen verändert, doch ihre Hoffnung, diese Nacht könnte die Entfremdung stoppen, erfüllte sich nicht. Und nun, nachdem sie sich fast schon damit abgefunden hatte, dass sie von ihm niemals das bekommen konnte wonach sie sich sehnte, entdeckte sie die gleiche ausdrucksstarke Gier in seinen Augen, die ihn damals angetrieben hatte und sie zitterte wie Espenlaub vor lauter Angst, es wäre nur Einbildung.

Alex löste er sich als Erster aus dem Bann, unter dem sie beide standen und beantwortete ihre Frage.

„Ich kann dir noch nicht sagen, wie lange ich dieses Mal wegbleiben werde.“

Sie unterdrückte einen frustrierten Laut, weil er sich nie festlegte. Er kam und ging, ganz nach Belieben, und sie wusste niemals, wie lange seine Geschäftsreisen andauerten.

„Vielleicht kannst du mir eine kurze Nachricht schicken, sobald du weißt, wann du wiederkommst. Schließlich muss auch ich planen.“

Sein amüsiertes Grinsen erwischte sie unvorbereitet, und sie fühlte sich gekränkt, weil ihn ihre Bitte offensichtlich belustigte. „Was könntest du schon für Pläne haben?“ Seine Mundwinkel kräuselten sich noch ein wenig mehr. Sein nachsichtiger Spott kränkte sie.

„Meine Arbeit bei Pater Anselmo erfordert auch Planungen, Alessandro. Sie ist vielleicht nicht so wichtig wie deine, aber das bedeutet nicht, dass ich keine Verpflichtungen habe.“

Sofort verzogen sich seine schönen Gesichtszüge vor Zerknirschung, weil ihm wohl bewusst wurde, wie herablassend und gemein sich seine Frage in ihren Ohren anhören musste.

„Verzeih mir, du hast natürlich recht. Ich verstehe aber nicht, warum meine Rückkehr deinen Zeitplan beeinflussen sollte. Arbeite doch wie du willst.“

„Ich wäre einfach gerne zuhause, wenn du zurückkommst, das ist alles.“

An der Art wie sich seine Schulterpartie versteifte, erkannte Giulia, wie unwohl er sich bei ihrer Aussage fühlte. Offensichtlich wäre es ihm lieber, sie bei seiner Rückkehr nicht in der gemeinsamen Wohnung zu wissen. Dieses Mal setzte sie alles auf eine Karte und fragte ganz direkt: „Möchtest du nicht, dass ich hier bin, wenn du heimkommst?“

Für jemanden, der sonst keiner Konfrontation aus dem Weg ging, wich er einmal zu oft ihrem Blick aus. In seiner Stimme schwang ein spröder Unterton mit. „Vor Freitag werde ich sicher nicht zurückkommen und auch dann wird es vermutlich sehr spät werden. Es ist völlig unnötig, auf mich zu warten.“

„Du wirst dann aber sicher hungrig sein“, beharrte sie stur und genoss es beinahe, wie er sich wand, um nicht auszusprechen, was sie eigentlich beide wussten: Er legte einfach keinen Wert auf ihre Gesellschaft.

„Ich werde unterwegs etwas essen, du brauchst nicht für mich zu kochen. Es wäre verschwendete Zeit.“

Da hatte sie es. Für Alex war und blieb sie ein Klotz am Bein, den er nur zu gern wieder losgeworden wäre.

„War das alles? Oder willst du noch mehr wissen?“

Seine desinteressierte Stimme schnitt ihr tief ins Herz und sie fühlte, wie sie langsam aber sicher an ihrem ständigen Schweigen erstickte. Ihre ganze Enttäuschung brach aus ihr heraus. „Wieso behandelst du mich so? Du hast mich gebeten dich zu heiraten, nicht umgekehrt und doch verhältst du dich, als wäre ich nichts weiter als eine Last für dich. Ich verstehe das nicht. Was stimmt denn nicht mit mir?“

Mit einem solchen Ausbruch hatte er nicht gerichtet. Sichtlich betroffen schluckte er und rang nach Worten, als er zögernd den Blick hob.

„Mit dir ist alles in Ordnung, Giulia“, flüsterte er leise, dann schüttelte er bedauernd den Kopf. „Es liegt an mir, an dir gibt es rein gar nichts auszusetzen. Ich fürchte nur, ich habe mich, was uns angeht, in etwas verrannt.“

Wovon sprach er nur? Noch nie, hatte er etwas Derartiges gesagt, es klang fast so als ob …

„Willst du die Scheidung“, flüsterte sie entsetzt. Das würde sie innerlich zerstören. Nicht mehr bei ihm sein zu dürfen, erschien ihr unerträglich. Früher oder später würde sie an ihrer Sehnsucht nach ihm zugrundegehen. Da blieb sie lieber als ungeliebte Frau an seiner Seite, einen anderen Mann würde sie ohnehin niemals lieben können. Viele Frauen würden sicher den Kopf über sie schütteln und dann etwas von Würde und Selbstwertgefühl faseln, doch die konnten leicht reden, weil sie nicht in ihrer Haut steckten. Blinde Liebe mochte dumm sein und schädlich für die Seele, doch es gab sie nun einmal. Gutgemeinte Ratschläge änderten nichts daran.

„Wieso antwortest du mir nicht auf meine Frage? Willst du die Scheidung, Alex?“, wiederholte sie, weil sie diese Ungewissheit einfach nicht mehr aushielt. Offenbar bereute er seine merkwürdige Äußerung von eben bereits, denn er reagierte ungehalten.

„Rede keinen Unsinn, Giulia. Natürlich nicht. Ich ersticke zur Zeit nur in Arbeit und bin nicht mehr ich selbst. Vergiss dieses Gespräch einfach.“

Er belog sie, doch sie hätte sich lieber die Hand abgehackt, als ihn noch weiter um die Wahrheit anzubetteln. Enttäuscht über diese wiederholte Zurückweisung starrte sie auf ihre Fußspitzen. Es wäre besser gewesen, jetzt zu gehen, doch etwas hielt sie davon ab, sich einfach umzudrehen und ihn allein zu lassen. Wie angewurzelt blieb sie wo sie war und fragte sich, woher sie den Mut hernahm, sich höchstwahrscheinlich einer weiteren Kränkung auszusetzen.

„Wenn du mir nichts mehr zu sagen hast, dann werde jetzt duschen gehen.“

Wenigstens wirft er mich nicht aus dem Zimmer, dachte sie mit einem Anflug von Galgenhumor und sah, wie er im Bad verschwand. Ohne die Tür hinter sich zu schließen. Er ging wohl davon aus, dass sie ohne eine weitere Aufforderung gehen würde und achtete gar nicht mehr darauf, was sich hinter ihm abspielte. Mit einer Hand löste er den Knoten des Handtuchs. Es fiel zu Boden und sie konnte seinen makellosen Körper endlich in seiner ganzen Schönheit bewundern­ – wenn auch nur von hinten.

Ihr wurde die Kehle eng. Selbst ein begnadeter Künstler wie einst Michelangelo, hätte die Konturen eines Männerkörpers nicht vollendeter gestalten können. Nur dass Alessandro nicht aus Marmor bestand, sondern aus Fleisch und Blut. Mit angehaltenem Atem beobachtete sie, wie er die begehbare Dusche betrat und mit ausgestrecktem Arm das Wasser anstellte. Ein breitgefächerter Strahl prasselte auf ihn herunter und nun bekam sie ein Schauspiel zu sehen, das sie noch bis in ihre feuchten Träume verfolgen würde.

Mit beiden Händen fuhr er sich durchs Haar und strich sich die tropfnassen Strähnen aus seinem Gesicht. Sie keuchte leise, beim Anblick seiner glänzenden Haut. Wie gern hätte sie ihn berührt, die Hände auf die zuckenden Muskeln gelegt, die sprunghaft unter seiner Haut arbeiteten, während er sich das Haar shampoonierte.

Sie musste gehen. Auf der Stelle! Doch sie konnte nicht und schnappte hörbar nach Luft, als er sich in den Schritt griff und seinen Schwanz einseifte.

Er wusch ihn gründlich. Halb steif glitt er durch seine Finger und sie wurde so feucht im Schritt, dass sie wohl ein neues Höschen brauchen würde. Alex schien zu spüren, dass er beobachtete wurde und blickte auf, direkt in ihre Richtung. Seine Lider schlossen sich halb unter seinem brütenden Blick, die Erotik dieses Augenblicks konnte man nicht leugnen und als wären seine hellgrünen Augen Magnete von unwiderstehlicher Anziehungskraft, bewegte sie sich auf ihn zu. Sie konnte gar nicht anders und Alex protestierte nicht, sondern lächelte ihr provozierend lässig entgegen, während er noch immer seinen Schwanz in der Hand hielt. Giulias Körpertemperatur stieg an und spätestens als er anfing, seinen dicken Schaft zu streicheln anstatt ihn zu waschen, verlor sie jede Scheu und jedes Schamgefühl. Er onanierte direkt vor ihren Augen, in dem Bewusstsein, dass sie ihm dabei zusah!

Ihre Pussy zog sich spasmisch zusammen beim Anblick seiner großen Hand, die in gemächlichem Tempo über seinen harten Ständer glitt. Kleine Schaumbläschen zerplatzten auf seiner Haut, ein Großteil davon floss als helles Rinnsal seine Erektion entlang und tropfte auf den Fliesenboden. Es reizte sie ungemein, dieser flockigen Spur mit der Zunge zu folgen, bis hinunter zu seiner glänzenden Spitze. Ob er ahnte, was für Gedanken ihr durch den Kopf gingen?

Seine Männlichkeit schien jedenfalls unter ihren Blicken weiter anzuwachsen und als sie seine heisere Stimme hörte, fielen alle Schranken. „Komm zu mir Giulia, komm …“

Wohlig erschauernd folgte sie seiner verlockenden Bitte, blieb aber unschlüssig am Randbereich der Dusche stehen. Einzelne Wasserspritzer prallten von seiner Haut ab und besprenkelten ihr Kleid, einzelne Tropfen landeten auf ihren Armen und auf ihrem Dekolleté. Als sie immer noch keine Anstalten machte, sich zu ihm unter den Wasserstrahl zu stellen, wurde sie ohne Vorwarnung am Handgelenk gepackt. Alex zog sie zu sich und sie wurde innerhalb von Sekundenbruchteilen völlig durchnässt. Der Stoff ihres hübschen Sommerkleides saugte sich mit warmem Wasser voll und klebte unangenehm auf ihrer Haut. Blinzelnd sah sie zu ihm auf, dabei leckte sie sich die Feuchtigkeit von den Lippen.

„Ich weiß, was du willst und was du brauchst.“ Seine grünen Augen blickten träge auf sie herunter, sie trübten sich zunehmend, als würde die Lust sie mit einem feinen Schleier überziehen. Giulias Herz klopfte wie verrückt, er verhielt sich völlig anders als sonst und wieder kam ihr jene Nacht vor vielen Monaten in den Sinn, wo er sich ähnlich dominant gegeben hatte. Welche Geheimnisse verbarg er vor ihr? Sich die Feuchtigkeit von den Lippen leckend, suchte sie in diesen glühenden Augen ihren Ehemann und fand ihn nicht. Da stand nicht der Alex, den sie kannte, sondern ein Fremder, der sie bis ins Mark erregte.

„Geh auf die Knie, Giulia, zeig mir, wie geschickt du meinen Schwanz lutschen kannst.“

Noch nie, wirklich noch nie, hatte er so mit ihr geredet, geschweige denn das Wort Schwanz jemals in ihrer Gegenwart in den Mund genommen. Und nun sprach er es aus, in Kombination mit einem Befehl, der ihr die Schamesröte ins Gesicht trieb und sie gleichzeitig in höchste weibliche Verzückung versetzte. Doch noch zögerte sie.

„Alex bitte, ich weiß nicht ob ich das kann …“

„Du kannst und du wirst“, entgegnete er so unbarmherzig, dass ihr die Knie weich wurden. Dieser feine Hauch von Grausamkeit in seiner Stimme setzte sich erregend in ihrem Kopf fest und brachte sie dazu, ihre anerzogene Prüderie abzulegen. Ergeben sank sie vor ihm auf die Knie, öffnete den Mund und suchte nach der feuchtschimmernde Spitze seines Glieds. Dabei umfasste sie seinen pochenden und glühend heißen Schwanz, den sie dann langsam in ihren Mund einsaugte. Giulia stöhnte selig auf, als ihre Zungenspitze auf die unglaublich zarte Haut seiner Eichel traf. Was auch immer ihn heute dazu trieb, seine sexuelle Zurückhaltung ihr gegenüber aufzugeben, ließ sie hoffen, dass dieser Zustand noch lange anhalten würde, wenn sie es ihm nur gut genug besorgte. Kreisend umschmeichelte sie die feuchte Corona und wurde dabei immer mutiger.

„Ah ja … so ist es gut. Du machst das wunderbar.“ Alex fasste ihr ins feuchte Haar, zog sie näher zu sich und glitt dadurch noch ein Stückchen tiefer in sie hinein. Sein massives Glied beanspruchte eine Menge Platz und sie bekam kaum ausreichend Luft, also atmete sie so gut es ging durch die Nase.

Ein Abbruch zugunsten einer ausgeglichenen Sauerstoffversorgung wäre ihr niemals in den Sinn gekommen, zu sehr genoss sie es, ihn auf diese Weise kennenzulernen. In der Anfangszeit ihrer Ehe war er zwar leidenschaftlich gewesen, aber ihre sexuelle Unerfahrenheit hatte ihn immer sehr rücksichtsvoll agieren lassen. Den Schwanz hatte sie ihm nie gelutscht, ihn höchstens ein wenig mit den Lippen gestreift. Zu mehr hatte sie nie den Mut gefunden und Alex hatte nie mehr von ihr verlangt oder gewollt. Bis heute.

Sein dumpfes Stöhnen wurde eindringlicher, seine Stöße unkoordinierter und sie ließ sich dazu hinreißen, ihr saugen für einen Moment einzustellen und zu ihm aufzusehen. Oh lieber Gott, sie fiel fast Ohnmacht unter seinem heißblütigen Blick. Gab es eine bessere Motivation für eine unsichere Frau als die Gewissheit, den geliebten Mann zur Ekstase zu treiben?

„Hab ich dir erlaubt aufzuhören“, zischte er und packte eine Handvoll ihres nassen Haares, das an ihrem Hinterkopf klebte. „Mach weiter, du hörst erst auf, wenn ich es dir sage.“

Sein eisiger Blick schürte unglaubliche Hitze im Mittelpunkt ihres Körpers. Das war es, was sie wollte. Sich ihm unterordnen, seinen Wünschen gehorchen und so widmete sie sich wieder der Aufgabe ihn weiter zu befriedigen. Er knurrte vor Lust und dieser animalische Laut jagte einen Strom flüssiger Hitze direkt durch in ihre Pussy.

„Verflucht …Giulia.“ Seine Hüften schoben sich ruckartig vorwärts, sodass sie nun doch würgen musste. Er zog sich umgehend wieder zurück und achtete darauf, ihr nicht länger die Luftzufuhr abzuschnüren. Nun konnte sie es richtig genießen, von ihm zu seiner Befriedigung benutzt zu werden. Voller Freude stürzte sie sich in das Gefühl, ihm endlich dienen zu dürfen.

Aus dem dringenden Bedürfnis heraus, ihn zu berühren, strich sie an seinen muskulösen Schenkeln entlang und tastete sich dann zu den Innenseiten vor. Alex brummte zufrieden und spreizte die Beine damit sie an die üppigen Hodensäcke herankonnte, die seinen Schaft flankierten. Sein Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei, als sie ihn dort massierte und ihr Mund dabei unermüdlich an der samtigen Spitze saugte.

„Das machst du sehr gut.“ Während seines Lobes verzerrte sich ein Gesicht lustvoll, er genoss das hier tatsächlich und sie stand kurz davor vor Stolz zu platzen. Immer härter lutschte sie an seiner Eichel und leckte auch ab und an, die empfindsame Haut seiner Hoden. Die zogen sich krampfartig zusammen. Nicht mehr lange, und die explosive Lust, die zwischen ihnen hin und her tanzte, würde sich in einem gewaltigen Orgasmus entladen. Doch gerade als sie glaubte, er würde in ihrem Mund abspritzen, zog er sich aus ihr zurück.

Entsetzt über das abrupte Ende, stieß sie ein protestierendes Keuchen aus und streckte die Hände nach seinem hart aufgerichteten Glied aus, das nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt auf und ab wippte. „Alex bitte …“

„Steh auf.“ Dieser knappe Befehl verwirrte sie, doch sie gehorchte. Es blieb ihr auch nichts anderes übrig, denn seine Finger schlossen sich wie stählerne Klammern um ihre Schultern. Alex zog sie hoch und bevor sie überhaupt kapieren konnte, was hier vor sich ging, stürzte er sich gierig auf ihren Mund. Seine Lippen pressten sich leidenschaftlich auf ihre und während sie unter seinem feurigen Kuss vor Wonne zerfloss, drängte er sie rückwärts aus der Dusche. Zu ihrem Leidwesen zog er sich zurück und drehte sie um, sodass sie mit dem Rücken zu ihm stand. Seine Hand an ihrer Schultern, drückte sie nach unten. „Runter mit dir!“

Am flauschigen Badezimmerteppich zwang er auf alle Viere und platzierte sich dicht hinter ihr.

„Alessandro, was hast du vor?“

Statt ihr zu antworten, schob er mit einer ungeduldigen Bewegung ihr Kleid nach oben, sodass der tropfnasse Stoff über ihrem Steißbein liegen blieb.

„Halt still“, knurrte er kehlig und schob ihr den Slip über die Schenkel herunter, seine große Hand tastete grob über ihr pralles Gesäß und zwängte sich anschließend zwischen ihre Beine. Zwei Finger glitten über ihre glitschigen Schamlippen, streichelten sie und ertasteten relativ schnell ihren Eingang. Mit grimmiger Entschlossenheit zwängte er sich in ihren seidenen Kanal. Sie wand sich unter seiner zustoßenden Hand und kam dem Gipfel immer näher, während er sie mit zwei Fingern fickte. Mit durchgebogenem Rücken hielt sie still und genoss schweigend seine erotische Attacke, bis sein nächster Befehl sie mit erschütternder Klarheit erreichte. Er klang so abgeklärt und ruhig, als hätte er erneut seine Persönlichkeit gewechselt.

„Spreiz die Beine, Giulia. Tu was ich dir sage.“

Dunkel und machtvoll, hüllte er sie mit seiner Stimme ein und ihre Schenkel glitten wie von selbst auseinander. Sie lud ihn ein, sich ihres Körpers zu bedienen und schrie ekstatisch auf, als er sich mit einem brutalen Stoß in ihr versenkte. Instinktiv passte sich Giulia der Situation und seiner Größe an, als wäre sie nur für Alessandro und seine Bedürfnisse gemacht.

„So will ich dich haben, Giulia, genau so …“, keuchte er und fickte sie dabei so nachdrücklich, dass sie auf der weichen Unterlage Stück für Stück nach vorne geschoben wurde. Ihre Knie scheuerten auf dem Material des Teppichs, es war ihr gleich, sie spürte sowieso nichts außer seinem Schwanz, der sich gnadenlos tief in sie hineinbohrte.

„Deine Möse gehört mir, Giulia, nur mir …“, flüsterte er heiser und nahm sie noch härter. Wuchtige Stöße, unglaublich tief, während seine Finger ihre zarten Schultern umklammerten. Ihr Schoß glühte, brannte lichterloh vor lauter Glück.

„So eng …“, keuchte er und beschleunigte den barbarischen Rhythmus seiner Stöße.

Seine plötzliche Hemmungslosigkeit erregte sie wahnsinnig, und als er ein letztes Mal in sie eindrang, umklammerte sie seinen zuckenden Schwanz als wäre es der letzte Halt, der sie vor dem Untergang bewahren konnte. Schreiend vor Ekstase warf sie den Kopf in den Nacken, während sein Erguss ihr Inneres flutete und ihren eigenen Orgasmus auslöste. Danach stützte sie sich keuchend auf die Unterarme und schaffte es kaum noch, sich auf allen Vieren zu halten, so sehr zitterten ihr die Glieder vor lauter Wonne.

Dieser Zustand absoluten Glücks hielt nicht lange an. Nach der Hitze, kommt immer die Kälte, dachte sie, als er sich abrupt aus ihrem Körper zurückzog. Einige Strähnen ihres nassen Haares klebten ihr auf den Wangen und am Hals und kitzelten ihre Haut, als sie sich langsam aufsetzte und sich halb zu ihm umdrehte. Nun wich auch der letzte Rest an Wärme aus ihrem Körper. Sein Blick oder vielmehr die tiefe Reue, die seine Züge preisgaben, zerstörte jedes Hochgefühl. Er wurde wieder zu ihrem Ehemann: kalt, unnahbar und desinteressiert.

„Verzeih mir, Giulia.“

Sie sollte ihm verzeihen? Wovon zum Teufel sprach er? Er war doch dabei gewesen, hatte selbst gesehen, gespürt und gehört, wie sehr sie den Sex genossen hatte und nun bat er sie um Verzeihung? Sie verstand die Welt nicht mehr, rappelt sich auf und sah mit versteinerter Miene dabei zu, wie er sich rasch ein trockenes Handtuch um die Lenden schlang.

„Was genau tut dir leid?“

Giulia war sich nicht sicher, was sie nach diesen leidenschaftlichen Minuten mehr schmerzte. Seine erneute Zurückweisung oder der Ausdruck tiefster Selbstverachtung, der sich auf seinem Gesicht abzeichnete. Dieser Anblick erschütterte sie bis in die Tiefen ihrer Seele, weil sie den Eindruck gewann, dass er sich für seine Zügellosigkeit schämte.

„Ich hätte dich nicht so nehmen dürfen“, erklärte er und verzog das Gesicht zu einer bedauernden Grimasse. „Du bist meine Ehefrau und ich habe dich wie eine Nutte auf allen Vieren gevögelt, als wärst du eine läufige Hündin. Du verdienst mehr Respekt und ich schwöre dir, so etwas wird nie wieder vorkommen. Ich weiß nicht, was mich da eben geritten hat, aber du wirst etwas Derartiges nie wieder ertragen müssen.“

Jetzt Giulia! Sag ihm, dass du es geliebt hast und noch viel mehr davon willst. Sag ihm auch, dass er dir eben den heißesten und süßesten Orgasmus deines Lebens verschafft hat.

Sie sehnte sich nach seiner dunklen Seite, nach seiner Härte und nach seiner Strenge. Vorhin hatte er sie all das spüren lassen und jetzt zog er alles in den Schmutz und tat so, als hätte er sie zu irgendwas gezwungen.

Sie schluckte ihre Enttäuschung herunter. „Du hast mich nicht beleidigt, ich fand es …“

„Nein!“ Gebieterisch unterbrach er ihren zarten Protest und schüttelte mit angewiderter Miene den Kopf. „Dass du mich verteidigst, macht es nur noch schlimmer. Ich weiß, was ich getan habe, schließlich war ich dabei und dass ich dich so brutal überfallen habe, werde ich mir nie verzeihen.“ Offenbar hatten sie sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, was man seiner Ehefrau zumuten konnte und was nicht. Wie sie diese starren Regel verabscheute. Sie lebten doch nicht mehr in einem früheren Jahrhundert, die Welt und auch die Beziehungen der Menschen untereinander hatten sich komplett gewandelt, nur Alex hielt noch an den konventionellen Ansichten fest. Eine Ehefrau stand auf einer Stufe mit einer Heiligen, die nicht mit fleischlichen Begierden belästigt werden sollte.

„Nichts was eben passiert ist, geschah gegen meinen Willen und das weißt du auch“, erwiderte sie fest. „Es gibt keinen Grund für eine Entschuldigung, wenn überhaupt, dann nur für deine Meinung, ich könnte nicht Nein sagen, wenn mir etwas zuwider ist. Glaub mir, ich bin durchaus dazu in der Lage und hätte ich mich bedrängt gefühlt, hättest du das schon rechtzeitig mitbekommen.“

So ... nun konnte er nicht weiter das Monster spielen und sich damit die perfekte Ausrede liefern, um sich von ihr fernzuhalten. Doch sie hatte seine Halsstarrigkeit unterschätzt.

„Du bist zu gut für diese Welt und vor allem für mich“, stellte er seufzend fest und rieb sich mit einer müden Geste übers Gesicht. Endlich sah er sie wieder direkt an. „Du bist meine Frau, ich habe geschworen, dich zu ehren und dich zu respektieren. Ich hätte dich nicht für mein Vergnügen benutzen dürfen.“

Wieder die alte Leier. Würde das denn niemals ein Ende nehmen? Bevor sie ihn deswegen zur Rede stellen konnte, wandte er sich von ihr ab und lief zurück zur Dusche, um das Wasser abzudrehen. Danach stand er reglos wie eine Statue da, seine angespannte Schulterpartie und die geballten Fäuste verrieten, wie aufgewühlt er war. Giulia vermutete, dass er am liebsten die teuren Badfliesen zertrümmert hätte.

„Du solltest jetzt gehen.“

Sie resignierte endgültig. Jedes weitere Wort wäre an dieser Stelle zu viel gewesen, er würde ihr ja doch nicht zuhören und im schlimmsten Fall hielt er sie danach für eine perverse Schlampe, weil ihr der brutale Sex so sehr gefallen hatte. Mit seinem Verhalten verwandelte er diesen Rausch in den er sie getrieben hatte, in etwas unsagbar Schmutziges. Vielleicht musste sie sich endlich mit dem Gedanken anfreunden, dass Alex gar keinen Wert auf eine vor Leidenschaft bebende Ehefrau legte und sich die heißen Spielchen lieber für die Gespielinnen aufhob, die er mit Sicherheit irgendwo hatte. Sie sparte sich jedes weitere Wort und flüchtete geradezu aus dem Bad und aus seinem Schlafzimmer. Schluchzend hastete sie durch den langen Flur ihrer großzügigen Altbauwohnung mit den hohen Decken und schloss sich dann in ihrem Zimmer ein.

Rasselnd sog sie die Luft in ihre Lungen, als sie sich gegen die Tür lehnte und so sehr sie sich auch abmühte, die Tränen zu unterdrücken, sie quollen trotzdem heraus. Trotzig rieb sie sich wie ein kleines Kind die Augen mit den Fäusten trocken und ihr erbittertes Flüstern verschaffte ihr beinahe so etwas wie Erleichterung. „Verdammt sollst du sein Alessandro Bertani“, flüsterte sie heiser. „Ich wünschte, ich hätte dich niemals kennengelernt.“

Erschöpft glitt sie am harten Holz der Tür entlang. Sie sank zu Boden, die Augen starr auf einen unbestimmten Punkt im Raum gerichtet und fragte sich, wie es nun weitergehen sollte ...

Kapitel 2.

Alessandro parkte seine Limousine im hinteren Teil der Villa Desideria. Er zog den Wagenschlüssel ab und starrte eine Weile durch die Windschutzscheibe auf das Gebäude aus dem frühen 17. Jahrhundert. Der Anblick versetzte sogar einen rational denkenden Mann wie ihn in ein längst vergangenes Italien zurück. Es lag eine Aura tiefer Ruhe über diesem prunkvollen Gemäuer, und jedes Mal, wenn er hierherkam, dämpfte der Anblick dieses Hauses, die rasende Ungeduld, die durch seine Adern rauschte. Er lehnte den Kopf gegen die Nackenstütze und schloss für einen Moment die Augen. Schon in wenigen Stunden würde er wieder frei durchatmen können, ohne diesen inneren Druck, der ihn zu zerreißen drohte, wenn er - wieder mal - eine längst überfällige Session zu lange hinauszögert hatte.

Eigentlich hielt er es selbst für unverantwortlich, sich so lange zurückzuhalten, doch er ertrug es kaum noch, Giulia zu betrügen, nur um danach wieder nach Hause zu kommen als wäre nichts gewesen und in ihre hoffnungsvollen Augen zu schauen. Sie war so lieb, glaubte trotz ihrer Erfahrungen immer noch an das Gute im Menschen und daran, dass sie eines Tages doch noch eine glückliche Ehe führen konnten. Und er war zu feige, um ihr diese Illusion zu nehmen.

Also hielt er an dieser Ehe fest und verschwieg ihr die Wahrheit, weil er überzeugt davon war, dass die Realität für sie noch schmerzhafter und demütigender wäre, als die gegenwärtige Situation. Eine Zeit lang hatte er es ihr zuliebe sogar geschafft seine wahre Natur zu unterdrücken, doch schon bald erlag er wieder seinen inneren Dämonen, die ihn in die Villa lockten und der Kreislauf aus Lügen und Selbstverleugnung begann wieder von Neuem. Nur funktionierte diese Taktik nicht mehr so zuverlässig wie früher. Giulias verlockende Unschuld und ihre unerschütterliche Verehrung heizten ihm derart ein, dass er immer unberechenbarer wurde. So wie heute Morgen, als er sie in seinem Bad gevögelt und sie praktisch zu seiner Sklavin gemacht hatte, indem er ihr seinen Willen aufzwang. Giulias sanfter Charakter hinderte sie daran, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, selbst unmittelbar danach hatte sie ihn noch in Schutz genommen und so getan, als wäre nichts Außergewöhnliches vorgefallen. Es lag in seiner Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sie durch seine speziellen Vorlieben nicht zu Schaden kam und da er anscheinend nicht mehr in der Lage war, in ihrer Gegenwart klar zu denken, nahm er sich fest vor, die Villa Desideria zukünftig öfter aufzusuchen, damit sich eine Szene wie heute morgen unter gar keinen Umständen wiederholte.

Die Villa lag relativ abgelegen außerhalb von Rom, inmitten eines wunderschön angelegten Gartens. Dieser erinnerte an die weltberühmten Anlagen von Versailles oder Schönbrunn. Herrin Silvana, die Besitzerin des elitären Clubs, war nicht unbedingt für ihre Naturverbundenheit bekannt, aber sie legte großen Wert auf ein passendes Ambiente. Dafür investierte sie Unmengen und verwandelte diesen Ort in einen sinnlichen Garten Eden. In regelmäßigen Abständen veranstaltete Silvana erotische Treibjagden auf dem Gelände, an denen auch er immer wieder teilnahm. Sein Schwanz wurde hart, wenn er an die süßen Sklavinnen dachte, die sich zuerst kichernd und schlussendlich kreischend seinem Zugriff entzogen, um dann für dieses Vergehen eine lustvolle Bestrafung zu erhalten. Er fickte sie gern, wenn ihnen noch der Geruch erwartungsvoller Angst anhaftete. Das Gefühl der Macht, wenn er eine Sklavin zähmte, war mit nichts zu vergleichen. Leider hielt diese Befriedigung nur für eine kurze Zeit an und es dauerte meistens nicht lange, bis er sich wieder wie ein mieser Betrüger fühlte, weil er das wundervollste Wesen hinterging, das die Welt jemals hervorgebracht hatte: Giulia.

Er verweigerte sich jeden weiteren Gedanken an sie und stieg aus dem Wagen. Anschließend öffnete er den Kofferraum und holte seine Reisetasche heraus. Sein Blick kletterte über die breite geschwungene Steintreppe aufwärts zur großzügig ausgebauten Loggia. Bei den regelmäßig stattfindenden Partys wurde der überdachte Bereich mit einer fahrbaren Bar und einer gemütlichen Sitzgruppen ausgestattet. Alex bewegte sich zügig auf die Villa zu, trat unter die Loggia und sah wie sich die Vorhänge der offenen Terrassentüren leicht im Wind blähten. Mit dem nächsten Windhauch trat die Herrin des Hauses heraus und Alex verzog den Mund zu einem Lächeln.

Silvana Bernini. Mit ihren fünfunddreißig Jahren war sie genau fünf Jahre älter als er. Mit Anfang zwanzig war er unsterblich in diese komplizierte und beherrschende Frau verliebt gewesen, doch aufgrund ihrer gleichgearteten Neigungen wäre es ihnen niemals möglich gewesen, eine erfüllende Beziehung zu führen. Als Freunde funktionierten sie jedoch perfekt. Außerdem sorgte ihr Club dafür, dass er in angenehmer und geschützter Umgebung seinen Gelüsten nachgehen konnte, weitab von Roms neugierigen Spürnasen. „Silvana … du siehst wie immer atemberaubend aus.“

Das tat sie wirklich. Das Haar trug sie streng aus dem Gesicht genommen, was ihre edlen Züge mit der schmalen, etwas zu spitzen Nase betonte. Ihr schlanker Körper mit den herrlichen Brüsten steckte von Kopf bis Fuß in schwarzem Leder. Sie hätte gut und gerne als Catwoman durchgehen können, der Reißverschluss des Anzugs stand halb offen und zeigte ihre makellos helle Haut. Und bei jedem Schritt den sie machte, blitzte die eingearbeitete Öffnung im Anzug zwischen ihren Schenkeln auf und gestattete kurze Einblicke auf ihren rasierten Venushügel.

Sie merkte natürlich, dass er ihr auf die hübsche Möse starrte und grinste verstohlen. „Alessandro, wie schön dich zu sehen.“

Einladend breitete sie Arme aus und hielt ihm auffordernd die Wange hin. Alex drückte sie kurz an sich und streifte mit den Lippen über die zart duftende, feine Haut, ehe er sich wieder zurückzog. Den nackten Mann, der an einem Halsband geführt, neben ihr her kroch, ignorierte er geflissentlich, auch wen er genau wusste, welcher Kopf sich unter der ledernen Maske verbarg. Alex erkannte das Muttermal am Hals des Mannes und unterdrückte ein belustigtes Lächeln. Mario Puccini. Seit einigen Monaten durfte er sich als Silvanas Favorit unter ihren Lustsklaven bezeichnen, im realen Leben arbeitete er als Lehrer an einem Gymnasium. Was seine Schützlinge wohl denken würden, wenn sie wüssten, dass er in seiner Freizeit Silvanas Stiefel leckte, damit ihm einer abging?

Er fühlte Silvanas Blick auf sich. Eindringlich, neugierig, sehr direkt und doch lag auch ein sorgenvoller Schimmer in ihrer hellblauen Iris. Er ahnte, was sie so beunruhigte und konnte es sogar nachvollziehen. Ein Sadist, der sich wochenlang nicht auslebte, wurde zu einer tickenden Zeitbombe und der heutige Morgen war nichts anderes als ein Warnschuss, der ihn daran erinnern sollte, seine Bedürfnisse nicht zu lange zu unterdrücken. Auch darüber wusste Silvana Bescheid, ein Grund, warum sie seine Ehe mit Giulia so sehr missbilligte und ihn immer wieder dazu anhielt einen Schlussstrich zu ziehen. Nicht aus Eifersucht, aber sie machte seine Frau für seine innere Zerrissenheit verantwortlich und redete jedes Mal mit Engelszungen auf ihn ein, diese unglückselige Verbindung doch endlich zu beenden, bevor er sich selbst und auch Giulia ins Unglück stürzte. Doch er konnte sie nicht gehen lassen. Im Grunde seines Herzens war er ein Egoist und nicht bereit, Giulia aus seinem Leben zu lassen, obwohl es für sie sicher das Beste gewesen wäre.

„Du warst schon viel zu lange nicht mehr hier“, tadelte Silvana und trat einen Schritt zurück.

Wären sie allein gewesen, hätte er ihr über die Wange gestrichen, um ihr für ihre Sorge zu danken, doch in Anwesenheit eines Sklaven leistete er sich keine Vertraulichkeiten.

„Ich hatte viel zu tun. Du weißt doch: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“

Das leichte Anheben ihrer Braue verriet ihre Skepsis, doch sie kommentierte seine Aussage nicht weiter, sondern wies lächelnd ins Hausinnere. „Dann lass uns hinein gehen und ein wenig plaudern. Das Dienstmädchen macht gerade dein Zimmer fertig. Bis du es beziehen kannst, werden wir uns die Wartezeit mit Tee und Gebäck vertreiben.“

Er lächelte leicht und ließ ihr den Vortritt. „Nach dir, meine dunkle Königin“, antwortete er galant.

Wäre es nicht völlig gegen seine Natur gewesen, hätte er sich eventuell sogar zu einer Verbeugung herabgelassen, doch der Dominus in ihm war einfach zu stark. Alessandro Bertani verbeugte sich nicht, das widersprach all seinen Grundsätzen.

Gemeinsam traten sie von der überdachten Loggia das Zimmer. Silvana ging voraus und er betrachtete versonnen ihre beeindruckende Erscheinung. Sie besaß im Gegensatz zu Giulias lieblichen Zügen eine eher herbe Schönheit, die einen Mann aber dennoch fesseln konnte. Diese Mischung aus Strenge und Unnachgiebigkeit wirkte auf devot veranlagte Menschen nahezu unwiderstehlich. Optisch verkörperte sie voll und ganz die strenge Herrin. Pechschwarzes Haar und eisblaue Augen, die aus ihrem blass geschminkten Gesicht herausstachen. Die schwungvoll gezeichneten Augenbrauen bildeten dazu den passenden Rahmen und verliehen ihr eine hoheitsvolle Ausstrahlung. Mozarts Königin der Nacht in der Gestalt einer erhabenen Domina.

Sie war Herrin aus Leidenschaft und Überzeugung, selbst er erstarrte in manchen Momenten vor Ehrfurcht, wenn sie ihn mit ihren hellen Augen fixierte, als wollte sie ihm die Seele aus dem Leib saugen. Von ihren Sklaven wurde sie hinter vorgehaltener Hand auch die Unerbittliche genannt, keiner ahnte, dass diese Frau durchaus ein Herz besaß, dass sie ebenfalls Wünsche und Träume hegte und Tränen vergoss, wie jeder andere Mensch auch. Silvana ließ nur wenige hinter ihre Fassade blicken. Sie blieb lieber geheimnisvoll, schwer durchschaubar.

„Setz dich doch, Alex.“

Sie deutete auf das barocke Sofa. Er setzte sich auf das hochwertige und gut ausgepolsterte Fauteuil und lehnte den Kopf gegen den vergoldeten Rahmen aus massivem Buchenholz. Auf dem Tisch vor ihnen stand das filigrane Teegeschirr aus Silber. Der Duft von frisch aufgebrühtem schwarzen Tee und Mandelgebäck stieg ihm in die Nase. Silvana lebte wahrhaftig wie eine Königin und umgab sich mit jedem Luxus, den man sich für Geld kaufen konnte. Sich schöne Dinge zu leisten, war ihre Art sich über den Kummer einer verlorenen Liebe hinwegzutrösten, auch wenn er nicht glaubte, dass silbernes Geschirr und schöne Kleider so einen Verlust kompensieren konnten.

Schweigsam beobachtete er, wie sie den Tee einschenkte, um sich dann mit der Tasse in der Hand gegen die hohe geschwungene Stütze des Sofas zu lehnen. Ihr Sklave kauerte auf allen Vieren zu ihren Füßen. Wie ein Hündchen, das darauf wartete, hinter den Ohren gekrault zu werden.

Silvana trank einen Schluck von der dampfenden Flüssigkeit in ihrer Porzellantasse, ehe sie mit der Spitze ihrer Gerte nachlässig Puccinis Schulter antippte.

„Auf die Knie mit dir!“, befahl sie scharf.

Selbst Alex, an ihren gebieterischen Tonfall gewöhnt, zuckte kurz zusammen. Der Sklave richtete sich umgehend auf, die dunklen Augen abbetend auf das Gesicht seiner Herrin gerichtet. Silvana lächelte, doch es war nicht das freundschaftliche Grinsen, das sie Alex immer zuteilwerden ließ, wenn sie unter sich waren. Etwas Lauerndes und sadistisches blitzte in ihrem Gesicht auf und Alex spürte sofort, wie auch er von diesem Fieber gepackt wurde, das nur durch eine ausgiebige Session gelindert werden konnte.

„Komm näher und dann mach brav Männchen für deine Herrin“, lockte Silvana den sklavisch Untergebenen. Sie schnurrte beinahe, es klang lasziv und der Schwanz des nackten Sklaven richtete sich langsam auf, während er bereitwillig näherrutschte. „Näher …“, hauchte sie und wieder robbte der Sklave ein kleines Stück auf seine Herrin zu.

Alex beobachtete die Szene mit gleichgültiger Miene, doch sein Dessinteresse war nur gespielt. Seine Sinne erwachten zum Leben und seine Fantasie sprudelte geradezu über, die Gesichter von Silvana und ihrem Sklaven verschwammen vor seinen Augen und er sah stattdessen sich selbst mit seiner Frau. Er stellte sich vor, wie Giulia demütig vor ihm kniete, wie sie anbetend zu ihm aussah. Seinen unschuldigen Engel zu unterwerfen, käme dem Gipfel der Glückseligkeit gleich und doch würde es immer nur ein wunderschöner erotischer Traum bleiben. Giulia liebte Sex, doch solche Spiele durfte er ihr nicht zumuten.

Silvanas Blick traf seinen, sie schüttelte kaum merklich den Kopf, als wollte sie ihm sagen: Vergeude deine Zeit nicht mit Träumen, alter Freund. Danach wandte sie sich wieder ihrem Sklaven zu und fuhr mit der Gerte zwischen seine leicht gespreizten Schenkeln. Sie berührte die Unterseite seiner Hoden und versetzte ihm gleich darauf einen kurzen, aber nichtsdestotrotz schmerzhaften Schlag.

„Bist du taub, Sklave? Bist du der Meinung, du bist so nah, wie ich dich haben will?“

Eine müßige Frage, da sie ja keine genauen Angaben gemacht hatte, dennoch schüttelte Puccini artig den Kopf und kroch so dicht wie möglich an sie heran.

„Bitte, geht doch“, meinte sie selbstgefällig und zog an einer der Brustklemmen des Sklaven. Ein dumpfes Stöhnen erklang unter der Maske, sie zog erneut und wie ein Echo entfuhr ihm ein weiterer Laut, diesmal eindeutig lüstern. Der Schwanz des Sklaven zuckte, aus der Spitze quoll ein glasklarer Tropfen und landete auf dem Teppich.

„Wie kommst du dazu, meinen wertvollen Teppich zu versauen“, flüsterte sie leidenschaftslos. Doch die fehlende Lautstärke täuschte nicht darüber hinweg, dass dieses Vergehen nicht ungesühnt bleiben würde. Hochmütig hob sie den Kopf und starrte auf ihren Untergebenen herunter. Dann streckte sie die Hand aus und löste die Leine von seinem Halsband. Erneut nahm sie die Gerte zur Hand und schob den flachen Schlag an deren Ende unter sein latexverhülltes Kinn. Sie hob damit Puccinis Gesicht an und Alex entdeckte nichts als pure Anbetung in den dunklen Augen des anderen Mannes und noch eine Prise Angst, da er nicht wusste, welche Strafe er von seiner erzürnten Herrin zu erwarten hatte. Und doch würde er alles tun, was Silvana von ihm verlangte. Mario Puccini war Silvana hörig, ein Umstand der ihr, wie Alex von ihr selbst erfahren hatte, langsam Sorgen bereitete, denn Puccini wäre sogar dazu bereit, sich vor aller Welt zu outen, nur um ihr seine Ergebenheit zu beweisen. Seine Karriere als Lehrer wäre danach vermutlich beendet und doch hätte er sich ohne zu zögern der Öffentlichkeit als Sklave präsentiert, um Silvana zu ehren.

Manchmal fand Alex es erschreckend, wie schnell manche Spielpartner die Grenze zwischen Demut und Hörigkeit überschritten und danach Spiel und Alltag nicht mehr auseinanderhalten konnten. Es brauchte Erfahrung und eine Menge Verantwortung, um mit einer derart ausgeprägten Hingabe umzugehen, doch manchmal nutzte alle Vorsicht nichts. Vor einigen Jahren war er selbst in diese Falle getappt, als eine Frau seinetwegen so tief in die Spirale der Abhängigkeit geriet, dass er sich gezwungen sah, die Notbremse zu ziehen. Mit katastrophalen Folgen. Er verlor dadurch nicht nur eine ausgesprochen angenehme Spielpartnerin, sondern auch seinen besten Freund.

„Geh in den Keller und begib dich umgehend ins Verlies.“

Silvanas harter Befehl riss Alessandro aus seiner Versunkenheit. Er ärgerte sich über seine Unfähigkeit die Vergangenheit hinter sich zu lassen und betrachtete nun als unbeteiligter Dritter die Szene zwischen Silvana und ihrem Sklaven. Sofort fühlte er ein angenehmes Prickeln in seiner Leistengegend, als sie sich zu Puccini herunterbeugte.

„Wenn ich später zu dir stoße, will ich dich auf allen Vieren auf dem Boden sehen, mit nach oben gerecktem Arsch. Und wehe, du verlierst auch nur einen weiteren Lusttropfen auf dem Weg nach unten und versaust mir damit auch die restlichen Böden meiner Villa. Dann wird deine Bestrafung noch ein wenig umfangreicher ausfallen, als vorgesehen. Hast du mich verstanden?“

Der Sklave nickte eifrig. Ein zufriedenes Lächeln glitt über Silvanas Gesicht. Alex erfahrener Masterblick registrierte sofort ihre erhöhte Atemfrequenz und das gierige Glitzern in ihren Augen. Er hätte jede Wette gehalten, dass sich ihre Möse gerade klatschnass gegen das Leder ihres Anzugs schmiegte.

„Du kannst jetzt gehen, Sklave.“

Ihr huldvoller Befehl veranlasste Puccini, auf allen vieren Richtung Tür zu kriechen. Augenblicke später, verließ er den Salon und sie waren allein. Als hätte diese Szene mit Puccini gar nicht stattgefunden, schaltete sie sofort um und verwandelte sich von der Domina zurück in seine gute Freundin. Aufmerksam betrachtete sie sein Gesicht. „Wie geht es dir wirklich, Alessandro?“

„Wie soll es mir schon gehen? Gut natürlich …“

Er nahm sich ein Stück Gebäck, steckte es in den Mund und lehnte sich kauend zurück. Silvana ließ sich mit so einer Antwort nicht abspeisen.

„Und das soll ich dir glauben? Du warst schon seit Wochen nicht mehr hier, Alex. Die Anspannung steht dir ins Gesicht geschrieben.“

„Wieso fragst du dann, wenn du mich so gut analysieren kannst? Ich scheine ein offenes Buch für dich zu sein“, fragte er spöttisch.

„Spar dir den Zynismus, ich mache mir nur Sorgen um dich und frage, weil du mein Freund bist. Ich kenne dich und ich sehe, wie du leidest.“

Er tat gleichgültig. „Tun wir das nicht alle früher oder später?“

Ihre strenge Mimik zeigte eine Spur Empörung, weil er ihre Sorge ins Lächerliche zog. „Dir ist schon klar, dass es mit den Jahren schlimmer werden wird? Du musst diese Farce von einer Ehe beenden oder aber ...“

„Aber was“, fiel er ihr ins Wort, doch sie ließ sich nicht beirren.

„...oder du erzählst ihr endlich die Wahrheit über dich“, beendete sie den angefangenen Satz.

„Ist dir klar, was du da von mir verlangst?“

„Ich behaupte nicht die Lösung für deine Probleme zu haben, aber du musst endlich handeln. Diese Geheimniskrämerei wird dich am Ende auffressen, du bist doch schon jetzt, kaum noch du selbst.“

Noch immer versuchte er die Sache zu verharmlosen. „Warum sorgst du dich so? Weil ich eine Weile nicht mehr hier war? Du solltest das nicht dramatisieren. Zwei Monate sind eine überschaubare Zeitspanne.“

„Nicht, wenn man so wie du, durch und durch dominant veranlagt ist, und seine Neigung nicht auslebt.“

Ihr vorwurfsvoller Tonfall ging ihm gegen den Strich. „Willst du mich etwa tadeln Silvana?“

„Und wenn es so wäre?“

Er rutschte von jetzt auf sofort in die Rolle des Dominus, es geschah ganz automatisch, denn der Drang, Silvana für diese Unverschämtheit zur Verantwortung zu ziehen, wurde unwiderstehlich. Wie konnte sie es wagen, ihn wie einen kleinen Jungen zu maßregeln!

Er wollte sie für diese Impertinenz bestrafen, sie über seinen Schoß werfen und ihr den nackten Arsch versohlen, bis die helle Haut glühend heiß unter seiner Handfläche brannte. Alex ballte seine Hände zu Fäusten, um das Zucken seiner Finger unter Kontrolle zu bringen. Erst ihre strenge Stimme holte ihn aus diesem Kreislauf.

„Bei allen Göttern, komm wieder zu dir, und hör auf, dir vorzustellen, wie du mich übers Knie wirfst oder mich auspeitscht. Bevor ich jemandem erlaube, mich zu züchtigen, friert die Hölle zu. Also denk nicht mal daran, egal wie wütend ich dich mache.“

Schlagartig entspannte sich die Situation. Er atmete tief durch und brachte die dominante Seite seiner Persönlichkeit wieder unter Kontrolle.

„Dabei finde ich die Vorstellung dich zu züchtigen überaus anregend“, erwiderte er grinsend. Obwohl er die Schelte scheinbar locker hinnahm, durchlief ihn eine Welle der Besorgnis. Es fiel ihm immer schwerer, seine Dominanz nicht auch außerhalb einer Session auszuleben und je niedriger seine Hemmschwelle wurde, um so stärker gefährdete er auch seine Frau. Wenn er nicht achtgab, würde er sie vielleicht doch in die Rolle der Sklavin drängen und es noch nicht einmal merken. Was, wenn der harte Fick in seinem Bad nur der Anfang einer Kettenreaktion war und er Giulia mit seinen Forderungen irgendwann überrollte?

Eine solche Entwicklung durfte er nicht zulassen. Seine Art zu lieben funktionierte nur, wenn beide Partner auf ihre Kosten kamen. Frei und ungehemmt, wollüstig und der eigenen Geilheit ausgeliefert. Das war nicht Giulias Welt. Er kannte sie jedoch gut genug, um zu ahnen, dass sie sich kopfüber in dieses Meer dunkler Lust stürzen würde, sobald sie von seinen Vorlieben erfuhr. Sie würde sich ihm aus Liebe zum Geschenk machen und genau das, würde sie auf Dauer zerstören.

Für einen Moment schloss er die Augen und beschwor in Gedanken ihr hübsches Gesicht herauf. Sie war so süß und gleichzeitig so unbedarft in sexuellen Dingen. Sie ahnte nichts von den Abgründen, in die er sie liebend gern getrieben hätte und wäre vor Scham rot angelaufen, wenn sie von seinen Fantasien wüsste in denen sie die Hauptrolle einnahm. Wie oft wichste er seinen Schwanz, während er sich vorstellte, sie auszupeitschen, bis sie sich vor lauter Ekstase unter seinen Schlägen krümmte oder wie er ihr mit der bloßen Hand den Arsch versohlte, um ihn danach anal einzureiten.

Wäre der Schmerz, den sie durch deine Peitsche erführe, nicht wesentlich barmherziger, als der, den sie täglich durch deine Zurückweisung erleidet?

Diese Frage hatte er sich schon des Öfteren gestellt und manchmal stand er kurz davor, ihr die Wahrheit über sich zu erzählen. Vielleicht wäre sie gar nicht so entsetzt. Sie besaß eine unterwürfige Ader, aber reichte die aus, um auch eine Züchtigung zu ertragen? Er sah sie förmlich vor sich, wie sie als menschliches X mit ausgebreiteten Armen und Beinen in der Mitte eines Kerkers stand, die zarten Gelenke straff an massive Ketten gefesselt, ihm voll und ganz ausgeliefert …

Ein Klatschen in der Nähe seines Ohres ließ ihn zusammenfahren. „Träumst du mit offenen Augen, Caro?“

Langsam entwich sein Atem, er zählte innerlich bis drei und lächelte gequält.

„Ich träume nie Silvana“, log er. „Das habe ich mir schon vor langer Zeit abgewöhnt.“

Sie hegte berechtigte Zweifel, nickte aber und beließ es dabei. „Lass uns dieses leidige Thema für heute beenden und zum vergnüglichen Teil deines Besuches kommen. Willst du ein bestimmtes Mädchen für deine Session? Wir hätten eine Neue hier. Sara Maldini. Sie ist etwas Besonderes. Das hübsche Ding gibt während ihrer Sessions keinen Laut von sich. Nicht während der Züchtigung und auch nicht beim Orgasmus und alle Dominanten in meinem Club sind ganz wild darauf, das kleine Täubchen zum Stöhnen zu bringen. Wenn du willst, kannst du dein Glück versuchen, die anderen sind alle gescheitert. Allerdings solltest du dich schnell festlegen, denn Andrea Cassano hat schon seine Fühler nach ihr ausgestreckt.“

Alex verzog überrascht den Mund. „Der Conte ist hier? Ich dachte, er ist sich zu fein für den Club und gibt sich lieber mit den Mitgliedern des Schwarzen Zirkels ab.“

„So wie es aussieht, scheint die Villa in der Szene an Reputation gewonnen zu haben, denn er hat sich tatsächlich hier angemeldet.“

„Wegen diesem Mädchen?“

Silvana machte einen Schmollmund. „Ich bilde mir ein, es ist meine Gesellschaft, die ihn hierhergelockt hat, aber vermutlich hast du recht und die süße Sara ist der wahre Grund für seinen Abstecher zum gewöhnlichen Volk. Conte Cassano hat Interesse an Sara bekundet, doch sie überlässt mir die Entscheidung, wer sie beglücken darf.“

„Ungewöhnlich, dass sie dir ein solches Vertrauen schenkt. Ist sie nicht in der Lage, selbst zu bestimmen, wem sie sich hingibt?“

„Sie ist kein unberührtes Pflänzchen, falls du das annimmst, allerdings ist ihre Vorgeschichte nicht ganz unkompliziert und deswegen tue ich ihr den Gefallen und übernehme die Wahl ihres Maestros, bis sie sich selbst wieder dazu imstande fühlt. Saras Problem ist, dass es ihr im Grunde egal ist, wer die Peitsche schwingt, deswegen will sie auch, dass ich in ihrem Sinne entscheide. Das Mädchen hat eine harte Zeit hinter sich und ist emotional völlig abgestumpft. Nur während einer Session fühlt sie noch etwas.“

„Und du denkst, ich wäre der richtige Spielpartner für sie? In meinem Zustand?“

„Ha! Du gibst also zu, dass du aus der Spur geraten bist.“

Alex grinste sparsam. „Nichts gebe ich zu, aber ich war zwei Monate nicht hier und bin ein wenig ... ausgehungert. Ich könnte tatsächlich zu weit gehen und wenn dieses Mädchen wirklich so abgestumpft ist, überschreite ich vielleicht ihre Grenzen ohne es mitzukriegen. Ich will meine Zeit hier genießen, Silvana und nicht ständig auf der Hut sein, ob ich meine Spielpartnerin überfordere.“

Das schien auch Silvana einzuleuchten. „Also gut, dann vielleicht doch den Conte für die hübsche Sara. Falls er tatsächlich auftaucht. Um ehrlich zu sein, glaube ich das erst, wenn ich ihn leibhaftig hier habe.“

Alex nippte nachdenklich an seinem bereits abgekühlten Tee. Auch ihn verwunderte die plötzliche Bereitschaft des Conte sich unters gewöhnliche Volk zu mischen. Graf Andrea Michele Cassano galt als Enfant terrible der italienischen SM-Szene und war ein hochrangiges Mitglied des Schwarzen Zirkels, einem äußerst elitären Club, der vor über hundert Jahren ganz in der Nähe der Vatikanstadt seine Pforten geöffnet hatte. Dort wurden nur Personen mit adeligem Hintergrund aufgenommen, Italiens überzüchtete Elite, die nicht unbedingt den besten Ruf genoss. Auch Cassano, der von allen nur als der Conte bezeichnet wurde, galt als unbarmherzig und arrogant bis an die Grenzen des Erträglichen.

Nun, vielleicht konnte Cassano diese Sara aus ihrer stummen Welt heraus ins Leben zurückholen, er befand sich jedenfalls nicht in der Stimmung, sich mit einer gebrochenen Seele herumzuplagen. Er hatte genug mit seiner eigenen zu tun.

„Cassano kann dieses stumme Vögelchen gerne haben“, erwiderte er gleichgültig. „Ich denke, für mich wäre im Augenblick Lavinia die passendere Wahl und ich weiß, dass sie für heute einen Besuch eingeplant hat, weil ihr Mann für einige Tage zu seiner Mutter nach Neapel gereist ist.“

„Du bist ja bestens informiert“, lästerte Silvana. „Dann ist deine Entscheidung also gefallen. Ich bin sicher, du wirst dann alles weitere mit ihr direkt klären, sobald sie angekommen ist.“

Alex grinste über den missbilligenden Tonfall seiner Freundin. Sie mochte Lavinia nicht, eigentlich mochte sie keiner so wirklich, weil Lavinia über keinen besonders herzlichen Charakter verfügte, doch als Spielpartnerin war sie beinahe unschlagbar. Ihre Schmerzgrenze war enorm hoch, es ging ihr niemals weit genug und er konnte sich mit ihr voll und ganz ausleben.

„Das werde ich, und ich verspreche dir, ich werde es nicht zu wild treiben.“

Was eigentlich ein Scherz sein sollte, nahm sie überraschend ernst. Ein dünnes Lächeln zog sich über Silvanas schönes Gesicht. „Das rate ich dir auch. Du bist mein Freund, Alex, aber die Sicherheit meiner Mitglieder ist mir heilig. Lavinia ist eine sehr erfahrene Sub und hält eine Menge aus, aber wenn ich mitbekomme, dass du doch die Kontrolle verlierst, werde ich dir den Zutritt zur Villa in Zukunft verweigern.“

Sie meinte das ernst. Silvana sprach niemals leere Drohungen aus.

„Du bist eine harte Frau“, erwiderte er rau, bewunderte aber gleichzeitig ihre rigorose Haltung. So sollte es sein. Eine Sklavin war kein Besitz, ihre Unterwerfung ein kostbares Geschenk, mit dem man sorgsam umzugehen hatte. Normalerweise hatte er keine Probleme diesen Kodex zu befolgen, doch in seinem momentanen Zustand, konnte er das nicht zu 100 % garantieren. Nicht durchgängig.

„Ich will dich nicht unter Druck setzen, Alex, ich glaube, das machst du schon selbst, aber ich trage die Verantwortung für die Mitglieder und du solltest deiner auch gerecht werden.“

„Du weißt, ich würde niemals absichtlich zu weit gehen.“

Sie seufzte. „Das glaube ich dir sogar, aber manchmal hat man sich nicht unter Kontrolle und du bist durch diese unmögliche Situation mit Giulia extrem gefährdet.“ Sie neigte sich ihm entgegen. „Sei vernünftig, trenn dich von deiner Frau, bevor es für euch beide zu spät ist.“

Er wich ihrem Blick aus. „Ich weiß, was ich tue, ich brauche deine Ratschläge nicht.“

„Ich gebe sie dir trotzdem“, fuhr sie unbeirrt fort. „Und du würdest über sie hinwegkommen, auch wenn du dir das im Moment nicht vorstellen kannst. Es wird dauern, keine Frage, aber eines Tages wirst du an sie denken können, ohne diesen Schmerz zu empfinden, der dich innerlich zerreißt.“

„Was weißt du schon“, murrte er und wandte sich von ihr ab. Ihre Hand an seinem Arm brachte ihn dazu, sich ihr wieder zuzuwenden.

„Alex, du vergisst, dass ich das auch hinter mir habe. Ich weiß genau, wie du dich fühlst, aber was willst du tun? Ewig so weitermachen? Du bist kein Vanilla, du wirst ihr niemals geben können, was sie braucht und umgekehrt gilt das Gleiche.“

Er spannte jeden Muskel in seinem Körper an, als er seiner alten Freundin ins Gesicht blickte. „Du besitzt ein Herz aus Eis, Silvana, du kannst gar nicht verstehen, was in mir vorgeht. Ich kann sie nicht aufgeben. Giulia gehört mir. Niemals lasse ich es zu, dass sie mit einem anderen …“

Alessandro brach ab, entsetzt darüber, dass er Silvana einen so intimen Einblick in seine Gedankenwelt gewährte und sogar so weit ging, sie zu beleidigen, indem er ihr jedes Mitgefühl absprach. Sein Kopf fiel nach hinten, er schloss die Augen. „Verdammt, das hätte ich nicht sagen dürfen. Es tut mir leid.“

„Spar dir das, ich nehme es dir nicht übel. Verbitterung macht eben ungerecht. Versuch stattdessen das Richtige zu tun. Du liebst Giulia und du willst sie bei dir haben, doch manchmal muss man Opfer bringen.“

Diese Ansicht teilte er nicht. Opfer bringen? Niemals. Selbst wenn er dafür in der Hölle landete, er würde Giulia niemals freiwillig aufgeben, auch wenn ihm klar war, dass es für alle Beteiligten die beste Lösung gewesen wäre.

Er stand abrupt auf, das Gespräch war für ihn beendet. „Ich werde jetzt mein Zimmer beziehen. Sag mir Bescheid, wenn Lavinia angekommen ist.“

Seine Freundin wusste, wann sie geschlagen war. „Na gut, mit Vernunft ist dir nicht beizukommen. Aber sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“

Alex hauchte ihr einen leichten Kuss auf die Wange. „Das werde ich nicht, ich weiß genau, was ich tue.“

Sobald er den Raum verlassen hatte, wartete Silvana eine Weile ab, bis sie sicher sein konnte, dass Alex sich weit genug entfernt hatte. Erst dann ging ans Telefon. Sie tippte eine lange Reihe an Zahlen aus dem Gedächtnis ein und wartete. Was sie plante, konnte man wohl getrost als moralisch verwerflich einstufen, doch da Alessandro so uneinsichtig blieb, musste sie eben ein wenig nachhelfen, um seine Qualen zu beenden. Allerdings ging sie mit ihrem Vorhaben ein großes Risiko ein, denn wenn er jemals herausfand, was sie getan hatte, würde er ihr die Freundschaft kündigen. Silvana war jedoch bereit alles zu wagen, damit er endlich Frieden fand, trotzdem fühlte sie sich nicht sehr wohl in ihrer Haut, als sich nach dem vierten Klingeln eine wohlbekannte Männerstimme meldete.

Sie begrüßte den Mann, der Alessandro mehr hasste, als irgend sonst jemanden auf der Welt und kam ohne Umschweife zur Sache. „Fabrizio, mein Lieber, was hältst du von der Möglichkeit, dich endlich an Alessandro Bertani rächen zu können …“

Kapitel 3.

„So lässt es sich aushalten.“

Francesca lehnte sich zufrieden auf ihrem Stuhl zurück und lächelte Giulia heiter an. „Die Sonne scheint, ich muss nicht arbeiten und wir haben endlich wieder mal Zeit zum Tratschen. Das Leben ist schön.“

Giulia und ihre beste Freundin Francesca Benedetti saßen im Außenbereich einer kleinen Trattoria, ganz in der Nähe des Palazzo Montecitorio. Etwa dreihundert Meter entfernt, plätscherte der Trevi-Brunnen und das nordöstlich gelegene Pantheon hätte man von hier aus locker zu Fuß zu erreichen können.

Francesca hob ihre Arme über den Kopf und streckte sich, als wäre sie gerade eben erst aus tiefem Schlaf erwacht. Ihr üppiger Busen geriet dabei in Bewegung. Wogend hüpfte er unter dem tiefdekolletierten Kleid auf und ab, was bei so manchem Mann, der gerade an ihnen vorbeilief, durchaus auf Interesse stieß. Egal wo sie sich befand, Francesca erregte immer Aufmerksamkeit und genoss das auch in vollen Zügen.

„Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal so frei gefühlt habe ist“, schwärmte sie in diesem Augenblick und fühlte sich sichtlich wohl in ihrer Haut. „Seit ich die meiste Zeit Taxifahrerin für meine kleinen Monster spiele, komme ich neben all der Hausarbeit und der Buchhaltung fürs Bellini kaum noch dazu, etwas für mich selbst zu tun. Wir sollten uns für ein paar Tage absetzen, damit unsere Männer wieder begreifen, wie unersetzlich wir sind.“

Giulia glaubte schon, sie wäre mit ihrer Tirade am Ende, doch Francesca schimpfte wie ein Rohrspatz weiter.

„Ernsthaft, manchmal glaube ich, Gianni sieht mich nur noch als eine Art Muttertier an, aber in ein paar Wochen sind die Kinder über die Ferien bei unseren Eltern und dann werde ich meinem lieben Mann mal zeigen, welches Feuer noch in diesem Körper steckt.“ Sie zog einen entzückenden Schmollmund. „Ich bin schließlich noch immer eine begehrenswerte Frau und wenn er das nicht sieht ... nun, es gibt genügend andere Männer.“

Dieser Monolog entlockte Giulia ein belustigtes Lächeln, weil sie genau wusste, wie sehr Francesca ihren attraktiven Ehemann anbetete. Sie hatte ihn kennengelernt, als er noch als Hilfskoch in einem alteingesessenen Restaurant gearbeitet hatte. Heute besaß er sein eigenes. Nachdem sein Kredit bewilligt worden war, hatte er sich mit dem „Bellini“ selbstständig gemacht, das heute zu den beliebtesten Lokalen der Stadt gehörte. Auch Alessandro führte seine Kunden gerne dorthin, um sie kulinarisch zu verwöhnen.

„Ach, du bist eine Schwätzerin“, neckte sie ihre Freundin. „Du bist völlig verrückt nach ihm und würdest ihm niemals fremdgehen. Und umgekehrt ist es doch genauso, also erzähl mir nichts.“

Francesca schmollte noch immer, ehe sich ihre Miene schlagartig aufhellte. „Na gut, du hast recht, aber verrat ihm das bloß nicht. Ich genieße es zu sehr, ihn ab und zu eifersüchtig zu machen. Es macht ihn rasend, wenn andere Männer mir hinterher sabbern. Du solltest ihn dann erleben…“, schwärmte sie und erschauerte wohlig, als sie sich anscheinend an ein besonders pikantes Erlebnis erinnerte.

Indem sie ihre unübersehbaren Reize zur Schau stellte, provozierte Francesca andauernd Streitereien mit ihrem Mann, nur um anschließend umso heißeren Versöhnungssex zu genießen. Das war zwar eine etwas ausgefallene Form des Vorspiels, doch Giulia konnte sich vorstellen, dass es seinen ganz besonderen Reiz auf die zwei ausübte. Schließlich stellte sie sich selbst oft genug vor, wie Alex sie überwältigte und mit hitziger Leidenschaft nahm, anstatt sich ihr mit rücksichtvoller Zurückhaltung zu nähern. So wie heute Morgen zum Beispiel.

Schnell nahm sie einen Löffel von ihrem Eis, in der Hoffnung, ihre heißen Gedanken abzukühlen. Allein die Erinnerung an den leidenschaftlichen Sex ließ sie erbeben. Das Erlebnis hatte ihr einen kleinen Einblick in eine Welt voller Hingabe erlaubt. Nun wusste sie, wie es sich anfühlte, von ihm benutzt zu werden und sie gierte nach mehr. Nur dass sie das nicht bekommen würde.

Lautstarkes Gejohle riss Giulia aus ihren Gedanken. Drei junge Männer liefen an der Trattoria vorbei und pfiffen bewundernd, sobald sie rothaarige Francesca entdeckten. Statt weiterzugehen, setzte sich die kleine Gruppe an einen freien Tisch ganz in ihrer Nähe und beglückten Francesca mit lautstarken Komplimenten.

„Du hast ein paar neue Verehrer“, bemerkte Giulia belustigt. Francesca zeigte ihr breitestes Grinsen.

„Ja, nicht wahr. Ein paar knackige junge Männer, voll im Saft und im Vollbesitz ihrer Manneskraft“, schwärmte sie übertrieben und zwinkerte Giulia zu. „Die können höchstens achtzehn oder neunzehn sein“, fuhr sie nach einem prüfenden Blick über die Schulter fort. Ihr Lächeln wurde breiter und sie fuhr augenzwinkernd fort: „Hast du gewusst, dass Männer in dem Alter auf dem Höhepunkt ihrer sexuellen Leistungsfähigkeit sind? Sie können praktisch ununterbrochen. Das sollte ich Gianni vielleicht mal unter die Nase reiben, wenn er nach dem dritten Mal müde wird.“

Drei Mal bedeuteten im besten Fall drei Orgasmen. „Also ich finde nicht, dass du Grund für Beschwerden hast“, erwiderte Giulia ein bisschen neidisch und seufzte. Sie musterte ihre vor Lebendigkeit sprühende Freundin eingehend. Flammendrotes Haar und eisblaue Augen. Francesca sah aus wie eine jüngere Ausgabe der Sängerin Milva und ihre Wirkung auf das andere Geschlecht war phänomenal. In Anspielung auf die sabbernden Halbwüchsigen fragte sie: „Verrat mir dein Geheimnis, Francesca. Du bist immer von Bewunderern umzingelt und Gianni ist ebenfalls Wachs in deinen Händen. Wie machst du das?“

Francescas Gesichtsausdruck wurde überraschend ernst.

„Ich bin verliebt und werde wiedergeliebt“, erklärte sie. „Dadurch fühle ich mich sexy. Männer werden davon magisch angezogen, was mich nur noch mehr in meiner Weiblichkeit bestärkt. Es ist wie ein Kreislauf, eins baut auf dem anderen auf und je zufriedener und glücklicher ich wirke, umso stärker ziehe ich die Menschen an.“ Sie lächelte leicht. „Weißt du, wenn man als Single auf der Suche nach der großen Liebe ist, hast du das Gefühl alle guten Männer wären vergeben, doch sobald man sich endlich festlegt …“, sie beugte sich mit verschwörerischer Miene vor, „dann kommen die Traummänner aus allen Löchern gekrochen und fangen an, dich zu belagern.“

Schlagartig erlosch Giulias Lächeln, als Francesca das Geheimnis ihrer Anziehungskraft lüftete. Die Liebe machte sie begehrenswert. Kein Wunder, dass sie meist übersehen wurde. Alessandro empfand nichts für sie und der Kummer über ihre eigene Unzulänglichkeit, umgab sie wie eine Aura, die jede positive Ausstrahlung verschluckte.

„Du wirkst auf einmal so niedergeschlagen. Habe ich was Falsches gesagt?“, erkundigte sich Francesca besorgt.

Giulia hob den Kopf und lächelte, auch wenn ihr das Herz blutete. Nach außen hin den Schein zu wahren, das hatte sie in den letzten Monaten perfektioniert.

„Iss lieber dein Eis bevor er zerläuft und mach dir nicht so viele Gedanken“, schimpfte Giulia burschikos, um von sich abzulenken. Es funktionierte. Außerdem beanspruchten die Jugendlichen einen Tisch weiter nun Francescas ganze Aufmerksamkeit. Zwei dieser jungen Männer, übertrumpften sich gegenseitig mit schmalzigen Komplimenten, die sie ihrer Freundin über die Tische hinweg zuriefen, während der Dritte sich zurückhielt. Giulia warf ihm einen neugierigen Blick zu.

Auch wenn er viel kleiner und schmächtiger wirkte als die anderen, sah er älter aus. Ihn umgab etwas Brutales und Skrupelloses und wäre sie ihm abends auf der Straße begegnet, hätte sie sich vor ihm gefürchtet. Kurzgeschorenes, schwarzes Haar, dazu eng beieinanderstehende Augen. Sonderlich groß war er allerdings nicht, auch wenn seine hagere Gestalt bestimmt täuschte. Das, was er an körperlicher Präsenz vermissen ließ, kompensierte er durch seinen brütenden Blick. Giulia bekam Gänsehaut, als sie ihn auf sich ruhen fühlte und als könnte er ihr in den Kopf schauen und ihre Gedanken lesen, verzog sich sein schmallippiger Mund zu einem fiesen Grinsen.

Ihr wurde ganz anders zumute. Der Junge jagte ihr mit seinem unberechenbaren Blick eine Heidenangst ein. Dann rief sie sich zur Ordnung. Was sollte schon passieren? Sie befanden sich an einem öffentlichen Ort, in der Nähe des Abgeordnetenhauses. Und im schlimmsten Fall liefen hier genug Männer herum, die ihr helfen konnten einen zudringlichen Kerl wieder loszuwerden.

„Du wolltest vorhin nur von dir ablenken, nicht wahr?“

Francescas Frage erwischte Giulia völlig unvorbereitet. Hastig schluckte sie ihr Eis herunter und bedauerte durch ihre Frage die Büchse der Pandora geöffnet zu haben.

„Es gibt da schon was, das mir auf der Seele liegt“, stimmte sie nach einigem Zögern zu und warf ihrer Freundin einen entschuldigenden Blick zu. „Es fällt mir nur sehr schwer über die Sache zu reden.“

„Warum versuchst du es nicht einfach?“, schlug Francesca ahnungslos vor. „Manchmal ist es leichter als man denkt.“

Das sagte sich so leicht, andererseits musste sie endlich mit jemandem über Alessandro reden, sonst würde sie noch an ihrer Verzweiflung ersticken. „Es geht um meine Ehe mit Alex, sie ist nicht so, wie ich es immer darstelle.“

Francesca nickte verständnisvoll. Wahrscheinlich dachte sie, es handele sich um die üblichen Eheprobleme.

„In jeder Ehe gibt es hin und wieder mal Schwierigkeiten, vielleicht kann ich dir ja mit einem Rat helfen. Du weißt, bei Gianni und mir kracht es auch ab und an gewaltig, aber am Ende raufen wir uns immer zusammen und sind glücklicher als zuvor.“

„Mir kann keiner helfen.“

„Ach papperlapapp, du bist viel zu negativ. Ein bisschen Streit ist völlig normal. Aber ich kann mir schon denken, worum es geht. Dein Alessandro arbeitet einfach zu viel!“, rief sie aus.

„Es liegt nicht an seinem Arbeitspensum, das wäre wirklich das kleinste Problem.“

„Aber was ist es dann?“ Francescas etwas ratlose Frage hing unbeantwortet in der Luft, bis sie auf eine ganz andere Idee kam. „Oh Gott, es gibt doch nicht etwa eine andere Frau?“

Die gab es mit Sicherheit …

Giulia nahm ihren ganzen Mut zusammen. „Meine Ehe ist eine Lüge, Francesca. Sie besteht praktisch nur auf dem Papier und es gibt keine Liebe zwischen mir und Alex. Du weißt, dass meine Schwiegereltern nie einen Hehl daraus gemacht haben, dass sie mich und Alessandro gerne zusammen sehen würden, und als Alex anfing mit mir auszugehen, waren seine Eltern und Mama hellauf begeistert.“

„Soll das heißen, du hast Alessandro nur geheiratet, um deine Mutter und deine Schwiegereltern zufriedenzustellen?“

Francescas ehrliches Entsetzen hätte Giulia beinahe ein Lächeln entlockt. Sie sah hoch, direkt auf die Streben des großen Sonnenschirms, der sie vor der direkten Sonneneinstrahlung schützte. Die anfänglich gute Laune des Tages verflog endgültig, als ein lachendes Liebespaar an ihrem Tisch vorbeilief. Sie kicherten, küssten sich, waren glücklich. Als würden sie den Duft der Liebe einatmen, der ihre Welt in bunte Farben tauchte. Wie sie diese junge Frau um ihr Glück beneidete! Langsam wandte sie den Blick ab und sah wieder zu Francesca, die mit betroffener Miene dasaß und scheinbar nicht wusste, was sie noch sagen sollte.

„Nein, ich habe ihn nicht geheiratet, weil es alle von uns erwartet haben. Ich liebe Alessandro mehr als mein Leben, sonst wäre ich niemals seine Frau geworden.“

Nun siegte Francescas Neugier. Giulia konnte richtiggehend sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.

„Und dein Mann? Wie verhält er sich? Wehe, er behandelt dich nicht anständig …“

Gleichmütig hob Giulia die Schultern. „Er ist höflich und freundlich. Für ihn ist diese Ehe nur eine Pflichterfüllung. Er hat mir nie gesagt, dass er mich liebt, weder am Anfang unserer Ehe und jetzt erst recht nicht. Als er anfing mit mir auszugehen, dachte ich noch, er wäre in mich verliebt, auch wenn er es nie direkt ausgesprochen hat. Aber dann … einige Wochen nach der Hochzeit veränderte sich alles. Sein Interesse an mir ließ täglich nach und heute leben wir bis auf ein paar gelegentliche Ausnahmen fast wie Bruder und Schwester zusammen. Wir schlafen in getrennten Zimmern und das sicher nicht, weil einer von uns schnarcht.“

„Heißt das etwa: kein Liebemachen?“, hauchte ihre Freundin entsetzt.

Giulia erlebte Francesca zum ersten Mal in ihrem Leben absolut fassungslos. Ihre Freundin war ein sehr körperbetonter Mensch, ihre Libido enorm ausgeprägt, zu Gianfrancos großer Freude. Ohne körperliche Liebe zu leben, war mit ihrer Weltanschauung nicht vereinbar.

„Es ist nicht so, dass wir gar nicht miteinander schlafen. Aber am Anfang unserer Ehe kam er viel häufiger zu mir, jetzt kann ich an einer Hand abzählen, wie oft wir im letzten halben Jahr Sex hatten.“

„Wieso hast du mir nie etwas davon erzählt?“ Francesca klang unglaublich enttäuscht. „Ich weiß, ich hatte viel zu tun in den letzten Monaten. Mein Mann, die Kinder, das Restaurant … aber ich hätte mir die Zeit genommen, um dir zuzuhören. Wir sind doch Freundinnen. Du weißt alles über mich, ich habe mein Leben wie einen Teppich vor dir ausgebreitet und du verschweigst mir, wie schlecht es um deine Ehe steht.“
„Es tut mir leid, ich konnte einfach nicht“, flüsterte Giulia geknickt.

„Du musst dich von ihm trennen“, rief Francesca aus und Giulias Kopf ruckte nach oben.

„Nein, das ist unmöglich. Ich könnte ihn niemals verlassen.“

„Aber du hast etwas Besseres verdient als eine blutleere Ehe mit einem solchen Esel.“

Francesca schüttelte den Kopf und ließ sich kraftlos gegen die Lehne ihres Stuhls sinken. Sie winkte einen der Kellner heran. „Auf den Schreck brauch ich erst mal einen Ramazotti.“

Danach musterte sie Giulia wie ein ganz besonders seltenes Artefakt, das man nach jahrelangem vergeblichen Suchen endlich aus der Erde gebuddelt hatte. In ihren Augen musste sie tatsächlich etwas Einmaliges sein. Eine Frau, die freiwillig mit einem Mann verheiratet blieb, der überhaupt kein Interesse an ihr zeigte, musste man in Zeiten der Emanzipation sicher mit der Lupe suchen.

In der Zwischenzeit kam der junge Kellner zurück und brachte Francesca ihre Bestellung, die sie in einem Zug hinunterstürzte. Danach knallte sie ihr Glas auf die Tischplatte, ihr Blick verriet Entschlossenheit.

„Damit ist jetzt Schluss“, erklärte sie.

„Womit?“

„Mit dieser Farce. Du musst diese Ehe beenden.“

„Das kann ich nicht. Auf gar keinen Fall. Eine Scheidung … Mama würde vor Scham sterben.“

Das war nicht nur so dahingesagt. Ihre Mutter war eine stolze Frau und sehr streng erzogen. Scheidungen, Abtreibungen … all dies waren nicht tolerierbare Dinge, die man in ihrer Gegenwart noch nicht einmal aussprechen durfte.

„Pah, dann kratzt der alte Besen eben ab“, antwortete Francesca mitleidlos. Sie kannte Giulias lieblose Kindheit und verachtete ihre Mutter deswegen zutiefst.

„Bitte, du sprichst hier über meine Mutter, ich will so was nicht hören.“

„Na gut, dann suchen wir dir wenigstens einen Liebhaber, der dir die Einsamkeit ein wenig versüßt“, entschied ihre Freundin kurzentschlossen. „Du bist jung und brauchst regelmäßig einen starken Mann zwischen deinen Schenkeln. Du musst ficken, Giulia, es ist das natürlichste auf der Welt“, fügte sie mit ihrer typisch direkten Art hinzu. Diesen Rat, bekräftigte sie zusätzlich, indem sie ein paar Mal gegen die Innenfläche ihrer Hand schlug.

Oh heilige Jungfrau Maria! Warum musste sie immer so ordinär werden, wenn es um sexuelle Dinge ging? Giulia hätte sich am liebsten unterm Tisch verkrochen, so peinlich war ihr das Verhalten ihrer Freundin.

„Hör auf damit!“, zischte sie und sah sich tödlich verlegen um. „Willst du, dass die anderen Gäste mitkriegen worüber wir reden?“

Francesca verdrehte die Augen. „Krieg dich wieder ein, kein Mensch hört uns zu. Außerdem willst du nur ablenken, weil du weißt, dass ich recht habe.“

„Das muss aber nicht ganz Rom mitbekommen. Außerdem ist es ja wohl meine Entscheidung, ob ich meinen Mann betrüge oder nicht.“

Francesca merkte offenbar, dass sie mit ihrem indiskreten Vorschlag, Alex Hörner aufzusetzen, zu weit gegangen war und gab sich vorerst geschlagen.

„Entschuldige, ich war wohl ein bisschen übereifrig.“

Zerknirschung spiegelte sich auf ihrem Gesicht. „Aber glaub bloß nicht, dass du weiterhin so tun kannst, als wäre alles normal. Es muss etwas passieren, Giulia. Sonst wirst du eines Tages verkümmern. Jeder Mensch braucht Liebe.“

Wäre sie ein wenig mutiger gewesen, hätte sie jetzt behauptet, dass ein Vibrator vollkommen ausreichend wäre, um ihre Bedürfnisse zu stillen, doch ihre natürliche Zurückhaltung siegte. Sie war schon immer schüchtern gewesen, wenn es um sexuelle Dinge ging. Francesca hatte da weniger Hemmungen. Plötzlich riss ihre Freundin die Augen weit auf und richtete ihren Blick starr auf einen Punkt hinter Giulias Rücken.

„Was ist? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“

Francescas Grinsen hatte etwas Anzügliches. „Nein, kein Geist, sondern ein neuer Gast. Glaub mir, dieser Kerl sieht noch sehr lebendig aus.“

Sie schenkte dem Unbekannten hinter Giulias Rücken ein reizendes Lächeln. Francesca und ihre Neigung zum Flirten! Kein Wunder, dass Gianni immer so eifersüchtig wurde.

„Giulia, er ist unglaublich attraktiv“, schwärmte sie und schien völlig hin und weg zu sein. „Er ist ein Bild von einem Mann, unglaublich gutaussehend, gut gekleidet und wenn ich mir die Uhr an seinem Handgelenk so ansehe, dann ist er auch noch stinkreich. Den musst du dir anschauen!“

„Ich drehe mich nicht nach fremden Männern um“, erklärte Giulia indigniert. Offenbar meinte es Francesca ernst mit ihrem Vorhaben ihr einen Liebhaber zu beschaffen und fing umgehend an, ihr den erstbesten Kandidaten schmackhaft zu machen.

Ihre Freundin hob gleichmütig die Schultern. „Dann eben nicht, aber du verpasst was. Eins sag ich dir, er kann locker mit deinem schönen Alessandro mithalten.“

Ihre Stichelei zeigte Wirkung. War er wirklich so ein toller Anblick? Francescas entzückter Gesichtsausdruck ließ jedenfalls darauf schließen, trotzdem verkniff sich Giulia jeden Blick nach hinten. Nach einigen Minuten, der Kellner hatte ihnen in der Zwischenzeit einen Espresso gebracht, verzog sich ihre Freundin auf die Toilette und ließ sie allein zurück. Die Jugendlichen schrien ihrer Freundin Komplimente hinterher, nur der düstere Junge mit den schwarzen Augen beachtete sie nicht. Er fixierte nur Giulia. Unentwegt.

Um diesem merkwürdigen Burschen auszuweichen, sah sie sich unauffällig um. Dabei erhaschte sie einen Blick auf den neuen Gast und ihr armes Herz geriet völlig aus dem Takt. Oh lieber Himmel, Francesca hatte nicht übertrieben! Dieser Mann besaß eine Ausstrahlung, die jedem Gigolo vor Neid die Tränen in die Augen getrieben hätte. Sein volles Haar schimmerte pechschwarz und berührte hinten im Nacken seine Hemdkragen. Sein überaus sinnlicher Mund wurde von einem schmalen Bärtchen eingerahmt, der sich auch um sein Kinn zog. Kein hässliches Gestrüpp, sondern gutgestutzt und unwahrscheinlich sexy. Er sah aus wie ein Pirat, fehlten nur noch das bauschige Hemd, das in engen Hosen steckte und dazu passende hohe Schaftstiefel.

Irgendwie hatte er tatsächlich etwas von einem verwegenen Freibeuter an sich, einzig und allein sein schicker grauer Anzug passte nicht zu diesem Eindruck. Darunter trug er ein enganliegendes schwarzes Shirt, mit einem V-Ausschnitt. Alles in allem wirkte er, als wäre er geradewegs einem Mailänder Modemagazin für Herren entstiegen.

In diesem Augenblick hob er seinen Blick und sah direkt in ihre Richtung. Da die Tische nicht sonderlich weit entfernt voneinander standen, konnte sie sogar seine Augenfarbe erkennen. Ein wunderschönes Eisblau, und die Bewunderung die ihr entgegenschlug, beschleunigte ihren Puls. Das schaffte sonst nur Alessandro. Dass ein anderer Mann eine ähnlich starke Reaktion in ihr hervorrief, verwirrte und entsetzte sie gleichermaßen. Sie fühlte sich wie eine Betrügerin, vor allem als sich sein Mund zu einem flirtenden Lächeln verzog und ihr Herzschlag aus dem Takt geriet.

Giulia wandte verlegen den Kopf ab und starrte auf ihre mittlerweile leere Eisschale. Unter dem Tisch faltete sie ihre Hände, wie zum Gebet, ihre Schenkel zitterten unruhig, sie wäre am liebsten aufgesprungen und davongelaufen, weil sie sich so unsicher fühlte. Wo blieb nur Francesca?

Noch immer spürte sie die Blicke des schönen Fremden, doch anders wie bei dem Jugendlichen, fühlte es sich bei ihm aufregend an. Oh heilige Mutter Gottes, steh mich bei!

Sie tat so, als würde sie etwas in ihrer Handtasche suchen, als ein dunkler Schatten über sie fiel, ein Stuhl schrammte am Boden entlang und jemand setzte sich. Da sie annahm, Francesca wäre endlich zurückgekommen, blickte sie lächelnd hoch und erstarrte. Es war nicht ihre Freundin, die sich zu ihr an den Tisch gesetzt hatte, sondern dieser unheimliche Jugendliche mit den düsteren Augen.

Aus der Nähe erschien er ihr noch viel gefährlicher und dämonischer. Sie spürte instinktiv, dass von ihm eine unbestimmte Gefahr ausging, jeder Nerv in ihrem Körper befand sich in Alarmbereitschaft. Ihr Gegenüber strahlte eine abnorme Kälte aus, was in der sonnendurchfluteten Umgebung von Roms Straßen noch viel deutlicher zum Tragen kam. Ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie ihn ansprach. „Ich glaube, Sie haben sich im Platz geirrt.“

Er grinste, seine Zähne waren weiß und sahen kräftig aus.

Der könnte selbst einem Menschen ein Stück Fleisch aus dem Leib reißen, dachte sie schaudernd.

„Ich habe mich nicht geirrt, aber das weißt du bestimmt schon.“ Er sprach sehr leise, lispelnd wie eine Schlange. „Du hast mich vorhin beobachtet“, fuhr er mit einer gewissen Selbstgefälligkeit fort, die sie sich nicht erklären konnte, denn er war sicher nicht der Typ Mensch, der positiv auffiel. „Du bist sehr schön … und ich dachte mir, ich setze mich ein wenig zu dir, damit wir uns kennenlernen können. Du hast doch nichts dagegen?“

Sie bemühte sich um einen höflichen Tonfall, als sie ihm mitteilte: „Der Platz ist leider schon belegt, meine Freundin kommt gleich zurück.“

Hektisch huschte ihr Blick zur Tür, dann wieder zurück zu ihm. Beinahe verspielt neigte er seinen Kopf und ging gar nicht auf ihre Bemerkung ein. „Wie heißt du?“

Giulia schwieg. Sie dachte nicht daran, ihm ihren Namen zu verraten und als ihm endlich ein Licht aufging, verwandelte sich sein Grinsen zu einem quengelnden Schmollen. „Willst du ihn mir nicht sagen?“

Lieber Himmel, wie sollte sie sich jetzt verhalten, ohne ihn zu provozieren? Verzweifelt wandte sie den Kopf von links nach rechts, in der Hoffnung, jemanden zu entdecken, der ihr diesen Kerl vom Leib halten konnte.

„Brauchen Sie vielleicht ein wenig Unterstützung, Signora?“

Die autoritäre Stimme, tief und gleichmäßig, beruhigte sie augenblicklich. Sie drehte sich zur Seite und blickte in die besorgt dreinblickenden eisblauen Augen des schönen Fremden vom Nebentisch.

Der Jugendliche reagierte aggressiv. „Was willst du hier? Verpiss dich oder ich hau dir eine aufs Maul. Sie hat nichts gegen meine Gesellschaft.“

Giulia schnappte nach Luft, als er mit dieser wütenden Aussage das volle Ausmaß seiner Aggressivität offenbarte. Seine Miene nahm so bösartige Züge an, dass sie nun doppelt froh über das Auftauchen ihres attraktiven Bewunderers war.

„Stimmt das?“

Giulia schüttelte hastig den Kopf und ihr hübscher Retter wandte sich wieder dem Jungen zu.

„Wie du siehst, legt sie keinen Wert auf deine Gesellschaft. Es wäre besser, wenn du augenblicklich verschwindest, sonst werde ich ungemütlich.“

Purer Hass flammte in den düsteren Augen des jungen Mannes auf. „Du wirst noch bereuen, dass du mich so abserviert hast, du Schlampe“, flüsterte er und stand auf.

Giulia beobachtete erleichtert, wie er zurück zu seinen Kumpeln lief. Seine beiden Freunde waren verstummt und sahen ihm ängstlich entgegen. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass er seinen Frust über diese Abfuhr an ihnen auslassen würde. Es kristallisierte sich immer mehr heraus, dass er – obwohl der Kleinste und Schmächtigste – ihr Anführer sein musste, denn als er eine auffordernde Handbewegung machte, standen sie ohne Umschweife auf und verließen das Café. Keiner von ihnen bezahlte die Getränke, die auf dem Tisch standen. Doch statt ihnen nachzulaufen, räumte der junge Kellner in aller Seelenruhe alles ab und ließ sie laufen.

„Wieso sagt er nichts?“, fragte Giulia verblüfft. Eigentlich war die Frage nur für sie selbst bestimmt gewesen, deswegen erschrak sie über die prompte Antwort.

„Er wird froh sein, dass hier nichts zu Bruch gegangen ist.“

Der schöne Fremde stand noch immer neben ihrem Tisch und blickte den Jugendlichen her. Sie polterten lärmend und grölend die Straße entlang. Wahrscheinlich würden sie sich um den Trevi-Brunnen scharen und die Touristen ärgern. Ihr war es gleich, solange ihr die Kerle niemals wieder über den Weg liefen.

Sie besann sich ihrer guten Manieren und bedankte sich. „Ich bin so froh, dass Sie mir zur Hilfe gekommen sind. Von allein wäre dieser Kerl sicher nicht gegangen, und ich gebe zu, er hat mir Angst eingejagt.“

Er schenkte ihr ein verwirrend anziehendes Lächeln. Erneut stellte sie fest, wie unglaublich gut er aussah. Zwar war er nicht so schön wie Alessandro, dafür war er vom Typ her zu rau, aber immer noch attraktiv genug, um beinahe jeden Mann in Rom in den Schatten zu stellen.

„Es ist mir eine Freude, einer so bezaubernden Frau zu helfen. Leider gibt es immer mehr von diesen jugendlichen Banditen, die Rom und andere Städte unsicher machen. In meiner Heimatstadt Florenz vermehren sich solche Kerle ebenfalls wie Ungeziefer, und manche von ihnen sind wirklich gefährlich.“ Seine ohnehin schon tiefe Stimme wurde noch eine Oktave dunkler, als er hinzufügte. „Ich rate Ihnen dringend, heute nicht auf direktem Weg nach Hause zu gehen. Machen Sie einige Umwege, damit es schwerer wird, Ihnen zu folgen. Man kann nie wissen.“

Kein schlechter Ratschlag und es erschien ihr nicht verkehrt, ein bisschen vorsichtiger zu sein. „Ich werde ein Taxi nehmen, das dürfte es jedem unmöglich machen, mir heimlich zu folgen.“

„Dann werde ich heute Nacht ruhig schlafen können.“

Er klang, als würde er das völlig erst meinen. Sein warmes Lächeln und sein intimer Blick brachten ihr Blut in Wallung. So wie jetzt, hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt, genauer gesagt, seit ihren ersten Verabredungen mit Alessandro. Doch durfte sie solche Empfindungen überhaupt haben? Einem Fremden gegenüber?

„Das ist aber eine Überraschung, kaum bin ich weg, hast du auch schon Ersatz für mich gefunden.“

Ah, Francesca! Gerade noch rechtzeitig, um sie vor einer ausgesprochenen Dummheit zu bewahren. Tatsächlich war sie drauf und dran gewesen, ihn zum Dank zu einem Kaffee einzuladen.

„Hoffentlich bin ich nicht in eine wichtige Unterhaltung geplatzt.“

Giulias galanter Retter grinste breit. „Wir waren gerade dabei, unser Gespräch ein wenig zu vertiefen.“

„Dann setzen Sie sich doch zu uns, ein Stuhl ist noch frei“, forderte Francesca ihn auf und ignorierte Giulias Versuche sie durch warnende Grimassen davor zu warnen, hier die Kupplerin zu spielen.

Er merkte natürlich, wie unangenehm ihr Francescas Aufdringlichkeit war und warf Giulia einen fragenden Blick zu. „Ich würde mich sehr freuen, den Nachmittag mit zwei so reizenden Damen zu verbringen, ich bin mir nur nicht sicher, ob ich wirklich willkommen bin“, meinte er dann.

Sie fühlte sich furchtbar, weil sie sich so unhöflich verhielt. Immerhin hatte er ihr selbstlos beigestanden und jetzt stellte sie sich an wie eine zimperliche Jungfrau, weil sie sich in seiner Gegenwart wie ein schüchternes Schulmädchen fühlte.

„Bitte ...“, sie wies mit der Hand auf den freien Stuhl, „setzten Sie sich doch. Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet und das Mindeste was ich tun kann, ist Ihnen einen Kaffee zu spendieren.“

Darauf schien er nur gewartet zu haben. „Wenn man mich so freundlich einlädt, kann ich unmöglich Nein sagen.“

Wieder schenkte er ihr dieses verführerische und verwirrende Lächeln. Seine Augen glitten liebkosend über Giulia hinweg, schmeichelnd, aber keineswegs dreist. Es war der Blick eines Liebhabers und je länger seine Augen auf ihr verweilten, umso mehr steigerte sich die Anspannung in ihrem Körper. Dieser Mann strahlte etwas unsagbar Strenges aus, das sie magisch anzog. Allein die Erinnerung an den unbarmherzigen Blick, mit dem er diesen jungen Mafiosi-Typen verscheucht hatte ...

Sie spürte, wie sich ihre Brustwarzen steil unter dem Kleid aufrichteten und sich für jedermann sichtbar unter dem Stoff abzeichneten. Es war ihr peinlich, vor allem in Gegenwart ihrer besten Freundin, die ihr ein wissendes Grinsen schenkte, als wollte sie ihr sagen: Na, hab ich es dir nicht gleich gesagt?

„Meine Güte, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt“, warf er in diesem Augenblick ein. Er streckte über den Tisch hinweg die Hand aus. „Ich heiße Fabrizio Testi.“

Selbst sein Name erschien ihr perfekt. Stumm sprach sie ihn in Gedanken nach. Fabrizio Testi. Das klang sexy.

„Giulia Bertani“, stellte sie sich vor und hatte keinerlei Bedenken, ihm ihren ganzen Namen zu nennen. Nicht bei ihm. „Und das hier …“, sie wies auf die vergnügt lächelnde Francesca, „ist meine beste Freundin Francesca Benedetti.“

Er hauchte nacheinander jeweils einen angedeuteten Kuss auf ihren und dann auf Francescas Handrücken.

„Sehr erfreut“, sagte er galant. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich den heutigen Nachmittag mit zwei so wunderschönen Damen verbringen darf.“

Oh, er war ein Charmeur. Was für ein Unterschied zu Alessandro, der sich immer so kühl und unbeteiligt gab, wenigstens in ihrer Gegenwart. Fabrizios Bewunderung fühlte sich dagegen an, wie ein sanfter Sommerregen nach einer langen Dürreperiode. Sie saugte seine schmeichelnden Blicke in sich auf. Das erste Mal seit langer Zeit fühlte sie wie eine begehrenswerte Frau und nicht wie ein lästiges Anhängsel.

Er könnte dir gefährlich werden, schoss es ihr warnend durch den Kopf. Wie leicht wäre es gewesen seiner Anziehungskraft und dieser erotischen Spannung zu erliegen, die ihn wie eine feine Membran umgab. Er hielt ihren Blick gefangen, ein sinnlich wissendes Lächeln auf den Lippen. Alles andere rückte in den Hintergrund, bis sich Francesca amüsiert räusperte. Das brachte Giulia schlagartig zur Vernunft und das schlechte Gewissen kam wie ein Bumerang zurück und erschlug sie beinahe. Noch dazu musste sie das triumphierende Grinsen ihrer Freundin ertragen. Von nun an, würde sie nicht locker lassen, bis sie Giulia in die Arme eines Liebhabers getrieben hatte. Giulia hörte durch das Rauschen in ihren Ohren die Stimme ihrer besten Freundin, die Fabrizio mit detektivischem Spürsinn auf den Zahn fühlte.

„Verraten Sie uns, ob Sie in Rom leben oder sind Sie nur zu Gast in unserer wunderschönen Stadt?“

Er schenkte Francesca ein hinreißendes Lächeln und lehnte sich lässig auf dem Stuhl zurück. Unter dem enganliegenden T-Shirt zeichneten sich ein muskulöser Brustkorb und ein verlockend flacher Bauch ab. Nackt musste er ein unglaublicher Anblick sein.

„Natürlich dürfen Sie fragen“, erklärte er freundlich. „Ich lebe die meiste Zeit des Jahres in Florenz“, verriet er und obwohl er sich mit Francesca unterhielt, ruhte sein warmer Blick unentwegt auf Giulia, die plötzlich nicht mehr wusste, wohin mit ihren Händen. „Ich verbringe allerdings aus beruflichen Gründen sehr viel Zeit in Rom und gerade heute bin ich doppelt froh darüber.“

Eine zarte Gänsehaut bildete sich auf Giulias Armen, weil sie sich sicher war, dass diese Freude unmittelbar mit ihr zu tun hatte. Sein Lächeln vertiefte sich, winzige Fältchen bildeten sich um seine Augenwinkel herum und nahmen seinem Gesicht die Strenge. Mit einem verhaltenen Lächeln hob er die Hand und fuhr sich durchs dichte schwarze Haar. Dabei trafen sich ihre Blicke. Wieder fiel ihr auf, was für verdammt schöne Augen er hatte, der schwarze Ring um die eisblaue Iris, verlieh ihnen noch mehr Tiefe und sie hätte stundenlang hineinstarren können, ohne auch nur die geringste Langeweile zu empfinden. Leider durchbrach Francescas heisere Stimme den Bann unter dem sie stand.

„Wenn Sie so oft in der Stadt sind, wieso ziehen Sie dann nicht ganz hierher?“, fragte sie und Giulia zuckte zusammen. Meine Güte, sie war immer so extrem neugierig, doch es sollte noch schlimmer kommen.

„Haben Sie womöglich Frau und Kinder in Florenz, die sie nicht aus ihrer Umgebung reißen wollen?“

„Francesca! Du bist indiskret. Das geht uns überhaupt nichts an“, zischte Giulia und wäre vor Verlegenheit am liebsten im Erdboden versunken. Konnte sie nicht ein wenig raffinierter vorgehen, um herauszufinden ob er verheiratet war?

Fabrizio schien sich jedoch nicht daran zu stören und wirkte völlig tiefenentspannt. „Nein, keine Frau, auch keine Kinder.“ Grinsend fügte er hinzu: „Jedenfalls keine von denen ich wüsste. Ich bin … wie man so schön sagt … frei wie ein Vogel.“

„Dann würde einem Umzug ja nichts im Wege stehen“, kommentierte Francesca unverfroren und erntete ein kleines Schmunzeln von Fabrizio, ehe er seinen Blick wieder auf Giulia ruhen ließ. Plötzlich wurde Francesca sehr geschäftig und griff in ihre Handtasche. Sie entnahm ihren Geldbeutel und legte einen Schein auf das kleine silberne Tablett, danach schulterte sie ihre riesige Handtasche und erhob sich. Giulia geriet in Panik. Sie wollte sie doch nicht etwa mit Fabrizio allein lassen?

„Was hast du denn vor?“

Francesca lächelte strahlend und zwinkerte ihr aufmunternd zu. „Ich muss leider schon gehen.“

Dass ihre Freundin sie so schmählich im Stich lassen wollte, gab Giulia den Rest. „Gehen … aber wieso denn? Ich dachte, du hast dir den ganzen Nachmittag freigenommen?

„Gianfranco hat mich vorhin angerufen, als ich im Waschraum war. Er hat mich gebeten, an seiner Stelle die Kinder bei ihren Großeltern abzuholen. Er schafft es leider nicht rechtzeitig, weil sich sein Zahnarzttermin ein bisschen hinzieht.“ Sie seufzte übertrieben. „Ich würde die kleinen Monster ja gerne noch länger bei meiner Schwiegermutter lassen, aber du weißt ja, dass sie spätestens nach zwei Stunden fix und fertig ist.“

Das war eine Ausrede, wenn nicht gar eine Lüge. Empört funkelte sie ihre beste Freundin an, die das mit stoischer Gelassenheit hinnahm und Fabrizio reizend anlächelte. Seine Mundwinkel so sichtbar zuckten, dass sie sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. Francesca war ungefähr so diskret wie ein Elefant im Porzellanladen. Und sowas nannte sich Freundin …

Francesca hauchte ihr noch einen Kuss auf die Wange und nutzte den kurzen Moment um ihr einen Ratschlag ins Ohr zu flüstern.

„Schnapp ihn dir, bevor es eine andere tut.“

Nachdem sie sich aufgerichtet hatte, streckte sie Fabrizio die Hand entgegen.

„Es war mir eine Freude, ich hoffe, wir sehen uns irgendwann wieder.“
Bedeutsam glitt ihr Blick zwischen Giulia und Fabrizio hin und her.

„Das hoffe ich auch, sehr sogar“, antwortete er ernst.

Francesca schien jedenfalls vollauf zufrieden mit der Entwicklung und wandte sich zu Gehen.

„Ruf mich an“, rief sie Giulia zum Abschied zu und lief dann mit beschwingten Schritten die Straße entlang.

Ihr grünes Sommerkleid mit den weißen Punkten bauschte sich dabei attraktiv um ihre schlanken Beine. Stumm sah Giulia ihr nach, nicht fähig, sich einer Unterhaltung mit Fabrizio zu stellen. Als würde er ihren inneren Aufruhr spüren, berührte er zart ihren Handrücken mit seinen Fingern. Seine Körperwärme fühlte sich merkwürdig tröstlich auf ihrer Haut an.

„Giulia, ich kann mich auch wieder an meinen Tisch setzen, wenn Ihnen meine Anwesenheit irgendwie unangenehm ist.“

Wie feinfühlig von ihm! Er schien ihren inneren Zwiespalt genau zu spüren und reagierte dementsprechend. Wie viele Männer besaßen die Größe und das Selbstbewusstsein, um das zu tun. Sie seufzte.

„Sie haben mich nicht in Verlegenheit gebracht, sondern meine Freundin. Es war so offensichtlich, dass sie uns verkuppeln wollte. Ehrlich gesagt, wundert es mich, dass Sie nicht schreiend davongelaufen sind.“

Sie traute sich kaum noch ihn weiter anzusehen, zwang sich aber dazu, seinem nachdenklichen Blick standzuhalten.

„Wissen Sie, bei jeder anderen Frau hätte ich das wohl getan. Ich bin schon lange Single und meine Freunde fühlen sich irgendwie verpflichtet, mich an die Frau zu bringen. Mir ist so was auch immer schrecklich unangenehm, aber in Ihrem Fall …“ Er machte eine Pause und sie hielt den Atem an. „Sie sind etwas Besonderes, Giulia, und ich würde Sie wirklich gerne wiedersehen.“

Er wollte sie wiedersehen ...

Ihr zitterten die Finger als sie nach ihrem Wasserglas griff und daran nippte. Durst verspürte sie keinen, sie wollte sich damit nur ein paar Sekunden Zeit verschaffen und ihre Gedanken sortieren. Was sollte sie ihm darauf nur antworten? So eine Situation war völliges Neuland für sie. Noch nie hatte sie ein Mann so offen umworben und der Ehering an ihrem Finger schien plötzlich Tonnen zu wiegen, als müsste man sie explizit daran erinnern, dass sie eine verheiratete Frau war. Dabei war das gar nicht nötig. Sie hatte Alessandro Treue geschworen und sie würde sich daran halten, auch wenn er ihr diesen Gefallen sicher nicht tat und Fabrizio sie ernsthaft in Versuchung führte.

„Wir können uns nicht wiedersehen. Völlig ausgeschlossen.“

Seine Hand über ihrer verkrampfte sich, er atmete scharf ein. Mit so einer Antwort hatte er wohl nicht gerechnet, was man ihm, nach Francescas übermütigen Versuchen Amor zu spielen, nicht mal verdenken konnte. Er musste sich ja veralbert vorkommen.

„Warum nicht?“, fragte er gepresst.

Nun musste sie ihm die Wahrheit erzählen, es führte kein Weg daran vorbei. „Fabrizio, ich bin verheiratet“, erklärte sie seufzend.

„Verheiratet …“, wiederholte er leise, dann warf er den Kopf zurück und stieß ein freudloses Lachen aus. „Das geschieht mir wohl recht. Ich war zu voreilig und arrogant. So ein Engel wie du, fällt einem nicht einfach so in den Schoß. Ich hätte wissen müssen, dass du nicht frei sind.“

Giulia inhalierte seine Worte wie lebensnotwendigen Sauerstoff und scherte sich auch nicht darum, dass er sie plötzlich duzte. Es kam ihr ganz natürlich vor und die berauschende Erfahrung, nach langer Zeit endlich wieder von einem Mann bewundert und begehrt zu werden, erfüllte ihr hungriges Herz. Wie ein Schwamm saugte sie Fabrizios Komplimente auf, bis ihr schwindelig davon wurde. Trotzdem musste sie stark bleiben.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739492155
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (April)
Schlagworte
Gegenwartsliteratur Master Liebesroman Romantik Erotik Erotischer Liebesroman Dark Romance

Autor

  • Pia Conti (Autor:in)

Pia Conti ist das Pseudonym einer deutschsprachigen Autorin. Sie liebt ihre Familie, gutes Essen und die Sonne. Bücher begleiten sie schon seit frühester Kindheit und mit der Veröffentlichung ihres eigenen Romans geht ein Traum in Erfüllung.
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Titel: Giulia – Liebe mich, Master