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Mordseerauschen

Langeoog-Krimi

von Marcus Ehrhardt (Autor:in)
180 Seiten
Reihe: Maria Fortmann ermittelt, Band 4

Zusammenfassung

Wenn der Urlaub zum Horrortrip wird ... Die suspendierte Kommissarin Maria Fortmann verbringt ihren Urlaub auf Langeoog, um für die bevorstehende Rückkehr in den aktiven Dienst Kraft zu tanken. Nach wenigen Tagen wird eine Frau, die im selben Hotel logiert, vergewaltigt und erdrosselt aufgefunden. Die zuständigen Ermittler vor Ort messen der Aussage einer vermeintlich verwirrten Inselbewohnerin keine Bedeutung bei und halten eisern an ihrem Hauptverdächtigen fest, da alles gegen ihn spricht. Einzig Maria zweifelt an dessen Schuld und versucht, den wahren Täter zu überführen. Eine Entscheidung, die sie in größte Gefahr bringt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

 

 

 

 

 

 

 

 

Marcus Ehrhardt

 

 

 

 

Mordseerauschen

 

 

 

 

Kapitel 1

 

 

Maria blieben zwei Wochen, um sich mental auf ihren Wiedereinstieg in den Polizeidienst vorzubereiten – vorausgesetzt, es würde alles gut gehen. Seit über sechs Monaten war die Hauptkommissarin bereits vom Dienst suspendiert, nachdem sie im letzten Jahr bei ihren eigenmächtigen Ermittlungen gegen eine geheime Selbstjustizorganisation mehrere Gesetze gebeugt oder gar gebrochen hatte. Sie verdankte es einzig dem durchschlagenden Erfolg ihrer Mission, in deren Folge viele hochrangige Polizisten, Juristen und Politiker überführt werden konnten, dass man ihr unter Auflagen die Rückkehr in den Dienst in Aussicht gestellt hatte. So wurde Maria intensiven psychologischen Untersuchungen und Tests unterzogen, wovon sie den letzten vor zwei Tagen abgeschlossen hatte. Heute Morgen bekam sie den erlösenden Anruf ihres Chefs.

»Maria, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Ihre Rückkehr als unbedenklich eingestuft wurde. Machen Sie sich noch ein paar schöne Tage. Am nächsten Ersten will ich Ihren Hintern auf dem Bürostuhl sehen.« Der zentnerschwere Felsbrocken, der Maria von ihren schmalen Schultern fiel, musste kilometerweit zu hören gewesen sein. Sie atmete tief ein und aus, wodurch eine kleine Pause entstand. Gerade wollte er nachhaken, ob alles in Ordnung wäre, dann fragte Maria:

»Echt? Keine Tests mehr? Ich habe alles bestanden?« Sie musste sich zwingen, einen Freudenschrei zu unterdrücken und begnügte sich damit, ihre freie Hand zur Faust zu ballen.

»Ja, Maria, das haben Sie. Und wenn ich ehrlich bin, hätte mich ein anderes Ergebnis auch sehr überrascht.«

»Puh, dass das nochmal ein Ende hat! Danke. Dann bis in drei Wochen.« Sie wartete seine Erwiderung ab und drückte auf die rote Taste, um das Gespräch mit Dr. Mühlenhardt zu beenden. Darauf drehte sie sich zu ihrem Vater herum, der mit ihrer Reisetasche ein paar Meter hinter ihr wartete.

»Wenn ich dein Honigkuchengrinsen richtig deute, bist du wieder im Dienst«, sagte er mit seiner tiefen Stimme. Von jetzt auf gleich schossen ihr Tränen in die Augen und sie warf sich dem hochaufgeschossenen, schlanken Mann in die Arme. Er strich ihr liebevoll über ihre zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen, blonden Haare.

»Ja, zum Glück.« Er löste sich aus ihrer Umklammerung und schob sie etwas von sich.

»Das freut mich. Aber jetzt beeil dich. Deine Fähre legt in ein paar Minuten ab.« Er deutete zur Halle mit den Fahrkartenschaltern. Sie durchschritten die rechte Glasschiebetür und nach einer kurzen Wartezeit hielt Maria ihr Ticket in der Hand. Ihr Vater folgte ihr durch das Gebäude und half ihr mit dem Gepäck die Treppe hinunter zu den Eingängen, über denen quer in schwarzen Lettern auf einem weißen Schild zu lesen stand: Nach Langeoog.

»Hier«, sagte sie und reichte ihrem Vater das Smartphone mit dem pinken Gehäuse. »Bewahr es bitte für mich auf, ich möchte absolute Ruhe.«

»Kluge Entscheidung, Schatz«, sagte ihr Vater mit einem milden Lächeln. »Ich hole dich hier in vierzehn Tagen wieder ab. Pass auf dich auf und erhol dich gut.« Sie drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Wange und stellte sich am Ende der Warteschlange an.

Maria kannte die Abneigung ihres Vaters gegen Verabschiedungen. Von daher machte es ihr nichts aus, dass er sich längst wieder auf dem Weg in sein Heimatdorf Visbek in der Nähe Vechtas befand, als sie eine Viertelstunde später an der Reling des Brückendecks stand und den Fährhafen von Bensersiel beobachtete. Dieser wurde scheinbar immer kleiner, bis er mit der Skyline des Hafenortes verschwamm und schließlich nicht mehr zu erkennen war.

Eine frische Nordbrise blies ihre Windjacke auf. Der salzige Geschmack in ihrem Mund entlockte ihr ein Lächeln. Urlaub! Das ist Urlaub!

Etwa fünf Kilometer weiter und eine dreiviertel Stunde später erreichten sie das 19 Quadratkilometer große Eiland. Lange hatte Maria überlegt, wo sie ihren Urlaub verbringen wollte. Cuxhaven, im Speziellen der Stadtteil Duhnen mit seiner einladenden Promenade und den herrlichen Wegen am Deich, war ihre Lieblingsadresse für Kurzaufenthalte. Diesmal machte jedoch die Insel Langeoog mit ihren knapp 2000 Einwohnern das Rennen, unter anderem wegen der Tatsache, dass die Insel autofrei war. Obendrein ihr Handy daheimzulassen unterstützte die Hoffnung, wirklich zur Ruhe finden zu können. Die letzten eineinhalb Jahre hatten ihren Bedarf an extremer Aufregung mehr als gedeckt.

Mit einem Lächeln reagierte sie auf den Zusammenstoß mit zwei Jungen im Alter von ungefähr zehn Jahren, als sie von Bord ging und wieder festen Boden unter den Füßen spürte.

»Passt doch auf!«, hörte sie die Stimme einer Frau hinter sich rufen. Die gestresst wirkende Passagierin müsste wohl die Mutter der beiden Racker sein, die laut lachend weiterliefen. »Tut mir leid«, sagte sie anschließend zu Maria, die schnell ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte.

»Kein Problem«, erwiderte sie. »Da habe ich schon Schlimmeres erlebt.« Die schlanke Frau, die der sportlichen, 1,78 m großen Maria nur bis zur Nase reichte, stellte sich als Verena vor. Maria ergriff die ausgestreckte Hand Verenas und schüttelte sie kurz. Ihr war zwar nicht danach, neue Freundschaften zu schließen, trotzdem antwortete sie freundlich.

»Freut mich, ich bin Maria.« Jetzt lächelte auch Verena, bevor sie abrupt ihren Schritt beschleunigte und den Jungs folgte. Sie war bereits ein paar Meter vor Maria, da drehte sie sich kurz um.

»Vielleicht sehen wir uns nochmal, dann gebe ich Ihnen einen Kaffee aus – als Wiedergutmachung.« Ohne Marias Reaktion abzuwarten, setzte sie die Verfolgung ihrer Söhne fort. Lauf du mal lieber deinen Wildfängen hinterher, dachte Maria und begann damit, sich zu orientieren. Schließlich war das ihr Premierenbesuch auf dieser Insel.

Wenige Meter vor dem Ausgang wartete die Inselbahn auf die Neuankömmlinge. Maria entschied sich für den letzten Waggon, der von seinem Gelbton her auch ein Postwagen hätte sein können. Ihre neue Bekanntschaft und deren Söhne sah sie weiter vorne in einem blauen verschwinden, der gleich hinter der, wie Maria fand, niedlichen Lokomotive angehängt war. Im gefühlten Schneckentempo setzte sich der Zug in Bewegung und nach zehn Minuten hatten sie den Inselbahnhof erreicht. Maria schnappte ihren Reisetrolley und zog ihn auf den Pflastersteinen ratternd auf der Suche nach ihrem Hotel hinter sich her.

Sie passierte einige Fahrradverleihstationen, bis sie den Eingang zum Inselhotel erreichte. Der Duft aus zahllosen Cafés, Restaurants und Eisdielen auf dem Weg dorthin hatten es Maria erschwert, standhaft zu bleiben und sich nicht mit den Leckereien zu versorgen. Ich muss aufpassen, nicht als rollende Kugel zu enden bei all den kulinarischen Verlockungen hier, dachte sich die sportliche Maria schmunzelnd. Sehr zum Neid anderer Frauen hatte sie jedoch nicht wirklich Probleme, ihre Figur zu halten.

An der Rezeption wartete Maria, bis das Paar vor ihr eingecheckt hatte. Die brünette, attraktive Frau, die Maria auf Anfang 30 schätzte, füllte mit der rechten Hand das Anmeldeformular aus, während sie gleichzeitig mit der linken auf ihrem Smartphone herum wischte. Ihr Partner, ein ebenso gut aussehender Mann mit kurzen braunen Haaren, der ungefähr in ihrem Alter, also Ende 30 sein müsste, wandte sich etwas von seiner Frau ab. Als er Maria erblickte, zeigte sein Gesicht eine entschuldigende Miene. Sie konnte nicht eindeutig sagen, ob er damit den entspannt wirkenden, stoischen Hotelangestellten meinte oder ob das Augenrollen seiner gestresst erscheinenden Partnerin galt. Es interessierte Maria auch nicht. Sie hatte Urlaub, und das Letzte, womit sie konfrontiert werden wollte, war Stress – in welcher Form auch immer. Was auch möglicherweise geklappt hätte, wäre sie in einem anderen Hotel abgestiegen. Wenige Augenblicke später verließ das Pärchen, welches vom Angestellten mit Frau und Herr Hohenlindern angesprochen wurde, den Rezeptionsbereich. Armer Kerl, der hat es nicht leicht, dachte Maria, als sie dem ächzenden, zwei riesige Reisekoffer tragenden Mann hinterher sah, der nur mit Mühe seiner Frau folgen konnte.

 

***

 

Maria setzte ihre Unterschrift unter das Anmeldeformular und schob es dem Hotelangestellten hin. Wie in Zeitlupe griff der junge Mann, der scheinbar auf Valium war, nach dem Klemmbrett und löste den Zettel davon, um ihn in einen Ordner abzuheften.

Ein lautes Krachen hinter ihr ließ sie zusammenzucken. Die Eingangstür war mit Schwung geöffnet worden und schepperte gegen die Wand. Im Gegensatz zum Rezeptionisten, den der Lärm nicht zu interessieren schien, drehte sich Maria zur Quelle des Geräusches und wusste im ersten Moment nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Verena, ihre Bekanntschaft vom Hafen, rief ihren beiden vorauseilenden Jungs hinterher, sie sollten nicht rennen und doch bitte leise sein.

»Oh, Maria, das ist ja ein Zufall!«, sagte sie mit einem Strahlen, das Maria nötigte, ebenfalls zu lächeln.

»Verena, lange nicht gesehen.« Die Jungs waren tosend im hinteren Bereich des Hotels verschwunden, wohin gerade auch das Pärchen Hohenlindern gegangen war. Die Lautstärke ihrer Stimmen nahm kontinuierlich ab.

»Genau«, sagte Verena, dann atmete sie tief durch. »Ich wäre mit den beiden viel lieber direkt in eine Ferienwohnung gezogen, aber so kurzfristig war leider nichts frei. Wir müssen drei Tage hier überbrücken, bevor wir in unser endgültiges Domizil einkehren.« Drei Tage werde ich wohl aushalten, dachte sich Maria mit etwas schlechtem Gewissen.

»Ja, die beiden scheinen Auslauf zu brauchen.« Verenas Blick zeigte Dankbarkeit für das aufgebrachte Verständnis. »Nun, wir sehen uns«, fuhr Maria fort, griff nach ihrer Reisetasche und dem Zimmerschlüssel, den Herr Valium ihr reichte, und verschwand im der Anmeldung gegenüberliegenden Fahrstuhl.

Die Tür des Lifts schloss sich surrend. Maria drückte auf die 3 und lehnte sich mit dem Rücken an die hintere Wand in der kleinen Kabine.

»Uff, das kann ja was werden. Vielleicht wäre Grönland die bessere Wahl für einen entspannten Urlaubsort gewesen«, sagte Maria zu ihrem Spiegelbild, strich sich eine einzelne Strähne aus der Stirn und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

Nach wenigen Minuten stand sie auf dem Balkon von Zimmer 313 und genoss den Ausblick. Direkt unter ihr kreuzten sich die beiden Hauptgeschäftsstraßen, die von Cafés, Restaurants und Souvenirshops gesäumt wurden. Über den Dächern der Häuser konnte sie in ein paar hundert Metern Entfernung den Wasserturm, das Wahrzeichen Langeoogs, erkennen. Noch ein Stück weiter spiegelte sich die einfallende Sonne auf der Wasseroberfläche der Nordsee. Welch wundervoller Ausblick, schwärmte Maria, hier würde sie es spielend zwei Wochen aushalten.

Kapitel 2

 

 

Sie musste hinter der Ecke des Spielzeugladens einem schmalen Gang folgen, bis sie sich durch ein Holztor gehend auf dem Hof der Fahrradvermietung wiederfand, die ihr jemand aus dem Hotel empfohlen hatte. Der ältere Mann mit dem schütteren Haar begrüßte sie freundlich.

»Moin, hübsche Frau, was kann ich für Sie tun?«

»Moin«, erwiderte Maria ebenso freundlich. »Ich brauche ein Rad für zwei Wochen, am besten ein sportliches Modell.«

»Für ein E-Bike sehen sie mir auch zu fit aus.« Er lachte herzlich. »Allerdings ist das nicht unbedingt ein Grund, viele Besucher schätzen aufgrund des Gegenwindes die Möglichkeit der technischen Unterstützung.« Er bedeutete ihr mit einer Geste, ihm in einen Schuppen zu folgen. Dort zeigte er auf verschiedene Fahrräder. »Hier hätten wir ein paar Mountainbikes und Rennräder, von Letzteren rate ich allerdings wegen der teilweise holprigen Wege ab.« Maria besah sich das Angebot und griff dann nach einem Mountainbike mit pinkem Rahmen.

»Das nehme ich«, sagte sie und klatschte mit der flachen Hand auf den glänzenden Sattel.

»Gute Wahl, das müsste sogar von der Einstellung für Sie passen.«

Nachdem sie einen fairen Preis ausgehandelt und ihn bar bezahlt hatte, machte sie sich auf, die ihr bislang unbekannte Insel zu erkunden.

 

***

 

Ein schönes Motiv gab das Denkmal Lale Andersens ab, jener Sängerin, die durch das Lied Lili Marleen zu weltweiter Bekanntheit gelangt war. Die bronzene Figur lehnte getreu dem Hit an einer Straßenlaterne. Im Hintergrund sah Maria den Wasserturm in den Himmel ragen, der durch seine durchgehend achteckige Bauweise ein markantes Erscheinungsbild abgab und optisch praktisch unverwechselbar war. Kurz ärgerte sie sich, ihr Smartphone bei ihrem Vater gelassen zu haben – nur zu gern hätte sie ein paar Fotos geschossen. Das ist wohl der Nachteil einer Zeit, in der echte Kameras nur noch von Profifotografen geschätzt werden, schloss sie ihre Gedanken ab.

Am Wasserturm angekommen konnte sie etwas Enttäuschung nicht unterdrücken, als sie an der verschlossenen Tür rüttelte. Sie würde bis morgen warten müssen, um die Aussicht von der Turmspitze genießen zu können.

»Okay, dann halt ein anderes Mal«, sagte sie und stoppte kurz auf der Treppe, die auf den Weg zurückführte. Zahllose Hängeschlösser, die von Liebenden am Geländer angebracht und mit ihren Initialen und Herzchen verziert worden waren, versetzten ihr kurz einen Stich ins Herz. Sofort musste sie an ihren Ex-Freund Kurt Stohmann denken, einen ehemaligen Staatsanwalt, mit dem sie einige wunderbare Monate verbracht hatte, ohne zu ahnen, in welche kriminellen Machenschaften er verstrickt war. Wofür er gerade eine langjährige Haftstrafe absaß. Aber das war eine andere Geschichte, dachte sie, schüttelte sich und verdrängte die Erinnerung daran, um schönen und neuen Dingen Platz zu machen. Die spontane Ablenkung einige Meter vom Wasserturm entfernt kam wie gelegen. Dort stach ihr die Buchhandlung Krebs mit dem gleichnamigen Tier als Erkennungssymbol ins Auge. »Wie witzig, das passt ja.« Sie überflog die Auslage und war überrascht, welches ansprechende Sortiment sie in dem Laden vorfand. »Für genügend Nachschub ist also bestens gesorgt.«

Als sie einige Nachfolgekandidaten für ihr aktuelles Buch ausgekundschaftet hatte, nutzte sie die mit Holzbohlen befestigten Wege zwischen den Dünen, um ihr Fahrrad schiebend zum Strand zu gelangen.

»Jawoll! Das ist Urlaub«, sagte sie mit strahlenden Augen. Eine aufkommende Böe blies ihre Haare aus dem Gesicht, sodass die Strähnen in alle Himmelsrichtungen von ihrem Kopf abstanden. Maria zog ihre Sneakers aus, krempelte die Hosenbeine bis über die Knie und lief barfuß durch den feinen Sand, der sich warm und weich anfühlte, ein Stück weit ins Meer, bis der Saum der Jeans sich vom Salzwasser dunkel färbte. »URLAUB!« Der aufbrausende Wind verschluckte ihren Ruf und nicht einmal die kreischenden Möwen schienen ihn mitbekommen zu haben – setzten sie doch unbeirrt ihre Jagd auf kleine Fische fort.

Nachdem Maria die Insel auf dem Rad fast einmal umrundet hatte, hielt sie kurz an, bevor sie wieder in den Ort einfahren wollte. Sie lehnte sich an einen alten Holzzaun, dessen verwitterte Bretter den Anschein erweckten, dass sie offensichtlich länger keine Farbe oder Holzschutzmittel gesehen hatten. Der wilde Vorgarten und das teilweise verfallene Haus hinter dem Zaun ließen darauf schließen, dass hier niemand mehr wohnte. Marias Blick schweifte über die Hügel, welche sie entfernt an eine postapokalyptische Landschaft erinnerten, die sie aus einigen Filmen dieses Genres kannte. Gerade stellte sie sich vor, wie Mel Gibson in seiner Rolle als Mad Max mit seinem Motorrad über einen dieser aufgeschütteten, von Gräsern und Heidekraut bewachsenen Hügel preschte und von einem futuristisch anmutenden, panzerähnlichen Gefährt verfolgt würde, aus dessen Luke ein Mann mit einer Augenklappe und hasserfülltem Gesicht wild in Richtung des flüchtenden Mad Max gestikulierte.

Mit einem Lächeln wollte sich Maria wieder auf ihren Untersatz schwingen, da merkte sie, dass ihre Haare sich irgendwo verfangen haben müssten. Sie griff an ihren Hinterkopf und erschrak, als sie eine fremde Hand spürte. Einen Satz nach vorn, weg vom Zaun machend, entriss sich Maria mit einem Aufschrei und hatte das Gefühl, von einem Film in den nächsten geschleudert zu werden. Auf der anderen Seite der Einfriedung stand eine Frau, deren Arm noch immer ausgestreckt in Marias Richtung zeigte.

»Engelsgleich«, sinnierte ihr Gegenüber mit der Brille, deren Gläser an Glasbausteine erinnerten. Einzelne Haare hatten sich gelöst, die von der Frau begutachtet und dann vom Wind fortgetragen wurden.

»Äh, was tun Sie da bitte mit meinen Haaren?«, fragte Maria leicht verwirrt. Die Frau, die sie nicht nur aufgrund der Brille, sondern auch wegen den langen, lockigen Haaren und der eher altmodischen Bekleidung an die Lehrerin für Wahrsagerei in den Harry-Potter-Büchern erinnerte, lächelte, während sie Marias davon wehenden Haaren hinterherschaute. Ihrem faltenlosen Gesicht nach zu urteilen, war sie höchstens 30 Jahre alt, wirkte jedoch wesentlich älter.

»Fliegendes Engelskraut.« Maria folgte ihrem Blick. Dann schaute sie wieder zu ihr, während sie sprach:

»Gut und schön, aber –«, verdutzt brach sie ab, die Frau war fort. Jedenfalls so gut wie, sie hatte sich innerhalb weniger Sekunden so weit von ihr entfernt, dass Maria nur noch sehen konnte, wie die seltsame Person im Haus verschwand. Kopfschüttelnd schwang sie sich auf das Rad und fuhr zurück ins Hotel.

 

***

 

Nach einer erfrischenden Dusche entschied sich Maria für das Sommerkleid mit den bunten Blumen darauf. Langsam knurrte ihr Magen. Kein Wunder, dachte sie, du hast ja auch seit heute Morgen nichts mehr in den Bauch bekommen.

Verdammt, sagte sie sich im Restaurant angekommen, musstest du ausgerechnet zur Stoßzeit essen gehen? Es fand sich kein freier Tisch und so blieb ihr nichts anderes übrig, als der Einladung von Verena, die von einem Platz in der Ecke am Fenster winkte, zu folgen und sich dazuzusetzen.

»Drei Tage, in drei Tagen sind sie weg«, flüsterte sie vor sich hin, als sie sich mit dem Stuhl näher an den Tisch zog.

»Wie bitte?«, fragte Verena mit einem entwaffnenden Lächeln.

»Danke, dass Sie mir einen Platz – freigehalten haben.« Die Jungs, deren Namen Mats und Peer waren, wie Verena ihr später erzählen würde, sprangen fast zeitgleich auf und verschwanden, kaum dass sie ihre Pommes heruntergeschlungen hatten.

»Das war doch das Mindeste, nachdem meine Racker Sie fast umgerannt hätten.«

»Machen wir es kurz und gehen zum Du über?« Verena strahlte noch mehr.

»Klar, gerne, ich bin Verena Schiller«, sagte sie und reichte Maria die Hand.

»Maria, aber das weißt du ja schon. Maria Fortmann.«

»Ja, aber das macht man doch so, oder?«

»Keine Ahnung, was MAN macht. Wir machen das jetzt halt so.« Die Verschwesterung wurde von der Kellnerin unterbrochen, die Marias Bestellung aufnahm.

»Dann erzähl doch mal: Wo kommst du her und was machst du sonst so, wenn du nicht gerade Urlaub auf einer ostfriesischen Insel genießt?«, fragte Verena. Die Kellnerin hatte sich einem Nachbartisch zugewandt, an dem das ebenfalls heute angereiste Pärchen Hohenlindern saß, das Maria am Empfang gesehen hatte. Ihr fiel auf, dass Frau Hohenlindern ihren Speisewunsch fast in Befehlston äußerte. Als ihr Mann eine entschuldigende Geste in Richtung der Bedienung machen wollte, warf ihm seine Gattin einen scharfen Blick zu, der ihn dazu veranlasste, seine Hände schnell wieder auf den Tisch zu legen. Maria zwang sich, nicht weiter dorthin zu gucken, und wandte sich ihrer neuen Bekanntschaft zu.

»Ich komme aus Visbek. Das liegt bei Vechta, zwischen Bremen, Oldenburg und Osnabrück.«

»Vechta kenne ich, da habe ich ein paar Semester soziale Arbeit studiert«, warf Verena fröhlich ein. Na herzlichen Glückwunsch, dachte Maria, eine Sozialpädagogin mit zwei hyperaktiven Kindern.

»Dann kennst du sicher auch Cloppenburg. Da arbeite ich. Ich bin im öffentlichen Dienst beschäftigt.« Sie schmunzelte verschwörerisch. »Beamtin, du verstehst?« Verena nickte wissend.

»Hast du Familie?« Diese Frage schmerzte Maria etwas, hatte sie doch in der Vergangenheit ein unglückliches Händchen gehabt, was Beziehungen anging. Seit Beginn ihrer Tätigkeit bei der Kriminalpolizei stand die Karriere immer vor ihren persönlichen Bedürfnissen. Außer einigen kurzen Episoden mit verschiedenen Frauen und Männern – sie konnte sich einfach nicht festlegen, welches Geschlecht es ihr mehr angetan hatte – konnte sie lediglich die mehrmonatige Beziehung mit dem ehemaligen Staatsanwalt vorweisen. Mit dieser traurigen Wahrheit wollte Maria das Gespräch jedoch nicht belasten. Zudem war es ihr unangenehm, darüber zu sprechen, darum antwortete sie:

»Familie habe ich nicht. Ich bin frei wie ein Vogel. Keine Kinder, keine Freundin oder Freund.« Maria bemerkte bei dem Wort Freundin ein kurzes Zucken um Verenas Mundwinkel. »Einzig mein Kater Pinky wartet abends auf mich, wenn ich nach Hause komme. Wie sieht es bei dir aus? Gut, dass du zwei Kinder hast, weiß ich ja schon.« Beide lachten.

»Ja, die beiden machen mich wahnsinnig!« Verena lachte abermals. »Ihr Vater hat uns verlassen, während ich mit dem Jüngeren schwanger war.« Sie winkte ab, als sie Marias missbilligenden Blick sah. »Nicht so tragisch. Der Typ war eh nichts für mich. Wir haben seitdem keinen Kontakt mehr und das ist für mich okay. Ich arbeite halbtags als Immobilienmaklerin, da verdiene ich genug.«

»Immobilien? Ich dachte, du hast Sozialpädagogik studiert.« Verena schien diese Frage häufig gestellt zu bekommen, denn sie antwortete ansatzlos.

»Ich stand vor der Wahl, mich selbst zu verwirklichen oder Geld zu verdienen. Die Entscheidung fiel nicht schwer. Zumal in Hamburg die Preise für Eigentum stattlich sind.«

»Genau wie in Vechta, da sind die Kosten für Eigenheime auch explodiert. Also kommst du aus Hamburg?«

»Nein, ich bin in Hannover aufgewachsen. Hamburg ist meine Wahlheimat.«

»Gute Entscheidung«, bestätigte Maria, auch sie mochte die Hansestadt und nach Berlin und München wäre dies ihre dritte Wahl gewesen, wenn sie nicht in Cloppenburg geblieben wäre.

Mittlerweile war Maria der Rotbarsch mit Bratkartoffeln und Gemüse serviert worden. Verena hatte ihren Teller längst leer, leistete ihr jedoch weiterhin Gesellschaft. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt und Maria musste sich eingestehen, dass sie es als sehr angenehm empfand.

Das kreischende Geräusch eines ruckartig über die Fliesen nach hinten geschobenen Stuhls ließ die neuen Freundinnen zum Tisch der Hohenlinderns schauen. Der Mann warf seine Serviette mitten auf den Tisch und verließ mit schnellen, großen Schritten den Speisesaal. Seine Frau starrte ihm einen Moment mit offenem Mund hinterher. Sekunden später hatte sie sich gefangen und speiste in aller Ruhe weiter, als ob nichts gewesen wäre.

»Das scheint ja ein richtiges Traumpaar zu sein«, lästerte Verena flüsternd. Getratsche mochte Maria an sich nicht, aber sie hatte Urlaub, warum also nicht?, dachte sie sich.

»Ja, die waren heute Morgen beim Einchecken schon etwas merkwürdig. Müsste ich wetten, würde ich nicht auf Flitterwochen setzen.« Verena kicherte.

»Eher Rettungsurlaub«, sagte sie, »da haben wir es doch in der Summe besser getroffen. Wir brauchen uns über solchen Beziehungsstress keine Gedanken zu machen.« Dabei legte sie ihre Hand auf die von Maria und drückte sie kurz, bevor Verena sie wieder zurückzog.

»Das stimmt«, attestierte Maria mit einem Nicken. Sie empfand die Berührung nicht als unangenehm, wollte ihr aber nicht zu viel Bedeutung beimessen. Sie unterhielten sich weiterhin angeregt, bis Maria auch ihren Teller restlos von der Mahlzeit befreit hatte. Seeluft macht hungrig, sagte ihre Mutter früher schon, und bei jedem Ausflug Marias an die Küste oder auf eine Insel bestätigte sich diese Binsenweisheit.

»Jetzt muss ich langsam nach meinen beiden Terroristen gucken, bevor sie das ganze Hotel in Schutt und Asche legen«, sagte Verena lachend und verabschiedete sich, indem sie kurz Marias Schulter drückte.

»Habt noch einen schönen Abend«, erwiderte sie und entschied sich, einen Verdauungsspaziergang zu unternehmen. Der Abend war noch jung und so konnte sie sich mit der näheren Umgebung vertraut machen.

Nach gut einer Stunde kehrte sie ins Hotel zurück und ging direkt auf ihr Zimmer. Seeluft macht nicht nur hungrig, sondern auch müde, dachte sie und gähnte herzhaft. Für heute soll es auch reichen, befand sie und so endete wenig später ihr erster Urlaubstag.

Kapitel 3

 

 

Ein Scheppern, als hätte jemand einen Stein gegen ihr Zimmerfenster geworfen, ließ Maria aus dem Schlaf hochschrecken. Was zur Hölle war das?, fragte sie sich. Die Sonne stand bereits am Himmel und ihre hellen Strahlen zwangen sie, sich blinzelnd daran zu gewöhnen. Etwas ungelenk und steif von der Nacht rollte sie sich aus dem Bett und schleppte sich zur Doppeltür vor ihrem Balkon.

»Ach herrje«, sagte sie, als sie die Möwe entdeckte, die vor dem Fenster hockte. »Du musst wohl dein Navigationssystem updaten.« Da der Vogel nur kurz benommen wirkte, sich dann aber wieder in die Luft erhob und davonflog, schien er sich beim Aufprall nicht verletzt zu haben. Dadurch beruhigt öffnete Maria eine der Türen und trat, mit einem langen T-Shirt bekleidet, ins Freie. »Herrlich, diese Luft«, sagte sie und sog sie tief in ihre Lunge, während sie sich reckte und streckte. Ohne auf die Uhr schauen zu müssen konnte sie anhand des Sonnenstandes abschätzen, dass es gegen neun sein müsste. Sie tauschte ihr Schlafshirt gegen sportliche Bekleidung, schnappte sich beim Verlassen des Zimmers einen Apfel aus dem Obstkorb, den das Hotel täglich mit frischen Stücken füllte, und machte sich auf den Weg nach unten. Kurz bevor sie den Fahrstuhl erreichte, hörte sie aus Zimmer 325, welches auf ihrem Flur lag, allerdings um die Ecke, laute Stimmen. Offensichtlich wurde darin gerade gestritten. Sie sah gerade noch Frau Hohenlindern aus dem Zimmer kommen und, ohne von ihr Notiz zu nehmen, in Richtung des Lifts stapfen. Spontan entschied sich Maria, die Treppe zu nehmen – sie verspürte kein Verlangen danach, mit dieser zwar attraktiven, aber missmutigen Frau im selben Fahrstuhl zu fahren.

Auf dem Weg durch die Hotellobby wünschte sie Herrn Valium noch einen guten Morgen, dann glitt sie durch die Tür nach draußen und wenige Minuten später saß sie auf ihrem Mountainbike und trat sich die Müdigkeit aus den Waden.

So gut und frei hatte sich Maria seit einer Ewigkeit nicht mehr gefühlt. Und obwohl es höchstens 15 Grad waren und ihr der starke Gegenwind viel abverlangte, strahlte ihr Gesicht, das bis auf die leicht schiefe Nase makellos war, sodass es auf dem Cover einer Modezeitschrift hätte abgebildet sein können. Sicher eine Folge ihrer äußerst bewussten Lebensführung einschließlich der vielen Bewegung.

Seit sie denken konnte, war Maria sportbesessen. Zwar zeigte sich ihre Begeisterung hauptsächlich in der Leichtathletik, aber bisher hatte sie keine Sportart betrieben, die ihr keinen Spaß machte. Abgesehen vom Reitsport, der in ihrer Heimat zwar sehr angesehen war, sie jedoch nicht faszinieren konnte. Was ihrer Einschätzung nach daran lag, dass sie selbst es sein müsste, die sich verausgabte, und nicht ein Tier oder eine Maschine.

Eine kurze Pause legte sie am Osterhook ein, welches sich an der östlichen Spitze der Insel befand. Sie hatte Glück: Aus sicherer Entfernung konnte sie ein paar Seehunde am Strand beobachten. Die possierlichen Tiere schienen die Sonne zu genießen, die heute den ganzen Tag über hell am wolkenlosen Himmel stehen sollte. Da sie die flinken Schwimmer nicht stören wollte, schwang sie sich auf´s Rad und fuhr davon.

Als sie auf dem Weg zurück das fast zerfallene Haus mit der seltsamen Bewohnerin erreichte, trat sie fester in die Pedale und passierte es in hohem Tempo – auf noch so eine Begegnung wie gestern konnte sie getrost verzichten.

Außer Atem, verschwitzt, aber sehr zufrieden mit sich selbst, stellte sie ihr Rad im dafür vorgesehenen Schuppen auf dem Innenhof ihres Hotels ab, der durch eine breite Zufahrt zugänglich und von der Straße zu einem großen Teil einsehbar war, und verschloss es. Zwar hatte ihr der freundliche Mann vom Verleih lächelnd versichert, dass Fahrraddiebstähle auf Langeoog nicht vorkämen, da jede Station ihre Räder mit unverkennbaren Farben versehen hätte, aber die Macht der Gewohnheit siegte. Sie eilte auf kürzestem Weg in ihr Zimmer, um keinen Hotelgast mit ihrem Schweißaroma zu belästigen.

Maria kam gerade aus der Dusche, als sie es an ihrer Hotelzimmertür klopfen hörte.

»Moment!«, rief sie, warf sich ein Duschhandtuch um, wickelte schnell ihr nasses Haar zu einem Turban und war wenig überrascht, das breite Grinsen von Verena zu sehen.

»Guten Morgen, Maria.« Ihr offenes Lächeln nahm Maria sofort ein und sie erwiderte es.

»Hallo Verena, was gibt es?« Sie winkte sie herein und ging zurück ins Bad. Ihre neue Freundin folgte ihr.

»Wow, ist das die Präsidentensuite? Hier passt unser Zimmer locker zweimal rein.«

»Echt? Sind die Zimmer hier nicht alle gleich groß?«, fragte Maria, die ohne darüber nachzudenken davon ausgegangen war.

»Nein, auf keinen Fall.« Verena lachte laut auf. »Aber deswegen bin ich nicht hier«, rief sie ihr hinterher und senkte dann die Lautstärke ihrer Stimme. »Sag mal, magst du Musik?« Maria kam mit einer Bürste bewaffnet aus dem Bad und versuchte, ihre langen Haare damit zu bändigen.

»Klar mag ich Musik. Willst du mir etwas vorsingen?«

»Das lassen wir besser.« Ein Kichern folgte. »Ich hab vorhin gesehen, dass in der Kneipe am Ende der Straße heute Abend Live-Musik gespielt wird – Irish Folk. Daher dachte ich, ich frag dich mal, ob wir da nicht hingehen wollen.« Maria war etwas überrascht, weil sie nicht genau einordnen konnte, ob dies eine normale Verabredung oder ein Date sein sollte. Daher zögerte sie einen Moment. Ach komm schon, etwas Ablenkung schadet nicht, dachte sie schließlich und antwortete:

»Das hört sich gut an. Etwas gute Musik, ein paar Bierchen und ein gutes Gespräch lass ich mir doch nicht entgehen.«

»Hey, super. Dann treffen wir uns gegen 21 Uhr im Foyer?«

»Wenn mein Terminkalender es hergibt, dann ja«, scherzte Maria. Verena hob noch kurz die Hand zum Gruß und verschwand so schnell, wie sie erschienen war.

 

***

 

War der Morgen noch recht kühl, nahm die Hitze im Verlauf des Tages stetig zu. Die letzten Stunden, die Maria jetzt am Badestrand verweilte, verbrachte sie fast ausschließlich in den Fluten der Nordsee. Die für Langeoog untypischen Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke zwangen auch die anderen Urlauber, oft für eine Abkühlung in das feuchte Nass zu springen, da man am Strand sehr schnell wieder aufheizte. Viele verkrochen sich auch in ihren Ferienwohnungen oder Hotelzimmern und wagten sich erst am späten Nachmittag wieder ins Freie, da sich langsam die ersten Wolken vor die unerbittlich brennende Sonne schoben. Die vom Typ her eher nordische Maria mochte es zwar sommerlich, aber das war auch ihr zuviel des Guten. Wohin hatte sich die typische Inselbrise bloß verirrt, die normalerweise für Abkühlung sorgte?

Gegen 17 Uhr schnappte sie sich ihr Strandtuch und machte sich auf ins Hotel. Bevor ich noch zu Dörrfleisch werde, dachte sie, als sie ernüchtert feststellen musste, dass ihre Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 40 nicht ausgereicht hatte – sie spürte deutlich das Spannen der Haut auf den Schultern und ihrem Nasenrücken. »Na super, damit dürfte die Kleiderwahl die nächsten Tage auf schulterfrei fallen.«

Bevor sie auf ihr Zimmer ging, stattete sie dem noch leeren Speisesaal des Hotels einen Besuch ab und versorgte sich mit einem Salatteller, damit für den anstehenden Abend zumindest eine kleine Grundlage geschaffen wäre. Wer weiß schon, wozu das mit Verena heute noch führen würde, dachte sie, während sie den knackigen Salat geräuschvoll kaute. Als die nächsten hungrigen Gäste erschienen, stieg Maria bereits die Stufen in die dritte Etage hoch.

»Autsch«, rief sie. Der Duschstrahl traf schmerzhaft auf ihren Sonnenbrand. Nicht viel weniger peinigend empfand sie es, als sie die kühlende After-Sun-Creme auf die heißen, roten Stellen auftrug, die sie vorsorglich zu Hause in Cloppenburg eingekauft hatte. »Sei nicht so ein Jammerlappen«, sagte sie sich. Maria warf sich ein lockeres Sommerkleid mit Spaghettiträgern über. Sie verzog sich mit dem Mord im Orientexpress, einem Klassiker von Agatha Christie, auf den Balkon und ließ sich von der Meisterin des Kriminalromanes auf eine mörderische Zugfahrt entführen.

Fast hätte es Hercule Poirot geschafft, dass Maria ihre Verabredung mit Verena verpasste.

»Verdammt«, sagte sie, als sie eher zufällig einen Blick auf die Uhr geworfen hatte und feststellte, dass es bereits kurz vor Neun war. »Wo ist denn bloß –«, sie lief etwas planlos durch ihr Zimmer, »ah, da bist du ja.« Sie griff nach ihrer Handtasche, die hinter einen Stuhl gefallen war, checkte deren Inhalt und nach einer abschließenden Prüfung im Ganzkörperspiegel, der an der Innenseite der Badezimmertür hing, machte sie sich auf den Weg nach unten.

Maria staunte nicht schlecht, als sie vor dem Fahrstuhl das Paar Hohenlindern sah. Die beiden hingegen schienen sie nicht zu bemerken, da sie engumschlungen vor der Tür des Lifts standen und sich leidenschaftlich küssten. Umso besser, dachte Maria teilweise erstaunt, teilweise belustigt, schlüpfte unbemerkt am überraschend verliebt wirkenden Pärchen vorbei und verschwand im Treppenhaus.

»Da bist du ja«, rief ihr Verena zu. Maria kam gerade um die Rezeption gebogen.

»Sorry, hab mich etwas mit der Zeit verschätzt.« Verena lachte nur und drückte kurz Marias Oberarm.

»Wir haben Urlaub, da kommt es wohl auf fünf Minuten nicht an. Wollen wir?«

»Na klar, auf geht´s.« Sie folgte ihrer Freundin und inspizierte deren Figur. Verena hatte sich für einen kurzen Leinenrock und ein grünes Top entschieden und betonte damit ihre attraktiven Rundungen, was Maria sehr gefiel.

Der Fußweg zur geplanten Location dauerte kaum fünf Minuten. Nacheinander betraten sie durch eine schwere Eichentür den überraschend großen Innenraum, in dem eine kleine Hochzeitsgesellschaft bequem eine Feierlichkeit einschließlich Tanz hätte veranstalten können. Vor der Tür hatten sie schon den gitarrendominierten Sound der Drei-Mann-Band gehört, die sich Die Irish Friesländer nannten, glaubte man dem Aufdruck auf der Bespannung des Drummers. Hier drinnen schwoll der Geräuschpegel nochmal merklich, aber durchaus angenehm an.

Verena und Maria suchten sich einen freien Tisch und beim nächsten Song hatte ihnen die Bedienung jeweils einen halben Liter Guinness gebracht.

»Auf einen schönen Abend«, rief Verena aus und hob ihr Glas mit dem fast schwarzen Gebräu.

»Und auf einen verkaterten Morgen«, ergänzte Maria lachend und sie stießen an. »Das tut gut, besonders bei der Hitze heute«, sagte sie und stellte ihr Getränk auf dem rustikalen, schweren Holztisch ab.

»Du hast da was«, sagte Verena kichernd und zeigte auf ihre Oberlippe. Maria ließ ihre Zunge den besagten Bereich abfahren und schon war der Bart aus dem zähen, cremigen Schaum Geschichte. In diesem Moment fielen Maria die Hohenlinderns ins Auge, die im Eingangsbereich erschienen und sich orientierten, um dann zielstrebig einen freien Tisch auf der anderen Seite des Raumes anzusteuern.

»Da schau mal an, unser Traumpaar.« Maria deutete mit dem Kopf in deren Richtung. Verena, die mit dem Rücken zur Mitte saß, drehte sich umständlich um.

»Ah, die Flitterwöchler«, sagte sie spöttelnd. Die Band stimmte einen neuen Song an, sodass sie ihre Unterhaltung unterbrachen. Beiden war nicht daran gelegen, sich anschreien zu müssen, obwohl sie sich gegenübersaßen. Die Irish Friesländer ließen praktischerweise zwischen den Stücken jeweils eine angenehm kurze Pause, somit gab es ausreichend Zeit für Konversation.

Etwa eineinhalb Stunden und Marias Schätzung nach zehn schönen und zwei bis drei weniger schönen Songs später, endete unter großem Applaus der Live-Auftritt der Band. Sie ließen ihre Instrumente auf der Bühne und mischten sich unter das Publikum. Danach erklang in Zimmerlautstärke Musik aus einer Anlage, was Maria und Verena eine kontinuierliche Gesprächsführung ermöglichte. Aus dem Augenwinkel sah Maria, dass sich ihr Lieblingspärchen mit zwei jungen Männern ein Duell am Billardtisch lieferte, dessen abgewetzter Bezug auch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Das war ihr nicht entgangen, als sie auf dem Weg zur Toilette, die hinter dem grünbespannten Spieltisch lag, einen Blick darauf geworfen hatte. Ebenfalls war ihr nicht verborgen geblieben, dass Frau Hohenlindern wie ausgewechselt zu sein schien. Sie lachte oft und laut und scherzte mit den beiden Männern.

»Die ist ja heute locker drauf«, stellte auch Verena fest.

»Ja, vielleicht musste sie einfach erstmal ankommen. Oder der Alkohol wirkt bei ihr.« Nach dem innigen Geknutsche auf dem Etagenflur im Hotel schloss sie die Drinks jedoch als Ursache für den Wandel aus. »Völlig egal, wir haben auch so unseren Spaß.« Sie legte kurz ihre Hand auf die von Verena, der das nichts auszumachen schien – eher im Gegenteil, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Aus ihrem Gespräch entwickelte sich langsam aber sicher ein Flirt, den beide genossen.

Gerade war Maria in Verenas haselnussbraunen Augen versunken und wollte zu einem Kompliment ansetzen, da brachte sie lautes Geschrei aus dem Konzept. Hohenlindern warf seiner Frau unschöne und teilweise nicht jugendfreie Dinge an den Kopf. Er stand etwa eine Armlänge von ihr entfernt und fuchtelte wild mit den Händen vor ihrem Gesicht herum. Offensichtlich gefielen ihm die unverhohlenen Avancen nicht, die sie seit einiger Zeit dem größeren der beiden Männer am Billardtisch machte. Sie sah ihn selbstgefällig an, woraufhin er sich umdrehte und wutentbrannt aus dem Lokal stürmte. Die beiden Männer steckten darauf die Köpfe zusammen und nach einem kurzen Wortwechsel durchzog das Gesicht des größeren ein zufriedenes Grinsen, während der kleinere abwinkte.

»Hui, da geht es zur Sache.« Verena stieß einen Pfiff aus.

»Ich muss gestehen, die beiden bieten einiges an Unterhaltung. Aber ich schwöre –«

»Ja ja«, unterbrach Verena Marias halbherzigen Versuch, »du lästerst normalerweise nicht.« Maria sah ihr, so ernst es ihr in diesem Moment möglich war, in die Augen.

»Genau.« Sekunden starrten sie sich an und brachen, als sie sich nicht mehr zurückhalten konnten, in ein schallendes Gelächter aus.

Die Zeit verging wie im Fluge und auch bei der Hohenlindern und ihrem Flirtpartner schien es zu funken, wie Maria zwischendurch feststellen konnte. Es war schon nach Mitternacht, als sie sich dicht an ihn drückte, ihm etwas ins Ohr flüsterte und kurz darauf nach draußen verschwand. Neugierig aufgrund dieser Entwicklung sahen Verena und Maria, wie dieser darauf ein paar Sätze mit seinem Freund sprach und ihr nur Minuten später folgte.

»Nachtigall, ich hör dir und so weiter«, sagte Verena.

»Sie sind alt genug, und schließlich haben die ja auch Urlaub.« Maria amüsierte sich sehr am heutigen Abend, was nur am Rande mit den Hohenlinderns zu tun hatte. In erster Linie lag es an Verena mit ihrer unkomplizierten, offenen Art und vor allem am Alkohol, den sie zunehmend die Kontrolle über ihren Geist übernehmen ließ. Jedoch anders als vor ungefähr einem Jahr, als sie wegen massiver persönlicher und beruflicher Probleme einige Wochen Gefahr gelaufen war, in den Alkoholismus abzurutschen, handelte es sich aktuell eindeutig um einen Partyrausch. Diesen würde sie heute auskosten und morgen mit einem monströsen Kater bezahlen müssen, prophezeite sie Verena.

»Du kannst wenigstens ausschlafen«, antwortete diese mit gespielter Forderung nach Mitleid, »ich muss meine beiden Monster bespaßen!«

»Das stimmt«, bestätigte Maria mit erhobenem Zeigefinger und minimal lallend. »Apropos: Wo sind die jetzt überhaupt?«

»Heute lief Ronja Räubertochter von Astrid Lindgren im Fernsehen. Ich habe ihnen erlaubt, den Film fertig zu schauen und danach sollten sie schlafen gehen. An einem Tag wie heute geht das problemlos – die haben sich so ausgepowert, dass ich sie vermutlich nachher beide auf dem Sofa vorfinden werde. Die Verbrüderung der Räuberclans haben sie höchstwahrscheinlich schon nicht mehr mitbekommen. Und falls was ist, können sie sich natürlich jederzeit melden.« Sie deutete mit dem Kopf auf das vor ihr liegende Smartphone.

»Dann ist ja gut. Kommen wir also zur wichtigen Frage: Noch ne Runde?«

»Selbstverständlich! Aber dann muss ich ins Bett.«

»Das hätte ich vernünftigerweise schon vor zwei Stunden gemusst.« Verena lachte:

»Vernunft im Urlaub? Das ist ein Oxymoron!«

»Komm mir in meinem Zustand nicht mit Fachchinesisch!«

Langsam lichteten sich die Reihen. Waren anfangs sicher knapp hundert Gäste da, hielten sich hier mittlerweile vielleicht noch zwanzig auf. Mit größter Anstrengung hatten Maria und Verena ihr letztes Glas Guinness geleert und schon die Bedienung zum Kassieren herbeigewinkt, da betrat ein neuer Gast die Kneipe. Beim zweiten Hinsehen erkannte Maria, dass es der Flirtpartner der Hohenlindern war. Sie hatte ihn im ersten Moment nicht erkannt, was natürlich am Alkohol lag, aber auch daran, dass die Kleidung des Mannes schmutzig und seine Haare zerzaust waren. Da er fast direkt an Marias Tisch vorbeilief, um lächelnd seinem Freund Bericht zu erstatten, erkannte Maria Blutflecken auf dem Kragen seines Shirts, die augenscheinlich von den frischen Kratzern stammten, die seitlich an seinem Hals zu sehen waren. Selbst in ihrem leicht berauschten Zustand fielen ihr diese Details auf, stellte sie überrascht fest.

»Die hatten Spaß«, sagte Verena, die ihn ebenfalls bemerkt hatte und sein Erscheinungsbild als das einordnete, was es wahrscheinlich war: Die Folge einer stürmischen Liebesnummer. Womit sie zum selben Schluss kam wie Maria.

»Jo.« Maria schüttelte leicht den Kopf. »Wie auch immer – ich muss ins Bett.« Wie auf Befehl tauchte die Bedienung am Tisch auf und nachdem sie gezahlt hatten, verließen sie mit untergehakten Armen das Lokal und machten sich auf den Weg zum Hotel.

 

***

 

Ob es am Gegenwind lag, der nicht vorhanden war, an den Schlangenlinien, die sie nicht wirklich gelaufen waren, oder einfach daran, dass es sich gut anfühlte, konnte und wollte Maria nicht beurteilen. Fakt war, dass sie für den Rückweg doppelt so lange gebraucht hatten wie für den Hinweg. Im Foyer des Hotels trennten sich ihre Wege. Obwohl beide nicht abgeneigt waren, die weitere Nacht gemeinsam zu verbringen, beließen sie es bei einer herzlichen Umarmung. Auf dem Weg zum Fahrstuhl fiel Marias Blick in die Hotelbar. Der einzige Gast am Tresen war Hohenlindern. Er unterhielt sich offenbar angeregt mit dem Barkeeper. Sie fragte sich, ob er wohl wusste, wie weit es seine Frau heute noch getrieben hatte. Maria verlangsamte den Schritt und kurz trafen sich ihre Blicke. In dem Moment, als sich die Tür des Fahrstuhls öffnete, verlor sie jedoch das Interesse an ihm, stieg ein und fuhr hoch in ihre Etage.

Sie würde diese Nacht morgen bitter bezahlen müssen, dachte sie noch, als sie sich aufs Bett legte und das Karussell startete. Dann schlief sie ein.

Kapitel 4

 

 

Mit einem Dröhnen, als würde eine Heerschar Straßenarbeiter mit Presslufthämmern bewaffnet im Begriff sein, ihre Schädeldecke zu pulversieren, wachte sie am nächsten Morgen auf. Maria nahm beide Hände an die Schläfen und versuchte, den Schmerz herauszuquetschen – vergeblich, wie sie feststellen musste. Sie stieg ächzend aus dem Bett und wankte ins Bad.

»Zum Glück«, sagte sie erleichtert, als sie eine Kopfschmerztablette in ihrem Kulturbeutel fand. Sie löste die Brausetablette in einem Glas Leitungswasser auf und trank es gierig leer, in der Hoffnung auf baldige Erlösung von den Bauarbeiten in ihrem Kopf.

Nach der Dusche begann das Paracetamol langsam zu wirken und Maria hielt es für vertretbar, ein Frühstück zu riskieren.

Bereits am Eingang des Foyers spürte Maria, dass eine ungewohnte Atmosphäre in der Luft lag. Das Gefühl verstärkte sich, als sie den Speisesaal betrat. An einigen Tischen raunten sich die Gäste mit vorgehaltener Hand gegenseitig Sätze zu. Sie dachte erst, es würde an ihrem nicht unerheblichen Kater liegen, der ihre Wahrnehmung trügte. Verena saß am selben Tisch wie gestern und winkte Maria aufgeregt heran.

»Was ist los? Es kommt mir heute alles etwas seltsam vor«, sagte sie, während sie den Stuhl unter sich an den Tisch heranzog.

»Du hast es also noch nicht gehört?« Verena klang aufgekratzt, obwohl sie definitiv frischer wirkte, als Maria sich fühlte.

»Ich hab einen Mörderschädel und komme gerade aus dem Bett. Also, wenn es nichts Wichtiges ist, verzichte ich darauf.«

»Heute Morgen wurde eine Leiche gefunden.« Mit einem Schlag war Maria wieder da, als ob jemand einen Schalter bei ihr umgelegt hätte.

»Eine Leiche? Hier? Im Hotel? Weißt du mehr darüber, um wen es sich handelt zum Beispiel?«

»Nein, nicht im Hotel. Es soll die Hohenlindern sein«, flüsterte Verena. »Sie wurde wohl ermordet.« Maria fühlte sich erneut wie vor den Kopf geschlagen. Sofort ratterte es in ihr und sie spielte im Schnelldurchgang gedanklich den letzten Abend durch – soweit sie ihn noch abrufen konnte.

»Woher weißt du das?«

»Erst hab ich hier Leute drüber reden hören, dann hab ich an der Rezeption gefragt und unser Herr Valium hat es mir bestätigt. Woher genau er das nun wusste, kann ich dir nicht sagen. Sie wurde hinten bei den Hügeln direkt am Ortsausgang gefunden. Da soll auch noch alles abgesperrt sein. Ist das nicht wahnsinnig aufregend?«

»Hm, vielleicht sollte ich mir das mal anschauen«, sagte Maria mehr zu sich selbst.

»Okay, ich bin dabei«, sagte Verena enthusiastisch.

»Was? Ach so. Bist du denn fertig hier und was ist mit deinen Jungs?«

»Die sind bis Mittag in der Kinderbetreuung und mein Brötchen kann ich auf dem Weg futtern. Soll ich dir auch schnell eines schmieren?«

»Oh, das wäre nett. Mit Käse bitte.« Wenig später hatten die beiden bereits den Ort hinter sich gelassen und gingen auf eine Menschentraube zu, die sich neugierig vor einem mit einem Absperrband abgetrennten Bereich versammelt hatte. Maria kam sich vor wie vorzeitig aus dem Urlaub geholt, zwang sich jedoch, sich nicht anders zu verhalten, als die Schaulustigen. Wenn es sich bei der Toten nicht um eine Bekannte aus ihrem Hotel gehandelt hätte, säße sie wahrscheinlich jetzt noch entspannt beim Frühstücken.

Sie konnten sich recht einfach durch die Leute direkt ans Absperrband schieben. Mehrere Kollegen in weißen Overalls wuselten am Tatort herum, um Spuren zu sichern, und ein uniformierter Polizist, wahrscheinlich der diensthabende Inselkollege, bemühte sich, die Umstehenden unter Kontrolle und vor allem hinter dem Band zu halten.

»Lassen Sie uns durch, Kriminalpolizei!«, hallte es von hinten und wie sich damals das Meer für Moses teilte, schufen die Schaulustigen einen Durchgang für den Rufenden und seinen Begleiter. Sie marschierten durch das Spalier und stiegen über das Band. Der uniformierte Polizist kam ihnen entgegen und wollte sie offensichtlich gerade maßregeln, da hielt ihm einer der beiden seinen Dienstausweis direkt unter die Nase.

»Hauptkommissar Waldner, das ist mein Kollege, Hauptkommissar Meyer. Was haben Sie für uns?«

»Kommissar Johansen«, stellte er sich freundlich vor. Andere hätten sich möglicherweise über das arrogante Gebaren des Kollegen der Kripo geärgert. Johansen hingegen schien entspannt, sogar froh zu sein, dass er die Zuständigkeit abgeben konnte. So jedenfalls wirkte es auf Maria, die in Hörweite dem Gespräch problemlos folgen konnte. »Sie wurde heute Morgen um sieben von einer Spaziergängerin gefunden. Hier hab ich ihre Daten.« Er wedelte mit einem kleinen Notizblock. »Ich habe ihr gesagt, dass sie in ihrer Ferienwohnung warten soll, bis jemand kommt, der ihre Aussage aufnehmen wird.« Kommissar Waldner zog die Augenbrauen hoch und wollte scheinbar etwas dazu sagen, verkniff es sich aber. »Der Rechtsmediziner ist noch nicht da, aber unser Inseldoc meinte, sie wurde vergewaltigt und erdrosselt. Auf die Reihenfolge wollte er sich nicht festlegen.«

»Da warten wir doch lieber ab, was der Experte dazu sagt.«

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739467412
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (September)
Schlagworte
Inselkommissarin nordseekrimi Cozy-Crime Krimi

Autor

  • Marcus Ehrhardt (Autor:in)

Der Autor, 1970 geboren, lebt im niedersächsischen Vechta. Er ist Vater zweier erwachsener Kinder. Die Idee, Geschichten zu erzählen und Bücher daraus entstehen zu lassen, kam quasi über Nacht. Seinen großen Sympathien den USA gegenüber in all ihren Vielfalten und endlosen Weiten ist es geschuldet, dass einige seiner Titel eben dort verankert sind. Demgegenüber erscheinen immer wieder Titel, die vorrangig in seiner norddeutschen Heimat angesiedelt sind.
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Titel: Mordseerauschen