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Geburtstagskuss mit Folgen

von Alina Jipp (Autor:in)
238 Seiten
Reihe: Die Bakers, Band 2

Zusammenfassung

Der große Bruder, der große Held. Ihre Beziehung ist schon immer sehr eng. Doch was passiert, wenn ein Geburtstagskuss die Gefühle verändert? Wenn aus Geschwisterliebe mehr wird? Paula verliebt sich in ihren Adoptivbruder und weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Hat sie überhaupt eine Chance mit ihm glücklich zu werden? Fortsetzung von ›Der Arzt meiner Tochter‹, kann aber auch eigenständig gelesen werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Alina Jipp

 

Geburtstagskuss mit Folgen

 

Roman

 

 

Paula - Prolog

In der Pause saß ich mit meinen Freundinnen in der Mensa zusammen und folgte ihrem Gespräch, während ich meine Pizza aß.

»Paula! Heute Abend ist die Party des Jahres und du bist endlich fünfzehn, da müssen deine Eltern es doch erlauben!« Ich seufzte genervt. Warum konnte Michelle nur nicht verstehen, dass meine Eltern mir das niemals erlauben würden? Heute war mein fünfzehnter Geburtstag und abgesehen davon, dass die Familien Baker und Scott zu Besuch kommen würden, dürfte ich auch sonst nicht zu der Party eines Zwanzigjährigen im Haus seiner Eltern, die im Urlaub waren. Und wenn ich ganz ehrlich war, dann war ich sogar froh darüber. Michelle schwärmte immer für ältere Jungs, während ich bisher noch nie wirklich verliebt gewesen war. Natürlich hatte es schon den einen oder anderen Jungen gegeben, den ich niedlich fand.

Vielleicht war ich einfach von Zuhause her zu verwöhnt, um diese Idioten toll zu finden. Jeden einzelnen Jungen verglich ich mit meinem Bruder und da kam keiner von ihnen gut bei weg. Die Meisten hatten entweder nur Sport im Kopf oder waren nur an Partys, Drogen und Alkohol interessiert. Weder mit dem einen noch mit dem anderen konnte ich etwas anfangen. Irgendwo auf dieser Welt musste es doch noch einen Jungen wie Alexander geben und wenn ich den treffen würde, dann würde ich mich sicherlich auch verlieben.

»Michi«, antwortete ich genervt. »Mein Dad ist Arzt und hat Ian erst vor drei Wochen wegen einer Alkoholvergiftung behandelt, als er Doktor Fuller vertreten hat. Glaubst du wirklich, dass er mich da zu einer von seinen nur allzu bekannten Partys lassen würde? Der ist doch nicht dämlich.« Ich wusste, dass es Michis Eltern egal war, wo ihre Tochter sich herumtrieb, aber meine waren zum Glück anders. Ich wollte nicht mit ihr tauschen, auch wenn sie weniger Probleme mit ihren Eltern hatte, wenn sie abends ausgehen wollte.

»Außerdem ist die ganze Familie heute da, sogar Alex kommt extra vom College, da kann ich doch nicht weg.« Michelle lächelte verträumt.

»Alexander kommt?«, fragte sie aufgeregt. »Kann ich dann nicht auch kommen? Dein Bruder ist so heiß und sogar noch viel süßer als Ian.« Michelle war, sehr zu meiner Belustigung, schon seit mindestens einem Jahr total in meinen Bruder verknallt. Sehr zu ihrem Leidwesen interessierte er sich aber gar nicht für Mädchen in unserem Alter.

»Morgen kommst du doch sowieso zu uns und mein Bruder bleibt bis Sonntag, also wirst du ihn auf jeden Fall noch sehen«, versprach ich ihr. Auch wenn meine Freundin wusste, dass sie keine Chance bei ihm hatte, so gab sie nicht auf und suchte bei jeder Gelegenheit seine Nähe. Alex schien das gar nicht zu bemerken, oder zumindest zeigte er es nicht, wenn er es doch tun sollte. Wahrscheinlich war es unter seinem Niveau, von kleinen Highschoolschülerinnen angehimmelt zu werden und er sagte nur nichts, um Michi nicht zu verletzen. Das würde ihm ähnlich sehen.

 

Endlich war die letzte Unterrichtsstunde um und ich konnte nach draußen eilen, wo meine Großeltern, die gerade wieder zu Besuch in Aptos waren, mich schon erwarteten. Normalerweise fuhr ich mit dem Schulbus, aber wenn jemand in der Nähe war, wurde ich oft abgeholt. Ich verabschiedete mich schnell von Michi und stieg in Grandpas Auto.

»Herzlichen Glückwunsch, Große«, begrüßte Grandma Emma mich.

»Ich kann gar nicht glauben, dass du schon fünfzehn bist. Wie konntest du nur so schnell so groß werden?« Das fragte sie jedes Mal, wenn sie in Aptos war. Meistens war mir das mehr als peinlich, vor allem, wenn ich mir das alleine anhören durfte. Aber heute war mein Geburtstag, da konnte mir nichts so schnell den Tag versauen.

Außerdem würde Alexander nachher auch seinen Teil davon abbekommen und wir konnten dann heute Abend am Strand spazieren gehen und uns gemeinsam über die Sprüche unserer Familie lustig machen. Während des Tages würde ein Blick reichen, damit er mich verstand. Alex war einfach der beste Bruder, den es auf der ganzen Welt geben konnte. Ob das daran lag, dass wir nicht wirklich blutsverwandt waren und uns als Kinder sozusagen ausgesucht hatten, wusste ich nicht. Aber eins war sicher! Meine Beziehung zu ihm war etwas ganz Besonderes. Wir waren zwar mit unserer kleinen Schwester Lilli zu dritt und wir liebten sie auch sehr, aber der Altersunterschied war so groß, dass die Beziehung zu ihr eine ganz andere war. Ich würde alles tun, um sie zu beschützen, aber mit Alex konnte ich über alles reden, was mit einer Grundschülerin natürlich nicht möglich war.

 

Kaum hielten wir vor unserem Haus, das etwas außerhalb von Aptos lag und direkten Zugang zum Strand hatte, da hielten auch schon meine anderen Großeltern William und Olivia neben uns an. Gleich danach kam auch meine Tante Elizabeth mit ihrem Mann Landon und den drei D´s an, wie Alex und ich unsere Cousins Dave, Danny und Dylan nannten. Es gab noch vorm Haus ein großes Hallo, Küsse, Umarmungen, Gratulationen. Die Geschenke stapelten sich auf dem Tisch an der Tür. Trotz des Chaos und der Freude, die ganze Familie zu sehen, wartete ich sehnsüchtig auf meinen Dad, der Alex vom Flughafen abholte.

 

Wir waren gerade reingegangen, als der Wagen endlich hielt und schon rannten alle wieder hinaus, um Alexander zu begrüßen. Ich war zuerst bei ihm und fiel ihm einfach um den Hals. Dann tat er etwas, das mein Herz kurz zum Stillstand brachte. Er küsste mich kurz auf den Mund, ehe er mich umarmte und mir gratulierte.

Mir wurde ganz anders, erst heiß, dann kalt. Mein Herz begann wie wild zu schlagen und es war, als würden Schmetterlinge in meinem Bauch tanzen. Ich wünschte mir schon lange, dass irgend ein Junge mal Gefühle in mir auslösen würde und dass ich mich endlich verlieben könnte. Aber nun war es nicht irgendein Junge aus Aptos, sondern ausgerechnet mein großer Bruder. Das durfte einfach nicht sein, das wusste ich.

 

Irgendwie schaffte ich es, dass mir niemand etwas anmerkte. Zumindest hoffte ich es, denn der ganze restliche Tag war anders als sonst. Manchmal war es, als hätte sich ein Nebel über mich gelegt, der alles dämpfte und weniger real erschienen ließ. Trotzdem schaffte ich es, den Tag irgendwie zu überstehen, auch wenn mein Herz jedes Mal schneller schlug, wenn Alexander mir näher kam. Am Abend, als alle weg waren, fragte er mich wie immer, ob ich mit ihm an den Strand gehen wollte. Fast hätte ich ›Nein‹ gesagt, obwohl ich es gar nicht wollte, aber dann sagte ich mir, dass ich das nicht durfte. Ich musste so tun, als wäre alles wie immer und schnellstens dafür sorgen, dass mein Herz aufhörte zu spinnen! Leicht fiel mir das nicht, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Vor allem nicht am Strand, denn der war mit einem Mal, im Licht der untergehenden Sonne, viel zu romantisch.

 

Wie konnte ein Kuss nur mein ganzes Leben auf den Kopf stellen? Alexander hatte mich schon oft brüderlich geküsst und an diesem Kuss war nichts anders gewesen als sonst. Warum reagierte ich auf einmal so? Ich war froh, als ich abends endlich allein in meinem Bett lag, auch wenn ich noch völlig durcheinander war. Aber zumindest musste ich nun nicht mehr so tun, als wäre alles wie immer. Denn plötzlich war nichts mehr wie zuvor und ich hatte niemanden, mit dem ich darüber reden konnte. Michelle war zwar meine beste Freundin, aber sie war selbst in meinen Bruder verliebt und außerdem wusste ich nicht, wie ich erklären sollte, dass er plötzlich mehr für mich war, als nur mein Bruder.

Paula - Der 18. Geburtstag

Als der Wecker klingelte, knurrte ich erst kurz und wollte mich noch einmal umdrehen und mir die Decke über den Kopf ziehen. Aber dann fiel mir ein, was für ein Tag heute war und ich war mit einem Schlag hellwach. Heute war mein großer Tag. Mein 18. Geburtstag, das war sowieso schon etwas Besonderes und für mich erst recht.

 

Denn ER würde heute endlich wieder kommen. Wenn ich nur daran dachte, lächelte ich verträumt, denn er fehlte mir furchtbar. Seit ich drei Jahre alt gewesen war, waren wir unzertrennlich und seit er ausgezogen war, um zu studieren, war es, als hätte er einen Teil von mir mitgenommen. Noch schlimmer war es in den letzten drei Jahren geworden, denn seit er mich an meinem fünfzehnten Geburtstag geküsst hatte, war ich rettungslos verliebt. Verliebt in den eigenen Bruder! Okay, Adoptivbruder, aber wirklich besser machte es das nicht. So etwas Dämliches konnte nur mir passieren.

Auch wenn Alexander nicht mein leiblicher Bruder war, sein Vater hatte meine Mutter geheiratet und mittlerweile waren wir längst vom anderen Elternteil adoptiert worden und sie hatten noch ein gemeinsames Kind bekommen, unsere kleine Schwester Lilli. Ich liebte Sebastian wie einen Vater und Alex liebte Mom auch, wie man seine richtige Mutter liebte. Keinen interessierte es, dass wir nicht alle blutsverwandt waren. Wir waren einfach eine völlig normale Familie. Na ja, zumindest, wenn man davon absah, dass ich eben unsterblich in meinen Bruder verliebt war.

 

In den letzten drei Jahren sprach ich mit niemandem darüber. Wie hätte ich es auch erklären sollen? Selbst mit meiner besten Freundin Michelle konnte ich darüber nicht reden, denn auch sie war immer mal wieder in Alexander verliebt. Zum Glück war sie jetzt schon seit acht Monaten mit ihrem Freund Ryan zusammen und schwärmte mir nicht mehr von meinem Bruder die Ohren voll. Zukünftig würden sich unsere Wege sowieso trennen, aber das störte mich kaum noch. Zu sehr hatte sie sich verändert, seit sie mit ihrem Freund zusammen war. Während sie gemeinsam mit Ryan in Los Angeles studieren würde, war ich an der Universität von New York angenommen worden. Dort studierte auch Alexander Psychologie und nach den Semesterferien würde ich mit ihm zusammen in einer WG in direkter Nähe des Campus wohnen. Weder er noch unsere Eltern hatten in den letzten Jahren etwas bemerkt, ansonsten hätten sie wohl nicht zugestimmt, dass wir nun zusammenzogen. Unsere Eltern besaßen zwar noch immer eine Stadtwohnung in New York, aber dort wollten wir beide nicht wohnen. Erstens war sie viel zu weit vom Campus entfernt und zweitens viel zu groß und luxuriös für eine Studentenbude. Deshalb kauften unsere Eltern die Wohnung, in der nun die WG war und schenkten sie Alex zum Beginn seines Studiums.

 

Alexander, der sein Grundstudium vor den Semesterferien abgeschlossen hatte, lebte bisher mit drei Jungs in dieser Wohnung. Zwei davon waren nun fertig mit ihrem Studium und ausgezogen. Eines der Zimmer würde ich übernehmen. Das letzte Zimmer war noch frei, dafür suchten wir noch eine Mitbewohnerin, denn Alexander wollte nicht, dass ich nur mit Kerlen zusammen wohnte.

 

Aber zunächst waren jetzt noch zwei Wochen Ferien und die würde Alexander hier bei uns in Aptos verbringen. Seit Anfang der Semesterferien war er mit einem Freund in Europa gewesen. Die Reise war sein Geschenk zum Abschluss des Grundstudiums gewesen. Eigentlich sollte er schon gestern zurückkommen, aber durch schlechtes Wetter hatten sich seine Flüge so verspätet, dass er wieder erst an meinem Geburtstag ankommen würde. Das war fast ein Déjà-vu. An meinem fünfzehnten Geburtstag war er auch erst zu meiner Geburtstagsfeier angekommen und als er mich dann küsste, wurde mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.

 

Wie oft hatte ich danach versucht, mich in einen Jungen von der Aptos High zu verlieben, aber da war einfach nichts gewesen. Man konnte sich halt nicht auf Befehl verlieben, auch wenn das so vieles erleichtert hätte. Trotz einiger Dates in den letzten Jahren und obwohl ich mich auch ab und zu küssen ließ, musste ich feststellen, dass bei keinem der Jungen mein Herz so schnell schlug, wie bei Alexander. Mittlerweile war es mir auch egal, dass ich als eiserne Jungfrau ausgelacht wurde. Ich war wohl das einzige Mädchen in ganz Aptos, das auch nach ihrem Highschoolabschuss noch Jungfrau war.

Es gab in den letzten Monaten sogar eine Wette unter den Jungs, wer von ihnen es zuerst schaffen würde, mich ins Bett zu bekommen, aber da ich keinen von ihnen ran gelassen hatte, gab es nun das Gerücht, dass ich lesbisch sei. Selbst Michelle schien daran zu glauben und zog sich langsam immer mehr von mir zurück.

Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich ihr die Wahrheit erzählt hätte, aber ich traute mich nicht. So sehr ich Michelle mochte, sie war eine unheimliche Klatschtante und ich hatte keine Lust darauf, dass die ganze Stadt darüber sprach, wie ich mich fühlte. Aptos war eine Kleinstadt und es wurde unheimlich viel geredet. Dass die Tochter des Chefarztes der neurologischen Klinik in ihren eigenen Bruder verliebt war, wäre über Monate das Thema im Ort gewesen. Auch wenn wir gar nicht blutsverwandt waren, so waren wir doch eine Familie und wie richtige Geschwister aufgewachsen. In Aptos würde es einen riesigen Skandal geben und der könnte der ganzen Familie, der Klinik und sogar der Rehaklinik schaden. Und alles nur, weil ich mein Herz nicht im Griff hatte.

 

»Happy Birthday to you!«, erklang es plötzlich ziemlich schief an meiner Zimmertür und Lilli stürmte herein. Unser kleiner Wirbelwind war inzwischen acht Jahre alt. Sie konnte manchmal eine richtige Nervensäge sein, da sie mir in allem nacheiferte, aber wenn ich ehrlich war, liebte ich die Kleine trotzdem sehr.

»Es gibt Pancakes zum Frühstück«, jubelte sie. »Und deine Geschenke warten unten, kommst du endlich? Mom sagt, dass ich erst etwas bekomme, wenn du da bist.« Lilli schmiss sich auf das Fußende meines Bettes und seufzte schwer.

»Dad kommt auch gleich, meinte Mom eben. Der musste noch mal ins Krankenhaus …« Das war für uns alle völlig normal. Seitdem mein Vater eine der bekanntesten neurochirurgischen Klinik Kaliforniens in Aptos aufgebaut hatte, kam es oft vor, dass er wegen eines Notfalls zu den ungünstigsten Zeiten weg musste. Viele Leute kamen extra hierher, nur um sich von ihm operieren zu lassen. So hatten meine Eltern sich auch kennengelernt. Als Kleinkind war ich an einen Hirntumor erkrankt und mein Dad war mein behandelnder Arzt gewesen. Meine Mutter verliebte sich während meiner Behandlung in ihn.

An meinen leiblichen Vater erinnerte ich mich kaum. Meine Mutter sprach nicht viel über ihn, sie hatte zwar Fotos von ihm für mich aufgehoben und mir ein paar Dinge darüber erzählt, wie sie sich kennenlernten. Aber sonst sprach sie kaum über ihn. Granny Stone, seine Mutter, war da gesprächiger gewesen, als sie noch lebte. Für sie war er ein Nichtsnutz und Rabenvater und das erzählte sie mir auch immer wieder. Sie und Grandpa Stone, an den ich mich kaum erinnern konnte, hatten nicht nur den Kontakt zu ihrem Sohn abgebrochen, sondern ihn auch enterbt und mir stattdessen alles vermacht. So war ich schon seit einigen Jahren Besitzerin eines Hauses hier in Aptos, welches vermietet war, solange ich nicht dort wohnen wollte. Außerdem gab es ein Treuhandkonto, über das ich jetzt, da ich achtzehn war, verfügen könnte. Ich brauchte aber gar nichts, da ich alles Nötige von meinen Eltern bekam. Mein Angebot, das Geld für mein Studium zu nutzen, hatten sie lächelnd abgelehnt.

»Ich zahle allen meinen Kindern ihr Studium, Paula.« Dad war fast böse geworden wegen meines Vorschlages. »Lass dein Geld angelegt, wenn du es jetzt nichts brauchst, oder erfüll dir einen Traum damit. Für eure Ausbildung bin ich zuständig.«

Dad machte keinen Unterschied zwischen uns dreien, auch wenn ich ›nur‹ sein Adoptivkind war, wie manche ältere Leute gern betonten. Im Gegenteil, manchmal sagte er, dass ich etwas ganz Besonderes wäre, weil er ohne mich Mom nie begegnet wäre und somit nicht gelernt hätte, Alexander ein guter Vater zu sein. Das bewunderte ich sehr an Dad, er gab es offen zu, wenn er Fehler machte und er erzählte oft, dass er Alex anfangs kein guter Vater gewesen war und dass ihm das sehr leidtat. Auch wenn er sonst mal ungerecht war oder einen Fehler machte, dann stand er immer dazu und entschuldigte sich. Das konnten nicht viele Erwachsene, vor allem nicht Kindern oder Jugendlichen gegenüber. Aber er sagte immer, dass ihn das ›nicht zu seinen Fehlern stehen‹ fast seine Familie gekostet hätte und das Risiko wollte er nie wieder eingehen.

 

»Paula! Lilli! Kommt ihr bald runter?«, rief Mom nach uns und ich schwang die Beine aus dem Bett, um endlich aufzustehen.

»Sagst du Mom, dass ich noch schnell dusche?«, fragte ich Lilli. Die nickte und lief schon mal hinunter. Keine Viertelstunde später folgte ich ihr in die Küche und prallte überrascht zurück, als ich fast in Alexander hineingelaufen wäre.

»Was machst du denn schon hier?«, fragte ich völlig perplex. Alexander lachte laut.

»Was für eine nette Begrüßung, Schwesterchen. Ich wollte dir persönlich zum Geburtstag gratulieren und habe einen Nachtflug genommen. Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?«

»Klar freue ich mich«, quietschte ich aufgeregt und verfluchte mich innerlich selbst dafür. Konnte ich nicht einfach mal normal reden, wenn er da war?

»Ich habe nur nicht so früh mit dir gerechnet.« Strahlend lächelte ich ihn an und er zog mich in eine feste Umarmung, die ich am liebsten nie enden gelassen hätte.

»Happy Birthday, Paula«, flüsterte er mir ins Ohr und sein Atem verursachte bei mir eine Gänsehaut.

»Danke, Alexander«, flüsterte ich fast atemlos zurück. »Du hast mir so gefehlt.« Ehe ich mich versah, war der Satz raus. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Natürlich wieder gar nichts, wie immer in Alexanders Nähe. Aber zum Glück war seine einzige Reaktion, dass er mich fester drückte. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht bemerkte, was ich wirklich damit meinte.

Zum Glück kam nun Dad aus dem Krankenhaus und wollte mir ebenfalls gratulieren, ehe wir alle gemeinsam frühstückten. Lilli jammerte zwar, dass ich doch erst einmal die Geschenke auspacken sollte, aber mir war das nicht so wichtig. Mein schönstes Geschenk saß ja schon am Tisch. Und wenn Alexander das nächste Mal abreisen würde, würde ich ihn nach New York begleiten. Was wünschte ich mir also mehr?

Paula - Die Party

Ich saß grübelnd auf dem Bett und starrte auf die vier Outfits, die neben mir lagen. Welches sollte ich heute nur anziehen? Da ich meinen Geburtstag wie immer mit der Familie gefeiert hatte, war nun heute meine Geburtstags- und gleichzeitig Abschiedsparty mit allen meinen Freunden. Alles Wichtige war eingepackt und per Post nach New York verschickt worden, nun musste ich nur noch einige Sachen, wie meinen Laptop und etwas Kleidung, einpacken, die wir im Flugzeug mitnehmen würden. Die meisten Sachen, wie meine Möbel, Pflanzen und leider auch meine Katzen, würden sowieso bei meinen Eltern bleiben. Lucky und Happy waren mit ihren fünfzehn Jahren einfach zu alt, um ihnen einen Umzug in eine Studenten-WG zumuten zu können. Wahrscheinlich wäre schon der lange Flug zu viel für meine beiden Süßen. Ich wusste schon jetzt, dass sie mir sehr fehlen würden, auch wenn ich wusste, dass sie es hier bei meinen Eltern am besten hatten.

Der Abschied von meiner Familie würde mir auch nicht leicht fallen, aber dank Telefon, Handy und Internet konnte ich ja wenigstens regelmäßig mit ihnen sprechen und sie auch via Bildschirm sehen. Außerdem besuchte Mom regelmäßig den Verlag für den sie Kinderbücher schrieb und illustrierte und würde uns dann besuchen kommen. Dad versprach, sie ab und zu bei diesen Reisen zu begleiten. Das versuchte er sowieso immer, aber oft klappte es nicht, weil er in der Klinik gebraucht wurde. Das war der Nachteil, wenn der Vater ein sehr guter Arzt war. Immer wieder kam es vor, dass er plötzlich in die Klinik musste. Allerdings machte es mich auch stolz, das er als berühmter Neurochirurg trotzdem auf dem Boden geblieben war und in der Notaufnahme aushalf, wenn Not am Mann war. Für mich war er sowieso ein Held. Im Laufe der Jahre hatte ich immer mehr über meine Erkrankung als Kleinkind erfahren und war mir heute sehr bewusst, dass ich ihm und Mom, die immer um mich gekämpft hatte, mein Leben verdankte.

»Paula! Michelle ist da«, rief meine Mutter mir plötzlich zu und ich sah erschrocken auf die Uhr. Es war ja schon fast sieben, wahrscheinlich würden auch meine anderen Gäste gleich kommen und statt mich endlich umzuziehen, saß ich noch immer auf meinem Bett und dachte über meine Familie nach.

»Michi!«, schrie ich leicht verzweifelt zurück. »Komm hoch und hilf mir, ich weiß nicht, was ich anziehen soll!« Irgendwo hörte ich Alexander lachen, aber das war mir jetzt egal. Er behauptete immer, dass ich einen Klamottentick hätte, aber jetzt wusste ich wirklich nicht, was ich tragen sollte.

»Hey, Paula«, begrüßte Michi mich, als sie ins Zimmer kam. Wir umarmten uns kurz und dann warf sie einen Blick auf die Kombinationen, die auf dem Bett lagen.

»Paula, das Zeug ist alles schwarz! Trägst du heute Trauer oder fällt dir der Abschied von mir so schwer?«, neckte sie mich. Sie wusste, dass ich meine Kleidung oft nach meiner Stimmung aussuchte.

»Mir fällt der Abschied insgesamt sehr schwer«, gab ich zu. »Irgendwie ist es, als wäre nun unsere Jugend endgültig vorbei, und der Ernst des Lebens uns einholt.« Dabei dachte ich an Julie, ein Mädchen, das mit uns zusammen zur Schule gegangen war und die gleich nach dem Abschluss geheiratet hatte, weil sie schwanger war. Irgendwie konnte ich mir das noch gar nicht vorstellen, natürlich wollte ich irgendwann heiraten und eine eigene Familie, aber doch noch nicht mit achtzehn.

»So ein Quatsch!«, antwortete Michelle lachend. »Unsere Jugend ist noch lange nicht vorbei. Die schönste Zeit kommt jetzt doch erst.« Sie sprang vom Bett, auf dem sie bisher saß, auf und begann im Zimmer herum zu gehen und dabei wild mit den Händen zu gestikulieren, während sie weiter sprach. Das tat sie immer, wenn sie aufgeregt war.

»Auf dem College werden wir viel freier sein, als hier in Aptos. Los Angeles ist eine so aufregende Stadt und du gehst sogar nach New York, was du da alles erleben wirst. Du darfst nur nicht so dämlich sein wie Julie und dich gleich vom erstbesten Kerl schwängern lassen.« Sie verzog verächtlich das Gesicht.

»Aber das kann dir ja sowieso nicht passieren. Du bist doch noch Jungfrau und vögelst bestimmt nicht mit irgendwem, ohne zu verhüten.« Ich stöhnte auf. Hätte ich nur nichts gesagt.

»Ich habe auch nicht vor zu vögeln!« Das letzte Wort betonte ich extra, da ich diesen Ausdruck nicht leiden konnte.

»Aber natürlich würde ich an Verhütung denken, wenn ich irgendwann Sex haben werde. Allerdings solltest auch du wissen, dass kein Verhütungsmittel hundertprozentige Sicherheit bietet.«

»Wer ist schwanger?«, fragte plötzlich Jodie neugierig hinter uns. Michelle und ich waren so in unser Gespräch vertieft gewesen, dass wir gar nicht bemerkten, wie sie in mein Zimmer gekommen war.

»Redet ihr mal wieder über Julie? Ich kann das immer noch nicht fassen. Also, wenn mir das passiert wäre, dann hätte ich sicher nicht geheiratet und brave Hausfrau gespielt.« Keine von uns konnte verstehen, warum sie das tat. Schließlich hatte sie einen super Notendurchschnitt.

»Wusstet ihr, dass sie gar nicht mehr aufs College will, nicht einmal nach einem Jahr Pause?«, fragte sie entsetzt. Jodie war sehr ehrgeizig und wollte Anwältin werden. Sie hatte ein Stipendium bekommen und würde in Boston studieren. Ihr Traum war es, irgendwann am obersten Gerichtshof zu arbeiten.

Wir alle drei konnten es uns nicht vorstellen, keine Ausbildung zu machen. Wir hatten alle unsere Ziele, auf die wir seit Jahren hinarbeiteten und bisher dachten wir das auch von Julie und nun ließ sie alles sausen, um Ehefrau und Mutter zu werden. Während wir über unsere Pläne für die Zukunft redeten, zog ich mich endlich um. Ich trug ein schwarzes, knielanges Kleid mit weißen Punkten. Ich liebte den gerade wieder angesagten Fiftieslook. Lange Zeit war es mein Traum gewesen, später einmal Modedesign zu studieren. Obwohl ich Mode immer noch sehr liebte, hatte ich mich nun für ein Architekturstudium entschieden. Baustile waren nicht so vergänglich wie Mode und ich wollte nicht, dass ich monatelang arbeitete, nur damit die Sachen dann ein paar Monate getragen wurden, ehe sie entsorgt wurden. Ich wollte am liebsten etwas für die Ewigkeit erschaffen und wenn mir das nicht gelingen sollte, dann wenigstens für viele Jahre.

»Paula!«, rief Alex genervt. »Kommst du heute noch runter? Ich bin nicht dein Türsteher.« Lachend liefen wir zu dritt die Treppe hinunter.

»Ich bin doch schon da, Bruderherz«, scherzte ich und ignorierte den bösen Blick, den er mir zuwarf einfach. Manchmal war er halt wirklich nur mein Bruder und ich konnte die anderen Gefühle, die ich für ihn hatte, fast völlig zurückdrängen. Unten angekommen begrüßte ich die anderen Gäste, die schon eingetroffen waren. Gemeinsam gingen wir hinaus auf die Terrasse, auf der mein Vater schon fleißig am Grillen war, und stürmten die bereits gedeckten Tische. Später wollten wir unten am Strand noch ein Feuer anzünden und Marshmallows in den Flammen rösten. Aber erst einmal mussten alle da sein. Unsere Clique war ziemlich groß und ich war froh, dass meine Eltern so großzügig waren und uns erlaubten, hier gemeinsam zu feiern. Kaum einer von uns würde hier in Aptos bleiben und es war vielleicht das letzte Mal für lange Zeit, dass wir alle zusammen kommen würden.

Auch Alexander und sogar Lilli hatten ein paar ihrer Freunde einladen dürfen. Allerdings würden Lilli und ihre Freundin Emily nach dem Essen in Lillis Zimmer gehen, wenn wir hinunter an den Strand gehen würden. Wir saßen schon alle zusammen an den Tischen, erzählten und lachten. Es gab niemanden, der nicht seinen Spaß hatte.

»Was für eine tolle Party«, erklärte Sue gerade, als es noch einmal an der Tür klingelte.

»Ich mache schon auf«, erklärte ich sofort, auch wenn ich eigentlich niemanden mehr erwartete, aber ich wollte sowieso gerade schnell im Bad verschwinden.

Als ich allerdings die Tür öffnete, staunte ich doch nicht schlecht. Dort stand Nikki Nelson und grinste mich an. Sie war in Alexanders Stufe und die beiden waren sogar ganz kurz ein Paar gewesen. Aber ich mochte sie noch nie, sie sah immer auf die jüngeren Schüler herab, als wären wir Ungeziefer. Was wollte die denn jetzt hier? Soviel ich wusste, war sie zum Studieren nach Los Angeles gegangen und hatte seit dem Highschoolabschluss keinerlei Kontakt zu Alexander gehabt. Zumindest hatte er nie etwas erzählt und sonst erzählte er von jedem, den er von seinen alten Freunden wieder traf.

»Ashly«, flötete sie regelrecht, was natürlich doppelt dämlich klang, wenn man den falschen Namen benutzte. »Es ist so schön, dich zu sehen. Dein Bruder hat mich eingeladen doch heute zu seiner Party zu kommen. Bringst du mich bitte zu ihm?«

»Ich heiße Paula!«, korrigierte ich sie. »Außerdem ist es meine Party und ich weiß nichts davon, dass du eingeladen bist.«

Sie starrte mich böse an und von ihrer gespielten Freundlichkeit blieb nichts zurück.

»Lass mich jetzt rein. Alexander erwartet mich«, zischte sie nun regelrecht und verzog dabei böse das Gesicht. Von der gerade noch gespielten Freundlichkeit war nichts mehr übrig. »Woher sollte ich denn von dieser Party wissen, wenn ich nicht eingeladen wäre?« Das fragte ich mich auch, aber trotzdem hatte ich keine Lust, mir den Abend verderben zu lassen. »Das hier ist meine Party und du bist nicht eingeladen!«

»So ein Quatsch. Nun lass mich rein, du dummes Gör. Was weißt du denn schon?«

»Ich weiß, dass ich dich hier nicht haben will. Bitte verlasse nun unser Grundstück.« Ich musste wohl unbewusst immer lauter geworden sein, denn diese Frau wollte ich nicht in Alexanders Nähe wissen. Na gut, wenn ich ehrlich war, wollte ich gar keine Frau in seiner Nähe haben, aber bisher schaffte ich es immer irgendwie, das nicht so sehr zu zeigen. Plötzlich stand ausgerechnet Alexander hinter mir.

»Was ist denn hier los? Warum schreist du so, Paula?«, fragte er und sah verständnislos von Nikki zu mir und zurück.

»Alexander«, flötete die falsche Schlange und ging zwei Schritte auf ihn zu. »Wir hatten nur ein kleines Missverständnis, aber nun ist alles geklärt. Lass uns Spaß haben und diesen kleinen Zwischenfall vergessen.« Das konnte ja wohl nicht ihr Ernst sein. Alex schien ihr zum Glück nicht zu glauben, sondern sah sie sehr zweifelnd an, während er etwas vor ihr zurückwich.

»Missverständnis? Du hast mich beleidigt und erwartest dann noch, dass ich dich auf meine Party lasse?« Wenn Blicke töten könnten, wäre ich jetzt wohl umgefallen. Aber zum Glück interessierte es mich nicht, was sie von mir hielt.

»Nikki, du hast meine Schwester gehört«, erklärte Alex ruhig. »Es ist ihre Party und sie will dich hier nicht haben. Also geh bitte.«

Ohne sie weiter zu beachten, drehte er sich wieder um, zog mich mit ins Haus und schloss die Tür vor ihrer Nase.

Nun konnten wir endlich weiter feiern und entgegen meiner Erwartungen tauchte sie auch am Strand nicht auf, sodass es noch ein richtig schöner Abend mit unseren Freunden wurde.

Paula - Neue Bekanntschaften

Ich war total erschöpft und wie erschlagen, als wir endlich im Taxi zur Wohnung saßen. Der stundenlange Flug und die vielen Menschen am Flughafen hatten mich wirklich geschafft. Nun musste ich mich sehr zusammenreißen, um nicht noch während der Fahrt einzuschlafen. Unsere Mitbewohner würden schon in der Wohnung sein, wenn wir ankamen und ich wollte die letzten Minuten mit Alexander allein genießen. Auch wenn er selbst nicht mehr sonderlich gesprächig war, mit ihm schweigen, war auch schön. Seine Nähe war mir die ganze Zeit sehr bewusst und am liebsten hätte ich mich einfach an ihn gekuschelt und die Augen geschlossen. Aber ich traute mich nicht, nachdem er mir vorhin erst erzählt hatte, wie sehr ihn anhängliche Frauen nervten. Wie würde ihn das dann erst bei seiner kleinen Schwester nerven? Ich durfte nicht vergessen, dass er nicht so für mich fühlte, wie ich für ihn.

 

Schon während des Fluges redeten wir über alles Mögliche, auch über die Liebe und Beziehungen. Aber ich hatte möglichst um den heißen Brei herum geredet und nur erzählt, dass ich zwar in einen Jungen verliebt war, er aber nicht in mich. Alex fragte zwar nach, ob er den Jungen kennen würde, aber ich konnte schnell das Thema wechseln und ihn fragen, wie es in Sachen Liebe bei ihm aussah. Zum Glück erzählte er, dass er schon über sechs Monate Single war und die paar Dates, die er seitdem gehabt hatte, ein Reinfall gewesen waren. Erleichtert atmete ich auf. Ich hätte es nicht ertragen, wenn da ein Mädchen gewesen wäre, das er regelmäßig mit in unsere WG gebracht hätte.

 

Endlich hielt das Taxi vor dem Haus in der Alexanders, besser unsere Wohnung lag. Natürlich kannte ich das Haus schon von einigen Besuchen her, aber daran, dass ich jetzt wirklich auch hier wohnte und nicht nur Gast war, musste ich mich erst gewöhnen. Aber das würde sicherlich nicht lange dauern, ich fand mich in neuen Situationen immer ziemlich schnell zurecht und im Gegensatz zur Universität und meinen Mitstudenten kannte ich die Wohnung wenigstens schon.

Wenn man die Wohnung betrat, stand man gleich im Wohnzimmer, von dem die Küche und ein Flur zu den Zimmern abging. Nur eines der Zimmer hatte ein eigenes Bad, die anderen mussten sich eins teilen. Ich wusste, dass Alexander dieses Zimmer bewohnte, seit er in diese Wohnung gezogen war. Nun aber zog er mich zielstrebig zu genau diesem Zimmer, öffnete die Tür und grinste mich erwartungsvoll an.

»Na, was sagst du?«, fragte er aufgeregt.

»Wozu?«, fragte ich leicht verwundert, warum er mich hierher führte. Schließlich kannte ich diesen Raum ja schon von unseren Besuchen.

»Na, zu deinem Zimmer! Ich habe es extra in deiner Lieblingsfarbe gestrichen, bevor ich nach Europa geflogen bin.« Er lachte leise auf, sodass mir wohlige Schauer über den Rücken liefen. Ich liebte sein Lachen einfach viel zu sehr und dass er dieses Zimmer extra für mich renoviert hatte, machte ihn noch perfekter.

»Es ist wirklich mein Zimmer?« Konnte ich das überhaupt annehmen?

»Wenn du es nicht willst, nehme ich es gern«, hörte ich auf einmal eine Stimme hinter mir. Verwundert sah ich mich um, hinter mir stand eine wunderschöne Blondine.

»Ich bin Catherine«, erklärte sie mir etwas von oben herab. »Und ich hätte wirklich lieber das Zimmer mit dem eigenen Bad, als mir eins mit Ben und Alexander zu teilen …« Alexander warf ihr einen Blick zu, den ich nicht verstand. Es war fast, als würden die beiden stumm kommunizieren. Sofort überkam mich ein ungutes Gefühl. Waren die beiden etwa ein Paar?

»Das Thema hatten wir doch schon, Catherine! Wenn du hier wohnen willst, bekommst du das Zimmer neben Ben. Dieses Zimmer bekommt meine Schwester.« Alexander sprach nun sehr entschieden und lächelte mir dann entschuldigend zu.

»Das Zimmer gehört dir, Paula.« Für ihn schien das Thema damit erledigt zu sein, doch Catherine wollte nicht klein bei geben.

»Kann deine Schwester nicht für sich selbst sprechen?« Man war diese Frau zickig.

»Doch kann ich und deshalb danke ich dir, Alex. Es ist so lieb von dir, dass du für mich auf das Zimmer verzichtest.« Da wir nicht allein waren, umarmte ich ihn nur ganz kurz, um ihm zu zeigen, wie sehr ich mich freute.

»Wie süß, da hat aber jemand seinen Bruder lieb.« Mir wurde übel, war es so offensichtlich, was ich für Alex fühlte, dass sie mich schon nach diesen paar Minuten durchschaute?

»Ja und?«, fragte Alex. »Ich mag meine Schwester auch sehr und du bist besser nett zu ihr, oder du bekommst Ärger mit mir.« Alexander sagte es zwar mit einem Augenzwinkern, aber sein Ton machte deutlich, wie ernst es ihm war. Ich lächelte sie leicht an, bekam von ihr aber nur einen abschätzenden Blick, ehe sie sich umdrehte und in ihr Zimmer ging. Die Tür knallte hinter ihr zu. Das Zusammenleben mit ihr konnte ja noch heiter werden.

»Denk dir nichts dabei«, meinte Alexander. »Sie schmollt immer noch, dass sie dein Zimmer nicht bekommen hat. Ich habe ihr aber von Anfang an erklärt, welches Zimmer sie haben kann und wenn ihr das nicht passt, dann muss sie sich etwas anderes suchen.« Für ihn schien das völlig klar zu sein, aber ich fürchtete, dass sie nicht so schnell aufgeben würde.

»Ich habe keine Lust auf Theater hier in der Wohngemeinschaft. Irgendwie war es nur mit Jungs einfacher, auch wenn Catherine im letzten Jahr schon oft hier bei Ben übernachtet hat. Aber er hat mir gestern schon geschrieben, dass sie dein Zimmer haben will und deswegen Theater macht.«

Mir war die Zimmerverteilung eigentlich egal und auch wenn ein eigenes Bad etwas Schönes war, so hatte ich doch keine Lust auf Streit. Vielleicht wäre es besser für den WG-Frieden, wenn ich einfach verzichten würde.

»Wenn sie das Zimmer doch unbedingt …«, fing ich an, doch Alexander unterbrach mich sofort.

»Vergiss es, Paula! Das ist dein Zimmer und sie soll sich damit abfinden.« Da ich mich nicht mit ihm streiten wollte, ließ ich das Thema Zimmertausch fallen und bedankte mich noch einmal dafür, dass er es mir überließ. Den Rest des Tages war ich mit dem Auspacken meiner Sachen beschäftigt und als Alexander mich zum Abendessen rief, sah es schon ganz heimelig aus. Ich hatte überall Fotos von meiner Familie verteilt und dass von Alexander auch einige dabei waren, obwohl wir ja jetzt zusammen wohnten, würde hoffentlich niemanden auffallen. Mein Lieblingsbild, auf dem wir Arm in Arm auf unseren Baumstamm am Strand saßen, war ungefähr ein Jahr alt und stand sogar auf meinem Nachttisch. Dort stand es schon in Aptos und ich verriet niemanden, dass ich es jeden Abend küsste, ehe ich das Licht ausschaltete.

An diesem ersten Abend sah ich Catherine nicht wieder, da sie ihr Zimmer nicht mehr verließ und auch Ben sah ich nur ganz kurz, als er von seinem Nebenjob kam. Aber im Gegensatz zu seiner Freundin begrüßte er mich sehr herzlich, bevor er in seinem Zimmer verschwand. Wir kannten uns ja schon und hatten uns immer gut verstanden. Ich hoffte sehr, dass ich mich auch mit Catherine anfreunden könnte, denn das würde das Zusammenleben sehr erleichtern.

 

Alexander und ich machten es uns also zu zweit gemütlich und redeten beim Essen über alles Mögliche. Mit ihm konnte ich besser reden, als mit jedem anderen Menschen auf dieser Welt. Nachdem wir die von ihm bestellte Pizza gegessen hatten, legte er noch eine DVD ein und wir lümmelten uns auf das riesige Sofa. Richtig sitzen konnte man bei der Tiefe gar nicht, aber wunderbar liegen oder eben lümmeln. Es war ein langer Tag gewesen und deshalb war ich so kaputt, dass ich von dem Film nicht viel mitbekam und irgendwann wohl eingeschlafen sein musste. Denn als ich wach wurde, war der Bildschirm blau und ich lag mit meinem Kopf auf Alexanders Brust. Wie der da hingekommen war, wusste ich nicht. Am Abend hatten wir noch ganz normal nebeneinander gesessen und nun lagen wir hier aneinander gekuschelt.

Plötzlich hörte ich ein Geräusch aus der Küche, dort klappte eine Tür und ein nur mit einer Unterhose bekleideter Ben kam mit einer Flasche Wasser ins Wohnzimmer.

»Die Couch ist gemütlich, oder?«, fragte er einfach, als er grinsend an mir vorbei ging. »Oder ist dein Bruder gemütlicher?« Zum Glück schien er es völlig normal zu finden, dass wir hier so lagen. Ich lächelte ihm zu und erhob mich, um in mein Zimmer zu gehen, auch wenn ich gern weiter mit Alexander gekuschelt hätte. Aber wenn Ben uns am Morgen wieder so sehen würde, könnte er bemerken, dass Alexander für mich mehr als nur ein Bruder war, schließlich wusste er, dass ich wach gewesen war und ich wollte auf keinen Fall, dass jemand etwas bemerkte. Bevor ich das Wohnzimmer verließ, deckte ich Alexander noch mit einer Wolldecke zu, die auf der Sofalehne lag und schaltete den Fernseher aus, damit Alexander besser schlafen konnte. Dann folgte ich Ben leise aus dem Zimmer und schloss vorsichtig die Tür, um Alex nicht zu wecken.

 

Kaum waren wir im Flur, ging dort das Licht an und blendete mich. Catherine stand mit in die Hüften gestemmten Händen vor uns und funkelte uns an.

»Was ist denn hier los?«, fragte sie. Ihre Stimme klang stinksauer. »Kaum hier und schon spannst du mir meinen Freund aus? Reicht es dir nicht, dass Alexander dir schon mein Traumzimmer gegeben hat? Ich hasse dich, Paula Baker!« Zum Ende hin war ihre Stimme immer lauter geworden und ich stand einfach da, wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Dachte sie etwa wirklich, dass ich etwas mit Ben anfangen würde und das nur wenige Stunden, nachdem ich in New York gelandet war? Okay, Ben war wirklich sehr leicht bekleidet und ich sah nach dem Schlafen auf dem Sofa wahrscheinlich auch ziemlich zerzaust aus, aber trotzdem.

Erst als ihre Tür laut zuknallte, bewegte sich Ben wieder, auch er war wohl wie erstarrt gewesen.

»Scheiße«, murmelte er und ging zu ihrer Tür, um ihr zu folgen. Doch Catherine hatte abgeschlossen, denn er rüttelte erfolglos an der Türklinke.

»Baby, du verstehst da was völlig falsch. Bitte lass mich rein und es dir erklären«, bettelte er, doch aus dem Zimmer kam keine Reaktion. Ich sagte, dass es mir leidtat, und ging in mein Zimmer. So hatte ich mir meinen Einstand hier wirklich nicht vorgestellt. Ich hoffte nur für Ben, dass er alles mit Catherine klären könnte, sonst könnte uns eine schwere Zeit bevorstehen.

Paula - Zickenkrieg und neue Freunde

Genervt ging ich in mein Zimmer und warf mich dort aufs Bett. Drei Wochen wohnte ich jetzt hier und ich hatte das Gefühl, dass es täglich schlimmer wurde. Catherine machte mich einfach wahnsinnig und ich wusste nicht, wie ich auf ihre Zickigkeiten noch reagieren sollte. Egal, was ich tat und wenn ich mir auch nur etwas zu Essen in der gemeinsamen Küche machte, sie kam und stänkerte. Wenn Alexander da war, hielt es sich noch in Grenzen und wenn Ben da war, tat sie alles, um ihn von mir fernzuhalten, als würde ich jeden Augenblick über ihn herfallen. Aber heute, da mein Bruder nach der Uni gleich mit Ben zu seiner Lerngruppe gefahren war, musste ich es allein mit ihr aufnehmen und das machte mich langsam fertig. Ich hatte niemanden, mit dem ich über meine Probleme reden konnte, an der Uni gab es zwar einige nette Leute, aber bisher kannte ich noch niemanden näher. Ich öffnete, wie so oft in letzter Zeit meinen Laptop und tippte alles, was mich bewegte, in mein Tagebuch.

 

Freitag der zwölfte Oktober 2014

Heute hat Catherine mal wieder den Vogel abgeschossen und mich fast zur Weißglut getrieben, dabei fing alles ganz harmlos an. Während ich dabei war, meine Tomaten für die Soße zu schneiden, hat sie sich an den Küchentisch gesetzt und sich einen Fertigsalat mit Dressing aus der Flasche zubereitet und ab und zu blöde Kommentare abgegeben, die ich schon gar nicht mehr hörte.

»Naja, als Hausmütterchen eignest du dich wenigstens«, hat sie mit einem abwertenden Blick auf mein Essen gemeint und langsam fiel mir das Ignorieren schon schwerer. »Aber auch wenn es heißt, dass Liebe durch den Magen geht, kannst du Ben damit sicherlich nicht beeindrucken.« Ich habe ihr erst gar nicht geantwortet, denn egal wie oft ich ihr erklärte, dass ich gar nichts von Ben wollte, sie glaubt mir ja sowieso nicht. Außerdem bin ich es leid, mich zu rechtfertigen. »Ja, ja«, war deshalb meine einzige Antwort, was ihr auch nicht recht war. Allerdings habe ich ihre Schimpftirade einfach ignoriert und weiter gekocht.

 

Catherine hat einfach keine Ruhe gegeben, bis ich ihr vorgeschlagen habe, sich doch mit Ben zusammen eine andere WG zu suchen.

»Was denkst du dir? Ich werde sicher nicht das Feld räumen, wegen dir billigen Schlampe. Du bist doch eh nur hier, weil Alexander denkt, er wäre es dir schuldig! Wenn du nicht wärst, könnte Irina hier mit einziehen und dann würde er sicher schnell merken, dass sie die Richtige für ihn ist.« So ging es die ganze Zeit weiter, während ich kochte und aß. Und deshalb habe ich kaum etwas gegessen, obwohl es sehr gut geschmeckt hat, aber Catherines ständige Anfeindungen verderben mir einfach den Appetit. Wenn sie denn wenigstens einen Grund für ihre Anschuldigungen hätte, aber von Ben will ich nun wirklich nichts. Der ist ein ganz lieber Kerl, aber doch irgendwie ein Waschlappen. Er steht völlig unter Catherines Fuchtel und geht mir möglichst aus dem Weg, um sie nicht zu verärgern, statt ihr mal die Meinung zu sagen.

 

Der Einzige, der von dem ganzen Theater hier in der Wohnung nichts mitbekommt, ist immer noch Alexander. Ich habe zwar schon mehrmals überlegt, mit ihm darüber zu sprechen, aber ich will ihn nicht damit belasten. Sein studienbegleitendes Praktikum nimmt ihn schon genug in Anspruch. Er eilt im Moment ja sowieso nur von der Uni, zur Klinik oder zu irgendwelchen Lerngruppen. Allerdings mag ich es, dass er so zielstrebig arbeitet. Warum muss auch ausgerechnet mein Bruder der perfekteste Mann der Welt sein?

 

Ein Klingeln an der Wohnungstür lenkte mich ab und ich speicherte schnell, bevor ich dann die Datei schloss. Auf keinen Fall sollte irgendjemand in diesem Tagebuch lesen, dafür war es mir viel zu peinlich. Schließlich gingen die meisten Einträge darum, wie sehr Catherine mich hasste oder wie sehr ich Alex liebte und beides war nicht für die Augen Anderer bestimmt. Ich wusste mittlerweile schon, dass Catherine sowieso nicht zur Tür gehen würde, solange ich da war. Sie empfand das unter ihrer Würde und deshalb ging ich gleich selbst, um zu öffnen.

Etwas überrascht war ich dann über die Person, die vor der Tür stand.

»Melissa, was machst du denn hier?« Melissa war in zwei von meinen Kursen und in moderner Architektur bei Professor Stone. Wir saßen schon am ersten Tag zufällig nebeneinander und lachten zusammen über den so passenden Namen. Nicht nur, dass er Architektur lehrte, er hatte auch noch eine so graue Haut, dass er fast wie Stein aussah.

»Hallo Paula«, begrüßte sie mich schüchtern. »Entschuldige bitte die Störung. Ich habe zufällig vorhin gesehen, dass du hier in die Wohnung gegangen bist und da ich direkt in der Wohnung gegenüber bei meiner Tante lebe, dachte ich, dass du mir vielleicht helfen könntest. Ich habe meine Aufzeichnungen des heutigen Seminars verloren und wollte dich fragen, ob du mir vielleicht deine leihen könntest.« Sie lächelte verlegen und ich merkte ihr an, wie schwer ihr diese Bitte gefallen sein musste.

»Komm rein, natürlich bekommst du meine Unterlagen«, begrüßte ich sie. »Das ist ja ein Zufall, dass wir nicht nur in einem Kurs sitzen, sondern auch noch in einem Haus und auf der gleichen Etage wohnen«, lachte ich. Nun konnte ich endlich das Monsterteil in meinem Zimmer ausprobieren, das mir meine Großeltern zum Studienbeginn schenkten. Ein riesiger Scanner, Drucker und Kopierer in einem. Bisher hatte ich nur probeweise etwas ausgedruckt, die anderen Funktionen aber noch nicht ausprobiert.

Während ich sie durch die Wohnung zu meinem Zimmer führte, sah Melissa sich neugierig um.

»Du wohnst also nicht bei Verwandten, sondern in einer richtigen Studenten-WG, oder?«, fragte sie aufgeregt und fast sehnsuchtsvoll. »Ich wäre auch gern in eine WG gezogen, aber meinen Eltern war das zu gefährlich. Nun wohne ich bei meiner Tante und ihrem Mann, nur haben die drei kleine Kinder. Versteh mich nicht falsch, ich mag die Knirpse, aber in Ruhe lernen ist da manchmal wirklich schwierig.« Melissa gefiel mir sehr, sie hatte so eine offene Art, warum konnte nicht sie meine Mitbewohnerin sein, statt Catherine?

»Wenn du Ruhe zum Lernen brauchst, komm doch einfach rüber«, bot ich ihr an. »Wir können dann gemeinsam lernen. Das macht doch viel mehr Spaß, als allein. Meine Mitbewohner studieren alle etwas anderes.«

Lissy, wie ich sie wenig später auf ihren Wunsch hin nannte, und ich verbrachten den ganzen Nachmittag gemeinsam. So gut wie mit ihr, hatte ich mich schon lange mit niemandem mehr unterhalten. Wir achteten gar nicht auf die Uhr, bis es an meiner Tür klopfte.

»Paula, ich hab uns Pizza mitgebracht, kommst du?«, hörte ich Alexander fragen. Erschrocken sah ich auf die Uhr und stellte fest, dass es schon fast acht Uhr abends war. Wo war die Zeit nur hin?

»Magst du mit uns essen?«, fragte ich Lissy. »Ich darf sowieso nicht so viel Pizza, weil ich heute Mittag schon warm gegessen habe, aber ich möchte meinen Bruder auch nicht enttäuschen, sonst bringt er mir nachher beim nächsten Mal nichts mit.« Ich zwinkerte ihr zu und sie lachte leise. Dabei war das meine geringste Sorge, aber das musste ich ihr ja nicht sagen. Natürlich würde ich nicht gleich dick werden, wenn ich einmal öfter warm essen würde, aber ich wollte mehr Zeit mit Lissy und jede Sekunde mit Alex verbringen und so konnte ich das verbinden. Obwohl ich sie kaum kannte, hatte ich keine Angst, dass sie sich meinem Bruder gleich an den Hals werfen würde, so wie Michelle.

Leider wartete im Wohnzimmer nicht nur Alexander auf uns, sondern auch Ben und Catherine saßen mit am Tisch. Ich stellte alle einander vor und hoffte, dass Catherine mich nicht gleich vor meiner neuen Freundin blamieren würde, aber zum Glück riss sie sich in Gegenwart von Alex und ihrem Freund zusammen und warf uns nur verächtliche Blicke zu, während wir uns gut mit den Jungs über alles Mögliche unterhielten. Leider klingelte Melissas Handy und ihre besorgte Tante erkundigte sich, wo sie war. Nachdem Lissy ihr das fünf Mal erklärt hatte, gab sie entnervt auf.

»Ich geh wohl besser rüber, Paula«, erklärte sie. »Sehen wir uns morgen?« Wir machten noch aus, dass wir am Morgen zusammen zur Uni fahren würden und dann ging sie wirklich. Ich zog mich kurz darauf auch auf mein Zimmer zurück, weil mir Catherines Blicke zu sehr auf die Nerven gingen.

In den nächsten Tagen wurde die Freundschaft zu Lissy immer enger und schon nach einer Woche konnte ich mir nicht mehr vorstellen, wie es ohne sie gewesen war. Wir verbrachten ziemlich viel Zeit gemeinsam, fuhren zusammen zur Uni, wenn es von den Kursen her passte, lernten zu zweit in meinem Zimmer oder redeten einfach stundenlang über alles Mögliche. Unsere Einstellung zu vielem war so ähnlich, dass man denken könnte, wir wären Zwillinge oder so.

»Paula?«, fragte Lissy eines Morgens. »Könntest du mir einen Riesengefallen tun?« Ich hörte genau, dass es ihr unangenehm war, mich das zu fragen.

»Klar, was denn?«, fragte ich sofort. Ich war mir sicher, dass es schon nicht so schlimm sein würde. »Würdest du morgen zum Kaffeetrinken zu meiner Familie mitkommen? Sie wollen dich unbedingt kennenlernen, weil wir jetzt so viel Zeit zusammen verbringen. Du musst natürlich nicht, wenn du nicht willst. Ich könnte das verstehen. Meine Tante und mein Onkel sind … mhhh … schwierig.« Sie klang leicht resigniert und ich wusste, dass sie Probleme mit ihrem Onkel hatte, aber warum, erklärte sie bisher noch nicht. Ich fragte mich sowieso schon warum, schließlich verstanden wir uns super, aber ich erzählte ihr ja auch noch nicht von meinen Gefühlen für Alexander. Also konnte ich ihr deshalb nicht böse sein. Irgendwann würden wir sicher über unsere Familiengeheimnisse sprechen.

»Klar, komme ich. Was soll schon dabei sein?«, fragte ich.

Paula - Kaffeetrinken mit den Stevensons

Pünktlich um eine Minute vor drei Uhr stand ich am nächsten Nachmittag vor der gegenüberliegenden Wohnungstür, hinter der die Stevensons lebten. Dank Catherine, die meine Blumen, die in der Küche standen, in den Mülleimer geworfen hatte, trug ich nun nur eine Schachtel Pralinen bei mir. Die waren zwar eigentlich für Lissys Onkel gedacht gewesen, aber nun mussten sie für beide ausreichen. Für die Kinder brachte ich jeweils eine Tafel Schokolade mit, da Lissy mir erzählt hatte, dass sie selten welche bekamen. Eigentlich mochte ich solche unpersönlichen Geschenke nicht, aber ich kannte außer Lissy ja noch niemanden von ihnen, eigentlich seltsam, wenn man bedachte, dass wir direkt nebeneinander wohnten. Aber das war halt New York und nicht Aptos, wo jeder jeden kannte.

Kaum dass ich geklingelt hatte, hörte ich auch schon Schritte hinter der Tür. Trotzdem dauerte es noch einige Zeit, bis sie geöffnet wurde.

»Hallo, du musst Paula sein. Komm doch rein«, begrüßte mich Lissys Tante ziemlich nervös und rief dann sofort nach Lissy, die auch schnell aus einem Zimmer kam.

»Paula!«, rief sie freudig und umarmte mich. »Komm mit in die Küche, mein Onkel ist noch nicht da und dann warten wir besser dort.« Ich überreichte Mrs. Stevenson die Pralinen und die Schokolade für die Kinder und sie ließ die Sachen schnell im Schrank verschwinden und erklärte, dass diese ihr Mann zuteilen müsse. Ich warf Lissy einen fragenden Blick zu, aber die rollte nur mit den Augen und zuckte mit den Schultern.

Die ganze Wohnung der Stevensons war sehr aufgeräumt, aber total düster und fast trostlos. Ein paar sehr einfache, dunkle Möbel standen im Wohnzimmer. Ein altmodisches graues Cordsofa, ein Tisch und ein schmuckloser Schrank, das war es. Alles war sehr sauber, wirkte aber einfach leblos und nicht wie das Wohnzimmer einer Familie mit drei kleinen Kindern. Nirgendwo war irgendeine Art von Dekoration, ein Foto oder auch nur ein Buch zu sehen, das Aufschluss über die Menschen gab, die hier lebten. Die schweren, grauen Vorhänge an den Fenstern sorgten dafür, dass dieser Eindruck noch verstärkt wurde. Kaum ein Lichtstrahl drang von außen herein und dadurch, dass die Küche hier nicht offen war, so wie unsere, sondern mit einer dunkel getäfelten Wand vom Wohnzimmer abgetrennt war, wurde dieser Eindruck noch verstärkt.

Die Küche, in die Mrs. Stevenson mich führte, war ebenfalls ziemlich dunkel und sehr sauber. Auf dem schwarzen Tisch standen vier weiße Kaffeetassen und Kuchenteller, auf denen je ein Stück Sandkuchen lag.

»Setz dich doch bitte. Wir warten nur noch auf meinen Mann, ehe wir anfangen.« Sie setzte sich ebenfalls und schwieg dann, während Lissy und ich uns leise über das Studium unterhielten. Ich merkte, dass Lissy hier ganz anders war, als in der Uni oder wenn sie bei uns war. Sie war viel ruhiger und zurückhaltender, aber das war in dieser ungemütlichen Atmosphäre ja auch kein Wunder. Ich fragte mich, wo ihr Onkel und die Kinder waren? Schließlich war ich doch eingeladen worden.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, dabei waren es gerade einmal fünfzehn Minuten, wie mir ein Blick auf die Uhr verriet, hörten wir, dass jemand die Wohnung betrat.

»Geht euch die Hände waschen und verschwindet dann ins Kinderzimmer, ich will keinen Mucks von euch hören«, befahl Mr. Stevenson barsch, ich nahm zumindest an, dass nur er es sein konnte, und dann öffnete sich auch schon die Tür zur Küche. Sofort sprang Mrs. Stevenson wie von der Tarantel gestochen auf, um ihren Mann zu begrüßen. Auch Lissy erhob sich unnatürlich schnell. Natürlich blieb auch ich nicht sitzen, sondern begrüßte ihn, wie es sich gehörte. Das hinderte ihn aber nicht daran, mich von oben bis unten abschätzend zu mustern, ehe er mir die Hand gab.

»Du studierst auch Architektur?«, fragte er dann und ich bestätigte das. »Nicht unbedingt der richtige Beruf für eine Frau. Oder suchst du auch nach dem passenden Mann in den Vorlesungen, der die Firma deines Vaters übernehmen kann, so wie Melissa?« Ich war wirklich sprachlos über diese Frage. In welchem Jahrhundert lebte dieser Mann? Ich warf Lissy einen fragenden Blick zu, denn ich wusste wirklich nicht, was ich darauf antworten sollte, aber sie starrte nur auf ihren Teller und sah mich gar nicht an.

Da ich nicht sofort antwortete, fragte Mr. Stevenson noch einmal nach, was mein Vater beruflich machte. Mich ärgerte, dass er nur nach ihm fragte, meine Mutter schien, seiner Meinung nach, völlig unwichtig zu sein.

»Mein Vater ist Neurochirurg und meine Mutter ist Kinderbuchautorin.« Das Letzte betonte ich extra, aber Mr. Stevenson schnaufte nur.

»Kinderbuchautorin, was für ein Schwachsinn. Das einzige Buch, das eine Daseinsberechtigung hat, ist die Bibel«, höhnte er regelrecht und hielt mir dann einen Monolog über die Bibel, die Rolle der Frau und wie schrecklich es war, dass heute so viele Menschen völlig falsch lebten. Lissy rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Ich hatte das Gefühl, dass sie immer unruhiger wurde, je länger ihr Onkel redete. Wahrscheinlich war ihr die ganze Situation furchtbar unangenehm und ich schwor mir, dass ich nie wieder mit diesem Mann am Tisch sitzen würde, wenn es sich irgendwie verhindern ließe.

Nach gefühlten drei Stunden, in Wirklichkeit waren es nur dreißig Minuten gewesen, war er endlich fertig und da der Kuchen auch schon längst aufgegessen, und der Kaffee ausgetrunken war, entließ Mr. Stevenson uns großmütig aus der Küche.

»Magst du noch kurz mit in mein Zimmer kommen oder willst du lieber gehen?«, fragte Lissy mich schüchtern im Flur. Man merkte ihr an, dass sie sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. »Ich könnte es verstehen, wenn du hier nur noch raus willst. Mein Onkel ist sehr …« Sie rang sichtbar nach Worten.

»Er ist sehr speziell, würde ich sagen. Aber deshalb laufe ich nicht weg, keine Angst. Zeig mir dein Zimmer und dann machen wir es uns gemütlich.« Ich legte meinen Arm um sie und lächelte ihr aufmunternd zu.

»Ich zeige dir mein Zimmer und dann gehen wir besser zu dir, wenn es dir recht ist«, meinte Lissy und öffnete eine Tür. »Gemütlich ist es hier nämlich wirklich nicht und leise müssen wir auch sein, damit wir die Kinder nicht stören, da kennt mein Onkel keinen Spaß. Die Armen müssen immer von drei Uhr an, zwei Stunden ruhig in ihren Zimmern bleiben, seit sie keinen Mittagsschlaf mehr machen. Falls sie stören, bekommen sie kein Abendessen.«

Entsetzt sah ich Lissy an, das konnte doch nicht ihr Ernst sein. Leider sagte mir ein Blick in ihr Gesicht, dass es ihr voller Ernst war.

»Hier, das ist mein Zimmer«, erklärte sie und ließ mich einen Blick in den Raum werfen. Das Zimmer war groß und leer. Nur ein zweitüriger Kleiderschrank, ein Bett, ein Schreibtisch und ein unbequem aussehender Holzstuhl standen dort.

»Nicht sonderlich gemütlich, oder? Lass uns lieber zu dir gehen, da können wir auch besser reden.« Wir verabschiedeten uns noch höflich von Lissys Verwandten und gingen dann schnell rüber in meine WG.

»Ufff, das hätten wir geschafft. Entschuldige bitte, dass ich dir dieses Kaffeetrinken angetan habe, aber mein Onkel hat darauf bestanden und ich wusste echt nicht, wie ich dich vorwarnen sollte. Ich hoffe, du bist mir jetzt nicht böse«, ratterte sie herunter, kaum, dass wir im Wohnzimmer waren. Zum Glück war außer uns niemand anwesend. Ich hoffte nur, dass Catherine nicht gleich auftauchen würde.

Kaum war die Tür zu, ging ich zum Sofa, ließ mich darauf fallen und bedeutete Lissy, es sich ebenfalls bequem zu machen.

»Wie hältst du es bei denen nur aus?«, fragte ich immer noch ehrlich geschockt über unsere Nachbarn. Lissy zuckte mit den Achseln.

»Bei uns Zuhause ist es ja nicht sehr viel anders. Meine Mutter ist meiner Tante und ihrem Mann sehr ähnlich, mein Vater ist zum Glück nicht ganz so streng. In unserer Kirche ist das relativ normal. Die meisten Mädchen werden gleich nach der Schule dazu genötigt, zu heiraten. Mein Dad hat sich durchgesetzt, dass ich eine Ausbildung meiner Wahl machen durfte. Ich glaube, er würde am liebsten aus der Glaubensgemeinschaft austreten, denn er legt sich oft mit unserem Priester an. Zum Glück ist er für meine Mutter ›der Herr des Hauses‹ und hat damit immer das letzte Wort, sonst hätte sie es mir wohl verboten, hierher zu kommen und zu studieren. Ihre Bedingung war halt, dass ich nicht bei Fremden wohnen darf.«

Ich fragte mich, was das nur für eine seltsame Kirche war, stellte die Frage aber nicht laut. Irgendwie klang das Ganze ja eher nach einer Sekte, als nach der Kirche. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich mit der Kirche sowieso nicht viel am Hut hatte. Ab und zu besuchten wir in Aptos den Gottesdienst, aber eher weil ›man‹ das so machte und sicher nicht, weil wir besonders gläubig waren.

»Du kannst jederzeit hier rüber kommen, wenn du es drüben nicht mehr aushältst. Wir könnten ein Schlafsofa besorgen und in mein Zimmer stellen, dann kannst du auch bei mir schlafen«, bot ich ihr an. Viel lieber noch hätte ich ihr ja Catherines Zimmer angeboten, aber das konnte ich leider nicht. Erstens hatte diese ja einen gültigen Mietvertrag und zweitens befürchtete ich, dass Lissys Familie damit sowieso nicht einverstanden wäre, auch wenn Lissy schon achtzehn war und somit volljährig.

Lissy war begeistert von meiner Idee und in den nächsten Wochen bürgerte es sich ein, dass sie immer mehr bei mir lebte, als bei ihrem Onkel. Der war zwar absolut dagegen, tat aber nichts, außer zu meckern. Dabei bekam er nicht einmal mit, wie oft Lissy wirklich bei mir war, da er sehr viel arbeitete und selten zu Hause war. Lissys Tante dagegen war einfach froh, wenn sie sich um eine Person weniger kümmern musste, und verriet uns nicht. Da wir ihr auch noch ab und zu die Kinder abnahmen, um mit ihnen in den Park zu gehen, drückte sie erst recht beide Augen zu, auch wenn wir wieder einige von Lissys Sachen aus der Wohnung gegenüber holten. Wahrscheinlich wäre sie sogar ganz froh, wenn das Zimmer frei würde und ihre Kinder damit mehr Platz hätten.

Catherine war natürlich dagegen, dass Lissy so oft da war, aber da sie sowieso immer nur mosern konnte, interessierte mich das wenig. Das Einzige, was mir nicht gefiel, waren die Blicke, die Alexander uns oft zuwarf. Ich hatte das Gefühl, er missverstand Lissys und meine Freundschaft und glaubte den Gerüchten, die es in Aptos gegeben hatte. Wenn er nur wüsste, wem mein Herz wirklich gehörte. Aber der einzige, der das wusste, war mein Laptop und der verriet es niemanden.

Alexander - Abwechslung vom WG-Alltag

Es war noch dunkel, als ich aufwachte. Ein schneller Blick auf den Wecker, zeigte mir, dass es erst halb fünf Uhr morgens war und das an einem Sonntag. Noch viel zu früh zum Aufstehen, sagte ich mir selbst. Obwohl ich ausgeschlafen hatte, blieb ich noch etwas im Bett liegen und dachte nach. Das neue Semester war nun schon fast fünf Wochen alt und eigentlich sollte man doch denken, dass sich die WG nun langsam eingespielt haben sollte. Aber leider war dem nicht so.

Obwohl weder Paula noch Catherine mich direkt darauf ansprachen, merkte ich doch, dass die beiden absolut nicht miteinander klar kamen. Aber ich bemerkte natürlich die fiesen Sticheleien von Catherine und die unglücklichen Blicke von Paula schon vom ersten Tag an. Eigentlich hatte ich gehofft, dass die beiden das allein hinbekommen würden, und wollte mich da auch nicht direkt einmischen. Mit meinem Studium und der Praktikumsstelle hatte ich auch viel um die Ohren, dass mir bisher einfach die Zeit fehlte, um mich mehr um Paula zu kümmern. Ich hatte ein tierisch schlechtes Gewissen deshalb. Meine ganzen Pläne, was ich mit ihr machen wollte, waren bisher nichts geworden. Statt ihr die Stadt zu zeigen und sie mit allem vertraut zu machen, hatte ich sie allein gelassen mit der zickigen Catherine und Ben, der immer mehr zu einem Schoßhündchen wurde. Oft fragte ich mich, ob ich mir nicht doch mehr Zeit für Paula nehmen müsste, zumal sie anfangs wirklich oft unglücklich zu sein schien, aber mir fehlte einfach die Zeit dazu.

Seit Lissy nun mehr oder weniger in Paulas Zimmer eingezogen war, schien sich zumindest ihre Laune stark gebessert zu haben. Die beiden Mädchen führten fast ihr ganz eigenes Leben innerhalb der WG, was mir wirklich leidtat. Im Wohnzimmer hielten die beiden sich so gut wie gar nicht auf, zumindest sah ich sie dort eigentlich nie und in die Küche gingen sie auch meistens nur zum Kochen und dann nahmen sie ihr Essen mit in Paulas Zimmer. Ich überlegte immer wieder, ob sie das wegen Catherine taten, die das Wohnzimmer meistens belegte oder ob sie einfach nur allein sein wollten. War vielleicht doch etwas an den Gerüchten dran und Paula liebte Lissy? Auch wenn die beiden eigentlich nicht wirklich einen verliebten Eindruck machten, fragte ich mich das doch immer wieder. Vielleicht wollten sie es auch einfach nur geheim halten, damit Melissas komischer Onkel nichts davon erfuhr. Unseren Nachbarn hatte ich in den letzten Jahren schon öfter getroffen und dabei auch mitbekommen, wie er mit seiner Frau und den armen Kindern umging. Er behandelte seine Frau wie einen Gegenstand und die Kinder mussten ständig gehorchen, sonst gab es sofort großen Ärger. Und wenn er schon in der Öffentlichkeit so mit ihnen umging, wollte ich gar nicht wissen, was sich dort hinter verschlossenen Türen abspielte. Deshalb konnte ich auch verstehen, dass Melissa sich lieber bei Paula aufhielt.

Manchmal kam mir auch der Gedanke, dass ich Paula Unrecht tat und sie einfach nur eine gute Freundin für Melissa war. Wer würde seine Freundin schon bei so einer Familie wohnen lassen, wenn doch im eigenen Zimmer noch genug Platz war? Irgendwie war mir diese Erklärung viel lieber, als die, dass Paula wirklich auf Mädchen stehen würde. Dabei war ich wirklich nicht homophob oder so, aber bei ihr wollte ich es einfach nicht glauben. Auf jeden Fall nahm ich mir vor, dass ich bald endlich mehr Zeit mit Paula verbringen wollte. Mein Praktikum war fast beendet, ich hatte vier Referate angefertigt und zwei wichtige Prüfungen hinter mich gebracht, nun würde es bis nach Thanksgiving hoffentlich etwas ruhiger werden.

Da ich sowieso nicht mehr schlafen konnte, gab ich es auf. Ich bereitete für mich, Paula und Melissa das Frühstück vor, auch wenn ich nicht wusste, wie lange die beiden schlafen würden. Ben und Catherine waren gestern Nachmittag zu seinen Eltern gefahren und würden erst spät am Abend wieder kommen und so beschloss ich, meinen Plan in die Tat umzusetzen und mich heute um meine kleine Schwester zu kümmern. Die Gelegenheit war günstig und vielleicht hatten sie und Melissa ja Lust, irgendetwas zu unternehmen und wenn nicht, könnten wir einen Gammeltag hier in der Wohnung machen. Ich würde mich dabei ganz nach den Mädchen richten.

Nachdem der Frühstückstisch fertig war und es immer noch sehr früh war, obwohl ich sogar schon Brötchen von einer Bäckerei um die Ecke geholt hatte, ging ich in mein Zimmer, um mir eines meiner Bücher zu holen. Die Zeit, bis die Mädchen aufstehen würden, konnte ich ja noch zum Lernen nutzen. Es dauerte noch fast zwei Stunden, bis ich ein Geräusch aus Paulas Zimmer hörte. Aber auch dann kam niemand heraus, wollten die beiden etwa nicht frühstücken? Ich erhob mich langsam und ging zur Zimmertür, um zu lauschen. Jetzt war wieder nichts mehr zu hören. Was die beiden wohl jetzt machten? Ungefragt sah ich Bilder von den beiden in meinem Kopf, wie sie kuschelnd in Paulas Bett lagen. Die Bilder gefielen mir ganz und gar nicht, deshalb verdrängte ich sie schnell wieder.

Ich überlegte, ob ich einfach anklopfen und nachsehen sollte, ob die beiden schon wach waren, aber das ließ ich dann doch lieber sein. Ich hatte keine Lust, meine kleine Schwester bei irgendetwas zu erwischen. Das wäre dann doch zu peinlich geworden. Ich hatte zwar noch nie Probleme mit Homosexuellen gehabt, aber aus irgendeinem Grund wollte ich auf keinen Fall meine Schwester mit ihrer Freundin so sehen. Okay, wenn ich ganz ehrlich war, wollte ich sie auch mit keinem Mann so sehen. Das musste daran liegen, dass sie halt meine Schwester war und ich sie beschützen wollte.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752115505
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (September)
Schlagworte
verbotene Liebe Drama Romance Familie Liebe New Adult Stiefgeschwister

Autor

  • Alina Jipp (Autor:in)

Alina Jipp wurde 1981 in einem kleinen Ort im Harz geboren und lebt, nach einigen Jahren an der Nordsee, nun mit ihren Kindern wieder dort. Sie liebt beides, die See und die Berge und würde am liebsten ständig pendeln. Das Schreiben ist ihr Ausgleich vom oft sehr stressigen Alltag, auch wenn sie erst 2013 damit angefangen hat, nun kann sie nicht mehr damit aufhören.