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The Distance between us

von Elena MacKenzie (Autor:in)
300 Seiten

Zusammenfassung

Die letzten beiden Jahre hat Lea damit verbracht zu vergessen, sich selbst einzusperren und gegen ihre Ängste anzukämpfen. Jetzt soll sich alles ändern. Leas erstes Semester am College beginnt und sie verspricht sich selbst, dass sie ab sofort das Leben genießen wird. Doch dann trifft sie auf Ian Ward. Ian und Lea sind wie Geschwister aufgewachsen und lange Zeit hat sie eine tiefe Freundschaft verbunden. Bis Ian sich selbst Freiheiten herausgenommen hat, die er Lea verwehrt hat. Aber zwischen ihnen ist zu viel vorgefallen, als dass sie einfach neu anfangen könnten. Ausgerechnet mit ihm muss Lea nun aber jeden Nachmittag im Café zusammenarbeiten. Nach allem, was zwischen ihnen vorgefallen ist und Ian sogar dazu getrieben hat, sein eigenes Zuhause zu verlassen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1

2008

Lea

Ich starre fassungslos auf Ian, der Trevor gerade mitten auf dem Schulhof die Nase gebrochen hat. Niemand, der gerade sieht, wie die beiden aufeinander einprügeln, würde jemals glauben, dass sie beste Freunde sind. Trevors Gesicht ist blutüberströmt, aus seiner Nase läuft ein roter Strom, der sein T-Shirt versaut. Trotzdem steht er unter den Anfeuerungsrufen der anderen Schüler wieder auf, stellt sich vor Ian auf und nimmt die Fäuste hoch.

»Los, schlag doch zu«, fordert er Ian heraus, der prompt einen Schlag gegen Trevors ohnehin schon ramponiertes Kinn platziert.

»Hör auf«, schreie ich ihn an, aber Ian reagiert gar nicht. Er scheint wie in einem Wahn, für alles taub und blind, das sich um ihn herum abspielt.

Trevor rappelt sich auf, hechtet auf Ian zu und reißt ihn mit sich zu Boden. Ich sehe in die Gesichter der Schüler um mich herum. Die einen jubeln, die anderen werfen mir wütende Blicke zu, denn dieser Kampf findet wegen mir statt. Und wenn die beiden ihn nicht sofort beenden, riskieren sie ihre Plätze im Footballteam. Das könnte für Ian das Ende seiner Träume bedeuten.

Ich beuge mich direkt über die beiden, Ian liegt unten, während er Trevors Kopf im Schwitzkasten hält, und grinst zu mir auf. »Hör auf, habe ich gesagt«, brülle ich ihn an.

Das reicht. Sofort lässt er Trevor los, rollt ihn von seinem Körper und springt auf. Seine Unterlippe blutet, seine rechte Augenbraue auch und seine Fingerknöchel sind offen. Aber er grinst. Und es ist dieses Grinsen, das mich explodieren lässt.

Ian ist mein bester Freund, seit meine Mutter als Haushälterin für seinen Vater arbeitet. Aber er hat sich in den letzten Monaten verändert. Er wird immer härter und aggressiver. Zu Anfang habe ich ihm noch verziehen. Habe es als Folge dessen abgetan, was seine Mutter ihm angetan hat. Aber heute habe ich erfahren, dass ich der Grund für all diese Schlägereien bin. Und als friedliebender Mensch möchte ich nicht der Grund für Blut und Gewalt sein. Und ich möchte auch nicht, dass Ian sich in mein Leben einmischt. Dass er hinter meinem Rücken jedem, der auch nur in meine Richtung schaut, verbietet, mit mir auszugehen oder auch nur noch ein zweites Mal hinzusehen.

»Wir müssen reden. Sofort«, sage ich zu ihm, packe seine Hand und zerre ihn hinter mir her hinter die Sporthalle.

Es fällt mir nicht leicht, zu ignorieren, dass er in den Pausen gern mit einem Mädchen nach hier hinten verschwindet, aber das flaue, eifersüchtige Gefühl, kämpfe ich einfach runter, indem ich mehrmals tief einatme. Ian hat keine Ahnung, wie ich für ihn empfinde. Für ihn bin ich nur seine beste Freundin. Das Mädchen, von dem er auch gern behauptet, dass es seine Schwester ist. Da wir seit fünf Jahren unter einem Dach leben und meine Mutter irgendwie auch zu seiner geworden ist, hat er damit wahrscheinlich nicht unrecht. Aber das 15-jährige Mädchen in mir hat ganz andere Gefühle für den 17-jährigen Jungen in ihm. Aber um unsere Freundschaft zu schützen, und weil ich es hasse, wie er mit Mädchen umspringt, mit denen er Sex hatte, schweige ich und tue so, als wären wir wirklich nur Freunde.

»Du musst aufhören, auf Leute einzuschlagen«, werfe ich ihm vor und schubse ihn grob. Er prallt gegen die Turnhallenwand und lacht, was mich nur noch wütender macht. »Du hast kein Recht dazu, jeden zu verprügeln, der mit mir ausgehen will.«

Er richtet sich auf, schiebt die Hände in seine Taschen und schüttelt eine dunkelblonde Ponysträhne aus seinem Gesicht. Wie ich es liebe, wenn er das macht und dazu noch grinst, wie ein Bad Boy! Dass schlimme an Ian Ward ist sein Aussehen, diese Mischung aus Hollywood-Star und böser Junge, die jedes Mädchen dazu bringt, den Boden unter seinen Füßen zu küssen. Leider auch mich, aber ich kann das besser vor ihm verstecken, deswegen glaubt er, dass ich immun gegen seinen Charme bin. Er versucht seinen Charme trotzdem immer wieder bei mir einzusetzen, wenn wir uns streiten oder er etwas von mir möchte, wie zum Beispiel bei Tekken zu gewinnen.

»Ich beschütze dich nur«, sagt er harsch.

»Das musst du nicht«, werfe ich ihm vor und will ihn noch einmal schubsen.

Er packt meine Hände, bevor sie seinen Brustkorb berühren können, dreht sich mit mir um und stößt mich gegen die Wand, gegen die ich ihn vorher gestoßen habe. »Das muss ich sehr wohl«, sagt er ruhig und stemmt die Hände neben meinem Kopf gegen die Wand.

Ich atme zitternd ein. Früher waren wir uns oft so nah, aber seit einer Weile fühlt sich das nicht mehr richtig an. Zumindest nicht für mich. Für ihn scheint alles wie immer zu sein. Er beschützt mich, weil er glaubt, dass er das noch immer tun muss. Dass ich noch immer das 10-jährige Mädchen bin, dass illegal in dieses Land eingewandert ist und das dank seines Vaters ein richtiges Leben hier hat. Auf eine Schule mit ihm gehen kann. Das Cheerleader ist und dank ihm an dieser Schule akzeptiert wird.

»Er hat dich blöd angemacht.«

»Das tust du ständig mit Mädchen«, entgegne ich und versuche, mein rasendes Herz zu beruhigen.

»Du gehst nicht mit ihm aus. Vergiss es«, sagt er schwer atmend vor Wut.

»Das hast du nicht zu bestimmen«, werfe ich ein und presse mich fest gegen die Wand, weil ich jeden Millimeter Abstand brauche, den ich bekommen kann.

»Doch, das habe ich. Trevor ist ein Idiot. Er wird dich nur benutzen.«

»Genau wie du es mit allen Mädchen tust. Ihr seid beste Freunde«, erinnere ich ihn.

»Magst du ihn?«, will er wissen.

»Vielleicht«, antworte ich, denn ich weiß nicht, ob ich Trevor mag, aber er ist der Einzige, der sich noch traut, mich überhaupt zu bemerken. »Ich will, dass du aufhörst, dich wegen mir zu prügeln. Wenn du das nicht kannst, können wir nicht länger befreundet sein.«

Er schnappt nach Luft. »Ist das dein Ernst?«

Ich nicke.

Er kommt mit seinem Gesicht näher und starrt mir fest in die Augen. Ich fühle mich eingeengt von ihm und gefangen von seinem Körper und der Anziehung, die er auf mich ausübt. Aber ich weiß auch, dass er nicht so für mich empfindet. Ich glaube, Ian Ward ist gar nicht fähig zu lieben. Das hat ihm seine Mutter genommen.

»Was, wenn ich dich jetzt küsse?«, fragt er plötzlich und mein Herz bleibt stehen.

»Was?«, stoße ich atemlos hervor.

»Ich könnte dich jetzt küssen.«

Ich lache unsicher. »Du machst dich lustig über mich.«

»Tue ich das?«

Er legt seine Wange an meine und ich drehe mein Gesicht weg. »Siehst du, du bist noch nicht bereit für einen Kerl wie Trevor.«

Ich stoße ihn von mir weg. »Weil ich dich nicht küssen will?«

Er lacht. »Weil du vor Angst gezittert hast.«

»Du bist ein Arschloch«, schreie ich ihn fassungslos an. »Wir sind keine Freunde mehr. Werd erwachsen.« Ich wende mich von ihm ab, um zu gehen.

»Du kannst mir nicht einfach die Freundschaft kündigen.«

»Habe ich eben gemacht. Wir können wieder Freunde sein, wenn du akzeptieren kannst, dass ich die gleichen Rechte auf ein Leben habe wie du.«

Ich gehe einfach weg, weil ich ihn so schnell wie möglich hinter mir lassen muss, bevor er sieht, dass ich wegen ihm weine. Er hat sich einen Spaß daraus gemacht, dass seine Nähe mich so aus der Fassung gebracht hat. Das hat mich verletzt. Und noch schlimmer ist die Scham, die ich jetzt empfinde, weil er weiß, welche Gefühle er in mir hervorruft. Wie können wir noch befreundet sein, wenn er sich darüber lustig macht?

»Wenn wir keine Freunde mehr sind, dann bist du nur noch die Tochter der Haushälterin«, ruft er mir hinterher.

Ian

»Du hast noch ein Handtuch vergessen«, werfe ich Lea vor und zeige mit einem selbstgefälligen Grinsen auf eins der weißen Badetücher. Es liegt direkt neben meiner Liege und stammt wahrscheinlich von mir.

Lea wirft mir nur einen kurzen Blick zu, dann kommt sie mit dem Stapel gebrauchter Handtücher auf den Armen zurück und bückt sich, um das schmutzige neben meiner Liege aufzuheben. Sam gackert laut auf und beugt sich extra etwas zurück, damit er einen besseren Blick auf Leas Hintern erhaschen kann, während sie sich bückt. Am liebsten würde ich ihm dafür die Fresse polieren, aber so bin ich nicht mehr. Das tue ich nicht mehr, denn Lea hat es so gewollt. Sie war es, die mir gesagt hat, dass ich nicht mehr der Ian wäre, den sie seit unseren Kindertagen geliebt hätte, der ihr Freund war.

»Du bist aggressiv, brichst anderen Menschen die Nasen und prügelst auf sie ein, wegen mir. Das kann ich nicht länger zulassen. Ich erkenne dich nicht mehr wieder«, hatte sie geschimpft, sich von mir abgewandt und dann gemurmelt: »Ich kann nicht mit jemanden befreundet sein, der Menschen verletzt.« Mit diesen Worten hat sie mich stehenlassen und seither brodelt dieses Gefühl in mir, das mich dazu zwingt, sie zu verletzen. Ihr wehzutun, nur um ja nicht zuzulassen, dass ich darüber nachdenken kann, was für ein Gefühl das ist, das mich von innen heraus auffrisst. Ich überdecke es mit Wut, überschütte es mit Hass, nur um es nicht analysieren zu müssen. Weil es nicht wahr sein darf. Weil ich so niemals empfinden darf. Nicht für Lea. Sie zu wollen, wie ich sie will, könnte alles, was wir haben, zerstören. Und was wir haben, ist die einzige Familie, die ich habe. Lea, ihr Bruder Mario, ich, ihre Mom und mein Dad.

Ich grinse Sam bestätigend an, aber erst, als Lea sich wieder aufrichtet und es sehen kann. Ich weiß, es ist falsch, meine Enttäuschung auf diese Art an ihr auszulassen, sie meine Verletzung spüren zu lassen, indem ich sie verletze. Aber irgendetwas in mir treibt mich dazu an. Ich will sie so unbedingt fühlen lassen, wie sehr es mich schmerzt, dass sie in ihrer Wut zu mir gesagt hat, wenn ich ihre Wünsche nicht akzeptieren könne, wären wir nicht länger Freunde, dass ich dabei völlig ausblende, zu was für einem Arschloch mich das macht. Ihre Wünsche! Sie will sich mit anderen Jungs treffen. Will, dass ich ihr die Freiheiten gewähre, die ich mir selbst herausnehme. Auch wenn ich weiß, wie unfair das ist, aber ich kann es nicht. Weil ich den Gedanken nicht ertragen kann, dass sie sich in die Arme eines anderen begibt.

Und ich bin ein Arschloch geworden, weil ohne Lea sein zu müssen, mich verändert hat. Nur um ihr wehzutun, tue ich die unmöglichsten Sachen. Zum Beispiel feiere ich jeden Nachmittag eine Poolparty, weil Leas Mutter, unsere Haushälterin, die ganze Arbeit dann unmöglich allein schaffen kann. Lea muss also jeden Nachmittag mithelfen, meinen Freunden und mir den Dreck hinterher räumen und hat so kaum noch Zeit für Hausaufgaben oder zum Lernen. Oder um sich mit Jungs zu treffen. Zumindest das tut mir kein bisschen leid, denn die Vorstellung, sie könnte sich mit einem Kerl treffen, wühlt in meinen Eingeweiden. Ich kann einfach nicht zulassen, dass jemand ihr wehtut. Dabei bin ich selbst es, der ihr am meisten wehtut. Sie ist für mich wie eine Schwester. Das war sie schon immer. Ihre Mutter ist die einzige Mutter, die ich kenne.

Lea, ihr Bruder Mario und ihre Mutter sind vor sechs Jahren als illegale Einwanderer aus Mexiko in die USA gekommen. Seit fünf Jahren arbeitet ihre Mutter als Haushälterin für meinen Vater und seither ist Lea auch meine beste Freundin. Gewesen. Denn sie will meine Freundschaft nicht mehr, weil ich sie zu sehr einenge. Dabei versuche ich nur, sie zu beschützen. Vor Typen wie mir, die Mädchen als Sexobjekte betrachten und sie danach wegwerfen, als wären sie Abfall.

Ich muss Lea beschützen, denn ich kann nicht zulassen, dass ihr etwas zustößt und ihre Mutter sich vielleicht gezwungen sieht, mit ihr wegzugehen. Dann würde ich nicht nur Lea verlieren, sondern auch ihre Mutter und Mario. Seit meine eigene Mutter mich vor fünf Jahren verlassen hat, kann ich den Gedanken nicht ertragen, noch einmal verlassen zu werden. Und Lea zu verlieren, wäre das Schlimmste überhaupt für mich.

Also muss ich mir einreden, sie wäre meine Schwester, um das Leben, das wir hier in diesem Haus führen, nicht zu zerstören. Aber wenn ich sie nicht haben darf, dann keiner. So einfach ist das. Zumindest habe ich es all die Zeit geglaubt, bis Lea plötzlich nicht mehr mitgespielt hat.

»Ey, Lea«, sage ich. Ich greife nach der fremden Hand, die sich eben durch meine Haare gräbt, und ziehe das Mädchen, ohne es anzusehen auf meinen Schoß. Für mich ist sie nur irgendeine Schlampe, die auf meine Partys kommt, weil sie hofft mit mir oder meinen Freunden Sex haben zu dürfen, und einem von uns vielleicht etwas mehr zu bedeuten. Aber weder ich noch Trevor, noch Liam, Sam oder Zack interessieren uns wirklich für diese Mädchen. Die meisten wissen es, glauben aber trotzdem, sie könnten uns vom Gegenteil überzeugen.

Deswegen gibt sie sich mir nur zu bereitwillig hin und legt sich auf meinen Oberkörper, dabei schnurrt sie wie eine Katze und presst ihre Lippen an meinen Hals. Ich erschauere, aber nicht vor Erregung, sondern vor Ekel. Ich selbst widere mich in diesem Augenblick an, aber mein Stolz ist so gekränkt, dass es meinen Ekel verdrängt. Ich kann nur daran denken, dass ich Lea leiden sehen möchte. »Meine Süße und ich, wir hätten gern noch ein Bier.« Ich sehe erst Liam, dann Trevor an, die in ihren Korbsesseln sitzen, als wären sie die größten Kings. »Ihr wollt doch bestimmt auch noch was trinken?«

»Wollen wir«, antwortet Trevor und lässt seinen Blick über Leas Körper gleiten. »Warum hat sie eigentlich so viel an, wenn sie hier mit uns am Pool ist?« Alles in seinem Gesicht steht auf Flirt. Er steht auf Lea, schon seit Monaten, aber er weiß auch, mehr als das werde ich ihm nicht erlauben. Und doch scheint er meine Regeln immer öfter zu ignorieren. Und Lea scheint es zu gefallen. Es ist fast, als würde sie sich in seiner Nähe mittlerweile wohler fühlen als in meiner. Ganz bestimmt tut sie das. Und ich bin selbst schuld, aber ich kann nicht über meinen Schatten springen. Sie wollte es so, wie es jetzt ist.

Mein Herz setzt für einen Schlag aus und ich kneife die Augen zusammen, dann sehe ich Trevor mit all der Wut, die ich in diesem Moment empfinde, an. Ich möchte ihn am liebsten meine Fäuste noch einmal spüren lassen, aber seit Lea und ich keine Freunde mehr sind, halte ich mich zurück, und das weiß Trevor. Ich kann es ihm nicht einmal übelnehmen, mein ganzes Verhalten Lea gegenüber scheint für meine Teamkameraden eine Einladung zu sein, sie endlich in ihre Betten zu bekommen. Dass ich sie jahrelang von ihnen ferngehalten habe, hat sie in ihren Augen zu so etwas wie einer Trophäe gemacht, die es zu erobern gilt.

Ich sehe Lea an, die keinen Ton von sich gibt und einfach nur mit einem freundlichen Lächeln nickt. Sie würde niemals etwas sagen, weil sie den Job ihrer Mutter nicht gefährden will. Sie brauchen das Geld, das mein Vater ihnen zahlt. Sie bewohnen drei Zimmer in der oberen Etage unseres Hauses. Leas Zimmer ist direkt neben meinem. Dadurch können sie für Mario da sein, wann immer er sie braucht, und gleichzeitig das Geld verdienen, das sie für Marios Therapien benötigen, der an Tetraplegie leidet, seit einem Unfall mit seinem Fahrrad, als er neun Jahre alt war. Das war vor acht Jahren, als sie noch in Mexiko gelebt haben.

Leas Blick verfinstert sich, dann wendet sie sich Trevor zu. »Das, was du in diesem Moment von mir zu sehen bekommst, wird genau das sein, was du auch in Zukunft zu sehen bekommst.« Dann sieht sie mich an und irgendwie bin ich ziemlich stolz auf sie, aber ich zeige es ihr nicht. Stattdessen ziehe ich die Blondine auf meinem Schoß an meine Lippen und küsse sie.

»Das stimmt nicht ganz«, sagt Trevor plötzlich. Ich löse mich von dem Mädchen, von dem ich sicher bin, dass sie nicht mal auf unserer Schule ist, und mustere ihn beunruhigt. »Deine Cheerleaderuniform zeigt deutlich mehr von dir als diese Jeans.« Er zwinkert ihr lächelnd zu.

Einen Augenblick sehe ich die Verblüffung in Leas Gesicht, dann sieht sie an sich nach unten und als sie Trevor jetzt ansieht, lächelt sie. »Okay, du hast recht.«

Trevor grinst noch breiter und beugt sich etwas zu ihr hin. »Ich habe immer recht«, sagt er mit diesem Grinsen auf den Lippen, von dem ich weiß, dass er damit noch jedes Mädchen ins Bett bekommen hat, und auch an Lea scheint es nicht einfach vorbeizuziehen. Ihre ganze Körperhaltung scheint sich plötzlich zu entspannen, was mir nicht gefällt. »Und was ich gesehen habe …«, er zögert, »… was ich auch im Moment sehe, gefällt mir sehr.«

Ich schiebe die Blondine so grob von meinem Körper, dass sie unsanft auf dem Boden neben meiner Liege landet, und stehe auf. Ich muss mich ablenken, bevor ich noch etwas völlig Bescheuertes tue. Etwas so Blödes, wie Trevor noch einmal die Nase brechen. Coach Miller würde mir nicht noch eine Chance geben. Er würde mich auf die Bank setzen, und das kann ich mir nicht leisten, das könnte mich meinen Platz im Team kosten. Mit vor Wut rasendem Herzen springe ich in den Pool und tauche unter. Ich halte die Luft an und lasse mir Zeit damit, wieder aufzutauchen. Ich lasse Lea Zeit damit, endlich reinzugehen und zu tun, was sie tun sollte. Aber als ich wieder auftauche, ist alles nur noch schlimmer. Trevor hat Lea die Handtücher abgenommen und trägt sie für sie in das Haus. Er sagt irgendetwas zu ihr, was sie zum Lachen bringt.

Verdammt, ich dachte eigentlich, ich hätte mich klar ausgedrückt, keiner rührt Lea an. Aber das war, bevor ich angefangen habe, sie wie meine Dienstmagd zu behandeln. Bevor jeder dachte, sie bedeutet mir nicht mehr als das. Ich schlage wütend auf das Wasser, schwimme an den Beckenrand, nehme mir das Glas mit Bourbon, das irgendjemand dort stehenlassen hat, und leere es aus, dann zeige ich auf das Mädchen, das sich vorhin noch auf meinem Schoß gerekelt hat. »Komm her«, sage ich, setze mich auf den Beckenrand, die Füße noch immer im Wasser. »Ich will, dass du mir einen bläst.«

Was ich von ihr verlange, schockiert sie nicht einmal. Es schockiert niemanden hier, weil sie alle es gewohnt sind, dass ich jetzt so ticke. Wen sollte es auch wundern oder abstoßen, Liam, Trevor und Zack ticken genauso. Das schweißt uns irgendwie zusammen. Macht uns zu einem Team, zu besten Freunden, zu etwas, worauf die Mädchen stehen. Und die Mädchen, die sich mit uns abgeben, interessiert es nicht, dass wir sie nur benutzen, sie sind schon froh, dass sie überhaupt hier bei uns sein dürfen. Bei den Footballstars der West River Falls High.

Die Kleine lässt sich ins Wasser gleiten, stellt sich zwischen meine Beine und schiebt ihre Hände meine Oberschenkel hinauf. Ich weiß nicht mal, ob sie hübsch ist. Ich sehe sie zwar an, aber es interessiert mich nicht. Sie interessiert mich nicht. Sie nimmt meinen Schwanz in ihren Mund und müht sich ab, ihn hochzubekommen, während ich nur die Terrassentür im Blick habe und darauf warte, dass Lea wieder rauskommt. Aber sie kommt nicht. Ich balle die Hände zu Fäusten, jeder Muskel spannt sich in mir an, je länger Lea und Trevor im Haus sind. Er wird doch nicht? Ich kann es gerade noch ertragen, wenn er mit ihr flirtet. Aber ich kann es nicht ertragen, wenn er sie berührt.

Der Gedanke peitscht mein Adrenalin hoch. Und meinen Schwanz auch. Die Wut treibt brennende Erregung durch meinen Körper. Ich umfasse das Haar des Mädchens. »Schneller«, stöhne ich und treibe sie mit meinen Händen an. Bewege ihren Kopf rücksichtslos auf und ab. Sie würgt, aber macht weiter. Und doch fühle ich eigentlich gar nichts. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, sie von mir zu stoßen und Trevor und Lea ins Haus zu folgen. Lea gehört mir. Auch wenn sie es nicht weiß. Sie wird es niemals erfahren. Trotzdem, sie gehört mir.

»Du wirst die Kleine noch umbringen«, sagt Liam feixend und setzt sich neben mich auf den Beckenrand. Er packt Dana, ein Mädchen aus unserer Klassenstufe an der Hand und zwingt sie dazu, in den Pool zu springen, dann zerrt er sie mit heißem Blick zwischen seine Beine. »Ich hätte gern die gleiche Heilbehandlung wie Ian hier«, sagt er und reibt über seine Badehose. Dana lächelt und packt Sams Erektion ohne zu zögern aus.

»Ich hätte noch eine bessere Idee«, sage ich angespannt. »Wie wäre es, wenn ihr zwei euch küsst, während ihr hier euch weiter um unser Wohlbefinden kümmert?« Ich zeige auf Mina und Candy, zwei Cheerleader, die in den letzten Minuten gelangweilt auf ihren Liegen gelegen und auf ihre Handys gestarrt haben. Die Mädchen kichern und stehen sofort auf, springen in den Pool - ihre Bikinioberteile haben sie wohl zu Hause gelassen - und legen sofort los, sich zu küssen und sich zu berühren. Eigentlich interessiert mich das Ganze gar nicht, aber es passt zu meinem neuen, eiskalten Ich, das ich mir zugelegt habe, um die Verletzung, die Lea mir zugefügt hat, besser zu ertragen. Dieses Ich ist mein Schutzschild, zum einen, um den Schmerz nicht zu fühlen, den sie mir damit zugefügt hat, zum anderen, um nicht wahrhaben zu müssen, was ich eigentlich längst weiß: Ich liebe Lea. Und zwar auf eine nicht-geschwisterliche Art. In meinen Träumen tue ich Dinge mit ihr, die viel zu dreckig für ein Mädchen wie sie sind. Und dafür hasse ich mich, denn ich will sie nicht beschmutzen. Sie soll dieses unschuldige Mädchen aus meiner Kindheit bleiben. Und überhaupt soll sie meine Schwester bleiben, denn das andere könnte unsere kleine familiäre Welt zerstören. Wenn mein Vater es herausfinden würde, könnte er Lea und ihre Mom rauswerfen. Wenn Leas Mom es herausfinden würde, könnte sie mit ihr fortgehen. Und das darf nicht passieren. Ich darf niemanden von ihnen verlieren.

Trevor und Lea sind noch immer im Haus und langsam fühle ich dieses Zittern in meinem Körper, das einem Wutausbruch vorausgeht. Ich bin kaputt, zerstört, ein Wrack. Seit meine Mutter einfach gegangen ist, um ein neues Leben mit einer neuen Familie zu beginnen, bin ich am Ende und einer nicht enden wollenden Wut auf einfach alles ausgeliefert. Es kostet mich alle Kraft, nicht ins Haus zu gehen, um nachzusehen, was die beiden dort tun, weswegen ich die Augen schließe und mich nur noch auf das Gefühl konzentriere, das die Blondine zwischen meinen Beinen verursacht.

Ich versuche, nur noch die Erregung zu fühlen, das Brennen in meinen Adern, das Ziehen in meinem Unterleib. Ich will nur noch das in meinem Kopf. Nicht Lea, nicht ihr schwarzes Haar, ihre schokoladigen Augen, ihre gebräunte Haut und ihr umwerfendes rassiges, südamerikanisches Aussehen, das mich in den Wahnsinn treibt. Aber ich sehe hinter meinen geschlossenen Augen nur noch sie. Sie ist es, die mich berührt, die an mir saugt und die zu mir aufschaut, während sie meine Hoden knetet und meinen Schwanz tief in sich aufnimmt. Und es widert mich an. So darf ich nicht fühlen. Nicht für sie. Sie ist mehr als nur eine Frau, die mir einen bläst. Sie ist Lea. Und doch komme ich. Nicht, weil die Blondine so gut ist. Nicht, weil die zwei Mädchen, die sich im Pool gegenseitig auffressen, gut sind. Nur, weil es in meinen Gedanken Lea ist, die es mir besorgt. Ich stoße das Mädchen von mir, sie sieht mich verwirrt an, wischt mit dem Handrücken über ihren Mund, protestiert aber nicht.

Ich stehe einfach auf, ziehe meine Hose hoch und will gerade ins Haus gehen, weil ich es doch nicht mehr länger aushalte, als Trevor mit einem breiten Grinsen wieder nach draußen kommt. Wie lange waren sie jetzt da drin? Hatten sie genug Zeit? Wahrscheinlich. Aber Lea ist so nicht. Oder doch? Niemals. Ich will es gar nicht wissen. Aber sein Grinsen, dieser selbstzufriedene Blick …

2

2010

Lea

Mit einem nervös verkniffenen Gesicht parke ich meinen kleinen Subaru auf einem der Kurzzeitparkplätze vor dem Mädchenwohnheim auf dem Campus der Steven Points University in Wisconsin. Ich sehe an dem vierstöckigen Gebäude aus der Gründerzeit nach oben und beobachte dann minutenlang die Studenten, die die Stufen zum Gebäude hoch- und wieder runterlaufen. In ein paar Tagen beginnt das Semester, für mich das erste überhaupt an einem College. Ich werde zum ersten Mal, seit wir in die USA gekommen, sind außerhalb von River Falls leben, wenn auch nicht so weit weg von zu Hause, wie ich es mir gewünscht hätte. Und leider schon gar nicht weit genug weg von Ian, aber wahrscheinlich ist dieser Campus groß genug, damit ich ihn nie sehen werde. Zumindest nicht sofort. Leider ist dieses College das einzige, das mir ein Teilstipendium gegeben hat. Außerdem bin ich als ehemaliges Mitglied des West River Falls Cheerleader Teams hier am College nicht ganz unbekannt und mein Platz im hiesigen Team ist schon längst in trockenen Tüchern.

Ich lasse meinen Blick weiter zum kleineren Haus neben dem Mädchenwohnheim gleiten: das Verbindungshaus des UWSP Cheer Dance Teams. Dort werde ich wohnen. Ein weißes Haus mit zwei Etagen und einem großen Balkon, von dem ein lila Banner hängt, auf dem der Kopf eines gelben Hundes abgebildet ist - das Maskottchen der Pointers, der Footballmannschaft des Colleges. Ians Mannschaft. Wahrscheinlich werde ich ihm doch viel eher begegnen, als mir lieb ist. Das wird mir in diesem Moment bewusst, als ich das Banner der Mannschaft am Haus meiner Schwesternschaft hängen sehe. Dieser Gedanke ist schon seit einiger Zeit da, aber ich habe ihn immer verdrängt, weil ich sonst wahrscheinlich jetzt nicht hier stehen würde. Aber das hier ist nun mal meine einzige Chance auf einen Collegeabschluss, und darauf, es irgendwann vielleicht in das Cheerleader-Team einer NFL Mannschaft zu schaffen. Ohne dieses Stipendium könnte ich mir ein College nicht einmal leisten. Die Therapien meines Bruders verschlingen zu viel Geld.

»Also dann«, versuche ich mir Mut zu machen. Obwohl ich schon dankbar bin, dass ich die Bewerbungsphase in der Verbindung überspringen darf, weil ich das Vorauswahlverfahren letztes Jahr gewonnen habe, habe ich noch immer Magengrummeln, wenn ich daran denke, dass ich in diesem Haus mit Mädchen wohnen werde, die ich gar nicht kenne. Ich hole tief Luft, öffne das Auto und steige aus.

»Dein Auto passt gut hierher«, ruft mir ein Mädchen zu. Sie steht an dem Auto neben meinem und lädt sich gerade einen Karton auf die Arme. Ihr klebt das Haar im verschwitzten Gesicht, wahrscheinlich hat sie schon ein paar Kartons auf ihr Zimmer getragen, man kann ihr die Erschöpfung regelrecht ansehen.

Ich mustere das dunkle Lila meines Subarus und grinse. »Stimmt, ist mir noch gar nicht aufgefallen. Die Rostflecken kann ich ja mit dem Maskottchen überkleben«, schlage ich dem Mädchen vor, das zustimmend nickt und dann an mir vorbei die Stufen zum Wohnheim nach oben eilt. Ich sehe dem Mädchen nach, dann lasse ich meinen Blick über das hektische Treiben um mich herum gleiten. Heute ist der Tag, an dem die meisten Studenten auf dem Campus einziehen.

Der Campus der Steven Points University ist wie eine Kleinstadt. Es gibt Cafeterias, Diner, mehrere Shops und sogar eine Bar. Die Student Union befindet sich ziemlich im Zentrum des Campus. Eine von fünf Dininghalls nur etwa zehn Minuten vom Mädchenwohnheim entfernt. Ich habe den Lageplan des gesamten Campus über die letzten Wochen hinweg in- und auswendig gelernt. Auf keinen Fall will ich wie viele unvorbereitete Anfänger über den Campus stolpern, so dass jeder mir gleich ansehen kann, dass ich hier neu bin. Mir wäre es sogar lieb, wenn ich eher gar nicht auffalle.

Früher war mir Aufmerksamkeit eigentlich egal, ich kam gut damit klar, aber seit damals versuche ich es zu vermeiden aufzufallen. Wobei das schwer ist, als Cheerleader. Denn als Cheerleader steht man oft im Mittelpunkt. Aber das Cheerleading verleiht mir Sicherheit. Es ist die einzige Sicherheit, die ich noch habe. Wenn ich tanze, kann ich vergessen. Alles, was um mich herum ist. Alles, was jemals passiert ist. Dann bin ich wieder dieses Mädchen, das einfach nur die beste Freundin von Ian ist und mit ihm gemeinsam unter der Trauerweide auf dem Anwesen seines Vaters Pläne schmiedet, wie wir beide es in die NFL schaffen könnten. Außerdem lege ich schon immer Wert darauf, gut vorbereitet zu sein.

Ich öffne meinen Kofferraum, hole zwei von fünf Kisten aus dem Auto und stelle sie auf dem Schotter ab, der den Parkplatz befestigt. Danach schließe ich das Auto wieder, stelle eine Kiste auf die andere und hebe beide unter Stöhnen auf meine Arme. Wahrscheinlich werde ich jeden hier rücksichtslos umrennen, weil ich kaum etwas sehen kann, aber ich habe auch wenig Lust, jede Kiste einzeln in das Verbindungshaus zu tragen. Vorsichtig laufe ich am Rand der Straße entlang, dann durch den kleinen Vorgarten und wünsche mir, ich hätte die Kisten doch einzeln genommen, denn mit jedem Schritt verlässt mich die Kraft in den Armen mehr. Meine Muskeln zittern und schmerzen und meine Lunge brennt.

»Kisten, schwer!«, keuche ich, als ich das Haus durch die offen stehende Tür betrete, in der Hoffnung, dass irgendjemand mich hört.

Und tatsächlich, jemand hat Mitleid mit mir, nimmt mir beide Kisten ab und stellt sie vor mich auf den Boden. Zuerst sehe ich nur breite Schultern, das Trikot der Pointers mit dem gelben Hundekopf auf dem Rücken und dunkelblondes, fast braunes Haar, das etwas länger ist und verstrubbelt wirkt, als wäre gerade jemand mit seinen Fingern durchgefahren. Oder der Besitzer dieser wirklich muskulösen Arme ist eben erst aus einem Bett gestiegen. Vielleicht hier in diesem Haus. Ich höre ein paar gemurmelte Worte, die ich nicht verstehen kann, von denen ich aber sicher bin, dass sie nicht freundlich gemeint waren, dann richtet sich mein Held auf und mir verschlägt es den Atem.

»Du!«, entfährt es uns beiden gleichzeitig.

Ich stehe sekundenlang unter Schock und kann ihn nur anstarren. Viel zu schnell und ich bin noch nicht bereit, sind die ersten Worte, die mir durch den Kopf gehen, als ich ihn nach zwei Jahren wiedersehe. Ich hätte gern noch etwas Zeit gehabt, ihn vielleicht erstmal nur aus der Ferne gesehen. Aber er hier, in dem Haus, in dem ich die nächsten Jahre wohnen werde. Das ist zu viel. Mein Puls rast und mir bricht aus jeder Pore meines Körpers Schweiß aus. Ich fühle mich wie versteinert, unfähig, mich zu bewegen oder etwas zu sagen. Ich fühle mich, als wäre ich gerade in meinem schlimmsten Alptraum gefangen. Nein, nicht ganz. Da gibt es noch etwas Schlimmeres, etwas viel Schlimmeres, als Ian Ward, meinen ehemals besten Freund, wiederzusehen.

Ian Ward, ehemaliger Quarterback der West River Falls High und ebenfalls ehemaliger bester Freund von mir. Zwei Jahre und noch immer schafft er es, mich in diesen Zustand zu versetzen. Mich zu lähmen vor Panik. Etwa ein Jahr vor seinem Umzug auf das College, hatte er sich verändert, hin zu einem Menschen, den ich nicht kannte und den ich auch nicht kennen wollte. Und bis heute habe ich ein Geheimnis vor Ian, das alles nur noch schlimmer machen würde, wenn er es jemals herausfinden würde.

Ich unterdrücke das Zittern, das sich durch meinen Körper arbeiten möchte, und als mir plötzlich die Worte wieder durch den Kopf gehen, die er vor seiner Abreise zu mir gesagt hat, wird mir ganz heiß und mein Puls beginnt zu rasen. »Weißt du was das Beste ist, wenn ich das nächste Mal wieder nach Hause komme, dann bist du nicht mehr hier.« Damals hatten wir beide noch keine Ahnung, dass wir dasselbe College besuchen würden. Denn eigentlich wollte Ian unbedingt nach New York, weit weg von seinem Vater. Und vor allem weit weg von mir. Dass er seine Meinung geändert hat, habe ich erst vor ein paar Monaten erfahren.

»Was zur Hölle machst du hier?«, fährt er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und verschränkt die Arme vor der breiten Brust. Er kämmt sich mit den Fingern durch die Haare, was das Chaos auf seinem Kopf nur noch vergrößert, genau auf diese lässige Art, die mich schon immer ganz irre gemacht hat und die in meinem Kopf aus unerfindlichen Gründen jedes Mal wie in Zeitlupe abläuft. Offensichtlich hatte Ian keine Ahnung, dass ich hier studieren werde. Aber wer hätte es ihm denn auch sagen sollen, schließlich ist meine Mutter nur die Haushälterin?

Seit seinem Abschied vor zwei Jahren verbindet uns beide so etwas wie eine Hassliebe, wenn man von Liebe überhaupt reden kann. Wohl eher nicht. Wenn man Liebe also streicht, bleibt nur noch Hass übrig. Uns beide verbindet also tiefgehender Hass. Zumindest hasst Ian mich, da bin ich mir sicher. Und das alles nur, weil ich mir etwas mehr Freiraum von ihm gewünscht habe. Vielleicht habe ich seine Wut ja sogar verdient. Ganz sicher habe ich sie verdient. Wenn ich ihn damals nicht weggestoßen hätte, unsere Freundschaft nicht verraten hätte, dann wären viele Dinge niemals geschehen.

»Ich bin mir sicher, dass wir beide so ziemlich das Gleiche hier tun wollen, studieren«, antworte ich bissig, als ich mich endlich wieder etwas gefangen habe. Ihn zwei Jahre nicht gesehen zu haben, zwei Jahre mit dem Gefühl gelebt zu haben, ihn aus seinem eigenen Haus ferngehalten zu haben, ist nicht spurlos an mir vorbeigezogen. Ich fühle mich schuldig, weil er sich wegen mir nicht nach Hause getraut hat, damit er mir nicht begegnen muss. Und jetzt bin ich hier, an dem Ort, an den er vor mir geflüchtet ist.

»Entschuldige, aber ich hatte gehofft, hier auf jeden anderen zu treffen, nur nicht auf dich.«

Auch das habe ich verdient und ich habe keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll. Ich könnte weitermachen wie bisher und die unnahbare Eisprinzessin spielen, die Dinge, die er mir an den Kopf wirft, und seine Abweisung genau so ertragen, wie in dem letzten Jahr, bevor er River Falls verlassen hat. Oder ich könnte versuchen, ihn um Verzeihung zu bitten. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, die Vergangenheit zu vergessen, denn wir sind jetzt beide hier auf dem College.

»Das hier ist ein Wohnhaus für Mädchen. Ich hab zwar noch nicht nachgesehen, aber ich bin mir fast sicher, dass du kein Mädchen bist.« Ich werfe einen provozierenden Blick auf seinen Unterleib. Er trägt eine Jeanshose, die an der entsprechenden Stelle eine Ausbuchtung zeigt. Wenn er keine Socken dort reingesteckt hat, dann sollte diese Beule der Beweis für seine Männlichkeit sein.

Ian zieht eine Augenbraue hoch, dann grinst er abfällig und beugt sich zu mir nach unten, nah genug, dass ich seinen unverkennbaren Geruch einatmen kann. Ich halte die Luft an, obwohl ich Ian gerne rieche, aber schon ihn zu sehen, bringt mich an meine Grenzen. »Du hättest nicht herkommen dürfen«, flüstert er in mein Ohr, dann richtet er sich wieder auf, noch immer dieses Grinsen im Gesicht, von dem ich glaube, dass es nur für mich bestimmt ist.

»Du hättest nicht hier sein müssen«, gebe ich zurück. »Warum bist du nicht nach New York gegangen?«

Er kneift die Augen zusammen und presst die Kiefer so fest aufeinander, dass ich seine Muskeln arbeiten sehen kann. »Wenn ich schon nicht nach Hause kann, dann möchte ich wenigstens in der Nähe sein dürfen.«

Ich schnaube, trete einen Schritt zurück und komme doch nicht umhin, mich schlecht zu fühlen. »Ich habe nicht gesagt, dass du nicht nach Hause kommen kannst. Es ist dein Zuhause.«

»Genau«, sagt er knapp. Er beugt sich wieder nach unten. »Was denkst du, wo stehen wir jetzt?«

Ich schnaube, obwohl mir gar nicht danach ist. Eigentlich weiß ich gar nicht, wonach mir im Moment ist, alles ist viel zu verworren. Mit weichen Knien trete ich noch einen Schritt von ihm zurück und gebe mir Mühe, nicht allzu nervös zu wirken, aber sein verächtliches Grinsen zeigt mir deutlich, dass er weiß, was in mir vorgeht. »Wo sollen wir schon stehen?«, werfe ich ihm vor, bücke mich nach einem der Kartons und hebe ihn auf. Ich gehe auf die Treppe zu und hoffe, dass ich oben jemanden treffe, der mir sagen kann, welches Zimmer meins ist.

»Hmm«, macht er, ich bleibe stehen und sehe zurück. Er grinst bösartig. Ich kenne diesen Ausdruck in seinem Gesicht nur zu gut. Er bewirkt immer, dass sich mein Magen verknotet. Meist folgt auf diesen Ausdruck nichts Gutes, zumindest was mich betrifft. »Ich weiß nicht, irgendwo nach dem Augenblick, in dem du mir gesagt hast, ich soll dich in Ruhe lassen, und dem Augenblick, in dem du auf meinem Herzen herumgetrampelt bist, kurz bevor ich wegen dir die Stadt verlassen habe, in der ich aufgewachsen bin. Such es dir aus.«

Ich habe mich lange nicht mehr so angespannt gefühlt. Zwei Jahre ohne ihn waren hart und voller Schuld, aber sie haben mir auch Zeit zum Durchatmen gegeben. Und jetzt fühle ich mich wieder, als werde ich zerrissen. Ich kann mich an jeden der Augenblicke, die er aufgezählt hat, erinnern. Und nicht im jeden war ich die Böse, aber er glaubt es und ich werde ihm die Wahrheit nie sagen.

»Ich wollte dich nie verletzen.« Ohne sein abfälliges Kopfschütteln zu beachten, gehe ich weiter die Stufen nach oben und wage erst, Luft zu holen, als ich um die Ecke verschwinden kann. Ich will mir am liebsten die Haare ausreißen. Weitermachen wie bisher ist bestimmt nicht die klügste Entscheidung, aber die, mit der wir beide wohl am sichersten wären. Es gibt zu viel, das er nicht wissen darf. Auch wenn der Pakt uns eigentlich nicht mehr trennen kann, meine Geheimnisse können es schon. Ich fahre am besten, wenn ich einfach auf der Zugstrecke bleibe, die ich kenne. Diese Zugstrecke wird uns beide vor noch schlimmeren Schmerzen bewahren.

Ich lehne mit der Kiste in den Armen an einer Wand, die Augen geschlossen, und versuche ruhig zu atmen, um meinen Puls wieder unter Kontrolle zu bringen.

»Hey, bist du nicht Lea?«, will eine ziemlich hohe Stimme wissen.

Ich öffne die Augen und blicke in das sommersprossige Gesicht eines Mädchens mit hellroten Haaren und blasser Haut. Sie hat dichte Locken, kaum sichtbare Augenbrauen und dunkelgrüne Augen, die aus ihrem Gesicht regelrecht herausstechen, weil sie an ihr das Einzige zu sein scheinen, das farbintensiv ist. »Ja, bin ich. Tut mir leid, ich bin nur etwas aus der Puste.«

»Mach dir nichts draus, diese Wirkung hat Ian auf so gut wie jedes Mädchen hier.«

Mein Mund klappt erschrocken auf, dann schüttle ich mit heißem Gesicht den Kopf und versuche, nicht zu sehr zu stammeln. »Oh, nein. In mir löst er nur Frustration aus. Wir waren auf der gleichen Highschool.« Ich spare mir, ihr zu gestehen, dass wir auch im gleichen Haus gewohnt haben. Sein Zimmer direkt neben meinem, was das letzte Jahr, bevor er auf das College gewechselt hat, zu einer Qual gemacht hat, weil ich mich seinem Hass nicht entziehen konnte. Der Wut, die ich in ihm hervorgerufen habe, weil ich unsere Freundschaft verraten habe.

»Dann kennst du ihn also schon? Liz hat ihn vorhin rübergeholt, angeblich wegen eines undichten Rohrs. Kennt er sich mit undichten Rohren aus? Ist sein Vater Klempner?«

Ganz bestimmt hat er kein undichtes Rohr repariert. Ich brauche einige Sekunden, bevor ich mit dem Kopf schüttle. »Er ist Anwalt. Soweit ich weiß, hat sein Vater keinerlei handwerkliches Talent.« Ich muss fast grinsen, als ich daran denke, dass er es immerhin versucht hat. Als ich etwa 11 Jahre alt war, hat Ians Vater uns ein Baumhaus bauen wollen, das am Ende so windschief war, dass wir es nie betreten durften. Und irgendwann ist es einfach aus dem Baum gefallen. Aber das war nie ein Problem, denn als Ians Vater beschlossen hat, für ein paar Stunden mal Vater zu sein, waren wir beide schon viel zu alt für ein Baumhaus. Aber er dachte wohl, dass es eine gute Idee wäre, weil Ian und ich viel Zeit unter der Trauerweide auf dem Anwesen verbracht haben.

»Irgendwie ist er ganz anders als seine Verbindungsbrüder. Die können sich alle nicht auf eine Frau festlegen, Ian ist schon ein paar Monate mit Liz zusammen. Ich bin übrigens Penny, wir beide teilen uns ein Zimmer. Komm mit, ich zeig dir alles. Danach helfe ich dir mit deinem Kram.« Sie weist mit der Hand zum Ende des Korridors, aber ich muss erstmal durchatmen, weil mein Kopf schwirrt. Ian hat eine feste Freundin? Der Ian, der immer eine Möglichkeit gefunden hat, ein Mädchen in sein Bett zu holen? Der Ian, dessen Wortschatz das Wort Freundin nicht einmal beinhaltet. Mein Magen verknotet sich und ich spüre diesen heftigen Stich irgendwo in meiner Brust. Ich kann nicht genau sagen wo, denn ich versuche wirklich, ihn zu ignorieren. Denn wenn er nicht da ist, hat er auch keine Bedeutung.

»Geradeaus ist das Bad für die Mädchen, die auf dieser Seite des Korridors wohnen, also uns. Auf der anderen Seite das für die anderen Mädchen. Unser Zimmer ist das zweite von hinten. Das ganz hinten gehört unserem Captain, sie hat ein eigenes kleines Bad. Nicht so hübsch wie unseres.« Penny hat wohl gar nicht gemerkt, dass ich ihr nicht sofort gefolgt bin. Als ich ihr den Korridor ganz runter folge, steht sie mit dem Rücken zu mir und redet, ohne Luft zu holen. Sie grinst über die Schulter zurück und einen Moment erinnert sie mich an Pippi Langstrumpf, fehlen nur noch die abstehenden, dicken Zöpfe. Die würde sie wahrscheinlich sogar hinbekommen, so dick und krausig wie ihr Haar ist.

Sie stößt die Zimmertür, vor der sie steht, weit auf. »Unser Zimmer«, sagt sie. »Letztes Jahr hat Michelle hier mit mir geschlafen, sie ist direkt nach ihrem Abschluss hier von den Hunters übernommen worden.«

»Den Hunters?«, erkundige ich mich erstaunt. Für die Hunters arbeiten zu dürfen, wäre mein absoluter Traum, aber eigentlich mache ich mir wenig Hoffnung, nach dem College weiter zu machen als Cheerleader, weswegen ich zusätzlich noch Theaterwissenschaften belegen werde. Wie viele Mädchen haben schon die Chance auf das ganz große Los, einen Vertrag mit einem NFL-Team? Da mache ich mir nichts vor.

»Genau die.« Penny bleibt vor einem Poster stehen, das über einem von zwei Schreibtischen hängt. »Das ist unser Team vom letzten Jahr. Nur Michelle hat es sofort zu einem Profiteam geschafft. Obwohl Janina auch unglaublich gut ist.« Penny lehnt sich gegen den Schreibtisch. »Dein Bett, dein Schrank, dein Schreibtisch«, weist sie auf die andere Seite des Zimmers.

Ich stelle meine Kiste auf das unbezogene Bett. Die Möbel sind alle recht einfach und in Weiß gehalten, das Zimmer hat eine angenehme Größe und wirkt sehr gemütlich. Ich bin zufrieden, es ist mehr, als ich erwartet habe. »Und du? In welchem Jahr bist du?«

»Im zweiten jetzt.«

»Und danach?«

»Ich mache mir keine Hoffnung auf einen großen Vertrag. Meiner Mutter gehört ein Magazin, ich würde auch gern schreiben und sie hätte das auch lieber. Ich werd mich entscheiden, wenn es soweit ist.«

Ich sehe zur Tür hin. »Ich hab unten noch eine Kiste und drei im Auto.«

»Dann bringen wir das hinter uns. Die anderen Mädchen sind alle Shoppen und ein Frischling kommt erst morgen an. Heute Abend ist übrigens eine Verbindungsparty bei Kappa Tau. Da ist Auftauchen für uns alle Pflicht, sie sind unsere Brüder.«

»Ist nicht eigentlich erst Vorstellungswoche?« Schon heute eine Party, das bedeutet, ich werde Ian heute noch einmal sehen. Ich hätte wirklich noch etwas mehr Zeit gebraucht, damit ich mich von unserer Begegnung erholen kann.

Penny grinst. »Kappa stellt sich vor, indem sie eine ihrer berühmten Partys geben. Es geht ja das Gerücht um, dass sie nur Bewerber aufnehmen, die mindestens so viel trinken wie die Vollmitglieder.«

»Sind sie nicht alle Sportler?« Ich laufe neben Penny die Stufen nach unten, werfe einen flüchtigen Blick auf meinen Karton, der noch immer hier steht, und beschließe, ihn erstmal zu lassen, wo er ist, und zuerst die drei Kartons aus meinem Auto zu holen.

»Sind sie. Es gibt bei ihnen wohl eine Regel, die ihnen das Trinken vor einem Spiel untersagt. An den Abenden vor dem Training dürfen sie nur ein Bier trinken, aber an den Wochenenden nach den Spielen schlagen sie dafür richtig zu. Und die Kappas können wirklich feiern.«

Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Es gibt Gründe für den Pakt, den wir gemeinsam geschlossen haben, einer dieser Gründe ist Alkohol. Und auf Ians Partys habe ich auch oft miterlebt, wie gefährlich Alkohol sein kann und was er mit einem anstellt. Was nicht heißt, dass ich nie etwas getrunken habe, aber ich habe nie wirklich viel getrunken. Und nachdem der Pakt erstmal seine Wurzeln in das Sozialleben in River Falls geschlagen hatte, waren Partys ohnehin etwas, was es nur selten gab. Was daran lag, dass kaum jemand Lust auf eine Party hatte, wenn die weiblichen Gäste ausblieben, weil sie Alkohol und Flirts aus dem Weg gehen wollten, um den Pakt nicht zu gefährden.

Ich stelle mich hinter mein Auto und öffne den Kofferraum.

»Du hättest dein Auto auch direkt vor dem Haus parken können. Zum Ausladen geht das schon mal. Ansonsten nutzen wir die Parkplätze hinter dem Wohnhaus. Eine Karte dafür dürftest du bei der Anmeldung bekommen haben.«

»Habe ich«, bestätige ich und lade Penny einen Karton auf die Arme, nehme den zweiten und lasse den dritten im Wagen zurück, um ihn später zu holen. Ich will nicht schon wieder mit jemandem zusammenstoßen.

»Du musst heute noch bügeln und unsere Schuhe putzen. Auch wenn du um die Bewerbungsphase rumgekommen bist, du bist noch immer ein Fuchs und als solcher kommst du nicht um deine Aufgaben als Frischling rum. Ich würde dich ja bedauern, aber solange das heißt, ich muss nicht bügeln, liebe ich diese Regel.«

Ich nicke angespannt und erspare mir, zu erwähnen, dass ich dem Bügeln auch nicht viel abgewinnen kann. Auch wenn ich es hasse, aber ich bin es gewohnt, immerhin habe ich für die Wards auch gebügelt. »Damit komme ich klar. Womit ich nicht klarkomme, ist kochen. Ich kann es nämlich nicht. Meine Mutter hat versucht, es mir beizubringen, aber ich habe dafür absolut kein Talent. Solange ich also nicht für euch kochen muss, seid ihr alle in Sicherheit.«

»Ich denke, das überleben wir. Auf dem Campus gibt es drei Food Courts mit Restaurants und kleinen Diners. Und in jeder größeren Hall gibt es eine Mensa. Das Essen hier ist wirklich gut.«

3

Lea

Ich ducke mich erschrocken und kann dem Football, der nach mir geworfen wurde, im letzten Moment ausweichen. Das Haus von Kappa Tau Phi ist hell erleuchtet und auf dem Balkon und im Vorgarten tummeln sich eine Menge Studenten, lachen und brüllen sich gegenseitig Beleidigungen zu, von denen die meisten hoffentlich nicht ernst gemeint sind. Es ist ein schönes Backsteinhaus mit einem Balkon in der ersten Etage und einer kleinen Veranda unten. Auch hier hängt eine Fahne mit dem Maskottchen der Uni vom Geländer des Balkons.

Im Vorgarten stehen mehrere Grüppchen und als wir den Weg entlangkommen, sehen sie uns alle an. Ich habe das Gefühl, sie sehen nur mich an und bekomme ganz zittrige Knie. Mein Herz rast heftig, ich war noch nie eine große Partygängerin, was wohl auch an meinen Erfahrungen mit Ians Freunden liegt. Viele meiner Freundinnen vermieden Partys und Alkohol, um nicht in Versuchung zu geraten, den Pakt zu brechen. Ein wenig war das auch mein Grund, aber es gab noch einen anderen. Meine Angst.

»Ian Ward scheint es auf dich abgesehen zu haben«, meint Mandy, eine von meinen neuen Verbindungsschwestern lächelnd, aber den Ausdruck in ihrem Gesicht kenne ich viel zu gut, um nicht zu bemerken, dass ihre Begeisterung nicht echt ist. Ich habe ihn viele Jahre in der Highschool gesehen. Ich versteife mich, ich will einen schlechten Start mit meinen Schwestern gerne vermeiden. Besonders da Ian absolut kein Interesse an mir hat. Er hat den Ball aus Hass nach mir geworfen, um mich zu verletzen, nicht, weil er in irgendeiner Weise Interesse an mir hat.

»Wir waren nicht gerade befreundet«, werfe ich eilig ein, als ich Mandys verführerisches Lächeln bemerke, das sie Ian zuwirft, während wir an ihm vorbei in das Verbindungshaus gehen, aus dem uns laute Technomusik, alkoholgeschwängerte Luft und Gelächter entgegenschlagen. Die Lüge dreht mir den Magen um, aber Lügen ist etwas, das ich in den letzten Jahren perfektioniert habe, obwohl ich es hasse, und ich will mein Zusammenleben mit meinen neuen Schwestern nicht unnötig kompliziert machen. Außerdem bin ich froh, wenn ich Ian nicht sehen muss. Eigentlich wäre es mir lieber, ich müsste ihm gar nicht begegnen.

Besser wäre natürlich, ich müsste gar nicht erst auf diese Party, aber meine Verbindung nimmt es offensichtlich mit den Regeln sehr ernst. Für die Omega Phi Alpha ist die Partnerschaft zwischen den Sportlern und ihrer eigenen Verbindung scheinbar eine der wichtigsten Traditionen überhaupt. Nur zu erwähnen, dass ich lieber nicht mitkommen möchte, hat mir eine Menge lautes Gekreische und einstimmige Entrüstung und die Androhung von Strafe eingebracht.

Ich habe also schon am ersten Tag auf dem Campus lernen müssen, was es bedeutet, in einer Schwesternschaft zu sein. Eine Schwesternschaft, auf die ich gern verzichtet hätte, aber meine Chancen auf eine Profikarriere als Cheerleader sind deutlich größer mit einer Verbindung im Rücken, die mich stärkt und die schon über wichtige Kontakte verfügt. Und ich will jede Chance nutzen, will dass sich mein Training gelohnt hat, all die Arbeit, die Wettkämpfe. Ich brauche das hier, weil es mir dabei hilft, mich sicher zu fühlen. Es gibt mir Halt und bringt mich vielleicht weit weg von Ian und River Falls. Ich kann ihn nicht ewig von seinem Zuhause fernhalten.

»Oh man, ich hoffe, das ist nur Wasser, das sie hier verdampfen«, stößt Liz aus und hakt sich bei mir unter. »Letztes Jahr hat irgendein Spaßvogel Drogen in die Nebelmaschine gegeben. Die Party ist total aus dem Ruder gelaufen. Danach hätte die Verwaltung die Bruderschaft fast verboten. Dass es sie noch gibt, haben sie nur dem Einfluss einiger sehr berühmter, älterer Mitglieder zu verdanken.«

Mein Nicken ist nur beiläufig, denn eigentlich interessiert mich Tratsch wenig, besonders wenn es um die Dinge geht, die Ian in den Jahren angestellt hat, in denen er nicht in meiner Nähe war.

Ich lasse mich von Liz in das Wohnzimmer des Hauses ziehen, wo alle Möbel an die Wände geschoben worden sind, um in der Mitte Platz für eine Tanzflächen zu schaffen. Ein paar Gäste tanzen schon, ein leicht bekleidetes Mädchen sogar auf dem Tisch, aber die meisten anderen sitzen oder stehen in Gruppen um die Tanzfläche herum und halten rote Plastikbecher in ihren Händen.

»Kontrolliert hier niemand das Alter?«, hake ich verwundert nach, nur die älteren Semester dürften schon 21 Jahre alt sein und somit berechtigt, Alkohol zu trinken.

»Es kommt vor, aber das passiert so selten, dass wir die meiste Zeit ohne Angst vor Konsequenzen feiern können. Willst du auch ein Bier?« Liz’ Gesicht drückt aus, dass ihre Frage eigentlich keine Frage ist, also nicke ich und folge ihr in die kleine Küche, in der vor der Kochinsel ein Fass steht, auf dem gerade jemand einen Handstand macht und einen Schlauch, an dem sich ein kleiner Zapfhahn befindet, zwischen seine Lippen gehalten bekommt. Alle um ihn herum grölen und fordern ihn auf zu trinken, dann applaudieren sie. Derselbe Zapfhahn wird benutzt, um Bier in rote Becher zu geben, von denen einer dann in meinen Händen landet. Mit einem verbissenen Lächeln nehme ich einen Schluck, nachdem Liz mit mir angestoßen hat, und versuche, das Schütteln zu unterdrücken, das über meinen Körper hinwegrollen will. Ich habe dem Geschmack von Bier noch nie etwas abgewinnen können. Fremden Bakterien auch nicht. Ich trinke auch nur, um nicht schon am ersten Tag als Sonderling abgestempelt zu werden. Wahrscheinlich werde ich den ganzen Abend an diesem einen Becher nippen und mich daran festhalten, als hinge mein Leben davon ab.

Ich folge Liz wieder zurück in das Wohnzimmer und bleibe dann neben ihr vor einer Wand stehen. Die meisten Wände sind mit Fotos von Sportlern in lila-gelben Uniformen geschmückt, mit Wimpeln und Fahnen und Gruppenbildern. Ich suche in der Menge nach Gesichtern, die mir vielleicht bekannt vorkommen, vielleicht weil ich hoffe, noch jemanden aus River Falls hier zu treffen, aber alle im Raum sind Fremde. Wahrscheinlich auch besser so, denn es gibt ein paar Leute aus River Falls, die möchte ich noch viel weniger hier haben als Ian. Trotzdem, selbst mit meinen Verbindungsschwestern fühle ich mich hier fehl am Platz.

Liz steht neben mir und schaut sich angespannt um, wahrscheinlich wartet sie auf Ian. Ich wundere mich, dass er sie bisher noch nicht einmal begrüßt hat. Er scheint noch immer draußen zu sein. Sind sie schon so lange fest zusammen, dass sie nicht mehr jede Sekunde zusammen verbringen wollen? Oder ist es nur Ian, der wenig Interesse an Liz zu haben scheint? Oder geht er Liz aus dem Weg, weil ich mit ihr hier stehe? Eigentlich sollte ich gar nicht darüber nachdenken, was genau zwischen den beiden läuft und was nicht und wie Ian zu ihrer Beziehung steht, das alles sollte mich überhaupt nicht interessieren.

Liz ist genau wie ich mit ihren Eltern erst vor wenigen Jahren aus Mexiko in die USA gekommen. Sie ist sehr hübsch und hat langes, volles Haar. Als ich sie heute Nachmittag kennengelernt habe, war ich für mehrere Sekunden wie erstarrt und konnte nicht glauben, dass Ian ausgerechnet mit ihr zusammen ist. Mit jemanden, der spricht wie ich, die gleiche Haarfarbe hat und die gleiche Augenfarbe. Seither versuche ich mir einzureden, dass das nur Zufall ist. Aber eine leise Stimme in meinem Kopf will glauben, dass es das nicht ist.

Nervös nippe ich an meinem Becher, ignoriere die Gänsehaut auf meinen Armen, die der bittere Geschmack auslöst, und versuche mich zumindest etwas zu entspannen. Aber es fällt mir nicht leicht, all die Fremden um mich herum auszublenden. Die Blicke, die sie mir zuwerfen, ihre Nähe und die Gefahr, die von ihnen ausgeht. Ich brauche dringend eine Ablenkung, bevor meine Gedanken noch mehr Kreise ziehen können. Was macht man sonst auf so einer Party, außer herumstehen, beobachten und trinken?

»Lass uns tanzen«, schlage ich Liz unvermittelt vor. Ich will nicht länger hier stehen und mich fühlen, als gehöre ich nicht hierher, also muss ich mich mit irgendetwas beschäftigen. Tanzen ist ein guter Weg, um mich abzulenken. Das ist es schon immer. Tanzen ist wie Medizin für mich.

»Aber trink erst deinen Becher aus, lass den niemals irgendwo stehen. Könnte sein, dass ich paranoid und überängstlich bin, aber man weiß ja nie.«

Ich nicke bedächtig. »Idioten gibt es überall.« Trevor Warren ist so ein Idiot.

Ich nehme Liz’ Hand und führe sie auf die recht leere Tanzfläche. Wenn ich tanze, bin ich in der Lage, alles um mich herum auszublenden. Schon nach den ersten Takten beginne ich mich zu entspannen, und nach ein paar weiteren Takten bemerke ich die Blicke meiner Mitstudenten gar nicht mehr. Ich schwinge die Hüften, albere mit Liz herum und freue mich, als sich noch drei weitere meiner neuen Schwestern zu uns auf die Tanzfläche gesellen. Jede von uns führt ein paar Moves vor, dann tanzen wir wieder zusammen, bewegen uns mal schnell, mal langsam, mal aufreizend und mal albern, bis ich völlig verschwitzt und außer Atem nach einem weiteren Schluck Bier lechze.

»Ich hol mir nur noch was zu trinken«, rufe ich über die Musik hinweg und greife mir an die Kehle, um den Mädchen zu signalisieren, dass ich innerlich vor Durst vertrockne. Ich schiebe mich über die mittlerweile recht volle Tanzfläche und in die Küche, wo mir jemand, der nur eine Jeansshorts anhat, ansonsten nichts, einen der roten Becher mit Bier füllt. Ich schwitze so sehr, dass ich wahrscheinlich nicht gerade der tollste Anblick bin, aber das scheint ihn nicht zu stören, denn er mustert mich ungeniert, dann grinst er anzüglich.

»Ich bin Chris«, stellt er sich mir vor und lässt seine Brustmuskeln zucken, so dass mein Blick gezwungen wird, über seinen durchtrainierten Oberkörper zu wandern.

»Welche der beiden ist Chris?«, hake ich wenig interessiert nach und zeige auf die zwei tanzenden Brustwarzen vor meinem Gesicht. Mag ja sein, dass Chris denkt, das würde auf das andere Geschlecht in irgendeiner Weise anregend wirken, aber das ist einfach nur lächerlich. Zumindest glaube ich, dass es lächerlich ist, für ein anderes Mädchen ist es das vielleicht nicht. Ich sehe über die Schulter zurück, aber ich bin wirklich allein mit ihm in der Küche, und das bekommt mir gar nicht gut. Obwohl wir nur durch einen Tresen von den anderen im Wohnzimmer getrennt sind.

»Komm näher und frag sie selbst.« Er grinst breit. Der trübe Blick aus seinen hellblauen Augen verrät mir, dass er schon vor einer Weile angefangen hat zu feiern. Wahrscheinlich sollte ich ihm seine platten Sprüche nicht einmal übelnehmen, gut möglich, dass die nüchterne Version dieses Typen eine viel angenehmere ist. Aber ich kann nicht wirklich aus meiner Haut, denn sein Verhalten erinnert mich sehr an Ian. Ian hat auch immer versucht, so cool und hart wie möglich rüberzukommen, aber das war nicht das Gesicht, das er mir gezeigt hat. Diesen Ian kannten nur seine Freunde, die Teammitglieder und die Mädchen, die er unbedingt in seinem Bett haben wollte. Mir hat er eine ganz andere Version gezeigt, eine fürsorgliche, freundliche Version. Bis zu diesem Tag, an dem ich ihn enttäuscht habe.

»Dann verzichte ich lieber auf eine Bekanntschaft«, werfe ich ein und trinke von meinem Bier, verziehe das Gesicht und wende mich ab. Ich verlasse die Küche und beschließe, mich hinter dem Haus umzusehen, vielleicht finde ich ja einen Weg, um mich unauffällig hier rauszuschleichen, aber so weit komme ich gar nicht, jemand schiebt sich mir in den Weg und lässt meinen Puls panisch rasen, weil ich nicht vorbereitet war. Ich habe meine Deckung fallenlassen.

»Du bist also eine von den neuen Omegas«, stellt er gedehnt fest und mustert mich mit einem breiten bewundernden Lächeln.

Ich sehe in das stoppelige Gesicht eines sehr großen, sehr schlanken Manns, und fühle mich unbehaglich, aber ich bringe ein Nicken zustande.

»Bin ich, oder werde ich sein.« Ich mache einen Schritt zurück, um Abstand zwischen mich und ihn zu bringen. Ich kann nicht gut damit umgehen, wenn Menschen mir zu nahe kommen. Besonders zwischen dem anderen Geschlecht und mir habe ich gern etwas mehr Abstand, weil Nähe mich stark verunsichert und ich das Gefühl habe, nicht genug Luft zu bekommen. Trotzdem entgeht mir nicht, dass er gut aussehend ist, auf eine grobe Art, die die Narbe in seiner Augenbraue noch unterstreicht.

»Ich habe dich tanzen sehen. Mir gefallen deine Augen und dein Hintern.«

Ich verziehe das Gesicht und versteife mich innerlich. Flirtet man so mit einem Mädchen auf dem College? Direkt und anzüglich, ohne Umwege zu nehmen? So wird mir die Situation noch unangenehmer und ich möchte mich ihr gern entziehen. Aber er steht so zwischen mir und dem Hinterausgang, dass ich nicht an ihm vorbeikommen würde, ohne ihn berühren zu müssen.

»Das war ein Spaß«, sagt er jetzt grinsend. Wahrscheinlich hat er mir angesehen, wie unwohl ich mich fühle.

»Wenn du es ernst meinst, dann solltest du nicht mit den schlimmsten Anmachsprüchen der Welt kommen«, werfe ich fast schon trotzig ein.

»Ich weiß«, sagt er und lehnt sich mit einer Schulter gegen die Wand neben uns und verschränkt die Arme vor der breiten Brust. Eine Strähne seiner hellen Haare rutscht ihm ins Auge und er pustet sie einfach weg.

»Warum hast du es dann getan? Hast du dir dadurch schlechtere Chancen ausgerechnet oder wolltest du mich verärgern, sogar verletzen?«

»Kann ein Typ, den du gar nicht kennst, dich denn verletzen?«, will er jetzt mit einem freundlichen Lächeln wissen. »Tut mir leid, manchmal bin ich ein Idiot. Aber eigentlich wollte ich nur deine Reaktion prüfen.«

»Meine Reaktion?«, hake ich unverständlich nach und mustere den großgewachsenen Mann mit den breiten Schultern, dessen Körperbau keine Frage offen lässt, er ist ein Sportler, mit jeder Zelle seines Körpers. Und er legt Wert auf sein Äußeres, seine blonden Haare sind kurz und gepflegt, er trägt ein Polohemd und schwarze Stoffhosen, beides sieht sehr teuer aus.

Er verzieht das Gesicht zu einem Grinsen, dem ich entnehmen kann, dass ihm die Antwort unangenehm ist. »Ich trenne so die Spreu vom Weizen. Mädchen, die auf so einen billigen Spruch eingehen, sind meist Mädchen, die sich nicht für mich als Person interessieren, sondern nur für den erfolgreichen Sportler.«

Ich versuche mich an einem Lächeln. »Verstehe«, sage ich und entspanne mich etwas. »Was hättest du gemacht, wenn ich dich wegen dieses Spruchs einfach stehengelassen hätte und dir nicht die Chance gegeben hätte, dich zu erklären?«

Er beugt sich etwas zu mir nach unten. »Dann wäre das wirklich blöd für mich gewesen, denn ich glaube, du bist ein tolles Mädchen, das ich gern näher kennenlernen würde. Wie heißt du?«

Ich versuche, mir meine Angst vor dieser unangenehmen Nähe nicht anmerken zu lassen, trete aber möglichst unauffällig einen winzigen Schritt zurück. »Lea«, antworte ich und zupfe am Rand meines Bechers herum, um meine Nervosität etwas zu unterdrücken. Ich fühle mich zwar nicht mehr so unbehaglich, aber die Nervosität wird mich nie verlassen. Sie sitzt immer auf meiner Schulter, wie ein kleines, orange leuchtendes Warnsignal.

»Ich bin Ryan, schön dich kennenzulernen.« Er hält mir seine Hand hin und ich lege meine kurz hinein. Als wir uns berühren, erfasst mich ein Schauer, der sich durch meinen Körper rollt. Ich versuche, ihn zu ignorieren und mich darauf zu konzentrieren, dass ich mir selbst geschworen habe, es ernsthaft zu versuchen. Mit allen Konsequenzen, dazu gehören nicht nur Partys, sondern auch Männer und Körperkontakt, Flirten und Spaß haben.

»Nett, dich kennenzulernen«, sage ich und setze noch ein Lächeln auf. Ich hoffe, es wirkt ehrlich und nicht so verkrampft, wie ich mich fühle, während er noch immer meine Hand hält, die ich ihm jetzt entziehe.

»Woher kommst du?«, will er wissen und schiebt die Hände in seine Taschen.

Früher hätte ich ihm wahrscheinlich das geantwortet: »Gestern wusste ich es noch, aber dann habe ich dich und deine Anmache getroffen und jetzt weiß ich es nicht mehr, weil dein wahnsinnig intelligenter Spruch mir glatt das Gehirn weggeblasen hat.« Aber bevor ich nach Steven Points aufgebrochen bin, habe ich nicht nur mir, sondern auch meiner Mutter versprechen müssen, wenigstens zu versuchen, meine Zeit auf dem College zu genießen und aufzuhören, mir ein soziales Leben zu verbieten. Ich muss mich daran immer wieder erinnern, aber ich werde es schaffen. Einen Schritt nach dem anderen. Raus aus der Gefangenschaft.

Ich atme tief ein und sammle die Kraft, die ich brauche, um ein normales Gespräch mit Ryan führen zu können. Ich schaffe das, sage ich mir selbst. Wir reden nur. Du hast früher schon mit Jungs gesprochen. Auch danach hast du es getan. Einen Augenblick kämpfe ich damit, die Worte, die sich in meinem Kopf längst zusammengefügt haben, über meine Lippen zu bekommen, aber ein weiterer tiefer Atemzug lässt sie dann endlich frei. Das heißt nicht, dass ich vergessen habe, dass ich mich gerade so nahe vor einem Mann befinde, aber es heißt, ich habe einen Schritt über meine innere Blockade getan und jeden Moment könnte ich wieder rückwärts stolpern und in dieses Loch fallen, das ein paar Wochen nach dem Ende der Freundschaft mit Ian den Super-GAU eingeleitet hat. »Woher kommst du denn?«

»Wisconsin.«

»So ein Zufall, da komme ich auch her. Woher genau?« Ich trinke meinen Becher leer und zerdrücke ihn in meiner Hand. Mehr werde ich nicht trinken, auch dann nicht, wenn jemand mich darum bittet.

»Randolph, in der Nähe vom Beaver Damm.«

»River Falls«, sage ich und sehe Ryan erstaunt an.

»Dann könnten wir zu Thanksgiving erst zu dir fahren und dann zu mir«, schlägt er grinsend vor.

»Und wir könnten auch gleich heiraten«, entgegne ich sarkastisch, weil er gleich einen solchen Vorschlag macht. Man nimmt doch nur jemanden zu Thanksgiving mit nach Hause, wenn man vor hat, ihn seiner Familie vorzustellen. Was bedeuten würde, man mag diesen Menschen sehr. Oder sieht Ryan das vielleicht lockerer? Ich kann es auf keinen Fall so sehen. Zumal ich ohnehin Probleme habe, Menschen an mich heranzulassen. Ich versuche es, manchmal lasse ich es sogar so aussehen, als könnte ich es, aber meistens bin ich lieber für mich allein. Mir fällt es schwer zu vertrauen. Früher war das anders. Und weil das früher anders war, bin ich zumindest eine gute Schauspielerin und dazu in der Lage, diese Rolle einzunehmen, die jeder von mir erwartet.

»Zuvor sollten wir noch Sex haben. Wir sollten wissen, ob wir zusammenpassen.« Er leckt sich über die Lippen und lässt seinen Blick über meinen Körper gleiten. Ich reibe mir fröstelnd über die Arme. Bis eben lief es doch ganz gut, womit habe ich ihn dazu gebracht, das Gespräch in die völlig falsche Richtung zu bringen?

Ich will mich gerade mit einer Entschuldigung aus der Situation befreien, als sich jemand neben mich stellt.

»Passt ihr ganz bestimmt nicht.«

Ich erstarre. Ich habe Ians Stimme sofort erkannt und bin mir nicht einmal sicher, weshalb ich mehr in Schockstarre verfalle, wegen Ian oder dem, was und wie er es gesagt hat. Es liegt so viel Verachtung in seiner Stimme, dass mein Puls sich sofort beschleunigt und ich mir wünsche, nicht hier zu sein. Aber das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Auch wenn es mir nicht gefällt, ich muss mich dieser Situation stellen. Ich muss lernen, mit Ian zurechtzukommen, trotz allem, was zwischen uns vorgefallen ist. Und wahrscheinlich ist es das Beste, wenn ich nicht mehr den Kopf einziehe und mich vor ihm in Sicherheit bringe. Vielleicht ist er hier am College genauso allein, wie ich es immer gewesen bin. Seine Freunde sind nicht hier, vielleicht gibt es hier niemanden, der ihn unterstützt, wenn er sich mir gegenüber miserabel benimmt. Und selbst wenn doch, es wird Zeit, die Angst abzulegen und aus meiner Ecke zu kriechen. Nein, nicht kriechen: mit hoch erhobenem Kopf schreiten.

Wenn es nur so einfach wäre. Nichts fällt mir so schwer, wie Ians Nähe zu ignorieren, die Dinge, die passiert sind, zu vergessen oder das rasende Herz in meinem Körper zu überhören. So tun, als wäre man locker, entspannt und unbeeindruckt, wenn der Mensch neben dir steht, der dir mal alles bedeutet hat und der jetzt der Mensch ist, den du von allen am meisten nicht in deiner Nähe haben willst, ist unmöglich.

»Ian«, sage ich abfällig und meine Stimme droht zu versagen, aber ein tiefer Atemzug hilft mir dabei, meine Emotionen unter Kontrolle zu bringen. »Ehrlich gesagt habe ich mich schon gefragt, wo du die ganze Zeit gesteckt hast.«

Ian bleibt nahe vor mir stehen, nahe genug, dass ich sein würziges Aftershave riechen kann. Als der bekannte Geruch mir in die Nase steigt, krampft sich mein Magen zusammen. Ian zieht eine Augenbraue hoch, dann reibt er sich über sein scharf geschnittenes, sehr markantes Kinn und legt den Kopf schief. »Genau hier?«, sagt er leise.

»Das habe ich befürchtet. Dabei hast du doch eine Freundin, die schon den ganzen Abend auf dich wartet«, sage ich und nicke zu Liz hin, die ein paar Schritte entfernt an einer Wand lehnt und uns beobachtet. Ich lächle, als er widerwillig das Gesicht verzieht. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für einen Rückzug. Ich schiebe mich an Ian vorbei und setze meinen Weg nach draußen in den Garten der Verbindung fort, ohne mich noch einmal umzusehen. Aber das muss ich auch nicht, denn ich kann die Blicke in meinem Rücken spüren, die mir folgen. Ich werde nur noch ein paar Minuten bleiben und mich dann von dieser Party stehlen, bevor mir der Schädel platzt vor Unbehagen.

Der Garten ist nicht weniger überfüllt als das Haus, was vielleicht auch daran liegt, dass er nicht besonders groß ist. Jemand ruft meinen Namen und als ich mich umsehe, entdecke ich meine neue Mitbewohnerin, die mir hektisch zuwinkt. Ich atme die lauwarme Abendluft ein und schließe für einen Augenblick meine Augen, bevor ich zu Penny rübergehe, die sich mit zwei anderen Mädchen unterhält. Ich würde viel lieber noch einen Berg Kleidung bügeln, als länger auf dieser Party zu bleiben, aber ich muss mich wenigstens etwas bemühen. Für mich. Und weil es zu meinen Aufgaben in dieser Verbindung gehört. Schluss mit dem Einsiedlerleben. Ich will endlich wieder Leben!

Ian

»Ihr kennt euch also?«, meint Ryan mit einem teuflischen Lächeln.

Ich kenne dieses Lächeln mittlerweile gut und weiß, dass Leas Verhalten ihn eher noch angestachelt als abgehalten hat. Sie hat seinen Jagdtrieb aktiviert. Eigentlich sollte mir das egal sein, aber Lea war mir noch nie egal. Weil sie mir gehört, aber weder sie noch sonst irgendjemand weiß das. Nur ich weiß, dass sie schon immer mir gehört hat, selbst dann, wenn ich sie brutal von mir weggestoßen habe, weil ich ihre Nähe nicht länger ertragen konnte.

In den letzten beiden Jahren bin ich wegen ihr nicht ein einziges Mal nach Hause gefahren, weil ich wusste, dass sie dort sein würde. Ich hätte es nicht ertragen, sie zu sehen. Und jetzt ist sie hier und noch immer zerreißt mich ihr Anblick mich in Stücke. Die Eifersucht bohrt noch immer ihren langen Stachel in mein Herz. Ich kann einfach nicht vergessen, was sie mir angetan hat, aber ich kann auch nicht vergessen, was ich für sie empfinde.

»Vergiss es, die ist nichts für dich«, sage ich schlecht gelaunt und nehme einen großen Schluck von meinem Bier, um meinen Unwillen herunterzuspülen, der in mir aufsteigt, wenn ich das Blitzen in Ryans Augen sehe. Ich sehe Lea durch die offene Tür im Garten der Verbindung stehen. Sie hat mir den Rücken zugewandt. Obwohl ich Lea auf die schlimmsten Weisen, die mir eingefallen sind, verletzt habe, sie immer wieder weggestoßen habe und zwei Jahre nicht nach Hause gekommen bin, um nicht wieder in ihrem Netz gefangen zu werden, überrollen mich in diesem Augenblick all die verdrängten Sehnsüchte. Ich will es nicht. Und ich hasse mich dafür, aber es passiert trotzdem. Ich muss sie nur dort stehen sehen und mir wird ganz heiß in der Magengrube. Vor Sehnsucht danach, sie berühren zu dürfen, aber auch aus Wut. Diese Wut auf sie begleitet mich jetzt schon eine ganze Weile und manchmal wünsche ich mir, sie wäre nicht da, dann hätte ich ihr nie wehgetan. Aber sie ist da, vielleicht wird sie das immer sein.

Ryan zieht interessiert eine Augenbraue hoch. »Wenn du das so sagst, klingt das, als wäre sie genau, was ich suche.«

»Du wirst sie nicht ins Bett bekommen«, werfe ich ein, im Wissen, dass Sex genau das ist, was Ryan von einem Mädchen will. Einen schnellen, bedeutungslosen Fick, eine Kerbe mehr in seinem Bettpfosten. Dieser Bettpfosten existiert wirklich.

»Hattet ihr was?«, will Ryan grinsend wissen.

»Nein.«

»Wieso bist du dann eifersüchtig?« Ryan hat sich umgewandt und mustert jetzt auch Leas Rücken. »Die ist ziemlich heiß. An der verbrennt man sich bestimmt den Schwanz«, stellt er lachend fest.

Ich schnaube und mein Puls beschleunigt sich unangenehm, bei den Bildern, die Ryans Aussage in meinem Kopf auslöst; Ryan und Lea im Bett. Wut flammt in meinem Magen auf. Das Letzte, was ich will, ist Lea zwischen Ryans schmierigen Pfoten. Aber wenn er sich erst einmal für ein Mädchen begeistert hat, dann ist es schwer, ihn von ihr wegzubekommen. Andererseits, warum sollte es mich interessieren, was Lea tut? »Dazu musst du erstmal nah genug an sie rankommen, um in sie reinzukommen«, knurre ich trotzdem düster.

»Willst du mir drohen? Du kennst die Regeln, ich bin hier der Präsident, wenn ich sage, ein Mädchen gehört mir, dann gehört sie mir.«

Ich versteife mich, noch bevor mir klar wird, dass mir diese Regel egal ist, wenn es um Lea geht, trotzdem muss ich versuchen, Ryan von ihr abzubringen. Möglichst ohne dass ich die Verbindung verlassen muss, weil ich gegen die Regeln verstoßen habe. »Ich wollte damit nur sagen, dass sie dich nicht ranlassen wird.«

»Wie meinst du das? Ist sie noch Jungfrau?« In Ryans Augen blitzt etwas auf, das mir regelrecht Angst macht.

»Das meinte ich nicht.«

Ryan keucht mit weit aufgerissenen Augen auf. »Lesbisch?«

»Nein, nur nicht das Mädchen, das mit jedem Typen ins Bett steigt.« Zumindest nicht mit mir.

Ryan grinst breit. Er trinkt seinen Becher aus und wischt sich über die Lippen. »Das werden wir noch sehen.«

Ich verziehe verzweifelt das Gesicht. Wie soll ich diesen Idioten von ihr fernhalten? »Besser, du lässt sie einfach in Ruhe.« Ich weiß gar nicht, warum ich sie noch immer beschützen will, sie hat deutlich klargemacht, dass sie das nicht mehr möchte. Also habe ich es gelassen und sie dafür leiden lassen, weil ich nicht ertragen habe, dass sie mich auf Abstand halten wollte. Und jetzt fange ich wieder an? Ja, weil ich nicht anders kann. Der Gedanke, sie mit einem Kerl, der nicht ich bin, hat mich damals schon zerfressen und er tut es noch heute.

»Nie im Leben. Wenn du willst, dass ich mich von ihr fernhalte, wirst du mich schon umbringen müssen.« Auf Ryans Gesicht tritt ein Ausdruck, der mir nicht gefällt, weil ich selten so viel Entschlossenheit in seinem Gesicht gesehen habe. Nur, wenn es um einen Sieg auf dem Spielfeld geht. In diesem Augenblick wird mir klar, dass jedes Wort, das ich in den letzten Minuten mit ihm gewechselt habe, seinen Siegeswillen geweckt hat. Ich schlucke schwer und versuche weiter ruhig zu atmen, damit Ryan nichts von der Panik sieht, die in mir aufsteigt. Ryan ist ein Siegertyp, er wird nicht aufgeben. Und er wird nicht aufgeben, weil ich ihn dazu gebracht habe.

»Ich wette mit dir, dass ich sie noch vor Ende des Semesters im Bett habe.«

»Ich wette nicht«, stoße ich heiser aus. Schon gar nicht um Lea.

»Dann eben ohne dich, fest steht, am Ende des Semesters hatte ich sie im Bett.«

Ich kämpfe gegen jede Mimik in meinem Gesicht an, aber es ist wirklich schwer, die Angst zu unterdrücken, die mich bei der Vorstellung überwältigt, dass Ryan wahr machen könnte, was er eben angedroht hat. Wie kann man einen Spielertypen wie ihn abhalten? Indem man ihm den Kick an der Sache nimmt. Absolutes Desinteresse. Ian, sage ich zu mir selbst, zeig, dass du nicht interessiert bist an einer Wette.

»Mach was du willst«, werfe ich so kühl wie möglich ein und wende mich ab.

»Nicht so schnell«, hält Ryan mich auf. Ich wende mich ihm langsam wieder zu und unterdrücke jegliche Emotion. »Die Kleine ist dir nicht völlig egal, oder?«

Ich runzele verärgert die Stirn. »Wie kommst du darauf?«

»Weil du dir so viel Mühe gibst, mich glauben zu lassen, sie wäre dir egal. Ich bin nicht blöd, Alter.«

Ich schnaube abfällig, innerlich bin ich aber total angespannt. »Mag sein, aber in diesem Punkt irrst du dich«, sage ich und strenge mich an, meinen Tonfall möglichst gleichgültig klingen zu lassen. »Wir kennen uns schon ein paar Jahre. Ihre Mutter hat für meine Familie gearbeitet, das ist alles.« Eigentlich nur die Hälfte.

»Wenn du meinst«, sagt Ryan mit hochgezogener Augenbraue. »Das eben wäre deine Chance gewesen. Ich hab dir zumindest eine gegeben, du hast sie nicht ergriffen. Aber wohl besser so, immerhin hast du eine feste Freundin.«

Ich muss heftig schlucken. Ja, die habe ich und sie ist toll. Ich mag sie. Aber sie ist nicht Lea. Ist sie nie gewesen. Sie war nur das, was Lea am nächsten kam. Ein Mädchen mit mexikanischem Akzent, der mir zumindest kurzzeitig das Gefühl gegeben hat, Lea wäre bei mir.

4

Ian

»Ey, bring mir noch ein Bier.« Ryans Grinsen zieht sich über das ganze Gesicht, als er mich über die Schulter hinweg ansieht, bevor er sich wieder dem Mädchen zuwendet, das auf seinem Schoß sitzt. Er drückt ihr seine Lippen auf den Hals und knabbert an ihrem Ohr, während sie sich mit ihren Hüften an seinem Schoß reibt, als wären sie allein im Raum. Es ist komisch, bisher hat es mich noch nie gestört, anderen dabei zuzusehen, früher hab ich selbst keine Rücksicht genommen und mit Mädchen rumgemacht, wenn meine Freunde um mich herum waren. Aber jetzt in diesem Moment stört es mich. Liegt es an dem Versprechen, das Ryan mir gegeben hat, dass er etwas mit Lea anfangen will? Dabei will ich gar nicht, dass er etwas mit ihr anfängt, und doch möchte ich ihm in diesem Moment die Fresse polieren, nur allein, weil er Pläne für sich und Lea hat und trotzdem mit anderen Mädchen rummacht. Verdammt, diese Gedanken müssen aus meinem Kopf, sonst drehe ich noch durch. Es ist doch gut so, wenn er weiter macht wie bisher, vielleicht hat er Lea längst wieder vergessen. Die Party ist immerhin ein paar Stunden her. Einer wie Ryan vergisst ein Mädchen doch so schnell, wie er sie interessant gefunden hat. Ich weiß das, ich war selbst so wie er.

Die Kleine heißt Katja und ist gestern nach der Party mit Ryan in seinem Zimmer verschwunden. Als Präsident dieser Verbindung hat er sein eigenes Zimmer und nimmt sich auch sonst einiges mehr raus, als alle anderen dürfen. Ich hasse Ryan. Das habe ich schon am ersten Tag hier, weil er mir vorgeführt hat, was für ein Idiot ich im letzten Jahr in River Falls gewesen bin.

Ich hasse es, dass meine Karriere als Footballspieler von dieser Verbindung abhängt, oder von meinem Vater. Da ich meinem Vater lieber nicht so viel schulde, bleibt mir also nur die Verbindung und die Hoffnung, dass mir die Kontakte meiner Brüder hier die Türen zum Profifootball öffnen. Talent allein reicht nur selten aus. Es braucht auch eine Menge Glück und Beziehungen. Von allein bekommt man gar nichts, das habe ich lernen müssen. Man muss nachhelfen.

»Das nächste Mal frag einen der Füchse«, sage ich düster. Ich halte Ryan eine Flasche vor die Nase und wende mich dann sofort wieder ab.

Ein paar Verbindungsbrüder fluchen laut und schimpfen. Sie werfen mit Popcorn nach der großen Leinwand, auf der wir die meisten Spiele verfolgen. Die Patriots sind gerade drauf und dran, gegen die Falcons zu verlieren, heute ist wohl nicht nur für mich ein schlechter Tag. Ich gehe noch einmal um die Kochinsel herum, die das Wohnzimmer von der Küche trennt, nehme mir eine Flasche Cola aus dem Kühlschrank und lehne mich gegen einen der Küchenschränke. Ich lasse meinen Blick über meine Brüder gleiten, die im Wohnzimmer verteilt die Wiederholung eines älteren Spiels verfolgen, und reibe mir mit der freien Hand über das Kinn.

»Du siehst unzufrieden aus«, meint Hunter und stellt sich neben mich. Hunter ist so ziemlich der Einzige in dieser Verbindung, den ich wirklich mag. Die anderen ticken entweder alle so wie Ryan oder sie versuchen es krampfhaft. Na ja, auch wenn ich es ungern zugebe, Ryan ist ein großartiger Sportler, ein wahres Ausnahmetalent. Alle sehen zu ihm auf, aber leider ist ihm das auch zu Kopf gestiegen.

»Ach nichts«, murre ich. »Nur ein schlechter Tag heute.« Ich hatte gehofft, Lea nicht so schnell über den Weg zu laufen. Zumindest aber hatte ich gehofft, dass ich nach 2 Jahren besser mit meinen Gefühlen für sie klarkommen würde. Aber das tue ich nicht, ich weiß noch immer nicht, ob ich sie hassen oder lieben soll. Das ist ein verdammter Mist. Seit ich von Zuhause weg bin, habe ich kaum noch Kontakt zu meinem Vater, oder sonst irgendjemanden in River Falls. Ich wollte alles hinter mir lassen, damit ich nie wieder an Lea denken muss. Was nie wirklich funktioniert hat, aber mit der Zeit ist es mir besser gegangen, weswegen ich kein Risiko eingehen wollte. Ich hatte den festen Plan, nie mehr zurückzublicken. Und jetzt ist sie hier. Es gibt so viele andere Colleges im Land und sie muss ausgerechnet auf das gehen, an dem ich schon bin. Unsere Verbindungen sind Partner, was bedeutet, ich werde Lea nicht aus dem Weg gehen können. Ich werde ihr ständig begegnen und ich habe keine Ahnung, ob ich das noch zwei Jahre bis zu meinem Abschluss aushalten werde.

Lea. Sie hat mich verletzt. Dann habe ich sie verletzt. Und alles ist noch schlimmer geworden, als ich verstanden habe, was das für Gefühle in mir drin sind, die mich dazu getrieben haben, ihr all diese schlimmen Dinge anzutun. Als Kinder waren wir Freunde gewesen. Und dann wollte sie etwas von mir, das ich ihr unmöglich geben konnte. Aber ich konnte ihr auch nicht sagen, warum ich es ihr nicht geben konnte. Sie wollte ihre Freiheit.

»Zum Familienwochenende, kommt da dein Vater?«, hakt Hunter nach, stößt einen Fluch aus, als die Falcons Punkte machen, und sieht mich dann mit hochgezogener Augenbraue an.

»Ich weiß nicht, gut möglich. Er wird es sich wohl nicht entgehen lassen.«

»Meiner kommt auch«, sagt Hunter mit einem unglücklichen Grinsen. »Ein ganzes Wochenende Belehrungen und Zurechtweisungen.«

»Deiner auch?«, hake ich nach, insgeheim freue ich mich aber. Hunters Vater ist einer der bekanntesten Sportagenten, genau so jemanden muss ich mir warmhalten. So jemanden wie ihn muss ich treffen.

»Ey, Ian«, brüllt Ryan plötzlich.

Hunter verdreht die Augen. »Was hast du dem nur getan?«

Ich zucke mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Vielleicht reicht es, dass ich existiere?«

»Ja?«, antworte ich.

»Ich denke, ich werd Lea um ein Date bitten.« Ryan sieht über die Schulter zurück und grinst breit. Das Mädchen auf seinem Schoß boxt ihm enttäuscht gegen die Schulter und er lacht. »Hast du geglaubt, zwischen uns läuft was?«, will er von ihr wissen.

»Zwischen uns ist letzte Nacht etwas gelaufen«, zischt sie zurück.

»Idiot«, flüstert Hunter und ich nicke bestätigend, meine Hände umklammern die Colaflasche, wenn das Glas nur etwas dünner wäre, würde es wohl zerbrechen. Einen Augenblick lang hat die Vorstellung, wie die Scherben mir tief in die Hände schneiden und Schmerz sich meine Arme hocharbeitet, bis er in meinem Kopf explodiert, etwas Befreiendes.

»Ja und?«, will ich möglichst desinteressiert wissen.

»Ich dachte nur, es interessiert dich vielleicht.«

Ich lache dumpf und ein paar der anderen fallen in das Gelächter mit ein.

»Tut es nicht.« Ich trinke meine Cola aus und stelle die Flasche auf der Kochinsel ab. Ich will Ryan nicht geben, was er will: die Genugtuung, mich wie einen Straßenköter getreten zu haben.

»Na dann stört es dich doch nicht, wenn ich mal rübergehe und höflich nachfrage.« Ryan schiebt das Mädchen von seinem Schoß und steht auf. Er sieht die anderen an, dann wieder mich. »Ian und ich haben nämlich so eine Art Wette am Laufen. Ian glaubt nicht, dass ich eine Chance habe.«

Gelächter.

Ich presse die Lippen fest aufeinander und erwähne nicht, dass ich niemals mit ihm gewettet habe. Je mehr ich zeige, wie verärgert ich bin, desto mehr schüre ich Ryans Interesse, also bleibe ich ganz locker. »Tu einfach, was du nicht lassen kannst.«

Ich muss unbedingt hier weg, bevor ich explodiere und etwas tue, was ich vielleicht für den Rest meines Lebens bereuen könnte. Dem Präsidenten dieser Verbindung eine reinzuhauen, ist eine schlechte Idee. Ich muss an meine Karriere denken. Mit einem breiten Grinsen gehe ich auf die Tür zu. »Ich werd mal sehen, ob Liz heute Nacht ihre Mitbewohnerin los wird. Oder ich widme mich einfach beiden.«

Lea

»Dieses Kleid sieht sehr hübsch aus«, meint Penny und hebt eins von meinen Lieblingskleidern hoch, um es sich vor den Körper zu halten. Es ist ein schlichtes weißes Kleid mit bunten Blumen darauf. Der Rock reicht mir etwa eine Handbreit über die Knie und ist wie eine Glocke geschnitten.

»Das hat meine Mom genäht«, gebe ich zurück und räume die kurzen Jeansshorts in den Schrank, die ich eben aus einer der Kisten genommen habe.

»Deine Mom näht Kleider?«, will Penny erstaunt wissen.

Ich nicke beiläufig. Ich will ungern eingestehen, dass die meisten meiner Kleider von meiner Mutter genäht wurden, weil ich mir die Originale niemals hätte leisten können. Alle in dieser Verbindung glauben, dass meine Mutter als mexikanisches Ex-Model reich sein müsste, aber so ist es nicht. Die Wahrheit ist, ohne Stipendium hätte ich die Uni nie besuchen können. Marios Behinderung und unsere Flucht aus Mexiko in ein Land, von dem wir hofften, dass es besser für Mario sorgen kann, haben unsere letzten Reserven aufgebraucht. Als Haushälterin der Wards hat meine Mutter nie genug verdient, und viel von dem Geld, das sie verdient, brauchen wir für die Behandlung meines Bruders.

»Manchmal«, antworte ich und versuche mein Möglichstes, um mein Gesicht vor Penny zu verbergen, bis ich sicher bin, dass man mir den Schmerz der Erinnerung nicht mehr ansehen kann.

Penny gibt mir das Kleid, damit ich es aufhängen kann, und greift in die nächste Kiste. »Brontë! Ich liebe diese Sammelausgabe? Du auch?«

Ich sehe kurz über die Schulter zurück. »Ja, ich mag es, wie die Farben der einzelnen Bände miteinander harmonisieren.«

»Wo soll ich sie hinstellen?«, will Penny wissen.

Ich sehe mich um. Das Regalbrett über meinem Schreibtisch ist schon voll. Dort habe ich schon die Bilder von meiner Mutter, meinem Bruder und ein paar Wettkämpfen hingestellt. Auf dem Schreibtisch steht bisher nur mein Laptop, das Einzige, das ich neu gekauft habe. Dafür habe ich die ganzen Sommerferien in dem kleinen Café neben der Highschool gearbeitet. »Stell sie doch auf den Schreibtisch«, schlage ich vor.

»Du musst nicht so zurückhaltend sein«, sagt Penny. »Dieses Regal, diese Kommode und sonst auch all das hier«, zeigt Penny, »gehört uns beiden. Du kannst es mitbenutzen.«

Ich lächle verkniffen. »Tut mir leid, ich muss mich erst daran gewöhnen, mit jemandem das Zimmer zu teilen.«

»Kein Problem. Ich stell die Brontës einfach hier auf die Kommode, da machen sie sich gut.«

Ich nicke und greife verlegen nach dem nächsten Kleidungsstück, als ein Kopf mit schwarzer Mähne in der offenen Tür erscheint. »Hey, ich bin Lola, eigentlich Lorelai, aber alle nennen mich nur Lola. Du musst Lea sein.« Das Mädchen lehnt sich gegen den Türrahmen. Sie ist gut einen halben Kopf kleiner als ich, was nicht einfach ist, denn ich schaffe es auch nur auf 1,70 Meter, damit liege ich genau im Grenzbereich für eine Aufnahme in ein Profiteam. Lola hat mit Sicherheit schlechte Karten, aber vielleicht hat sie auch ganz andere Pläne. Nicht alle Cheerleader hoffen auf einen Vertrag.

»Hallo«, begrüße ich das Mädchen. »Wir haben uns gestern schon kurz auf der Party gesehen.

Lola scheint kurz zu überlegen, dann nickt sie. »Stimmt.«

Penny lacht. »Lola ist wie ein Springball. Oder wie jemand, der ständig auf Speed ist. Unglaublich hibbelig, aber auch vergesslich.«

»Ja, das bin ich«, bestätigt sie mit einem genervten Augenrollen. »Aber spätestens, nachdem ich dich das dritte oder vierte Mal gesehen habe, werde ich dich nicht mehr vergessen.

Ich lache. »Dann lass uns das doch gleich erledigen.« Mich mit Frauen in einem Raum aufzuhalten und mit ihnen zu reden, macht mir keine Probleme. Ich kann locker mit ihnen umgehen, obwohl ich in River Falls nicht immer nur gute Erfahrungen gemacht habe, aufgrund meiner Herkunft. Aber Ian hat mich von Anfang an immer in Schutz genommen und jeden in die Schranken gewiesen, der ein schlechtes Wort über mich, meine Aussprache oder Mexiko gesagt hat. So hat unsere Freundschaft damals begonnen. Und ich war nur zu dankbar für seine Hilfe. Vielleicht habe ich deswegen so lange weggesehen, als sein Schutz mich irgendwann immer mehr eingeengt hat.

Ich gehe auf Lola zu, halte ihr die Hand hin und lächle freundlich. »Hallo, ich bin Lea, du musst Lola sein.«

Lola grinst und spielt mit. »Hallo Lea, schön dich kennenzulernen.« Sie ergreift meine Hand, schüttelt sie und lässt sie wieder los.

Ich nehme ihre Hand erneut. »Hallo, mein Name ist Lea. Ich glaub, wir kennen uns schon.«

Penny fängt hinter uns an zu gackern und auch Lola prustet los. »Ah ja, Lea. Ich hab schon von dir gehört«, sagt sie lachend und schüttelt meine Hand noch einmal, während sie nervös von einen auf den anderen Fuß tritt und ihren Körper hin und her schaukelt.

Ich kenne dieses Verhalten von einer meiner Freundinnen, sie ist hyperaktiv, kann nie stillstehen und braucht es, dass immer etwas von ihr in Bewegung ist. Diane muss sich ständig irgendwie bewegen und nichts kann diesen Drang unterdrücken, so sehr Diane es auch versucht. Unterbewusst versucht ihr Körper immer wieder die Kontrolle zu übernehmen und irgendwie herumzuzappeln.

»Bevor ich es vergesse«, meint Lola, »unten vor der Tür wartet jemand auf dich.« Sie zwinkert geheimnisvoll und in der nächsten Sekunde ist sie auch schon wieder verschwunden.

»Lola ist verrückt, aber sehr liebenswert. Außer es geht um Chris, sie ist besessen von ihm. Sie sind jetzt schon eine Weile fest zusammen«, erwähnt Penny breit grinsend. »Ähnlich wie Liz und Ian. Liz kann zur Tigerin werden, wenn es um ihren Freund geht. Auch besessen. Total!«, sagt Penny und verdreht die Augen.

Wer nicht?, will ich am liebsten fragen, aber schlucke den Kommentar runter.

»Ich werd dann wohl mal nachschauen, wer dort unten wartet«, sage ich kleinlaut und hoffe, dass es nicht Ian ist, der beschlossen hat, dort weiterzumachen, wo er in River Falls aufgehört hat, an dem Tag, an dem er die Stadt verlassen hat.

»Mach das, ich bin kein bisschen neugierig«, gibt Penny grinsend zu und betrachtet dann ein weiteres Kleid aus meiner Kiste.

Nachdenklich verlasse ich das Zimmer und gehe die Treppe nach unten, wo ich durch das Milchglas der Tür hindurch eine dunkle schemenhafte Gestalt erkennen kann. Ich hoffe wirklich sehr, dass es nicht Ian ist, denn ich weiß noch immer nicht, wie ich damit umgehen soll, dass ich ihm jetzt wohl oder übel wieder öfter begegnen werde. Aber Lolas Zwinkern … Wer hätte sonst Interesse an mir?

Mit einem heftigen Ziehen im Bauch öffne ich die Tür und atme erleichtert auf, als ich Ryan erkenne. »Ryan«, stoße ich überrascht aus.

»Du erkennst mich also noch, das sehe ich als klaren Punkt für mich«, sagt er mit einem breiten Lächeln und schiebt die Hände in die Taschen seiner Jeans.

Ich versuche mich an einem Lächeln und sehe dann unschlüssig an ihm vorbei, bevor ich nervös antworte: »Ist ja auch erst ein paar Stunden her.« Manchmal wünsche ich mir wirklich, ich hätte mehr Erfahrungen mit Flirten gemacht, aber nach allem, was passiert ist, war der Pakt für mich eine willkommene Ausrede, mich nie wieder mit Männern, und allem was dazu gehört, befassen zu müssen. Nicht erst seit dem Pakt, schon vorher. Vielleicht aus einer Verletzlichkeit heraus, die ich eigentlich nur Ian zusprechen kann. Aber er ist nicht schuld an dem, was ich einmal für ihn empfunden habe, und auch nicht an dem, was mir jetzt dieses Unbehagen einjagt. Und Ryan ist es auch nicht, also versuche ich mich an einem etwas offeneren Lächeln.

»Du bist neu hier, also dachte ich, ich lade dich ein«, setzt Ryan an und seine blassblauen Augen strahlen mich siegesgewiss an.

»Es gibt eine Menge neuer Studentinnen, willst du sie alle einladen?«

»Nur dich«, antwortet Ryan und beugt sich etwas näher zu mir und sieht mir sekundenlang in die Augen, ohne etwas zu sagen, was mich nur noch nervöser macht. Verlegen lächle ich und versuche nicht, meine schweißnassen Handflächen an meiner Hose abzuwischen. Stattdessen entspanne ich mich mit einem tiefen Atemzug und versuche, mich geschmeichelt zu fühlen, weil es doch genau das ist, was zum Leben auf dem College dazugehört.

Ich schlucke hart und löse den Blick, bevor mein Puls noch schneller anfängt zu rasen und ich in Panik verfalle und mich vor ihm zum Gespött mache. Ryan hat etwas verwirrend Gefährliches an sich, was wahrscheinlich an seinen Tattoos liegt und diesem diabolischen Grinsen. Er wirkt wild und unkontrollierbar, was mich verängstigt und zugleich verwirrt, weil es mich so sehr an Ian erinnert. Es macht mich aber auch neugierig auf den Mann, der sich hinter dieser demonstrativen Härte verbirgt.

Trotzdem siegen Zweifel und Unsicherheit wieder. »Ich weiß nicht, wir kennen uns gar nicht, ist es da nicht etwas früh für ein Date?«

Ryan hebt beschwichtigend die Hände und zieht die Augenbrauen hoch. »Kein Date! Nenn es eine Dienstleistung. Das gehört zum Service einer Partnerverbindung.«

Jetzt ziehe ich beide Augenbrauen hoch. »Ah, eine Dienstleistung«, sage ich gespielt staunend. »Was beinhaltet diese Dienstleistung denn?«

Er bedeutet mir, mich neben ihn auf die Hollywoodschaukel auf der Veranda zu setzen, was ich auch tue, weil ich keine Lust habe, vor lauter Nervosität genauso hibbelig zu werden wie Lola. »Das muss ich genauer ausführen«, sagt er, nachdem ich mich neben ihn gesetzt habe. »Natürlich ist es ein Rundumservice. Der Campus ist groß. Und in den Broschüren stehen nur die unwichtigen, langweiligen Sachen. Wusstest du zum Beispiel, dass es auf dem Campus eine Kissing Bridge gibt?«

Ich muss lachen, als Ryan theatralisch einen Bogen in die Luft zeichnet. »Nein, wusste ich nicht.«

»Siehst du! Deswegen der Service unserer Verbindung für eure. Wir zeigen euch all die Geheimnisse, die in keiner Broschüre stehen«, erklärt er und fährt sich mit dem Daumen über sein maskulines Kinn, als eine Fliege sich für eine Sekunde darauf niederlässt. Mir kommt der Gedanke, dass die Fliege einen guten Geschmack hat, denn sie gibt nicht so schnell auf und setzt sich noch einmal kurz auf eine seiner starken Augenbrauen, bevor sie endgültig verschwindet.

»Also?«, will er wissen, ich bin mir nicht einmal sicher, ob er die Fliege wirklich mitbekommen hat.

»Ach so, hmm. Was soll ich dazu sagen? In den nächsten Tagen habe ich einen sehr vollen Terminkalender.«

Ryan schüttelt den Kopf. »Kein Anfänger hat einen vollen Plan, außer er ist ein Streber.«

»Nenn mich Streber.«

»Nein, das geht nicht und das glaube ich dir nicht. Aber weil wir ja Freunde sein wollen, gebe ich dir bis morgen Zeit, dann aber bleibt es nicht nur bei den geheimen Wundern des Campus’, dann musst du im Anschluss auch noch mit mir in das Rules kommen.«

»Das Rules?«, hake ich nach.

»Die Campus-Karaoke-Bar.«

Mein Magen zieht sich nervös zusammen. Ich kenne Ryan nicht und mit Fremden irgendwohin gehen, wo es Alkohol gibt, hat seit Stellas Selbstmord immer einen sehr schlechten Beigeschmack für mich, weswegen ich so etwas lieber meide. »Ich weiß nicht.«

»Wenn es dich beruhigt, wir beide werden nicht allein gehen. Deine Schwestern und meine Brüder werden auch dort sein.« Ryan scheint wirklich ein netter Kerl zu sein. Und ich habe mir vorgenommen, jetzt auf dem College offener für solche Dinge wie Ausgehen und Beziehungen zu sein, aber ich kann noch nicht über meinen Schatten springen. Es ist schwer, meine Ängste abzulegen, auch wenn das der erste Schritt wäre, um nicht länger in der Vergangenheit gefangen zu sein.

»Ich werde darüber nachdenken«, verspreche ich.

»Du bist eine harte Verhandlungspartnerin«, gibt Ryan zu und steht auf, aber in seinem Gesicht kann ich keine Enttäuschung sehen. Vielmehr ist da ein Funken Begeisterung, als würde er meine Gegenwehr zu schätzen wissen. »Ich werde dich morgen wieder fragen.«

»Versprichst du das?«, frage ich ihn, weil ein Teil von mir will, dass er wieder fragt.

»Versprochen.« Ryan verabschiedet sich mit einer Verbeugung und springt dann mit einem Satz über die Brüstung der Veranda. »Bis morgen!«

5

Lea

»Einen Karamell-Latte mit entrahmter Milch«, zähle ich auf und stelle einen der Pappbecher, die ich auf dem Tablett auf meinem Arm balanciere vor Penny auf den Tisch. »Einen Café au lait für Lola und einen Haselnuss-Karamell-Latte für Nelly. Und der ist für mich.« Ich drücke jeder meiner Schwestern noch einen Muffin in die Hand, dann ziehe ich mir einen Stuhl am Tisch zurück und setze mich auch. Fuchs zu sein in einer Verbindung voller junger Frauen habe ich mir nicht halb so aufwendig vorgestellt, wie es sich jetzt herausstellt. Die Mädchen haben eigentlich jede Minute, in der ich nicht in einem Kurs feststecke, irgendwelche Wünsche, die ich oder einer der anderen fünf Füchse erledigen müssen.

»In 30 Minuten beginnt dein Kurs bei Mrs. Walters«, stöhnt Penny und wirft mir einen bedauernden Blick zu.

Ich habe schon einiges über meine neue Professorin gehört. Sie soll streng sein, sehr konservativ und hat sehr engstirnige Ansichten, was ihren Fachbereich betrifft. Am liebsten hätte sie es wohl, dass all ihre Studenten grundsätzlich ihrer Meinung sind. Offensichtlich gibt sie wohl nur gute Noten, wenn man ihr nach dem Mund redet. Mein Magen krampft sich schon bei der Vorstellung zusammen, ich darf Thesen nicht hinterfragen. Dabei geht es in der Philosophie doch genau darum: Man versucht die Dinge mit dem eigenen Verstand zu begreifen und sie zu hinterfragen.

Ich seufze. »Ich hoffe noch immer, dass du übertreibst.«

Penny schüttelt den Kopf. »Ich wäre fast durchgefallen, erst als ich begriffen habe, wie die Walters tickt und alles genau so wiedergegeben habe, wie sie es vorgetragen hat, konnte ich meine Note verbessern.«

»Zumindest weißt du jetzt, worauf es ankommt im Kurs«, stellt Lola fest.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739495750
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Mai)
Schlagworte
Uni Bad boy College Romance romantik New Adult liebesroman

Autor

  • Elena MacKenzie (Autor:in)

Elena MacKenzie schreibt romantische, lustige, erotische und traurige Liebesromane. Highland Secrets war ihr erster Roman unter diesem Pseudonym und eroberte sofort die Top 10 der Amazon-Charts. Seither hat sie weitere erfolgreiche Romane veröffentlicht. Ganz nach dem Motto: Sich in Büchern zu verlieren, heißt grenzenlos zu träumen. 2019 hat das Buch »Ein Rockstar zum Verlieben« (erschienen unter dem Pseudonym Paige Brown) den Wattpad Award Watty gewonnen.
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Titel: The Distance between us