Lade Inhalt...

666 Verschwörungstheorien Die Zombie-Vertuschung

von Steve Wild (Autor:in)
170 Seiten

Zusammenfassung

Zombies gibt es wirklich. Eine weltweite Verschwörung sorgt dafür, dass man das Zombie-Virus für Ebola hält, um keine Panik unter der Bevölkerung auszulösen. Das machen sich Unternehmen zunutze, um in Afrika Zombie-Jagden für Reiche anzubieten und gleichzeitig Outbreaks einzudämmen. Doch als das Virus verändert wird, steigt das Risiko für die restliche Welt ... Jeder Band von 666 Verschwörungstheorien besteht aus einem Roman und einem Anhang. Der Roman spielt im Umfeld der jeweiligen Verschwörungstheorie. Der Anhang enthält Hintergrundinformationen und fasst die Theorie sowie ihren Ursprung zusammen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


666 Verschwörungstheorien

Die Zombie-Vertuschung

Steve Wild

 

Copyright: © 2017 Steve Wild

 

SteveWild@web.de

 

666 Stories

Varna

1

September 2000

Ich bin kein netter Mensch.

Ich habe mehr Geld, als ich ausgeben kann und mehr Zeit, als man haben sollte.

Meine Moralvorstellungen überschneiden sich nur selten mit denen anderer und ich hasse Leute, die mich nerven.

»Es ist so, weil ich es sage!«, war deshalb meine Antwort zu dem Mann, der auch noch einen halben Kopf größer war als ich. Normalerweise war mir die Körpergröße völlig egal. Aber wenn sich jemand vor mir aufbaute, um auf mich herabzublicken, konnte ich einfach nicht freundlich bleiben. Dieses Alphatiergehabe ging mir auf die Nerven. Gab man jemanden genug Geld und damit Macht, glaubte er, wichtiger und besser als andere zu sein.

Seine im Fitnessstudio gestählten Nackenmuskeln spannten sich und ließen ihn wie ein bösartiges Tier erscheinen. Sogar die Gesichtshaut färbte sich zornesrot.

Wenn er sich vor den Vorstandsmitgliedern seines Hedgefonds so aufbaute, erzielte er damit wahrscheinlich den erwünschten Effekt.

Aber durch Aufplustern hat noch nie jemand einen Kampf gewonnen. Sonst würden seine Augen nicht so überrascht aus dem Kopf hüpfen wollen, als meine Faust seinen Solarplexus traf. Den Schlag hatte er nicht einmal kommen sehen, weil er krampfhaft versucht hatte, mich niederzustarren.

Sein Gesichtsausdruck ging von bedrohlich zu dämlich über, als er mit weit aufgerissenem Mund versuchte, Luft in die Lungen zu bekommen.

Mein nächster Schlag, der eine seiner Nieren traf, tat mir schon fast leid. Ich hatte mit mehr Muskulatur gerechnet und entsprechend stark zugeschlagen. Aber er trainierte nicht alle Muskelgruppen gleichmäßig und es fühlte sich an, als würde ich in ein Pfund Mett hineinschlagen. Ich wollte ihn nicht ernsthaft verletzen. Schließlich zahlte er drei Millionen für diesen Trip und ich war für sein Leben verantwortlich.

Trotzdem schlug ich ihm noch kräftig mit der flachen Hand auf den Hinterkopf, als er zusammensackte.

„Scheiße!“, fluchte ich lautlos und schüttelte meine Hand. Das brannte ganz schön.

Ich machte einen Schritt von ihm weg. Er wäre nicht der Erste, der sich übergeben musste, nachdem er auf dem Boden gelandet war.

Aber zum Glück rang er nur nach Luft und japste laut. Dieses schmerzvolle Keuchen hörte sich bei jedem anders an. In diesem Fall klang es fast wie heulen. Nicht sehr männlich.

Ich wandte mich den zehn anderen großen Augen zu, die mich anstarrten.

»Auch wenn ich ihr Geld nehme, bin ich nicht ihr Angestellter«, sagte ich in ruhigem Ton, als wäre nichts passiert.

»Auch wenn es ihnen schwerfällt auf andere zu hören, werden sie genau das tun, was ich sage. Dann werde ich sie wieder lebendig nach Hause bringen. Nicht weil ich ein Menschenfreund bin, sondern weil es schlecht fürs Geschäft wäre, wenn sie hier sterben. Außerdem bin ich stolz darauf, dass 98% meiner Kunden diese Trips überleben. Und ich lasse nicht zu, dass sie aus Dämlichkeit meinen Schnitt versauen.«

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie John lächelte. Er war immer der Nette in unserem Team. Derjenige, bei dem sich die Anderen ausheulen konnten, wie gemein ich doch sei. Das hieß aber nicht, dass er nicht auch seinen Spaß hatte.

Da standen sie vor uns wie verschreckte Rehe.

Ihre geschockten Augen versuchten, an mir vorbeizublicken, als könnte ich sie nicht sehen, wenn sie mich nicht anschauten. Das überhebliche Lächeln, das vor wenigen Minuten noch bei allen vorherrschte, war nirgends mehr zu erkennen.

Sie wirkten unsicher und nervös in ihrer Tarnkleidung. Trotz ihrer Uniformen wirkten sie mehr wie Papageien. Die Uniformen einer Armee waren immer identisch. Hier hatte jede unterschiedliche Farbnuancen. Das war keine original Army-Ware. Wahrscheinlich wurde sie für jeden extra von teuren Designern entworfen und auf Maß geschneidert. Nah am Original, aber anders genug, um aufzufallen. Zum Glück konnte man sich vor unseren Feinden nicht mit dem richtigen Tarnmuster verstecken. Also war es mir egal, was sie trugen. Ich selbst trug Originalware der US-Army. An wichtigen Stellen hatte ich sie etwas aufgemotzt, aber das Design war unverändert.

Resignierend schüttelte ich den Kopf, als mein Blick auf die Schuhe dieser Wochenendsoldaten fiel. Neu, glänzend und unbenutzt. Dieser Trip würde etwa eine Woche dauern. Das bedeutete für jeden, der seine Stiefel vorher nicht eingelaufen hatte, mehr Schmerzen und Blasen an den Füßen, als er es je für möglich gehalten hätte. Trotz der Einweisung, die sie bekommen hatten, war ihnen ein schickes Auftreten wichtiger als heile Füße. Das Härteste, das die meisten von ihnen bisher erlebt hatten, war ein Survival-Wochenende, bei dem immer ein Arzt und ein Helikopter in der Nähe waren.

Auch bei einer Menschenjagd waren sie die meiste Zeit von Luxus umgeben. Und sie waren immer die Jäger.

Hier sind sie die Beute.

Ich konnte nicht verstehen, warum man sich freiwillig solchen Situationen aussetzte. Man bezahlte Millionen, um sein Leben zu riskieren. Als ob ihr normales Leben nicht stressig genug wäre.

Ich hatte mir die Dossiers über meine Schützlinge nicht angesehen. Es war mir egal, wie sie sich im realen Leben verhalten oder was Psychiater über sie sagten.

Früher hatte ich mir jedes Dossier durchgelesen. Alle Teilnehmer waren angeblich stressresistent und würden in gefährlichen Situationen nicht zusammenbrechen. Alles Mist.

Sobald sie ihrem ersten Zombie gegenüberstanden, zeigte sich die Wahrheit.

Ich lächelte, als ich an meine eigenen Erfahrungen zurückdachte. Den härtesten Menschen, den ich kannte, hätte kein Psychiater entsprechend eingeschätzt.

Vor zwei Jahren stieß ich mit meiner Gruppe in einem kleinen Dorf im Dschungel auf eine Krankenschwester. Sie war 24 Jahre alt, 158 cm groß und härter als der ganze Trupp zusammen. Sie überlebte sechs Tage in einem überrannten Dorf. Nur mit einer Machete bewaffnet, die fast so lang wie ihr Arm und viel zu schwer für ihren zierlichen Körper war.

Zwei Mann aus der Gruppe mussten sich übergeben, als sie den provisorischen »Friedhof« hinter der Hütte sahen, wo sie die kopflosen Leichen abgelegt hatte. Männer, die angeblich niemals Schwäche zeigten oder in Panik gerieten. Seitdem sparte ich mir die Lesezeit.

Die Krankenschwester war jetzt Sekretärin und Mädchen für alles in meiner Firma.

Mit einem tiefen Atemzug kam ich zurück in die Gegenwart. Auch ohne die Unterlagen wusste ich, was für ein Menschenschlag dort stand. Reich, gelangweilt, unausgeglichen. Jeder war ein Alphamännchen und hatte soziopathische Züge, was häufig bei erfolgreichen Männern auftrat.

In ihrer Welt waren sie echte Löwen. Die meisten von ihnen wurden noch härter und erfolgreicher nach so einem Trip. Wenige brachen zusammen. Andere gingen nach Jamantau, in die geheime Stadt.

»Die Lord’s Resistance Army ist hier im Distrikt Gulu ziemlich aktiv«, begann ich wieder zu reden. »Auch wenn einige Massaker der LRA in Wahrheit Eindämmungsaktionen waren, sind die Jungs nicht unsere Freunde. Wenn wir auf eine Rebellentruppe treffen, stuften sie sie als Feinde ein. Aber niemand schießt, bis sie den Befehl dazu bekommen. Falls sie in ein infiziertes Dorf kommen, in dem wir uns gerade aufhalten, werden wir uns zurückziehen. John« ich deutete zur Seite, »wird jedem von ihnen eine Karte des Dorfes geben, das wir reinigen. Dort sind auch die Rückzugsorte markiert, an denen wir uns in einem Notfall treffen. Wer nicht innerhalb von 15 Minuten in dem entsprechenden Gebiet erscheint, gilt als verloren.

Haben das alle verstanden?«

Wer jetzt mit einem Ja, Sir! gerechnet hatte, wurde enttäuscht. Stattdessen gab es ein leises Gemurmel und ein paar nickende Köpfe.

»Dann begeben sie sich jetzt in die Zelte und genießen ihre letzte entspannte Nacht. Morgen um Nullsechshundert sind alle abmarschbereit.«

Diesmal wartete ich keine Antwort ab, sondern wandte mich John zu und nickte in Richtung des am Boden liegenden Mannes.

Als uns vor einer Stunde der Hubschrauber abgesetzt hatte, war das kleine Zeltdorf auf der Lichtung schon aufgebaut. Dazu gehörte ein kleines Sanitätszelt, das von meiner Sekretärin Susi bemannt war. Seitdem wir sie aus dem Dorf geholt hatten, war sie auf jeder Mission dabei. Ich lächelte bei dem Gedanken an sie. Sie wurde von unseren Kunden grundsätzlich unterschätzt, was immer für eine nette Abwechslung sorgte.

Wir nannten sie nur noch Sushi, weil sie jeden, der ihr dumm kam, zu kleinen Häppchen verarbeitete. Sie hatte schon so manchen Bär von einem Mann zum Weinen gebracht.

John beugte sich zu dem Mann am Boden und ergriff ihn vorsichtig an der Schulter. Ich war weniger vorsichtig, als ich ihn an der anderen zog und wir ihm beim Aufstehen halfen. Sein Atem hatte sich bereits normalisiert und er war wieder so weit bei Kräften, dass er meinen Arm abschütteln konnte. Sein Blick bohrte sich in meine Augen. »Das war nicht nötig.« Ich war überrascht, keinen Hass oder Wut in seiner Stimme zu hören. »Eine kleinere Lektion hätte ich auch verstanden.« Nach einer weiteren Sekunde Blickkontakt wandte er sich ab und ließ sich von John zum Sanitätszelt helfen.

Innerlich zog ich meinen Hut vor ihm. Eine solche Abreibung vor der Gruppe steckte nicht jeder weg und sah sie als das, was sie war: Eine Lektion für den Ersten, der die Regeln in Frage stellte, und als Warnung für den Rest. Es war die schnellste Art, seinen Standpunkt zu verdeutlichen, und ersparte mir lange Diskussionen.

Ich akzeptierte seinen Wunsch, nicht von mir gestützt zu werden, und ging zwei Schritte hinter den beiden zum Zelt. Noch bevor wir dort ankamen, erschien Sushi im Eingang und blickte kurz auf den Mann, der sich mit der freien Hand die schmerzende Niere hielt.

Dann wanderte ihr Blick zu mir und sie zog böse die Augenbrauen zusammen. Die meisten Menschen wurden bei diesem Blick nervös, ich fand es süß, wie sich ihre kleine Stupsnase dabei verzog. Allerdings würde ich ihr das niemals sagen, da mir meine Gesundheit wichtiger war, als manche Menschen behaupteten. Also schaute ich reumütig zu Boden und achtete darauf, nicht zu grinsen.

John atmete erleichtert ein, als sie mich und nicht ihn als Schuldigen ausgemacht hatte. Und wieder fragte ich mich, wie sie es schaffte, meine Jungs so einzuschüchtern.

»Wirklich, Sam?« Vielleicht war es diese eiskalte Stimme, die die Luftfeuchtigkeit als Frost zu Boden hätte fallen lassen können. »Ihr seid noch keine Stunde hier und du hast schon wieder Streit?«

Dann strahlte sie ihren Patienten an und sagte: »Dann kommen sie mal rein. Normalerweise sollte eine kleine Schmerztablette reichen. Ich schaue nur zur Sicherheit etwas genauer nach. Nicht, dass sie morgen früh ausfallen.« Dann griff sie ihm um die Hüfte und schob ihn in das Zelt. Obwohl sie dem Mann nur bis zur Brust reichte, wirkte es, als würde er keine Chance haben, sich zu weigern.

John blieb vor dem Eingang stehen und schaute mich verschwörerisch an. »Ist dir aufgefallen, wie sie ihre Nase verzieht, wenn sie dich böse anguckt?«

Erschrocken hob ich einen Finger an die Lippen. »Psst. Lass sie das bloß nicht hören.«

Erschrocken weiteten sich seine Augen und er warf einen schnellen Blick zum Zelteingang. »Lass uns den Plan für morgen noch einmal durchgehen«, wechselte er das Thema.

2

Die Luft im Zelt war warm und schwül. Der Distrikt Gulu hatte eine jahrelange Dürreperiode hinter sich, die ausgerechnet dieses Jahr ihr Ende fand. Zwei Monate vor unserem Eintreffen. Mich hätte es nicht gestört, wenn es noch etwas länger trocken geblieben wäre. Das machte es leichter, im Notfall ein Dorf niederzubrennen.

Da wir den Stromgenerator nicht laufen ließen, funktionierte der Ventilator an der Decke nicht. Seitdem der Lärm des Generators bei einem anderen Trip unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns gezogen hatte, benutzten wir ihn nicht mehr. Trotzdem wurde er jedes Mal wieder angeschleppt. Zum Glück hatte ich nichts mit der Logistik zu tun und setzte mich nur ins gemachte Nest.

John hatte die Karte des morgigen Zieles schon auf dem Klapptisch ausgebreitet und starrte mit gefurchter Stirn darauf.

»Was missfällt dir?«, fragte ich. John war ein guter Taktiker, dem man aber immer sofort ansah, wenn ihm etwas nicht gefiel.

»Das Dorf liegt im Budongo Nationalpark. Das bedeutet keine Straßen, oder was in diesem Teil des Landes so genannt wird. Wir müssen mindestens drei Stunden zu Fuß durch den Dschungel, um in die heiße Zone zu gelangen.«

»Das ist es aber nicht, was dich stört«, erwiderte ich. »Wir haben schon schlimmere Märsche hinter uns gebracht.«

Er nickte leicht und starrte weiter auf die Karte. »Wie es aussieht, liegt das Dorf an einem kleinen Fluss, der auf der Landkarte nicht eingezeichnet ist. Und zwar genau in einer Gabelung. Wir müssten also entweder irgendwie Boote auf das Wasser bekommen, oder wir können nur von einer Seite in das Dorf eindringen.«

»Und das bedeutet, dass wir auch nur auf einer Seite wieder herauskommen«, führte ich seinen Gedankengang zu Ende. »Und das schränkt unsere Notfallpläne ein. Mit wie vielen Infizierten ist zu rechnen?«

Er blickte auf und schenkte mir einen seiner Du-weißt-doch-genau-dass-die-keine-Ahnung-haben-und-nur-Mist-quatschen-Blicke. »Angeblich höchstens ein Dutzend. Das Dorf sollte so gut wie verlassen sein. Aber da es mitten im Nationalpark liegt, wo es eigentlich gar nicht sein dürfte, schätze ich eher, dass sich die Bewohner versteckt haben, als das letzte Mal ein Regierungsvertreter vorbei kam. Also sollten wir sicherheitshalber mit der doppelten Zahl rechnen.«

»Was sagt dein Gefühl über unsere Kunden? Meinst du, wir können es mit dieser Gruppe riskieren?«

»Nur wenn wir Sushi mitnehmen«, sagte er grinsend.

»Genau meine Meinung. Mit ihr sind beide Flanken gedeckt, wenn ich vorgehe. Ich traue es der Gruppe nicht zu, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn etwas Unvorhergesehenes eintritt. Besser, wenn wir sie in die Mitte nehmen können.«

Sushi war die perfekte Rückendeckung. Nicht nur, dass wir uns auf sie verlassen konnten, sondern sie verhinderte auch, dass sich einer der Männer aus dem Staub machte. Es passierte des Öfteren, dass jemand kalte Füße bekam und kopflos davonrannte. Mit Sushi dabei war das noch nie passiert. Wahrscheinlich war dann das Ego zu groß. Wenn eine Frau steht und kämpft, kann ein Mann nicht die Nerven verlieren.

»Dann machen wir es so. Langsames Vorstoßen. Ich führe die Spitze an, ihr sichert die Flanken. Wir schießen nur, wenn die Infizierten zu nahe kommen. Schließlich zahlen unsere Kunden noch einmal zehntausend für jeden Abschuss.«

Die Kopfprämie war meine Idee. Das gesamte Geld ging an Hilfsorganisationen, die Brunnen und Schulen bauten. Auch wenn ich mein Geld auf lebensverachtende Weise verdiente, hatte ich schon immer das Bedürfnis, etwas Gutes damit zu tun. Und Sushi liebte mich dafür. Sie wählte die Organisationen mit großer Sorgfalt aus und packte ihre eigenen Prämien immer auf das Kopfgeld drauf, bevor sie den Scheck überreichte.

Ich verschwieg ihr, dass ich meine gesamten Einnahmen aus diesen Trips immer anonym an dieselben Organisationen überwies. Geld interessierte mich nicht und ich benötigte es auch nicht. Ich hatte genug davon.

John richtete sich auf und streckte sich. »Dann mache ich jetzt noch eine Inspektionsrunde bei unseren Zombiekillern, weise sie nochmal kurz an und ziehe mich dann zurück. Morgen wird anstrengend und ich will ausgeschlafen sein.« Ich beneidete John um die Fähigkeit, in jeder freien Minute schlafen zu können. Wenn wir einen Ort gesichert und die Wache eingeteilt hatten, setzte er sich einfach an eine Mauer und schlief. Ich konnte die Nacht vor und nach einer Operation kein Auge zutun. Und Schlaftabletten waren zu gefährlich. Wer zu tief schlief, war ein leichtes Opfer.

»Okay. Ich werde die Alarmanlage inspizieren. Wir sollten weit genug vom Outbreak weg sein, aber man kann ja nie wissen.« Damit drehte ich mich um und verließ das Zelt.

Die Alarmanlage war nichts anderes, als ein Haufen Seile an denen Dosen hingen. Da kaum Wind wehte, wurden die einzigen Fehlalarme durch Tiere ausgelöst. Ich stand auf Lowtech. In anderen Camps wurde mit Bewegungsmeldern und Infrarotkameras gearbeitet. Da Technik in diesem Klima aber anfällig war, und vor allem Strom benötigte, waren die Nachteile größer als die Vorteile. Seitdem ich mit meiner Spaghettidosen-Alarmanlage arbeitete, wurden wir noch nie überrascht. Weder von Streunern noch von Rebellen.

Und ich liebe Spaghetti aus der Dose, so dass nie ein Mangel an Ersatzteilen bestand.

3

Regen.

Jeder Tropfen, der auf das Zeltdach klatschte, hörte sich wie eine Explosion an.

Seit zwei Stunden fielen die fetten Tropfen vom Himmel und verhinderten, dass ich schlafen konnte. Oder zumindest wieder in den Dämmerzustand überging, der Schlaf am nächsten kam.

Meine Nerven lagen zu blank, und jedes Pling!, wenn eine Dose getroffen wurde, ließ mich auffahren.

Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich sowieso in einer halben Stunde aufstehen musste. Also setzte ich mich an den Tisch und zündete die Gaslaterne an, um meine Waffen ein letztes Mal zu reinigen. Auch wenn ich immer mehr als eine Waffe bei mir trug, konnte eine Ladehemmung meinen Tod bedeuten.

Die Heckler & Koch USP Tactical mit Kaliber .40 baute ich mit geschlossenen Augen auseinander und wieder zusammen, bevor ich sie erneut zerlegte und gründlich reinigte. Das Magazin war mit 14 Schuss Unterschallmunition geladen, damit es keinen Überschallknall gab. Mit normaler Munition wäre der Schalldämpfer sinnlos gewesen. Es war eine extrem zuverlässige Handfeuerwaffe, die mir schon einige Male das Leben gerettet hatte.

Meine MP5SD Maschinenpistole vom selben Hersteller war standardmäßig schallgedämpft, wodurch ich normale Überschallmunition verwenden konnte. Der Schuss hatte nur eine Lautstärke von 70 dB, was einem Staubsauger in einem Meter Abstand entsprach. Da die meisten Infizierten auf Lärm und Bewegung reagierten, gab ich selten einen Schuss aus einer nicht schallgedämpften Waffe ab. Außerdem war es besser für die eigenen Ohren. Kurzzeitig nichts zu hören war fast genauso schlimm, wie nichts zu sehen.

Trotzdem trug ich zusätzlich eine doppelläufige, abgesägte Schrotflinte mit Pistolengriff am Bein. Sicher war sicher.

Kaum hatte ich die MP5 geladen und gesichert, kam John herein und grinste mich aus wachen Augen an. Er hatte natürlich gut geschlafen und sah erholt und frisch aus.

Er trug fast dieselbe Ausrüstung wie ich am Leib. Allerdings nahm er als Handfeuerwaffe lieber die italienische Beretta 92FS. An seinem Gürtel hing ein schweres Bowiemesser mit 30cm Klinge.

Ich trug eine Spartan-Machete, die dem traditionellen Gurkha Messer ähnlich war. Ideal, um damit Köpfe abzuschlagen. Damit war es wie mit der Schrotflinte: Ich hoffte jedes Mal, sie nicht einsetzen zu müssen.

»Sind alle bereit?«, fragte ich und legte mir den Riemen der Maschinenpistole um.

»Alle warten auf den Abmarsch«, antwortete Sushi, die plötzlich neben John stand. An ihr sahen die Waffen viel zu groß aus. Sie trug dieselben Schusswaffen wie ich, da sie keine Vorlieben in Bezug auf diese Dinge hatte. Sie war bei dem geblieben, das ich ihr als Erstes gezeigt hatte. Nur ihre Machete war immer dabei und guckte mit dem Griff über ihre Schulter hinaus.

»Dann los«, sagte ich. »Alle sollen sich auf die Jeeps verteilen. Sushi und ich fahren den Ersten. John, du bleibst immer in Sichtweite hinter uns. Funkkontakt nur im Notfall. Falls Rebellen in der Nähe sind, sollen sie nicht unbedingt wissen, dass wir kommen. Kontrolliert vor der Abfahrt, ob jeder eine Maske dabeihat.«

Im Einsatz mussten alle eine Maske tragen, die Augen, Nase und Mund schützte. Nur ein einziger Tropfen Blut eines Infizierten in die Augen, den Mund oder in eine Wunde bedeutete den sicheren Tod. Ich trug immer eine Hockeymaske, bei der ich die Sichtlöcher mit speziellem Plexiglas abgedichtet hatte. Vor Nase und Mund hatte ich nur einen dünnen Stofffilter angebracht, da das Atmen sonst zu anstrengend wurde.

Auf die weiße Maske war ein schwarzer Totenkopf gedruckt. John besaß eine Paintballmaske in Flecktarn. Sushi hatte sich auch für eine Paintballmaske entschieden. Ich fragte mich immer wieder, warum diese Dinger auch in Rosa produziert wurden. Am grauenhaftesten fand ich aber die Blümchen und das fröhlich hopsende Einhorn auf der Seite. Ich hätte ihr nie sagen dürfen, dass Tarnung absolut unnötig war.

4

Dreißig Minuten dauerte die Fahrt über die unbefestigte Straße, bis wir am Rande des Dschungels anhielten. Im Rückspiegel konnte ich sehen, dass zwei meiner Insassen leicht grün im Gesicht waren. Wer nur europäische Straßen gewohnt war, dem konnte auf so einer Piste leicht schlecht werden. Nur Hulk, der Typ, den ich gestern etwas verprügelt hatte, schien die Fahrt nichts auszumachen. Natürlich war Hulk nicht sein richtiger Name. Ich gebe meinen Kunden immer Decknamen, die ich mir leichter merken konnte. Hulk war eben groß und kräftig. Der blau-grüne Bluterguss machte das Bild noch vollständiger. Obwohl es zu Mr. Wallstreet und Mr. Everybody mit ihren grünen Gesichtern fast noch besser passte. Aber Mr. Wallstreet mit seinen gegelten Haaren war zu dicklich und Mr. Everybody zu unscheinbar für den Namen. Und beide zu klein.

»Alle raus. Ab jetzt geht es zu Fuß weiter.« Kaum stand der Jeep, war Wallstreet schon draußen und musste sich übergeben. Das konnte ja heiter werden.

Ich hatte gerade das Fahrzeug verlassen, als John neben uns hielt und seine Mitfahrer aus dem Wagen scheuchte. Keiner von ihnen sah aus, als wäre ihm schlecht.

Ich habe nie behauptet, dass ich ein guter Fahrer sei.

Als Wallstreet, jetzt nicht mehr ganz so grün im Gesicht, aber mit feuchtem Kinn, zurückkam, stellten sich alle in einem Halbkreis auf. John und Sushi verteilten die Karten und wiesen nochmals auf die Vorgehensweise hin. Das verschaffte mir Zeit, mir noch einmal alle genau anzusehen.

Ihre Masken hingen an den Gürteln, so dass ich ihre Gesichter sehen konnte. Die Aufdrucke ihrer Masken versuchten, sich gegenseitig mit unheimlichen und angstmachenden Motiven zu überbieten. Nur würden sie damit niemanden beeindrucken. Wenn sie erst einmal das blutverkrustete, zerrissene Gesicht einer wandelnden Leiche vor sich hatten, würde ihnen auffallen, wie wenig beeindruckend ein aufgemalter Dämon war.

Alle starrten konzentriert auf die Pläne in ihren Händen. Manche hatten vor Vorfreude leuchtende Augen und konnten es kaum erwarten loszumarschieren. Mr. Everybody schaute kurz zu mir herüber, als würde er kontrollieren wollen, dass ich mich nicht aus dem Staub machte. Der Mann war so unauffällig, dass er innerhalb von Sekunden in einer Menschenmenge verschwinden konnte und ich ihn nicht einmal wiedererkennen würde, wenn er wieder vor mir stand. Bis auf seine fast schwarzen Augen, die einen zu Boden starren konnten. Umgeschnallt hatte er ein AK47 mit einem 40 Schuss Magazin. Dieselbe Waffe wie Hulk.

Sorgen machte mir Mr. Wallstreet. Nicht nur wegen seiner niedrigen Übelkeitsgrenze, sondern wegen seiner Hauptwaffe. Er trug eine Mossberg 590 Schrotflinte. Also nur acht Schuss im Magazin und eine Patrone im Lauf. Auf ihn musste ich auf jeden Fall aufpassen, falls mehr als sechs oder sieben Infizierte gleichzeitig in Schussweite kamen. Diese Waffe war mehr als ungeeignet für unser Vorhaben. Aber die Kunden hatten darauf bestanden, ihre Waffen selbst auszuwählen. Wenn er mit dem Ding einen Schuss in einem Gebäude abgab, war er minutenlang taub. Zusätzlich trug er zwei gekreuzte Patronengurte über der Brust. Der Mann hatte eindeutig zu viele Filme gesehen.

Mr. Black trug eine Uzi mit 25 Schuss. Natürlich war Mr. Black weiß. Sehr weiß. Er könnte als Albino durchgehen. Im Gegensatz dazu war Mr. White schwarz wie die Nacht. Er trug ein M16A4 mit Zielfernrohr und zusätzlichem Sturmgriff unter dem Vorderschaft. Er hatte unnatürlich große Hände, so dass das Gewehr wie ein Spielzeug aussah.

Dann war da noch Mr. Börse, der ein M16A2 mit 40-mm-Granatwerfer trug. Auch auf ihn sollte ich ein Auge haben, da er uns mit dem Ding alle in die Luft jagen konnte. Aber falls es zu einer Begegnung mit einer größeren Gruppe kam, konnte er uns etwas Zeit verschaffen. Auch wenn er die meisten Infizierten damit nur verstümmeln würde, müssten sie erst wieder auf die Beine kommen, um uns anzufallen. Was uns die Gelegenheit geben würde, zu laufen. Nur Idioten liefen nie weg.

Zusätzlich trugen alle noch eine Handfeuerwaffe im Holster. Die meisten sogar mit einem Schalldämpfer. Auch ein großes Messer hing an jedem Gürtel.

Als ich bemerkte, dass die Konzentration der Männer nachließ und sie ihre Karten nicht mehr studierten, ging ich zur Gruppe hinüber. Ich ging mit durchgestrecktem Rücken und setzte eine möglichst unnahbare Mine auf. Die einfachen Einweisungen, das Beantworten von Fragen und im Notfall auch das Köpfchenkraulen, wenn jemand jammerte, übernahmen John und Sushi. Ich gab von Anfang an nur Befehle, damit in einer kritischen Situation niemand anfing zu diskutieren oder zögerte. Einer musste schließlich der Böse sein. Wenigstens brauchte ich mich dafür nicht zu verstellen.

Ich blieb vor den Männern stehen und hatte sofort ihre Aufmerksamkeit. Mein Blick wanderte von einem zum anderen und ich schaute jedem, ohne zu blinzeln, in die Augen. Ein bisschen Alphatiergehabe musste sein. Der Einzige, der meinen Blick genau so kalt erwiderte, war Mr. Everybody. So durchschnittlich wie er war, so außergewöhnlich waren seine Augen. Ohne jegliche Emotion starrten sie einen an.

Jeder dieser Männer hatte auf seine Weise eine einschüchternde Eigenart. Auch wenn ich sie noch nicht bei allen entdeckt hatte.

Bei Mr. Wallstreet war es wahrscheinlich der ständige Schweiß, der ihm an der Stirn haftete. Dazu kam sein schweres Atmen und ständiges Schniefen. Man bekam Angst, sich in seiner Nähe mit irgendetwas zu infizieren.

»Sie«, sagte ich laut und zeigte auf Schniefnase, »sind Mr. Wallstreet. Sie bleiben während des Einsatzes immer an meiner rechten Seite. Und sie sind Mr. Börse. Sie bleiben an meiner Linken.« Mr. Wallstreet öffnete den Mund um etwas zu erwidern, aber ein kurzer Blick von mir genügte, damit er ihn wieder schloss.

Ich teilte allen ihre Decknamen mit, was nicht gerade auf Gegenliebe stieß, aber mir völlig egal war.

Dann begann der nervigste Teil der Mission: der Marsch durch den Dschungel. Wir hatten kaum den Wald betreten, als die helle Sonne durch grün gefiltertes Licht ersetzt wurde. Nur selten schaffte es ein Sonnenstrahl durch das Blätterdach, um helle Inseln auf den Boden zu malen. Auch der Weg verdiente diese Bezeichnung nicht. Es war eher ein Wildpfad, der kaum zu erkennen war. Ich marschierte vorne weg, Sushi hatte ihren Platz in der Mitte eingenommen und John bildete die Nachhut. Wallstreet fing hinter mir schon nach wenigen Minuten an, ununterbrochen zu schniefen, und wischte sich ständig die Stirn. Nach weiteren zehn Minuten hörte ich die ersten Mückenschwärme, die sich in den Schatten aufhielten. Ich war froh, dass ich mich mit Insektenschutz eingeschmiert hatte. Aber nach dem Gefluche in meinem Rücken zu urteilen, hatte nicht jeder daran gedacht.

Nach einer Stunde mussten wir die erste Pause einlegen, da sich drei Mann bereits Blasen an den Füßen gelaufen hatten. Sushi war auf alles vorbereitet und zog mit einer Nadel und einem Faden die Flüssigkeit aus den daumengroßen Blasen. Es war den Männern sichtbar peinlich, aber selbst erledigen wollten sie es auch nicht. Und Sushi war Krankenschwester.

Eine halbe Stunde vor dem Dorf machten wir die letzte Rast.

»Ab hier absolute Ruhe. Kein Fluchen über Mücken oder Jammern über die Luftfeuchtigkeit.« Mittlerweile war unsere Kleidung durchgeschwitzt und hatte dunkle Flecken unter den Armen und am Rücken. Nur Sushi schien nicht zu schwitzen. Ich musste sie unbedingt nach dem Namen ihres Deos fragen.

»Und Masken auf.« Dieser Befehl entlockte jedem ein Stöhnen. Die geröteten Gesichter verzogen sich unmutig und einer schaute den anderen an, ob er nicht etwas sagen wollte.

Schließlich erbarmte sich Hulk. »Muss das mit den Masken sein?«

»Ja!«, erklang Johns Stimme hinter den Männern. »Wir können jederzeit auf einen Infizierten treffen. So dicht, wie der Dschungel ist, haben wir nur Sekunden, um zu reagieren. Ich persönlich würde dann lieber die Zeit zum Zielen nutzen, nicht um meine Maske aufzusetzen. Jeder Tropfen, der ins Auge oder in den Mund geht, wäre ein Todesurteil. Wenn ein Infizierter es schafft, euch zu beißen, könnt ihr euch auch gleich eine Kugel in den Kopf jagen. Selbst wenn er euch nur ins ungeschützte Gesicht spuckt, würde ich euch eigenhändig erschießen, da ihr euch infiziert hättet.«

Bei der Vorstellung von spuckenden Zombies musste ich grinsen. Das wäre mal eine neue Art des Nahkampfes. Zielspucken.

Die restliche Gruppe fand die Vorstellung weniger komisch und zog sich leise fluchend die Masken über.

»Nehmt die Handfeuerwaffen und achtet auf euren Vordermann. Nach Möglichkeit schießen nur die, die einen Schalldämpfer haben. Wo ein Infizierter ist, werden andere nicht weit sein. Und ich möchte verhindern, in diesem Umfeld angegriffen zu werden«, sagte ich und holte meine USP aus dem Holster. Mr. Wallstreet hängte seine Mossberg mit einem traurigen Blick wieder über die Schulter und holte die Handfeuerwaffe mit Schalldämpfer hervor. Mit der freien Hand streichelte er noch einmal kurz über den Schaft der Schrotflinte. Er schien richtig heiß darauf, sein Baby endlich benutzen zu können.

Ich tat so, als hätte ich nichts bemerkt, und gab der Gruppe mit Handzeichen zu verstehen, dass wir weiter vorrückten.

Auch wenn niemand ein Wort sagte, hörte es sich an, als stampfte eine Herde Ochsen durch das Unterholz. Wallstreet schob sich zwischendurch immer wieder die Maske auf den Kopf, um sein verschwitztes Gesicht abzuwischen. Hätte ich bei der Wahl der Kunden etwas zu sagen, würden Männer mit seiner Kondition nicht teilnehmen.

Wir waren nur noch ein paar Minuten von dem Dorf entfernt, als ich eine Bewegung im Unterholz bemerkte. Jemand stand nur wenige Meter von uns entfernt. Ich hob die Hand, um einen Halt zu signalisieren.

Da Mr. Wallstreet wieder damit beschäftigt war, sein Gesicht abzuwischen, lief er gegen mich und fluchte laut. Sofort wandte sich die Gestalt in unsere Richtung und stöhnte.

Ich legte die Finger auf die Lippen und gab Mr. Wallstreet zu verstehen, dass er die Maske über sein Gesicht ziehen sollte. Dann zeigte ich mit zwei Fingern auf meine Augen und dann zu der Gestalt. Es dauerte eine Sekunde bis er begriff, was ich von ihm wollte. Dann weiteten sich seine Augen freudig. Ich zeigte wieder auf ihn, seine Waffe und dann zwischen meine Augen. Das verstand er sofort und nickte heftig.

Die Gestalt kam langsam in unsere Richtung. Ich hob meine Hand, um ihm zu sagen, dass er noch warten sollte. Ich wollte erst richtigen Sichtkontakt, um sicherzugehen, dass es nicht ein normaler Jäger war, der durch den Dschungel streifte.

Mr. Wallstreet nickte noch einmal und drückte ab.

Der Schuss dröhntei überlaut durch den Dschungel und ließ Scharen von Vögeln aufsteigen. Der Idiot hatte normale Munition geladen und der Überschallknall war weit und laut zu hören. Zusätzlich schoß er völlig daneben.

Die Gestalt stolperte schneller werdend auf uns zu und war nun besser zu erkennen.

Wallstreet hielt die Waffe jetzt mit beiden Händen von sich gestreckt und leckte sich beim Zielen mit der Zunge über die Lippen. Dann gab er zwei weitere Schüsse ab und verfehlte wieder.

Die dunkle Gestalt entpuppte sich als Schwarzer in einer wild zusammengestellten Tarnuniform. Dunkle Blutflecken bedeckten die Brust und irgendjemand hatte an seinem Kinn herumgekaut. Die Augen waren so rot, als wären sie mit Blut gefüllt und starrten Mr. Wallstreet an. Er torkelte weiter auf uns zu, während ihm seine umgehängte Kalaschnikow bei jedem Schritt gegen die Seite schlug.

Wallstreet schoß noch einmal und erwischte den linken Arm des Infizierten. Das brachte diesen aber nur kurz aus der Bahn, bevor er sich fing und weiter auf uns zukam. Er streckte die Hände aus und begann lauter zu stöhnen. Es sah tatsächlich wie in den ganzen Zombiefilmen aus. Ich hegte schon lange den Verdacht, dass man die Menschen mit diesem Mist langsam auf den zu erwartenden Ausbruch vorbereiten wollte. Bei der Masse an Büchern, Comics und Serien würde wenigsten jeder wissen, was er zu tun hatte, wenn es so weit war.

Aber es zu wissen und zu tun, waren zwei unterschiedliche Dinge.

Wallstreet schoß nochmal und traf diesmal die Brust. Aber statt es ihn umwarf, torkelte der Infizierte nur zwei Schritte zurück, bevor er wieder auf uns zukam. Jetzt war er nur noch zwei Meter entfernt.

Wallstreet fing an, sehr stark im Schritt zu schwitzen. Jedenfalls bildete sich ein großer Fleck zwischen seinen Beinen und wanderte die Hosenbeine hinunter.

Er gab zwei weitere Schüsse ab und verfehlte wieder komplett. Jetzt wusste ich, warum er sich für eine Schrotflinte entschieden hatte.

Mittlerweile war der Mann fast auf Griffweite heran. Zu wenig Zeit, es einem der anderen Männer zu überlassen. Ein Fehlschuss von hinten könnte entweder uns treffen, oder dem Ding genug Zeit verschaffen, uns anzufallen.

Ich hob meine USP, machte einen Schritt nach vorn und drückte ab. Im Vergleich war der Schuss fast nicht zu hören, obwohl er laut durch die Bäume jagte. Das nette Plop, das man immer in den Filmen hörte, war leider an der Realität vorbei.

Die Wirkung aber war beeindruckend. Der Kopf flog in den Nacken, als sich ein Teil des Schädels löste und weiße Klumpen sich im Gebüsch hinter ihm verteilten. Dann sackte er zusammen, ohne einen weiteren Laut von sich zu geben.

Ich hasste es, selbst Abschüsse zu verursachen. Dieser Zombie brachte keine Prämie mehr.

Die Gruppe stand bewegungslos da und starrte auf die Stelle, an der die Leiche lag. Nur John und Sushi beobachteten die Umgebung, damit wir nicht aus einer anderen Richtung überrascht wurden.

So war es meistens, wenn sie auf den ersten echten Zombie trafen. Ich bevorzugte den Ausdruck Infizierte, aber früher oder später sprachen sie alle nur noch von Zombies. Vielleicht machte sie dieser Name ja unmenschlicher, mehr wie ein Ding, das nichts anderes als einen Kopfschuss verdient hatte. Mir war es egal. Ich wusste, was sie wirklich waren.

Ich winkte alle etwas näher heran, damit sie sich die Leiche besser ansehen konnten. Die feuchte Hose von Wallstreet ignorierten alle. Aus Erfahrung wusste ich, dass er deswegen später noch genug leiden musste. Bis es dem Nächsten passierte.

Die Leiche war etwa dreißig Jahre alt und grausam entstellt. Nicht nur das Kinn wurde ihm abgebissen. An der linken Hand befanden sich nur noch ein, und mit viel Optimismus, ein halber Finger. Auch die Schulter war zerfleischt, so dass nackter Knochen zu sehen war. Die roten Augen waren noch immer weit aufgerissen und starrten in den Dschungel. Der Kopfschuss hatte die Sache nicht schöner gemacht.

Das Schlimmste aber war die Waffe und der Tarnanzug. Ich war schon auf genug Rebellen getroffen, um zu wissen, dass dies einer von ihnen war. Wenn sich hier Rebellen herumtrieben, stieg das Risiko erheblich. Und normalerweise ließen die Rebellen niemanden zurück, der infiziert war.

Aufmerksam ließ ich meinen Blick durch das Dickicht wandern, aus dem die Gestalt aufgetaucht war. Alles lag unbewegt und still vor uns. Etwas zu still. Die Geräusche des Dschungels waren verstummt und ließen eine Blase der Geräuschlosigkeit zurück. Das war kein gutes Zeichen.

Ein leiser Pfiff von John weckte meine Aufmerksamkeit. Er deutete auf die andere Seite unserer Position. Es dauerte eine Sekunde, bis ich die schwache Bewegung wahrnahm. Dann hörte ich auch das Stöhnen. Ich fragte mich immer, warum die Infizierten stöhnten, wenn sie auf Leben trafen. Ich glaubte nicht, dass sie kommunizieren konnten. Vielleicht war es der Versuch zu sprechen. Bleib bitte stehen, ich will dich fressen, bin aber nicht so schnell, oder so. Jedenfalls hatte mich dieses Stöhnen schon oft genug vorgewarnt und damit viele Leben gerettet. Wenn man ständig stöhnt, fällt einem das Anschleichen ziemlich schwer.

Dann schälte sich die Gestalt deutlicher hervor. Es war wieder ein Schwarzer in einer Uniform der Rebellen. Verdammt, das war wirklich kein gutes Zeichen.

Ich tippte Hulk auf die Schulter und deutete in die Richtung der neuen Bedrohung. Keiner der Männer hatte auf den leisen Pfiff reagiert. Alle starrten auf die Leiche am Boden.

John hatte bereits seine Waffe erhoben und schaute mich fragend an. Der Zombie war noch etwa fünf Meter entfernt. Genug Zeit. Ich schüttelte leicht den Kopf und zeigte auf Hulk. Der verstand sofort und hob seine Waffe.

John machte einen Schritt zur Seite, um nicht in die Schusslinie zu geraten. Seine Waffe blieb aber weiterhin auf den Zombie gerichtet, der jetzt nur noch vier Meter entfernt war und sich ihn als Ziel ausgesucht hatte. Falls Hulk ein genauso miserabler Schütze wie Mr. Wallstreet war, würde er es schnell beenden.

Hulk hatte keinen Schalldämpfer auf seiner SIG Sauer P229, was aber mittlerweile egal war. Jeder im Umkreis wusste, dass wir hier waren. Ob lebend oder tot.

Er machte einen halben Schritt nach vorn, um einen sicheren Stand zu bekommen, zielte und drückte ab. Der Kopf des Zombies ruckte nach hinten, als hätte ihm jemand mit einem Knüppel an die Stirn geschlagen, und brach zusammen. Hulk senkte die Waffe und schaute sich nach weiteren Bedrohungen um.

Ein neuer Eintrag in meinem geistigen Notizbuch: Hulk kann auf sich selbst aufpassen und wird nicht in einer Krisensituation zusammenbrechen. Ich hatte mich wirklich in ihm getäuscht.

Er nickte mir kurz zu, bevor er zu der Leiche ging und sich daneben kniete. Die Waffe hielt er schussbereit in der Hand.

»Keine Kennmarken«, sagte er, als ich mich neben ihn kniete.

»Rebellen«, erwiderte ich. »Außerdem ist er noch viel zu jung für die Armee.« Das Gesicht war, bis auf das Einschussloch, völlig unbeschädigt. Man konnte erkennen, dass er höchsten 16 Jahre alt war. Ich hatte schon jüngere Kinder bei den Rebellen gesehen, aber es machte mich jedes Mal wieder wütend. In diesem Land war es schwer, eine normale Kindheit zu haben. Entweder arbeitete man, sobald man laufen konnte, oder man wurde von Rebellen rekrutiert.

Und ich begleitete Menschen, die viel Geld ausgaben, um zum Spaß Zombies töten zu können. Geld, das der eine oder andere mit der Ausbeutung dieses Landes verdient hatte.

Dieses Land war reich an Bodenschätzen. Deshalb wurde alles getan, um keine vernünftige Regierung, oder Gott bewahre, eine Demokratie entstehen zu lassen. Das würde die Ausbeutung eines ganzen Kontinents zum Erliegen bringen. Irgendwann würde sich das rächen. Nicht durch Krieg oder Attentate, sondern durch einen Outbreak, den wir nicht mehr eindämmen könnten. Wenn das Virus aus diesem Freizeitpark für Superreiche entkam, würden Millionen sterben.

Ich richtete mich auf und verscheuchte die Gedanken. John und Sushi signalisierten mir mit einem Kopfnicken, dass die Umgebung sauber war. Keine weiteren Zombies.

Hulk nahm dem Kind die AK ab und warf das Magazin aus. Ich fragte mich mal wieder, wie viele von diesen Dingern produziert wurden. In jeder Rebellenarmee der Welt stieß man auf diese Waffe. Das lag bestimmt nicht nur an ihrer Zuverlässigkeit.

»Leer«, sagte er und warf Waffe und Magazin zwischen die Bäume. »Er wurde nicht überrascht, sondern hat sich verteidigt, bevor es ihn erwischte.«

Ich war schon wieder beeindruckt. Hulk dachte wie ein Soldat. Vielleicht sollte ich doch wieder anfangen, die Dossiers zu lesen.

»Und es ist, wenn ich den Grad des körperlichen Verfalls richtig deute, nicht länger als einen Tag her«, sagte ich, als ich zu der anderen Leiche zurückging, um auch ihre Waffe zu kontrollieren.

Leergeschossen.

Das war nicht gut. Wenn ein Rebellentrupp überrannt wurde, konnte uns dasselbe passieren.

Oder es waren kaum noch Infizierte übrig, weil die Rebellen schon alles erledigt hatten und diese beiden nur übersehen wurden.

Ich schaute mir meine Gruppe an. In den meisten Augen sah ich das Jagdfieber. Sie hielten sich für überlegen und unsterblich. Nur mein Team, Hulk und Mr. Everybody beobachteten die Umgebung und hatten die Gefahr begriffen. Ein Rückzug kam nicht in Frage. Die Anderen würden so kurz vor dem Ziel nicht einfach umkehren. Also weiter.

Die nächsten zehn Minuten kamen mir wie eine Stunde vor. Wenn man nur drei oder vier Meter weit sehen konnte und hinter jedem Baum mit einem Monster rechnen musste, geht das an die Nerven.

Dann wurde es heller. Eine große Lichtung lag vor uns. Das schien das Dorf zu sein. Ich hob wieder die Hand und ließ die Gruppe halten.

Mit einem weiteren Handzeichen schickte ich John los. Er war früher Scout Sniper bei den Marines und konnte sich wie kein zweiter unsichtbar machen. Er sollte vorgehen und das Dorf ausspähen, bevor wir einmarschierten.

Wir knieten uns in einem Kreis auf den Boden und warteten auf seine Rückkehr. Die Gesichter waren dem Dschungel zugewandt, so dass wir aus keiner Richtung überrascht werden konnten.

Nach zehn Minuten kam etwas Unruhe auf, da die Männer es nicht gewohnt waren, so lange still zu sitzen. Ich wollte gerade etwas sagen, als John plötzlich neben mir kniete und mich angrinste. Seine Maske hing in seinem Nacken, um ihn nicht zu behindern. Er machte das immer mit mir. Einfach plötzlich da sein, obwohl ich jedes Mal versuchte, ihn zu entdecken, bevor er so frech neben mir grinste.

Mr. Wallstreet zuckte erschrocken zusammen, als er John an dem eben noch leeren Platz wahrnahm.

»Ich konnte sechs Stehende und ein Dutzend Liegende ausmachen«, flüsterte er. Wenn er redete, war die nähere Umgebung sauber. Liegend bedeutete, dass sie wahrscheinlich endgültig auf die andere Seite gewechselt waren. Aber da konnte man bei Zombies nie ganz sicher sein. Manchmal fielen sie über irgendetwas und blieben dann einfach liegen, bis etwas ihre Aufmerksamkeit erregte. 1996 bin ich bei einem Outbreak im Dschungel von Gabun über einen Zombie gestolpert, der seit Monaten nur dalag. Hätten sich nicht Schlingpflanzen um seinen Körper gewickelt, hätte er einen meiner Männer gebissen. So aber konnte er sich nicht aufrichten und erwischte mit seinen schnappenden Kiefern nur die warme Luft. Es war ein schrecklicher Anblick, da einige Pflanzen durch seinen Körper hindurch gewachsen waren.

»Zwei Stehende tragen Uniform.«

Mist. Dachte ich. Aber jetzt auch egal. Die Jungs haben für Spaß bezahlt, dann sollten sie ihn bekommen.

»Okay«, sagte ich etwas lauter zu der Gruppe. »Wir rücken vor wie besprochen. Schießt nur, wenn ihr sicher sein könnt, dass ihr trefft. Und mit treffen meine ich einen Infizierten. Keinen von uns.« Im Laufe der Jahre war es in den verschiedenen Gruppen zu Toten durch Friendly Fire gekommen. Wenn die Situation unübersichtlich wurde, schossen einige auf alles, was sich bewegte. Deshalb nahm ich auch immer nur kleine Gruppen und ging langsam vor. Ich wusste von Gruppen aus zwanzig Mann, die wild schießend in Dörfer eingefallen waren und nicht mehr zur Ruhe gebracht werden konnten, bis sich im Dorf niemand mehr rührte. Keine dieser Gruppen hat das Dorf vollständig verlassen.

Als wir aus dem Dschungel traten, war es ein Gefühl, als hätte man das Tor in eine andere Welt durchschritten. Eben standen wir noch im grünen Licht des Urwalds und konnten keine fünf Meter weit sehen, im nächsten Moment blinzelten wir ins helle Sonnenlicht. Selbst die Luft schien weniger feucht und leichter zu atmen zu sein.

Vor uns lag das Dorf. Ein Dutzend kleiner Hütten, die sich um ein großes Gebäude im Zentrum scharrten. Die Hütten wirkten, als würde sie der kleinste Windhauch umblasen können. Die Wände bestanden aus verflochtenen Zweigen, und die Dächer waren mit riesigen Blättern gedeckt. So etwas hatte ich schon zu Tausenden gesehen. Schnell hingebaut, und kein großer Verlust, wenn sie abgerissen wurden oder man einfach weiterzog. Nur das große Haus in der Mitte war ungewöhnlich. Es bestand aus dicken Balken, die dicht aufeinandergestapelt waren. Aus was das Dach hergestellt war, konnte ich nicht erkennen. Aber es lagen trockene Palmwedel zur Tarnung darauf. Das Ungewöhnlichste aber waren die kleinen Fenster aus Glas. Normalerweise gab es in diesen Dörfern kein Glas.

Auch die Tür sah viel zu passgenau aus.

Aber darüber würde ich mir später Gedanken machen. Jetzt waren die Gestalten zwischen den Hütten wichtiger.

Ich ließ die Gruppe in die Knie gehen, um erst einmal eine Übersicht zu bekommen. Es gab keine strukturierte Anordnung der Hütten. Sie waren einfach um das Gebäude im Zentrum gebaut worden. Der Boden der Lichtung war braun und trocken. Keine Pflanzen, in denen sich jemand verstecken konnte. Trotzdem war das Dorf schlecht einzusehen, da die Häuschen versetzt gebaut waren. Es gab nur zwei Stellen, an denen man durch das Dorf hindurchsehen und das dunkle Wasser des kleinen Flusses glitzern sehen konnte.

Hinter jedem Haus konnten sich Dutzende Zombies aufhalten.

Ich entschloss mich, die Gruppe zu teilen und von zwei Seiten in das Dorf vorzudringen.

»John, Sushi,« flüsterte ich. »Ihr nehmt Mr. Black und Mr. White und geht von rechts in das Dorf. Achtet darauf, immer auf derselben Höhe mit uns zu sein. John vorne, Sushi die Nachhut.

Der Rest kommt mit mir. Wir gehen auf der linken Seite rein.« Ich schaute Hulk an. »Sie bilden die Nachhut.« Er nickte und warf einen fragenden Blick auf Mr. Wallstreet. Der schob in diesem Moment seine Maske wieder auf den Kopf, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. »Setzen sie ihre verdammte Maske auf und lassen sie sie da, bis ich sage, dass sie sie abnehmen können!«, zischte ich ihn wütend an. »Und sie bleiben direkt hinter mir. Danach Mr. Everybody und dann Mr. Börse.« Am meisten Vertrauen hatte ich zu Hulk und zu Mr. Everybody. So waren die schwächsten Mitglieder am besten gedeckt.

»Auf gehts«, sagte ich und ging langsam los, während die zweite Gruppe in die andere Richtung marschierte. Die MP5 in meinen Händen wies immer dort hin, wo meine Augen hinschauten. Die Gestalten, die von unserer Position aus sichtbar waren, hatten uns noch nicht bemerkt. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Mr. Everybody sie im Blick hatte. Also konzentrierte ich mich auf die Zwischenräume, auf die wir uns zubewegten.

Zwischen dem Waldrand und der ersten Hütte lagen mehrere Gestalten am Boden, an denen wir vorbei mussten. Eine von ihnen trug eine Tarnuniform, die anderen bunte T-Shirts und alte Jeans. Wir näherten uns vorsichtig und hielten vor ihnen an. Hulk und Mr. Everybody behielten die Umgebung im Auge, während ich mich zu der ersten Leiche hinab beugte. Die anderen Beiden starrten mir neugierig über die Schulter, ohne auf die Umgebung zu achten.

Das Alter der ersten Leiche konnte ich nicht einschätzen, da sein halbes Gesicht durch die Salve einer Maschinenpistole weggerissen wurde. Wenigstens konnte ich sicher sein, dass er nicht wieder aufstand. Beruhigt machte ich einen Schritt über ihn hinweg und schaute mir den nächsten Körper an. Das war der Mann in Tarnkleidung. Er lag auf der Seite, nur einen halben Meter von seiner Uzi entfernt. Wahrscheinlich war er an der Umformung des Gesichtes der ersten Leiche schuld. Da er mit dem Rücken zu mir lag, konnte ich sein Gesicht nicht sehen. Nur die großen Blutflecken am Arm und an seiner Hose fielen auf. Ich ging an seinen Füßen entlang, um ihn zu umrunden, achtete dabei auf die letzte Leiche, die nur zwei Meter von seinen Füßen entfernt lag. Da der Körper auf dem Rücken lag, war der eingeschlagene Schädel gut zu erkennen. Ich schätzte, dass der Kopf mit einer Machete oder einer kleinen Axt gespalten wurde, da ein Teil des Gehirns frei lag. Auch er würde nicht wieder aufstehen.

Als ich mich wieder dem toten Rebellen zuwandte, war Mr. Börse bereits um die Leiche herumgegangen und trat ihr gegen die Schulter, um sie auf den Rücken zu drehen.

»Idiot!«, fluchte ich. »Weg da!«

Der Körper rutschte wie in Zeitlupe auf den Rücken und die roten Augen richteten sich in den Himmel. Luft drang aus seinen Lungen und verursachte ein leises Stöhnen.

»Was denn?«, fragte Mr. Börse. »Der ist doch hinüber.« Unter seiner Maske zeichnete sich ein schleimiges Grinsen ab, das perfekt zu seinen gegelten Haaren passte. »Ich bin hier um Spaß zu haben. Und dazu gehört, dass ich mir auch ein bisschen die Gegend und ihre Bewohner angucke.«

»Verfluchter ...«, weiter kam ich nicht, als die Hand des Bewohners sich hob und nach dem Fuß von Mr. Börse griff.

Bevor ich die Waffe heben konnte, hatte er den Fuß zu sich herangezogen und hing mit seinem Kopf direkt darüber. Wenn ich jetzt einen Schuss abgab, würde die Kugel auch das Bein von Blödmann Börse erwischen. Und ein Schuss in ein anderes Körperteil als den Kopf würde keine Wirkung zeigen.

Die Augen des Blödmanns weiteten sich und er wedelte mit den Armen in der Luft herum, um das Gleichgewicht zu halten. Anstatt sich nach hinten fallen zu lassen und sich dem Griff zu entwinden, hopste er mit seinem Standbein noch näher an den Zombie heran. Der griff mit einer Geschwindigkeit, die nur frisch Erwachten zu eigen ist, nach dem zweiten Bein und zog sich näher heran. Mr. Börse starrte auf den Kopf hinab und wedelte weiter mit den Armen, als würde er versuchen davonzufliegen.

Ich ließ meine Waffe in den Riemen fallen und sprang zu Mr. Vogelmann, um ihn mit einem harten Stoß vor die Brust umzuwerfen. Seine Augen wurden noch größer, als er wie ein gefällter Baum nach hinten fiel. Seine Arme hörten auf, diese Flatterbewegungen zu machen und streckten sich nach vorne, als könnte er sich irgendwo festhalten. Da die Luft aber nicht viele Möglichkeiten bot sich festzuklammern, fing er seinen Sturz mit dem Rücken und dem Hinterkopf ab. Leider konnte ich den Aufprall nicht sehen, da ich mich bereits dem Zombie zuwandte. Wenigstens hatte die Aktion einige Zentimeter gebracht, so dass sich vor dem geöffneten Maul der Bestie jetzt nur noch die Stiefel befanden und nicht mehr das Bein.

Mit einem glücklichen Stöhnen schlossen sich die Kiefer um die Schuhspitze des rechten Fußes und versuchten, das stabile Leder zu durchdringen.

Mit der linken Hand griff ich in die Haare des Zombies, während ich mit der rechten das Messer aus der Scheide zog. Mit einem Ruck zog ich den Kopf nach oben, aber er hatte sich so festgebissen, dass die Kiefer sich nicht lösten. Dann fing Mr. Börse an mit dem freien Bein nach dem Kopf zu treten und erwischte mich mit seinem Stiefelabsatz an der Hand. Fluchend ließ ich los und zog meine schmerzenden Finger zurück. Wenn der Idiot mir die Hand gebrochen hatte, würde ich ihn selbst umbringen. Aber auch dafür musste ich ihn erst einmal retten.

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Mr. Wallstreet seine Mossberg auf den Zombie richtete. Ging denn heute alles schief? Aus dieser Entfernung würde er uns alle drei erwischen.

Ich hob abwehrend die Hand und schrie: »Nicht schießen!« Sicherheitshalber machte ich trotzdem einen großen Schritt zur Seite, um dem Streuradius der Schrotflinte zu entgehen. Ich wusste ja mittlerweile, was für ein miserabler Schütze er war.

Mr. Everybody griff von hinten um Wallstreet herum und drückte die Mossberg in die Luft. Im nächsten Moment löste sich ein Schuss, der meine Ohren zum Klingeln brachte. Der Rückstoß brachte Wallstreet ins Taumeln, so dass Mr. Everybody das Gewehr nicht mehr halten konnte und der Lauf sich wieder senkte. Natürlich genau in meine Richtung.

Da aber war schon Hulk da und schlug Wallstreet mit der rechten Faust gegen den Kopf, während er mit der anderen den Lauf der Mossberg nach unten drückte.

Die Aktion war eigentlich unnötig, da es sich bei der Mossberg um eine Repetierflinte handelte. Er musste erst durch Zurückziehen des Vorderschafts die leere Patronenhülse auswerfen und durch anschließendes Vorschieben eine neue Patrone zuführen. Trotzdem tat es gut zu sehen, wie er benommen in die Knie ging.

Der Zombie hatte sich von dem Lärm nicht beeindrucken lassen, und versuchte noch immer das Leder des Schuhes zu durchbeißen. Jetzt schüttelte er seinen Kopf hin und her, wie ein Hund, der um einen Knochen kämpft.

Mit einem Schritt war ich wieder bei ihm und stellte mich auf Mr. Börses freies Bein, um es ruhig zu halten. Das tat wahrscheinlich höllisch weh, aber ich wollte verhindern, dass er weiter herumzappelte und ich ihm versehentlich das Bein abhackte.

»Still halten!«, schrie ich ihn an, auch wenn er mich in seiner Panik wahrscheinlich nicht hörte. Aber so würde es wohl jedem gehen, dessen Fuß von einem Zombie als Lutscher missbraucht wurde.

Ich hob mein Spartan und schlug zu. Die Klinge traf den Hinterkopf des Zombies und verursachte ein ekliges Knirschen. Aber der Schlag war zu schwach und drang nicht weit genug ins Gehirn vor. Ich konnte nicht mit aller Kraft zuschlagen, weil unter dem Kopf noch immer der Fuß war.

Ich benötigte zwei weitere Schläge, bevor der Zombie zusammensackte und still liegen blieb. Die Stiefelspitze steckte noch immer zwischen seinen Zähnen fest.

Ich gab das andere Bein wieder frei und richtete mich schwitzend auf. Mr. Börse fing an zu jammern und zog sich rückwärts über den Boden. Den Zombie schleifte er ein Stück mit, bevor der Kiefer sich weit genug öffnete, um den Schuh freizugeben.

Ich schaute mich um, bevor ich mich hinunterbeugte, um den Schuh genauer betrachten zu können.

Der Schuss und die Schreie hatten uns die ungeteilte Aufmerksamkeit des Dorfes eingebracht. Einige der Gestalten, die eben noch wie tot am Boden lagen, richteten sich langsam auf und starrten in unsere Richtung. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn sich nur die paar Stehenden verwandelt hätten.

Der Stiefel war mit Blut und Gewebeteilchen verschmiert, schien aber noch heil zu sein. Ich wischte mit meinem Jackenärmel darüber, um ganz sicher zu gehen. Wenn die Zähne das Leder durchdrungen hätten, würde ich ihm sofort eine Kugel in den Kopf jagen. Aber es waren nur Zahnabdrücke zu erkennen. Manchmal zahlt Qualität sich doch aus. Wenn er hier wieder raus war, konnte er sich die Schuhe in eine Vitrine stellen und seinen Geburtstag zweimal im Jahr feiern. Ich habe schon schrägere Sachen als ein paar Schuhe mit Zahnabdrücken in einer Vitrine gesehen.

»Nichts passiert«, sagte ich zu Mr. Börse und richtete mich wieder auf. »Stehen sie auf. Sonst ändert sich das gleich.«

Immer mehr Gestalten kamen in unsere Richtung und fingen an zu stöhnen. Um die Hütte vor uns, die unser erstes Ziel war, torkelten zwei Gestalten und rissen ihre Münder auf, als sie uns erblickten. Oder rochen. Oder hörten.

Manchmal konnte man direkt vor ihnen stehen, ohne dass sie einen wahrnahmen. In anderen Fällen marschierten sie sofort los, wenn man in Sichtweite kam, ohne dass man das kleinste Geräusch von sich gegeben hatte. Ich hatte sie aber auch schon dabei beobachtet, wie sie mit erhobener Nase einer Fährte zu folgen schienen.

Aber Lärm funktionierte immer am besten. Da verhielten sie sich wie pawlowsche Hunde und fingen an zu stöhnen und zu sabbern, als würde jemand die Essensglocke läuten.

Mr. Wallstreet richtete sich benommen auf und stützte sich dabei mit seiner Mossberg ab, indem er den Lauf in den Boden drückte. Idiot.

Hulk sicherte den Waldrand und Mr. Everybody half Mr. Börse auf die Beine. Der jammerte vor sich hin und hatte nur Augen für seinen Fuß. Aus den zwei Gestalten, die um die Ecke der Hütte kamen, waren drei geworden, die jetzt nur noch fünf Meter entfernt waren. »Hey!«, schrie ich Börse an. »Konzentrieren sie sich!« Ich zeigte auf die drei Zombies. »Die gehören ihnen.« Dann wandte ich mich an Mr. Everybody. Seine Augen wirkten kalt und konzentriert. Kein Quäntchen Panik war zu erkennen. »Geben sie ihm Deckung. Lassen sie ihn erst sein Glück probieren, bevor sie loslegen.« Ein Lächeln bildete sich in seinen Mundwinkeln und er nickte mir zu. »Nun mach schon!«, schrie er Börse an. »Oder willst du, dass sie dir in den Arsch beißen?!«

Ich hob meine MP5 an und entschloss mich, die Zombies zwischen unseren Gruppen selbst zu erledigen. Ich hatte Angst, dass die Anderen vorbeischossen und die zweite Gruppe erwischten.

Sushi schien auf dieselbe Idee gekommen zu sein. Sie hatte die Hälfte der Strecke bereits überwunden und stand hinter einem Zombie, der sie um fast zwei Köpfe überragte. Sie hielt ihre Pistole in der linken und ihre Machete in der rechten Hand. Ruhig hob sie die Waffe, drückte dem Zombie den Schalldämpfer von unten an den Kopf und drückte ab. Die Schädeldecke flog in roten Stücken in die Luft, als wäre sein Kopf ein Vulkan beim Ausbruch. Sushi hatte sich schon zur Seite gedreht, bevor der Körper zu Boden fiel. Sie holte mit ihrer Machete aus und spaltete einer weiteren Gestalt, die sich gerade aufrichten wollte, den Schädel. Mit einem geschickten Schwung schleuderte sie Blut und Hirnmasse von der Machete, während sie zu ihrem nächsten Opfer ging. Ein weiterer Zombie, der sich gerade aufrichtete. Es schien so, als wollte niemand einfach tot liegen bleiben und uns den Tag damit etwas versüßen. Im Vorbeigehen schoß sie einem weiteren Zombie in den Hinterkopf, der nur Augen für meine Gruppe hatte. Die dadurch verlorenen Prämien waren ihr egal. Sie wollte nur, dass alle heil hier herauskamen. Das war meine Sushi.

Ich warf noch einen Blick zu meiner Gruppe, bevor ich den Zombies entgegenging und mich hinkniete.

Mr. Börse hatte sich wieder zusammengerissen und zielte mit seinem M16A2 auf den ersten Zombie und gab einen Feuerstoß ab. Alle drei Kugeln trafen das Ziel, aber keine den Kopf. Die Wucht der Einschläge reichte aus, den Zombie umzuwerfen, und Mr. Börse nahm den Nächsten ins Visier. Mr. Everybody schüttelte den Kopf und hob seine eigene Waffe, um dem Zombie den Rest zu geben.

Ich schaute wieder nach vorne und wartete auf meine Ziele. Als die erste Gestalt die Hände ausstreckte, um nach mir zu greifen, schoß ich ihr durch den Kiefer in den Kopf. So konnte die Kugel niemandem gefährlich werden, wenn sie den Schädel durchschlug.

Ich wechselte schnell das Knie, auf dem ich mich abstützte, da ich auf einen kleinen Stein drückte. Dann war der Nächste heran und ich streckte ihn mit einem Schuss nieder. So mochte ich es. Ein Schuss, ein Treffer.

Nach drei weiteren Erlösungen war der Platz zwischen den Gruppen frei. Hinter mir erklang ein einzelner Schuss aus einer AK. Mr. Everybody hatte einen niedergeschossenen Zombie zum Liegenbleiben überredet.

Sushi war bereits wieder bei ihrer Gruppe. Sie hatte sieben erledigt. Davon nur drei mit Kugeln.

»Okay. Formation wieder einnehmen.« Ich ging an die Spitze der Gruppe zurück. Mr. Wallstreet lud seine Mossberg nach und schaute sich desorientiert um. Er hätte den Aufprall lieber nicht mit dem Hinterkopf abfangen sollen. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Jeder Zombie im Umkreis wusste, dass das Mittagsbuffet angekommen war. Und so, wie ich die Jungs kannte, wollte jeder seine Zähne in frisches Fleisch schlagen.

Auf dem Weg zur ersten Hütte schoß ich jedem Körper, der auf dem Boden lag, in den Kopf. Nur zur Sicherheit. Ich wollte verhindern, dass eines von den Dingern in meinem Rücken aufstand oder meine Leute anfiel.

Zwischen den ersten Hütten angekommen hob ich die Hand, damit alle anhielten. Hinter jeder Ecke konnte jetzt ein Zombie stehen. Bei den Dingern gab es keine Schrecksekunde. Sobald man in ihrer Reichweite war, griffen oder schnappten sie zu.

Ich zeigte auf Hulk und dann auf die linke Ecke, während ich die rechte nehmen würde. Dann zählte ich mit den Fingern rückwärts von drei herunter. Eigentlich war es egal, ob wir jetzt redeten oder nicht. Aber die Macht der Gewohnheit war stärker.

Bei Null drehte ich mich mit vorgehaltener MP5 um die Ecke und fing an zu fluchen. Aus irgend einem Grund waren mehrere Seile von einer Hütte zur nächsten gespannt worden und versperrten den Weg dazwischen. In den Seilen hatte sich ein halbes Dutzend Zombies verfangen und versuchte stöhnend zu uns zu gelangen. Die dünnen Seile spannten sich bedrohlich und würden jeden Moment reißen.

Hinter mir klangen drei Schusssalven auf. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte mir, dass Hulk alles im Griff hatte. An seiner Seite stand Mr. Everybody und senkte gerade seine AK47. Vor ihnen lagen drei Männer im Staub. »Guter Schuss«, sagte Hulk und senkt seine Waffe ebenfalls. Aus der Richtung drohte keine Gefahr. Die Seile würden noch einige Sekunden halten, also rief ich die letzten beiden Mitglieder der Gruppe und machte ein paar Schritte zurück.

»Börse, Wallstreet. Die gehören ihnen.« Mr. Wallstreet brauchte eine Sekunde, um zu kapieren, was ich von ihm wollte. Mr. Börse hingegen stürmte sofort mit glänzenden Augen an mir vorbei und hob sein M16, um Feuerstöße in die Gruppe der Zombies abzugeben. »Fresst das, ihr Säcke!«, schrie er und schoss ungezielt auf die Körper. Die erzitterten durch die Einschläge und torkelten zurück, um mit noch mehr Wut wieder gegen die Seile anzulaufen. Ein paar Finger flogen weg, als ein Zombie in einem gelben T-Shirt die Hand hob, um nach uns zu greifen. Dann knallte die Mossberg los und riss einen ganzen Arm ab. Wallstreet schrie unzusammenhängendes Zeug, lud durch und schoss. Lud und Schoss. Bis sein Magazin leer war. Nur durch Zufall erwischte er einen Schädel und erlöste den Zombie aus seinem unwürdigen Dasein. Es dauerte eine Zeit, bis er bemerkte, dass seine Flinte keinen Schuss mehr abgab. Umständlich fingerte er an seinem Patronengurt herum, um Munition herauszuziehen.

Auch Mr. Börse hatte mittlerweile sein 20 Schuss Magazin aufgebraucht und griff nach dem nächsten, bekam das alte aber nicht auf Anhieb aus der Waffe.

Es lagen nur vier Gestalten mit Kopfschüssen am Boden. Die Beiden hatten es geschafft, alle Seile zu zerschießen, so dass die Zombies jetzt zu uns gelangen konnten. Wallstreet sah die restliche Horde näherkommen, ging langsam rückwärts und war so auf das Nachladen fixiert, dass er die Gefahr gar nicht bemerkte.

»Zurück!«, schrie ich ihn an, konnte aber meine eigene Stimme kaum hören. Das Geballer der beiden hatte mich kurzzeitig fast taub gemacht. Ein Zombie war nur noch einen Meter von ihm entfernt und riss freudig sein Maul auf, um sich einen Happen Wallstreet zu schnappen. Ich sprang vor, packte Wallstreet im Nacken und zog ihn aus dem Gefahrenbereich.

Rechts und links von mir erschienen Hulk und Everybody. Mit gezielten Salven streckten sie die restlichen Zombies nieder, um dann schnell und ruhig die Magazine zu tauschen. Ich musste keinen einzigen Schuss abgeben. Von der anderen Seite des Dorfes erklangen zwei leise Schüsse aus einer schallgedämpften Waffe, bevor alles wieder ruhig wurde. Ein Pfeifen im Ohr erinnerte mich daran, nie wieder in die Nähe einer Schrotflinte zu gehen, die abgefeuert wurde.

Der Platz zwischen den Hütten war mit Leichen und Körperteilen übersät. Es ist immer wieder erschreckend zu sehen, was für einen Schaden moderne Waffen anrichten können.

Ich zog meine USP Tactical und schoss jedem Körper mit halbwegs intaktem Schädel nochmals in den Kopf, bevor ich mich wieder der Gruppe zuwandte.

Mr. Wallstreet hatte sich wieder die Maske auf den Kopf geschoben und wischte sich mit einem weißen Tuch den Schweiß aus dem Gesicht. Seine Augen strahlten und er grinste wie eine Hyäne. »War das nicht geil?«, fragte er Mr. Börse, der jetzt auch seine Maske hochschob. »Und wie! Jetzt hätte ich Lust auf ein schönes Importbier. Das sollten wir feiern!«

Ich ging auf die beiden zu, hob mein Gewehr, zielte kurz und schoss. Wallstreet zuckte zusammen und drehte den Kopf, um hinter sich zu schauen.

Ein Zombie war auf zwei Meter an ihn herangekommen, ohne dass es jemand bemerkt hatte.

»Setz eure beschissenen Masken auf!«, schrie ich die beiden an. »Feiern könnt ihr, wenn wir hier raus sind! Das ganze Dorf ist noch voll von den Dingern. Ladet eure Waffen und zielt das nächste Mal!«

Trotz der Masken konnte ich das Grinsen bei Hulk und Everybody sehen, bevor sie sich wegdrehten und die Umgebung sicherten. Ich ging durch die Leichen zurück bis zur Hausecke. Von dort aus konnte ich die andere Gruppe sehen, die auf unserer Höhe stehengeblieben war. John streckte einen Daumen in die Luft. Ich antwortete mit derselben Geste. Keine Verluste.

Also ging es weiter. Die Wände der beiden Hütten waren so durchlöchert, dass ich in ihr Inneres gucken konnte. Keine Bewegung zu erkennen. Ich ging das Risiko ein, die Hütten nicht zu betreten und zu sichern.

»Weiter«, sagte ich und ging vorweg. Börse und Wallstreet gingen hinter mir und stießen sich gegenseitig an, bevor sie auf einzelne Leichen deuteten, an denen sie vorbeigingen. Da hatten sich zwei gefunden. Ich grinste, als ich daran dachte, dass sich aus so einer Situation schon einmal eine Liebesromanze entwickelt hatte. Zwischen zwei Männern. Nicht, dass mich das störte. Die alten Römer haben das in ihrer Armee sogar gefördert. Wenn man verliebt war, kämpfte man umso härter an der Seite seines Partners. Und jeder weiß, wie erfolgreich die römischen Legionen waren.

Aber zwischen Alphamännchen mit ihrem Machogehabe war es trotzdem amüsant. Mal abwarten.

Die andere Gruppe stieß auf weiteren Widerstand und kontrollierte Schüsse erklangen. John durchbrach die Funkstille. Durch den Lärm und da die Rebellen schon vor uns hier waren, war sie sowieso unnötig. Die Reichweite der Geräte war auf ein minimum reduziert und reichte nicht weiter als einen Kilometer. »Alles Okay hier. Wir rücken weiter vor bis auf Höhe des Hauptgebäudes.«

Das Gebäude lag nur noch zehn Meter entfernt und war jetzt besser zu erkennen. Zwischen dem Holz glaubte ich, Beton erkennen zu können, konnte mir aber nicht erklären, warum. Betonbauten fand man normalerweise nur in Städten. Oder in Dörfern, die sich dafür hielten. Nicht im Dschungel.

Wir stießen auf die nächste windschiefe Hütte. Ich lauschte, bevor wir um die Ecke bogen. Leise Geräusche, wie ein Kratzen, waren zu hören. Irgendetwas war in der Nähe. Ich zielte über das Visier der MP5 und beugte mich für eine halbe Sekunde um die Ecke. Alles sauber. Nur waren wieder Seile gespannt. Es schien, als wären sie einmal im Kreis durch das Dorf gezogen worden, wobei das große Gebäude das Zentrum bildete. Das waren keine Wäscheleinen, aber ich konnte den Sinn dahinter auch nicht erkennen.

Das Kratzen wiederholte sich.

Ich ging näher an die Hütte heran und lauschte. Die Hütte bestand, wie die anderen, aus einem Flechtwerk aus Ästen und Blättern, war aber mit größerer Sorgfalt gebaut worden. Die Wände wirkten stabil und hatten kaum Lücken, so dass ich keinen Blick in das Innere werfen konnte.

Wir gingen vor wie bei der letzten Kreuzung. Hulk und Everybody sicherten links, ich übernahm die rechte Seite mit der Hütte, aus der die Geräusche kamen. Langsam wurden wir ein eingespieltes Team.

Nur die beiden Moneyboys rückten mir so nah auf die Pelle, als würden sie auf einen Startschuss warten, um an mir vorbeiziehen zu können. Mr. Wallstreets Schnaufen erklang an meinem linken Ohr und verursachte eine Gänsehaut. Immer, wenn der Typ in meine Nähe kam, ergriff mich ein leichtes Ekelgefühl.

Und dass, obwohl ich mein Geld mit dem Jagen und Töten von Zombies verdiente. Gewebefetzen, verwesendes Fleisch, Gehirnmasse mit Knochenstücken garniert. Nicht zu vergessen der bestialische Mundgeruch, den die Dinger beim Stöhnen absonderten. Wenn einem ein Zombie ins Gesicht gestöhnt hat, riecht man am falschen Ende einer Kuh und glaubt, auf einer Frühlingswiese zu stehen. Aber die feuchte Wärme, die von Wallstreet aufsteigt, in Kombination mit seinem Keuchen ...

Ich wollte keine Frau sein, die sich mit ihm abgab.

Neben meinem Kopf erschien der Lauf der Mossberg und zielte auf den leeren Platz zwischen den Hütten.

Ich fluchte lautlos. Wenn er einen Schuss abgegeben hätte, wäre mir wahrscheinlich das Trommelfell geplatzt. Aber vor uns waren nur trockene Erde und diese unheimlichen Seile.

Auf dieser Seite befand sich der Eingang der Hütte. Es war eine richtige Tür, nicht nur ein Stück Stoff oder ein Fell, das man vor das Loch gehängt hatte. Sie war von außen mit einem kleinen Balken gesichert und ich hörte deutlich das Kratzgeräusch von innen.

Ich deutete auf die Tür und schickte die beiden mit einer Kopfbewegung vor. Wenn es zu Schüssen kam, wollte ich lieber hinter ihnen sein.

Wallstreet zog umständlich den Balken aus der Halterung und warf ihn in den Staub. Mr. Börse stand mit vorgehaltener Waffe neben der Tür. Natürlich auf der Seite, zu der sie sich öffnete. Sobald der Balken entfernt war, schwang die Tür etwas auf und verdeckte ihm die Sicht. Ich stand auf der richtigen Seite und gab Wallstreet Deckung, bis er seine Waffe wieder in der Hand hatte. Als Mr. Börse um die Tür herumkam, gingen sie gemeinsam in die Hütte. Wenigstens deckten sie sich gegenseitig.

Ich tauschte die MP5 gegen meine USP und betrat hinter ihnen die Hütte. Es gab nur einen großen Raum, in dem zwei Metallliegen standen. Sie sahen aus wie Seziertische, nur waren sie zusätzlich mit Lederriemen versehen. Normalerweise musste man auf einem Seziertisch niemanden festbinden. Hier wurde das aber gemacht. Auf dem ersten Tisch lag ein nackter Schwarzer, dem man die Gesichtshaut bis zum Hals heruntergezogen hatte, um die Schädelplatte sauber abtrennen zu können. Der Mann bewegte sich nicht mehr.

Auf dem zweiten Tisch war eine weiße Frau festgebunden, die mit ihren blutigen Fingern ständig über das Metall kratzte. Ihre blonden Haare waren dreck- und blutverkrustet. Ihr Arm wies mehrere tiefe Bisswunden auf, ansonsten sah sie unbeschädigt aus. Sie trug etwas, das wie ein ärmelloses Nachthemd aussah.

Ich ging näher heran, um sie genauer zu betrachten. Ihr Gesicht konnte man fast als schön bezeichnen. Wären diese roten Augen und die gebleckten Zähne nicht gewesen. Außerdem verlief ein tiefer Kratzer über ihre linke Wange. Die Gesichtszüge sahen osteuropäisch aus, falls man so etwas überhaupt sagen konnte. Auf jeden Fall gehörte sie nicht in dieses Land.

»Was ist das hier?«, fragte Mr. Börse, der neben mir erschien und die Frau musterte. Ihr Kopf hob sich, und sie schnappte mit klappernden Zähnen nach ihm.

»Nichts, das hier sein sollte«, antwortete ich. Irgendein weiterer Mitspieler hatte hier seine Finger drin. Es war nie ein gutes Zeichen, wenn unsere Organisation auf etwas Unerwartetes traf.

»Erledigt sie«, sagte ich und verließ die Hütte. Anstatt ein Messer zu benutzen, hörte ich die Explosion der Schrotflinte und dann lautes Fluchen. Beide stürmten heraus und hielten sich die Ohren. Auch wenn ich mich wiederhole: Idioten.

Wir gingen weiter und suchten das restliche Dorf ab, bis wir uns am Hauptgebäude mit der anderen Gruppe wieder zusammenschlossen. Die übrigen Hütten waren alle leer und nur wenige Streuner fielen uns zum Opfer. Mit jedem Abschuss stieg die Laune der Männer und sie waren in prächtiger Stimmung, als wir vor dem Haus standen.

Auch Mr. Black und Mr. White sahen sehr glücklich aus und erzählten von ihren Abschüssen. Wallstreet schrie beim Erzählen. Er hörte wahrscheinlich noch immer kaum etwas.

Nichts formte Männerfreundschaften mehr, als eine gemeinsame Zombiejagt.

Ich ging mit John und Sushi zur Seite und erzählte ihnen von der Hütte mit den Tischen.

»Die Russen«, sagte John. »Die hatten 1996 einen Outbreak in einem Labor in Russland. Offiziell hat es nur einen Wissenschaftler durch Ebola erwischt. Insgesamt sind fünfzehn Leute vom Wachpersonal draufgegangen, bevor sie den Ausbruch stoppen konnten. Vielleicht hatten sie Angst, es im eigenen Land zu haben, und haben ihre Experimente ausgelagert. Outsourcing ist doch im Trend.«

Ebola. Das war der große Deckmantel, mit dem alles vertuscht wurde. Falls ein Außenstehender einen Infizierten zu Gesicht bekam, konnte man damit das Blut und die Augen erklären. Außerdem war niemand so blöd, freiwillig in ein kontaminiertes Gebiet zu gehen, in dem eine Krankheit wütete, die einen höchstwahrscheinlich umbrachte. Abgesehen von Gruppen wie unserer.

Egal, wie krank oder gefährlich etwas war, irgendjemand fand eine Möglichkeit, damit Geld zu verdienen.

»Würde mich nicht wundern«, antwortete ich. »Wer einen solchen Virus kontrolliert, ist eine größere Bedrohung als ein Idiot mit einer Atombombe. Die Russen sind nicht die Ersten, die versuchen es zu kontrollieren.«

»Woher ...«

Ich winkte ab, bevor John seine Frage zu ende stellen konnte. »Später. Jetzt sollten wir uns erstmal das Hauptgebäude ansehen.«

Wenn man direkt davor stand, war die Tarnung als Holzhütte sofort zu durchschauen. Es handelte sich um ein Gebäude aus Beton mit einer massiven Stahltür, die einfach in Holzfarben angestrichen war. Das Schloss war nicht besonders kompliziert, und Sushi hatte bereits ihr Handpick-Set hervorgeholt. Sie hat mir bisher nicht verraten, wo sie das gelernt hatte. Aber bei einfachen Schlössern war sie schneller als ich mit einem normalen Schlüssel.

John und ich standen bereits neben der Tür, als sie sich vor das Schloss kniete. Obwohl es bei ihrer Größe eher ein leichtes Bücken war.

Die anderen verteilten sich vor dem Gebäude, um die Umgebung zu sichern. Auch wenn wir das Dorf durchsucht hatten, konnte man nicht vorsichtig genug sein. Außerdem wollte ich nicht mit Anfängern in das Gebäude gehen. Dort drinnen konnte uns etwas anderes erwarten als ein paar Zombies mit dem IQ einer halb gegessenen Banane.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739428277
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (September)
Schlagworte
Virus Vertuschung Horror Zombie Verschwörungstheorie Konspiration Ebola Science Fiction

Autor

  • Steve Wild (Autor:in)

Steve Wild ist das Pseudonym eines deutschen Autors, der 1971 bei Hannover geboren wurde. Schon früh, während seines ersten Schuljahres, entdeckte er das Horrorgenre für sich. Während seine Klassenkameraden Geschichten über sprechende Elefanten oder kleine Hexen lasen, bevorzugte er es, das Lesen mit John Sinclair-Heften zu üben.
Zurück

Titel: 666 Verschwörungstheorien Die Zombie-Vertuschung