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Milliards vs. Love

von Mina Jayce (Autor:in)
300 Seiten

Zusammenfassung

In Meredith Larsons Leben geht momentan alles schief. Zu allem Überdruss hat sie auch noch die Leitung des angeschlagenen Familienunternehmens übernommen und soll es so schnell wie möglich wieder auf Erfolgskurs bringen, ehe es zu spät dafür ist.
Alexander Jones ist ein milliardenschwerer Unternehmer, New Yorks begehrtester Junggeselle, und besessen davon, mit der realen Welt Monopoly zu spielen. Er kauft angeschlagene Firmen auf und macht damit, wonach ihm gerade der Sinn steht.
Alexander hat vier Regeln:
1. Sei in allem, was du tust, erfolgreich.
2. Mache Gewinne in Millionenhöhe und kümmere dich dabei nicht um andere.
3. Gib niemals die Kontrolle ab.
4. Verliebe dich nicht – vor allem nicht in die Richtige!
- Im Einhalten dieser Grundsätze ist er verdammt gut.
Doch er hat nicht mit Meredith Larson gerechnet, die seinen Regeln mächtig in die Fresse treten wird.

Aber Alexander ist ein eiskalter Player, der ungern mit sich spielen lässt und überreicht Meredith einen Vertrag mit ganz speziellen Wünschen. Damit könnte sie ihr Unternehmen retten, doch was die Erfüllung seiner Wunschliste mit sich bringt, möchte man besser nicht erfahren …

Zwei starke Personen treffen aufeinander, die unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und sich Wortduelle in bester Manier liefern. Gewitter ziehen auf, prickelnde und leidenschaftliche Gefechte werden mit Worten und in feindlichen Betten ausgetragen. Doch so einfach lässt sich Alexander Jones nicht vom Kurs abbringen und beginnt ein herausforderndes Spiel ... Bleibt nur eine Frage offen: Wer wird am Ende die Führung übernehmen?

Abgeschlossener Roman (300 Taschenbuchseiten, kein BDSM-Roman).

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

Mina Jayce

 

Milliards vs. Love

 

 

 

Liebesroman

 

  

Das Buch

 

In Meredith Larsons Leben geht momentan alles schief. Zu allem Überdruss hat sie auch noch die Leitung des angeschlagenen Familienunternehmens übernommen und soll es so schnell wie möglich wieder auf Erfolgskurs bringen, ehe es zu spät dafür ist.

Alexander Jones ist ein milliardenschwerer Unternehmer, New Yorks begehrtester Junggeselle, und besessen davon, mit der realen Welt Monopoly zu spielen. Er kauft angeschlagene Firmen auf und macht damit, wonach ihm gerade der Sinn steht.

 

Alexander hat vier Regeln:

1. Sei in allem, was du tust, erfolgreich.

2. Mache Gewinne in Millionenhöhe und kümmere dich dabei nicht um andere.

3. Gib niemals die Kontrolle ab.

4. Verliebe dich nicht – vor allem nicht in die Richtige!

 

Im Einhalten dieser Grundsätze ist er verdammt gut.

Doch er hat nicht mit Meredith Larson gerechnet, die seinen Regeln mächtig in die Fresse treten wird.

 

Aber Alexander ist ein eiskalter Player, der ungern mit sich spielen lässt und überreicht Meredith einen Vertrag mit ganz speziellen Wünschen. Damit könnte sie ihr Unternehmen retten, doch was die Erfüllung seiner Wunschliste mit sich bringt, möchte man besser nicht erfahren …

 

Kein BDSM-Roman.

 

 

Copyright © 2017 by Mina Jayce

 

Korrektorat: Sabine Wagner, KoLibri Lektorat

Buchcoverdesign: Sarah Buhr / www.covermanufaktur.de unter Verwendung von Bildmaterial von Ornithopter; AS inc / www.shutterstock.com

Buchsatz: Stefan Stern / www.wortdienstleister.de

 

Mina Jayce

c/o Stefan Stern

Feldkreuzweg 11

79793 Wutöschingen

mina.jayce@web.de

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. 

Prolog

Hi,

mein Name ist Jones. Alexander Jones, und ich bin süchtig.

Nach Unternehmen.

Ich schlucke sie. Manchmal täglich.

Eines nach dem anderen.

Ganz langsam oder ganz schnell.

Mit Genuss oder Ablehnung.

So wie andere in Fitnesscenter pilgern, oder ins Kino gehen, drehe ich meine eigenen Filme und mache mir einen Sport daraus, Firmen aufzukaufen, Existenzen zu verändern und sie nach meinen Vorstellungen zu formen … Oder mit visionslosen, unprofitablen Firmen kurzen Prozess zu machen und sie zu vernichten.

 

Im Grunde genommen führe ich ein makelloses Leben, die Art von Perfektion, nach der sich die Mehrheit sehnt. Mehr noch: Ich lebe diese Fiktion von Glück. Doch es ist eine bloße Fassade, die ich täglich mit viel Einsatz und Leidenschaft aufrechterhalte. Über die die Medien mit Freude berichten, über die sie spekulieren oder versuchen, mich zu vernichten … Doch das amüsiert mich nur, denn ich kann nicht untergehen, mich kann niemand verletzen … Ich bin Alexander Jones, CEO eines Imperiums, Inhaber von vielen Existenzen und Jongleur einer Zukunft, die ich vollkommen mitbestimme. Menschen scharren sich um mich, heben mich auf Podeste, legen mir ihre Herzen zu Füßen … Vor allem die Frauen. Vor allem die schönen … Mit ihren betörenden Augenaufschlägen versuchen sie, mich willenlos zu machen, sie wollen mich mit ihrer verführerischen Präsenz einfangen und nie wieder loslassen. Sie klammern sich an mich. Sie greifen nach mir. Sie wollen alles … Doch vor allem eines … Etwas, das ich nicht bereit bin, zu geben: Liebe.

Eine Erfindung für Versager. Sie macht Menschen angreifbar, zu wehrlosen Träumern, unachtsam und verletzlich. Und das bin ich nicht. Alexander Jones ist immer auf der Lauer, achtsam und nicht verwundbar. Und vor allem tut er eines nicht: Er verliebt sich nicht. Vor allem nicht in die Richtige.

Niemals.

Verstanden?

Kapitel 1

Es ist ein sonniger Tag im Spätherbst. Das rostrote Laub fällt von den Bäumen und sammelt sich spiralartig an den Gehsteigseiten. Die Sonne steht tief und die letzten Strahlen deuten den Beginn eines kalten Winters an. Es ist kein besonderer Tag, als ich an diesem Morgen aufstehe, den Wecker verfluche, in die Dusche springe und der alltäglichen Gewohnheit ihren Lauf lasse: Die kaputte Brause spritzt den Boden nass, der Teekocher sprudelt unterdessen über, die Bluse hängt zerknittert auf einem Kleiderbügel und wartet darauf, mit einem Bügeleisen Bekanntschaft zu machen, während mein Magen knurrt, als hätte er die letzten Tage eine Hungersnot erleiden müssen. Ich fahre mit dem Bügeleisen im Schnelltempo über meine Bluse und checke mit der linken Hand mein Handy, welches seit einigen Minuten am Dauervibrieren ist. Nicht einmal am frühen Morgen hat man seine Ruhe! Mein Handy steckt in einer E-Mail-Rushhour fest. In Summe zehn neue Nachrichten. Dorothy – die beste Assistentin der Welt und zu meinem Bedauern Frühaufsteherin – ist gerade mit Elan dabei, E-Mails wie Dartpfeile ins Cybernetz zu schießen. Alles in CC an mich. Wo andere sich in den frühen Morgenstunden im Bett laben, oder im Übereifer joggen gehen, beeindruckt sie halb Manhattan mit ihrer E-Mail-Schnellschreibkompetenz. Sie hat mir mal erklärt, dass Betten für sie nach sechs Uhr morgens feindliches Terrain sind. Im Grunde genommen bin ich ihr für ihr Engagement dankbar, denn sie hält unsere Geschäftspartner bereits in den zähen Morgenstunden in Schach und bei Laune. Eher bei Laune, denn seit ich vor mehreren Wochen die angeschlagene Firma meines Vaters übernommen habe, bin ich damit konfrontiert, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen, was leider ein schwieriges Unterfangen ist. Die meiste Zeit schlage ich mich mit Lieferanten herum, denen wir noch Geld schulden, oder lasse mir unzählige Dates mit meinem Bankbetreuer aufbrummen, in denen er mir jedes Mal hingebungsvoll erklärt, dass man Kredite, die man aufgenommen hat, auch irgendwann zurückzahlen muss. Doch so einfach ist das nicht, denn der unternehmerische Erfolg lässt auf sich warten. Also muss sich auch mein nerviger Bankbetreuer in Geduld üben. So recht gelingt mir die Wende nämlich nicht. Und das trotz Harvard-Abschluss und 13-Stunden-Arbeitstagen, die ich täglich in Vaters ehemaligem Büro im Herzen von Manhattan absolviere.

Mist! Und nun fällt mir auch noch die Tasse auf den Boden und zerschellt in tausend Stücke. Verdammt noch mal! Kann der Tag nicht besser anfangen? Ich bücke mich, um die Scherben aufzuheben. Vielleicht liegt es am Schlafdefizit, dass meine Konzentration es nicht einmal mehr vermag, eine Tasse zu halten. Seit Wochen halte ich es bereits mit wenig und einem vor allem unruhigen Schlaf aus, nur weil ich mit Sorgen um die Firma einschlafe und mit Sorgen rund um die Firma wieder aufwache. An der Spitze eines Unternehmens zu sitzen, hatte ich mir wesentlich einfacher vorgestellt … und eigentlich war es auch nie mein Lebensziel gewesen. Wie es dazu kam, dass ich plötzlich die Geschäftsführerin eines angeschlagenen Konzerns wurde?

Eigentlich ist das ziemlich schnell erklärt, zumindest wenn es um die Fakten geht, denn mein Vater erlitt vor einem halben Jahr einen schweren Herzinfarkt, weshalb er absolute Ruhe vom Doktor verordnet bekam. Ginge es nach ihm, würde er weiterhin in seinem Ledersessel sitzen und die Geschäfte lenken, denn die Firma ist sein ganzer Stolz. Mehr noch, sie ist beinahe seine große Liebe. Wobei die reale und weitaus größere Liebe seines Lebens meine Mutter ist. Und genau die hatte ihm nach dem Herzinfarkt die Hölle heiß gemacht, als er mit der Idee ankam, wieder mit der Arbeit zu beginnen. »Ich fessele dich ans Bett, wenn es nötig ist!«, drohte sie ihm. »Die Firma kann untergehen, du nicht!« Er schluckte kräftig und ließ sich mit einem Murren in seinen Couchsessel zurückfallen, wo er nun den gemütlichen Großteil seines Tages verbringt.

Aus diesem Grund bleibt der tägliche Gang in die Larson-Company mir überlassen. Leider lebe ich mit dem Druck im Nacken, dass ich mit dem Scheitern des Unternehmens auch den Untergang meines Vaters einläuten würde. Ich kämpfe also nicht nur für die vielen Arbeitsplätze, die er geschaffen hat, und um einen Haufen Geld, sondern auch um meinen Dad. Einst hatte er den Konzern mit viel Leidenschaft und Hingabe unter beschwerlichen Bedingungen aufgebaut und zu dem gemacht, was es vor etlichen Monaten noch war: einer der erfolgreichsten Uhrenproduzenten in ganz Amerika. Doch nun sitzt uns die Insolvenz im Nacken und ich schlage mich seit Wochen durch die skrupellose Unternehmenswelt und hoffe täglich darauf, den entscheidenden Sieg zu erringen, um die Firma wieder auf Kurs zu bringen. Auf meiner Wunschliste ganz weit oben steht ein finanzkräftiger Investor, der an unser Familienunternehmen glaubt und es mit mir wieder zu früheren Glanzzeiten führen möchte. Im Idealfall ist der Finanzier nicht nur mit viel Kapitalkraft ausgestattet, sondern auch noch mit zukunftsträchtigen und bahnbrechenden Visionen gesegnet. Und dieses Aufstöbern ist noch schlimmer als die Suche nach Mr. Right. Es bräuchte schon so eine Art Business-Tinder-App, um potentielle Investoren mit guten Absichten aufzuspüren, denn die meisten von ihnen warten sehnsüchtig darauf, dass wir in der Masse des Marktes untergehen. Wir stellen Uhren her und man sollte meinen, dass man in der heutigen Zeit damit ordentlich viel Geld machen kann, denn noch nie war Zeit so kostbar wie heute. Doch seit es Smartphones gibt, sind die Verkäufe in allen Uhrensegmenten, ob Luxus oder Low-Budget, deutlich zurückgegangen. Nun befinden wir uns in unserer schlimmsten Krise. »Höchste Alarmstufe, Untergang steht knapp bevor« würde ich mit wenigen Worten unsere Lage zusammenfassen, denn so oder so ähnlich steht es in meinen schlauen Harvard-Wirtschaftsbüchern, dessen Wissen ich noch vor wenigen Monaten unschuldig in mich aufgesogen habe. Hätte ich gewusst, auf was ich mich da einlasse, dann hätte ich wohl besser Toilettenkosmetik studiert. So viel steht fest. Dass das Wirtschaftsleben in Wahrheit ein so verkorkster Drahtseilakt ist, lässt mich jeden Tag aufstöhnen, denn Theorie und Praxis passen in den meisten Fällen nicht zueinander. Weshalb habe ich so viel Zeit auf einer Uni verbracht, wenn ich jetzt nicht weiß, wie ich es richtig machen muss? Wozu die vielen schlaflosen Nächte, in denen ich Wirtschaftsrecht, Finanzierung und Marketing gelernt habe? Alles umsonst … Logisch, dass ich meine schlauen Harvard-Bücher erst vor Kurzem aus einer enthusiastischen, betrunkenen Laune heraus, mit Lenny – meiner besten Freundin – und zwei Flaschen Schampus, in meiner Badewanne verbrannt habe. Ein naiver Verzweiflungsakt. Zumindest im Nachhinein gesehen, denn seit diesem Bücherbegräbnis habe ich dunkelgraue Wände in meinem Badezimmer, dessen Renovierung ich mir gerade nicht leisten kann.

Immerhin ein hilfreicher wirtschaftlicher Gedanke, denn ich bin mir dessen bewusst, dass eine Badezimmerrenovierung mein Sparkonto zum Weinen bringen würde. Harvard sei Dank.

 

Nach einigen Minuten verlasse ich frisch geduscht und in einem gut sitzenden schwarzen Kostüm meine Wohnung in Chelsea. Mit diesem Auftreten könnte ich auch als Aufsichtsdame in einem Internat durchgehen, doch mir sind zurückhaltende Outfits wichtig, und noch relevanter sind hochgeschlossene Blusen. Meiner Meinung nach machen sie mich sexy. Lenny meint, ich erinnere sie an ihre Oma. Doch Lenny hat keine Ahnung, was man als Businessfrau trägt, immerhin arbeitet sie die meiste Zeit in Jogginganzügen und trägt eine rosafarbene Haube, weil sie dadurch ihre kreativen Gedanken im Kopf behält, so ihre Meinung darüber. Lenny ist freie Journalistin und kann selbst von ihrem Klo aus arbeiten, hat sie mir mal bei einer Tasse Gin erklärt. Abends schlüpft sie dann gerne in eines ihrer schärfsten Kleider und macht Manhattan unsicher. Auch sie ist Single, so wie ich, und schlägt sich mehr recht als schlecht durch das Datingleben New Yorks. Im Gegensatz zu mir lernt sie andauernd neue Typen kennen und hat sich aufgrund der Vielzahl ihrer Kontakte bereits eine externe Speicherkarte für ihr Telefon zugelegt. Schnell überquere ich die Straße, halte die dunkle Leinentasche, in der sich mein Laptop und ein paar Firmenunterlagen befinden, fest und hole mir bei Starbucks einen ordentlichen Cappuccino mit einem doppelten Espresso, weil mein homemade coffee einfach grässlich schmeckt. Irgendwann werde ich mir mal eine sündhaft teure Kaffeemaschine zulegen. Jawohl, das wird meine erste Belohnung sein, sobald die Firma wieder schwarze Zahlen schreibt. Oder aber, ich miete mir einen männlichen Barista, mit einem doppelten Sixpack und einem süßen Dreitagebart, an dem gerne mal ein wenig Milchschaum kleben darf. Puh … Höchste Zeit, mal wieder einem heißen Typen über den Weg zu laufen. Der Barista bei meinem Starbucks ist nämlich klein … und nun ja … weiblich.

 

Mmh schmeckt der Cappucino gut! Er gleitet sanft meine Kehle hinunter und pumpt Adrenalin in meine müden Glieder, was dringend notwendig ist, denn die letzte Nacht habe ich damit verbracht, die perfekte Unternehmenspräsentation für Mr. Jones zusammenzustellen. Doch mir blieb nichts anderes übrig, denn in dieser Hinsicht bin ich Perfektionistin (Harvard-Relikt). Immerhin habe ich gleich einen wichtigen Termin mit Alexander Jones, CEO von Jones Corporation, den ich als Investor für unser Unternehmen gewinnen möchte. Ich kenne ihn nicht und habe bewusst keine Informationen im Vorfeld über ihn eingeholt, um keine vorgefertigte Meinung über ihn zu haben. Ich bin besser, wenn ich spontan agieren kann, dann kann ich sogar zu Höchstleistungen auflaufen. Präparierte Texte und Schmeicheleien (aufgrund der Internetinfos) sind nicht so mein Ding. Ich haste über die Treppe zur U-Bahn hinunter, um pünktlich bei ihm zu erscheinen. Eine Verspätung wäre mein Untergang. Angeblich kann dieser Jones zu spät kommende Menschen nicht ausstehen und vergibt aufgrund seiner Zeitknappheit ohnehin nur kurze Terminslots, was bedeuten würde, dass ich mit einem Zuspätkommen vermutlich bereits in seine nächste Besprechung platzen würde. Außerdem musste ich auf diesen Termin mehrere Wochen warten und hätte Dorothy nicht irgendjemanden in seiner Firma gekannt, würde ich wohl noch immer auf einen Zeitslot im nächsten Jahrhundert warten. Ich glaube, es ist leichter, mit dem Papst ein Treffen zu arrangieren als mit Alexander Jones.

 

Als ich nach dem öffentlichen Verkehrsmarathon über die Stufen wieder in das Tageslicht trete, erspähe ich einen glitzernden Turm, in dem sich das Sonnenlicht Manhattans widerspiegelt. Der Wolkenkratzer ragt erhaben in die Höhe und lässt die anderen größenwahnsinnigen Gebäude rundherum beinahe wie ein klägliches Scheitern aus Beton und Glas wirken. Führt der Turm direkt in den Himmel? Ich komme mir daneben wie eine kleine Ameise vor, die sich in der Häuserschlucht Manhattans verirrt hat. Soll mir mal jemand erklären, was die reichen New Yorker Unternehmer alle mit ihren Wolkenkratzern haben. Wie es scheint, wollen alle den größten Turm besitzen, als ginge es ihnen um das Teil in der Hose, das ihre Männlichkeit repräsentiert. Nun ja, dieser ominöse Mr. Jones dürfte in dieser Hinsicht wohl (k)ein Problem haben. Jones gilt laut Dorothy als einer der einflussreichsten New Yorker Unternehmer. Mal sehen, ob er etwas für die Larson-Company übrighat. Zügig nähere ich mich der verspiegelten Fassade und zucke beinahe vor Ehrfurcht zusammen, als ich die großen Lettern auf dem Eingang lese. Jones Corporation steht in überdimensionalen Messingbuchstaben darauf. Seelenlose Metalldinger, die mir den letzten Rest an Sicherheit nehmen. Ich straffe meine Schultern und richte mich auf. Es ist nur ein Gebäude, Meredith! Bloß ein Stein auf dem anderen … In verschwenderischen Unmengen aufeinandergestapelt … Nur ein größenwahnsinniger Wolkenkratzer! Mehr nicht … Doch mein Mantra ist wirkungslos. Es ist besser, ich betrete, ohne viel darüber nachzudenken, die Höhle des Löwen. Laut Dorothy soll er beinhart in Verhandlungen sein. Ein eiskalter Typ, der immer auf seinen Vorteil fokussiert ist. Tja, wer braucht schon das Internet als Infoquelle, wenn er Dorothy hat!

Beim Empfang melde ich mich an, werde dann durch die imposante Halle mit schwarz-weißem Fliesenboden und teuren Wandgemälden geführt, und zu den Aufzügen gebracht. Der Lift Boy fährt mich schweigend hoch in den letzten Stock.

Beim 67. Stockwerk ertönt ein leiser Gong.

Noch einmal tief ein- und ausatmen. Einatmen, ausatmen wie beim Yoga, oder als Vorbereitung auf eine Geburt. Denn vielleicht wird gerade der Meilenstein für den Sieg meines Unternehmens geboren.

Die Lifttür geht auf und ich spaziere mit meinen nächsten drei Schritten in einen exorbitant einschüchternden Empfangsbereich. Der Duft von Geld und Erfolg liegt in der Luft. Eine Art Hall of Fame des Triumphes, in die ich soeben gestolpert bin. Ein Museum für außergewöhnliche Leistungen, in der es nach teurem Parfum stinkt, die Frauen in ihren hohen Absätzen galant auf weißem Marmorboden dahinschreiten und die teuren, farbenfrohen Gemälde an der Wand dem Raum eine freundliche Note verpassen. Rundherum Glas, wodurch man schwindelerregend wachsam die Skyline New Yorks sehen kann, als würde man darüber schweben. Definitiv nichts für schwache Nerven. Die hohen Räume ragen in den Himmel, als wollten sie ihn berühren und hinter dem schwarzen, monströsen Empfangstresen kann man durch die meterhohen Fenster das Empire State Building erkennen. Wow, das ist einzigartig! Die Aussicht ist phänomenal! Dennoch, so bezaubernd der Ausblick auch ist, die Atmosphäre im Raum macht mich klein, kleiner als ich in Wahrheit bin. Der glänzende, schwarze Empfangstisch ist das Stop-or-Go-Symbol, das sich mir in den Weg stellt. Wer sich hier erfolgreich anmeldet, darf weiter … Wird in ein Gericht überführt, welches über Erfolg oder Niederlage entscheidet, denn schräg hinter dem Empfangsbereich liegt das Büro des CEO. Da bin ich mir sicher, denn es ist die einzige Doppeltür, hinter der sich vermutlich ein riesengroßes Büro befindet. Die pompösen Flügeltüren sind geschlossen. Wer sonst als der Macher dieses erschreckend einschüchternden Bürokomplexes sollte hinter diesen schweren Türen thronen?

Zaghaft schlendere ich zum Empfangstisch. »Guten Morgen, mein Name ist Meredith Larson und ich habe einen Termin bei Mr. Jones.«

Der gut aussehende Mann nickt und tippt etwas in seinen Computer. »Mr. Jones wird Sie in wenigen Minuten empfangen. Sie können in der Zwischenzeit dort drüben Platz nehmen«, sagt er und deutet zu den schwarzen Lederstühlen in einer Ecke, die sich um einen glänzenden Glastisch säumen.

Ich nicke.

Als ich Platz genommen habe, schiele ich immer wieder zu der großen Tür, die sich in meinem Blickwinkel befindet, und warte darauf, dass sie endlich aufgeht. In diesem – noch unbekannten Raum – sitzt jener Mann, der in Windeseile mein Unternehmen und die Existenz meiner Familie retten könnte. Vermutlich bräuchte er nur zu schnipsen, ein paar Sachen in seinen Computer eintippen und die Firma würde mit Geld überflutet werden. Oder aber, er kann den Kopf schütteln und damit den Untergang der Larson-Company und den meines Vaters einläuten.

Um meine Nervosität und Unruhe zu besänftigen, stehe ich auf, ziehe mir ein Wasser aus dem Spender und trinke es hastig, sodass ich mich beinahe verschlucke.

»Mr. Jones empfängt Sie jetzt«, sagt der Typ vom Empfang, der plötzlich hinter mir aufgetaucht ist und mich argwöhnisch mustert, als trüge ich pinke Schuhe zu einem roten Kostüm. Ich werfe den Becher in den dafür vorgesehenen Mülleimer und folge seinen quietschenden Schritten. Ein wenig komme ich mir so vor wie in Stephen Kings Buch The Green Mile … Bei meinem letzten Gang, auf meinen letzten Metern Leben. Wir bleiben vor der großen Flügeltür stehen. Dann drückt der Empfangschef auf einen Knopf an der Wand, was mir wie eine Art Klingel erscheint, und einen Augenblick später schwingt die Tür weit nach innen auf.

Wir treten ein.

»Mr. Jones, Ihr Termin«, erklärt mein Begleiter.

Nervös starre ich nach vorne, auf den großen Schreibtisch, hinter dem sich die Häuserschluchten Manhattans wie Untergebene in den Himmel strecken. Ein kalter Schauer jagt durch meinen Körper, als der Mann hinter dem imposanten Tisch hochsieht, und mich mit einem neugierigen Blick durchbohrt, von dem ich Stunden brauchen werde, um mich davon zu erholen. In seinen Augen liegt eine Unverwüstbarkeit, aber vor allem Schönheit und zugleich eine vollkommene Unnahbarkeit … Himmel! So etwas Perfektes wie diesen Anblick habe ich noch nie zuvor gesehen. Ich vergesse die Sache mit dem Barista in Boxershorts, denn wenn ich nur noch drei letzte Atemzüge übrig hätte, würde ich nichts lieber tun, als meine Lippen auf seine zu pressen und in seinen Armen zu sterben. Ich schlucke und versuche, ruhig zu atmen, was mir schwerfällt, da mich sein Blick noch immer festhält. Seine stahlblauen Augen fixieren mich, machen mich unbeweglich und beschleunigen meinen Herzschlag, sodass ich Angst bekomme, mein Herz würde vor Leidenschaft und Hingabe gleich explodieren. »Guten Tag, Miss Larson«, sagt er und klappt ein schwarzes Notizbuch zu, das vor ihm auf dem Tisch liegt. Ich nicke und starre ihn an.

Er schiebt eine Augenbraue nach oben und sieht mich abwartend an. Vielleicht wäre jetzt der Moment, um eine Reaktion zu zeigen, um irgendetwas zu sagen. Doch ich bleibe stumm wie Eva, die sich gerade in Adam verliebt hat. Langsam wendet er seinen Blick von mir ab, steht von seinem schwarzen Ledersessel auf, stemmt dabei seine sehnigen Arme in die Stuhllehnen und krempelt die Ärmel seines weißen Hemdes hinunter, womit er der Bequemlichkeit, die er sich vermutlich in den letzten Minuten vor meinem Eintreffen gegönnt hat, Einhalt gebietet. Lässig schlüpft er in sein dunkelblaues Sakko, verschließt einen Knopf und kommt selbstsicher, mit einer dezenten Überheblichkeit, auf mich zu. Himmel! Diese Arroganz steht ihm! Der Typ ist sexy! Jeder seiner Schritte ist zwanglos, von einer Sicherheit geprägt, die jeder Unebenheit trotzt. Die Eleganz und Dominanz, die er beim Gehen versprüht, hinterlässt mich atemlos und ich bin mir mittlerweile sicher, dass eine Flucht aus diesem Büro, aus seiner Welt, das Beste für mich wäre. … Doch das hätte ich tun müssen, bevor mich seine hellblauen Augen eiskalt erwischt haben.

Er kommt weiter auf mich zu und seine Aura verbrennt mich. Meine Haut prickelt, in meinem Bauchraum zieht es. Bei Gott nicht unangenehm. Sonderbar … willkommen.

»Miss Larson«, sagt er mit heiserer Stimme und streckt mir seine Hand entgegen. Ich ergreife sie und merke ein Prickeln, das sich durch die Wärme seiner Hand auf mich überträgt. Ob er es auch spürt?

»Miss ist doch richtig, oder?« Er gibt meine Hand frei.

Ich nicke.

Vollkommen unverheiratet … Single … wollen Sie mich heiraten?, liegt mir auf der Zunge, doch meine Mutter sagte immer, man solle nicht mit der Tür ins Haus fallen. »Mr. Jones«, stammele ich. Verklärt sehe ich ihn an, denn zu mehr Tatendrang oder einer sinnvollen Äußerung bin ich ohnehin nicht fähig. Ich könnte ihn also gar nicht fragen, ob er den Rest seines Lebens mit mir verbringen möchte. Aber jetzt wird es Zeit, sich aus diesem schönen Tagtraum zu lösen. Drei, zwei, eins … Aus! Schlag dir das Bild mit ihm in zerwühlten Laken aus dem Kopf! So weit wird es nicht kommen … Heute zumindest nicht.

Doch ich entkomme der Verlockung nicht, die er auf mich ausübt. Allein sein Geruch lässt mich in einer anderen Sphäre tanzen. In einer Welt, in der es um sinnliche Küsse geht, verheißungsvolle Berührungen, und sich alles um pure Hingabe zwischen zwei Liebenden dreht.

Unwillkürlich muss ich mich nach vorne lehnen, weil meine Lippen einen Plan geschmiedet haben, mein Gegenüber zu küssen. Weil es gerade nichts Anziehenderes für sie gibt, als seine blassroten, vollen Lippen zu berühren. Himmel! Was mache ich hier?

Hastig taumele ich ein paar Schritte zurück, um mich aus diesem verheißungsvollen Lasso der schicksalhaften Verführung zu befreien.

»Mr. Jones, danke, dass Sie sich Zeit genommen haben«, murmele ich und versuche, meine rationale Ebene im Gehirn wieder anzuschalten. Es gelingt mir, und das, obwohl ich merke, dass er noch immer beabsichtigt, mich mit seinem verfänglichen Lächeln, das nun seine Lippen ziert, auf die vorherige Ebene zurückzubringen. Dorthin, wo Hingabe und Ekstase sich die Waage halten.

»Lassen Sie uns Platz nehmen«, schlägt er vor und deutet auf einen großen Glastisch, der neben den bodentiefen Fenstern steht. Zielstrebig geht er voraus, rückt mir in Gentleman-Manier einen Stuhl zurecht, woraufhin ich mich setze, und bietet mir Kaffee an.

»Cappuccino wäre fein, danke«, gebe ich von mir und er bestellt durch die Gegensprechanlage meinen Cappuccino und für ihn einen Espresso.

Mehrere Herzschläge lang sitzen wir uns schweigend gegenüber. Ich unsicher, er überlegen, ehe die Tür aufgeht und eine Dame uns die heißersehnten Kaffeetassen bringt. Danach verschwindet sie wieder.

Die seltsame Stille, die über den Dächern New Yorks herrscht und die mächtige Präsenz von Jones, die diesen Raum auflädt, verschlagen mir die Worte. Verstohlen sehe ich ihn an, wissend, dass es wohl besser wäre, den Blick von seiner ausgeprägten Kinnpartie zu nehmen, auf der sich ein erotischer Dreitagebart abzeichnet. Ich glaube, ich wurde noch nie in meinem Leben so aus dem Konzept gebracht. Warum muss ausgerechnet mir ein so wahnsinnig gut aussehender Geschäftspartner gegenübersitzen? Warum habe ich ihn nicht gegoogelt? Verdammt noch mal! Er sollte eigentlich hässlich sein, weit über sechzig und ich sollte nur das Verlangen nach seinem Investment verspüren, um knallhart mit ihm verhandeln zu können. Doch die ganze Angelegenheit ist äußerst verwirrend … und viel zu sexy!

Sein Handy vibriert, er nimmt es zur Hand. »Bitte entschuldigen Sie«, sagt er und tippt etwas auf seinem Display herum, was mir Gelegenheit gibt, ihn noch weiter zu betrachten. Sein braunes Haar trägt er elegant, was auf den ersten Eindruck zu perfekt erscheint und ich stelle mir vor, ob er ohne diesen maßgeschneiderten Anzug, ohne dieses makellose Auftreten, in legeren Freizeitklamotten und mit ungemachtem Haar ebenso anziehend auf mich wirken würde. … Ja, würde er. Definitiv. Vielleicht sogar noch mehr. Er ist ein Mann, wo man von Anfang an kein gutes Gefühl hat, wie bei der Herdplatte, die heiß ist, und auf die man nicht greifen darf. … Und es dennoch tut, weil man wissen will, wie es sich anfühlt, der Schmerz, den man ersehnt. Seine stahlblauen Augen sind von einer unendlichen Tiefe geprägt, in die man in einem unachtsamen Moment fallen könnte, doch vermitteln sie auch das Gefühl, dass es diese unbeschwerten Augenblicke in seinem Leben nicht gibt.

Vorsichtig nehme ich einen Schluck vom Kaffee und lächele ihn sanftmütig an. Er sieht hoch in mein Gesicht, legt das Handy beiseite, und kontert meine Sanftmut mit einem harten Blick.

»Miss Larson, wir sollten nun anfangen. Ich habe für Sie exakt fünfzehn Minuten Zeit. Keine Sekunde länger«, bemerkt er trocken und verschränkt seine Hände auf dem Tisch.

Nur fünfzehn Minuten? Damit kann ich meine halbstündige Präsentation knicken!

Ich nicke und ziehe meine Mappe mit relevanten Dokumenten aus meiner Stofftasche, um ihm zumindest das Wesentliche zu zeigen.

Er winkt ab. »Nicht notwendig, Miss Larson. Ich habe mir bereits alle Unterlagen besorgt, die ich für eine Einschätzung Ihrer Sachlage benötige. Geben Sie mir eine Minute, um es Ihnen zu erklären.«

Verwirrt sehe ich ihn an. Eine Minute? Sachlage?

»Ihr Unternehmen hat im letzten Jahr horrende Verluste erzielt, eine Weiterführung unter diesen Bedingungen ist, nach meinen Recherchen und Zahlen, schlichtweg unmöglich … nicht rentabel. Die Personalkosten sind zu hoch, die müsste man extrem kürzen, beziehungsweise könnte man auch die Belegschaft austauschen, sie durch neue und dadurch kostengünstigere Arbeitskräfte ersetzen. Ihre Uhrenproduktionen liegen absolut nicht mehr im Trend, um nicht zu sagen, sie sind ganz großer, antiquierter Mist, was heißt, dass Sie mit Ihren Konkurrenten aktuell und auch in Zukunft unter diesen Voraussetzungen nicht mithalten können. Ihr Produktionsstandort ist viel zu teuer! Niemand produziert heutzutage noch solche Produkte in den USA. Ich schätze ihren Vater, er war einst ein Mann mit großen Visionen, hatte einen sehr erfolgreichen Konzern gegründet, doch die Revisionen durch die Zeit und die veränderten Konsumgewohnheiten der Amerikaner außer Acht gelassen. Ich weiß, ihr Vater hält viel davon, die amerikanische Wirtschaft zu unterstützen, Arbeitsplätze zu sichern, doch wenn Sie Gewinn erzielen wollen, ist diese Vorgehensweise sinnlos. Absolut sinnlos, leider! Sie könnten mit einer Produktion in China oder Südamerika hohe Fixkosten sparen. Um es kurz zu machen, und ehe ich Sie mit meinem Wissen, das Ihnen vermutlich schon längst bewusst ist, weil Sie eine erfolgreiche Harvard-Absolventin sind, zu langweilen, schlittern Sie in den kommenden Monaten in eine unaufhaltsame Insolvenz. Game over.« Er hebt die Hände in die Höhe. Sein Blick, den er dabei aufsetzt, ist kalt und emotionslos, als würde er sagen, dass die Tomaten ausverkauft sind. Kein Bedauern, keine Empathie für meine Probleme, bloße Gleichgültigkeit, entsendet er in meine Richtung.

Unsicher sehe ich ihn an, denn seine präzisen Aussagen haben sich wie ein Seil um meine Hoffnung geschürt und ihr die Luft zum Atmen genommen.

»Miss Larson, haben Sie verstanden, was ich Ihnen soeben erklärt habe? Sie können Ihr Unternehmen – so wie Sie es derzeit leiten – unmöglich weiterführen. Aufgrund Ihrer schlechten Kennzahlen und der horrenden Verluste ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem vollkommenen Kollaps kommt. Der Verkaufswert, den Sie aktuell erzielen können, ist bloß noch sechsstellig. In ein paar Monaten wird er weiter gesunken sein. Sie täten gut daran, das Unternehmen sofort abzustoßen.«

»Abstoßen?«

»Verkaufen.«

»Was ist das für eine respektlose Wortwahl?! Ich stoße doch kein Unternehmen ab. Vor allem nicht das meines Vaters! Für was halten Sie sich, mir so etwas zu raten? Er hat sein ganzes Leben dafür investiert, war nie zu Hause, hat immer nur gearbeitet, war auf keiner meiner Schulaufführungen –«

»Das ist bedauerlich«, sagt er mit einem gleichgültigen Tonfall und zeigt mir damit, dass ihn meine kindlichen Erinnerungen nicht interessieren.

Ich schüttele hastig den Kopf. »Außerdem ist Ihre Einschätzung komplett falsch. Dem Unternehmen fehlt es an liquiden Mitteln –«

»Dem Unternehmen fehlt es an einer zeitgemäßen Vision und innovativen Produkten. Verkaufen Sie die Firma und suchen Sie sich mit ihrem Harvard-Wissen einen guten Job. Sie kommen bestimmt im mittleren Management unter.«

»Tz«, stoße ich aus und streiche mir mein langes, braunes Haar nach hinten. »Ich hatte von Anfang an nicht vor, die Firma zu veräußern. Ich bin lediglich auf der Suche nach einem Investor! Ein Verkauf kommt überhaupt nicht infrage! Kapiert?!«

Er belächelt meine Aussage auf eine unverschämte Art und Weise. »Investor? Für dieses Unternehmen?« Er seufzt laut, als wäre es die absurdeste Idee der Welt, als müsste er sich zurückhalten, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. »Sind Sie deshalb hergekommen? Weil Sie mich als Investor haben wollen?«

Ich nicke.

»Dann haben Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Ich investiere grundsätzlich nicht. Ich kaufe, ich übernehme, doch spiele ich nicht Mutter Theresa. So etwas liegt mir nicht … Außerdem sollten Sie die Suche aufgeben, denn ich bin mir sicher, dass Sie für das Unternehmen keinen Investor finden werden. Nicht hier, oder sonst wo! Sehen Sie sich einmal die Zahlen an. Das haben Sie hoffentlich schon, oder? Kein vernünftig denkender Mensch würde in diese Firma einsteigen. Außer der WWF vielleicht … weil Sie ein vom Aussterben bedrohtes Unternehmen sind und veraltete Uhren, also Uhren-Raritäten, anbieten. Miss Larson, verzeihen Sie, dass ich Ihre naiven Träume in Luft auflösen muss, doch ich interessiere mich nicht dafür, in Ihr Unternehmen einzusteigen, sondern, es zu kaufen.«

Ich greife nach meiner Tasse, um mich an ihr festzuhalten.

»Komplett. Ich habe vor, es ganz zu kaufen. Verstehen Sie?«

»Das geht aber nicht, denn wir verkaufen nicht. Ich verkaufe nicht!«, sage ich mit fester Stimme und lasse die Keramiktasse wieder los.

»Dann verschwenden Sie meine Zeit. Ich kaufe Unternehmen, oder fusioniere mit ihnen und mache sie zu meinem Eigentum. Aber steige niemals irgendwo als Gesellschafter ein … Kooperationen und Partnerschaften …« Er schüttelt angewidert den Kopf. »… liegen mir nicht.«

»Verständlich, bei Ihrer Einstellung! Wer würde mit Ihnen schon zusammen sein wollen?«

Meine doppeldeutige Aussage zaubert eine Zornesfalte zwischen seine Augenbrauen.

»Miss Larson, so wie ich die Lage einschätze – und ich bin verdammt gut darin, die richtige Perspektive zu wählen –, sind Sie, gelinde gesagt, an einem finalen Punkt angelangt. Um es kurz zu machen, wenn Sie einen Teil Ihres Unternehmens retten wollen, verkaufen Sie es mir. Ein Teil Ihrer Belegschaft kann bestimmt übernommen werden und auch die Produkte werden nicht ganz durch neue ersetzt werden. Das Erbe Ihres Vaters bleibt in einigen Aspekten bestehen. Eventuell finde ich sogar einen kleinen Job für Sie. Buchhaltung vielleicht. Hm?« Er fischt nach einem glänzenden, schwarzen Kugelschreiber, der neben seinem Jones Corporation geprägtem Papier liegt, und kritzelt eine Zahl auf das champagnerfarbene Blatt. Dann schiebt er mir den Zettel hinüber.

»Ich biete Ihnen einen fairen Preis für das Unternehmen Ihres Vaters.«

Ich fische nach dem Papierstück und lese die unverschämte Summe, die er mir aufgeschrieben hat.

»Kommt nicht infrage! Überhaupt nicht!« Energisch schüttele ich meinen Kopf und greife nach meiner Tasche. Mein Vater würde daran zugrunde gehen. Nie und nimmer würde ich das Angebot annehmen! Das kann er sich in den Arsch schieben!

Ich bin dabei, aufzustehen, doch er stoppt mich, indem er mir seine Hand auf meine legt und mit der anderen erneut etwas auf ein Blatt Papier kritzelt. Dann schiebt er es mir zu.

»Sie wollen stille Post spielen?«, frage ich sarkastisch.

»Lesen Sie erst, bevor Sie urteilen.« Er deutet ein Nicken Richtung Papier an. »Das ist mehr, als sie in den letzten Jahren mit ihrem Unternehmen verdient haben, mehr, als es tatsächlich wert ist. Damit können Sie sich in Ruhe zur Maniküre setzen. Und das täglich. Oder sich bei Louis Vuitton eine ordentliche Businesstasche leisten.«

Kurz verharrt sein Blick auf meiner Stofftasche, in der mein Laptop steckt, und mustert sie belustigt.

»Ich habe eine Handtasche, diese da!«, zische ich, hebe sie hoch und schwenke sie vor seiner Nase in der Luft. »Sie sind beleidigend und dreist! Ihr Geld können Sie sich sonst wohin stecken, Ihr Reichtum kann mich nicht beeindrucken! In keinster Weise!«

»Nicht? Aber Sie haben doch nichts. Das alles muss Sie doch mächtig faszinieren.« Er deutet mit einer Armbewegung in den Raum, zum teuren Interieur, den nach Geld stinkenden Wandgemälden und schenkt mir schlussendlich noch ein selbstgefälliges Grinsen, während er sich in seinem maßgeschneiderten Anzug besonnen zurücklehnt.

»Intelligenz und Empathie beeindrucken mich. Kein Lederstuhl, für den Idioten mehr als 3.000 Dollar zahlen.«

Jones schluckt, das sehe ich an seinem Kehlkopf, und presst die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. »Wie Sie wollen …«, knurrt er und tippt auf die grüne Taste des Telefons, das auf dem Glastisch steht.

Ein etwas älterer Mann erscheint einen Augenblick später im Raum.

»Ja bitte, Mr. Jones, was kann ich für Sie tun?«, fragt der Typ, der einen blauen Arbeitsanzug trägt und auf dessen Brust »Facility Management« steht.

»Jonathan, bitte bringen Sie für Miss Larson einen Plastikstuhl. Sie möchte lieber billig sitzen.«

Erbost schneide ich mit meiner Armbewegung die Luft. »Nicht nötig, Jonathan, nur keine Bemühungen. Ich habe in meinem Büro einen Billigstuhl, auf den ich mich jetzt setzen werde. Vielen Dank, Mr. Jones, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um mir ein unverschämtes Angebot zu unterbreiten! Doch ich fürchte, wir werden es ablehnen müssen. Mit Menschen wie Ihnen verhandeln wir nicht. Grundsätzlich nicht, müssen Sie wissen. Also zerstückeln sie lieber eine andere Firma, denn uns bekommen Sie nicht in Ihre Finger! Niemals!« Wütend schnappe ich seine beiden Zettel, zerreiße sie in der Luft, ohne auf das letzte Offert gesehen zu haben, und lasse sie in unzähligen Papierstücken auf den Boden rieseln. »Auf Wiedersehen.« Ich packe erst meine Stofftasche, dann die Handtasche und marschiere in Richtung der protzigen Flügeltür.

»Früher oder später werde ich die Firma Ihres Vaters kaufen … Es ist nur eine Frage der Zeit, denn es endet immer so! Vergessen Sie das nicht! Ticktack.« Er verschränkt entspannt seine Hände am Hinterkopf und bedenkt mich mit einem Lächeln, als wäre er Gott.

Boah! Das ist das Letzte! Wütend stapfe ich in meinen High Heels nach draußen und bin mir sicher, dass ich ihm soeben Löcher in den schicken Fußboden gebohrt habe. Die Türen fallen mit einem Krach ins Schloss.

Auf Nimmerwiedersehen, du arroganter Mistkerl!

 

***

 

»Er will sich nicht am Unternehmen beteiligen, sondern es kaufen. Ganz!«, rufe ich wütend, während ich über den Gang in mein Büro poltere. Dorothy, die bereits seit zwei Jahrzehnten zum unverzichtbaren Personalinventar der Firma zählt, und auch meinem Vater immer treu ergeben war, läuft mir aufgeregt hinterher.

»Was soll das heißen, er möchte uns kaufen?«, fragt sie, als ich die Tür zu meinem Büro aufstoße.

»Vaters Firma ist in seinen Augen am Ende. Er will sie an sich reißen, zerschlagen und vermutlich in Einzelteilen verramschen. Er hat mir ein unverschämtes Angebot gemacht – total respektlos«, fluche ich, ziehe meine hohen, unbequemen Schuhe aus und pfeffere sie in die Ecke neben dem Schreibtisch. »Was glaubt dieser Jones eigentlich? Dass mein Vater das Unternehmen in der Lotterie gewonnen hat? Dass man es einfach verrecken lassen kann? All die Mitarbeiter? Den ganzen Unternehmensgeist? Was da an Arbeit und Herzblut drin steckt … Der hat doch überhaupt keine Ahnung, wie viel mein Vater investiert hat! Sein ganzes Leben hat er der Arbeit gewidmet, nur um am Ende einen Herzinfarkt zu bekommen und der Firma beim Untergehen zuzusehen. Er hatte nicht einmal im Urlaub Zeit, richtig abzuschalten. Er hat immer nur gearbeitet. Und nur weil Jones reich und ein Arsch ist, glaubt er, er könne alles kaufen. Doch so einem Mistkerl gehört die Welt nicht! Ich lasse mich von einem wie ihm bestimmt nicht einschüchtern! Und ich werde alles dafür tun, dass das Unternehmen wieder zu dem wird, was es einst war. Alles werde ich machen!«

»Meredith, beruhig dich! Ich weiß, du bist ehrgeizig, clever und ein Mädchen mit einer großen Empathie … Mit viel Mitgefühl für andere! Das warst du schon als Kind. Du hast dich immer um alle anderen gekümmert, aber du musst auch einsehen, dass nicht alles gerettet werden kann. Vielleicht hat dieser Jones ja recht. Dass die Firma unrentabel ist und –«

»Papperlapapp«, schneide ich ihr das Wort ab. »Der hat ja keine Ahnung! Ich werde das schon wieder hinbiegen!«

»Aber das versuchst du schon lange und … vergeblich! Du bist nicht für alles und alle verantwortlich. Schon seit Wochen bist du auf der Suche nach Investoren, flehst Banken und Lieferanten an, um dir noch Zeit zu geben … Doch im Endeffekt bekommst du jedes Mal nur einen Dämpfer. Nichts läuft, wie du es gerne hättest! Vielleicht wäre es besser, wenn du dem Lauf der Dinge nachgibst und damit aufhörst, den Erfolg zu erzwingen. Sonst gehst am Ende du noch daran zugrunde. Dein Vater würde nicht wollen, dass du dich so verausgabst. Er würde es verstehen, wenn du aufgibst. Lass es gut sein.«

Entsetzt starre ich sie an.

»Schätzchen, wirklich! Ich meine das ernst, du siehst nicht gut aus … Du schläfst vermutlich seit Wochen, gar Monaten nicht mehr richtig … Du arbeitest zu viel und hast dir diese große Bürde auferlegt, die Firma – koste es, was es wolle – zu retten. Ist es das wert? Ist es dieses rastlose Leben, das du momentan führst, wert?«

Ein Moment des Schweigens hängt in der Luft. Ratlosigkeit. Betroffenheit. Worte, die mich verwirren.

»Es ist das Lebenswerk meines Vaters«, hauche ich.

»Du bist sein Lebenswerk. Auch wenn er dir das nie wirklich gezeigt hat. Doch er liebt dich, und wenn er wüsste, wie es dir gerade geht … Ach, er würde das alles so nicht wollen.«

Ich presse meine Lippen aufeinander und sehe Dorothy unsicher an.

»Er wollte immer, dass es dir gut geht. Er wollte nur das Beste für dich, auch wenn er nicht immer für dich da gewesen ist, doch er hat dich vergöttert. Er liebt dich. Abgöttisch. Und er würde nicht wollen, dass du jeden Tag verzweifelt bist, Angst hast und dich nur noch darum bemühst, von einer Rettungsboje zur nächsten zu schwimmen. Komm wieder an Land, Meredith. Die Mitarbeiter werden es euch verzeihen, wenn ihr zusperrt, es kommt immer wieder vor, dass Unternehmen insolvent werden. Du bist nicht für alle zuständig.«

Ich nicke, denn das ist mir klar. Doch ich fühle mich für sie verantwortlich. Alle haben Familien, Kinder … eine Zukunft … und viele der Belegschaft kenne ich persönlich, weil ich regelmäßig in die Werkstatthalle fahre und ihnen Besuche abstatte.

»Ich habe wirklich keine Ahnung, wie ich das wieder hinbiegen soll. Aktuell sind wir pleite, an die Wand gefahren, unrentabel. Ohne Investor sind wir bald nichts mehr wert … und all die Arbeitsplätze, die verloren gehen werden. All die Existenzen! Daran möchte ich gar nicht denken.« Seufzend fahre ich mir mit der Hand über das Gesicht und lasse mich in meinen Schreibtischsessel fallen.

Dorothy legt mir ihre Hand auf die Schulter. »Setz dir eine Deadline, Meredith. Wenn du es bis dahin nicht geschafft hast, lass es gut sein. Alles andere wäre auch dein Untergang.«

Ich nicke. »Deadline ist gut«, sage ich nachdenklich. Ein Stichtag ist ein guter Plan. Einmal noch volle Fahrt voraus, und wenn es dann nicht klappt, dann soll es so sein, dass ich aufgebe. Resigniert hebe ich meine Hände in die Luft.

»Weißt du, was mich am meisten ärgert? Ich weiß genau, wenn Jones die Firma meines Vaters kauft, was ohnehin passieren könnte, wenn ich es nicht schaffe, einen Investor aufzutreiben … dauert es nicht lange, dass er sie zerstückelt, Mitarbeiter entlässt, sie durch billige Arbeitskräfte ersetzt und die Produktion auslagert. Er würde das Gegenteil von dem machen, was mein Vater getan hat. Das schmerzt! Jones ist ein Unternehmensfresser. Eine eiskalte Maschine, die nur auf Profit aus ist. Du solltest mal seinen Bürokomplex sehen! Der Typ ist größenwahnsinnig! Ich hab mir vorhin in der U-Bahn seine Geschäftsfelder angesehen, was er so alles macht. Hier, sieh mal«, sage ich und entsperre mein Handy, um Dorothy eine Website eines Süßgebäckherstellers zu zeigen. »Er hat irgendwie überall seine Finger im Spiel. Besitzt die unterschiedlichsten Firmen. Diese hier zum Beispiel produziert Billigcroissants in Rumänien. Er lässt sie dann in Frankreich verpacken und verkauft sie als wertvolles französisches Produkt weltweit. Ich bin mir sicher, die schmecken fürchterlich, vor allem weil die Mitarbeiter Dumpinglöhne dafür bekommen. Das ist eine von Jones’ Subfirmen. Die Gewinne steckt der Mistkerl wahrscheinlich in diverse Jachten und Luxusurlaube und hat vermutlich noch nie eines dieser Billigcroissants selbst gegessen. So wie der aussieht, frisst er Kaviar … nein, er badet in Kaviar und spült ihn dann mit einem selbstgefälligen Grinsen in die Kanalisation.«

Dorothy zieht eine Augenbraue nach oben. »Dieser Jones hat dich echt wütend gemacht.«

»Das ist noch untertrieben! Ich koche vor Wut! Oh … Ich bin noch nie einem so arroganten Mistkerl begegnet. Er hatte keinerlei Interesse gezeigt, wollte nicht mal hören, was ich zu sagen habe … Und erst dieser Ja-ich-kann-alles-haben-Blick, dieser Mir-gehört-die-Welt-Ausdruck in seinen Augen. Ich hasse solche Typen!«

»Menschen sind oft nicht das, was sie vorgeben, zu sein.«

»Oh doch. Er ist genau das Arschloch, das er vorgibt, zu sein. Aber ich werde ihm eine kleine Lektion erteilen, damit er einmal darüber nachdenkt, was er produziert und verkauft. Kannst du mir einen Gefallen tun, und mir zwei von diesen Billigcroissants besorgen?«

»Hast du etwa Hunger auf Dumping-Croissants bekommen?«, fragt sie lachend.

»Nein, ich werde die Dinger nicht anrühren. Aber ihm werden sie den Tag versüßen.« Ich male Gänsefüßchen in die Luft.

»Verstehe, aber verbrenn dir dabei nicht die Finger.«

»Keine Sorge, werde ich nicht. Ich weiß, was ich tue.«

»Gut, ich besorg sie dir später, wenn ich rausgehe, um die Post aufzugeben«

»Perfekt, danke.«

Als sie mein Büro verlässt, google ich den Finanzhelden und Unternehmensfresser Jones. Die Medien schreiben nur Gutes über ihn, kein Society-Event geht in New York ohne ihn über die Bühne, die Fotos, auf denen er zu sehen ist, sind perfekt. Allesamt makellos! Doch seine Miene ist immer dieselbe, irgendwie starr, als würde er keinen Spaß im Leben haben … viel zu ernst.

Wie dem auch sei, lasse ich mich von diesem Idioten bestimmt nicht einschüchtern. Ich werde einen Weg finden, um die Weichen für den Erfolg der Larson-Company zu stellen. Irgendeine Möglichkeit gibt es doch immer! Nun heißt es Klinken putzen, auf keinem Gesellschaftsevent fehlen und Investoren an Land ziehen. Genau so mache ich es! Volle Fahrt voraus, Meredith!

Ich wähle die Nummer unseres Marketingmanagers. Einen Augenblick später habe ich ihn in der Leitung. »Hi, Stanley, alles klar bei dir? Ich bräuchte mal eben die neuen Kampagnenentwürfe für die Frühjahrskollektion.«

»Sicher, kein Problem, mail ich dir zu. Allerdings sind es vorerst noch Entwürfe und werden kommende Woche finalisiert.«

»Klar, kein Thema …«

Ich vernehme ein Klicken und das Geräusch seiner Tastatur am anderen Ende der Leitung. »Sind unterwegs zu dir! Sag mal, jetzt, wo ich dich gerade am Telefon habe …« Er zögert. »Hast du es dir eigentlich überlegt?«

»Was denn?«

»Ob du mit mir essen gehen möchtest? Sorry, dass ich dich am Telefon damit überfalle, aber du weichst mir aus, und wenn ich dich schon mal an der Strippe habe, dann muss ich die Gelegenheit nutzen.«

»Stanley … wir zwei … wir arbeiten zusammen.«

»Nicht wirklich. Du bist meine Chefin. Genau genommen arbeiten wir nicht zusammen, sondern ich füge mich dir und deinen Anweisungen«, erwidert er lachend.

»Da hast du vollkommen recht. Und aus genau diesem Grund sollten wir nicht miteinander ausgehen.«

»Ach komm, gib’s zu, da war doch was, neulich bei der Marketingpreisverleihung im –«

»Ja, da war was!«, unterbreche ich ihn. »Aber ich stecke momentan in einer Krise und –«

»Nicht du steckst in einer Krise, sondern die Firma deines Vaters.«

»Weshalb ich keine Zeit habe und mir die Probleme den Schlaf rauben.«

»Was ein Grund ist, die Arbeit mal sein zu lassen und Spaß zu haben – ein tolles Date, mit einem Typen, der dich bezaubernd findet, ein fabelhaftes Essen, ein guter Wein. Komm schon, lass dich ablenken, gönn dir mal einen richtig ruhigen Abend … mit mir.«

Ich drehe mich in meinem Schreibtischsessel ein Stück nach links und denke nach.

»Meredith, komm schon, fass dir ein Herz und geh mit einem Marketingchaoten wie mir aus. Warst du schon mal im botanischen Garten in Brooklyn?«

»Nein«, ich schüttele den Kopf. »Natürlich nicht.« Seit ich vor wenigen Monaten von Boston nach New York gezogen bin, habe ich nichts anderes gemacht als gearbeitet oder bin mit Lenny ab und an mal um die Häuser gezogen, um meinen Frust in Alkohol zu ertränken. Wie mir scheint, umsonst.

»Aber ist es um diese Zeit nicht schon zu kalt dafür?«

»Am Wochenende soll es wieder wärmer werden. Ein wenig raus in die Natur zu kommen, würde dir sicher guttun. Mal ordentlich abschalten.«

»Ja, du hast ja recht, könnte wirklich helfen«, sage ich. »Wird Zeit, dass ich mal was Tagestaugliches in New York unternehme, denn mit Lenny bin ich nur abends unterwegs. Lass uns ein paar Pflanzen anschauen gehen.«

»Du wirst den Garten lieben! Samstag am frühen Nachmittag? Würde dir das passen?«

Ich checke alibihalber meinen Kalender, obwohl ich weiß, dass ich außer dem obligatorischen Sonntagsessen mit Lenny keinerlei private Verabredungen am Wochenende habe. »Passt mir gut«, sage ich dann und wir vereinbaren einen genauen Treffpunkt, ehe wir uns am Telefon verabschieden.

 

Stanley ist nett, sieht gut aus, ist auf eine süß-charmante Art verwirrt, fast so, als würde er durch die schwarze Hornbrille, die er auf der Nase trägt, die Welt ein wenig schief sehen. Klassischer kreativer Typ, dem die Ideen nie ausgehen. Seine Kampagnen sind Rettungsanker und die Produkte würden sich blendend verkaufen, wenn wir innovativere Uhren anbieten würden, aber dazu fehlen uns die schlauen Köpfe und ausreichend Budget, was für die Trend- und Produktforschung und das Einstellen von High-Potentials notwendig wäre. Ich bin mir dessen bewusst, dass wir teilweise veraltete Uhrenmodelle produzieren. Da hatte Jones leider recht.

Ich begutachte Stanleys Unterlagen und mache mir Notizen dazu.

Dann folgen zwei Telefonate mit potenziellen Geldgebern, die bedauerlicherweise im Sand verlaufen und wieder komme ich mir vor, als würde ich eine abgelaufene Salami verkaufen wollen.

 

Am Nachmittag, nachdem ich es aufgegeben habe, infrage kommenden Investoren nachzutelefonieren und unzählige E-Mails geschrieben habe, klopft Dorothy an meine Tür und legt mir die zwei Croissants auf den Tisch.

»Bitte schön. Die zwei französischen Dinger aus Rumänien«, sagt sie erfreut und lächelt mich siegessicher an.

Ich nehme eines davon in die Hände und begutachte die Plastikverpackung.

»Haltbar bis Ende nie … Fabelhaft«, sage ich und sehe Dorothy dabei zu, wie sie mit einem Grinsen wieder mein Büro verlässt.

 

***

 

Als ich am Abend aus dem Gebäude gehe, dämmert es bereits. Die kühle Luft des Herbstes kriecht an meinen Beinen entlang und nagt sich durch meine dünne Strumpfhose in meine Haut. Das Herbstlaub tänzelt vor meiner Nase am Boden herum und ich schnappe mir ein Taxi, um nach Hause zu fahren. Diesen Luxus gönne ich mir jetzt. Und auch einen weiteren, denn heute werde ich die Arbeit ruhen lassen und mir Serien in Endlosschleife ansehen. Es geht doch nichts über einen gemütlichen Herbstabend zu Hause auf der Couch mit einer doppelten Portion Nachos und fernsehen bis tief in die Nacht.

Kapitel 2

Frisch geduscht, und mit bester Laune, sitze ich am Morgen in einem meiner figurbetontesten Kostüme in einem Taxi auf dem Weg zu Jones’ Firma. Für diesen Auftritt gönne ich mir nicht nur, zwei Blusenknöpfe offen zu lassen, sondern auch eine bequeme Taxifahrt. Als wir vor Jones’ Gebäudekomplex ankommen, steige ich elegant und selbstsicher aus dem Wagen und marschiere in seinen protzigen Leuchtturm. 8.30 Uhr verrät die Uhr in der Eingangshalle. Perfekt also für ein kleines Frühstück!

Zielstrebig ziehe ich an der Empfangsdame vorbei und bewege mich Richtung Aufzüge. Doch noch ehe ich den Lift erreichen kann, schiebt sich ein Riegel von Mann vor mich. »Miss, wohin des Weges?«, fragt er mich mit einer bedrohlichen Stimme und ich überlege, ob er vielleicht zum Secret Service gehört, denn sein Aussehen erinnert doch sehr an die Helden meiner Actionserien, die ich mir tagtäglich auf Netflix zum Einschlafen ansehe.

»Ich möchte zu Mr. Jones«, erkläre ich, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.

»Werden Sie erwartet?«

»Das kann man so vielleicht nicht sagen, aber er freut sich bestimmt, mich zu sehen.«

Der Typ sieht mich finster an.

»Na gut … vielleicht sind Spontanbesuche nicht so sein Ding, aber ich habe ein Frühstück für Mr. Jones. Darüber wird er sich freuen«, erkläre ich und wedele mit der kleinen braunen Tüte vor seiner Nase herum. Dabei zeige ich ihm mein schönstes Lächeln, in der Hoffnung, ihn damit rumzukriegen. Doch beim ›Secret Service‹ klappt meine charmante Masche leider nicht. Auch eine Haarsträhne unschuldig zu kräuseln, bewirkt rein gar nichts. Mist.

»Ohne Termin können Sie nicht hochfahren«, erklärt er und deutet mit einer Hand zum Ausgang, mit der anderen versperrt er mir den Weg zum Lift.

»Na gut«, murmele ich und schlendere unschuldig zum Empfangstresen, denn so leicht gebe ich nicht auf.

»Ja? Sie wünschen?«, fragt mich eine arrogante Stimme, die zu einem schätzungsweise zwanzigjährigen Mädchen gehört, welches gerade interessiert seine Fingernägel begutachtet, als hätte mein Erscheinen keinerlei Relevanz für sie und ihre manikürten Nägel.

»Ich möchte zu Mr. Jones und habe einen Termin bei ihm«, gebe ich vor und schiele über den Tresen, denn möglicherweise kann ich einen Blick in ihre ausgedruckte Terminliste werfen und einen Namen daraus als meinen angeben. Doch keine Chance. Sie zieht ihre Unterlagen zur Brust.

»Vorname und Familienname bitte.«

»Meredith Larson«, gebe ich resigniert von mir, denn damit hat sich die Sache erledigt. Wahrscheinlich stehe ich auf einer Liste mit »No entry – never!!!« – und dreifachen Ausrufezeichen am Schluss.

»Meredith Larson …«, murmelt sie mit einem überheblichen Heben ihrer linken Braue und ich bin dabei, mich umzudrehen.

»Ach … hier … tatsächlich!«, sagt sie plötzlich und sieht verwundert zu mir hoch. »Meredith Larson sagten Sie?«

Ich nicke, innerlich irritiert, äußerlich ganz cool.

»Tja, Sie stehen auf der Liste mit den besonderen Besuchern. Wer hätte das gedacht!« Sie rümpft die Nase. »Mr. Jones hat sie persönlich eingetragen. Sie scheinen tatsächlich wichtig zu sein.«

Ich verberge meinen überraschten Ausdruck, der sich gerade auf mein Gesicht klammern möchte, und sehe sie zufrieden an. »Natürlich stehe ich da drauf, wo sollte ich denn sonst vermerkt sein?«, frage ich mit diesem hochnäsigen Unterton, den eigentlich nur Madonna perfekt zustande bringt. Außerdem bin ich begeistert über den Stempel ›wichtig‹, denn ich durfte noch nie irgendwo die Fast-Lane oder den VIP-Eingang benutzen. Nicht einmal bei McDonald’s werde ich bevorzugt behandelt und das, obwohl ich zu meiner Uni-Zeit dort Stammkunde war. Endlich habe ich es auf eine wichtige Liste geschafft. Es ist zwar Jones’ wichtige Liste und somit die Aufzählung eines Mistkerls, aber Liste ist nun mal Liste.

»Sie dürfen Mr. Jones jederzeit ohne Termin einen Besuch abstatten. Am besten, Sie nehmen den direkten Aufzug. Der fährt ohne Unterbrechung hoch in den letzten Stock.«

»Wie die Express-Metro?«, stoße ich begeistert aus.

Sie kann meine Begeisterung nicht teilen und nickt gelangweilt. Dann winkt sie einen jungen Mann zu uns. »Das ist Freddy, Ihr Liftboy, er wird Sie nach oben bringen.«

Ich habe einen eigenen Liftboy namens Freddy … Wow! »Kommen Sie bitte, M’am«, sagt mein neuer Lieblingsmensch und ich folge ihm. M’am?! … Bin ich hier im falschen Film? Plötzlich Prinzessin in New York? Oder ist es ein Himmelfahrtskommando? Eine Falle?

 

Es dauert nicht lange, da sind wir ganz oben angelangt und Freddy verabschiedet sich von mir und wünscht mir einen schönen Tag.

»Miss Larson, Sie können schon zu ihm reingehen«, erklärt der Empfangschef, der mich gestern noch persönlich in Jones’ Büro geleitet hat. Irritiert gehe ich weiter, halte vor der schweren Bürotür, drücke den Türknopf an der Wand, und im nächsten Moment schwingen die Flügeltüren nach innen auf. Ich ziehe die zwei Croissants wie Pistolen aus der Tüte und marschiere geladen in den Raum.

»Guten Morgen«, rufe ich mit der Selbstsicherheit einer Hillary Clinton, doch zucke unweigerlich zusammen, als ich erkenne, was sich gerade vor meinen Augen abspielt. Jepp … ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um mit meinen Blätterteigpistolen auf Jones zu zielen.

Er sitzt mit einer kleinen Runde von vier Männern und zwei Frauen an seinem Glastisch. Manche der Gesichter kenne ich … Aus den Nachrichten, aus Tageszeitungen, aus dem Forbes-Magazine … Meistens grinsen mir diese Visagen mit irgendeiner Erfolgstirade von diversen Titelblättern entgegen.

»Miss Larson, schön, Sie zu sehen. Sie kommen gerade richtig, wir halten in diesem Moment eines der wichtigsten Meetings in New York ab. Es geht um ein paar Millionen Dollar über die wir gerade verhandeln. Vielleicht möchten Sie auch ein wenig daran teilhaben. Es geht um diese Zahl mit den sechs Nullen. In unserem Fall mit einem Plus davor.«

»Sehr witzig!«

Arschloch!

Ich schlucke.

Er erhebt sich galant von seinem Stuhl, schließt den Knopf seines Sakkos und kommt auf mich zu.

Die anderen Anwesenden mustern mich missbilligend. Sie scheinen Unterbrechungen nicht gewohnt zu sein.

»Miss Larson, darf ich vorstellen, das sind die erfolgreichsten Unternehmer New Yorks. Einige kennen Sie bestimmt aus Zeitungen oder dem Fernsehen. Wir halten einmal im Monat unser Treffen ›Club Excellence‹ ab, um über die Geschäfte in New York zu sprechen. Sie wissen schon, ein wenig Ideenaustausch und freundliches Verhandeln über bestimmte Märkte«, erklärt er gelassen und dann schenkt er mir diesen Blick, der mir sagt, dass ich nie zu dieser Runde gehören werde.

»Ist das ein Kartell? Das ist nämlich verboten«, bemerke ich bissig.

»Da haben Sie während Ihrer Vorlesungen gut aufgepasst. Ich tippe auf den Grundkurs Betriebswirtschaft kombiniert mit Recht?« Er guckt mich amüsiert an. »Aber ich kann Sie beruhigen, wir würden niemals etwas Verbotenes tun.«

»Ganz genau, und ich laufe morgen für Victoria’s Secret

Ich seufze leise und presse unentschlossen die Lippen aufeinander, denn ich komme mir plötzlich fehl am Platz vor. Sag was Geistreiches, zumindest eine Entschuldigung und verschwinde wieder!

Doch ich bleibe wie angewurzelt stehen … mit den beiden Croissants in der Hand, die noch immer auf ihn zeigen.

»Miss Larson«, bemerkt Jones nun und dreht sich zu seinen Meeting-Leuten um, »wird das Unternehmen Ihres Vaters verkaufen. An mich. Deshalb ist sie vermutlich so überraschend hier aufgetaucht.«

Peinlich berührt stehe ich noch immer an ein und derselben Stelle und wage es nicht, mich zu rühren. Es wäre ohnehin nicht möglich, da die Blicke, die auf mir ruhen, mich zum Stillstehen zwingen.

Doch dann, als ich Jones’ überheblichen Gesichtsausdruck sehe, der zugegebenermaßen irritierend ist, da er auch etwas Erotisches – zutiefst Erotisches – an sich hat, entscheide ich mich dazu, das vollkommen Falsche zu tun und gehe ein paar Schritte auf ihn zu.

»Hätte ich gewusst, dass Sie ein Meeting haben, Mr. Jones, hätte ich mehr von diesen köstlichen Croissants mitgebracht, die Sie unter erbärmlichen Bedingungen in Rumänien produzieren.« Ich blicke auf die beiden Süßgebäcksteile in meinen Händen. »Sie freuen sich bestimmt über ein leckeres Frühstück. Das sind Croissants, die Sie zu Dumpingpreisen herstellen und als qualitativ hochwertige, französische Ware in den USA verkaufen. Damit veräppeln Sie nicht nur Ihre Kunden, sondern auch Ihre Angestellten. Ein Arbeiter verdient nicht einmal vier Dollar in der Stunde. Ich weiß doch, wie sehr Ihnen Ihr Gewinn schmeckt. Also, langen Sie zu und lassen Sie sich Ihre unfairen Geschäfte auf der Zunge zergehen!« Ich strecke ihm die Croissants entgegen, doch er nimmt sie nicht an, sondern belächelt mich, kratzt sich an seinem Dreitagebart und steckt dann seine Hände lässig in die Hosentaschen.

»Deshalb sind Sie hier? Um mich auf ein Frühstück einzuladen? Ist das nicht nett?« Er dreht sich halb zu seiner Runde um.

»Okay, wie Sie wollen«, zische ich, gehe auf den Tisch zu und knalle den Anwesenden die Croissants auf die Glasplatte. »Wenn Sie die Dinger nicht haben wollen, dann möchte vielleicht jemand anderes zulangen«, sage ich zynisch und drehe mich dabei zu Jones um.

Schlagartig huscht ein Schatten über sein Gesicht. Vielleicht mag er es doch nicht, wenn seine Meetings auf diese Art und Weise unterbrochen werden.

»Vielen Dank, Miss Larson, sehr freundlich von Ihnen. Doch wir hatten bereits ein sehr delikates Frühstück, denn uns allen schmecken unsere Geschäfte, die wir tagtäglich erfolgreich durchführen. Wenn Sie Erfolg hätten, würden Sie wissen, wovon ich rede … Nein, warten Sie … Lassen Sie es mich anders ausdrücken …« Er kommt gefährlich nahe auf mich zu. »Wenn Sie mit Ihrem Unternehmen erfolgreich wären, würden Sie als eine der Personen hier an diesem Tisch sitzen.«

Die Leute vor mir, die an dem Glastisch sitzen, verfallen in ein überhebliches Gelächter.

»Das ist … Das ist …« Mir fehlen die Worte. Hat er mich soeben beleidigt? So richtig beleidigt? Meine Kompetenz infrage gestellt und mich in den Boden gestampft? Vor all den Anwesenden?

»Sie sollten nicht so wütend dreinschauen, Miss Larson. Wut steht Ihnen nicht.«

Ich explodiere gleich!

»Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind? Hm?« Ich stemme meine Arme in die Flanken.

»Alexander Jones. Einst ein einfacher Angestellter, nun Inhaber von sieben Unternehmen und Arbeitgeber von Zigtausenden Mitarbeitern.«

»Meine Firma wäre dann wohl die achte in Ihrer Sammlung, was!?«

»Ich würde sie nicht behalten. Ich kann mich nicht um alles kümmern.«

»Keine Sorge, darüber müssen Sie sich auch nicht den Kopf zerbrechen, denn Sie bekommen die Larson-Company nicht. Niemals! Ich werde mich jetzt verabschieden. Ich möchte die Anwesenden nicht aufhalten, denn Sie sind mit Sicherheit gerade dabei, die Welt par excellence zu verschlechtern. Ich wünsche Ihnen alles Gute, und vergessen Sie nicht, Ihren unfairen Erfolg gut zu kauen, man weiß nie, wann er einem wieder hochkommt! Auf Wiedersehen, meine Damen und Herren, ich empfehle mich«, sage ich und gehe mit erhobenem Kopf aus seinen Räumlichkeiten, die ich bestimmt zum letzten Mal in meinem Leben gesehen habe.

Ich kann froh sein, wenn ich nach dieser Aktion noch ein Dach über dem Kopf haben werde, denn wenn ich mich nicht täusche, hat einer der ganz großen Immobilientycoons New Yorks an Jones’ Tisch gesessen.

Game over. Das war’s dann! Ich kann meine Koffer packen und in die Antarktis ziehen. Die Temperaturen dort sollen im Sommer gar nicht so übel sein. Ich werde weder als Unternehmerin noch als Angestellte je wieder einen erfolgreichen Schritt auf amerikanischem Boden machen können.

 

***

 

Eigentlich bin ich nicht der Shopping-Typ oder die Frau, die Torte in sich hineinstopft, wenn es ihr schlecht geht. Doch mir geht es hundsmiserabel und anscheinend bin ich doch die Frau, die Torte in sich hineinstopft und Unmengen an unpassenden Klamotten kauft, wenn es ihr mies geht. Also habe ich meine Kreditkarte auf der Fifth Avenue zum Brennen gebracht, sodass sie sich bald von selbst entzünden wird, und sitze bereits beim zweiten Stück Cheesecake. Vorhin hatte ich einen mit Zitronengeschmack und nun einen mit Blaubeeren und Sahne, wobei der aktuelle trotz Magenüberfüllung bei Weitem am besten schmeckt. Neben mir stapeln sich Tüten voll mit neuer Kleidung, die ich vermutlich nie anziehen werde, da die Teile entweder zu kurz, zu eng, zu auffällig oder viel zu nuttig für mich sind (meine Frustkäufe enden immer in diesem Ich-bin-verdammt-noch-mal-sexy-und-möchte-auch-so-wahrgenommen-werden-Desaster). Unter ihnen so schamlose Teile wie ein Minirock aus Spitze, High Heels in Lackleder mit vergoldeter Ferse, zwei sündhaft teure Handtaschen, die ich mir selbst in zwanzig Jahren nicht leisten könnte und noch weitere stupide Teile, die nicht in meinen grauen Alltag passen. Kontrollverlust eben. Absoluter Kontrollverlust! Lahm schiebe ich die Teller von mir weg, leere den restlichen Kaffee in einem Zug und mache mich auf den Weg in mein Büro. Während ich im Kaufrausch schwamm und mich der Pro-Diabeteskur im Café hingab, hatte mein Vater angerufen, und sich um die Geschäfte erkundigt. Vermutlich saß er dabei im begehbaren Kleiderschrank, denn wenn meine Mutter davon Wind bekommen hätte, gäbe es Handyverbot und für die nächsten Wochen keinen Nachtisch mehr für ihn. Nun ist es Dorothy, die anruft, doch ich hebe nicht ab und texte ihr, dass ich gerade Wichtiges zu tun hätte. Frustshopping eben. Es ist bereits Nachmittag und ich fühle mich noch immer so elend wie vor meinem Ausflug auf die Fifth Avenue. Frustkäufe sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren!

Meinen Auftritt von heute Morgen hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt: souveräner, cooler. In meiner Vorstellung war ich die glorreiche Siegerin, Jones der elende Verlierer, mit dem angepissten Gesichtsausdruck. Doch in Wahrheit bin ich die Angepisste und schaffe noch einen viel erbärmlicheren Ausdruck, als ich Jones in meiner Phantasie auf sein schönes Gesicht gemalt habe.

 

Müde und enttäuscht fahre ich in mein Büro zurück, erkläre Dorothy kurz im Vorbeigehen, dass ich ungestört sein möchte, und dass sie die Praktikantin schicken soll, um mir ein paar Sachen zurückzugeben. Sie läuft mir nach und ich drücke ihr alle Tüten in die Hand. »Die Sachen passen mir nicht und die Rechnungen liegen bei … Sie soll alles umtauschen. Danke!« Dann setze ich mich seufzend an meinen Schreibtisch und fordere Dorothy auf, mich einen Moment alleine zu lassen.

Sie nickt. »Ach, bevor ich gehe … Dort drüben, das Paket ist vorhin für dich gekommen.«

 

»Ein Paket?« Ich erhebe mich wieder vom Stuhl und gehe auf den Besprechungstisch zu, um das Päckchen in Augenschein zu nehmen. Schön verpackt, aufwendig und teuer mit einer ansehnlichen, großen roten Schleife. Ich öffne den Inhalt und erschrecke beinahe. Oh wow! Was für eine tolle Tasche! Ich streiche über das weiche, schwarze Leder und rieche daran. Feinstes Material und als ich die Buchstaben Marc Jacobs darauf lese, lasse ich sie wie eine heiße Kartoffel fallen. Himmel, die kostet bestimmt ein Vermögen!

Wer zum Teufel schenkt mir so was? Ich fische die Grußkarte hervor und lese sie.

»Weil Sie Wert auf Qualität legen und definitiv eine neue Businesstasche benötigen. Ich empfehle mich, Alexander Jones.«

So ein … So ein … Idiot! Grrrrr! Ich zerreiße die Grußkarte wütend in der Luft, packe die Tasche und werfe sie in den Papierkorb.

Dann kommt so etwas wie Reue in mir hoch und ich beäuge die Handtasche erneut. Am liebsten würde ich sie herausfischen und zärtlich wie eine verstoßene Katze an mich drücken … und täglich bei mir tragen. Ja, zugegeben, Jones hat Geschmack. Doch ich fange mich wieder, denn ich bin nicht bestechlich. Exklusivität hin oder her, im Endeffekt landen alle Taschen früher oder später im Müll! »Das ist euer Schicksal! Ihr werdet alle mal weggeworfen«, rufe ich der Ledertasche zu.

Zu Schade … Wirklich! Oh Gott, denke ich tatsächlich darüber nach, ein Geschenk von Jones anzunehmen? Unmöglich! Ich schiele auf die Seite, auf meine kleine Handtasche, die ebenso aus einem feinen Leder gemacht ist, doch schon jahrelang an meiner Schulter baumelt. Und dann betrachte ich die Leinentasche – eine Einkaufstasche –, in der ich meinen Laptop und die Unternehmensunterlagen spazieren trage. Das gehört sich definitiv nicht für eine Unternehmensleiterin. Immerhin bin ich auch CEO. Eben eine mit einer mickrigen Stofftasche. Ich greife mit meinen Fingern in den Papierkorb, doch ziehe die Hand rasch zurück. Nein! Diese Genugtuung werde ich ihm nicht geben! Ich kaufe mir so eine Tasche selbst! In hundert Jahren, wenn ich genügend Geld zusammengespart habe! Aus, basta! … Geschenke vom Feind lehnt man ab. Immer! Ausnahmslos! Da führt kein Weg daran vorbei. Ich ignoriere das teuflische Teil, knipse ein Foto von der Handtasche im Eimer und fische die Visitenkarte von Jones aus meinem Portemonnaie. Eilig tippe ich seine Mobilnummer in mein Handy, suche ihn als WhatsApp-Kontakt heraus und übersende ihm das Pic mit den Worten: »Nein, danke. Mit Empfehlungen zurück.«

Wow! Tut das gut! Ich lege mein Handy auf den Tisch, schließe meine Augen und atme erleichtert aus.

WhatsApp sei Dank, kann man seine Ablehnung in Sekundenschnelle übermitteln.

Piep.

Ich fische nach meinem Mobiltelefon und lese: »Ich dachte mir schon, dass Sie so reagieren würden. Bitte keine Nachrichten über WhatsApp.«

 

»Wozu haben Sie dann WhatsApp?«

 

»Für private Dinge.«

 

Für private Dinge?

»Um sich Duckfacefotos schicken zu lassen?«, sende ich.

Pause.

Pause.

Pause.

Es vergehen Minuten.

Nichts passiert. Bloße Ignoranz. Okay, dann halt nicht.

Als ich mein Handy wieder weglege, vibriert es erneut.

 

»Ich stehe überhaupt nicht auf Selfies und schon gar nicht auf Duckfaces. Konversation beendet.«

 

Ich rolle mit den Augen. Himmel! Der Typ irritiert mich, er schreckt mich auf, er jagt mir einen leidenschaftlichen Schauer durch den Körper … er ist auf so eine unheimlich attraktive Art und Weise anziehend … und so abstoßend. Wobei Ersteres definitiv überwiegt. Kein Wunder: stahlblaue, unendlich tiefe Augen, selbstsicheres Auftreten, starke Arme, perfekt sitzender Anzug … Im Grunde genommen hat er alles an sich, was Aufmerksamkeit auf ihn richtet, Männer abschreckt und Frauen in seinen Bann oder in sein Bett zieht. Er ist so höllisch sexy und hundertpro eine Granate im Schlafzimmer. Allein die Größe seiner starken Hände könnte theoretisch Aufschluss darüber geben, was er so … Schluss jetzt, du sadistische Fantasie! Ich schüttele den Kopf, um das Bild von ihm und mir, schweißgebadet zwischen warmen Lacken, aus meinen Gedanken zu kriegen. Verstoße die Wunschvorstellung, seine Finger auf meiner nackten Haut zu spüren und beherrsche mich wieder. Er ist der Feind! Kapiert, Unterbewusstsein? Wir fangen nichts mit dem Feind an! Niemals! Ich seufze und versuche, mich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren.

»Meredith …« Dorothy steht im Türrahmen. »Das hier ist ebenfalls für dich abgegeben worden und soll dir überreicht werden, sobald du eine halbe Stunde im Büro bist.«

Argwöhnisch betrachte ich den Geschenkkarton, der dem ähnlich sieht, in dem die Tasche gelegen hat. Nur die Farbe der Schleife ist eine andere.

»Das ist doch nicht wieder … Von ihm!« Ich betone das »ihm« widerwärtig, als würde ich von einer abstoßenden Krankheit sprechen.

»Wer ist ihm? Keine Ahnung, es stand kein Name dabei.«

Ich nehme das Paket entgegen und reiße es auf. »Hab ich’s doch gewusst«, stoße ich aus und beiße mir auf die Lippen. Es ist dieselbe Handtasche, die im Mülleimer liegt. Und eine weitere Grußkarte von Jones: »Ich wusste, wie Sie reagieren werden. Man muss nur hartnäckiger sein als Sie. Sollten Sie es sich anders überlegen, hier ein zweiter Versuch. Gilt übrigens auch für das Angebot, Ihre Firma zu kaufen! Mit den besten Empfehlungen, Alexander Jones.«

»Beharrlich?«, fragt Dorothy.

»Der härteste Brocken auf Erden«, antworte ich und lege die Tasche auf den Tisch.

»Sieht sehr hübsch aus. Edel und elegant. Steht dir ganz bestimmt. Der Typ hat Geschmack.«

»Die ist tatsächlich mein Stil, da sie aber ein Geschenk von Jones ist, werde ich sie wohl nie mögen können. Ich kann sie nicht behalten.«

»Also, wenn du sie nicht willst …«

»Nimm beide! Eine für dich und eine für deine Tochter!« Ich schiebe ihr die Handtasche entgegen und fische die andere aus dem Eimer. »Sandra wird mich zwar dafür hassen, dass ich dir die zweite Tasche vermache, aber da es eine Jacobs ist, wird sie sie tragen. Da bin ich mir sicher.«

»Jawohl. Partnerlook!«

»Ich korrigiere, sie wird nicht mich, sondern dich dafür hassen!«

»Ach was! Coole Mütter tragen coole Taschen. Sie wird das irgendwann verkraften! … Ich hab übrigens noch zwei Karten für den heutigen Mayor-Ball ergattert.«

»Wirklich? Das ist ja großartig! Wie hast du das noch geschafft? Er war doch ausverkauft! Es werden alle wichtigen Leute New Yorks dort sein! Eine Menge potenzieller Investoren. Das ist genial!«

»Durch Kontakte … Für dich, Liebes!«

Ich falle ihr um den Hals. »Du bist ein Schatz! Vielen Dank! Was würde ich nur ohne dich tun?«

Dorothy strahlt mich an. »Wer wird dich begleiten? Wenn du mit der Partymaus Lenny dort auftrittst, wirst du zwar alle Blicke auf euch ziehen, aber bestimmt keine guten Geschäfte machen können. Außerdem brauchst du einen Mann an deiner Seite. Auf so einer traditionellen Veranstaltung benötigst du eine passende Begleitung, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Ja, da hast du recht.« Kurz überlege ich, wen ich mitnehmen könnte. Dann fällt mir Stanley ein. »Ich könnte unseren Marketingmanager fragen. Was meinst du? Passt er für das Event?«

»Stanley? Hm … sieht in einem Anzug gut aus und ist ein Querdenker, sprüht nur so vor Ideen. Das kommt bei potenziellen Geschäftsleuten immer gut an.«

»Hoffentlich hat er Zeit. Wir wollten ohnehin etwas zusammen unternehmen.«

»Ihr beide? Ein Date?« Ihr Blick ist mütterlich, irgendwie erfreut, als würde sie es kaum erwarten können, mich endlich unter die Haube zu bekommen.

»Ja, so was in der Art.«

»Gut! Nein, fabelhaft! Ihr verbringt einen netten Abend zusammen, knüpft Kontakte und rettet so vielleicht die Firma vor ihrem Aus. UND habt noch dazu ein unvergessliches Date. Vielleicht wird mehr –«

Ich stoppe mit einer Handbewegung ihren nächsten Satz.

»Na gut, bin schon still!« Sie legt mir die Ballkarten auf den Tisch. »Ach … und, Meredith, du solltest dir ein tolles Kleid für heute Abend besorgen. Auf so einem Event trägt man eine ganz besondere Robe. Vielleicht was von Jacobs. Marc Jacobs, jetzt, wo wir auf den Geschmack gekommen sind«, sagt sie mit einem Lächeln.

Ich kräusele die Lippen. »Da magst du recht haben … Das Kleid muss teuer aussehen. Ich werde mir dann zwar nie wieder einen Fahrschein für die U-Bahn leisten können, aber diese Investition sollte mir die Rettung der Firma wert sein.«

»Ach was, mach dir keine Sorgen! Da ist noch Geld auf dem Spesenkonto übrig, du Sparmaus.«

»Ach ja … Das habe ich ganz vergessen!«

»An so was erinnere ich dich gerne«, sagt sie mit einem Grinsen. »Davon fallen bestimmt noch wunderschöne Schuhe zum Kleid ab.«

 

***

 

Stanley hat sofort zugesagt, als ich ihn gefragt habe, ob er mich begleiten möchte. Mit einem atemberaubenden Kleid in den Händen und zwei Gläsern Schampus intus – wovon ich mir ein entspanntes während der Anprobe gegönnt habe, und ein ziemlich unentspanntes nach der Anprobe, als ich erfahren habe, wie viel das Kleid kostet – verlasse ich mit einem Lächeln auf den Lippen die heiligen Hallen Marc Jacobs’. Mein Friseur hat mir einen Last-Minute-Termin gegeben und ich mache mich auf den Weg zu ihm.

Bei einer Tasse Tee entspanne ich, während mir mein langes Haar, das ich seit Monaten im Balayage-Look trage, hochgesteckt wird.

»Ich muss mich selbst loben, die Frisur ist mir echt gelungen, Süße! Du siehst fantastisch aus!«, ruft Mirko begeistert. »Einfach umwerfend. Wir sollten mal über einen Kurzhaarschnitt nachdenken. Der würde dir fabelhaft stehen. Du hast tolle Wangenknochen und eine superschöne ovale Gesichtsform. Perfekt für einen Kurzhaarschnitt. Was sagst du? Machen wir einen Termin aus?«

»Nie und nimmer! Definitiv nicht! Niemals würde ich mir meine Haare abschneiden, du weißt, dass ich an meiner Mähne hänge! Das ist mein ganzer Stolz. Alles, was gut in meinem Leben läuft …«

Mirko sieht mich mitleidig an und erst jetzt erkenne ich, wie armselig mein Leben doch ist. Die Haare sind das Beste in meinem Leben?

»Niemals schneide ich sie ab!«, sage ich und halte den Kaffeelöffel bedrohlich in die Höhe.

»Schon gut Schätzchen. It’s up to you!«, sagt er und nimmt mir den Löffel aus der Hand. »Reich mir besser deine Kreditkarte.«

Ich folge ihm zur Kasse und zahle.

»Viel Spaß heute Abend und vergiss nicht: Girls just wanna have fun«, ruft er mir nach, als ich den Laden verlasse.

»And work to do«, erwidere ich, während ich mich halb zu ihm umdrehe und ihm einen Kuss zuwerfe.

 

Mit der U-Bahn fahre ich nach Hause, nehme eine lange Dusche und ziehe mir das schwarze, mit Spitze bestickte, bodenlange Ballkleid an, das ich mir vorhin gekauft habe. Dazu schminke ich mir Smokey Eyes und überstreiche meine Lippen mit einem nudefarbenen Lipgloss. Perfekt!, denke ich mir, als ich mein Spiegelbild betrachte. Fehlen nur noch die passenden Ohrringe und Schuhe. Schwarze High Heels sind schnell in meinem Schrank gefunden, denn sie sind die einzigen schwindelerregend hohen Schuhe, die ich besitze. Dazu die passenden Ohrstecker von Swarovski und eine dezente Clutch. Dann ein letzter Check im Spiegel. Jepp, ich finde, mein Look ist gelungen. Nein, ich korrigiere … So was von gelungen! Oh, ich könnte Mirko, Mr. oder Mrs. Swarovski und Marc Jacobs dafür küssen!

Wenig später läutet es auch schon an meiner Tür. Stanley ist wie immer pünktlich. Das mag ich. Mein Vater sagte immer, Pünktlichkeit ist ein Zeichen guter Manieren und zollt dem Gegenüber Respekt. Anzunehmen, dass Zeitmanagement Teil meiner Erziehung war.

Als ich aufmache, steht Stanley mit einem Strauß Blumen auf der Schwelle und überreicht sie mir mit einem herzlichen Lächeln.

»Ich wusste nicht, welche Blumen du magst, also habe ich dir eine bunte Kreation zusammenstellen lassen.«

»Sie sind wunderschön, danke!«, sage ich und rieche daran.

»Nein, du bist heute wunderschön! Eine Augenweide! Ein Stern, der viel zu schön glänzt … Wie ein Komet, der vom Himmel gefallen ist.«

»Stanley, hör auf damit.«

»Das stammt aus einem Film. Und ja, es ist vermutlich etwas übertrieben.«

Ich lache. »Hat der Typ die Frau am Ende bekommen?«

»Nein, leider nicht. Das ging daneben.«

»Hm … vielleicht solltest du dir ein anderes Vorbild suchen«, sage ich und stelle die Blumen in eine Vase, während Stanley im Flur auf mich wartet. Dann werfe ich mir meinen Mantel über, greife nach meiner Clutch und wir verlassen die Wohnung.

 

Unzählige Menschen tummeln sich vor dem Eingang des Rathauses. Unmengen an Fotografen, ausgestattet mit riesigen Kameras und drei Fernsehteams sind vor Ort.

»Hier ist ja mächtig was los«, bemerkt Stanley und wir zeigen einem Typen von der Security unsere Eintrittskarten. Er verweist uns zum Nebeneingang. Nichts mit rotem Teppich und so.

Dafür erwartet uns eine lange Schlange, die sich nicht in Bewegung setzt. Während wir uns einreihen und darauf warten, eingelassen zu werden, blicke ich über meine Schulter nach hinten und nehme den Haupteingang ins Visier, da mich der Tumult neugierig gemacht hat. Eine Limousine nach der anderen fährt vor, Menschen posieren für die Kameras, zeigen ihr schönstes Lächeln und werfen sich in fragwürdige Posen. Als plötzlich ein großer, silbergrauer Wagen vorfährt und jemand galant aus dem Auto steigt, stürzen sich die Fotografen auf den Neuankömmling, als wäre er der Star eines großen Baseball-Spiels, der seine Mannschaft erst kürzlich zum Sieg geführt hat. Das Blitzlichtgewitter geht wie Regen auf die Person nieder. Ich kann nicht erkennen, wer der gefragte Typ ist. Wahrscheinlich der Bürgermeister von New York oder der Gouverneur. Neugierig mache ich zwei Schritte auf die Seite, um einen besseren Blick auf das Spektakel zu erhaschen. Und da sehe ich ihn.

Ihn.

Der Mann, der mit diesen unverschämten, stahlblauen Augen über mich hinwegsieht, der mich alleine mit seinem Anblick in den Bann zieht und es immer wieder schafft, dass ich in seiner Gegenwart explodiere und unkontrollierbare, unbekannte Gefühle in mir aufsteigen lässt, die mir zeigen, dass ich wahrhaft lebe und Leidenschaft empfinden kann. Auch jetzt trägt er ihn wieder. Diesen Blick. Jenen, der einen Flächenbrand auslösen kann, der einen gefangen nimmt, sobald er einen ereilt. Die Fotografen bedrängen ihn, hängen sich beinahe an seinen Körper. Die Security schirmt ihn vor den aufdringlichen Leuten ab … Und dann streckt er seinen Arm aus, zurück Richtung Wagen. Eine bildhübsche Frau ergreift mit einem Lächeln seine Finger, verkeilt ihre mit seinen, und entsteigt galant dem Auto. Sie hat ihm den Vortritt gelassen, damit er sich im Trubel der Masse baden kann und nun steigt sie geborgen in seinem Schatten von der Limousine aus, schmiegt sich an seine Seite und posiert mit ihm für die Fotografen. Wie ein entzückendes Liebespaar. Mit selbstsicheren Schritten gehen sie zum Eingang und Jones hält einen Arm schützend um seine Begleiterin gelegt. Er lächelt charmant in die Kameras, mit einem Lächeln, das Widerstände abbauen kann. Die wunderschöne Frau an seiner Seite ist mir fremd, und obwohl ihr Ausdruck in ihrem Gesicht beinahe sympathisch auf mich wirkt, hasse ich sie. Weil sie so blöd ist und sich an Jones’ Seite zeigt … Oder … – und diese Erkenntnis erschüttert mich – weil sie es ist, die an seiner Seite gehen darf, um deren unteren Rücken sein schützender Arm liegt und der sie hält … vermutlich in jeder Lebenslage … und die mit ihm nun gemeinsam durch den Haupteingang entschwindet.

»Meredith! Kommst du? Es geht weiter«, ruft mir Stanley zu, der schon zwei Meter vor mir ist.

Erst jetzt bemerke ich, dass sich unsere Reihe in Bewegung gesetzt hat. »Bin schon da«, sage ich und folge ihm.

»Die machen ein großes Spektakel daraus, was?« Er deutet mit einem Kopfnicken zum Haupteingang. »Aber wenn es schon mal im Rathaus stattfindet, dann hat es diesen Aufruhr wohl verdient.«

»Ja, vermutlich«, gebe ich nachdenklich von mir und schlendere mit Stanley ins Gebäude, ohne groß Notiz von den anderen Menschen zu nehmen, die sich um uns tummeln, denn meine sehnsüchtigen Augen suchen den Raum nur nach einer Person ab.

Nach ihm.

 

Die Halle ist prunkvoll herausgeputzt. Überall hängen schwere Lüster von den Decken, champagnerfarbene Vorhänge zieren die Fenster, runde Banketttische, die mit schönen Stoffservietten und feinstem Tafelsilber gedeckt sind, pflastern den großen Saal. Kellner, perfekt in schwarz-weißer Arbeitskleidung, schleichen beinahe unbemerkt durch die Reihen und servieren Champagner, Wein, Wasser und Horsd’œuvre.

»Hast du eine Ahnung, wohin wir müssen? Auf der Einladung steht nicht, auf welchen Plätzen wir sitzen«, bemerkt Stanley und sieht sich im Raum um.

»Ich glaube, da drüben ist jemand, der Auskunft geben kann«, erkläre ich und deute zu einem Platzanweiser auf der gegenüberliegenden Seite, der eine Mappe in Händen hält und die Ballkarten der Personen inspiziert, die sie ihm überreichen.

»Du könntest uns vorab einen Aperitif an der Bar besorgen und ich erkundige mich nach unserem Tisch.«

»Ist gut. Was möchtest du haben?«

»Einen Kir Royal. Bin nicht so der Wein- und Champagnerfan«, antwortet er und begleitet mich zur Bar, ehe er zum Platzanweiser hinübergeht.

Ich bestelle für mich Champagner, welcher mir in Windeseile überreicht wird, und für Stanley einen Kir Royal. Während ich auf Stanleys Drink warte, lehne ich mich lässig an die Theke und nippe an meinem Aperitif.

»Sie tragen ein wunderschönes Kleid heute Abend«, höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir und dann fühle ich unvermittelt eine warme Berührung an meiner Schulter, die sich unendlich sanft auf meiner Haut anfühlt. Ich spüre das Prickeln in meinem ganzen Körper. Am tiefsten allerdings in meiner linken Brust.

Regungslos bleibe ich stehen.

Ohne mich umzudrehen, weiß ich, wer hinter mir steht, wessen Atem es ist, der nun über meinen Nacken streicht und ein angenehmes Kribbeln auf meiner Haut hinterlässt, welches auch Stunden später noch nachwirken wird.

Kurz genieße ich diesen unschlüssigen Moment, in dem Stille herrscht, in dem seine Stimme in meinem Kopf und in meinem Inneren nachbebt, in dem ich nur eine vage Zeichnung von seinem Gesicht in meiner Vorstellung habe, in der er beinahe ein Unbekannter und Unschuldiger ist. Kurz entkomme ich der Realität, stelle mir vor, dass dieser anziehende Mann hinter mir nur gute Absichten hat, ein Retter in glänzender Rüstung ist. Der mir eine Möglichkeit gibt, mich fallen zu lassen, mich unendlich zu verlieben und mich für immer geborgen zu fühlen. Doch mit dem nächsten Wimpernschlag, den ich tue, steht er plötzlich vor mir und ich revidiere meine Gedanken, denn ich erfasse seine gesamte Präsenz. Selbst mit High Heels überragt er mich noch um ein gutes Stück.

»Hendricks bitte für mich. On the rocks«, bestellt Jones beim Kellner. Dann lehnt er sich lässig gegen den Tresen, taxiert mich mit seinem prüfenden Blick und fährt sich mit einer Hand über seinen Dreitagebart. »Sie sind doch nicht alleine hierhergekommen?«

»Natürlich nicht. Ich bin mit einem Freund da.«

»Ihr Freund?«, fragt er interessiert.

»Mit einem Freund, einem sehr wichtigen«, erkläre ich und gebe einen kurzen Wink nach hinten zu Stanley. »Er erkundigt sich gerade nach unseren Plätzen.«

Jones folgt meiner Handbewegung. »Interessant, auf welche Art und Weise er das macht!«

Verwundert drehe ich mich um und sehe Stanley, wie er sich mit einer jungen Frau unterhält. Sie scheinen sich köstlich zu amüsieren. »Oh«, murmele ich und nippe verunsichert an meinem Champagner.

Jones runzelt die Stirn. »Er wirkt sehr aufgeschlossen, Ihre Begleitung.«

»Er kennt sie«, sage ich überzeugt.

»Das passiert relativ rasch. Auch wir kennen uns bereits. Doch amüsiert wirken Sie nicht in meiner Gegenwart.«

»Sie machen es mir aber auch nicht leicht.«

Er kommt einen Schritt auf mich zu und streicht eine feine Strähne, die sich aus meiner Frisur gelöst hat, nach hinten. »Mache ich nicht?«, raunt er und ich spüre seinen Atem, wie er meine Lippen streift.

»Wir müssen uns nicht mögen.«

Er schüttelt langsam den Kopf. »Müssen wir nicht.«

»Potenzielle Geschäftspartner brauchen sich nicht sympathisch zu finden.«

»Richtig, das müssen sie nicht. Es macht vieles einfacher.« Sein Atem streift noch immer meinen Mund und er hebt seine Hand, als wolle er mit seinen Fingern über meine Wange streichen.

Ich reagiere zur rechten Zeit. »Wenigstens sind wir uns in dieser Hinsicht einig«, stoße ich aus und kippe den restlichen Inhalt meines Glases in einem Satz hinunter. »Wo ist Ihre Begleitung?«

Gelassen nippt er an seinem Hendricks. »Bei Daddy.« Belanglos deutet er auf die blonde Dame, die ich bereits auf dem roten Teppich an seiner Seite gesehen habe. Jene Frau, die ein dunkelblaues Kleid mit einem endlos langen Beinschlitz trägt, und nun ihre Hand lachend auf der Schulter des Bürgermeisters ablegt. »Sie gehen mit der Tochter des Bürgermeisters aus?«

»Oh ja und nicht nur das … Ich schlafe auch mit ihr.«

Einen Augenblick lang verliert mein Mund jeglichen Automatismus und bleibt offen stehen. Dann ringe ich nach Fassung. »Also etwas Ernstes?«

»Wenn es um Sex geht, spaße ich nie.«

»Ist es denn Liebe?«, frage ich.

»Gibt es so etwas denn?« Er nimmt den letzten Schluck von seinem Hendricks, greift nach meiner Hand und haucht mir einen sanften Kuss auf die Fingerkuppen. Dann schwenkt er seinen Kopf, sodass seine Lippen gefährlich nahe an meinem rechten Ohr sind. Er raunt mir etwas zu: »Sie sehen suchend aus, begierig … wie eine Frau, die schon lange qualvoll auf der Suche ist … Und noch nicht bekommen hat, wonach sie sich sehnt. Suchen Sie keine Liebe, dann ersparen sie sich viel Verdruss.« Er deutet mit einem leichten Kopfnicken zu Stanley und schüttelt den Kopf. »Er wird Ihnen nicht geben können, wonach Sie sich sehnen … Ganz sicher nicht.« Herausfordernd streift er mit seinem Zeigefinger über mein Dekolleté, sodass meine Atmung beschleunigt und sich mein Brustkorb merklich hebt und senkt. Begierig nimmt er das Heben und Senken meiner Brüste wahr. »Ich hoffe, wir sehen uns wieder. Ich empfehle mich, Miss Larson«, raunt er, sieht mir ein letztes Mal tief in die Augen und verschwindet.

Großer Gott! Hastig atme ich aus, drehe mich zur Bar um und bestelle einen doppelten Wodka on the rocks. Betonung auf doppelt und eiskalt, denn ich muss die aufgestaute Hitze in mir abkühlen und mein hämmerndes Herz zur Ruhe bringen.

»Total verrückt. Dieses Mädchen da drüben kenne ich noch von der Uni. Wir haben zusammen studiert. Wie klein die Welt doch ist, oder?«, sagt Stanley, als er wieder neben mir aufgetaucht ist. »Sie arbeitet auch im Marketing. Wir sollten uns später mal mit ihr unterhalten, sie ist ziemlich clever und hat schon eine Menge toller Kampagnen gemacht. Kennst du die neue Passion-Night-Kampagne, wo es um diese Schlange geht, die sich über einen Berg Dessous hinwegschlängelt?«

Ich nicke zaghaft, da ich Stanley nur bedingt folgen kann. Immerhin bin ich mehr damit beschäftigt, Jones zu betrachten, wie er den Arm besitzergreifend um seine Begleiterin legt und sie eng an sich zieht. Seine Lippen liebkosen für einen flüchtigen Moment ihr Schlüsselbein. Oh Gott, ich wünschte, ich wäre an ihrer Stelle!

Jones und die Beinschlitzfrau werden an einen der vorderen Tische geführt. Wie sollte es auch anders sein. Er wird wohl immer in der ersten Reihe Platz nehmen.

»Und, kennst du die Kampagne oder nicht? Ich finde die ja richtig klasse.«

»Ja, kenne ich. Ist gut.«

»Warum so sauer plötzlich?«

»Sodbrennen vom Champagner«, lüge ich und fühle mich schuldig, dass ich nur Augen für Jones habe und Stanley am liebsten links liegen lassen würde. Und noch mehr ärgert es mich, dass Jones so eine Macht über meine Empfindungen hat, und mich jedes Mal, wenn er auftaucht, in ein Chaos stürzt.

Stanleys und meine Plätze sind weit hinten, sodass mir der Blick auf die interessanten Banketttische verwehrt bleibt.

 

***

 

Was spannend begonnen hat, wird von Stunde zu Stunde langweiliger. Unsere Gesprächspartner bei Tisch sind kommunikativ gesehen scheue Rehe und es kostet Stanley und mich viel Einsatz, die Runde bei Laune zu halten. Ich werfe Stanley einen auffordernden Blick zu, entschuldige mich kurz, dass ich dringend an die frische Luft müsse, und Stanley folgt mir.

Vor dem Eingang zündet er sich eine Zigarette an.

»Ist irgendwie ein Reinfall unser erstes Date. Sorry, dass ich dich hierher mitgeschleppt habe, ich wusste nicht, dass es so langweilig werden würde.«

»Keine Sorge. Ich seh das auch nicht als unser erstes richtiges Date an. Mehr als ein Geschäftsessen«, erklärt Stanley und legt mir beruhigend seine Hand auf die Schulter. »Wir werden ein gutes Date am Samstag im botanischen Garten haben. Versprochen.«

Ich nicke und sehe auf die Seite, als plötzlich eine mir bekannte Gestalt sich zum Rauchen neben uns stellt.

»Ich wusste, dass ich richtig gesehen habe, als Sie den Raum verlassen haben«, sagt der Mann mittleren Alters, der einen dunkelbraunen Anzug und exklusive goldene Manschettenknöpfe trägt. »Beim Meeting heute Morgen konnte ich mich nicht vorstellen, Sie gaben uns ja keine Gelegenheit dazu«, sagt er und streckt mir seine Hand entgegen. »Morgan Thomas. Ich bin der Gründer von GoldenDelight, dem Onlineversand für Markenprodukte und Designerware und der Inhaber von einigen Shoppingmalls in Amerika.«

»Oh … Das von heute Morgen … Es tut mir leid, dass Sie anwesend waren und alles mitbekommen haben. Das war nicht meine Absicht«, stammele ich und schüttele verlegen seine Hand. »Ich wollte Mr. Jones eigentlich alleine antreffen.«

»Machen Sie sich keine Sorgen. Ihr Auftritt war durchaus imposant. So was erleben wir nicht alle Tage. Und Jones war mächtig imponiert von Ihnen, auch wenn er das nie zugeben würde. Es gibt wenige Menschen, die so voller Leidenschaft und …« Er stockt kurz. »Dreistigkeit stecken, ein so wichtiges Meeting zu sprengen. Junge Dame, Sie haben sich heute ganz schön aus dem Fenster gelehnt.«

»Ich würde wohl eher sagen, ich bin gesprungen«, korrigiere ich ihn.

»Hätte Jones es gekonnt, hätte er sie vermutlich aus seinem Glaskomplex gestoßen«, sagt er lachend, »auch wenn er sich das nicht anmerken ließ, doch er war mächtig angepisst. Jones’ Visage war ein Augenschmaus für mich. Danke also für den außergewöhnlichen Anblick! Es gibt nicht viele Personen, und schon gar nicht Frauen, die solche mutigen Aktionen abliefern. Sie verkaufen also an Jones?«

»Nein, das ist bloß ein Gerücht.«

»Verstehe«, sagt er und lächelt. »Ich kenne übrigens Ihren Vater. Ein beeindruckender Mann, der vieles geschaffen hat.«

»Tja, nur leider hilft ihm das nichts mehr, denn nun steht er vor den Ruinen seines Lebenswerkes. Es läuft momentan wirklich schlecht für die Larson-Company

»Das ist mir schon zu Ohren gekommen. Aber …« Morgan Thomas zuckt die Schultern. »Das geschieht jedem einmal. Das Leben ist ein Auf und Ab. Ebenso das Wirtschaftsleben. Man muss nur wissen, wie man wieder auf Kurs kommt und auf die richtigen Leute treffen, die einem weiterhelfen können.«

Ich stoße einen verzweifelten Seufzer aus.

»Nicht so einen wie Jones«, fügt er hinzu.

»Sie verstehen sich nicht?«

»Wir sind Konkurrenten.«

»Und warum sitzen Sie dann mit Alexander Jones an einem Tisch?«

»Ist da soeben mein Name gefallen?«, höre ich eine raue Stimme hinter mir.

Als ich mich umdrehe, sehe ich Alexander und seine Begleitung über den roten Teppich auf uns zukommen.

Muss er überall sein? Reicht es nicht, wenn er Herr über meine Gedanken … und mein hilfloses Herz ist?

»Wir haben über die Geschäfte gesprochen. Über Firmenschieflagen und Rettungen«, sagt Thomas.

»Hm …«, bemerkt er und bleibt misstrauisch neben uns stehen. »Ich fürchte, die Dame lässt sich nicht retten, sie tendiert eher zu Selbstmord. Mein Angebot hat sie bereits abgelehnt.«

»Vermutlich zu Recht, Alexander.«

»Nein, es war durchaus ein faires Angebot. Das respektlose kommt erst einige Wochen später, wenn die Firma illiquide ist. Dann wird sie mich anflehen, sie zu übernehmen.«

Ich lächele ihn zynisch an, und wenn Blicke töten könnten, wäre es das jetzt mit Jones gewesen.

»Vielleicht versuchen Miss Larson und ich einen Neustart. Lassen Sie uns ein Spiel spielen, Meredith«, sagt er plötzlich und fixiert mich mit seinem Blick. »Alles oder nichts?« Sein Ausdruck in den Augen durchbohrt mich mit voller Hingabe, sodass ich auf ganz andere Gedanken komme.

Himmel noch mal! Verdammte Sehnsucht!

Stumm nicke ich. Habe ich soeben genickt? Ein Spiel spielen? Wozu bringt mich dieser Kerl?

»Gut. Ich werde mich morgen bei Ihnen diesbezüglich melden. Einen schönen Abend noch«, sagt Jones. Dann dreht er sich zu Morgan um, verabschiedet sich von ihm und verschwindet mit seiner Begleitung über den roten Teppich zu seinem Wagen.

 

»Ein schönes Paar, nicht wahr?«, sagt Thomas. »Sie ist die Tochter unseres Bürgermeisters und damit eine wahre Türöffnerin. Vermutlich eine seiner besten Eroberungen in den letzten Jahren. Er wäre blöd, würde er sie nicht heiraten.«

Ich räuspere mich verärgert. »Er wäre blöd, würde er sie nur aufgrund ihrer Stellung in der Gesellschaft heiraten.«

»Oh, das mag ich, eine unschuldig denkende Frau. Ohne zwielichtige Absichten, die nach den guten Werten im Leben strebt. Aber Sie werden damit in der Geschäftswelt nicht weit kommen. Auch Alexander hat diese Tugend irgendwann einmal, auf dem Weg zum Erfolg, abgelegt. Sie müssen wissen – oder haben es vielleicht schon bemerkt –, Jones ist sehr zielstrebig. Ich kenne ihn bereits seit Langem. Einst hatte er bei mir ein Praktikum gemacht, nun überholt er mich, gemessen am Vermögen, um Häuser. Doch früher hatte er nichts und hat sich alles, was er heute besitzt, selbst aufgebaut. Seine Eltern haben ihn nie unterstützt, wollten, dass er Arzt wird, so wie sie selbst, doch ich denke, er wollte keine Leben retten. In jüngeren Jahren wollte er immer nur Firmen vor dem Untergang bewahren. Heutzutage rettet er Unternehmen auf seine eigene Art und Weise, zerstückelt sie wie ein Chirurg, trennt die erfolgreichen Bereiche heraus und fusioniert sie mit anderen erfolgsversprechenden Unternehmensteilen, um sie produktiv am Leben zu halten und wieder zu verkaufen. So ist auch Jones Corporation entstanden. Ein paar Firmen, an denen er hängt, hat er sich behalten und sie mit den besten Geschäftsführern besetzt, die er bekommen konnte. Für Jones ein Leichtes, die Besten von den Besten anzuwerben, denn er zahlt fabelhafte Gehälter und hat ein beneidenswertes Netzwerk. Doch interessanterweise hängt er am meisten an seiner Bohrmaschinenfirma. Vermutlich deshalb, weil es seine erste erfolgreiche Unternehmensübernahme und Repositionierung war. Jones’ Bohrmaschinen, kennen Sie, oder?«

Ich nicke und denke nach. »So gesehen, ist doch noch ein Arzt aus ihm geworden.«

Morgan lächelt. »In gewisser Hinsicht ja. Alexander ist meisterhaft, in dem, was er tut und ich fürchte, wenn er hinter Ihrer Firma her ist, werden Sie sich nicht mehr lange auf den Beinen halten können.«

Ich nicke. »Ohne finanzielle Mittel sind wir erledigt. Dennoch werde ich nicht an ihn verkaufen.«

»Ja, kämpfen Sie, solange sie noch können, solange Ihr Atem ausreicht. Aber passen Sie auf, Alexander liebt es, zu spielen. Das vorhin war kein Scherz von ihm. Genug ist ihm niemals genug. Deshalb nennen wir ihn auch Mr. Monopoly. Er ist ein brillanter Einkäufer, und wenn er etwas haben will, bekommt er das auch. Es ist meist nur eine Frage der Zeit.«

Ich nicke, denn ich weiß, worauf er anspielt und irgendwie habe ich das Gefühl, dass es so enden wird.

»Sie haben vorhin davon gesprochen, dass Sie Konkurrenten sind?«

»Ja, aus diesem Grund pflege ich auch die Nähe zu ihm. Man muss den Feind kennen, wenn man ihn bekämpfen will.«

»Wie wahr, das ist ein kluger Spruch.«

»Weit mehr als das«, sagt er und dann dreht er sich zu Stanley um. »Entschuldigen Sie, ich habe Ihre Begleitung viel zu lange aufgehalten. Ich werde wieder hineingehen. Meine Frau wartet bestimmt schon auf mich. Ich wünsche Ihnen beiden noch einen schönen Abend.«

Wir verabschieden uns und dann verschwindet Morgan Thomas im Rathaus.

»Das war vermutlich das spannendste Gespräch heute Abend«, wirft Stanley ein.

»Ja, das war es. Ein interessanter Typ, dieser Morgan Thomas … Und wir beide? Was machen wir jetzt? Sollen wir wieder reingehen?«, frage ich und runzele wenig enthusiastisch die Stirn.

»Was hältst du davon, wenn wir von der Party verschwinden und noch ein Glas in Soho trinken gehen? Ich kenne da eine nette Bar. Wird Zeit, dass wir zum entspannten Teil des Abends übergehen.«

»Ja, machen wir das. Dass ich heute Abend die Probleme meiner Firma lösen würde, war ohnehin nur ein schöner Wunschtraum.«

Stanley fischt nach meiner Hand. »Vergiss das alles einfach mal für ein paar Stunden. Lass uns ein wenig Spaß haben und die Realität ausblenden.«

»Das klingt wahnsinnig verlockend!«

Stanley reicht mir seinen Arm und ich hake mich unter. Dann schlendern wir zum Taxistand, schnappen uns einen freien Wagen und fahren nach Soho, um den Abend in einer netten Bar ausklingen zu lassen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739480619
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Januar)
Schlagworte
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Autor

  • Mina Jayce (Autor:in)

Mina Jayce hat sich dem Motto Love.Glam.Passion verschrieben und verfasst Romane über starke Protagonisten, leidenschaftliche Beziehungen, scharfe Storys und unvergessliche Begegnungen. <br>Mina studierte Management and Communication, liest viel, betreibt regelmäßig Couchsurfing und reist in der Welt herum, um ihren Erlebnisdrang zu stillen und neue Schauplätze für ihre Bücher zu finden. <p>Romane der Autorin: The Boss of Law, Milliards vs. Love, Mafia Prince, The Bodyguard - Love and Hate
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Titel: Milliards vs. Love