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Gezeiten der Liebe

Sammelband

von Mathilda Grace (Autor:in)
400 Seiten
Reihe: Die Ostküsten-Reihe, Band 11

Zusammenfassung

Überarbeitete Neuauflage, Januar 2019 Die folgenden 5 Kurzromane erzählen weitere Geschichten aus dem Ostküsten-Universum, die sich um Nebencharaktere der Reihe drehen. 1. Frühlingsmorgen 2. Mittsommernacht 3. Liebe ist grenzenlos 4. Herbstabend 5. Winternacht

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

 

Frühlingsmorgen

 

Von Geburt an gelähmt hat sich Kendrick Becks längst damit arrangiert, ein Leben im Rollstuhl und als Single zu führen. Das ändert sich schlagartig, als er beim Einkaufen Matthew Pace über den Weg läuft, dem Hardcore-Spieler, der seinem Freund Kilian einst das Leben rettete.

 

 

Mittsommernacht

 

Magnus Hartwell hat seine Drogensucht hinter sich gelassen und ein zweites Leben begonnen. Er ist zufrieden mit seinem Job als Streetworker im Porter-Haus, wo er sich mit viel Geduld um die Brüder Ben und Zachary kümmert, die dort nach dem Mord an ihren Eltern ein neues Zuhause gefunden haben. Es könnte für Magnus nicht besser laufen, wäre da nicht seine unerfüllte Liebe zu Nate Wilder, einem Arzt aus Leidenschaft, der ihn überhaupt nicht zu bemerken scheint.

 

 

Liebe ist grenzenlos

 

Wer mit einem Arzt verheiratet ist, gewöhnt sich irgendwann daran, vom Telefon beim Sex gestört zu werden. Dieses Mal ist es Nates Kollege und Freund Delaney, der Magnus und Nate eine schlechte Nachricht mitteilen muss, die Dinge ins Rollen bringt, mit denen vor allem Magnus anfangs vollkommen überfordert ist.

 

 

Herbstabend

 

Amber Becks fällt aus allen Wolken, als sie kurz vor ihrem Studienabschluss herausfindet, dass sie im fünften Monat schwanger ist. Mitten in einer Beziehungskrise mit Finnley Jones, dem Vater des Kindes, und außerdem damit beschäftigt, eine Forschungsreise nach Alaska zu planen, hat Amber keine Ahnung, was sie jetzt tun soll, denn ein Kind ist absolut nicht das, was sie will.

 

 

Winternacht

 

Auf den ersten Blick hat Nathan Becks alles, was ein junger Mann für den Start in die eigene Zukunft braucht – eine wundervolle Familie, zwei ihn abgöttisch liebende Väter und einen guten Schulabschluss. Dennoch weiß er mit einundzwanzig Jahren immer noch nicht, was er mit seinem Leben anfangen soll. Statt sich um eine Ausbildung oder einen guten Job zu kümmern, rebelliert er gegen alles und jeden. Irgendetwas scheint ihm zu fehlen, um wirklich glücklich zu sein, nur was?

 

 

Frühlingsmorgen

 

Von Geburt an gelähmt hat sich Kendrick Becks längst damit arrangiert, ein Leben im Rollstuhl und als Single zu führen. Das ändert sich schlagartig, als er beim Einkaufen Matthew Pace über den Weg läuft, dem Hardcore-Spieler, der seinem Freund Kilian einst das Leben rettete.

 

 

Kapitel 1

 

»Ich halte das für keine gute Idee.«

»Sie ist genial.«

Kendrick runzelte zweifelnd die Stirn. »Den Spruch kenne ich und der endet bei unserer Familie fast jedes Mal im größten Chaos.«

»Du bist ein Zweifler.«

»Ich bin Realist.«

»Und ein Feigling.« Kendrick schnaubte, was Matt grinsen ließ. »Darf ich dich daran erinnern, dass es deine Idee war?«

»Aber doch nicht so«, hielt Kendrick dagegen und sah seinen Freund, Pardon, Verlobten, finster an. »Ich wollte nur, dass er diesen Satz zurücknimmt, damit du und ich ...«

»Sex haben können, ich weiß«, unterbrach Matt ihn amüsiert und hockte sich vor ihn. »Du hast 'Ja' gesagt, Ken.«

Kendrick seufzte und lächelte dabei, obwohl er immer noch nicht glauben konnte, dass er Matts Antrag angenommen hatte. Das Ganze war für sie vollkommen unerwartet gekommen und wäre vermutlich auch ganz anders gelaufen, hätte Samuel nicht großer Bruder gespielt und Matt diesen verflixten Floh ins Ohr gesetzt.

Dabei war er Samuel deshalb noch nicht mal böse. In ihrer Familie kümmerte man sich umeinander, und als Samuel sich damals in Devin verliebt hatte, hatte Kendrick Devin mit Himmel und Hölle gedroht, wenn er Samuel unglücklich machen würde. Da war es nur fair, seinen Bruder das Gleiche tun zu lassen.

Kendrick hatte jedoch niemals damit gerechnet, aus dem Grund plötzlich mit einem Heiratsantrag konfrontiert zu sein. Schon gar nicht von Matt. Aber er hatte den Antrag angenommen und Kendrick stand zu seinem Wort. Außerdem liebte er Matt, was der Grund dafür war, dass sie vor fünf Minuten vor dem Haus seines Bruders gehalten hatten, weil Matt persönlich mit Samuel über diese Sache reden wollte, die dafür verantwortlich war, dass er seit ein paar Stunden einen Verlobten an seiner Seite hatte, statt des Spielers, der seit einem Jahr sein Geliebter war.

»Und das meine ich auch so. Ich komme mir nur irgendwie blöd vor.«

Matt sah ihn verblüfft an. »Wieso denn? Deine Eltern haben doch schon zugestimmt.«

»Mum und Dad sind aber nicht Sam«, hielt Kendrick dagegen und Matt runzelte die Stirn.

»Soll heißen?«

»Das weißt du doch genau, immerhin hat er dir ...«

»Das Versprechen abgenommen, dir nicht wehzutun und eben das will ich halten.«

Kendrick verdrehte stöhnend die Augen gen Himmel. Wieso war sein Freund in dieser Hinsicht nur so verdammt stur? »Matthew ...«

Matt schüttelte lächelnd den Kopf und legte ihm sanft einen Finger auf die Lippen. »Bitte, Ken. Ich möchte das tun. Wirklich. Allein sein Blick wird es wert sein.«

Kendrick konnte ein Auflachen nicht verhindern, was Matt nicken ließ.

»Siehst du?«

Kendrick schmunzelte. »Dir ist klar, dass mein Bruder dich in Grund und Boden stampfen wird, wenn du das nicht richtig anpackst?«

Matt nickte erneut. »Ist mir bewusst, deshalb habe ich mir ganz genau überlegt, was ich sagen werde, wenn ich Sam um Erlaubnis bitte, dich heiraten zu dürfen.«

»Du bist verrückt«, murmelte Kendrick und strich Matt liebevoll durchs Haar.

»Ja, nach dir.« Matt erhob sich und sah lächelnd auf ihn hinunter. »Es ist peinlich genug, dass ich so lange gebraucht habe, um das zu kapieren.«

»Ich liebe dich.«

»Ich dich auch, Becks. Ich dich auch.« Matt beugte sich zu ihm hinunter, um ihm einen zärtlichen Kuss zu geben, der Kendrick murren ließ. »Später«, murmelte Matt an seinen Lippen. »Denk einfach an die Liebesschaukel.«

Kendrick bekam eine Gänsehaut. »Mistkerl.«

Matt zwinkerte ihm zu und wandte sich ab, um seinen Finger auf die Türklingel zu legen. »Bereit?«

Kendrick atmete tief durch und nickte. »Bereit.«

Matt betätigte die Klingel, und während der hohe Ton die Stille des Abends durchbrach, schweiften Kendricks Gedanken zurück. Zu diesem Frühlingsmorgen, der seinem Namen, dank Platzregen, keine Ehre gemacht hatte, aber für Kendrick zum Wendepunkt seines Lebens geworden war.

 

So ein verdammter Mist.

Das hatte er jetzt davon allein ins Shoppingcenter zu wollen, um nach einem perfekten Geschenk für seine Nichte Amber zu suchen, die in einer Woche Geburtstag feierte und eine große Party plante. Dieses Fachbuch über Chemie zu bekommen, das Amber sich wünschte, war kein Problem gewesen, und Kendrick wäre auch zur Haltestelle der Bahn gekommen, wenn dieser rücksichtslose Mistkerl auf seinem Fahrrad ihn nicht abgedrängt hätte.

Statt also die von ihm oft genutzte Abkürzung über den Parkplatz direkt hinter dem Center zu nehmen, saß Kendrick jetzt neben dem Gehweg fest, weil die Räder von seiner rechten Rollstuhlseite durch den Dauerregen der vergangenen Tage im Schlamm feststeckten und weit und breit niemand in Sicht war, den er um Hilfe bitten konnte. Was alles nur halb so ärgerlich wäre, wenn es nicht schon wieder regnen würde und ihm sein Handy, bei dem erfolgreichen Versuch seinen Sturz zu verhindern, nicht aus der Tasche gerutscht wäre.

Kendrick fluchte und wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht, während sein Blick auf das Handy gerichtet war. Es lag nur knapp einen Meter vor ihm im Dreck, was für Kendrick gleichbedeutend mit einer Meile war. Er würde sich also entweder im Schlamm suhlen müssen, um es in die Hände zu bekommen, oder hoffen, dass in den nächsten Minuten jemand diesen Weg nahm, was bei diesem Wetter wohl ein Wunschtraum blieb.

»Scheiße!«, murrte Kendrick und sah ein letztes Mal zu den Rädern seines Rollstuhls. Ohne Hilfe würde er sie niemals freibekommen und wenn er keine Grippe riskieren wollte, hatte er keine andere Wahl, als sich sein Handy zu holen.

»Guck dir mal den an.«

Amüsiertes Lachen folgte den hämischen Worten, was Kendrick innerlich seufzen ließ, bevor er über die Schulter schaute. Er hatte sich eben seine Handschuhe ausgezogen, um auf dem nassen Boden einen besseren Griff zu haben, und jetzt das. Etwa zehn Meter entfernt standen zwei Männer und einer deutete in dem Moment auf ihn und lachte, während ein zweiter mit einem Regenschirm dastand und ihn schweigend ansah. Na wunderbar. Das hatte ihm jetzt noch gefehlt. Kendrick verkniff sich einen Kommentar und schaute wieder zu seinem Handy. Sollten sie doch glotzen, er hatte andere Probleme.

»Kannst du mir erklären, was so amüsant daran ist, dass er mit seinem Rollstuhl bei dem Wetter feststeckt?«

»Äh ... Ich dachte nur ...«

»Was?«

»Was regst du dich so auf? Das ist doch nur ein Krüppel.«

Kendrick stutzte und sah erneut über seine Schulter, wo der Mann mit dem Regenschirm selbigen gerade zumachte und seinen Begleiter verärgert ansah. »Das ist genauso ein Mensch wie du oder ich, kein Krüppel. Und jetzt verzieh dich, der Abend ist gestrichen.«

Der zweite Mann sah auf einmal aus, als hätte ihn der Blitz getroffen. »Matt, es tut mir leid.«

Matt hieß er also, dachte Kendrick, als der Mann mit dem Schirm schnaubte und seinen Begleiter danach im Regen stehenließ, um zu ihm aufzuschließen, ein ehrliches Lächeln auf den Lippen. »Bleib sitzen. Ich helfe dir.«

»Danke.« Kendrick deutete auf sein Handy. »Ich habe mein Telefon verloren. Wenn du es mir gibst, kann ich mir Hilfe rufen.«

Matt hob das Handy auf und betrachtete es genauer. »Das wird nichts mit deinem Hilferuf. Ich vermute, der Regen hat ganze Arbeit geleistet.«

Kendrick seufzte, als Matt ihm das Handy reichte, denn er hatte recht. Es war hinüber. »Scheiße. Hilfst du mir auf den Gehweg? Dann komme ich allein zurecht.«

Matt nickte und hockte sich neben ihn, um einen Blick auf den Rollstuhl zu werfen und dann die Stirn zu runzeln. »Ich bin zwar kein Fachmann für Rollstühle, aber bei dem hinteren Rad ist irgendwas gebrochen.«

Auch das noch. Der Tag wurde mit jeder Sekunde besser. Kendrick stöhnte frustriert, worauf Matt zu ihm aufsah. »Wo musst du hin? Ich kann dich absetzen.«

Kendrick warf einen weiteren Blick über seine Schulter. Der andere Mann stand trotz Dauerregen immer noch da und schien hin- und hergerissen zwischen Scham und etwas, das Kendrick nicht deuten konnte. »Und was ist mit ihm?«, fragte er und schaute zurück zu Matt, um vor dessen Blick im ersten Moment zurückzuzucken, bis ihm auffiel, das Matt nicht ihn anblickte. Kendrick sah verblüfft hinter sich, wo der zweite Mann sich gerade enttäuscht abwandte und sie alleinließ.

»Das wäre geklärt«, antwortete Matt trocken. »Also? Wohin willst du?«

Kendrick runzelte irritiert die Stirn, als sich ihre Blicke trafen. Was war das denn gewesen? Irgendwie erinnerte Matt ihn auf einmal frappierend an Adrian Quinlan, den er zwar kaum kannte, aber der auch solche eindringlichen Blicke auf Lager hatte. Kendrick war sich nicht sicher, was er davon halten sollte und ob er diesem Mann neben sich trauen konnte.

Matt schien ihm seine Gedanken anzusehen. »Hattest du zufällig schon mal mit Spielern zu tun?«

»Spieler?«, fragte Kendrick verständnislos, doch im nächsten Moment fiel der Groschen. »Oh. Du und er ...«

Matt fing an zu grinsen, als er abbrach und rot anlief. »Ja. Aber er hat sich danebenbenommen, was heißt, er wird heute allein schlafen. Ich kann es nicht leiden, wenn man Leute, die anders sind, dumm von der Seite anmacht. Falls du dich also entschließt, mir zu vertrauen, mein Angebot steht. Und wir sollten wirklich zusehen, dass wir aus dem Regen herauskommen.«

Da hatte Matt recht und das war für Kendrick der Hauptgrund, dass er nachgab und Matt seine Adresse nannte, was den nicken ließ, bevor er aufstand.

»Ich trage dich zu meinem Wagen und hole deinen Rollstuhl nach. Das geht am schnellsten. Sag mal, wie heißt du eigentlich?«

»Kendrick Becks.«

Matt stutzte. »Becks? Bist du rein zufällig mit Samuel Becks verwandt?«

Kendrick nickte verblüfft. »Mein Bruder. Kennst du ihn?«

Matt lachte kopfschüttelnd, während er ihn auf die Arme nahm. »Nicht wirklich. Aber ich kenne Kilian.«

Kendrick legte seine Hände um Matts Nacken und wollte eben nachfragen, woher sein netter Helfer Kilian kannte, als ihm etwas einfiel. »Sekunde mal, bist du der Matt, der ihm das Leben gerettet hat?«

Matt nickte. »Genau der. Ich bin Matthew Pace, nur der Vollständigkeit halber.«

»Nett dich kennenzulernen, Matthew Pace.«

»Gleichfalls, Kendrick Becks.«

 

 

Kapitel 2

 

»Ken? Matt? Was wollt ihr denn so spät noch hier?«

Kendrick wurde aus seiner Erinnerung gerissen, als er Devins überraschte Frage hörte. Er blinzelte und sah zu Matt hoch, der ihn anlächelte, als wüsste er genau, wo Kendrick eben mit seinen Gedanken gewesen war, bevor er sich Devin zuwandte.

»Hi, Devin. Ist Sam da? Ich muss mit ihm reden.«

Devin runzelte die Stirn und bedachte sie mit einem für Kendricks Geschmack zu intensiven Blick, denn er wurde rot, worauf Devin anfing zu grinsen und Kendrick sich einen Fluch verkneifen musste. Warum war er in der Hinsicht nicht mehr wie Matt, der bei jeder Gelegenheit ein erstklassiges Pokerface aufsetzen konnte. Kendrick gelang das immer nur im Club, in Matts Nähe, und er ärgerte sich wahnsinnig darüber.

»Ich ahne, worum es geht.« Devin lachte und rollte von der Tür weg. »Kommt rein. Sam duscht gerade. Wollt ihr etwas trinken?«

Duschen? Kendrick wurde noch röter, was Matt zu einem wissenden Grinsen verleitete, als er es bemerkte. Gott sei Dank war Devin schon zur Küche unterwegs, so konnte Kendrick Matt einen finsteren Blick zuwerfen, der seinen Verlobten natürlich nicht die Bohne störte, sondern nur lachen ließ. Kendrick seufzte, als Matt die Haustür hinter ihm schloss und sich danach neben ihn hockte.

»Ich weiß genau, woran du gerade denkst.«

»Pscht«, zischelte Kendrick und fühlte, wie die Hitze in seinen Wangen weiter zunahm.

Das konnte nicht Matts Ernst sein, ausgerechnet hier und jetzt davon anfangen zu wollen, was damals im Club zwischen ihnen gelaufen war. Kendrick bekam heute noch eine Gänsehaut, wenn er nur daran dachte, wie er diese Einladung von Matt, zu einem lockeren Abend zu zweit, angenommen hatte, ohne zu ahnen, worauf er sich einließ.

Lockerer Abend, von wegen. Hätte er vorher gewusst, in welchen Club Matt ihn eingeladen hatte, wäre er nie mitgegangen. Kendrick seufzte leise, als ihm klar wurde, dass sie heute nicht hier wären, hätte er abgelehnt, denn dieses Date war sein Einstieg in die Spielszene gewesen, die genauso zu Matt gehörte wie sein halblanges, blondes Haar, die hochgewachsene Statur und die grünen Augen.

Matts Grinsen wurde breiter, bevor er sich zu seinem Ohr beugte. »Du warst so heiß auf dieser Sklavenbank. Ich hätte dir am liebsten die Kleider vom Körper gerissen und dich gefickt.«

In gewisser Weise hatte Matt das sogar getan, obwohl Kendrick in jener Nacht kein Kleidungsstück verloren hatte. Das war gar nicht nötig gewesen, denn allein Matts Nähe, sein Geruch nach Duschgel, die Hände auf seinem Rücken und vor allem die Worte, als Matt ihm flüsternd erzählt hatte, wer er war, was er tat und was er alles mit ihm tun wollte, hatten ausgereicht, um Kendricks Atem zu beschleunigen, sein Herz schneller schlagen zu lassen und seine Haut zum Schwitzen zu bringen.

Kendrick atmete tief ein, bevor er zu Matt sah, ihn am Kragen seiner Jacke packte und flüsterte: »Wenn du jetzt nicht damit aufhörst, wirst du bis in alle Ewigkeit darauf warten können, mich zu ficken!«

Matts Augen weiteten sich, aber er sagte nichts mehr, sondern wartete ab, bis Kendrick ihn losließ. Dann stand er auf, zog sich die Jacke aus und half ihm aus seiner. Kendrick beobachtete Matt dabei, wie er ihre Jacken an den Kleiderhaken hängte, und konnte nicht verhindern, dass seine Gedanken erneut zu dem Abend schweiften, an dem er nicht nur den Mut gehabt hatte, sich genauer mit diesen merkwürdigen Möbeln zu befassen, die im Spielzimmer des Clubs standen, sondern der schließlich auch zu ihrem ersten Kuss geführt hatte.

 

Kendrick konnte sich nicht entscheiden, ob er warten oder lieber flüchten sollte. Irgendwie schrie alles in ihm danach, zu verschwinden und nie wiederzukommen. Aber das wäre erstens feige und zweitens Betrug, denn er hatte Matt versprochen zu warten, bis der aus der Dusche kam, und vor allem hatte er ihm versprochen, offen und ehrlich zu sein, was das eben Erlebte anging.

Kendrick hatte keine Ahnung, wie er das machen sollte, weil er immer noch damit beschäftigt war, den Anblick von Matt mit diesem Mann zu verarbeiten. Wie hatte er sich darauf einlassen können, im Nebenraum mit dem großen Spiegel zu bleiben? Warum hatte er nicht abgelehnt und Matt zum Teufel geschickt? Aber vor allem, und das war in Kendricks Augen im Moment das Schlimmste überhaupt, wie konnte es sein, dass es ihn erregt hatte, Matt beim Sex mit einem anderen Mann zuzusehen?

»Egal, was passiert, du kannst jederzeit gehen.«

Matts leise Worte, bevor er die Tür des Spiegelraums hinter sich geschlossen und ihn alleingelassen hatte, und diese Worte waren genau so gemeint gewesen, das wusste Kendrick. Trotzdem war er geblieben und hatte in einer wechselnden Mischung aus Erregung, Faszination und Abscheu zugesehen, wie Matt einen nackten, jungen Mann in das Spielzimmer geholt und ihn schweigend an ein großes Kreuz gefesselt hatte, das an der Wand befestigt war. Kein Wort war gesprochen worden, als Matt den Mann zuerst ausgepeitscht und danach mit ihm geschlafen hatte.

Nein, korrigierte sich Kendrick innerlich. Matt hatte diesen Mann gefickt. Miteinander schlafen war etwas Anderes. Obwohl Kendrick keine Vergleichsmöglichkeit hatte, wusste er, dass dieser Sex genau das gewesen war und nicht mehr. Ein Fick. Zwischen Matt und dem Fremden gab es keine Liebe, nicht einen Funken davon.

Kendrick schüttelte leicht den Kopf, um irgendwie einen klaren Gedanken zu fassen, aber es half nicht. Er verstand es einfach nicht. Er verstand sich selbst nicht. Warum war er nicht abgestoßen? Warum hatte er zugesehen? Warum war er noch hier? Zwischen diesen komischen Möbeln und all dem anderen Zeug, das er teilweise nicht mal mit Worten benennen konnte, weil er solche Sachen noch nie gesehen hatte.

Peitschen, Ketten, Handschellen, Kerzen. Abstrakte Masken, Dildos, Vibratoren und Kugeln an einer Kette, von der er nicht wissen wollte, wozu sie genutzt wurde. Kendrick verzog das Gesicht, während er die Kette mit den verschieden großen Kugeln anstarrte. Er hatte eine Ahnung, wozu sie gut war, aber allein die Vorstellung bescherte ihm eine unangenehme Gänsehaut.

»Es erhöht den Reiz.«

Kendrick zuckte zusammen und drehte sich um. Zu dem Spielzimmer gehörte ein Bad, das Matt ihm vorhin gezeigt hatte, und in deren Tür er jetzt stand. Splitterfasernackt und damit beschäftigt, sich die Haare trocken zu rubbeln. Kendrick wurde rot, als sein Blick ungewollt zwischen Matts Beine wanderte, dabei hatte er ihn vorhin ausgiebig nackt bewundern können. Er war froh, als Matt grinste, aber nichts dazu sagte.

»Was meinst du?«, fragte er, als ihm wieder einfiel, was Matt zuvor gesagt hatte.

Matt ging lächelnd an ihm vorbei und nahm die Kette in die Hand, um sie langsam durch seine Finger gleiten zu lassen, nachdem er sich das Handtuch um seine Hüfte gebunden hatte. Kendrick schluckte. Die Art und Weise, wie Matt mit diesen Kugeln hantierte, war erregend, obwohl er nicht erklären konnte, warum er so empfand und warum er seinen Blick einfach nicht von den schlanken Fingern abwenden konnte, die Kugel für Kugel abtasteten, als wäre jede einzelne von ihnen ein wertvoller Edelstein.

»Das ist eine Analkette«, erklärte Matt und Kendrick zuckte erneut zusammen, als Matt die Kette nach seinen Worten abrupt umfasste. »Sie zu nutzen, kann den Reiz beim Vorspiel oder beim Sex erhöhen, wenn man weiß, wie es geht. Allerdings kann man sie auch dazu nutzen, seinen Partner zu quälen.«

»Zu quälen?«, fragte Kendrick leise.

»Irgendwann bettelst du um Erlösung, weil du nur noch kommen willst«, führte Matt weiter aus und das glaubte Kendrick ihm unbewiesen.

»Ich wette, du beherrscht das Quälen in Perfektion.«

»Ja, das tue ich.«

Matt legte die Kette weg und da schaffte Kendrick es endlich, seinen Blick von den Kugeln und Matts Fingern zu lösen und ihm ins Gesicht zu sehen. Doch was er dort sah, ließ Kendrick nervös die Hände an die Räder des Rollstuhls legen.

»Matt?«

Matts Blick verwandelte sich von lüstern in liebevoll und als er lächelnd den Kopf schüttelte, ließ Kendrick die Räder los. Es gab keinen Grund davonzulaufen, und Matts nächste Worte bestätigten ihn darin.

»Du kannst jederzeit gehen und du kannst jederzeit nein sagen, vergiss das niemals, Ken.«

 

 

Kapitel 3

 

Ein leises Räuspern holte Kendrick ins Hier und Jetzt zurück und als er zu Matt sah, deutete der in Richtung Treppe. Kendrick sah hin und erstarrte, als er Samuel oben am Treppenansatz stehend entdeckte. Der eisige Blick seines Bruders sprach Bände, die er in der Form niemals in Samuels Augen hatte lesen wollen. Kendrick hatte nicht die geringste Ahnung, wie das möglich war, aber Samuel wusste, wieso sie hergekommen waren und es gefiel ihm ganz und gar nicht.

»Hi, Sam«, sagte Kendrick und brachte ein schiefes Lächeln zustande, das seinen Bruder die Stirn runzeln ließ. »Wir müssen mit dir reden.«

»Müsst ihr? Ich hatte bis eben eher den Eindruck, als wärt ihr gerade auf dem Weg ins nächste Bett.«

Oha, dachte Kendrick. Samuels scharfer Unterton war eindeutig. Zwischen ihnen gab es gleich Ärger. Er kam allerdings nicht dazu, etwas zu sagen und den Streit damit vielleicht abzuwenden, denn plötzlich atmete Samuel scharf ein und wurde blass.

»Ist der Ring an deinem Finger das, was ich denke, das er ist?«

Kendrick sah hinunter auf seine Hand und lächelte, was Samuel erneut hörbar einatmen ließ. Er ignorierte seinen großen Bruder und sah zu Matt, der sein Lächeln erwiderte, was Kendricks Herz schneller schlagen ließ. Er war völlig verrückt nach diesem Kerl, das war schon beinahe unheimlich, aber Kendrick liebte das Gefühl viel zu sehr, um sich davor zu fürchten.

Er sah zurück zu Samuel. »Ja, das ist er.«

Sein Bruder reagierte leider genauso, wie Kendrick es insgeheim befürchtet hatte. »Vergiss es!«

»Sam ...«

Samuel wandte sich wütend ab. »Ich weiß, wieso ihr hier seid, ich bin nicht blöd. Und die Antwort ist Nein.«

Kurz darauf fiel eine Tür ins Schloss und Kendrick fuhr sich seufzend durch die Haare, bevor er Matts Blick suchte, der verdattert auf die Stelle sah, wo Samuel soeben noch gestanden hatte.

»Was war das denn gerade?«

»Das war der Auftritt meines großen, gluckenden Bruders.« Kendrick zuckte mit den Schultern, als Matt ihn irritiert ansah. »Hast du vergessen, wie Paul reagiert hat, nachdem du mich ihm vorgestellt hast? Sam ist genauso, nur schlimmer.«

Matt runzelte die Stirn, sah zur Treppe und wieder zu ihm. »Das ist doch Schwachsinn. War es bei Paul auch.«

Kendrick nickte. »Sicher ist es das, aber sie sind nun mal unsere Familie und machen sich Sorgen um uns. Für Sam bist du im Moment eine Bedrohung. Obwohl er dich wohl eher als Bedrohung für mich ansieht.«

Matt sah ihn scharf an, schwieg aber, was Kendrick ihm hoch anrechnete. Matt hatte eine deutliche Meinung über Menschen, die Spieler wie ihn abstempelten und verurteilten, ohne sie zu kennen, und das hatte Samuel gerade getan. Dafür würde sein Bruder auch noch was zu hören kriegen, entschied Kendrick und schüttelte den Kopf, als Matt doch noch etwas sagen wollte.

»Vergiss nicht, ich bin das behinderte Nesthäkchen der Familie und Sam wird mich immer so behandeln, egal wie alt ich bin.«

»Nein, wird er nicht«, mischte sich plötzlich Devin ein und Kendrick schaute zur Küchentür, in der sein Schwager stand und ihn mitfühlend ansah. »Ich weiß, sein Auftritt spricht dagegen, aber mit der Zeit wird er lernen, damit umzugehen, dass sein kleiner Bruder erwachsen ist. Auch wenn es noch einige Zeit dauert. Und jetzt rede mit ihm. Ich habe ihm zwar schon gesagt, dass Matt nicht der böse Wolf ist, nur weil er gerne mit Ketten und Peitschen spielt, aber ich schätze, du solltest es ihm noch mal genauer erklären.«

»Devin«, murmelte Kendrick peinlich berührt, da er mit Matts Direktheit zwar mittlerweile ganz gut klarkam, aber wenn andere so redeten, wurde er immer noch rot.

Devin winkte amüsiert ab. »Du gewöhnst dich daran, da bin ich mir sicher. Seid bitte nicht zu laut, wenn es geht. Nathan schläft schon.«

Kendrick nickte und schaute zu Matt, nachdem Devin wieder in die Küche gerollt war. Matts Gesichtsausdruck war eindeutig. Sein Freund wollte zu Samuel gehen, aber Kendrick stand hierbei auf Devins Seite. Er musste den ersten Schritt machen und mit seinem Bruder sprechen. Danach konnte Matt tun, weshalb er hergekommen war. Aber im Moment würde Samuel Matt nicht zuhören, das wusste Kendrick.

»Ich gehe.«

»Eigentlich wollte ich doch ...«

»Nein«, unterbrach er Matt entschlossen, worauf der ihn widerwillig ansah. »Egal, was du sagst, erinnerst du dich? Er meint das im Augenblick so, ich kenne Sam. Ich rede mit ihm, danach bist du dran.«

Matt gab seufzend nach. »Okay.«

Kendrick war zufrieden und deutete zur Küche. »Warum gehst du nicht Devin auf die Nerven? Du kannst ja versuchen, ihm Schokolade aus den Rippen zu leiern.«

»Schokolade«, murmelte Matt und konnte ein seliges Grinsen nicht verhindern. Kendrick lachte, was ihm einen empörten Blick einbrachte, bevor Matt ihn am Kragen packte und sein Lachen mit einem heftigen Kuss erstickte. »Du bist furchtbar, weißt du das?«, schimpfte Matt halbherzig, nachdem sie wieder genügend Luft zum Sprechen hatten.

Kendrick grinste frech. »Weiß ich, ist mir aber egal. Solange mein Schokoladensüchtiger Verlobter glücklich ist, bin ich gerne schlimm.«

»Ich hätte dir das nie erzählen sollen«, stöhnte Matt, schmunzelte aber gleichzeitig, was Kendrick mit einem neckenden Zwinkern kommentierte.

»Du hättest eben nicht mitten in der Nacht aus dem Bett schleichen und mir den letzten Schokoladenpudding klauen sollen.«

»Ich hatte aber Hunger.«

Kendrick gluckste. »Ich weiß. Was glaubst du, warum in meiner Wohnung seither immer Schokolade zu finden ist? Und wenn Devin nicht zufällig dem ganzen Süßkram abgeschworen hat, wirst du in diesem Haus hier jederzeit welche finden. Na los, geh und frag ihn, ob er dir welche gibt.«

»Ich liebe Schokolade nun mal«, verteidigte sich Matt und konnte sich eindeutig nicht zwischen Schmollen und Grinsen entscheiden, während er in die Küche ging, was Kendrick unheimlich amüsierte.

Es gab wenig, was Matt aus dem Takt brachte, aber Süßkram war eine Schwachstelle, die Kendrick immer wieder ausnutzte, um das Pokerface seines Freundes ins Wanken zu bringen. Wer hätte gedacht, dass ein Spieler wie Matt, versessen auf Schokolade war? Kendrick hatte es zufällig herausgefunden, als Matt einen Monat nach dem Chaos ihrer ersten gemeinsamen Nacht, erneut bei ihm geschlafen hatte, und so amüsant diese Erinnerung auch war, dafür war jetzt keine Zeit.

 

Wie Kendrick gehofft hatte, war Samuel in seinem und Devins Schlafzimmer und lief dort eine Furche in den Boden. Kendrick sparte sich das Klopfen und rollte einfach ins Zimmer. Um Nathan in seinem Zimmer nicht aufzuwecken, schloss er die Tür hinter sich und fand sich im nächsten Augenblick mit Samuels wütendem Blick konfrontiert, den er schlicht ignorierte.

»Woher wusstest du es?«, fragte Kendrick ruhig, doch Samuel schnaubte nur. »Bügle mich nicht so ab, das habe ich nicht verdient!«, wies Kendrick ihn verärgert zurecht, was seinen Bruder zusammenzucken ließ. »Du hast den Ring gesehen und dir war sofort klar, warum wir hier sind. Ich will wissen, woher du es wusstest.«

»Ist das wichtig?«

Kendrick nickte. »Ja, für mich ist es das.«

»Adrian«, sagte Samuel daraufhin trotzig.

»Adrian?«, wiederholte Kendrick verblüfft. »Was hat er denn damit zu tun?«

»Er hat mich angerufen. Ist schon eine Weile her. Er hat mir erzählt, dass du dir bei ihm einen Rat geholt hast und deswegen rief er an. Um mir zu sagen, dass ich mich besser darauf einstelle, euch eines Tages vor der Tür zu haben, weil ihr heiraten werdet.«

Kendrick blieb der Mund offenstehen. Adrian hatte gewusst, dass Matt und er diesen Schritt gehen würden? Aber woher? Sie hatten es bis heute nicht einmal selbst gewusst. Manchmal war ihm dieser Anwalt unheimlich. Kendricks fragenden Blick kommentierte Samuel mit einem Seufzen und einem Schulterzucken.

»Instinkt vielleicht? Adrian hat einen sechsten Sinn für solche Sachen, das war schon immer so.«

Damit hatte Samuel verdammt recht. Immerhin konnte sich Kendrick gut an sein Treffen mit Adrian erinnern, als er, nachdem er mehrere Wochen über Matt, seinem ersten Besuch im Club und überhaupt das Thema Spiele gegrübelt hatte, in Baltimore bei den Quinlans angerufen hatte, um Adrian um Rat zu fragen.

 

»Du solltest mit jemandem über ihn reden.«

»Hm?«, machte Kendrick und sah fragend zu seinem Vater, der sich zu ihm an den Tisch setzte, während seine Mutter ihm nur zulächelte.

»Matt.«

Kendrick wurde unwillkürlich rot. »Dad.«

Sein Vater grinste und drückte seine Hand, während seine Mutter sich nach einem frechen Zwinkern wieder dem Herd zuwandte, auf dem der Gemüseeintopf für das Abendessen köchelte. Kendrick sah ihr zu, wie sie ein Messer nahm und begann, die Petersilie kleinzuhacken, die sie zuvor gewaschen hatte. Genau wie Matt und er vor drei Tagen, als Matt ihn zum Essen eingeladen und es selbst gekocht hatte. Kendrick lächelte unwillkürlich, was seinen Vater leise lachen ließ.

»Es ist offensichtlich, Ken. Allein dein Lächeln. Du sprichst regelmäßig über ihn, aber du lädst ihn nicht ein und weichst aus, wenn deine Mum oder ich mehr über ihn wissen wollen. Du magst ihn sehr, das steht dir ins Gesicht geschrieben, aber gleichzeitig zögerst du, mehr aus eurer Bekanntschaft zu machen. Zumindest schließen wir das daraus, weil du ihn uns bislang nicht vorgestellt hast.«

Kendrick warf seinem Vater einen verblüfften Blick zu. »Ich habe euch noch nie jemanden vorgestellt.«

»Du warst auch noch nicht so verliebt wie in Matt«, mischte sich seine Mutter ein und Kendrick schluckte.

»Äh ...«

Seine Mutter warf die Petersilie in den Topf und wischte sich ihre Finger am Küchentuch trocken, ehe sie sich mit einem liebevollen Lächeln umdrehte. »Du bist unser Sohn und etwas Besonderes. Das warst du für uns von der Sekunde deiner Geburt an.«

»Weil ich behindert bin?«

»Wie meinst du das?« Sein Vater runzelte irritiert die Stirn, als Kendrick zu ihm schaute. »Haben wir auf dich je den Eindruck gemacht, dass uns das wichtig ist?«

Kendrick seufzte. »Nein, aber es war immer wichtig. Ob gewollt oder nicht, Dad.«

»Das ist richtig.« Sein Vater blickte nachdenklich aus dem Fenster. »Du bist behindert geboren, aber für uns hat das keinen Unterschied gemacht. Sohn bleibt Sohn. Natürlich mussten wir unser Leben verändern, um dir ein gutes Zuhause bieten zu können und deine Mum und ich haben uns manches Mal gefragt, ob Sam dabei nicht zu kurz gekommen ist.«

»Ihr meint die Zeit, nachdem er die Armee verlassen hatte? Bevor Amber geboren wurde?«

»Ja«, sagte seine Mutter und sein Vater nickte.

»Es war gar nicht einfach, unsere Sorgen vor dir zu verbergen und du hast trotzdem zu viel mitbekommen, nicht wahr?«

Kendrick nickte, als sein Vater ihn fragend ansah, was den seufzen ließ.

»Das dachten wir schon, du bist schließlich ein kluges Kerlchen. Warst du schon immer. Aber darum geht es jetzt nicht.« Sein Vater lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Irgendetwas ist mit deinem Freund und du kannst mit uns und Sam offenbar nicht darüber reden, sonst hättest du es längst getan. Deswegen denken wir, dass du mit jemandem über Matt sprechen solltest, der dafür geeignet ist.«

»Und wer soll das sein?«

»Ich denke, das weißt du«, antwortete seine Mutter. »Oder etwa nicht?«

Woher wusste sie das eigentlich immer? Natürlich hatte Kendrick schon einen Namen im Kopf. Eine ganze Weile sogar, da er sonst niemanden mit dieser Vorliebe kannte. Allerdings schlich er um den Namen herum, wie eine Maus um einen leckeren Köder, weil er sich einfach nicht traute, den Anwalt anzurufen, der für Kilian wie ein dritter Vater war.

»Matt ist anders als ...« Kendrick stockte kurz. »Na ja, er ist einfach anders.«

»Und?«, hakte sein Vater nach.

»Ich kenne nur einen Menschen, der ihm ähnlich ist.«

»Dann nimm Kontakt auf«, forderte sein Vater und Kendrick grinste über diesen Armeejargon, wofür sein Vater ihm spielerisch mit der Faust drohte. »Lach nicht, tu etwas, und hör auf zu grübeln. Das bringt dich nicht weiter.«

Kendrick seufzte und blickte auf die Tischplatte. »Ich weiß nicht, ob ich hören will, was er dazu zu sagen hat.«

»Ken?«, fragte seine Mutter leise und wartete, bis er sie ansah. »Liebst du Matt?«

Darauf wusste Kendrick keine eindeutige Antwort und das machte ihn langsam aber sicher verrückt. »Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube schon.«

Seine Mutter nickte verständnisvoll, als wüsste sie, was in ihm vorging. Wusste sie wahrscheinlich auch, darin war sie schon immer gut gewesen. Kendrick hatte hunderte von Erinnerungen aus seiner Kindheits- und Teenagerzeit, in denen sie ihm seine Gefühlslage an der Nasenspitze angesehen hatte.

»Willst du mit ihm zusammen sein, obwohl er anders ist, wie du es ausgedrückt hast?«, fragte sein Vater und auch darauf hatte Kendrick keine Antwort.

»Ich glaube ja«, antwortete er genauso ausweichend wie zuvor und zuckte zusammen, weil sein Vater ihm im nächsten Moment das Telefon unter die Nase hielt.

»Sprich mit Adrian.«

Kendricks Kopf ruckte hoch. »Woher wisst ihr das?«

Ein zweifaches, amüsiertes Lachen war die einzige Antwort, die er bekam, was ihn seufzen ließ, bevor er das Telefon nahm und sich ins Wohnzimmer verzog, um in Ruhe telefonieren zu können. Seine Eltern waren unmöglich, aber das war ja nichts Neues für Kendrick.

»Ähm, Mum? Dad?«, rief er, als ihm etwas einfiel. »Ich habe seine Nummer gar nicht.«

»Guck in den Speicher unter A, wie Adrian.«

Kendrick blinzelte verblüfft. »Ihr habt seine Nummer?«

»Er gehört zur Familie«, antwortete sein Vater ruhig und damit war alles gesagt.

Kendrick suchte Adrians Nummer heraus, um sie dann eine Weile anzustarren. Konnte er das tun? Sollte er nicht doch lieber mit Matt reden? Aber was würde das bringen? Das Wirrwarr an Gefühlen in ihm, hatte Matt ja erst ausgelöst. Außerdem hatte der ihm gesagt, dass er darüber reden sollte. Egal mit wem, Hauptsache er tat es, um eine andere Meinung zu bekommen. Dafür war Matt nicht der Richtige und das wusste er. Kendrick atmete einmal tief durch und drückte die Verbindungstaste, ehe er sich das Telefon ans Ohr hielt und dem Tuten lauschte.

»Quinlan.«

»Ähm, hier ist Ken. Kendrick Becks. Ich ... Sorry, dass ich störe, aber ich ... Also ich wollte ... Oh Mann.« Kendrick kam sich vor wie ein Idiot.

Sein Gegenüber lachte leise. »Sams kleiner Bruder, ich erinnere mich an dich. Hi, hier ist David.«

»Hey. Ich ... Also ...« So würde das nie etwas werden, dachte Kendrick und ärgerte sich über sich selbst. Seit wann war er so feige? »Ich brauche einen Rat.«

»Einen Anwaltlichen?«

»Nicht wirklich«, gestand Kendrick verlegen und rieb sich die Nase. »Tut mir leid, ich komme mir vor wie ein Vollidiot.«

»Spuck´s einfach aus, was immer es ist.«

Ein sehr guter Rat. Kendrick riss sich zusammen. »Ich habe jemanden kennengelernt und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, dass er ein Spieler ist. Du kennst ihn, es ist Matt.«

»Kilians Freund?«

»Ja, genau der Matt.«

David schwieg kurz. »Hat er es dir erzählt?«

Kendrick wusste, was David wissen wollte. »Ich war mit ihm in seinem Club. Ich habe zugesehen. Ich weiß, wie er spielt. Hardcore. Und ich ...« Kendrick zögerte kurz, gab sich dann aber einen Ruck. »Ich bin völlig durcheinander deswegen. Ich muss darüber mit jemand reden und Adrian ist der Einzige, den ich kenne, der mit dir ... also der ...«

»Spielt, sag es ruhig«, half David aus und klang dabei so ruhig, dass Kendrick sich ebenfalls beruhigte.

»Ja.«

»Du magst Matt sehr, nicht wahr?«

Kendrick zog eine Grimasse. »Ich glaube, mögen ist in dieser Hinsicht nicht das passende Wort.«

 

 

Kapitel 4

 

»Ausgerechnet ein Spieler.« Samuel seufzte und riss Kendrick damit aus seinen Erinnerungen. »Warum hast du dich nicht in einen normalen Typ verliebt?«

»Weil ich selbst auch kein normaler Typ bin?«, hielt Kendrick trocken dagegen. »Sam, ich habe mich für Matt entschieden. Akzeptier es und nimm dieses dämliche Versprechen zurück, das du ihm wegen mir abgerungen hast.«

»Damit er mit dir spielen kann, so wie er es mit Kilian tun wollte?«

»Sam!«

»Nein!«

Trotziger ging es nicht. Kendrick verkniff sich einen Fluch. Mit Drohen, Toben oder Schreien kam er hier auf keinen Fall weiter. Dann würde sein Bruder noch mehr auf stur schalten und am Ende kein Wort mehr mit ihm reden, was umgekehrt auch für ihn selbst galt. Er musste Samuel unbedingt von dem Gedanken wegbekommen, das Matt in ihm nur ein Spielzeug sah, denn so war es nicht, auch wenn sein Bruder das scheinbar dachte.

»Sam, ich liebe ihn.«

»Er spielt doch nur mit dir.«

»Woher willst du das wissen?«, fragte Kendrick, und als Sam ihn finster ansah, wusste er, dass er auf dem richtigen Weg war. »Ich bin bereits seit einem Jahr mit Matt zusammen. Du hast ihn in der Zeit nur ein paar Mal gesehen. Ich glaube, ich kenne ihn besser, als du.«

Samuels Wut wich einer Mischung aus Verzweiflung und Empörung. »Das kannst du mir nicht vorwerfen, Ken. Du führst ein komplett anderes Leben mit deinen Computern und diesen komischen Programmen, die ich nicht mal aussprechen kann ...«

»Sam«, unterbrach Kendrick ihn unwirsch. »Das ist mir bewusst und ich habe es nicht als Vorwurf gemeint, klar? Ich bin Programmierer, verlobt, behindert und spiele scheinbar gerne. Du bist Lehrer, verheiratet, hast Kinder und ein Haus. Wir sind völlig verschieden, das ist einfach eine Tatsache, aber mehr auch nicht. Und wenn Matt nicht so sehr darauf bestehen würde, dass du diesen Spruch ihm gegenüber zurücknimmst, wären wir jetzt nicht hier, sondern lägen vermutlich längst in meinem oder seinem Bett.«

»Das war seine Idee?«, fragte Samuel verdattert und sah verlegen zu Boden, als Kendrick nickte. »Oh.«

»Ja, oh«, äffte Kendrick ihn verärgert nach. »Er ist kein Mistkerl, Sam, ganz im Gegenteil. Er ist der Mann, den ich will, und wenn möglich für immer.«

Samuel schwieg und sah ihn grübelnd an. Kendrick ließ ihn nachdenken, da er verstand, was seinen Bruder bewegte. Immerhin war er das Küken der Familie Becks und noch dazu von Geburt an körperlich eingeschränkt. Er war immer derjenige gewesen, auf den alle aufgepasst und um den sich alle gekümmert hatten. Und so sehr Kendrick das genossen hatte, er war erwachsen und es wurde Zeit, dass Samuel das begriff.

»Und wie soll das gehen?«, fragte der schließlich und wich seinem Blick aus, um die Wand anzustarren.

Kendrick schmunzelte. Er wusste, was sein Bruder mit der Frage bezweckte, entschied aber, sie absichtlich falsch zu verstehen, weil er wollte, dass Samuel es aussprach. Nur so würden sie hier vielleicht auf einen Nenner kommen.

»Wie jede andere Ehe auch. Indem wir gemeinsam an ihr arbeiten werden.«

Samuel schnaubte. »So war das nicht gemeint.«

Er hatte es ja geahnt. Kendrick lachte leise, worauf sein Bruder ihn mürrisch ansah. »Nun sag es schon, Sam.«

»Sex, okay. Ich rede von Sex.«

»Ich werde Matt mit seinen Spielgefährten teilen.«

Samuel zuckte heftig zusammen und Kendrick hob die Hand, um den Sturm der Entrüstung aufzuhalten, der sich sonst über ihn entladen hätte.

»Ich habe mich entschieden, Sam. Ich liebe Matt, aber ich bin auch kein Dummkopf. Ich kann ihm nicht all das geben, was er braucht. Weder körperlich noch psychisch, und das weißt du, darum gehst du so auf die Barrikade, nicht wahr? Es geht nicht um Matt, unsere Verlobung, um mich. Es geht nur darum, dass er spielt. Du hast Angst, dass es mir so geht wie Colin oder Daniel. Dass ich eines Tages vor der gleichen Wahl stehe wie Kilian, als er Matt zum ersten Mal traf.«

Samuel biss sich auf Unterlippe und schwieg, was auch eine Antwort war.

Kendrick nickte. »Das dachte ich mir schon. Aber das wird nicht passieren und selbst wenn, würde es nichts an meiner Entscheidung ändern.«

Samuel atmete zitternd ein. »Ken ...«

»Nein!«, unterbrach Kendrick seinen Bruder barsch. »Es gibt keine Garantie, Sam, nicht einmal für dich und Devin, obwohl ich glaube, dass ihr ewig zusammenbleibt. Vielleicht habe ich das gleiche Glück mit Matt. Ich weiß, wie er mit seinen Spielpartnern umgeht, Sam. Ich weiß, wie er sie benutzt und wie sie sich benutzen lassen. Ich weiß, worauf ich mich einlasse, denn Matt hat mich niemals belogen, was das Spielen angeht, er hat nie etwas vor mir zurückgehalten, und er hat mir die Zeit gelassen, die ich brauchte, um meine Wahl zu treffen.«

»Wieso?«, fragte Samuel leise und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. »Wieso tust du das? Wieso teilst du ihn mit anderen Männern? Wieso, Ken?«

Eine sehr gute Frage und Kendrick würde sie ehrlich beantworten. »Ich gebe zu, dass es mich die erste Zeit ziemlich abgeschreckt hat. Das Spielen, diese Typen in dem Club, einfach alles. Aber ich wollte Matt, ich wollte ihn die ganze Zeit. Mum und Dad haben mich schließlich dazu gebracht, Adrian anzurufen und mit ihm über Matt zu sprechen. Er gab mir den Rat, Matt wieder in den Club zu begleiten und ihm zuzusehen. Ihn genau zu beobachten und das Drumherum auszublenden. Es hat eine Weile gedauert, bis ich begriffen habe, worauf er hinauswollte. Für Matt stehen seine Spielpartner an erster Stelle. Egal, wie hart er sie schlägt, wie sehr er sie quält, es reicht ein Wort und die Session ist gelaufen. Matt achtet auf sie und er achtet auf mich, Sam.«

»Ken ...«

»Lass mich bitte ausreden«, bat er und Samuel nickte, obwohl Kendrick seinem Bruder ansehen konnte, dass ihm nicht gefiel, worüber sie hier sprachen. Aber es musste sein, damit Samuel verstand, wie wichtig es Kendrick war, dass Samuel seine Liebe zu Matt guthieß  und akzeptierte. »Matt ist nicht wie du oder Dad. Er braucht Dinge, die ich ihm nicht geben kann. Aber ich kann akzeptieren, dass Matt sie braucht und sich durch seine Spielpartner holt.«

Samuel schüttelte den Kopf. »Aber das ist Betrug.«

»Nein, ist es nicht«, widersprach er. »Denk an Nick und Adrian. Glaubst du, dass das, was sie schon so lange miteinander teilen, Betrug gegenüber Tristan und David ist?«

Samuel verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn eine Weile wütend an, bis er schließlich erneut den Kopf schüttelte.

»Eben. Solange ich akzeptiere, was er tut, ist es kein Betrug.«

»Könnte er nicht ...?«

»Darauf verzichten?«, führte er die Frage zu Ende, als Samuel mitten im Satz abbrach. »Für eine Weile vielleicht«, gab Kendrick zu, nachdem er darüber nachgedacht hatte. »Ich weiß es nicht, denn ich habe ihn nicht darum gebeten. Für mich stand das nie zur Debatte.«

Das hatte es von Anfang an nicht getan, fiel Kendrick ein, während Samuel anfing, aufgewühlt im Raum auf und abzulaufen. Er erinnerte sich daran, wie er nach den ersten Minuten, in denen er im Spielzimmer gesessen und weder ein noch aus gewusst hatte, einfach zu Matt gerollt war, um sich dieses Zeug auf dem Tisch erklären zu lassen. Kendrick verkniff sich ein Grinsen. Er war so naiv und unwissend gewesen, darüber amüsierte er sich heute noch.

 

»Was ist das alles?«, fragte Kendrick und rollte zu dem Tisch, wo die Analkette und einige andere Sachen lagen, für die er keine Bezeichnung wusste. Er nahm eine Kette in die Hand, an deren Ende zwei metallene Teile befestigt waren, die für ihn wie Wäscheklammern aussahen. Kendrick schaute fragend zu Matt, der ihn amüsiert beobachtete.

»Was denkst du, was das ist?«

Kendrick zuckte mit den Schultern. »Würde ich dich fragen, wenn ich es wüsste?« Er blickte zurück auf die Teile, die er in den Händen hielt. »Wäscheklammern?«

Matt lachte und schüttelte den Kopf, als Kendrick erneut zu ihm sah. »Rate noch mal.«

Kendrick warf noch einen Blick auf diese Klammern und klemmte sich eine davon schließlich an den Finger, was Matt wiederholt zum Lachen brachte. Auf seinen ratlosen Blick hin nahm Matt die andere Klammer in die Hand. Kendrick blieb der Mund offenstehen, als Matt sich die Klammer auf die linke Brustwarze setzte. Er tat das ohne eine Miene zu verziehen, was Kendrick zugleich faszinierte und entsetzte, denn ihm verursachte schon die Klammer auf seinem Finger Schmerzen.

»Nippelklemmen«, sagte Matt schließlich und nahm dann die Klammer wieder ab.

Kendrick verzog das Gesicht. »Tut das nicht weh?«

»Schmerzen kann man unter Kontrolle halten.«

»Scheiße, das ist ...« Kendrick brach ab, als ihm klar wurde, was er im Begriff war zu sagen, aber Matt hatte ihn trotzdem verstanden.

»Pervers? Abartig? Widerlich?«

Kendrick zuckte ertappt zusammen und wurde rot. »Tut mir leid.«

Matt schüttelte lächelnd den Kopf und nahm ihm die Klammer vom Finger, um das ganze Ding zurück auf den Tisch zu legen, bevor er sich neben ihn hockte und seinen Blick suchte.

»Ich bin nicht sauer, wenn du mir ehrlich sagst, was du darüber denkst. Würdest du lügen, dann wäre ich wütend, aber nicht so. Du weißt nichts über das Spielen, Ken, daher musst du fragen, um zu verstehen. Also tu es. Was immer du wissen willst, frag einfach. Ich werde es dir erzählen.«

Da fiel Kendrick im Augenblick nur eines ein. »Wieso hast du mich hergebracht? Warum hast du behauptet, wir hätten ein Date und dann ...« Kendrick brauchte drei Anläufe, um es über die Lippen zu bringen. »Dann fickst du mit diesem Typen vor meinen Augen. Wieso?«

Statt einer Antwort lächelte Matt und hob ihn aus seinem Rollstuhl. Kendrick war viel zu überrascht, um zu widersprechen und fand sich auf einer Bank sitzend wieder, die mit schwarzem Latex bezogen war und an deren Seiten überall Handschellen und Ketten hingen. Außerhalb dieses Raumes hätte Kendrick sie für eine einfache Massageliege gehalten, aber dafür war dieses Ding garantiert nicht da. Er sah schweigend zu, wie Matt seine Beine weit genug auseinander schob, um sich dazwischen stellen zu können.

»Ich möchte mit dir in Augenhöhe sein, wenn ich mit dir rede, darum der Platzwechsel. Ist das bequem für dich?«, fragte Matt und hielt ihn dabei mit den Händen an den Seiten fest.

»Ja.«

»Gut.« Matt lächelte zufrieden. »Diese Bank, auf der du jetzt sitzt, nennen wir Sklavenbank.«

Kendrick rümpfte die Nase, als er das freche Funkeln in Matts Augen bemerkte. »Ich will es nicht wissen?«

»Nein«, antwortete Matt belustigt und zwinkerte ihm zu. »Diese Bank ist das, was ihr Name sagt, und wenn du willst, erkläre ich es dir. Aber nicht heute. Du hast gefragt, warum ich dich hierher gebracht habe und die Wahrheit ist, es war ein Test.«

Kendrick versteifte sich. »Wie meinst du das?«, fragte er misstrauisch, was ihm ein neues Lächeln einbrachte, das Kendrick erst recht irritierte. »Matt?«

»Sei nicht böse. Hör dir bitte erst an, was ich zu sagen habe, okay?«, bat Matt dann ernst und Kendrick nickte. »Ken, ich mag dich und ich wollte wissen, ob ich richtig liege mit meiner Vermutung, dass dir das hier gefallen könnte, zumindest ein Teil davon. Und das hat es, oder etwa nicht?«

Kendrick spürte, wie er rot wurde, was für Matt Antwort genug war, denn der nickte nur und strich ihm zärtlich eine Haarsträhne aus der Stirn, bevor er ihn enger an sich zog.

»Ich bin Hardcore-Spieler und habe einen Blick für Männer, die sich von Leuten wie mir angezogen fühlen. Du warst eindeutig fasziniert, auch wenn dir das nicht bewusst war. Aber ich wollte sicher sein. Deshalb diese Einladung in den Club. Deshalb das Spiel mit Chris, der im Übrigen wusste, dass du zusiehst.«

»Du hast es ihm gesagt?«, fragte Kendrick verblüfft und Matt nickte.

»Ich lüge meine Spielpartner niemals an. Chris liebt es, wenn jemand zusieht und für den Fall der Fälle, dass ich mich irre und du wegläufst, musste er es wissen.«

Kendrick verstand sofort. »Damit du mir folgen und die Sache wieder geradebiegen kannst?«

»Ja«, stimmte Matt zu und begann, mit den Fingern langsam über seinen Rücken zu wandern. »Du wirst niemals ein Hardcore-Spieler sein, das war mir schon klar, als du vorhin verstanden hast, was das hier für ein Club ist. Trotzdem bist du geblieben und hast zugesehen, weil dir der Anblick zu einem gewissen Teil gefallen hat.«

Kendrick beschränkte sich auf ein schiefes Grinsen.

»Ich weiß, wie neu das alles für dich ist.« Matts Blick war ehrlich und offen. »Das war es für mich auch mal. Du kannst jederzeit fragen, Ken. Alles, was du wissen willst. Ich werde dich nicht anlügen oder um den heißen Brei herumreden, und ich erwarte dasselbe von dir.«

Matt wollte also, dass er ehrlich war? Das konnte er haben. »Was willst du eigentlich von mir?«

»Dich, Ken. Ich möchte weiter mit dir ausgehen, dich in aller Ruhe kennenlernen, dich berühren, dich küssen. Wie gesagt, ich mag dich und ich möchte viel Zeit mit dir verbringen, um herauszufinden, ob aus uns beiden mehr werden kann.«

»Und das?« Kendrick machte eine raumumgreifende Handbewegung. »Du bist ein Spieler und ich habe keine Ahnung davon. Wie soll ich ...?«

Kendrick verstummte, als Matt ihm einen Finger auf die Lippen legte. »Du sollst oder musst hier gar nichts. Es wird am Ende allein deine Entscheidung sein, ob du damit leben kannst, dass ich spiele, denn ich kann nicht ohne. Wenn du mich willst, so wie ich dich will, dann musst du mich damit akzeptieren.«

Kendrick schnappte fassungslos nach Luft und schob Matts Finger beiseite. »Bedeutet das etwa, ich muss dich teilen, wenn aus uns ein Paar wird? Verstehe ich das richtig?«

»Ja.«

Kendrick klappte die Kinnlade runter.

»Ich weiß, was ich damit von dir verlange, aber es geht nicht anders, Ken. Keine Lügen erinnerst du dich?«

»Wie stellst du dir das vor? Du hast andere Männer im Bett, an diesem Kreuz da drüben oder sonst wo, und ich ... Himmel ...« Kendrick fuhr sich übers Gesicht. »Das ist doch verrückt.«

»Ken ...«

Kendrick schüttelte den Kopf. »Nein! Das ist verrückt und das weißt du auch.«

Matt nickte, als Kendrick ihn ansah. »Natürlich weiß ich das, aber ich weiß, dass es funktionieren kann. Ich kenne Paare, wo es das tut.«

Kendrick atmete tief durch. »Ich weiß nicht, ob ich das kann.«

»Dann lass es uns herausfinden. Funktioniert es nicht, bleiben wir Freunde.« Matt legte eine Hand in seinen Nacken und streichelte seinen Haaransatz. »Ich gestehe, ich hoffe, dass es funktioniert, aber ich werde dich niemals zu irgendetwas zwingen.«

»Ich entscheide?«, fragte Kendrick sicherheitshalber, und als Matt erneut nickte, beruhigte er sich langsam und fing an nachzudenken, obwohl ihm klar war, dass er das heute Nacht nicht entscheiden konnte, dafür war er viel zu aufgewühlt.

Das Ganze war wirklich verrückt. Trotzdem glaubte er Matt, dass der Paare kannte, wo diese Konstellation funktionierte. Er kannte selbst zwei. Die Quinlans und Kendalls führten ebenfalls eine ganz besondere Art von Beziehung, und bei ihnen funktionierte das seit Jahren. Allerdings konnte er diese Paare hier kaum mit sich und Matt vergleichen.

Kendrick suchte Matts Blick und runzelte die Stirn. Kam es ihm nur so vor oder starrte Matt plötzlich seine Lippen an? »Was ist?«, fragte er verunsichert und als Matt anfing zu grinsen, wurde er rot. »Oh je, will ich es wissen?«

»Vielleicht.«

»Vielleicht?«, echote Kendrick und spürte, wie er noch röter wurde, als Matt sich über die Lippen leckte und ihn ein Stück näher zog, bis sie Körper an Körper waren. Jeansstoff auf Handtuch. Kendrick schluckte. Der Anblick hatte was, aber gleichzeitig war es zu nah und irgendwie auch wieder nicht. »Matt?«

»Fühl einfach«, bat Matt flüsternd und sah ihn unverwandt an. »Niemand außer uns ist hier, nur du und ich. Fühl mich.«

»Wie soll ...?«

Kendrick brach ab, als Matt begann über seinen Rücken zu streicheln, während er sich ein Stück nach vorne beugte. Wollte Matt ihn etwa küssen? Kendrick sog hart die Luft ein, aber es passierte nichts. Matt stoppte kurz vor seinem Gesicht und blieb dann einfach so stehen. Kendrick wusste nicht, ob er wegsehen, Matt anfassen oder ihn bitten sollte, ihn loszulassen.

Matts Atem wehte über seine Wange und Kendrick roch Mandeln. Es ging in Matts Duschgelduft beinahe unter. Frisch und irgendwie nach Zitrone, er konnte es nicht genau benennen. Der Geruch gefiel Kendrick, und ehe er sich zurückhalten konnte, hatte er bereits tief eingeatmet. Kendrick senkte verlegen den Blick, als ihm Matts intensiver Blick auffiel.

»Du riechst genauso gut.«

Matt wanderte mit einer Hand ganz langsam seinen Nacken hinauf, während er die zweite Hand auf jene Stelle legte, wo der Rücken in den Po überging und für Kendrick jedes körperliche Empfinden aufhörte.

»Was machst du da?«, fragte Kendrick nervös und hätte sich Matts Hand in seinem Nacken am liebsten entgegen gelehnt.

»Ich berühre dich.«

»Das merke ich.«

»Gefällt es dir nicht?«

Kendrick biss sich kurz auf die Unterlippe. »Doch.«

»Ist es nicht genug?«

»Nein«, antwortete er, ohne nachzudenken, und sah im nächsten Moment geschockt zu Matt auf. »Ich, äh ... Das war nicht so gemeint. Also ... das war es schon, aber nicht ... so.«

Matt schmunzelte. »Ich weiß und es ist in Ordnung. Ich sage es gerne noch hundert Mal, Ken, es passiert hier nichts, was du nicht willst.«

»Okay.« Kendrick beruhigte sich wieder.

»Willst du mich auch berühren und nicht nur ansehen und riechen?«

»Hm«, machte Kendrick zustimmend, weil er sich nicht traute Ja zu sagen.

»Nur zu.«

»Du hast nichts an.«

»Ich bin es gewohnt, berührt zu werden, du nicht. Jedenfalls nicht in sexueller Hinsicht. Deshalb behältst du heute definitiv deine Kleidung an.«

»Und was ist, wenn ich irgendwann keine Kleidung mehr tragen will? Was ist, wenn ich mehr will?«, fragte Kendrick und lief danach knallrot an, weil er nicht fassen konnte, dass er das eben ausgesprochen hatte.

Matt beugte sich zu seinem Ohr. »Wenn du eines Tages keine Kleidung mehr tragen willst ... Wenn du mehr willst ...«

Matts Atem blies über seine Ohrmuschel, Kendrick bekam eine Gänsehaut. »Was dann?«

»Dann bekommst du alles, was du willst.«

Er wollte nicht fragen, aber Kendrick konnte sich nicht zurückhalten. »Was ist alles?«

 

 

Kapitel 5

 

»Das ist nicht richtig«, murrte Samuel und riss Kendrick aus seinen Erinnerungen.

Bevor er dazu etwas sagen konnte, wandte sein Bruder ihm den Rücken zu, um sich aufs Fensterbrett zu stützen und hinauszusehen. Kendrick war zwar nicht gläubig, aber in dem Augenblick schickte er ein schweigendes 'Danke' an wen auch immer, der dafür gesorgt hatte, dass Samuel nicht mitbekam, wie er seine roten Wangen verfluchte und gleichzeitig versuchte, die Gänsehaut loszuwerden, die ihn gerade überfallen hatte.

Was Matt ihm nach seiner Frage an jenem Abend ins Ohr geflüstert hatte, würde Kendrick nie vergessen und hoffentlich kamen sie bald dazu, einen Teil von Matts Vorstellungen umzusetzen. Die anfängliche Angst vor all dem, was er nicht kannte, hatte sich in den vergangenen Monaten in immer stärkere Neugierde verwandelt, und Kendrick hatte bereits seit Tagen ein Bild im Kopf, von sich selbst in dieser Liebesschaukel und Matt zwischen seinen Beinen, das er einfach nicht mehr loswurde.

Kendrick schob das Bild vor seinem geistigen Auge nur mit äußerster Anstrengung zur Seite, um sich völlig auf seinen Bruder konzentrieren zu können, der gerade den Kopf schüttelte.

»Ich ... Du ... Verdammt, Kendrick, das ist nicht richtig. Ja, ich weiß, dass ich dazu nichts zu sagen habe, du bist alt genug, aber ...« Samuel brach ab und atmete hörbar durch. »Ich kann damit nicht umgehen. Egal, wie ich es drehe und wende, es fühlt sich falsch an.«

Kendrick fuhr sich nachdenklich durch die Haare und betrachtete Samuels angespannten Rücken. Er hatte von Anfang an befürchtet, dass sein großer Bruder das Ganze nicht leicht akzeptieren würde, dafür war er nicht der Typ. Aber es musste einen Weg geben, ihm deutlich zu machen, dass Matt kein mieser Kerl war, geschweige denn ihn betrog, nur weil er mit anderen Männern Sex hatte. Es dauerte eine Weile, aber dann fiel Kendrick etwas ein, worauf ihn Adrian gebracht hatte.

»Sein erster und letzter Blick gilt immer mir.«

Samuel reagierte nicht sofort auf seine Worte, aber als er sich umdrehte und ihn fragend ansah, bemerkte Kendrick die Veränderung in Samuels Augen sofort. Wo zuvor Abwehr und Wut über Matts Verhalten gestanden hatte, fand sich jetzt Neugier. Nicht viel, aber immerhin. Hoffentlich würde es reichen.

»Bevor er anfängt zu spielen, gilt sein letzter Blick mir, und nach dem Ende einer Session, sieht Matt zuerst zu mir. Immer.«

Samuel schluckte und Kendrick wusste, was er fragen wollte, sich aber nicht traute.

»Ja, ich bin dabei, Sam«, sagte Kendrick deshalb und Samuel zuckte zusammen. »Der Club, in dem er spielt, in dem wir spielen, hat ein Zimmer mit Spiegeln. Zuerst war ich hinter diesen Spiegeln, in einem Extraraum. Das hat sich geändert. Ich bin kein Zuschauer mehr.«

»Ken ...«

»Ich werde nicht weiter ins Detail gehen«, versprach er, als Samuel kurz die Augen schloss. »Ich liebe Matt. Ich werde ihn heiraten und ich werde mit ihm Sex haben.«

Samuel verzog das Gesicht und sah ihn zweifelnd an. »Ich weiß nicht, ob ich will, dass du weitersprichst.«

Kendrick grinste. »Keine Sorge, das werde ich nicht, denn ich ahne, was du gerade für Bilder im Kopf hast, aber darüber solltest du besser mit Matt reden, das ist sein Metier. Es geht mir mehr darum, dass ich darüber nicht mit dir diskutieren, sondern es einfach tun werde. Ich kann körperlich nicht fühlen, wie du oder Devin, das weißt du, aber ich kann ihm zusehen. Sex ist eben nicht nur körperlich. Er findet auch im Kopf statt und du hast keine Vorstellung wie schön es ist, ihm zuzusehen. Wie viel es mir bedeutet, dass Matt in Betracht zieht, mit mir zu schlafen. Dass er mich will, Sam. Ich habe nie daran geglaubt, je das zu haben, was du und Devin habt, aber jetzt habe ich es. Die Konstellation ist ungewöhnlich, das gebe ich zu, aber ich liebe Matt und ich akzeptiere sein Spielen. Mehr noch, ich bin immer dabei, weil ich es will.«

Samuel setzte ein paar Mal an, etwas dazu zu sagen, am Ende grinste er nur und lehnte sich schulterzuckend gegen den Fensterrahmen. Kendrick lachte und rollte zu Samuel, um nach dessen linker Hand zu greifen und sie zu drücken.

»Komm schon, Sam. Sag ja.«

»Du brauchst mich doch gar nicht, um ihn zu heiraten. Das kannst du auch gut alleine.«

Kendrick nickte lächelnd. »Ich weiß, aber ich möchte, dass du uns deinen Segen gibst, weil es mir wichtig ist. Als Matt die Idee hatte, habe ich ihm einen Vogel gezeigt, aber er hat recht. Es ist wichtig. Bitte sag ja. Und nimm das Versprechen zurück, das du ihm abgerungen hast. Wenigstens, wenn es um Sex geht.«

Samuel verdrehte die Augen, bevor er neben ihm in die Knie ging, um Kendrick zu umarmen. »Natürlich sage ich ja, Ken, was denkst du denn? Ich bin schließlich nicht blind, und dass ihr euch liebt, ist unübersehbar. Aber ich brauche Zeit, um damit klarzukommen, sei mir nicht böse. Und sollte Matt dir jemals wehtun, indem er dich betrügt oder dich bei euren Spielen verletzt, dann ...«

»Stampfst du ihn unangespitzt in den Boden, ich weiß«, gluckste Kendrick und drückte Samuel an sich, als der lachte. »Ich denke, damit kann ich leben.«

»Das wirst du auch müssen.«

»Idiot.«

Samuel wich zurück, bis sie sich ansahen. »Ken, ich ... du ... also ...«, druckste er herum und Kendrick fing an zu grinsen, denn er ahnte, was Samuel wissen wollte. »Das ist nicht lustig.«

»Doch, für mich schon«, konterte er amüsiert und ließ Samuel los, damit der sich wieder aufrichten konnte. »Und ehrlich gesagt, ich weiß es noch nicht. Wir werden uns informieren, meinen Arzt fragen und nachlesen, was es alles zu dem Thema zu lesen gibt.« Kendrick zuckte mit den Schultern. »Wir werden ohnehin erst Sex haben, wenn Matt genau weiß, was er darf und was nicht.«

»Das ist ja wohl das Mindeste«, brummte Samuel und sah ihn entschuldigend an, als Kendrick tadelnd mit der Zunge schnalzte. »Ich mache mir nun mal Sorgen. Damit wirst du leben müssen, ob dir das passt oder nicht.«

»Das ist mir klar. Mein Verlobter übertrifft dich dabei allerdings um Längen, glaub´s mir.«

Samuel runzelte überlegend die Stirn. »Ich hatte nicht den Eindruck, dass er dich in Watte packt.«

»Tut er nicht. Ich würde ihm auch was erzählen, wenn er damit anfängt. Er hilft mir, wenn es nötig ist, lässt mir aber auch den Freiraum, den ich brauche und vor allem haben will.« Kendrick zuckte erneut die Schultern. »Aber was Sex angeht, hat er einfach mehr Ahnung und daher überlasse ich ihm gerne die Führung, wenn er sie will.«

»Es geht mich eigentlich nichts an ...«, fing Samuel nach kurzer Überlegung an und kratzte sich schief grinsend an der Nase. »Du könntest Matt auch toppen, oder?«

»Meinst du Dildos und dergleichen?«, wollte er wissen und als Samuel nickte, dachte Kendrick eine Weile darüber nach. »Die Idee hat was, das gebe ich zu. Im Club hat er sich nie toppen lassen und so wie ich Matt kennengelernt habe, glaube ich, dass das für ihn eine Premiere wäre.«

»Das hättet ihr dann gemeinsam«, merkte Samuel an.

»Stimmt.« Kendrick sah zu seinem Bruder hoch. »Devin und du, habt ihr schon mal Spielzeug benutzt?«

»Ja«, antwortete Samuel und gluckste. »War ganz nett, aber nicht das Wahre. Ich denke, bei der Frage sind Adrian und David die bessere Adresse, wenn du mehr darüber wissen willst.«

»Ich weiß.«

»Wie schlimm war es eigentlich?«

»Was?«, fragte Kendrick ratlos, weil er nicht wusste, was sein Bruder meinte.

»Dein Treffen mit Adrian. Er hat nichts gesagt, aber ich kann mir vorstellen, dass es nicht gerade leicht war, über das alles zu reden.«

Nein, das war es wirklich nicht gewesen. Kendrick zog eine Grimasse und winkte ab, als Samuel fragend die Stirn runzelte. Darüber wollte er nicht mit ihm reden. Jedenfalls nicht heute. So sehr ihm dieses Gespräch mit dem Anwalt geholfen hatte, er würde wohl nie vergessen, wie peinlich ihm das Ganze anfangs gewesen war und wie er um jedes Wort, jede Frage, hatte kämpfen müssen, denn Adrian war ihm nur das Nötigste entgegengekommen, um ihn aus dem Schneckenhaus zu locken.

Eine Methode, für die Kendrick den Anwalt die erste halbe Stunde am liebsten erwürgt hätte.

 

»Wie kommt Kilian nur mit dir klar? Ich würde dich am liebsten erwürgen!«

Adrian grinste, was Kendrick sofort noch mehr auf die Palme trieb. So ging das jetzt eine halbe Stunde, es war zum aus der Haut fahren. Dieser verflixte Anwalt hatte ihn die ersten fünf Minuten herum stottern lassen wie einen Idioten, bis Kendrick sich so weit beruhigt hatte, um in ganzen Sätzen zu erzählen, dass er einen Rat brauchte und deswegen um dieses Treffen gebeten hatte. Daraufhin hatte Adrian ihn seinerseits gebeten, sich alles von der Seele zu reden, was ihm zu dem Thema im Kopf herumspukte, damit er Kendrick einen Rat geben konnte.

Genau da lag allerdings Kendricks Problem, denn er bekam es nicht auf die Reihe. Er fand keine Worte für das, was er in diesem Spielzimmer gesehen hatte und schwankte zwischen Scham, Faszination und dem Wunsch zur Flucht hin und her. Er wusste, dass der Mann hier neben ihm seine beste Möglichkeit war, darüber zu reden, aber er konnte es einfach nicht.

»Verdammt, hilf mir doch wenigstens ein bisschen.«

Adrian schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht helfen, wenn ich nicht weiß, wo das Problem ist.«

»Ist das nicht offensichtlich?«

»Kendrick, du musst es mir schon erzählen. Ich kann keine Gedanken lesen.«

»Ach, Blödsinn!« Kendrick schnaubte. »David wusste es auch sofort. Er hat mich nicht herumstottern lassen, wie den allerletzten Trottel.«

Adrian drehte sich auf der Bank in seine Richtung und musterte ihn schweigend. Kendrick lief rot an und sah zur Seite, auf ein Blumenbeet mit Osterglocken, die gerade in voller Blüte standen. Kendrick hatte sich für einen Park als Treffpunkt entschieden, da er gedacht hatte, sich an der frischen Luft zu treffen wäre leichter. Mittlerweile wünschte er sich nur noch in seine eigenen vier Wände zurück, traute sich allerdings nicht Adrian vorzuschlagen die Location zu wechseln.

Verdammt, wieso war er in dieser Sache bloß so ein Feigling? Normalerweise war er überhaupt nicht so, im Gegenteil, aber seit er mit Matt ausging und seit dieser ihn in den Club mitgenommen hatte, war er komplett verunsichert und das zeigte sich gerade wieder mehr als deutlich.

»Wenn du es nicht einmal aussprechen kannst, wie willst du dich dann ernsthaft damit befassen?«

Kendrick zuckte zusammen, behielt seinen Blick aber stur auf die Osterglocken gerichtet. Adrian hatte recht, das wusste Kendrick, es half ihm nur nicht weiter. Er kam sich so naiv, dumm, kindisch und albern vor, dabei war er lange erwachsen. Trotzdem saß er hier, in einem kleinen Park, mitten in Philadelphia, mit einem Mann, den er kaum kannte, um über Sex zu reden. Oder besser gesagt, über eine bestimmte Art von Sex, dabei hatte bislang nicht mal normaler Sex auf seinem Lebensplan gestanden. Wozu auch, er konnte in der Region ohnehin nichts fühlen.

»Vielleicht sollten wir es einfach sein lassen«, schlug er schließlich vor, denn alles war besser, als weiterhin hier zu sitzen und sich anzuschweigen.

»Und vielleicht solltest du dir darüber klar werden, dass du überfordert bist und überhaupt nicht weißt, wo du anfangen sollst«, hielt Adrian ruhig dagegen, was Kendrick vorsichtig zu dem Anwalt sehen ließ, der das mit einem leisen Lachen kommentierte. »Und ich dachte immer, Trey wäre stur.«

»Trey?«, fragte er irritiert.

»David. Ich nenne ihn Trey. Das kommt von seinem alten Nachnamen, Treylani.«

»Ach so«, murmelte Kendrick und grinste verlegen, was ihm ein Schmunzeln einbrachte, das half, obwohl er nicht erklären konnte wie. »Ich benehme mich dämlich, oder?«

Adrian schüttelte den Kopf. »Du bist verunsichert, was verständlich ist. Aber ich kann mit dir nicht über dieses Thema reden, wenn du dich kaum traust, mich anzusehen.«

Kendrick seufzte. »Es ist mir peinlich.«

»Was genau?«, hakte Adrian nach und sah ihn an.

Kendrick riss sich zusammen und hielt Adrians Blick stand. »Sex.«

Statt darauf zu reagieren, schwieg der Anwalt und machte Kendrick damit umgehend wieder nervös. Es dauerte nicht lange, bis er sich dabei ertappte, auf seine Hände zu starren, statt Adrian anzusehen. Kendrick verfluchte sich selbst und sah auf. Adrians Blick war unverändert, ruhig und abwartend. Irgendwie ähnelte er damit Matt ein wenig, fand er, sprach den Gedanken aber nicht aus. Stattdessen wandte er erneut den Blick ab und ließ ihn durch den Park schweifen.

»Matt ist der erste Mann in meinem Leben«, sagte Kendrick und ballte seine Hände zu Fäusten. Er zuckte heftig zusammen, als sich auf einmal eine andere Hand über seine legte, wagte aber nicht, Adrian anzusehen, weil er Angst hatte, ewig nicht weiterreden zu können. »Ich fühle nichts ab der Hüfte, deswegen habe ich nie darüber nachgedacht. Über Sex, meine ich. Das Thema existierte für mich einfach nicht. Bis Matt kam. Er hat alles verändert und diese Veränderung ist ...« Kendrick stockte kurz. »Sie macht mir wahnsinnige Angst.«

»Warum?«

»Ich weiß nichts darüber. Ich bin fast vierzig Jahre alt und habe keine Ahnung. Es war nie wichtig, hatte keine Bedeutung, und auf einmal denke ich an nichts anderes mehr. Matt hat gesagt, er lässt mir Zeit, aber wie lange? Wie lange gibt sich ein Mann wie er mit jemandem wie mir zufrieden? Jemandem, der gerade mal weiß, wie Sex theoretisch abläuft, aber sonst keinen Schimmer hat. Schon gar nicht von solchen Sachen, wie Matt sie tut. Als wir darüber geredet haben, dachte ich, wir würden es hinkriegen. Ich war mir sicher. Aber das ist einen Monat her und mit jedem Tag habe ich mehr Angst davor, irgendetwas falsch zu machen, dabei hat er gar keinen Vorstoß in Richtung Sex gemacht.«

»Soll er denn einen machen?«

Kendrick dachte stirnrunzelnd über die Frage nach. »Nein«, antwortete er schließlich. »Noch nicht.«

»Warum nicht?«

Eine ziemlich gute Frage, fand er und dachte lange darüber nach, bis er irgendwann den Mut fand, wieder zu Adrian zu sehen. »Ich mochte es, ihm im Club zuzusehen, und ich möchte wieder zusehen, doch ich kann noch kein Teil davon sein.«

Adrian nickte verstehend. »Kannst du dir vorstellen, eines Tages ein aktiver Teil zu sein?«

»Ja«, gab Kendrick zu und spürte, dass er rot wurde. »Nur nicht jetzt. Ich weiß ja noch gar nicht, was aus uns wird. Ich meine, wir gehen aus. Ins Kino, spazieren, in ein Museum.« Er grinste. »Er hat mich vorgestern ins Schwimmbad geschleppt, weil er mir unbedingt die Rutsche zeigen wollte, die er mit Begeisterung mehrfach ausprobiert hat.«

Adrian lachte leise. »Wie alt ist er noch mal?«

»Weiß ich nicht«, antwortete Kendrick überrascht, als ihm auffiel, dass sie darüber noch nicht gesprochen hatten. »Er hat einen Zwilling, Paul, und arbeitet in einer Abfallfabrik, aber wann er Geburtstag hat, weiß ich nicht.«

»Frag ihn nächstes Mal«, schlug Adrian vor und zwinkerte ihm dann zu. »Er ist vier Jahre jünger als du.«

Kendrick blieb der Mund offenstehen.

»Erzähl mir etwas von ihm«, sprach Adrian weiter, ehe Kendrick nachhaken konnte, woher der Anwalt wusste, wie alt Matt war. »Wie kam es dazu, dass du in dem Spielclub gelandet bist? Erzähl mir, wie ihr euch überhaupt kennengelernt habt. Und spar dir die Frage danach, woher ich weiß, wie alt Matt ist. Das verrate ich dir nicht.«

»Adrian!«

Der Anwalt lachte und schüttelte dabei den Kopf. »Nein, kein Kommentar.«

»Aber ...«

Adrian grinste. »Gut, wenn du mir nichts von Matt erzählen willst, lass uns über Sex reden.«

»Matt hat mir geholfen, als ich mit meinem Rollstuhl bei Regen stecken geblieben bin«, wich Kendrick aus, denn im Gegensatz zu Sex, war ihr Kennenlernen für ihn sicheres Gebiet. »Eigentlich wollte er da gerade mit so einem Typen in den Club, um zu spielen, das hat er mir bei unserem ersten Date erzählt. Er hat mich nach Hause gebracht und stand drei Tage später vor meiner Tür, um mit mir essen zu gehen.« Kendrick lachte leise bei der Erinnerung daran. »Ich wollte nicht, weil ich bis zum Hals in Arbeit steckte, aber Matt hat einfach nicht lockergelassen, bis ich nachgab, mit ihm einen Hotdog zu essen. Seither gehen wir ab und zu aus und ich bin gerne mit ihm zusammen.«

»Und der Club?«

»Das war eigentlich ein Date, hat Matt jedenfalls zu mir gesagt.« Kendrick seufzte. »Ich wäre nie mitgegangen, wenn ich die Wahrheit gewusst hätte. Ich schätze, das war ihm klar, deshalb die Ausrede mit dem Date. Ich habe erst begriffen, was das für ein Laden ist, als ich die nackten Männer gesehen habe.«

»Trotzdem bist du geblieben.«

»Ja«, gestand Kendrick und wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. »Es war ... Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Einerseits wollte ich nur weg, andererseits konnte ich nicht wegsehen, als Matt diesen Mann ins Zimmer geholt hat und ihn ...« Kendrick brach ab und schluckte. »Wir haben uns dort das erste Mal geküsst. In diesem Club, an jenem Abend. Seither denke ich darüber nach, wie das mit uns gehen soll und ob es funktionieren kann, weil ich ja nicht richtig fühlen kann, geschweige denn mit Matt mithalten.«

»Wow, Stopp!«, unterbrach Adrian ihn abrupt und Kendrick sah den Anwalt verblüfft an. »Hat er das etwa von dir verlangt? Dass du mit ihm mithältst?«

»Nein!« Kendrick schüttelte den Kopf. »Er hat gar nichts verlangt, im Gegenteil. Matt überlässt alles mir.«

»Warum machst du dich dann so verrückt?«, fragte Adrian und darauf fiel Kendrick keine Erwiderung ein, was der Anwalt offenbar erwartet hatte, so wie er jetzt nickte. »Du machst dir ganz umsonst Gedanken. Genieß es einfach und lass es auf dich zukommen. Wenn er sagt, dass du den Zeitplan bestimmst, dann meint Matt das so. Natürlich kannst du darüber nachdenken, wie und was du dir beim Sex später vorstellen kannst, aber hör um Himmels willen auf dich zu fragen, ob du mit ihm mithalten kannst. Das ist Blödsinn. Ihr müsst einen gemeinsamen Weg finden. Weder sollst du dich Matt anpassen noch umgekehrt. Ihr müsst euch in der Mitte treffen, nur so wird es funktionieren.«

»Und was ist mit Sex?«

Adrian sah ihn tadelnd an. »Gerade dabei müsst ihr euch in der Mitte treffen, Kendrick. Ihr seid von Grund auf verschieden, nicht nur, was eure körperlichen Voraussetzungen angeht. Matt ist ein Spieler, das wird er nie ablegen. Du bist körperlich eingeschränkt, das wirst du nie ablegen. Findet einen Weg, beide Seiten zu kombinieren, damit es für euch passt. Sobald sich einer dem anderen anpasst oder zurücksteckt, läuft in einer Beziehung etwas falsch und das sollte nicht sein.«

»Ist anpassen in Beziehungen nicht normal?«

»Nein«, widersprach Adrian ernst. »Jedenfalls nicht in der Form, wie du gerade denkst. Sicher steckst du ab und zu zurück, wenn dein Partner Kino nicht ausstehen kann und lieber in die Oper will. Wenn du statt Nudeln lieber Reis essen will. Dann wechselt ihr euch ab, damit jeder zum Zug kommt. Aber das gilt niemals beim Sex oder beim Rauchen oder Trinken, such es dir aus. Würdest du dich etwa Matt zuliebe auspeitschen lassen? Soll er in Zukunft nur noch Salat essen, um dir zu gefallen?«

Kendrick verstand, was Adrian meinte. »Nein.«

Adrian nickte zufrieden. »Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Weder darfst du sie bei Matt überschreiten noch er bei dir. Wenn ihr gemeinsam entscheidet, dass ihr eine Grenze neu setzen wollt, ist das in Ordnung, aber sonst nicht.«

»Und was mache ich jetzt?« Kendrick sah den Anwalt hilflos an. »Ich meine, wie läuft eine Beziehung? Du bist ewig mit David verheiratet. Woher wusstet ihr ...?«

»Das wirst du erkennen, wenn der Zeitpunkt passt«, unterbrach Adrian ihn lächelnd. »Dafür gibt es kein Patentrezept, gab es noch nie. Lern Matt kennen. Geh mit ihm aus. Spiel ruhig mit ihm, wenn du möchtest. Und wenn etwas ist, frag ihn. Sag ihm, sobald du dich unwohl fühlst. Frag ihn, wenn dir irgendetwas unklar ist. Reden, Kendrick. Ihr müsst miteinander reden, über alles. Vor allem über Sex, weil du keine Erfahrung hast und für ihn der Sex zum Leben dazugehört.«

»Oh je«, murmelte Kendrick und spürte, wie seine Wangen sich rot färbten, was Adrian leise lachen ließ. »Das ist überhaupt nicht komisch.«

»Mach dich nicht verrückt. Es gibt bei diesem Thema keine dummen Fragen, Kendrick. Außerdem weiß Matt, dass das für dich alles neu ist.«

»Er hat gesagt, dass ich ihm alles sagen kann.«

»Dann tu es auch.«

 

 

Kapitel 6

 

Kendrick musste unwillkürlich lächeln, als er sich an Adrians Rat erinnerte, denn er hatte es getan. Nach dem Treffen im Park hatte er angefangen mit Matt über alles zu reden, was in seinem Kopf herumschwirrte, obwohl es ihm die ersten Male verdammt schwergefallen war.

»Wieso lächelst du?«, fragte Samuel neugierig und Kendrick sah ihn nachdenklich an. Vielleicht sollte er seinem Bruder erzählen, was er bei seinen Gesprächen mit Matt erfahren hatte. Schaden konnte es kaum.

»Bei unseren Treffen gab Adrian mir den Rat, immer mit Matt zu reden. Offen, ehrlich, direkt. Über alles. Ich habe eine Weile gebraucht, den Mut dafür zu finden, aber ich tat es, und es hat einiges verändert, Sam.«

»Was meinst du damit?«

»Hast du eigentlich eine Vorstellung, wie schwer das für Matt ist?«

Samuel runzelte die Stirn. »Schwer?«

»Ja, schwer.« Kendrick nickte. »Ich meine, sieh dich an. Wie du auf die Barrikaden gegangen bist. Glaubst du, Matt weiß nicht Bescheid? Glaubst du, er bemerkt nicht, dass du ihm nicht vertraust? Dass er unerwünscht ist? Dass du ihn für einen ... mir fällt kein passendes Wort dafür ein, aber für einen netten Kerl hältst du ihn kaum, oder? Er ist ein Hardcore-Spieler, ein sehr sensibler übrigens, und du hast genauso reagiert wie die meisten Menschen, sobald sie erfahren, was er für Vorlieben hat. Männer wie er haben es oft genauso schwer einen festen Partner zu finden wie Behinderte. Bei mir stört viele der Rollstuhl, bei Matt sind es die Ketten und Peitschen.«

Samuel schüttelte den Kopf. »Das ist nicht dasselbe. Ein Rollstuhl kann nicht als Waffe benutzt werden, sein ganzer Kram schon.«

»Sam ...« Kendrick seufzte. »Matt weiß, wie man mit diesem ganzen Kram umgeht, und er würde nie von mir verlangen, ihn zu benutzen. Ja, Matt spielt. Ja, er schlägt seine Partner. Ja, dabei bleiben ab und zu auch blaue Flecken oder Druckstellen zurück. Davon stirbt aber niemand und ganz davon abgesehen, soll ich mal Devin wegen blauer Flecken befragen?«

Samuel schnappte entrüstet nach Luft. »Das kannst du nicht vergleichen.«

»Doch, Sam, das kann ich, weil ich Matt gerne zusehe, wenn er spielt. Weil es mich anmacht.« Kendrick nickte, als sein Bruder das Gesicht verzog. »Leb damit, denn so bin ich nun mal. Akzeptier es, auch wenn es dir nicht gefällt. Ich mag es, ein Teil dieser Spiele zu sein, und Matt kann nicht ohne sie existieren, also spielen wir. So, wie es für uns richtig ist, und für die anderen Männer, die dabei sind. Bei Adrian machst du doch auch nicht so ein Theater. Was ist bei Matt anders?«

»Adrian ist eben Adrian«, erklärte Samuel störrisch, was Kendrick ungewollt grinsen ließ.

»Könnte es zufällig damit zu tun haben, dass du und er mal die Bettfedern zum Quietschen gebracht habt?«

»Ken!«

Kendrick prustete los. Wieso wunderte ihn das nicht? Manchmal war keine Antwort sehr wohl eine Antwort und in diesem Fall sprachen Samuels rote angelaufene Wangen eine eindeutige Sprache. Bei seinem Bruder hatte dieser sture Anwalt aus Baltimore Narrenfreiheit. Es wunderte ihn nicht sonderlich.

»Du bist unmöglich«, nörgelte Samuel und sah ihn danach eine Weile nachdenklich an, bis er schlussendlich nachgebend seufzte. »Entschuldige. Ich schätze, ich muss das alles erst mal sacken lassen.«

Kendrick nickte. »Damit habe ich kein Problem, solange du keines mehr daraus machst.«

Samuel war ziemlich verlegen. »Ich gebe mir Mühe.«

»Mehr verlange ich nicht.«

»Und Matt? Was verlangt er?«

Kendrick schmunzelte, denn auf die Frage hatte er schon gewartet. »Das kann er dir gleich selbst erzählen. Er wollte sowieso mit dir reden. Nimmst du von deinem kleinen Bruder einen Rat an?«

»Ausnahmsweise«, murrte Samuel, grinste aber dabei, was Kendrick amüsiert die Augen verdrehen ließ.

»Idiot. Und was meinen Rat angeht, bleib ehrlich. Darauf hat er bei mir bestanden, egal wie verletzend es anfangs für ihn war.«

»Ich kann deinem Verlobten doch nicht sagen, dass ich diesen Kram für ...« Samuel brach ab.

»Pervers, krank und abartig hältst? Wolltest du das sagen?«, führte er den Satz seines Bruders zu Ende, worauf Samuel beschämt zu Boden sah.

»Es tut mir leid.«

»Ist schon gut«, wiegelte Kendrick ab, auch wenn es im ersten Moment verdammt wehgetan hatte. »Ich weiß, was in dir vorgeht, denn ich habe ähnlich reagiert. Daher mein Rat, sei ehrlich und hör ihm zu.«

»Das wird nicht leicht werden«, gab Samuel zu.

»Seit wann ist das Leben leicht?«, konterte er belustigt, was seinen Bruder lächeln ließ, bevor er sich zu ihm beugte und ihn umarmte.

»Ich liebe dich, du Nervensäge.«

»Gleichfalls, du Oberglucke.«

»Hey, das ist Adrian«, beschwerte sich sein Bruder umgehend und Kendrick lachte. »Wie kam es eigentlich dazu?« Samuel löste sich von ihm. »Ich meine Matts Heiratsantrag.«

»Ach so.« Kendrick grinste. »Eigentlich haben wir uns nur gestritten.«

Samuel blinzelte verdutzt. »Wie kann man sich denn 'nur' streiten?«

»Es ging um Sex.« Er wedelte amüsiert mit den Händen. »Es war ein Hin und Her, ich kann mich nicht mehr an den Wortlaut erinnern. Jedenfalls erklärte Matt mir, dass er nicht mit mir schlafen kann, weil er es dir versprochen hat.«

»Ähm ...«

»Ich weiß«, unterbrach er Samuel und winkte lässig ab. »So war das gar nicht gemeint, das hat er mir auch erklärt, nachdem ich kurz davor war, ihn zum Teufel zu jagen und dich gleich mit. Am Ende gab er zu, dass er mit mir keinen Sex haben kann, weil er dir versprochen hat, mir niemals wehzutun, sein Versprechen allerdings nicht einhalten kann, wenn wir Sex haben, weil es beim ersten Mal eben wehtun kann. Ich habe gekontert, ich würde da ohnehin nichts fühlen, aber das hat er nicht gelten lassen. Es gab wieder ein Wort das nächste und am Ende habe ich ihn angebrüllt, dass ich mit dem Mann schlafen will, den ich liebe, ganz egal, ob meinem großen Bruder das passt oder nicht.«

»Und dann?«, fragte Samuel neugierig, als Kendrick im nächsten Moment kopfschüttelnd lachte.

»Matt hat mich fassungslos angestarrt, dass ich mich schon fragte, was ich gerade Schlimmes gesagt habe, bis er seine Jacke genommen hat und abgehauen ist.«

»Was ist er?«, fragte Samuel fassungslos.

Kendrick nickte. »Ich war genauso verblüfft und zudem stinksauer, weil ich in seiner Wohnung praktisch festsaß, aber nicht sofort jemanden anrufen wollte, bevor ich wusste, was das soll. Also habe ich abgewartet und Matt war recht schnell zurück. Bevor ich ihn dafür anschreien konnte, dass er mich alleingelassen hatte, ist er vor mir in die Knie gegangen, hat mir den Ring hingehalten und mich gebeten, ihn zu heiraten, weil er mich auch lieben würde und dass er sofort mit dir reden müsste, um das Versprechen an dich rückgängig zu machen, damit wir miteinander schlafen und nicht nur spielen können. Tja, deswegen sind wir jetzt hier.«

Samuel gluckste. »Damit ich das richtig verstehe ... Ihr streitet über Sex, über mich, über Liebe und am Ende hast du Matts Ring am Finger und willst ihn heiraten?«

»Ja, so kann man es zusammenfassen.«

Samuel prustete los. »Mein Gott, ihr seid schlimmer als Devin und ich.«

»Hey, immerhin musste ich meinem Verlobten nicht bis nach Australien hinterher fliegen«, sagte Kendrick grinsend, was seinen Bruder nur noch mehr lachen ließ.

Nach einer Weile sahen sie sich belustigt an.

»Sag mal ...« Samuel lehnte sich wieder gegen den Fensterrahmen. »Weiß Matt Bescheid? Ich meine deinen Tagesablauf, das medizinische Zeug, einfach alles.«

Oh je, ausgerechnet diese Frage. Dabei war klar, dass sie hatte kommen müssen, aber er erinnerte sich nicht gern daran, wie Matt praktisch einen Crashkurs hatte nehmen müssen, was das betraf. Das Ganze war ihm heute noch peinlich, dabei hatte Matt ihm bereits in jener Nacht gesagt, dass es das nicht sein musste, weil all diese Dinge nun mal zu seinem Leben dazugehörten.

»Ja, weiß er.«

Samuel runzelte die Stirn. »Ken, dieser Blick gefällt mir gar nicht. Was ist los?«

Kendrick zuckte mit den Schultern. »Matt hat auf die harte Tour erfahren, dass mein Tagesablauf etwas anders ist, als der von gesunden Menschen. Und glaub mir, ich wollte nicht, dass er so davon erfährt«, sagte er und entschied, seinem Bruder die ganze peinliche Geschichte zu erzählen.

 

»Kann es sein, dass das letzte Bier schlecht war?«

Kendrick betrachtete Matt belustigt, während sein Freund versuchte aus der Hose zu kommen, ohne dabei umzufallen. Matt war ziemlich angeheitert und ihn mit zu sich zu nehmen, war eindeutig richtig gewesen.

»Ich glaube eher, dass du ein Bier zu viel hattest.«

Kendrick grinste kopfschüttelnd, als Matt daraufhin empört schnaubte und bei dem Versuch sich die rechte Socke auszuziehen, auf dem Hinterteil landete.

»Aua«, nörgelte Matt und rieb sich den Hintern.

Kendrick hatte es sich im Bett bequem gemacht und lachte leise, als Matt mit seiner zweiten Socke kämpfte. Der Anblick war einfach zu herrlich. Dabei hatten sie sich nur einen gemütlichen Abend zu zweit in diesem chinesischen Restaurant am Stadtrand machen wollen. Von einer feuchtfröhlichen Party mit Chris und ein paar Jungs aus dem Club war nicht die Rede gewesen. Das hatten die jedoch anders gesehen, als sie im Restaurant auf die Jungs getroffen waren und das Ergebnis hatte Kendrick jetzt direkt vor Augen.

»Du bist ziemlich breit«, sagte er belustigt, da Matt drei Anläufen brauchte, zu ihm ins Bett zu krabbeln.

»Ich bin nicht breit«, widersprach Matt entrüstetet und deutete auf sich. »Ich bin schlank und sportlich und sexy und ... und ...« Matt brach ab und runzelte die Stirn, um zu überlegen. »Und geil. Das wollte ich sagen. Ja, geil.«

»Geil auf mich?«, fragte Kendrick amüsiert und half Matt unter die Bettdecke zu kommen, weil er das allein nicht hinbekam.

»Oh ja«, nuschelte Matt und schaffte es, sich auf den Bauch zu drehen, das Gesicht im Kopfkissen vergraben. »Voll geil auf dich, echt.«

Kendrick zog lachend die Decke hoch, worauf Matt sich seufzend an ihn schmiegte und einschlief. »Schlaf gut«, flüsterte er liebevoll und strich Matt die Haare aus der Stirn, der darauf reagierte, in dem er einen Arm um ihn legte und das Gesicht mit einem zufriedenen Seufzen an seiner Schulter vergrub. »Ich mag dich wirklich sehr, Matthew Pace«, murmelte Kendrick, bevor er die Nachttischlampe ausschaltete.

 

Irgendetwas riss ihn aus dem Schlaf.

Kendrick blinzelte in der Dunkelheit herum, schaute zur Seite und entdeckte Matts Silhouette, der neben ihm lag und schlief. Er rieb sich die Augen und horchte in sich hinein. Kein Hunger, kein Durst und auch sonst keine Beschwerden. Merkwürdig. Kendrick schaltete die Nachttischlampe ein. Normalerweise schlief er durch, bis sein Wecker klingelte und ihm verkündete, dass es an der Zeit war, ins Bad zu verschwinden.

Kendrick war an seinen Tagesablauf gewöhnt und es irritierte ihn, ohne Grund wach geworden zu sein. Vielleicht lag es an Matt. Sein Freund war das erste Mal über Nacht bei ihm, aber da er nicht der erste Mensch war, der bei ihm schlief, schob Kendrick die Überlegung beiseite und setzte sich auf.

Er brauchte einen Moment, bis ihm klar wurde, was die Feuchtigkeit unter seinen Handflächen zu bedeuten hatte. Kendrick wurde übel. Das musste ein Albtraum sein. Er sah zu seinem Wecker und schloss gequält die Augen, denn die Anzeige war eindeutig.

»Scheiße«, flüsterte Kendrick und warf die Decke ein Stück zurück, um sich die Bescherung anzusehen. Seine Bettseite war versaut. Er hatte vergessen, den Alarm zu stellen und war selbst nicht rechtzeitig aufgewacht, um auf die Toilette zu gehen.

»Hm?« Matt drehte sich auf die Seite und gähnte, bevor er ihn ansah. »Hey, kannst du nicht schlafen?«

Kendrick zog die Decke wieder über sich und suchte hilflos nach Worten. Er wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. »Nein, ich ...«

Oh Gott, wie sollte er das bloß Matt erklären? Am besten gar nicht, aber spätestens morgen früh würde Matt es merken und Kendrick wollte nicht die restliche Nacht im Nassen verbringen. Er musste Matt irgendwie aus seiner Wohnung bekommen, damit er den Pflegedienst anrufen konnte, der für solche Notfälle rund um die Uhr erreichbar war.

Matt runzelte die Stirn. »Geht´s dir nicht gut? Du bist so blass.«

Kendrick schluckte. Er wusste absolut nicht, was er jetzt sagen sollte. »Ich ... ähm ...«

»Ken? Was ist denn los?« Matt setzte sich auf und hielt sich prompt den Kopf. »Gott, ich hasse Bier.«

Kendrick hätte fast losgelacht. Na wenigstens war Matt wieder einigermaßen nüchtern. Hoffentlich kam er heil nach Hause. Kendrick wollte Matt nicht anlügen, aber er brachte die Wahrheit nicht über seine Lippen. Das war ihm zuletzt vor einigen Jahren passiert, als er beruflich über mehrere Monate hinweg so eingespannt gewesen war, dass sein Tagesrhythmus gelitten hatte. Normalerweise dachte er immer an den Wecker. Egal, wie müde er war, denn Kendrick wusste, wie wichtig diese feste Zeiten für ihn waren. Wie hatte er das nur vergessen können?

»Nichts ist los«, wehrte Kendrick zu Tode verlegen ab und sah zur Seite. Er konnte Matt nicht erzählen, was passiert war. Es ging einfach nicht. »Würdest du bitte gehen?«

Schweigen.

Matt antwortete nicht und das machte ihn nervös. So nervös, dass er schließlich nicht anders konnte, als zu Matt zu schauen, der ihn beunruhigt ansah. Kendrick wich seinem Blick wieder aus und sah auf die Bettdecke.

»Was ist los, Ken? Ich gehe, wenn du willst, aber ich möchte wissen, warum? Bist du wütend auf mich? Weil ich getrunken habe? Habe ich irgendetwas falsch gemacht?«

Kendrick schüttelte den Kopf. »Nein, es liegt an mir. Nur an mir. Nicht an dir.«

Das war zwar nicht gelogen, aber die Wahrheit war es auch nicht. Kendrick biss sich auf die Unterlippe und wagte nicht, zu Matt aufzusehen. Er spürte, wie sich die Matratze kurz bewegte, und hörte Matt dann leise im Schlafzimmer herumgehen. Mit jeder Sekunde, die sie sich anschwiegen, wuchs sein schlechtes Gewissen, und als Matt die Tür aufzog, um zu gehen, hielt Kendrick es nicht mehr aus.

»Warte.«

Die Tür wurde wieder geschlossen, und erst als Matt sich neben ihn vors Bett hockte, fand Kendrick genug Mut, ihn anzusehen. Matts besorgt fragender Blick gab ihm den letzten Schubs.

»Es liegt wirklich nicht an dir. Ich wollte nicht, dass du es siehst.«

»Was sehen?«, fragte Matt und Kendrick biss sich erneut auf die Unterlippe, bevor er seine Bettdecke beiseiteschob und Matt freien Blick auf die Sauerei gewährte, während er den Kopf abwandte. »Ist es das, was ich denke?«, fragte Matt leise und Kendrick nickte nur, weil er vor Scham kein Wort herausbrachte. »Was kann ich tun?«

»Nichts. Ich rufe den Pflegedienst an und ...«

»Ken.« Matt legte eine Hand unter sein Kinn. »Lass den Unsinn«, fuhr der ihn tadelnd an, als Kendrick sich dagegen wehrte, dass Matt sein Gesicht zu sich herumdrehen wollte, worauf Kendrick verblüfft zu ihm sah. »Hör auf damit. Du musst dich nicht vor mir schämen, klar? Und jetzt sag mir, wie ich dir helfen kann. Du musst aus dem Bett und den nassen Sachen raus. Was machst du bei solchen Unfällen? Dusche? Wanne?«

»Aber der Pflegedienst ...«

»Ist nicht hier. Ich schon. Bin ich dein Freund oder nicht?«, unterbrach Matt ihn ernst. »Denn wenn ich es bin, gehören auch diese Details zu deinem Leben. Ich hätte dich ohnehin bald danach gefragt, oder denkst du, mir ist das egal?«

»Nein«, gab Kendrick verlegen zu, denn so schätzte er Matt nicht ein. »Ich schäme mich trotzdem in Grund und Boden.«

Matt seufzte leise. »Das brauchst du nicht. Nicht vor mir. Lass mich helfen.«

Kendrick gab nach. Es war sinnlos, sich weiter mit Matt zu streiten und außerdem hatte sein Freund nun mal recht. Er musste aus den nassen Sachen raus, bevor er sich eine Erkältung oder etwas anderes einfing.

»Dusche geht schneller. Putzzeug ist in der Kammer«, murmelte er und zuckte zusammen, als Matt beide Arme unter ihn schob. »Matt ...«

»Hey, ich dusche nach dir.« Matt lächelte ihn an. »Es ist okay, Ken. Stell dir einfach vor, wir hätten im Regen geknutscht.«

Kendrick wollte nicht lachen, er tat es trotzdem. Wie konnte Matt aus dieser Peinlichkeit eine alberne Farce machen? Es war ihm ein Rätsel, aber es funktionierte und darauf hatte Matt es wohl auch abgesehen, begriff Kendrick, als er sich unter der Dusche wiederfand, den Blick auf seinen Rollstuhl gerichtet, den Matt ihm gebracht hatte, bevor er gegangen war, um das Bett abzuziehen und die Matratze sauber zu machen.

Eine halbe Stunde später hatte Matt alles erledigt und trat frisch geduscht zu ihm ins Wohnzimmer, sich die Haare trocken reibend. »Hast du eine Reisetasche?«

Kendrick sah Matt fragend an. »Wozu?«

Matt gähnte. »Du kannst nicht den Rest der Nacht auf der Couch schlafen, also kommst du mit zu mir. Wir packen dir ein paar Sachen ein. So kannst du bleiben, bis die Matratze und das Bettzeug trocken sind.«

»Aber ich muss arbeiten«, sagte Kendrick verblüfft, was Matt mit den Schultern zucken ließ.

»Und? Du hast mir gesagt, du machst das meiste am Laptop und den können wir mitnehmen. Außerdem ist seit ein paar Stunden Samstag, falls dir das entgangen sein sollte. Oder arbeitest du am Wochenende durch?«

»Oh«, machte Kendrick überrumpelt.

Matt grinste. »Na? Noch eine Ausrede, um nicht mit zu mir kommen zu müssen?«

»So war das nicht gemeint«, murmelte er und lief rot an, als Matt lachte. »Na schön, war es doch. Ich habe noch niemals bei einem anderen Mann geschlafen, zufrieden?«

Matt kam zu ihm zur Couch und stupste ihm neckend gegen die Nase. »Ich auch nicht, Mister Hasenfuß.«

»Ehrlich?«, fragte Kendrick und Matt nickte. »Oh«, wiederholte er wenig geistreich und grinste schief, als Matt ihm zuzwinkerte. »Im Schrank. Unten rechts.«

 

 

Kapitel 7

 

»Er hat super reagiert.« Samuel setzte sich im Schneidersitz neben ihn auf den Boden. »Ich schätze, ihr habt in der Nacht nicht mehr viel geschlafen, oder?«

Kendrick schüttelte den Kopf. »Matt wollte alles wissen und ich habe es ihm erzählt. Es ging einfacher, als ich dachte, aber er hat es mir leicht gemacht. Das ganze Jahr, seit ich ihn kenne, Sam. Ich habe mich manchmal gefragt, ob ich nur träume und er der perfekte Mann ist. Zumindest, bis ich aufwache und feststelle, dass es Matt überhaupt nicht gibt, aber es gibt ihn.«

Samuel fuhr sich durch die Haare und sah ihn danach von unten herauf mit einem schiefen Grinsen an. »Tust du mir einen Gefallen?«

»Klar«, antwortete Kendrick nickend.

»Schickst du mir deinen Zukünftigen hoch, damit ich ihn aushorchen und danach verhauen kann?«

Kendrick lachte los und schlug Samuel mit der Hand auf den Hinterkopf. »Du bist unmöglich.«

»Ich weiß«, konterte Samuel belustigt und wich einem weiteren Schlag aus, um ihn unschuldig anzusehen.

Kendrick kommentierte das mit einem belustigten Augenverdrehen, bevor er sich auf den Weg nach unten machte, um Samuel seinen Wunsch zu erfüllen. Es war wirklich Zeit, dass sein Bruder und Matt sich ausführlich unterhielten. Wenn jemand Samuel erklären konnte, was es mit ihrer Spielerei auf sich hatte, dann war das Matt.

 

»Und?«

Matt sah zu ihm. »Was und?«

Kendrick schnaubte. »Jetzt tu nicht so unschuldig. Wie hat Sam reagiert?«

Sein Verlobter grinste und zog nebenbei seelenruhig seine Kleidung aus. Kendrick hätte ihn am liebsten erwürgt. Seit sie vor einer Stunde bei ihm zu Hause eingetrudelt waren, versuchte Kendrick aus Matt Details von dessen Gespräch mit Samuel herauszuquetschen, aber Matt war ihm bislang erfolgreich ausgewichen. Matts Grinsen nach zu urteilen, war zwischen ihm und Samuel soweit alles klar, aber Kendrick wollte mehr darüber wissen und er würde seinen Freund so lange nerven, bis der ihm endlich antwortete.

»Nun sag schon«, quengelte er und warf Matt eines der Kopfkissen an den Kopf, was den lachen ließ. »Devin und ich haben gewettet, ob ihr euch anschreit, aber es war nichts zu hören. Ich lasse dich nicht schlafen, bis du mir Details geliefert hast.«

Matt schüttelte amüsiert den Kopf. »Ihr mit euren Wetten. Aber bevor du mir vor Neugierde stirbst, wir haben uns Nate zuliebe nicht angeschrien.«

Das hatte Devin auch vermutet, während sie sich in der Küche, bei einer Tasse Kakao, über den kläglichen Rest der dritten Tafel Schokolade hergemacht hatten, die Matt übrig gelassen hatte.

»Aber ihr habt gestritten, oder?« Kendrick seufzte, als Matt ihn angrinste und danach das Kissen zurückwarf. »Du bist ein unmöglicher Kerl«, nörgelte er und legte das Kopfkissen neben sich, um Matt bettelnd anzusehen.

»Nur ein bisschen«, gab der daraufhin endlich zu und Kendrick streckte triumphierend die Faust in die Luft.

»Gewonnen. Ich wusste es.«

»Hey, wir reden hier gerade über deinen Bruder«, erinnerte Matt ihn tadelnd und zugleich belustigt und Kendrick tat unschuldig.

»Den ich sehr liebe, aber Devin schuldet mir trotzdem fünfzig Mäuse.« Matt prustete los und Kendrick schlug die Bettdecke zurück. »Komm endlich ins Bett.«

Matt legte ihre Sachen über einen Stuhl und kam zu ihm. »Du hast wirklich gewettet, dass dein Bruder sich nicht beherrschen kann? Kendrick Becks, ich sollte dich übers Knie legen.«

»Heb dir das für Chris auf«, winkte er amüsiert ab und ließ zu, das Matt ihn an sich zog. »Matt? Habt ihr Frieden geschlossen?«

»Ich würde es einen Waffenstillstand nennen«, antwortete Matt nach kurzer Überlegung und gab ihm einen sanften Kuss aufs Ohr, als Kendrick seufzte. »Lass ihm ein bisschen Zeit, sich an mich zu gewöhnen. Sam hat seine Worte zurückgenommen und nicht einmal damit hatte ich gerechnet, nach seiner ersten Reaktion. Unsere Beziehung zu akzeptieren, ist für ihn nicht ganz einfach.«

»Das weiß ich, aber er ist mein Bruder. Ich möchte, dass er dich mag«, gab er zu und sah zu Matt. »Ich wünschte, er könnte ignorieren, dass wir spielen.«

Matt schüttelte den Kopf. »Das kannst du ihm nicht vorschreiben. Sam hat falsche Vorstellungen von dem, was wir tun. Ich habe ihm angeboten, all seine Fragen zu beantworten und er wird darauf zurückkommen, das stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, allein schon deinetwegen. Aber wann er das tun wird, musst du ihm überlassen. Du darfst dich nicht einmischen. Das wäre bei Paul auch schiefgegangen, wenn ich ihn gedrängt hätte, dich zu mögen.«

Da hatte Matt recht, denn Paul war ihm gegenüber die erste Zeit sehr zurückhaltend gewesen, erinnerte sich Kendrick, wobei ihm etwas einfiel, das ihn sofort zum Schmunzeln brachte.

»Erinnerst du dich noch an Pauls Party? Die vor drei Monaten?«, fragte er und stellte den Wecker.

Matt fing an zu lachen. »Du meinst, wo er am Ende so dicht war, dass er in der Badewanne übernachten wollte, weil er sein Bett nicht mehr gefunden hat?«

»Bingo«, antwortete Kendrick und grinste Matt breit an, der ihn im nächsten Moment auf den Rücken drehte und sich über ihn beugte, um ihn zu küssen.

»Erinnerst du dich rein zufällig auch an das danach?«, flüsterte Matt, nachdem er von seinen Lippen abgelassen hatte. »Du weißt schon, als wir ihn endlich in sein Bett gesteckt hatten und zu mir gefahren waren?«

Kendrick musste einen Moment überlegen, bis ihm die Erkenntnis kam, was Matt meinte. »Oh.«

»Ja, oh«, echote Matt lächelnd und strich ihm über die Wange. »Du warst so sexy an dem Abend.«

»Ist mir nicht aufgefallen«, murmelte Kendrick und sah Matt entschuldigend an. »Wirklich nicht.«

»Deswegen habe ich es dir ja auch gesagt.«

»Und wie.« Kendrick schnaubte empört. »Ich wusste gar nicht, wo ich hinsehen soll, als du ... du weißt schon.«

»Als ich mir vor deinen Augen einen runterholte, wie du es dir gewünscht hattest, sag´s ruhig.«

Kendrick kämpfte gegen ein Grinsen und verlor. »Matt, du bist manchmal wirklich furchtbar.«

»Eher versaut.«

»Das auch«, gab Kendrick glucksend zu.

Matt lachte und Kendrick zog ihn zu einem neuen Kuss zu sich hinunter, während sich vor seinem geistigen Auge gleichzeitig die Szene abspielte, die sie schließlich in Matts Bett befördert hatte, und zwar nicht, um darin nur zu schlafen, wie sie es bislang getan hatten.

 

»Hast du auch nur die geringste Vorstellung davon, wie sehr du mich anmachst?«

Kendrick hielt darin inne, sich seinen Pullover über den Kopf zu ziehen und sah Matt verblüfft an. »Was?«

»Genau das meine ich«, antwortete der und deutete mit dem Finger auf ihn. »Dieser unschuldige Blick, das total normale Verhalten. Du verschwendest nicht einen Gedanken daran, dich vor mir aus- oder anzuziehen, seit wir im gleichen Bett schlafen. Du tust es einfach, ohne dich zu fragen, was das mit mir anstellt. Du bist so was von unschuldig, dass es wehtut, und das meine ich wörtlich, weil ich jedes Mal einen Ständer bekomme, wenn du das machst.«

Kendrick blieb der Mund offen stehen.

»Ich bin so verrückt nach dir, dass ich mich immer mehr zusammenreißen muss, dir nicht an die Wäsche zu gehen. Vor allem im Club. Du spielst mit Chris und mir, als hättest du dein Leben lang nichts anderes getan.«

»Das stimmt doch gar nicht. Ich gucke euch meist nur zu«, wehrte Kendrick ab, doch Matt wischte seinen Einwand mit einer Handbewegung beiseite.

»Beim letzten Mal hast du Chris verboten, vor mir zu kommen. Die Woche zuvor hast du die Analkette ausgesucht, mit der ich ihn quälen sollte. Und davor wiederum hast du mir geholfen, Chris auf die Sklavenbank zu fesseln und davor hast du ...«

»Schon gut, schon gut.« Kendrick spürte, wie er rot wurde. »Ich hab's ja verstanden. Na und? Ich wollte es eben und du hast gesagt, ich darf.«

Matt raufte sich die Haare. »Du darfst doch auch, Herrgott noch mal!«

»Und warum regst du dich dann so auf?« Kendrick verstand wirklich nicht, was Matt meinte.

»Verdammte Scheiße«, schimpfte Matt frustriert und zog sich das Hemd aus, worauf Kendrick nicht anders konnte, als seine nackte Brust anzustarren, weil Matt oben ohne in seinen Augen umwerfend aussah.

Matt sah auch nackt perfekt aus, aber irgendwie konnte Kendrick von Matts sportlicher Brust, mit den kleinen, dunklen Brustwarzen und dieser dünnen Linie weicher Haare, die unterhalb von Matts Bauchnabel begann, nie genug bekommen. Ganz zu schweigen von dem äußerst knackigen Hintern, Matts langen Beinen und vor allem von seinen Händen. Er liebte Matts Hände. Wenn sie ihn berührten, mit Chris spielten oder einfach nur eine SMS ins Handy tippten. Er konnte Matt stundenlang anstarren, ohne dass ihm dabei langweilig wurde. Kendrick seufzte genüsslich.

»Siehst du. Du tust es schon wieder, Becks!«

Kendrick blinzelte irritiert. »Was denn? Darf ich dich jetzt nicht mal mehr ansehen?«

Matt schleuderte sein Hemd zur Seite und war so schnell bei ihm, dass Kendrick erschrocken nach Luft schnappte. »Wo ist der Kerl, der sich kaum getraut hat mir ins Gesicht zu sehen? Wo ist der schüchterne Typ, der vor Nervosität weder ein noch aus wusste, wenn es ums Spielen geht? Wo ist der unschuldige Mann geblieben, der nicht wusste, dass in ihm ein Voyeur steckt? Was ist aus dem Mann geworden, der mir bei jeder Gelegenheit auf den Hintern gestarrt hat, sobald er dachte, ich merke es nicht?«

Kendrick wurde knallrot. »Das wusstest du?«

Matt fing an zu grinsen. »Jedes Mal.«

»Oh.«

Kendrick räusperte sich, als Matt ihm zuzwinkerte und überlegte, was er jetzt sagen sollte. So langsam dämmerte ihm, worauf sein Freund hinauswollte, aber er musste wissen, ob er mit seinem Verdacht richtig lag. Er wollte, das Matt es aussprach, sonst würde er nicht glauben, dass dieser absolute Wahnsinn von einem Kerl tatsächlich mit ihm ins Bett wollte.

»Willst du den unschuldigen Kerl zurück?«

»Nein, das will ich nicht!«, fluchte Matt und da war Kendrick alles klar.

»Willst du mich anfassen?«

Matt stöhnte gequält auf. »Ja, ich will dich anfassen. Überall. Die ganze Nacht. Ich will dich. Unter mir, über mir oder neben mir, das ist mir vollkommen egal. Ich will dich haben, Ken, verstehst du? Dich. Nur dich.«

Kendrick schluckte und brauchte eine Weile, bis er den Mut hatte auszusprechen, was er seit Wochen wollte. Seit er Matt nach einer Session im Club zufällig unter der Dusche beobachtet hatte und diesen Anblick nicht mehr aus seinem Kopf bekam.

»Du kannst mich anfassen«, sagte er leise. »Überall. Die ganze Nacht. Aber nur unter einer Bedingung.«

»Welcher?«, fragte Matt und sah ihm in die Augen.

»Ich will zusehen.«

Matt runzelte die Stirn. »Wobei?«

Kendrick wurde warm und er musste sich räuspern, weil er plötzlich einen trockenen Mund hatte. »Ich habe dich unter der Dusche beobachtet. Im Club.«

Matt fing an zu schmunzeln, als er begriff. »Du willst zusehen, wie ich es mir selbst besorge?«

Kendrick nickte, weil er kein Wort herausbrachte.

»Sag es!«, verlangte Matt daraufhin.

»Matt ...«

Matt schüttelte lächelnd den Kopf und beugte sich vor, bis sie Nase an Nase waren. »Sag mir, was du dir wünschst, Ken.«

»Ich will zusehen, wie du dich selbst befriedigst.«

Matts triumphierender Blick sprach Bände. »Und dann? Was soll ich danach für dich tun?«

Kendrick schluckte. Konnte er das tatsächlich sagen? War es nicht zu früh dafür? War er bereit dazu? Würde Matt da überhaupt mitmachen?

»Da ist noch etwas«, erriet Matt und sah ihn genauer an. »In deinem Kopf steckt noch ein Wunsch.«

Kendrick nickte.

»Erzähl ihn mir«, bat Matt flüsternd und schmuste über seine Lippen, als Kendrick zögerte. »Denk immer daran, wir können alles tun, aber wir müssen nicht. Wir haben Zeit.«

»Blowjob.« Kendrick holte tief Luft, als sich Matts Pupillen weiteten. »Ich will das bei dir tun, aber du musst mir sagen wie.«

Jetzt war es Matt, der sich räusperte, ehe er ein Stück zurückwich. »Bist du sicher?«

»Ja. Nein. Doch. Ja.« Kendrick zuckte verlegen mit den Schultern, als Matt ihm über die Wange streichelte. »Ich bin neugierig, weil Chris das so gern bei dir macht und dir gefällt es doch.«

»Das tut es«, gab Matt zu.

Kendrick war zufrieden. »Erklärst du mir, wie es geht?«

Matt küsste ihn lange und zärtlich, bevor er nickte. »Ja, ich erkläre es dir.«

 

 

Kapitel 8

 

»Ich will dir einen blasen, wie nach Pauls Party.«

Matt stöhnte gequält auf. »Jetzt?«

»Ja«, antwortete Kendrick und Matt schloss kurz die Augen, um sie in dem Augenblick wieder zu öffnen, als Kendrick sich über die Lippen leckte.

Matt stöhnte erneut und Kendrick lächelte wissend, weil er wusste, wie sehr es Matt gefiel, seine Lippen auf sich zu spüren. Und zwar nicht nur auf seinem Schwanz, sondern überall, womit Kendrick kein Problem mehr hatte, denn er liebte Matts Körper. Vom Kopf bis zu den Füßen. Aber vor allem liebte er diese Geräusche, die Matt jedes Mal machte, wenn Kendrick seine empfindlichen Stellen berührte. Genau wie er das laute Stöhnen liebte, den Schweiß auf Matts Haut oder die Gänsehaut, sobald er Matt etwas fester anpackte.

»Du musst nicht«, murmelte Kendrick. »Dann kann ich zwar nicht mit deinem Geschmack auf meiner Zunge einschlafen, aber ich werde es überleben.«

»Gott, Ken, du machst mich fertig.«

Er verkniff sich ein Grinsen. »Ehrlich? Tja, das musst du mir beweisen, Matthew Pace, spüren kann ich es nicht, solange du auf mir liegst. Allerdings vermute ich mal, dass du mittlerweile ziemlich steif bist.«

Matt schluckte. »Ich hätte dir nie sagen sollen, dass ich darauf abfahre, wenn du mich mit Worten heißmachst.«

»Dann würde dir eine Menge entgehen«, konterte Kendrick und formte einen Kussmund. »Es gibt so viele schöne Dinge, die ich mit meinem Mund anstellen kann, seit du mir beigebracht hast, wie man es macht. Soll ich dir ein paar zeigen? Ein kleines Verlobungsgeschenk?«

»Fuck«, wimmerte Matt, und ehe Kendrick wusste, wie ihm geschah, hockte Matt über ihm. Nackt und so sichtbar erregt, wie es nur ein Mann sein konnte. »Ist das Beweis genug für dich?«

Kendrick leckte sich schweigend über die Lippen, was Matt zischend einatmen ließ. Obwohl sie bisher nicht miteinander geschlafen hatten, unerfahren war er längst nicht mehr. Kendrick wusste mittlerweile sehr gut, was er wie tun musste, um Matt kirre zu machen. Sie hatten in den letzten Monaten nicht nur Händchen gehalten. Matt war ein guter Lehrmeister in Sachen Sex und Kendrick würde genau das jetzt ungeniert ausnutzen.

 

»Gar nicht so übel für einen Anfänger, oder?«

Kendrick grinste Matt an, der keuchend neben ihm lag, und die Augen verdrehte, bevor er einige Male tief Luft holte und sich danach auf die Seite rollte, um ihm in die Augen sehen zu können. Dabei neckte und streichelte er ihn, bis sich Kendricks Brustwarzen zusammenzogen. Matt sah sehr zufrieden aus, als er sich vorbeugte und an ihnen knabberte, saugte und leckte, bis Kendrick seufzend die Augen schloss, um sie im nächsten Moment wieder aufzureißen.

»Wieso hörst du auf?«, fragte er empört.

»Weil ich will, dass du mich ansiehst«, antwortete Matt, was Kendrick schnauben ließ, aber dieses Mal hielt er den Blick zu Matt aufrecht, als der sich vorbeugte, um erst die rechte und dann seine linke Brustwarze in aller Seelenruhe zu verwöhnen, bevor er mit der Zunge nach unten wanderte und jedes Stück Haut mit Küssen und einem stetigen Wechsel zwischen sanfteren und härteren Knabbereien bedeckte.

Kendrick stöhnte und krallte die Hand in Matts Haar, als der seine Zunge um seinen Bauchnabel spielen ließ. Seit Matt herausgefunden hatte, wie empfindlich er an all den Stellen vor dem Übergang zum Nichtfühlen war, nutzte er das bei jeder Gelegenheit aus. Kendrick wusste, das Matt nicht von ihm ablassen würde, bis er aufhörte, zu denken und sich völlig seinen Gefühlen überließ. Je länger das dauerte, umso mehr verwöhnte Matt ihn.

»Matt ...«, stöhnte Kendrick atemlos und zog an Matts Haaren, worauf der ihm ein Grinsen schenkte.

»Ich will es sehen, Ken. Ich will diesen besonderen Moment in deinen Augen sehen, wo du nachgibst. Wo du deinem Körper die Kontrolle überlässt.«

»Himmel«, keuchte Kendrick und musste die Augen schließen, weil er den Anblick von Matts feuchter Zunge auf seiner Haut nicht mehr aushielt.

Der unerwartete, laute Piepton seines Weckers ließ sie zusammenzucken, und Kendrick verkniff sich ein frustriertes Stöhnen, als Matt von ihm abließ und sich streckte, um den Alarm auszuschalten.

»Hoch mit dir, mein holder Verlobter. Wir werden ein andermal mit den Unanständigkeiten weitermachen.«

Kendrick lachte.

 

»Übrigens, du bist kein Anfänger mehr«, sagte Matt, als sie wieder im Bett lagen, und zog die Bettdecke hoch, bevor er sich an ihn schmiegte.

Kendrick schürzte die Lippen und griff dabei nach Matts Hand. »In manchen Sachen schon.«

»Die laufen uns nicht weg«, meinte Matt und küsste ihn aufs Ohr. »Ich liebe es, mich auf deinen weichen Lippen zu schmecken«, murmelte er und gab ihm einen weiteren Kuss, diesmal auf die Schulter.

»Ich mag es auch.« Kendrick lächelte, als Matt ihre Finger verschränkte. »Ich liebe dich.«

»Nicht so sehr, wie ich dich«, konterte Matt mit einem hörbaren Lächeln in der Stimme, das Kendrick grinsen ließ. »Ich war mir nicht sicher, ob es je dazu kommen würde, dass du so aus dir herausgehst.«

»Weil ich eine verklemmte Jungfrau war?«, hakte Kendrick belustigt nach und Matt lachte leise.

»Nein, weil ich ein harter Spieler bin und Angst hatte, dich damit zu überfordern.«

Kendrick sah Matt überrascht an. »Wie kommst du denn jetzt darauf? Du hast mir von Anfang an alle Zeit der Welt gelassen. Ich hatte nie Angst vor dir, Matt, nur vor dem, was ich nicht kannte.«

Matt nickte. »Ich weiß. Und es hat mich fast verrückt gemacht, weil ich nicht helfen konnte, sondern warten musste, bis du so weit bist, mit mir darüber zu reden. Was nicht gerade leicht war, weil ich dich so sehr wollte. Schon an unserem ersten Abend im Club, nachdem du mich mit Chris gesehen hast und nicht weggelaufen bist. Ich wollte dich, Kendrick. Von der ersten Sekunde an, als ich dich im Regen stehen sah, und dann dieser Kuss auf der Sklavenbank ...« Matt seufzte genießerisch. »So naiv, so unschuldig und so neugierig auf mehr. Nachdem ich dich nach Hause gebracht hatte, musste ich unter die kalte Dusche steigen, sonst hätte ich in dieser Nacht kein Auge mehr zugemacht.«

Kendrick fing an zu lachen und Matt strich ihm samt einem Schmunzeln übers Gesicht.

»Mich hat noch nie ein Kuss so angemacht, wie an dem Abend im Club«, sagte Matt, nachdem Kendrick sich beruhigt hatte, und biss ihm neckend ins Kinn. »Er war perfekt.«

»Ich wusste nicht mal wie das geht«, widersprach Kendrick und war auf einmal verlegen, was Matt breit grinsen ließ. »Hör auf zu grinsen.«

Matt beugte sich über ihn. »Du bist so anziehend, wenn du verlegen bist und dabei meistens auch rot wirst. Das ist ein totaler Gegensatz zu dem Spieler, der du sein kannst.«

»Matt ...«

»Küss mich, Ken. Genauso wie in jener Nacht.«

»Alles, was du möchtest«, versprach er, da er Matts bittendem Blick nicht widerstehen konnte, und schob eine Hand in dessen Nacken, um ihn zu sich zu ziehen, bis sich ihre Lippen berührten. Kendrick genoss die Gänsehaut, die seinen Körper überzog, und schloss die Augen, um sich daran zu erinnern, wie verwirrt und unsicher er in der Nacht im Club gewesen war, während er sich in Matts starken Armen gleichzeitig geborgen und sicher gefühlt hatte.

 

»Du willst mich küssen, oder?«, fragte Kendrick und sah verlegen nach unten, als Matt anfing zu lächeln.

Nur war das auch nicht viel besser, denn so hatte er einen Direktblick auf Matts Schambereich, der sich eng an seinen eigenen presste, und auf das Handtuch, das sich Matt nach dem Duschen um die Hüfte gelegt hatte und das mittlerweile tiefer gerutscht war, was Kendricks Blick prompt auf eine feine Haarlinie lenkte, die ein Stück unterhalb von Matts Bauchnabel anfing und sich im Handtuch verlor. Nein, die Aussicht war wirklich nicht dazu geeignet, einen klaren Kopf zu behalten.

»Oh Mann«, seufzte er, was Matt leise lachen ließ und Kendrick sah ihn wieder an, bevor er noch auf die Idee kam, Matts zuckende Bauchmuskeln zu berühren, die ihn wie magisch anzogen. »Du lachst mich nicht aus, das weiß ich. Aber ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.«

»Was möchtest du denn gerne machen?«, fragte Matt im Gegenzug und begann, ihn mit der Hand, die warm und fest in seinem Nacken lag, vorsichtig zu streicheln.

Eine gute Frage. Matt berühren auf jeden Fall, aber wo? Oder besser gesagt, wo damit anfangen? Bei dieser dünnen Haarlinie auf seinem Bauch? Bei den zuckenden Muskeln, wenn Matt lachte? Nein, viel zu gefährlich. Wie wäre es bei Matts Gesicht? Kendrick sah auf Matts Lippen. Ihm wurde heiß, als Matt sie sich leckte, wobei sein Mund etwas offen stand, was Kendrick wahnsinnig anregend fand.

»Du willst mich wirklich küssen, oder?«, fragte Kendrick erneut. Matt nickte und er runzelte die Stirn. »Das geht nicht.«

»Und wieso nicht?«, fragte Matt amüsiert. »Hast du schlechten Atem? Knoblauch gegessen? Tabak gekaut?«

»Spinner.« Kendrick lachte.

»Das dachte ich mir«, meinte Matt zufrieden. »Also? Warum geht es nicht?«

Kendrick zuckte verlegen mit den Schultern. »Na ja, weil ich nicht weiß, wie man das macht.«

Matt stupste ihm neckend an die Nasenspitze. »Ken, dafür gibt es keine Lehrkurse wie in der Schule. Man tut es einfach.«

»Und wie?« Er sah wieder auf Matts Lippen. Seit wann waren die eigentlich so rot und feucht? »Ich meine, presse ich einfach meine Lippen auf deine und warte ab was passiert?«

Matt prustete los und beugte sich dabei so weit nach vorne, dass er mit dem Gesicht voran auf Kendricks linker Schulter zu liegen kam. Kendrick boxte ihm gegen den Oberarm und wusste nicht, ob er mitlachen oder lieber beleidigt sein sollte. Er entschied sich für keines von beidem.

»Das ist nicht lustig, Matthew Pace«, murrte er und kämpfte gegen ein Grinsen.

»Oh doch, ist es«, nuschelte Matt an seiner Haut und es war für Kendrick deutlich spürbar, dass er immer noch lachte. Bevor er ihm dafür einen weiteren Schlag verpassen konnte, machte Matt Nägel mit Köpfen.

»Äh, was machst du da?«, fragte er überrascht und sah Matt mit offenem Mund dabei zu, wie der zärtliche Küsse auf seiner Schulter zu verteilen begann.

Matt antwortete nicht, sondern zwinkerte ihm nur zu, während er mit den Lippen weiter hoch, in Richtung Hals, wanderte. Kendrick hielt die Luft an, als Matt ihn auf den Adamsapfel küsste, mit der Zunge über seine Haut am Hals leckte und dann überraschend anfing, an seinem Ohrläppchen zu knabbern.

»Matt!«

Kendrick wäre von der Sklavenbank gesprungen, wenn es möglich gewesen wäre, als Matt mit der Zunge in seine Ohrmuschel glitt. Er krallte die Finger in Matts Seiten, was den zusammenzucken ließ, aber trotzdem ließ Matt nicht von ihm ab, sondern küsste als nächstes seine Ohrspitze, um danach genüsslich über seine Wange zu wandern, Kendrick einen neckenden Kuss auf die Nasenspitze zu platzieren und ihn danach anzugrinsen.

»Was?«, fragte Kendrick und bekam erst da mit, dass er bedeutend schneller atmete als zuvor.

»Willst du noch mehr über das Küssen wissen oder hast du jetzt genug?«, fragte Matt und es war offensichtlich, welche Antwort er bevorzugte.

Kendrick hatte nichts dagegen, denn für ihn war es seit eben ohnehin keine Frage des reinen Wollens mehr. Nicht nach dem, was Matt allein mithilfe seiner Lippen mit ihm angestellt hatte. Kendrick musste wissen, wie sich mehr anfühlte. Wie ein richtiger Kuss sein würde. Lippen auf Lippen. Oder Zunge an Zunge, falls Matt sich darauf einließ. Aber selbst wenn nicht, war es egal. Kendrick wollte geküsst werden und er wollte selbst küssen. Er würde einfach alles nachmachen, was Matt tat, der Rest fand sich garantiert von allein. Egal, was daraus wurde, ein Kuss musste sein, vorher würde er Matt nicht loslassen.

»Ich lasse dich erst gehen, wenn du mich geküsst hast. Und zwar richtig geküsst«, erklärte er daher, was Matts Mundwinkel kurz zum Zucken brachte, aber er beherrschte sich.

»Richtig geküsst?«

Kendrick stutzte. »Kann ich etwa doch falsch küssen? Du hast eben gesagt, man tut es einfach.«

Matt lachte leise. »Du kannst dabei nur etwas falsch machen, wenn du zu früh aufhörst.«

Ach so. Matt war ein Spinner. Kendrick atmete erleichtert aus, während er Matt mit der Faust drohte, was den nur wieder lachen ließ, bevor er ihm frech die Zunge herausstreckte.

»Idiot.«

»Danke«, kam trocken zurück und Kendrick grinste, bis ihm einfiel, worüber er eben nachgedacht hatte.

»Matt?« Kendrick zögerte, weil er sich nicht traute, Matt zu fragen, doch der nickte aufmunternd und gab ihm damit den nötigen Schubs. »Was ist eigentlich mit Zungenküssen?«

»Was soll mit ihnen sein?«

»Sind die gut?«

Matt zwinkerte ihm zu. »Warum findest du es nicht heraus?«

Kendrick nickte, entschlossen mitzumachen. »Okay.«

»Sag einfach Stopp, wenn du genug hast.«

Kendrick musste lächeln, es ging nicht anders. Für Matt war es so wichtig, dass er sich wohlfühlte, dass er ihn wirklich immer wieder daran erinnerte. Sogar hier und jetzt, obwohl sie in Gedanken wohl längst mit anderen Dingen beschäftigt waren. Kendrick war zwar kein ängstlicher Mensch im herkömmlichen Sinne, aber so beschützt und behütet, wie im Moment in Matts Armen, hatte er sich noch nie gefühlt. Außer bei seiner Familie, aber das war etwas anderes.

»Hast du dir auch überlegt, wie ich das machen soll, wenn unsere Lippen aneinanderkleben?«

Matt sah ihn kurz verblüfft an, dann gluckste er und zwinkerte ihm zu. »Wie wär's mit Handzeichen?«

»Daumen hoch für okay und Daumen nach unten für Scheiße?« Kendrick kam ein Gedanke. »Gut, mache ich. Soll ich deine Kussfähigkeiten auch so bewerten?«

Matt blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen und Kendrick lachte los. Genau so eine Reaktion hatte er sich erhofft. Er keuchte erschrocken auf, als Matt seine Überraschung überwand und ein weiteres Mal Nägel mit Köpfen machte.

Kendrick dachte an seine Arbeit, an seine Familie und an jede Menge vollkommen unwichtiger Dinge, wie die Tatsache, dass er keinen Kaffee zu Hause hatte. Zumindest anfänglich. Bis er bemerkte, das Matt ihn ansah und spürte, dass er an seinen Lippen lächelte, so als wüsste er, dass er gerade nicht anwesend war.

Also er war schon anwesend, nur eben nicht geistig. So fühlte es sich zumindest an, denn wie sonst sollte Kendrick erklären, dass er an Kaffee dachte, während Matt mit seiner Zunge neckend über seine Unterlippe strich, um im nächsten Moment zurückzuweichen, bis er Matts Atem auf seinen Lippen spüren konnte.

»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du fällst gleich in Ohnmacht.« Matt schmunzelte. »Wo bist du mit deinen Gedanken?«

»Überall«, antwortete Kendrick ehrlich.

»Nur nicht hier bei mir«, präzisierte Matt.

Kendrick nickte und schämte sich dafür. »Tut mir leid.«

Matt schüttelte lächelnd den Kopf. »Das erste Mal ist für jeden etwas Besonderes. Ich habe dabei überlegt, ob ich meine Hausaufgaben gemacht hatte, während ich mich gleichzeitig fragte, ob die Lippen von Mädchen wohl genauso weich sind.«

Kendrick konnte sein Grinsen nicht verhindern und war gleichzeitig erleichtert. Matt verstand ihn. Mehr noch, er wusste, was in ihm vorging, und es war okay für ihn. »Sind sie es?«

»Was?«, fragte Matt irritiert.

»Die Lippen von Frauen? Sind sie so weich wie die von Männern?«

Matt zuckte grinsend die Schultern. »Keine Ahnung, ich habe nie eine geküsst.«

Kendrick erwiderte das Grinsen und lenkte den Blick zurück auf Matts Lippen, um sich nebenbei über seine eigenen zu lecken. »Küss mich noch mal, Matt.«

»Wie oft?«

»Bis ich aufhöre, mit den Gedanken dabei woanders zu sein.«

»Das könnte eine Weile dauern«, wandte Matt ein und klang irgendwie heiser. Kendrick sah zu ihm und zuckte mit den Schultern, als er Matts fragenden Blick bemerkte.

»Ich habe Zeit. Oder willst du heute noch irgendwohin?«

Matt schüttelte den Kopf und beugte sich zu ihm vor. »Nein, das will ich nicht«, antwortete er entschieden und küsste ihn, bevor Kendrick etwas erwidern konnte.

 

 

Kapitel 9

 

»Lass uns hier abhauen«, bat Kendrick, als Matt sich neben ihn setzte und nach seinem Weinglas griff.

»Wir können uns nicht einfach so verdrücken. Das ist unsere Hochzeit.«

Kendrick seufzte. »Ich weiß. Was glaubst du, warum ich unschuldig hier sitze und nur dem Gedanken fröne, dich nackt auszuziehen, statt es zu tun?«

Matt verschluckte sich beim Trinken und fing an zu husten, was Kendrick triumphierend grinsen ließ. Genau so hatte er sich das vorgestellt. Drei Monate Planung lagen hinter ihm und Kendrick hatte vor, heute Nacht die Früchte seiner Saat zu ernten. Davon würde ihn nichts und niemand abhalten, höchstens ein Weltuntergang.

»Du hast vor, mich auszuziehen?«

»Unter anderem«, antwortete er ausweichend, denn das Ausziehen stand weit oben auf einer verdammt langen Liste von Dingen, die er mit Matt anstellen wollte, und nur wenige dieser Dinge waren jugendfrei. Heute Nacht würde Matt vollständig ihm gehören, wenn er sich darauf einließ.

»Unter anderem?«

»Erinnerst du dich an unsere erste gemeinsame Nacht im Spielzimmer? Ohne Chris? Nur wir zwei?«

»Ähm ...«

Matt sah sich unauffällig um, aber keiner der Gäste hörte zu, sonst hätte Kendrick gar nicht von dem Thema angefangen. Sie waren zwar auf ihrer eigenen Hochzeit, aber es gab Sachen, die eindeutig nicht für die Ohren von Außenstehenden bestimmt waren. Das hätte ihm gerade noch gefehlt, wenn seine Eltern oder Samuel zufällig sein Gespräch mit Matt belauschen würden.

»Ich musste dich förmlich dazu drängen, Sex mit mir zu haben«, stichelte Kendrick und Matt sah ihn empört an.

»Das ist nicht wahr.«

Und ob das wahr war. Mit Chris zu spielen, war kein Problem für Matt, aber an jenem Abend waren sie auf Kendricks Bitte hin allein gewesen und das hatte Matt nervös gemacht. So nervös, dass er anfangs sogar vor ihm zurückgewichen war, als Kendrick begonnen hatte, ihn zu verführen.

Kendrick schmunzelte. »Wer hätte gedacht, dass mein sonst so selbstsicherer Mann nervös sein könnte, wenn es um Sex mit mir geht.«

»Ich wollte dir einfach nicht wehtun«, erwiderte Matt und nahm sich ein letztes Käse-Schnittchen, das noch vom Abendessen übrig geblieben war.

»Matt, ich fühle da unten nicht so wie du.«

»Eben deswegen«, nuschelte Matt kauend. Kendrick lächelte liebevoll, was Matt seufzen ließ. »Hör auf, mich so anzulächeln, wenn ich nicht über dich herfallen kann. Das ist unfaire Kriegsführung.«

»Eigentlich hatte ich vor, über dich herzufallen«, sagte Kendrick und tat unschuldig, als Matt ihn fragend ansah.

»Hattest du?«

»Ja, hatte ich. Ich wollte dir sogar in deinen großen Zeh beißen. Schließlich weiß ich mittlerweile, dass du dabei abgehst wie sonst was.«

Matts Weinglas schwappte über, als er es heftiger als nötig auf den Tisch stellte. »Ken, was wird das hier?«

»Ich versuche dich heißzumachen. Funktioniert es?«

»Besser als mir lieb ist«, gab Matt zu und bekam rote Wangen. Ein umwerfender Anblick in Kendricks Augen.

»Wieso?«

»Weil wir leider nicht abhauen können, um etwas dagegen zu unternehmen. Jedenfalls nicht in nächster Zeit.«

»Schade«, seufzte Kendrick gespielt geknickt. »Wenn wir länger warten, ist die Schokolade nicht mehr flüssig, die ich aus deinem Bauchnabel lecken will.«

Matt räusperte sich, legte den Rest des Schnittchens zurück auf den Teller und starrte Kendrick danach mit einem nicht zu deutenden Gesichtsausdruck an. »Du hast flüssige Schokolade?«

»Die hat Chris für mich besorgt«, antwortete er mit einem harmlosen Lächeln, als Samuel und Devin auf der anderen Seite des Tisches vorbeiliefen, in Devins Fall fuhren. »Sein Hochzeitsgeschenk für uns. Es wartet im Spielzimmer, so wie der Rest.«

Matt schluckte sichtlich. »Welcher Rest?«

»Alles, was ich brauche, um dich willenlos zu machen.«

Matt schien etwas sagen zu wollen, griff sich aber zuerst das Weinglas und leerte es in einem Zug, ehe er sich erneut räusperte. »Ken, deine Stimme reicht dafür völlig aus.«

Kendrick verkniff sich ein Lachen. »Wirklich? Na gut, dann räume ich den Dildo weg, sobald wir da sind. Hatte ich erwähnt, dass er eine eins zu eins Kopie von meinem Schwanz ist?«

Matts Augen weiteten sich erregt. »Du hast einen Dildo von deinem ...?«

Matt verstummte und Kendrick nickte. »Du hast mir vor einiger Zeit gesagt, dass mein Schwanz der Einzige sein wird, der dich je ficken wird. Stehst du zu deinem Wort? Es muss nicht heute Nacht sein, aber ich gebe zu, mir gefällt die Vorstellung, in dir zu sein. Wenn auch auf eine ganz besondere Art und Weise.«

Matt stöhnte auf und schob das benutzte Geschirr vor sich beiseite, um beide Unterarme auf dem langen Tisch zu verschränken und das Gesicht darauf abzulegen. Kendrick grinste zufrieden in sich hinein. Er hatte Matt genau da, wo er ihn haben wollte. Jetzt mussten sie nur noch von ihrer Hochzeitsfeier verschwinden, um es sich im Spielzimmer gemütlich zu machen.

»Weißt du, was ich im Augenblick wirklich verdammt praktisch finde?«, fragte Kendrick leise und beugte sich zu Matts Ohr, um gleichzeitig seine Hand zwischen Matts Beine zu schieben. Sein Mann zuckte zusammen. »Dass man mir nicht ansehen kann, wie erregt ich bin.«

»Du hinterhältiger Mistkerl!«, murrte Matt gegen die Tischplatte und Kendrick grinste dreckig, während er die Beule in Matts Hose streichelte und dann ein Stück vom Tisch zurückrollte. Dabei nickte er Dale zu, der sich mit einem breiten Grinsen abwandte, um den Wagen zu holen, wie es abgesprochen war.

Kendrick hatte die ganze Familie eingespannt, damit er Matt dieses Hochzeitsgeschenk machen konnte. Ihre Hochzeitsnacht würden sie im Spielzimmer verbringen, das von den Männern im Club nach Kendricks speziellen Wünschen umgeräumt und hergerichtet worden war. Ein bisschen weniger Spielzimmer, dafür mehr Romantik, so hatte Kendrick es sich gewünscht.

Und Chris hatte ganze Arbeit geleistet.

 

»Wow«, murmelte Matt eine halbe Stunde später und sah sich im Spielzimmer um. »Wann hast du ...? Ich meine, wie hast du ...?«

Kendrick lächelte und zwinkerte Matt zu, als der ihn ansah. »Chris und die Jungs. Für unsere Hochzeitsnacht wollte ich ein wenig mehr Romantik als Spielzimmer.«

»Das ist dir gelungen.«

Matt wanderte durch den Raum, der momentan mehr Ähnlichkeit mit einem Schlafzimmer hatte. Kendrick ließ ihn schauen und sah sich selbst erst mal in Ruhe um. Es sah um Längen besser aus, als in seiner Vorstellung. Das Andreaskreuz war weg, genauso wie die Sklavenbank. Stattdessen stand an der Stelle jetzt ein Bett, bezogen mit schwarz-roter Bettwäsche. Kein Satin oder Seide, wie Chris vorgeschlagen hatte, sondern normale Baumwolle. Die war nicht so rutschig und damit für ihn von Vorteil.

Geblieben war der Schrank, in dem normalerweise von Massageöl über Vibratoren, Dildos, Nippelklemmen und sonstigen Spielzeugen, bis hin zu Peitschen, alles zu finden war, und auch ihre höhenverstellbare Liebesschaukel. Letztere hatte Kendrick vor sehr bald zu nutzen. Das galt ebenso für das Badezimmer, indem sie Kerzenlicht, eine Schale mit flüssiger Schokolade und einen Teller mit eigens von ihm ausgesuchten Pralinen finden würden. Kendrick wusste, welche Sorten Matt liebte. Nur beim Schaumbad hatte er, statt Schokolade, einen fruchtigen Mix aus Erdbeere und Pfirsich genommen.

Matt trat ans Bett und sah grinsend zu ihm. »Wo sind die Rosenblätter?«

Kendrick lächelte. »Sieh mal ins Badezimmer.«

Auf dem Bett hatte Kendrick die Blütenblätter nicht haben wollen, um sie vielleicht mitten im Liebesspiel erst wegräumen zu müssen. Aus diesem Grund hatte er sich für die Badewannenumrandung entschieden. Da störten sie nicht und gaben dem Bad, zusammen mit dem Licht der Kerzen, eine romantische Note.

Kendrick wartete ab, und als Matt kopfschüttelnd und lächelnd zugleich wieder zu ihm ins Spielzimmer trat, nickte er zufrieden. »Es gefällt dir also.«

»Das war dir doch von Anfang an klar«, konterte Matt und trat auf ihn zu, um sich mit beiden Händen auf den Lehnen seines Rollstuhls abzustützen. »Danke. Das ist ...« Matt überlegte einen Moment. »Umwerfend, toll, grandios? Alles davon. Aber bilde dir bloß nicht ein, dass du eine Praline abkriegst.«

Kendrick lachte und strich Matt durchs Haar. »Keine Sorge, ich würde mich nie wagen, dir eine zu klauen.«

»Wo ist eigentlich der ... also dein ...?«

Matt brach ab und wurde tatsächlich feuerrot, Kendrick konnte es kaum glauben. Wortlos grinsend deutete er auf den Schrank und Matt ging nachsehen. Heute Nacht lag in diesem Schrank nur ein Dildo, das hatte er ebenfalls mit Chris abgesprochen, und den hielt Matt in der Hand, als er sich umdrehte. Neugier und eine Frage standen in seinen Augen, doch Kendrick schüttelte den Kopf.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739442082
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Januar)
Schlagworte
Drama Ostküsten-Reihe schwul Familie Liebe Romanze

Autor

  • Mathilda Grace (Autor:in)

Aufgewachsen in einem kleinen Dorf im tiefsten Osten von Deutschland, lebe ich heute in einer Großstadt in NRW und arbeite als Schriftstellerin. Seit 2002 schreibe ich Kurzgeschichten und Romane, bevorzugt in den Bereichen Schwule Geschichten, Drama, Fantasy, Thriller und Romanzen. Weitere Informationen zu meinen Büchern, sowie aktuelle News zu kommenden Veröffentlichungen, findet ihr auf meiner Homepage.
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Titel: Gezeiten der Liebe