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Tod am Kap

Captain Pieter Strauss ermittelt

von Joyce Summer (Autor:in)
340 Seiten
Reihe: Ein Südafrika Krimi, Band 1

Zusammenfassung

IN DEN TOWNSHIPS VON KAPSTADT BRODELT ES Drückende Hitze liegt über Südafrika und das Wasser wird knapp. Eine brutale Mordserie erschüttert das Kap der Guten Hoffnung. Mitten im idyllischen Nationalpark wird die Leiche einer jungen Touristin gefunden. Captain Pieter Strauss von der Spezialeinheit „Der Valke“ muss den Mörder fassen, bevor es ein weiteres Opfer gibt. Haben die grauenhaften Verbrechen mit dem alten Aberglauben an die Regenkönigin zu tun, die in Dürrezeiten nach Opfern verlangt? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Pieter gerät mit seinem alten Freund Nick in einen Strudel, der sie bis tief in die erbarmungslose Welt der Townships zieht und sie in die Machenschaften skrupelloser Großkonzerne verwickelt. Um das dringend benötigte Trinkwasser entbrennt ein erbitterter Kampf, während der Mörder sein nächstes Opfer jagt. Die neue Südafrika Krimi Reihe um den Rugby spielenden Captain Pieter zeigt Liebhabern des Landes das Western Cape von seiner spannenden Seite. PRESSESTIMMEN: »Wenn eine Leiche unter den Paletten am Cape Point gefunden wird...dann war Joyce Summer am Werk.« (KAPSTADTMAGAZIN)

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Zu diesem Buch:

Drückende Hitze liegt über Südafrika und das Wasser wird knapp. Eine brutale Mordserie erschüttert das Kap der Guten Hoffnung. Mitten im idyllischen Nationalpark wird die Leiche einer jungen Touristin gefunden. Captain Pieter Strauss von der Spezialeinheit „Der Valke“ muss den Mörder fassen, bevor es ein weiteres Opfer gibt. Haben die grauenhaften Verbrechen mit dem alten Aberglauben an die Regenkönigin zu tun, die in Dürrezeiten nach Opfern verlangt? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter?

Pieter gerät mit seinem alten Freund Nick Aquilina in einen Strudel, der sie bis tief in die erbarmungslose Welt der Townships zieht und sie in die Machenschaften skrupelloser Großkonzerne verwickelt. Um das dringend benötigte Trinkwasser entbrennt ein erbitterter Kampf, während der Mörder sein nächstes Opfer jagt.

 

Über die Autorin:

Joyce Summer lebt ihren Traum mit Krimis, die in sonnigen Urlaubsorten spielen. Politik und Intrigen kennt sie nach jahrelanger Arbeit als Projektmanagerin in verschiedenen Banken und Großkonzernen zur Genüge: Da fiel es Joyce Summer nicht schwer, dieses Leben hinter sich zu lassen und mit Papier und Feder auf Mörderjagd zu gehen.

Die Fälle der Hamburger Autorin spielen dabei nicht im kühlen Norden, sondern in warmen und speziell ausgesuchten Urlaubsregionen, die die Autorin durch lange Aufenthalte gut kennt. Die Nähe zu Wasser hat es Joyce Summer angetan. Sei es in ihren Büchern, die immer Schauplätze am Wasser haben, oder im echten Leben beim Kajakfahren auf Alster und Elbe.

Personenverzeichnis

SAPS – South African Police Service

Captain Pieter Strauss – Chef der Mordkommission der Valke (Hawks), einer Sondereinheit der SAPS, und begeisterter Rugbyspieler

 

Warrant Officer Emma Kolisi – attraktiver Neuzugang in Pieters Team, vom Stamme der Xhosa

 

Captain Jan (Jakkals) Mulder – Chef der Kommission zur Bekämpfung von Bandenkriminalität der Valke, Pieters bester Freund und ebenfalls Rugbyspieler

 

Warrant Officer Jed Mulder – rechte Hand von Pieter und jüngerer Bruder von Jan Mulder

 

Nicola (Nick) Aquilina – Profiler mit italienischen Wurzeln, Freund von Pieter

 

Sergeant Bheka Dube – Mitarbeiter von Pieter, leicht aufbrausend

 

Sergeant Unathi Zama – ebenfalls Mitarbeiter von Pieter, würde gerne Profiler werden

 

Thomas O’Sullivan – irischer Ballistiker bei den Valke (Hawks) und Whiskyexperte

Colonel Mandisa Dikela – neue Chefin von Pieter, vom Stamme der Xhosa

Township

Zanele – junge Bewohnerin der Township

 

Sifiso – Zaneles älterer Bruder, besitzt eine illegale Kneipe

 

Tannie Lindiwe – alte Nachbarin von Zanele und Sifiso

 

Tate Swarts – Bewohner der Township, stammt aus Limpopo

 

Tau – der »Löwe«, Boss der Heavy Guys, einer Township-Gang

 

Philani, Mhambi, Akani – Gangmitglieder der Heavy Guys

 

Langa Khambule – Bewohner der Township

Mitarbeiter Chopine

Clyde de Jongh – Sicherheitschef bei Chopine, ehemaliger Warrant Officer unter Pieter

 

Dr. Arsène Lepine – Leiter der Entwicklungsabteilung, Marathonläufer

 

Keto Radebe – Chef der Personalabteilung

 

Sonstige Personen

Pauline Boysen – deutsche Cafébesitzerin aus Hamburg

 

Ben Boysen – ihr Ehemann

 

Chief SmithLeiter der Metro Police von Khayelitsha und ehemaliger Ausbilder von Pieter und Jan 

Prolog

Er sah über die weiten Flächen der Fynbos-Landschaft. Alles wirkte seltsam blass. Als hätte ein Maler Wasser über sein Bild geschüttet. Wadenhohe grünbraune Erika, gesprenkelt mit den verblassenden Farben des gelblichen Kapginsters, die weißgrauen Felsen und die von staubiger Erde bedeckten Hügel verschwammen im Zwielicht der aufgehenden Sonne zu einem farblosen Ganzen.

Jetzt, Ende Dezember, im ersten Sommermonat am Kap, würde der Park in wenigen Stunden gut besucht sein. Er hatte nicht ewig Zeit, wenn er nicht wollte, dass sie ihn mit seiner Beute sahen.

Seine Beute. Geduldig hatte er sich die ganze Nacht auf die Lauer gelegt und gewartet. Er stellte sich auf eine lange Jagd ein, aber am Morgen zeigte sie sich. Ungeschützt und sich nicht bewusst, wie nah er war. Jetzt waren sie hier, und er wartete auf seine Gelegenheit, die Beute zu erlegen. Er hatte sie kurz aus den Augen verloren, als er sich vorbereitet hatte. Aber weit konnte sie noch nicht gekommen sein. Zudem gab es hier wenig Möglichkeiten, sich zu verstecken.

Seinem Instinkt folgend, ging er langsam den gewundenen Trampelpfad durch stachlige Erika hoch auf den Hügel oberhalb des Strandabschnittes. Von dort aus müsste er eine freie Schussbahn haben, und die Gefahr, dass seine Beute ihn sehen konnte, war minimal.

Vor ihm hing eine rosa-braune Proteablüte quer über den Weg. Er blieb stehen, um die distelartige Blume zu betrachten. Die ledrigen rosaroten äußeren Blätter umschlossen wie eine stachlige Krone das Blüteninnere. Vorsichtig nahm er die Protea in die Hand und schaute genauer hin. Das silbrige Innere der Blüte war bedeckt von kleinen schwarzen Fliegen, die sich aus dem Herz langsam nach außen fraßen.

Wie unser Land, dachte er. Auch hier fraßen sich die Fliegen durch das satte, dunkle Grün der Eukalyptuswälder, durch das helle Braungrün des Fynbos. Nur, dass sie nicht schwarz waren, sondern rot wie das Feuer. Er ließ die Blüte los. Durch die plötzliche Erschütterung aufgeschreckt, flogen die schwarzen Fliegen heraus. Es breitet sich aus, dachte er.

Ein kurzer Griff an seinen Hals, er spürte die glatte kalte Oberfläche der Kauri-Muschel. Die Kühle würde ihn vor Feuer schützen. Er schlich weiter.

Vorne auf dem Hügel konnte er in der Dämmerung braun-graue Umrisse erkennen. Eine Pavianhorde, die sich zur morgendlichen Fellpflege versammelt hatte. Die Tiere bemerkten ihn nicht. Der Jäger hatte darauf geachtet, dass der Wind in seine Richtung blies. Er kramte in seiner Hosentasche, holte das letzte Stück Biltong heraus und kaute auf dem trockenen, gewürzten Fleisch herum. Mit den Augen tastete er die Landschaft vor sich genauer ab. Er atmete auf. Sein Instinkt hatte ihn richtig geleitet. Dort unten am Strand konnte er jetzt seine Beute ausmachen. Ob sie ahnte, wie nah er ihr war?

Juno

Heute Morgen, als ihr Mann noch schlief, hatte sie schnell die kurze Hose und das T-Shirt von gestern übergestreift. Dann nahm sie leise den Autoschlüssel ihres Mietwagens von seinem Nachttisch, zog vorsichtig die Tür hinter sich zu und fuhr los. Nur weg. Den Kopf frei kriegen. Nicht denken, was das für Konsequenzen haben würde.

Die Küstenstraße führte sie am Atlantik entlang in Richtung Kap. Vor dem Eingangstor zum Nationalpark hielt sie an. Das Tor war verschlossen und kein Mensch weit und breit zu sehen. Hieß das jetzt, sie musste umkehren und zurückfahren? Direkt am Bed and Breakfast vorbei? Was wäre, wenn er draußen auf sie wartete? Die Angst, ihn jetzt zu sehen, schlich im Inneren hoch und trocknete ihre Kehle aus. Nein, das durfte nicht sein. Sie brauchte die Zeit für sich zum Denken, zum Atmen.

Kurz entschlossen stieg sie aus und ging zum Tor. Irgendwie musste sie weiterkommen. Sie rüttelte an den eisernen Stangen. Nichts, das Tor war fest verschlossen. Es war ihr jetzt alles egal. In ihrem Kopf war diese Stimme, die ihr sagte, sie müsse weiter. Auch wenn es dumm war. Sie schaute auf das Auto und dann auf das zwei Meter hohe Fallgitter, über das sich ein breiter Betonrand wölbte. Es mussten insgesamt noch nicht einmal 3,50 Meter Höhe sein, die es zu überwinden galt. Wie hatte sie ihn verflucht, dass er diesen Riesenjeep als Leihwagen hatte haben wollen. Aber jetzt war das die Lösung. Sie ging zurück zum Auto und fuhr bis an das Tor. Nun parkte sie den Jeep so, dass die Windschutzscheibe auf gleicher Höhe wie die Kante des Betonrandes war. Sie stieg aus, nahm ihren Rucksack und kletterte auf das Autodach. Jetzt war es noch etwas mehr als ein Meter. Sie konnte mit den Händen die Kante des Betons erreichen. Es war kaum anstrengender, als sich am Rand eines Swimmingpools hochzustemmen. Sie schwang ihren Körper hinüber. Achtete nicht darauf, dass ihre Hände an der unebenen Betonoberfläche aufrissen. Auf der anderen Seite ließ sie sich vorsichtig hinunter, bis der Sprung auf den Boden nicht mehr weit war. Geschafft. Eine Welle der Freude überkam sie. Wenn sie dieses Gitter überwinden konnte, müsste sie alles schaffen. Der Park lag verlassen in der Dämmerung vor ihr. Sie schaute auf die Uhr: gerade fünf. Die Sonne würde in der nächsten halben Stunde aufgehen, spätestens in einer Stunde würden sich die ersten Tagesgäste im Park einfinden. Jetzt gehörte der Park ihr. Sie atmete tief ein und ging die asphaltierte Straße entlang. Vor ihr breitete sich die zerklüftete, mit feinblättrigen Heidebüschen überdeckte Kaplandschaft aus. Am Horizont, die Straße hinunter, konnte sie den Atlantik sehen. Sie schloss die Augen. Versuchte, sich zu sammeln. Ganz langsam sickerten Eindrücke von außen in ihr Bewusstsein, verdrängten die schlechten Gedanken. Sie hörte das leise Klatschen des Wassers, welches in kleinen Wellen an den Strand unten am Ende der Straße spülte. Das Zirpen einer Grille, die irgendwo am Straßenrand im Gras hocken musste. Sie beschloss, zum Wasser zu gehen. Nicht entlang der Straße, sondern quer über den Trampelpfad durch die Heidelandschaft.

 

 

Sie lief durch den Fynbos. Die dornigen Blätter kratzten an ihren nackten Beinen. Es kümmerte sie nicht. Im Gegenteil, das Piksen gab ihr das Gefühl, lebendig zu sein.

Ein Knacken. Sie fuhr herum. War da was? Direkt hinter ihr stand ein Strauß. Der große Vogel schien sich mehr für die spärlichen jungen Triebe der Heide als für sie zu interessieren. Er grast wie eine Kuh, dachte sie. Sie lauschte dem Quietschen, das er machte, wenn er die Blätter mit seinem Schnabel von den kleinen Stämmchen pflückte. Sie drehte sich um und ging langsam weiter. 

Von den Büschen stieg die nächtliche Feuchte empor, und der Nebel zog sich wie ein Schleier über das Gras. Wunderschön, eine Feenlandschaft. Erste Sonnenstrahlen brachen sich zu silbernen Streifen im Dunst. Es war noch angenehm kühl. Tagsüber war es erdrückend heiß. Eine der größten Hitzewellen, die das Land je erlebt habe. So zumindest hatten es ihnen die Eigentümer des Bed and Breakfast gestern Abend erzählt. Jetzt fröstelte sie. Tief einatmen. Die Ruhe genießen. Ein lautes Rascheln. Vor Schreck setzte ihr Herz einen Schlag aus. Eine Schlange? Es sollte hier giftige Puffottern geben. Panisch drehte sie sich um. Wie dumm. Da war nur der Strauß, der zum nächsten Strauch weiterzog.

War sie immer ängstlich gewesen? Oder hatte er sie so gemacht? Gestern Abend war es wieder so weit gewesen. Dabei hatten sie einen schönen Tag gehabt. Der gemeinsame Strandspaziergang. Zunächst hatten sie, zu ihrer Enttäuschung, keine Pinguine gesehen. Sie hatten daraufhin einen Einheimischen, der mit einem Fernglas das Wasser absuchte, angesprochen. Er meinte auf ihre Frage nach den Vögeln lachend, er sei überzeugt, dass sie heute noch einen sehen würden. Das Glücksgefühl und die Aufregung, als sie ihren ersten Pinguin in der Ferne sahen. Und der Spaß, als sie merkten, dass es nicht bei dem einen blieb. Diese kleinen schwarz-weißen Vögel bevölkerten den ganzen Strand. Was lachten sie, als einer von ihnen in seiner Neugier sie bis vor das Restaurant verfolgte. Mit kleinen watscheligen Schritten, die den kegelförmigen Körper leicht hin und her schwanken ließen. Das Essen im Strandrestaurant mit dem Blick auf den Pazifik war zauberhaft gewesen. Als sie kurz nach der Dunkelheit zurück in ihr Bed and Breakfast kamen, luden die englischen Eigentümer sie noch auf einen Absacker ein. Zusammen standen sie auf der Terrasse, beobachteten die Sterne und unterhielten sich. Er zeigte ihr das Kreuz des Südens, legte den Arm um sie und sie sprachen von der Zukunft in dem neuen Land. Das waren die Momente, in denen sie sich fühlte wie am Anfang ihrer Beziehung. Geborgen, nichts und niemand konnte ihr etwas anhaben. Auch seine dunkle Seite nicht.

Sie waren mit ihren Gastgebern ins Plaudern gekommen. Zunächst hatten sie über das Wetter gesprochen, die Dürre und die Gefahr von Waldbränden, die jeden Tag stieg. Die Inhaber des Bed and Breakfast hatten sie gebeten, Wasser zu sparen: nicht zu baden und wenig zu duschen. Verstohlen hatte sie ihn gemustert. Hatte gesehen, wie sich die erste Unmutsfalte zwischen seinen Augen bildete. Es passte ihm nicht, wenn man ihm Vorschriften machte. Sie hatte schnell das Thema gewechselt, hatte von ihren Plänen, ihr altes Leben in Schottland hinter sich lassen zu wollen, erzählt. Noch mal von vorne anfangen, durch die große Chance, die sich ihr bot. Was war daran falsch gewesen? Irgendwann in der Unterhaltung hatte sie es gespürt. Er war still geworden, würgte alle weiteren Gespräche ab. Gab ihr Zeichen mit den Augen, sobald sie den Mund aufmachte. Sie wurde unsicher, hörte bald auf zu reden. Als das Schweigen zu drückend wurde, gab sie vor, müde zu sein. Auf dem Weg über die kleine Terrasse hinunter zu ihrem Zimmer mit dem Blick auf den Pazifik verkrampfte sie sich. In ihrem Magen bildete sich ein Klumpen, der von innen gegen die Rippen drückte. Im Kopf breitete sich ein Vakuum aus, in ihren Ohren rauschte es, und ihr wurde schwindelig. Kaum schloss sich die Tür hinter ihnen, passierte es. Sie kannte es schon aus Schottland. Normalerweise verdrängte sie es. Versuchte, nur den schönen Erinnerungen einen offenen Raum in ihren Gedanken einzurichten. Die Türen zu den schlechten Erinnerungen waren fest verschlossen. Öffneten sich immer einen Spalt, wenn es wieder passierte, um danach umso fester zugesperrt zu werden. 

Gestern Nacht war es anders gewesen. Lag es an dem fremden Land? Sie wusste es nicht. Die Tür wollte sich nicht schließen. Immer wieder sah sie vor ihrem inneren Auge, wie er sie anschrie und nach ihr griff. Spürte seine Finger, die sich in ihr Fleisch bohrten. Wie er dannNein! Nicht daran denken, schrie es in ihrem Kopf. Als sie gestern Nacht neben ihm lag und auf seine gleichmäßigen Atemzüge wartete, war nur ein Gedanke in ihrem Kopf: weg. Sie wollte weg. Einfach verschwinden. Ruhe haben.

Jetzt war sie hier. Inmitten dieser Landschaft, die am frühen Morgen an Schottland mit seinen Hochmooren erinnerte. Konnte sie doch nicht von vorne anfangen? War es überall gleich? Sie schluckte.

Wieder holte sie einen tiefen Atemzug. Sie schmeckte Salz auf ihrer Zunge, der Atlantik war ganz nah. Gleich konnte sie sich in den Sand setzen und die Wellen um ihre Füße spielen lassen. Langsam, ganz langsam merkte sie, wie sie ruhiger wurde. Sie fuhr mit der Hand über die Schläfe, zuckte zusammen. Die Erinnerung kam wie ein schwarzer Schleier hoch. Hör auf, ermahnte sie sich. Er würde sich ändern, sie würde sich ändern.

Es knackte wieder hinter ihr. Diesmal zuckte sie nicht zusammen. Sie hatte keine Angst. Von vorne anfangen, hier am Kap der Guten Hoffnung und alles wäre gut. Sie würde sich dort vorne ans Wasser setzen und warten, bis die Tür sich schloss.

05.01.2015 – 12:34, Hamburg

Pauline Boysen versuchte, die Wohnungstür aufzuschließen. Ein Kunststück, da sie schwer beladen war und nur eine Hand frei hatte. Seitdem ihr Ehemann Ben diesen Winter die Dichtung in der Tür erneuert hatte, brauchte sie beide Hände, um die Tür zu öffnen. Eine zum Ranziehen, die andere zum gleichzeitigen Schlüsselumdrehen. Hörte Ben sie nicht? Eigentlich machte sie doch genug Lärm. Aber wahrscheinlich hörte er wieder Musik aus Kopfhörern, während er am Computer saß. Mürrisch stellte sie die Einkaufstasche im Hausflur ab. Prompt fiel die Tasche um, und ein Großteil des Inhaltes verteilte sich auf der Fußmatte. Pauline ignorierte es und bekam nach einiger Kraftanstrengung endlich die verflixte Tür auf.

»Hallo, ich bin zu Hause. Wo bist du?« Ben kam aus dem Wohnzimmer und deutete ihr an, leise zu sein. Er telefonierte.

»Ja, natürlich. Ich kann verstehen, dass das für dich gerade schwierig ist. Ich werde gleich mit Pauline sprechen. Sie ist gerade zur Tür hereingekommen.« Pauline schaute Ben fragend an. Mit wem sprach er?

Sie bückte sich nach den Reiseführern, die aus ihrer Einkaufstasche gefallen waren, und brachte alles in die Wohnung. Dann schloss sie leise die Eingangstür. Ben hatte sich mittlerweile wieder ins Wohnzimmer verzogen und hörte dem Anrufer schweigend zu.

Pauline entschied, einen der neuen Südafrikareiseführer in die Küche zum Lesen mitzunehmen und die Espressomaschine anzuschalten. Ben würde schon kommen, sobald er mit seinem geheimnisvollen Anruf durch war. Er hätte auch gut einen Hinweis geben können, mit wem er gerade telefonierte. Das war wieder typisch Mann. Er konnte sich doch denken, dass sie neugierig war.

Die Pumpe der Espressomaschine begann ihre Arbeit mit einem krächzenden Rattern. Pauline wollte schnell die Küchentür schließen, um Ben nicht bei seinem Telefonat zu stören, da kam er um die Ecke. Das Telefonat war zu Ende.

Er grinste sie an. Ben wusste ganz genau, dass seine Frau jetzt vor Neugier starb und wissen wollte, mit wem er telefoniert hatte.

Er blickte an ihr vorbei auf den Küchentisch, auf dem der aufgeschlagene Reiseführer lag.

»Ach, du hast Reiseführer gekauft? Das trifft sich gut, das war Nick, mit dem ich telefoniert habe. Wir müssen ein bisschen umplanen.«

 

Pauline sah Ben misstrauisch an. Sie planten seit fast drei Monaten, im Januar für einen Monat nach Südafrika zu fliegen, um dort Nick zu besuchen. Nick Aquilina, der Profiler, den sie letztes Jahr auf Malta unter weniger glücklichen Umständen kennengelernt hatten, war ihnen ein guter Freund geworden. Als er dieses Jahr, nach seinem längeren Arbeitsaufenthalt in Europa, nach Südafrika zurückkehrt war, waren sie auf die Idee gekommen, ihn in Kapstadt zu besuchen. Er arbeitete jetzt als unabhängiger Berater für den South African Police Service, kurz SAPS, in der Kapstadt-Region. Die Aufklärungsrate von Morden in Südafrika war katastrophal, und Leute wie Nick waren in dieser Zeit gefragt. Als freiberuflicher Profiler und Berater konnte er sich seine Zeit gut einteilen und plante, den beiden seine Wahlheimat zu zeigen. Der Italiener lebte seit seiner Kindheit am Kap und war trotz der hohen Kriminalitätsrate glücklich, dass er zurück war.

Pauline hatte die letzten Wochen damit verbracht, eine Rundreise durch das Western Cape zu planen. Sie mochte es gar nicht, wenn ihre Pläne nicht funktionierten. Was hatten die beiden Männer besprochen?

»Schau mich nicht so böse an, Paulinchen. Wir fliegen nach Südafrika, mach dir keine Sorgen. Wir verändern die Route ein wenig und alles ist in Ordnung.«

»Ist etwas passiert?«

»Ja, das kann man sagen. Nick soll einem alten Freund bei der Mordkommission helfen. Eine Touristin ist direkt am Kap der Guten Hoffnung ermordet worden, und sie brauchen die Hilfe von Nick als Profiler. Dafür muss er gleich morgen früh nach Simon’s Town direkt ans Kap. Sein Vorschlag ist, dass er uns eine hübsche Pension da unten sucht, und wir direkt vom Flughafen dorthin fahren anstatt zuerst in die Winelands. Was meinst du?«

Pauline überlegte. Für die ersten Nächte am Kap hatte sie in Stellenbosch auf einem Weingut bereits Zimmer gebucht. Vielleicht konnte sie die Buchung um eine Woche nach hinten schieben? 

»Ich werde gleich nach Stellenbosch mailen, ob wir eine Woche später kommen können. Es ist zwar Hauptreisezeit, aber der Gutsbesitzer hat sich schon beklagt, dass viele Touristen aufgrund der großen Hitze und der Brände ihre Reise kurzfristig abgesagt haben.«

»Vielleicht haben wir Glück, und es lässt sich verschieben. Sonst stornieren wir das Weingut und suchen uns mit Nick später was Neues in der Gegend. Sobald wir Bescheid wissen, rufe ich Nick an. Er bucht dann ein Zimmer für uns in Simon’s Town.«

06.01.2015 – 09:17, Kap der Guten Hoffnung

»Wo genau wurde sie gefunden?«

Nick stand auf den von der Sonne ausgeblichenen Planken des Holzpfades, der die letzten hundert Meter hinunter zu dem Strandabschnitt führte. Er glich einem zu lang geratenen geschwungenen Bootssteg, nur, dass er anstatt über Wasser, über die unregelmäßigen Felsen gebaut war.

»Dort vorne, der Täter hat sie unter die Planken geschoben.«

Nick trat näher und schaute unter die Holzlatten, die sich an dieser Stelle etwa vierzig Zentimeter über dem unebenen Boden befanden.

»Lag sie einfach darunter? Oder hat der Täter etwas verändert?«

»Er hat Steine und Erde entfernt, um eine größere Kuhle zu haben. Dann hat er sie teilweise damit bedeckt, sodass man sie vom Pfad aus nicht sehen konnte.«

»Wie haben die beiden Touristen sie bemerkt?«

»Der Geruch. Die Frau hatte zu ihrem Mann gemeint, es rieche komisch. Sie hatten ein verendetes Tier vermutet. Er war von den Planken runtergestiegen und hatte mit der Schuhspitze zwischen den Steinen und der Erde gewühlt. Dabei hat er erst die Plane, dann Teile der Leiche offen gelegt. Sie sind sofort hoch zur Station und die Ranger haben die SAPS informiert.«

Nick trat ein paar Schritte zurück und schaute hinunter zur Mulde. Warum hast du diese Stelle ausgesucht? Er blickte sich um. An dieser Stelle schlängelte sich der Pfad zwischen höheren Felsen hindurch, sodass von oben eine seitliche Sicht unter die Planken nicht möglich war. Eine gute Stelle, um die Leiche zu verstecken. Gab es noch eine bessere? Er drehte sich langsam um seine Achse und studierte die Umgebung. Nein, nicht in diesem Umkreis. Der Boden war überall sonst mit dichtem Fynbos bedeckt. Ihn herauszureißen und die Leiche damit zu bedecken, wäre keine Option gewesen. Die starken Winde am Kap hätten die lose Heide in kürzester Zeit vom Leichnam geweht.

»Er hat wirklich einen guten Platz gefunden«, bestätigte Captain Pieter Strauss Nicks Gedanken. »Glaubst du, er hat die Stelle vorher ausgesucht?«

»Ich kann es nicht sagen. Mag sein. Möglich ist aber auch, dass er Erfahrung hat und solche Punkte in der Landschaft schnell ausfindig macht.«

»Ist es nicht riskant, hier im Nationalpark? Es wird eine Zeit gedauert haben, bis er die Leiche dort verscharrt hat.« Pieter kratzte sich am Kinn.

»Kommt darauf an, wann er sie umgebracht hat. Es gab Zeiten, in denen ich hier bei meinen Spaziergängen völlig alleine war.«

»Das Ehepaar hat gesagt, dass …«

Nick winkte ab. »Lass bitte noch die Zeugenaussagen. Den Teil des Berichtes habe ich mir absichtlich nicht durchgelesen. Ich möchte nicht durch die Augen von anderen sehen.« Nick ging hinunter zum Strand.

»Hier hättest du sie nicht verstecken können? Oder hast du dich hier gereinigt?«, murmelte er leise. Pieter stand schweigend hinter ihm.

Nick drehte sich zu ihm um.

»Habt ihr hier unten noch etwas gefunden?«

»Nein, nichts. Nur den üblichen Plastikmüll der Touristen. Ein paar Flaschen, leere Tüten.«

»Du hast die Leiche zerteilt. Hast du diesen Ort gewählt, damit nicht alles voller Blut ist?« Nick drehte wieder eine Pirouette, um den Strandabschnitt genauer zu erfassen.

Pieter kannte die Eigenheit seines Freundes, mit dem Mörder Zwiegespräche zu halten. Meistens ignorierte er es und tat, als hätte Nick mit ihm direkt gesprochen.

»Du meinst, er hat es hier unten am Wasser getan?«

»Ja. Ich denke, so war es. Irgendwo da oben hat er sie überrascht. Ein glatter Schuss. Nicht viel Blut. Dann ist er runter zum Strand, hat sie zerteilt. Die Plastikplane, in die sie eingewickelt war, hatte er dabei. So konnte er sie wieder hochschaffen und verscharren. Ohne dass Blut auf die Holzplanken kam und ihn hätte verraten können.«

»Du glaubst nicht, dass es der Ehemann war?«

»Ich glaube gar nichts. Ich versuche nur herauszufinden, wie der Täter vorgegangen ist. Du musst entscheiden, ob du ihren Mann in meinen Szenarien siehst. Hatte er die Möglichkeit, die Plastikplane zu besorgen? Woher hatte er die Schusswaffe? Ist er kräftig genug, eine Tote an dieser Stelle abzulegen? Das ist deine Ermittlung. Ich gebe dir nur meine Hinweise. Und zeige dir den Tathergang mit der höchsten Wahrscheinlichkeit auf.«

»Der Lebensgefährte hat gesagt, er habe geschlafen. Irgendwann am frühen Morgen hat er festgestellt, dass seine Frau nicht neben ihm lag und der Autoschlüssel weg war. Wir haben den Jeep gestern auf dem großen Parkplatz in Miller’s Point, fünf Kilometer vom Park entfernt, gefunden.«

»Und seine Frau wird einen Tag später tot im Nationalpark, also über zehn Kilometer weit von Simon’s Town, entdeckt. Wie ist sie dorthin gekommen? Ist sie von Miller’s Point zum Park gelaufen? Oder hat sie jemand mitgenommen? Kannte sie jemanden hier?«

»Unwahrscheinlich, sie waren erst zwei Tage vorher von Schottland eingeflogen.«

»Ich frage mich, warum unser Täter die Leiche zerteilt hat. Im Bericht stand, es fehlte ein Teil der Schulter?«

»Ja, wir vermuten, dass Paviane sie genommen haben.«

»Paviane?«

»Ja, die Folie war an einer Seite aufgerissen. Und in der Nähe ist das Revier einer Pavianhorde.« Pieter deutete auf einen nahen Hügelkamm, auf dem die graubraunen Umrisse der großen Affen zu sehen waren.

»Warum würden sie nur ein Stück Schulter nehmen und nicht auch den Rest des Fleisches? Und sind Paviane nicht Vegetarier?«

»Was willst du damit sagen?«

»Es waren nicht die Affen. Warum hat unser Täter die Leiche zerteilt? Er hätte sie auch ohne Probleme ganz in der Kuhle versenken können. Warum riskieren, dass er entdeckt wird?«

»Meinst du, dass der Mörder die Schulter mitgenommen hat?«

»Das würde erklären, warum er die Leiche zerstückelt hat. Aber es wäre einfacher gewesen, die Hand oder einen Fuß abzutrennen. Es ergibt noch keinen Sinn.« Nick runzelte die Stirn.

Er überlegte weiter. »Wie sind die Schnitte ausgeführt worden? Was sagt die Rechtsmedizin?«

»Saubere, klare Schnitte. Großes Messer. Kein Zögern.«

Nick fuhr sich mit der Hand über seinen glatt rasierten Schädel und schloss kurz die Augen. Versuchte, den Täter vor sich zu sehen.

»Du bist ein Profi. Hast nicht zum ersten Mal Fleisch zerteilt«, flüsterte er.

»Etwa ein Metzger?« Pieter horchte auf.

»Kann sein. Oder ein Mann, der schon gemordet hat. Gab es in letzter Zeit ähnliche Fälle in der Gegend?«

»Die meisten Morde im letzten Jahr waren Beziehungstaten im Affekt oder Raubmorde. Da hat sich niemand die Mühe gegeben, die Leiche zu zerteilen und zu verstecken.«

»Such im größeren Umkreis. Wer sagt uns denn, dass der Mörder vom Kap kommt?«

»Gut, ich werde meinen Warrant Officer bitten, das zu überprüfen. Hast du noch etwas für mich?« Erwartungsvoll blickte der Captain seinen Freund an.

»Ich muss überlegen. Ist es möglich, außerhalb der Öffnungszeiten in den Park zu gelangen? Wenn die Aussage des Ehemannes stimmt, dass seine Frau weg war, als er aufwachte, war sie vielleicht zu dem Zeitpunkt schon mit ihrem Mörder im Park.«

»Das müsste aber vor acht Uhr morgens gewesen sein.«

»Eine ideale Zeit, um jemanden ungestört zu erschießen, zu zerteilen und zu vergraben, meinst du nicht? Lass uns vorne mit den Rangern sprechen. Ich will mir das Eingangstor ansehen.«

»Meine Kollegen haben das bereits überprüft. Laut Aussage der Ranger war das Tor an dem infrage kommenden Morgen, als das Opfer aus dem Bed and Breakfast verschwand, fest verschlossen.«

»Ich möchte es mir genauer ansehen. Irgendwie sind unser Opfer und der Täter in den Park gelangt, trotz verschlossener Tore. Wenn wir dieses Rätsel lösen, sind wir ein ganzes Stück weiter.«

Sie gingen zurück auf die Straße. Pieter steuerte auf das Polizeiauto zu, welches dort stand.

»Nein, nicht das Auto. Ich möchte zu Fuß gehen. Wir folgen den Schritten des Täters.«

»Wieso nicht mit dem Auto?« Der muskulöse Captain, der seit seiner Kindheit begeistert Rugby spielte und während eines Spieles unzählige Kilometer zurücklegte, vermied außerhalb des Spielfeldes jeden unnötigen Gang. Nick zog ihn immer damit auf, dass er sich einen Rugbyball unter den Arm klemmen sollte, um das Auto öfter stehen zu lassen.

»Weil unser Täter auch zu Fuß gekommen ist.«

»Bist du dir sicher?«

»Du selbst hast gesagt, dass das Tor verschlossen war. Wenn der Täter keinen Schlüssel hatte, muss er darübergeklettert sein.«

»Mit ihr? Warum sollte sie mit ihm über das Tor klettern?« Pieter war nicht überzeugt.

»Wer sagt uns, dass sie mit ihm zusammen über das Tor geklettert ist? Vielleicht ist der Täter ihr gefolgt?«

 

Langsam gingen Pieter und Nick die gewundene Straße hinauf in Richtung Parkeinfahrt. Nick blieb immer wieder stehen und schaute sich prüfend um. »Die Atmosphäre des Tatorts inhalieren«, nannte er es. Pieter kannte nach all den Jahren schon die Eigenarten seines Freundes und wusste, dass dies die Momente waren, in denen er absolute Ruhe brauchte. Schweigend trottete er neben ihm her und versuchte gar nicht, die Selbstgespräche des Italieners zu verstehen. Irgendwann wären die Gedanken so weit geordnet, dass Nick ihm schon erzählen würde, welche Schlussfolgerungen er gezogen hatte.

Kurze Zeit später standen sie vor dem Tor.

Der groß gewachsene Pieter legte den Kopf in den Nacken und schaute nach oben.

»Wenn du mich fragst, ist das eine ziemliche Kletterpartie. Aber nicht unmöglich.« Pieter deutete auf eines der Polizeiautos, ein Pick-up, der mit blinkendem Blaulicht auf der anderen Seite des Tors parkte. Sein Sergeant Bheka Dube hatte sich auf die Motorhaube des Polizei-Bakkies gesetzt und kaute gemächlich an einem Stück Biltong.

»Wie meinst du das?« Nick sah ebenfalls nach oben.

»Siehst du die Betonkante? Wenn du die erreichst, ist es einfach. Mit etwas Geschick ziehst du dich daran hoch und lässt dich auf der anderen Seite hinunter.« Pieter wendete sich an den Sergeanten: »Bheka, lass das Rumgekaue auf dem Trockenfleisch und fahr den Bakkie an die Stelle, die ich dir zeige!«

Wütend schmiss Bheka Dube sein Stück Biltong auf die Straße, rutschte von der Motorhaube und stapfte murrend zur Fahrertür des Pick-ups.

07.01.2015 – 11:03, Kapstadt

»Oh Gott, bin ich müde. Ich weiß nicht, wie ich uns jetzt sicher zur Unterkunft bringen soll.« Ben ließ sich schwer in den Fahrersitz ihres Mietwagens fallen. Zum Glück hatte der Mietwagen im Schatten gestanden. Draußen war es schon jetzt brütend heiß.

»Wenn du willst, kann ich auch fahren.« Pauline hatte sich auf den Beifahrersitz gesetzt.

»Vergiss es. Du bist genauso müde wie ich. Nick hat dir die Beschreibung des Weges geschickt. Du hast sie dir genau angesehen, oder? Sag nicht, dass du dich nur wieder auf das GPS verlassen willst.«

Pauline fingerte nervös an ihrem Smartphone herum und wartete darauf, dass es endlich ihre Position bestimmte.

»Bitte warte noch einen Moment. Ich weiß noch nicht, wo wir sind.«

Ben ignorierte ihren Einwand und startete den Motor.

»Du hast dir doch sicher vorher auf der Karte angesehen, wo Simon’s Town liegt. Also musst du mir die Richtung zeigen können.« Der Wagen rollte langsam vom Parkplatz.

»Wir sollten erst einmal auf die N2 in Richtung Kapstadt fahren. Dann muss irgendwann eine Straße in den Süden abgehen.«

»Irgendwann? Eine Straße? Dir ist schon klar, dass hier in der Umgebung überall Townships sind. Möchtest du, dass wir in einem von denen landen?« Bens Stimme bekam einen gestressten Unterton.

»Ich habe es gleich, keine Sorge. Für alle Fälle habe ich mir die Mail von Nick mit der Wegbeschreibung ausgedruckt. Ich muss sie hier irgendwo haben.« Pauline fing an, in ihrem Rucksack zu kramen.

Ben runzelte die Stirn. Das fing ja gut an.

Eine Viertelstunde später, nachdem Pauline endlich die Mail von Nick gefunden hatte und Ben in Ermangelung einer Richtungsanweisung ihrerseits die Autovermietungszone des Flughafens zweimal umrundet hatte, waren sie endlich auf der großen Nationalstraße in Richtung Kapstadt.

»Und wo muss ich jetzt ab?«

Pauline raschelte in ihren Ausdrucken.

»Moment, hier steht es. Wir nehmen die M5. Das müsste die nächste Ausfahrt sein. Vielleicht steht da schon Simon’s Town dran.«

Ben biss sich auf die Zunge. War es wirklich eine schlaue Entscheidung gewesen, seiner Frau die Navigation zu überlassen?

Pauline schaute wieder auf ihr Smartphone. Ein blauer Pfeil zeigte ihr, dass mittlerweile die Standortbestimmung funktionierte. Sie atmete erleichtert aus.

Den restlichen Weg fanden sie ohne große Abweichungen und wenige Risse in Bens Geduld. Nach einer knappen Stunde zeigten sich die ersten Häuser von Simon’s Town. Die Straße führte direkt am Wasser entlang, und linker Hand konnte man die großen Hafenanlagen mit den Marinekreuzern sehen. Dreckig grau und klobig schnitten sie mächtig in das Blau der Bucht. Je näher Pauline und Ben in Richtung Ortszentrum kamen, desto öfter tauchten die typischen kolonialen Häuser zwischen den einfachen ein- bis zweistöckigen Gebäuden der Hafenstadt auf. Schließlich reihten sich die alten Häuser wie Zähne in einem Gebiss mit ihren geschwungenen Giebeln aneinander. Großzügige Balkone, die mit schmiedeeisernen Geländern in verschiedensten Formen geschmückt waren und auf ebenso kunstvoll geschmückten schlanken Säulen balancierten, bildeten eine lange überdachte Arkade.

Pauline zeigte auf ein Straßenschild, das einen Pinguin in einem Warndreieck zeigte.

»Hast du das gesehen? Hier müssen Pinguine sein, wenn sie sogar Warnschilder aufstellen! Wir müssen unbedingt nachher runter zum Boulder’s Beach. Ich will Pinguine sehen.«

»Lass uns erst einmal ankommen. Dann telefonieren wir mit Nick und schauen, wo wir uns heute Abend treffen. Wir haben ganz bestimmt noch genügend Zeit für einen Strandspaziergang vor dem Abendessen. Aber vorher brauche ich definitiv noch eine Mütze Schlaf. Jetzt sag mir, wo es zu unserem Bed and Breakfast geht.«

»Wir fahren fast ganz durch die Stadt. Dann muss ein großer Golfplatz auf der linken Seite kommen. Ab da ist es nicht mehr weit. Die Rocklands Road geht rechts ab. Am Ende der Straße ist es.«

Zehn Minuten später hielten sie vor einem schneeweißen einstöckigen Wohnhaus.

»Das hier muss es sein.«

Eine blonde Frau, deren Alter schwer zu schätzen war, öffnete ihnen mit einem offenen Lächeln die Tür.

»Hartlik welkom, willkommen. Mein Name ist Erica. Sie müssen die deutschen Freunde von Nick sein. Er hat Sie uns schon angekündigt. Ich hole nur schnell den Schlüssel und zeige Ihnen Ihr Zimmer.« Sie verschwand kurz im Inneren des Hauses und kam mit einem Schlüsselbund klappernd wieder heraus. »Folgen Sie mir bitte. Wir müssen diesen kleinen Pfad nehmen. Er führt direkt zum Gästehaus. Ich hoffe, es gefällt Ihnen. Vom Bett aus haben Sie einen wunderbaren Blick über False Bay.«

07.01.2015 – 11:21, Direktorat für Kapitalverbrechen SAPS, Kapstadt

»Warum haben Sie diesen ›Makwerekwere‹ hinzugezogen? Ich hätte mir gewünscht, dass Sie das im Vorfeld mit mir absprechen! Waren wir uns nicht einig gewesen, dass wir Sergeant Zama eine Chance geben wollten, seine Kenntnisse aus dem Profiler-Lehrgang bei den Hawks in der Praxis einzusetzen?«

Pieter Strauss schaute seine Vorgesetzte, Colonel Mandisa Dikela, an. Was sollte das, Nick als »Makwerekwere«, dem Slangwort für Ausländer, zu bezeichnen? Ausgerechnet Nick, der sein halbes Leben am Kap verbracht hatte und nun wirklich keinerlei Vorurteile gegen Schwarz oder Weiß hegte. Dem Italiener waren Rassen völlig egal. Nicht so, wie es schien, Pieters neuer Vorgesetzten.

Fünfundzwanzig Jahre nach der Aufhebung der Rassentrennung war keine Aussöhnung in Sicht. Im Gegenteil, durch die »Affirmative Action« drehte sich manches in absurder Weise um. Das Quota-System in der SAPS schrieb vor, dass die Stellen nur mit demografisch geeigneten Kandidaten besetzt wurden. Pieter war daher der einzige Weiße im Team. Seit Monaten war die Stelle seines zweiten Warrant Officers nicht besetzt, weil es keinen geeigneten schwarzen Bewerber gab. Und jetzt das. Der ruhige Unathi Zama war kein schlechter Polizist, aber es fehlte ihm an Einfühlungsvermögen und Kreativität. Zwei Eigenschaften, die Nick Aquilina, neben seiner langen Erfahrung, zu so einem guten Profiler machten. Wie sollte er mit einem blutigen Anfänger diesen Fall lösen?

Nach der Meinung von Colonel Dikela, die zum Stamm der Xhosa gehörte, machte Zama nur die Eigenschaft, dass er ebenfalls ein Xhosa war, zu dem geeigneten Kandidaten.

Pieter räusperte sich. Wie konnte er das Ganze verpacken, dass er Nick behalten konnte und Dikela dennoch nicht das Gefühl hatte, er würde ihre Entscheidungen untergraben? Er stellte sich vor, dass der Colonel ein parteiischer Schiri bei einem Rugbyspiel wäre, den er als Kapitän der Mannschaft auf seine Seite ziehen müsste. Der erste Ansatz sollte sein, ihr scheinbar recht zu geben, aber zusätzlich Argumente für eine andere Entscheidung zu liefern. Im Rugby widersprach man nie dem Schiedsrichter. Genauso wenig sollte ein weißer Captain in dieser Zeit einem schwarzen Colonel widersprechen. Das könnte schnell zu einer Versetzung oder Degradierung führen.

»Colonel Dikela, Ihre Idee, in unserem Team einen Profiler aufzubauen, finde ich außerordentlich gut.«

Dikela zog irritiert die Augenbrauen hoch.

»Aber ich denke, in diesem Fall, bei dem Mord an einer Touristin, dürfen wir uns keine Fehler erlauben. Wir befinden uns in der Hauptreisezeit, und wenn wir den Eindruck erwecken, dass das Western Cape für Touristen gefährlich ist, wäre das fatal. Wir brauchen jemanden mit der Erfahrung eines Nick Aquilina, der uns unterstützt. Dabei sollten wir selbstverständlich nicht aus den Augen verlieren, dass wir Sergeant Zama die Möglichkeit geben, sein neu erworbenes Wissen einzusetzen und sich weiterzuentwickeln. Ich werde ihn Nick Aquilina als Assistent zur Seite stellen.«

Dikela seufzte.

»Ich bin nicht glücklich damit, das sollten Sie wissen, Captain. Aber ich muss Ihnen leider recht geben, wir müssen den Fall so schnell wie möglich lösen. Der Mord an der Touristin war heute Morgen die Schlagzeile in der ›Cape Argus‹. Und von einem Informanten habe ich gehört, dass ›Die Son‹ für diesen Freitag eine Coverstory vorbereitet.«

Pieter stöhnte innerlich. Freitags war die Ausgabe der Son überregional und beschränkte sich nicht nur auf das Western Cape. Der Fall würde noch größere Wellen schlagen.

»Also Captain, wie ist Ihr Plan? Welche Hinweise haben Sie durch Ihren großartigen Profiler bekommen, die mir die Presse vom Leib halten?« Dikela lehnte sich in ihrem überdimensionalen Bürostuhl zurück, den ihr Vorgänger, ein fast zwei Meter großer Bure, angeschafft hatte. Sie versank quasi in dem riesigen Möbelstück.

»Wir gehen im Moment davon aus, dass die Tat nicht im Affekt geschehen ist. Der Täter hat die Leiche wie ein Profi zerteilt und ein Stück Schulter mitgenommen.«

»Ein Stück Schulter? Was soll das bedeuten?«

»Das wissen wir noch nicht. Beim Entfernen von Körperteilen denken wir, es könnte sich um Muti handeln.«

»Das wäre natürlich einfach für Sie. Ein verrückter ›Darkie‹, der aus Aberglauben für Zaubermedizin tötet.«

»So ist das nicht gemeint, Colonel. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine Beziehungstat handelt, ist in Anbetracht der Umstände gering.«

»Oder der weiße Ehemann der Toten ist geschickt und tarnt seine Beziehungstat. Haben Sie ihn genauer überprüft? Oder ist er schon wieder auf dem Weg nach Schottland?«

Pieter merkte, wie die Hitze einer beginnenden Wut langsam in ihm aufstieg. Colonel Dikela und er arbeiteten noch nicht lange zusammen. Vor zwei Monaten hatte man seinen alten Chef, Naas Burger, beurlaubt, nachdem die Special Investigation Unit einige Ungereimtheiten in seinen Kontobewegungen gefunden hatte. Im Moment musste sich Colonel Burger wegen Korruptionsvorwürfen vor der Spezialeinheit verantworten. Pieter hatte seinen Chef als absolut integer erlebt. Selbst die kleinen alltäglichen Bestechungen, die in der SAPS üblich waren, wie das Ausgeben von Getränken und Essen für die Polizisten von den örtlichen Geschäftsleuten, lehnte dieser strikt ab. Nein, irgendjemand hatte Burger aus einem anderen Grund aus dem Weg räumen wollen. Gleich am übernächsten Tag war Colonel Dikela wie aus dem Nichts aufgetaucht. Angeblich war sie sehr erfolgreich im Hauptquartier der SAPS in Pretoria gewesen und hatte die oberen Kreise von ihren Fähigkeiten überzeugt. Das passte nicht zu Pieters Nachforschungen bei seinen alten Freunden in Pretoria. Diese berichteten, dass sie nur ein mittelmäßiger Lieutenant Colonel gewesen war. Aber als Burger von der Bildfläche verschwand, wurde sie über Nacht in den Rang eines Colonels und ans Kap befördert. Sie hatte auf jeden Fall Rückhalt in den obersten Kreisen der SAPS, den Burger in den letzten Jahren verloren hatte. Seitdem sie da war, musste sich Pieter ständig rechtfertigen. Hinter allem vermutete sie rassistische Motive. Zum Glück war seine Aufklärungsrate eine der besten am Kap, sodass sie ihm am Ende nie Verfahrensfehler nachweisen konnte.

 

»Der Ehemann wird heute noch einem umfassenden Verhör unterzogen. Und selbstverständlich sind wir dabei, uns auch die Beziehung der Verstorbenen zu ihrem Mann genauer anzusehen. Bisher konnten wir nichts Verdächtiges feststellen. Wir gehen im Moment davon aus, dass die Tote früh morgens allein zum Nationalpark gefahren ist, dort über den Zaun kletterte und ihrem Mörder begegnete.«

»Ich erwarte von Ihnen heute Nachmittag ein umfassendes Briefing, sobald das Verhör abgeschlossen ist. Um 17 Uhr gebe ich eine Pressekonferenz zu dem Mord. Halten Sie sich bitte in der Zeit zu meiner Verfügung, falls es weitergehende Fragen von den Reportern gibt.« Mit einem kurzen Nicken widmete sie sich den Papieren auf ihrem Schreibtisch. Pieter ging zur Tür.

»Ach, Captain. Fast hätte ich es vergessen. Ich habe die offene Stelle besetzt. Morgen wird Warrant Officer Kolisi zu Ihrem Team stoßen.«

Kopfschüttelnd schloss Pieter die Tür. Dikela hatte ihn noch nicht einmal in die Auswahl eines geeigneten Teammitgliedes, geschweige denn in die Entscheidung, involviert. Das hätte es unter Naas Burger nicht gegeben. Er fragte sich, wer dieser Neue war. Noch ein Xhosa? Zumindest der Nachname ließ darauf schließen. Vielleicht war dieser Kolisi mit dem derzeitigen Flügelstürmer der Springboks verwandt. Dann könnten sie wenigstens in der Mittagspause über die letzten Spiele der südafrikanischen Rugby-Nationalmannschaft sprechen.

07.01.2015 – 13:11, Direktorat für Kapitalverbrechen SAPS, Kapstadt

»Mr. Ramsay, zunächst möchte ich Ihnen mein aufrichtiges Beileid aussprechen. Wir tun selbstverständlich alles, um den Mord an Ihrer Ehefrau so schnell wie möglich aufzuklären.« Pieter setzte sich auf einen einfachen Plastikstuhl, der hörbar unter seinem Gewicht ächzte, und schaute den Schotten ruhig an.

Währenddessen hatte Nick sich im Nachbarraum positioniert und beobachtete über eine Kamera das Verhör. Sergeant Zama saß neben ihm mit einem Notizbuch und starrte gebannt auf den Bildschirm.

Ramsay blickte den Captain finster unter seinen dichten Augenbrauen an.

»Meinen Sie nicht, Captain, dass Sie Wichtigeres zu tun haben, als mich zu verhören? Sie müssen den Mörder meiner Frau finden.«

»Glauben Sie mir, genau das tun wir hier. Wir müssen die letzten Stunden Ihrer Gattin detailliert rekapitulieren. Ich hoffe, das verstehen Sie?«

Der böse Blick, den der rothaarige Bodybuilder ihm zuwarf, ließ nicht darauf schließen, dass er es verstand.

»Ich starte jetzt das Aufnahmegerät und werde Ihnen ein paar Fragen stellen, o. k.?«

»Fangen Sie endlich an, dann habe ich den Scheiß hinter mir!«

Pieter schaute auf die Aufzeichnungen, die er sich vor dem Gespräch gemacht hatte.

»Ihr Name ist Adrian Ramsay. Sie sind britischer Staatsbürger, wohnhaft in Inverness und wurden 1983 in Glasgow geboren, ist das richtig?«

»Fragen Sie mich jetzt als Nächstes, was meine Eltern beruflich machen und wo meine Großeltern gestorben sind?«, ätzte der Mann.

»Bitte beantworten Sie meine Fragen, Mr. Ramsay. Wir wollen doch beide, dass dieses Gespräch hilft, den Tod Ihrer Frau aufzuklären.«

»Verdammt, ja, das ist richtig! Jetzt stellen Sie schon Ihre Fragen!«

Nick beobachtete das Gesicht des Schotten, das langsam die Farbe seiner Haare annahm.

»Warum bist du so aggressiv? Ist das nur wegen des Verlustes deiner Frau, oder bist du immer so? Ist es Angst? Was verbirgst du vor uns?« Nick bemerkte, dass Zama ihn irritiert anstarrte. Wahrscheinlich muss ich mir jetzt wirklich abgewöhnen, Selbstgespräche zu führen. Nicht dass der Junge auch noch damit anfängt. Nick war nicht begeistert gewesen, als Pieter ihm den Xhosa an die Seite gestellt hatte. Natürlich verstand er, dass das ein politischer Schachzug des Buren war, aber er fühlte sich in seiner Arbeit eingeschränkt. Gerade jetzt störte ihn das langsame kratzende Geräusch, welches der Bleistift des jungen Mannes beim Schreiben auf dem groben Papier des Notizbuches machte. Ich muss mich konzentrieren und darf mich nicht durch Kleinigkeiten von dem Gespräch da drinnen ablenken lassen. Nick hatte mit Pieter vereinbart, dass er, wenn notwendig, ein paar Fragen soufflieren konnte. Dafür benutzten sie den kleinen Laptop, den Pieter vor sich aufgebaut hatte. Wenn Nick etwas tippte, erschien es auf dem Bildschirm vor Pieter, ohne dass Ramsay es sehen konnte.

Strauss ließ sich von der Aggressivität des anderen nicht irritieren, sondern fuhr ruhig mit seiner Befragung fort.

»Bitte beschreiben Sie den Abend des zweiten Januars, an dem Sie Ihre Frau das letzte Mal gesehen haben. War sie unzufrieden? Hatten Sie sich gestritten?«

Der rothaarige Bulle schnellte nach vorne.

»Wie kommen Sie auf die Idee, dass meine Frau und ich uns gestritten haben? Wir waren glücklich verheiratet! Und nein, Juno war zufrieden in unserer Ehe! Sie hätte sich nie beklagt. Ich verstehe es nicht. Normalerweise sagte sie mir Bescheid, wenn sie wegging. Damit ich immer wusste, wo sie war.«

Nick tippte eine Nachricht an Pieter: »Pieter, da stimmt was nicht. Es klingt, als hätte er einen Kontrollzwang. Wissen wir schon etwas über die Ehe der beiden? Versuch, noch mehr über den Abend herauszufinden.«

Pieter wandte sich wieder an den Schotten.

»Bitte schildern Sie mir den Abend.«

»Wir haben einen Spaziergang über den Strand gemacht. Haben uns die Pinguine angesehen und sind dann essen gegangen. Danach hat das Ehepaar, welches das Bed and Breakfast führt, uns noch auf einen Sundowner eingeladen. Die alten Leute wollten gar nicht mit dem Reden aufhören. Wollten alles mögliche über Schottland wissen. Daher waren wir erst kurz vor Mitternacht im Bett und als ich morgens aufwachte, war Juno schon weg.« Er schluckte.

»Haben Sie mit jemandem Kontakt gehabt?«

»Nur das alte Ehepaar. Sonst haben wir mit niemandem gesprochen.«

»Wirklich niemandem? Vielleicht hat Sie jemand beobachtet?«

»Wo Sie gerade beobachten sagen: Da war so ein schwarzer Typ am Strand, der das Meer mit einem Fernglas beobachtet hat. Den haben wir wegen der Pinguine gefragt. Der Kerl hat sich noch über uns lustig gemacht, weil wir Sorge hatten, vielleicht die Pinguine zu übersehen. O. k., er hatte am Ende recht. Der Strand wimmelt ja von diesen Viechern. Juno war ganz begeistert.«

»Und Sie? Waren Sie auch begeistert?«

»Mann, ich bin ein Kerl. So kleine schwarze Vögel hauen mich nicht aus den Latschen. Aber meiner Frau hat es gefallen.«

»Können Sie mir den Mann mit dem Fernglas beschreiben?«

»War halt schwarz. Diese Affen sehen doch alle gleich aus. Nicht groß, schmächtig. Kaum Muskeln. Hatte irgendwelche Sportklamotten an. Was solche Nigger eben anziehen, wenn sie sich schick machen. An mehr erinnere ich mich nicht.«

Zama runzelte die Stirn. Das Knarzen seines Stiftes schwoll von einem ruhigen Adagio zu einem wütenden Presto an. Nick musste sich zusammenreißen, um dem Jüngeren nicht den Bleistift samt Notizbuch zu entreißen. Er zwang sich, sich auf Pieters Fragen zu konzentrieren.

»Kommen wir noch mal zurück zu Ihrer Frau. Kam es öfter vor, dass sie einfach alleine wegging?«

»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Nein, sie sagte mir immer Bescheid. Das passt einfach nicht zu ihr.«

»Musste sie Ihnen Bescheid sagen? Was passierte, wenn sie es nicht tat?« Der Captain schaute den anderen lauernd an.

»Was für eine beschissene Frage ist das denn? Das tun Eheleute doch, sich Bescheid sagen, wenn sie weggehen, oder?«

»Was konnte Ihre Frau dann veranlasst haben, an diesem Morgen ohne ein Wort wegzugehen?«

»Das verstehe ich ja auch nicht.« Ramsay schüttelte den Kopf und wiederholte mehr zu sich selbst: »Es passt einfach nicht zu ihr.«

»Hatte sie vielleicht jemanden kennengelernt, mit dem sie in den Nationalpark gefahren ist?«

»Wann sollte das gewesen sein? Wir waren die ganze Zeit zusammen, seitdem wir hier in Südafrika angekommen sind. Meine Frau war viel zu ängstlich, um mit einem Wildfremden einfach so mitzugehen.«

Pieter schaute kurz auf und schüttelte, mit Blick direkt in Richtung der Kamera, leicht den Kopf. Das Gespräch führte zu nichts. Sie mussten erst mehr Fakten über die Ehe sammeln. Aber er sah es ähnlich wie Nick. So harmonisch, wie Ramsay es darzustellen versuchte, konnte die Ehe nicht gewesen sein.

07.01.2015 – 18:51, Boulder’s Beach, Simon’s Town

»Ich würde gerne auf der Terrasse sitzen. Dann können wir den Blick auf die Pinguine noch ein bisschen genießen.«

Pauline und Ben waren gerade in dem kleinen Restaurant, in dem sie sich mit Nick treffen wollten, angekommen. Pauline steuerte schnurstracks durch die großen gläsernen Flügeltüren des Restaurants auf die Terrasse zu.

»Meinst du nicht, es ist zu windig, um draußen zu sitzen? Da weht uns doch alles weg, was wir auf dem Teller haben.«

Pauline sah sich um. Ben hatte recht. Der Wind hatte die letzten Stunden zugenommen und auf der Terrasse des Restaurants waren keine Tische mehr eingedeckt.

»Lass uns wenigstens einen Sundowner draußen trinken. Wir setzen uns rein, sobald Nick kommt. Wir sind eh zu früh.«

Pauline betrat die mit großen steinernen Platten ausgelegte Terrasse und setzte sich an einen Tisch, der etwas geschützter in der Nähe der Tür stand. Der metallene Stuhl kratzte mit seinen Beinen über die Fliesen, als sie ihn sich so hinstellte, dass sie bequem von ihrem Platz aus über den Strand schauen konnte. Als wäre dies sein Zeichen gewesen, stand im nächsten Augenblick ein Kellner an ihrem Tisch.

»Mevrou, möchten Sie wirklich hier draußen sitzen? Es wird sicher noch windiger heute Abend.«

»Siehst du, was habe ich dir gesagt?« Ben sah seine Frau resigniert an. An den Kellner gewandt fuhr er fort: »Wir möchten nur einen kleinen Sundowner hier draußen trinken. Wir warten noch auf einen Freund. Ich bin mir sicher, er hat einen Tisch bestellt. Auf den Namen Nick Aquilina.«

Der Kellner deutete eine leichte Verbeugung an.

»Selbstverständlich, wie Sie wünschen. Und Sie haben völlig recht. Mr. Aquilina hat einen unserer schönsten Tische reserviert. Direkt am Fenster, sodass Sie auch von dort einen wunderbaren Blick über die Bucht haben.« Er zwinkerte Ben wissend zu. Scheinbar hatte er mehr von ihrem Gespräch mitbekommen als gedacht.

»Wissen Sie schon, was Sie trinken möchten?«

Zehn Minuten später fand Nick Pauline und Ben bei Grapetizer und Muskadel auf der Terrasse. Paulines lange Haare waren völlig vom Wind zersaust, aber sie hielt sich tapfer an ihrem Glas fest. Bloß nicht vor Ben zugeben, dass sie besser gleich drinnen hätten Platz nehmen sollen.

»Da seid ihr ja! Wie schön, dass wir uns endlich wiedersehen!« Nick nahm Pauline in den Arm und gab ihr rechts und links einen Kuss auf die Wange. Auch Ben bekam eine Umarmung, aber, anstatt der Küsse, nur ein freundschaftliches Klopfen auf die Schultern. »Es tut mir leid, dass ich ein bisschen spät bin, aber die Fahrt von Kapstadt hier raus hat doch länger gedauert, als ich gedacht habe. Wollen wir hineingehen? Es ist ziemlich windig hier draußen.«

Ben grinste Pauline an, als sie dem Italiener ins Innere folgten. Sie vergewisserte sich, dass Nick nicht hinsah, und streckte ihrem Mann die Zunge heraus.

Kurze Zeit später saßen sie zu dritt windgeschützt im Inneren des in sonnigem Gelb gestrichenen Restaurants. Die untergehende Sonne malte rötliche Schatten an die Wände. Nick hat wirklich einen schönen Platz für unser Wiedersehen ausgesucht, dachte Pauline begeistert. Sie schaute zu dem Italiener hinüber, der ihr gegenüber Platz genommen hatte. Die Falten um seine Augen waren nicht mehr nur Lachfalten. Er sah müde aus. Der aktuelle Fall hinterließ seine Spuren in dem sonst so jungenhaften Gesicht. Pauline griff nach Nicks Hand und drückte sie.

»Geht es dir gut, Nick? Ich hoffe, wir machen dir keine Umstände, jetzt wo du diesen Mordfall bearbeiten musst.«

»Bitte mach dir darüber keine Gedanken, Pauline. Es tut gut, euch zu sehen und im Gegenteil, es lenkt mich ein bisschen von dem Mord ab.« 

»Ben und ich haben vorhin die Plakate mit dem Bild der toten Frau und ihrem Auto gesehen. Hilft das bei der Suche nach dem Täter?« Ben stieß Pauline unter dem Tisch mit dem Fuß an. Jetzt regt er sich auf, dass ich so neugierig bin. Dabei hat er mich vorhin auf die Plakate aufmerksam gemacht. Pauline ignorierte den Unmut ihres Mannes und blickte Nick erwartungsvoll an.

»Das war eine Idee von meinem Freund Pieter. Wir hoffen, so jemanden zu finden, der sie am frühen Morgen in Richtung Nationalpark hat fahren sehen. Oder jemanden, der beobachtet hat, wie das Auto später auf dem Parkplatz Miller’s Point abgestellt wurde. Leider haben wir bisher keine brauchbaren Hinweise bekommen.«

Der Kellner unterbrach ihr Gespräch.

»Haben Sie schon etwas Passendes gefunden?«

»Darf ich einen Vorschlag machen? Wie wäre es, wir starten mit einem Springbok Carpaccio mit frischen Blaubeeren und Blauschimmelkäse? Das habt ihr bestimmt noch nie in Deutschland gegessen.« Pauline und Ben nickten zustimmend.

Als der Kellner mit der Bestellung verschwunden war, nahm Ben wieder das Gespräch auf.

»Fühle dich bitte nicht verpflichtet, Pauline und mich ständig zu treffen. Wir freuen uns natürlich, wenn wir dich sehen, aber du bestimmst, wann es passt.«

In diesem Moment fing Nicks Mobiltelefon an zu klingeln. Mit gerunzelter Stirn blickte er auf das Display.

»Es ist Pieter. Seid mir bitte nicht böse, aber da muss ich kurz rangehen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn vor der Pressekonferenz im Stich gelassen habe.« Er rückte den Stuhl ein Stück beiseite und nahm den Anruf entgegen.

»Hi Pieter. Wie ist es gelaufen? Haben euch die Journalisten sehr zugesetzt? … Ein Leck? Wie kommst du darauf? … Was, sie wissen von der Schulter?« Auf Nicks Stirn bildete sich eine steile Zornesfalte. »Verdammter Mist. Jetzt fangen sie bestimmt über kurz oder lang mit Muti und so einem Quatsch … Haben sie schon? … Uns bleibt auch nichts erspart. Wo bist du? … Was? Simon’s Town? In der Polizeistation? Moment.« Nick hielt kurz den Hörer zu und wandte sich an Pauline und Ben. »Hättet ihr Lust, Pieter kennenzulernen? Er ist gerade auf dem Polizeirevier, hier in der Stadt, weil das am nächsten zum Fundort der Leiche ist. Ich würde ihm dann anbieten, er könnte noch vorbeikommen.«

»Klingt gut. Du hattest doch gesagt, dass er Rugby spielt, richtig? Dann können wir ihn gleich ein bisschen dazu ausquetschen und ihn ablenken.« Ben grinste. In seiner Jugend hatte er in Hamburg im Stadtpark mit Klassenkameraden Rugby gespielt. Aber leider war der Sport in Deutschland nach wie vor nicht populär. Obwohl Hamburg tatsächlich als eine Rugby-Hochburg in Deutschland galt, war es immer noch eine Randsportart.

»Pieter, hier sind zwei, die würden gerne mit dir über Rugby reden. Was meinst du, kommst du noch ins Boulders Beach Restaurant? Wir haben gerade die Vorspeise bestellt, du solltest dich also sputen … Ja, du bist schon auf dem Weg? Ich wusste, mit der Aussicht auf Essen und Trinken locke ich dich ganz einfach aus den Fängen der Polizei.« Lachend legte er auf.

Eine Viertelstunde später betrat ein großer muskulöser blonder Mann das Restaurant. Wow, ist das etwa der Freund von Nick? Pauline musste sich zusammennehmen, um ihn nicht mit offenem Mund anzustarren. Nick hatte gar nicht erwähnt, dass der Captain so gut aussah. Pauline merkte, wie ihr Gesicht vor Verlegenheit heiß wurde, als Nick sie grinsend musterte. Er hatte ihre Reaktion auf Pieters Erscheinen genau registriert.

08.01.2015 – 05:43, Khayelitsha Township, Kapstadt

Die Sonne ging gerade auf. Noch zeigten sich die bunten Wellblechhütten von Khayelitsha in einem grauen Schleier. War es zu früh, um unterwegs zu sein? Heute Nacht hatte Zanele wieder die Schüsse gehört. Es verging keine Nacht ohne Schüsse. Meistens zwei oder drei kurz hintereinander. Oft gefolgt von dem schrillen durchdringenden Pfeifen der Township-Bürgerwehr, die sich kurz darauf auf die Suche nach den Dieben machte.

Heute Nacht hatten sie mindestens einen der Diebe gestellt. Zanele hatte den Mob gehört, der aufgebracht seine Bestrafung forderte. Sie schnupperte in der Luft. War da der Geruch von Benzin? Vor ihrem inneren Auge erschien es wieder, das Bild, das sie seit einem dreiviertel Jahr dazu brachte, sich bei Schüssen tief unter ihrer dünnen Bettdecke zu vergraben. Bei dem Gedanken wurde ihr kalt. Wie sie ihn vermisste.

Am liebsten wäre sie auch heute Morgen liegen geblieben. Aber der brennende Durst und das Weinen ihres kleinen Neffen trieben sie raus. Das Wasser, das sie vor drei Tagen an der Wasserstelle geholt hatte, war längst verbraucht. Wenn sie geahnt hätte, dass die Stadtverwaltung wieder die Wasserversorgung für Khayelitsha drosseln würde, hätte sie Donnerstag mehr Wasser geholt. Ob heute auch nur ein paar spärliche Tropfen aus dem Wasserhahn kamen? Zanele sammelte Speichel im Mund und schluckte ihn herunter. Aber der Mund blieb schmerzhaft trocken. Sie musste es wagen und zur Wasserstelle gehen.

Als Zanele das Wellblechtor, das noch nicht einmal mit einem Vorhängeschloss gesichert war, zur Seite schob, kam ihr der säuerliche Gestank der Zeugen der letzten Nacht entgegen – Urin und Erbrochenes schwängerte die Luft. Aber zumindest fehlte heute der süßliche Geruch von verbranntem Fleisch. Sie trat vor die einfache »Shack«, die Hütte, die ihr Vater vor Jahren aus Wellblechresten zusammengezimmert hatte.

Die alte Lindiwe von nebenan war gerade dabei, den Behälter mit der Notdurft der Nacht in den zugewucherten Graben vorm Haus zu kippen. In anderen Teilen der Township gab es gemauerte Häuser, fließend Wasser und die Menschen hatten sogar ihre eigenen Klohäuschen. Hier war dieser Luxus weit weg. Auch zum Waschen und aufs Klo gehen mussten sie den Weg zum Waschhaus auf sich nehmen, das gleich neben der öffentlichen Wasserstelle lag. Viele alte Leute scheuten die lange Strecke und kippten ihre Hinterlassenschaften einfach irgendwo hin.

»Willst du wirklich los, Zanele? Es ist viel zu früh. Ich glaube nicht, dass es schon sicher ist. Zu viele Schatten, in denen sich das Pack verkriechen kann. Du solltest noch warten, bevor du zur Wasserstelle gehst.«

»Ach Tannie. Das Baby hat die ganze Nacht geweint. Es ist krank. Seine Mutter ist so erschöpft und ausgedörrt, sie hat nichts mehr, das sie dem Kleinen geben kann. Und jetzt haben wir auch kein Wasser mehr, um Milchpulver anzurühren.«

»Ich weiß, mein Kind. Wir haben es gehört. Aber es nützt niemandem, wenn du dein Leben aufs Spiel setzt. Vorgestern Nacht haben sie wieder ein halbes Kind gesteinigt. Die Luft ist aufgeladen von der ganzen Gewalt. Spürst du nicht dieses Prickeln? Es ist nicht gut.« Sie schüttelte traurig ihren Kopf, wobei ihre hängenden, faltigen Wangen langsam im Takt mitwiegten.

»Es ist meine Aufgabe, das Wasser zu holen. Sifiso hat die halbe Nacht gearbeitet. Er braucht auch etwas zu trinken, wenn er aufwacht.«

»Hai!« Lindiwe schüttelte wieder den Kopf. »Dein Bruder wird schon etwas zu trinken finden. Für den ›daggakop‹ solltest du nicht dein Leben riskieren.«

Zanele wusste, dass die alte Lindiwe nicht viel von ihrem ältesten Bruder Sifiso hielt. Dabei hatte er sich in den letzten Monaten geändert. Vorbei waren die Zeiten, als er noch tagsüber mit seinen Freunden rumhing, Dagga rauchte und die Nacht mit der Gang zur Beschaffung von Drogen nutzte. Nein, Sifiso rauchte schon lange kein Marihuana mehr. Er hatte eine Shebeen aufgemacht. Die Kneipe in einem ausgedienten alten Container war schnell zu einem beliebten Treffpunkt im Viertel geworden. Auch eine Tatsache, die der alten Lindiwe nicht gefiel. Ihrer Meinung nach war die Shebeen nur Tarnung für die Geschäfte von Sifisos Gang.

Für die Familie war die Shebeen ein Segen, da Sifiso jetzt regelmäßig Geld mit nach Hause brachte. Es war nicht viel, aber es reichte für das Nötigste. Endlich hatten sie Geld für das Baby. Sie konnten Milchpulver und Windeln kaufen. Aber es hatte keinen Sinn, mit Tannie Lindiwe zu diskutieren. Die alte Frau hatte ihre Meinung vor Jahren festgemacht: Sifiso war der Missratene, der Gangster und bestimmt auch ein Mörder. Zanele hob den alten gelben Plastikeimer, dessen Henkel schon lange ausgerissen war, auf die Schulter. Zum Glück war er noch dicht und fasste bestimmt seine zehn Liter. Ob sie ihn heute füllen konnte? Sie verabschiedete sich von Lindiwe und machte sich auf den Weg.

Sie ging die staubige Straße entlang zu der öffentlichen Wasserstelle, die am Rand des Viertels lag. Ihre Plakkies hatten schon Löcher in der Sohle. Das Band am rechten Flipflop war gerissen. Sie hatte es mit einem Stück Hanfseil ersetzt, das ihr jetzt beim Gehen schmerzhaft in den Fuß schnitt. Aber die Schuhe ausziehen und barfuß weitergehen, wollte sie auch nicht. Es war gut, dass eine Sohle zwischen ihr und dem Dreck dieser Straße war. War sie auch noch so löchrig. Die ersten Sonnenstrahlen streckten ihre gelben Fühler aus. Es würde wieder ein heißer Tag werden. Hoffentlich bekam sie Wasser.

08.01.2015 07:44, Direktorat für Kapitalverbrechen SAPS, Kapstadt

Bheka Dube trommelte nervös mit seinen Fingern auf die Armlehne des Plastikstuhls. Die Ausstattung des War Rooms der Abteilung war einfach. Aber Pieter wollte sich nicht beschweren, es war schon ein Segen, dass er mit seinem Team für diesen Fall den großen Besprechungsraum des Direktorats nutzen konnte. Nur musste er zukünftig einen anderen Stuhl für sich mitnehmen. Die einfachen weißen Plastikstühle waren nicht für seine hundert Kilo ausgelegt. Die dünnen Stuhlbeine bogen sich gefährlich unter ihm. Hoffentlich hielten sie bis zum Ende der Sitzung durch.

»Ag no, Mann! Bheka, kannst du nicht mal fünf Minuten ruhig bleiben? Es nervt.« Der sonst so ruhige Unathi Zama war in letzter Zeit früh morgens schnell ungehalten. Pieter vermutete, das lag an seinem kleinen Sohn, der erst vor Kurzem geboren worden war. Scheinbar waren die Nächte in den letzten Wochen eher kurz für den Sergeanten.

Bheka schaute Zama giftig an, hörte aber auf zu trommeln.

In diesem Moment betrat Colonel Dikela den Raum. Hinter der kleinen Xhosa ragte eine große, schlanke Frau im schwarzen Anzug mit einer Haut wie frisch gebrühter Kaffee auf. War das etwa … Die nächsten Worte von Dikela bestätigten Pieters Befürchtungen.

»Meine Herren, ich mache es kurz. Hiermit möchte ich Ihnen Ihr neues Teammitglied, Warrant Officer Emma Kolisi vorstellen. Sie ist eine erfahrene Polizistin und ich bin davon überzeugt, dass sie die ideale Ergänzung zu Ihrem Team sein wird.«

Verdammt, Xhosa und obendrein noch eine Frau. Habe ich nicht schon genug Probleme in meinem bunten Team? Ein Farbiger, ein Zulu und zwei Xhosa. Da ist der Ärger doch vorprogrammiert. Pieter sah hinüber zu Sergeant Dube. Der Zulu hatte aufgehört zu trommeln und schaute die Neue böse an. Er war einige Male bei Pieter vorstellig geworden, weil er der Meinung war, dass er die offene Stelle des zweiten Warrant Officers besetzen könnte. Aber Dube war jähzornig. Immer wieder gab es Zwischenfälle mit ihm. Mal hatte er einen Verdächtigen zusammengeschlagen, als dieser ihn bei der Verhaftung als dreckigen Wilden beschimpft hatte. Dann wieder hatte Pieter ihn erwischt, wie er nur zum Spaß bei einer nächtlichen Beobachtung alle Vorbeigehenden mit seiner Glock ins Visier genommen hatte. Nein, Dube war nicht bereit für den nächsten Schritt, auch wenn er eine völlig andere Meinung über seine Fähigkeiten hatte. Es würde Ärger geben. Schon jetzt war die Stimmung hier im Raum merklich gesunken. Selbst sein farbiger Warrant Officer Mulder musterte Kolisi mit kaum versteckter Missbilligung.

»So. Dann lasse ich Sie jetzt Ihre Teambesprechung fortsetzen. Captain Strauss, kommen Sie bitte kurz mit.« Dikela machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Pieter stemmte sich vorsichtig aus dem Stuhl und folgte ihr.

Der Colonel drehte sich nach ihm um.

»Captain, ich erwarte, dass Warrant Officer Kolisi schnell in das Team integriert wird. Außerdem möchte ich, dass Sie sie als Ihre Stellvertreterin nominieren.«

Strauss merkte wieder die heiße Welle der Wut, die in ihm aufstieg. Dikela stellte ihn vor vollendete Tatsachen. Er musste sich zusammenreißen, ihr nicht seine Meinung zu sagen. Innerlich zählte er bis drei. Es war wie beim Rugbyspiel. Emotionen und Wut brachten die Mannschaft nicht voran. Taktik, Ruhe und im richtigen Augenblick der richtige Zug. Er bemerkte, dass der Colonel ihn lauernd musterte. Du wartest darauf, dass ich einen Fehler mache. Meine Nachfolgerin hast du ja soeben in Position gebracht. Aber den Gefallen tue ich dir nicht. Er holte tief Luft und antwortete mit einer möglichst emotionslosen Stimme.

»Was meinen Stellvertreter betrifft, Colonel Dikela. Ich halte es für unklug, Kolisi sofort als solchen zu etablieren. Warrant Officer Mulder hat in der Vergangenheit wiederholt gezeigt, dass er die Verantwortung für das Team übernehmen kann.«

Dikela wedelte kurz mit der rechten Hand.

»Dass wir uns verstehen: Ich will keine rassistischen Kleinkriege im Team. Ich habe genau gesehen, wie dieser Zulu sie ins Visier genommen hat. Und Warrant Officer Mulder, ich erwarte, dass er professionell mit Kolisi zusammenarbeitet. Dieser Flattie ist unter Colonel Burger viel zu schnell befördert worden.«

Hmm, wer ist hier denn jetzt der Rassist? Wenn ich das Wort »Flattie« für einen Colored benutzen würde, hätte ich gleich eine Untersuchung wegen Rassismus am Hals. Ich muss unbedingt mit dem alten Burger sprechen, um zu sehen, ob es eine Chance gibt, dass er zurückkommt. Mit dieser Frau werde ich es nicht lange aushalten. Mal davon abgesehen, dass sie offenkundig an meinem Stuhl sägt. 

»Sergeant Zama soll sich auf das Profilerthema konzentrieren. Sie haben doch Aquilina davon in Kenntnis gesetzt, dass er Zama in seine Arbeit einbindet?«, unterbrach Dikela seine Gedanken.

»Zama hat gestern schon mit Nick Aquilina das Verhör des Ehemannes des Opfers beobachtet. Er muss noch viel lernen, aber er bemüht sich. Und mit Aquilina als Lehrmeister konnte er keinen besseren finden.«

»Sie haben wirklich eine hohe Meinung von Aquilina.«

»Schauen Sie sich seine Fälle der letzten Jahre an. Er ist bis nach Europa für ausgezeichnete Arbeit bekannt und wird ständig als Experte angefordert. Vor ein paar Jahren hat er auf Malta an der Ergreifung eines Serienmörders entscheidend mitgewirkt. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir ihn im Team haben.«

Es folgte wieder das abwertende Winken.

»Schon gut, Captain. Ich habe verstanden. Wir müssen uns dieses Wunder warmhalten. Aber vergessen Sie nicht meine Anordnungen: Sergeant Zama wird zum internen Profiler weitergebildet und Warrant Officer Kolisi ist ab heute Ihr Stellvertreter.«

Pieter biss sich auf die Zunge, nickte kurz und verabschiedete sich. Es gab nichts mehr zu sagen.

 

Er ging zurück in den Besprechungsraum. Es war, als wäre mitten in der Hitze des afrikanischen Sommers in dem Raum die Eiszeit ausgebrochen. Zama starrte aus dem Fenster und vermied den Blickkontakt mit den Kollegen. Dube murmelte auf Zulu vor sich hin und scharrte mit den Füßen. Warrant Officer Jed Mulder schien zu ahnen, was die Ankunft der Neuen für ihn und seine weitere Karriere bedeutete. Er blickte sie mit unverhohlenem Missfallen an. Nur der neue Warrant Officer schien von der Stimmung im Raum nichts zu bemerken. Sie hatte sich einen der freien Stühle genommen und blickte Pieter ruhig aus ihren hellbraunen Augen an. Auf ihrem Gesicht zeigten sich keinerlei Emotionen.

Pieter räusperte sich.

»Dann heißen wir Warrant Officer Kolisi im Team willkommen. Es passt gut, dass Sie heute zu uns stoßen. Gleich wird noch unser Profiler Nick Aquilina erscheinen und wir werden den Stand der bisherigen Erkenntnisse in unserem Fall austauschen.«

In diesem Moment betrat der Erwähnte den Raum, wie immer mit einem Lächeln auf den Lippen.

Nick blickte in die Runde.

»Oh, ich sehe, wir haben jemand Neues im Team. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Nick Aquilina und hier derjenige, der gerne mit sich selbst redet. Benvenuto, Signora.« Mit einem charmanten Grinsen ging er auf Kolisi zu. Diese musterte den Italiener kritisch von Kopf bis Fuß und hob dabei leicht die rechte Augenbraue.

Sie ignorierte seine ausgestreckte Hand, neigte kurz den Kopf und erwiderte mit kühler Stimme: »Emma Kolisi. Warrant Officer.«

Pieter musste innerlich lachen. Kolisi war eindeutig gegen Nicks berühmten italienischen Charme resistent.

»Gut, dann lasst uns jetzt anfangen. Unathi, bitte begib dich an die Tafel und schreibe die wichtigsten Erkenntnisse mit.« Zu Kolisi gewandt fuhr Pieter fort: »Wir werden für die Dauer der Operation diesen Raum als War Room nutzen. Sobald Besprechungen angesetzt werden oder mehrere im Team sich unterreden müssen, werden wir uns hier einfinden. Ansonsten arbeitet jedes Teammitglied von seinem Schreibtisch aus. Zusätzlich haben wir in der Polizeistation in Simon’s Town einen weiteren Raum zur Verfügung, da wir dort die lokale Nähe zum Fundort der Leiche haben. Ich werde Sie heute Nachmittag dorthin mitnehmen. Dann lernen Sie gleich den Leiter der Station kennen.«

Wieder ein kurzes Nicken von Kolisi. Die Frau war eindeutig kein Mensch vieler Worte. Anders als die Deutsche, die Pieter gestern kennengelernt hatte. Die rothaarige Pauline hatte die meiste Zeit die Männer unterhalten. Es war ein wirklich netter Abend gewesen, der ihn ein bisschen abgelenkt hatte. Nicks deutsche Freunde waren angenehme Gesellschaft. Außerdem wusste Ben erstaunlich viel über Rugby. Pieter hatte versprochen, die beiden zum nächsten Trainingsspiel seines Teams in ein paar Tagen mitzunehmen. Wenn er durch seinen Fall überhaupt zum Trainieren kam.

08.01.2015 15:03 – Plattekloof, Institut für Kriminaltechnik

Pieter Strauss betrat, begleitet von seinem neuen Warrant Officer, den großen Stahlkomplex, der das Institut für Kriminaltechnik beherbergte. Ein Ungetüm aus Stahl und Glas, das das moderne Afrika widerspiegeln sollte. Zu kalt für Pieters Geschmack. Aber sie hatten es geschafft, alle Abteilungen der Kriminaltechnik unterzubringen. So auch die Ballistik, deren Chef, Thomas O’Sullivan, Pieter heute Vormittag angerufen hatte und gerne persönlich mit ihm über die Ergebnisse der Untersuchung der Schusswunde reden wollte. Eine gute Gelegenheit, Warrant Officer Kolisi dem alten O’Sullivan vorzustellen.

»Ah, Captain Strauss. Die große Hoffnung der ›Valke‹!«, begrüßte ihn der Ire scherzhaft und benutzte dabei das Afrikaans-Wort für die Spezialeinheit.

»Thomas, lass mal. Wenn überhaupt ist es lange her, dass die ›Hawks‹ auf mich gesetzt haben. Es weht jetzt ein anderer Wind.« Pieter vermied den Seitenblick auf seine Begleitung, aber er konnte sich auch so vorstellen, was diese Art von Begrüßung für einen Eindruck bei der schweigsamen Kolisi hinterließ.

Im Auto hatte er noch versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Zu erfahren, woher sie kam und was ihr Hintergrund war. Aber viel mehr als die Tatsache, dass sie in Wellington in den Winelands geboren war und die letzten Jahre in Pretoria gearbeitet hatte, bekam er nicht aus ihr heraus. Keine Information, die ihm nicht auch ihre Personalakte hätte geben können. Die restliche Fahrt war schweigend verlaufen.

O’Sullivan beugte sich zur Seite, um Kolisi, die halb verdeckt von Pieters breitem Kreuz in der Tür stand, besser mustern zu können.

»Pieter, wen hast du denn da mitgebracht? Haben sie dir endlich eine Frau zur Seite gestellt?« Der kleine Ire lachte. »Ich weiß nicht, ob der lange Kerl es Ihnen schon erzählt hat: Ich bin Thomas O’Sullivan und wenn es irgendwo knallt, bin ich Ihr Mann.« Er stand auf und hinkte zu ihr rüber. Kolisi hob eine Augenbraue.

»Das Hinken ist eine alte Kriegsverletzung. Ich habe nicht immer diesen Schreibtischjob gemacht, meine Schöne. Vorher war ich da draußen, genau wie Sie. Bis mich so ein kleiner Junge im Tik-Rausch niedergestreckt hat. Verdammtes Crystal Meth. Die Kugel hat mir die Hüfte zerschmettert. Seitdem sitze ich hier, ballere in Gelee oder halte Vorträge über Projektile.«

»Sie sind Thomas O’Sullivan? Der Captain Thomas O’Sullivan? Der 2010 die Operation ›Litchi‹ geleitet hat?«

Pieter sah Kolisi erstaunt an. So viele Worte auf einmal hatte er sie bisher nicht sprechen hören.

Der Ire fuhr sich durch die grauen, kurzen Haare, die ihm daraufhin wie bei einer Drahtbürste widerspenstig vom Kopf standen.

»Einfach Thomas, nicht Captain. Und ja, ich habe die Operation geleitet. Ein guter Tag damals. Vor allem, als wir den Kopf der Bande am Flughafen in Empfang genommen haben. Der feine Herr dachte wohl, seine Verbindungen in die höchsten Kreise würden ihn am Ende schützen. Aber die 800 Millionen Rand, die er mit seinen Leuten den Banken und den Steuerzahlern geklaut hat, waren dann doch zu viel.«

»Der Fall war einer der Hauptgründe, warum ich bei den Hawks angefangen habe. Weil ich gesehen habe, dass die ganze Arbeit am Ende nicht umsonst ist.«

»Ja, ab und zu können wir etwas gegen die Bösen ausrichten. Aber leider nicht immer. Manchmal verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse. Der Junge, der mir die Kugel verpasst hat, war gerade mal zehn Jahre alt. Er hat den Befehl eines Generals befolgt, einer der Bosse seiner Gang. Mein Kollege hat ihn erschossen, nachdem das Kind mich erwischt hat. Danach war es vorbei. Ich wollte nicht mehr da draußen sein und sehen, wie drogenabhängige Kinder zu Mordwerkzeugen werden.« Traurig schüttelt Thomas den Kopf und humpelte zurück zu seinem Schreibtisch.

Pieter und Kolisi traten in das einfach eingerichtete Büro und nahmen auf den beiden Holzstühlen Platz, die vor dem alten Schreibtisch standen. Zumindest blieb das übliche verzweifelte Ächzen der Bestuhlung unter seinem Gewicht aus, stellte Pieter zufrieden fest, als er sich auf den massiven Stuhl setzte.

O’Sullivan hielt ein Projektil mit deformierter Spitze hoch.

»Lasst uns jetzt über die wichtigen Dinge sprechen. Dies hier ist das Geschoss, das ich nach der Obduktion der Leiche bekommen habe. Es steckte in der toten Frau. Eine 7 x 57.«

»Eine 7 mm Mauser?« Pieter beugte sich über den Schreibtisch, um das Projektil näher in Augenschein zu nehmen. »Wird diese Munition heutzutage überhaupt noch benutzt?«

»Eher selten. Ist ein echter Klassiker. 1892 in Deutschland entwickelt. Wenig Rückstoß, hohe Eigenpräzision. Für einen alten Ballistiker wie mich ein Genuss. Wurde im Burenkrieg verwendet. In den alten Repetiergewehren Mauser M 1893/95.«

»Willst du damit sagen, jemand mordet mit einer antiken Waffe?«

»Könnte sein, aber natürlich eignet sich die Munition auch für andere Waffen. Hast du schon mal von Karamojo Bell gehört?«

Pieter schüttelte den Kopf.

»Sie meinen den berühmten Elefantenjäger?«, schaltete sich Kolisi ein.

»Ja, genau den.« Der Ire musterte den Warrant Officer erstaunt. Es passierte ihm nicht oft, dass jemand ihm bei seinen geschichtlichen Ausführungen zur Ballistik folgen konnte.

Der Ballistiker fuhr fort.

»Bell hat mit diesem Kaliber gerne seine Elefanten erlegt. Der verdammte Schotte! Über 1000 Elefanten nur mit dem 7-x-57-Gewehr. Direkt ins Hirn hat er den armen Viechern geschossen. Sogar ein Schuss wurde nach ihm benannt: der ›Bell Shot‹. Einfach widerlich.« Der Ire schüttelte sich.

»Das heißt aber für uns, dass ein Gewehr mit diesem Kaliber heutzutage nicht mehr so verbreitet ist?« Pieter versuchte, den Bezug zu ihrem Fall wieder herzustellen.

»Ja, davon kannst du ausgehen. Und wie du schon sagtest, es könnte sogar eine antike Waffe sein. Es gibt auch heute noch Buren, die diese Waffe als Familienerbstück im Schrank haben. Frag doch mal deinen Vater.«

Pieter merkte, wie Kolisi ihn unter zusammengezogenen Augenbrauen musterte. Innerlich verfluchte er den Iren, dass er das Gespräch auf den alten Strauss gebracht hatte. Schon seit Jahren vermied er jeden Besuch zu Hause, weil er sich nicht den Gesprächen mit seinem alten Herrn über die goldenen Zeiten der Nation während der Apartheid stellen wollte. Thomas hatte recht, es war leider gar nicht abwegig, dass sein Vater so ein Gewehr zu Hause hatte. Ob Emma dachte, er wäre ein Rassist wie sein Vater?

Er versuchte, von dem Thema abzulenken.

»7-x-57-Kaliber: Heißt das für uns, dass wir nach einem präzisen Schützen suchen müssen?«

»Ja, das meine ich. Er hat das Opfer mit nur einem Schuss in die Schläfe getötet. Diese Munition ermöglicht zielgenaue Schüsse über große Distanzen, mit wenig Zerstörung der Beute. Hier war es wie bei Karamojo Bell: ein sauberer Treffer mitten ins Gehirn. Der Eintritt ganz typisch: keinen rundlichen, lochförmigen Substanzverlust, sondern eine schlitzartige Zusammenhangstrennung. Im Burenkrieg haben sie übrigens gerne mal die Mantelspitze abgefeilt: ›soft nosed‹ nannten sie es. Ich muss euch nicht sagen, was das für einen Matsch im Inneren zurücklässt: die Geburtsstunde des Dumm-Dumm-Geschosses. Das hat uns euer Täter erspart. Nein, wie ich schon meinte, es gibt nur geringen Ausschuss. Ein Jäger würde sagen waidgerechte Zerlegung.«

Strauss schaute nach rechts zu seinem Warrant Officer. Ein leichtes Unbehagen zeigte sich in ihrem Gesicht. Vielleicht war sie doch nicht so unterkühlt, wie es den Anschein hatte.

»So, jetzt sind wir mit der Pflicht durch. Ich schlage vor, jetzt stoßen wir auf das neue Teammitglied an«, unterbrach der Ire Pieters Gedanken, die Hände bereits nach der untersten Schreibtischschublade ausgestreckt, in der er seine »Schätze«, wie er sie nannte, bunkerte.

Prüfend blickte er hinein.

»Ich denke, es ist Zeit für etwas Besonderes. Wie wäre es mit einem Bushmills Madeira Finish? Single Malt?«

Zu Pieters Verwunderung nickte Kolisi zustimmend. Er hätte schwören können, dass der zugeknöpfte Warrant Officer Alkohol im Dienst komplett ablehnen würde. Seine Überraschung wuchs aber fünf Minuten später noch mehr, als Kolisi nach den ersten Schlucken von der goldgelben Flüssigkeit sagte: »Komplexe Aromen von Trauben und Honig. Und etwas dunkle Schokolade, richtig? Wie lange wird er in Madeira-Fässern nachgereift?«

»Zwei Jahre.« Der Ire war verzückt. »Pieter, ab jetzt bringst du mir diesen Warrant Officer jedes Mal mit, wenn du mich besuchst. Endlich jemand mit einem guten Geschmack, an den mein Whiskey nicht verschwendet ist! Und wehe, du tauchst noch einmal mit einem von deinen Burschen hier auf.«

Strauss überlegte kurz, ob er die Gelegenheit nutzen sollte, um mehr über die Kolisi hinter der Fassade zu erfahren. Aber mit dem Blick auf die Uhr musste er leider zum Aufbruch drängen. Die Geheimnisse seines Warrant Officers mussten noch ein bisschen warten.

Langa

Heute hatte es endlich den ersten Lohn gegeben. Langa griff in seine Hosentasche, um die raue Oberfläche der Rand-Scheine zu spüren. Die Franzosen zahlten nicht schlecht. Was für ein Glück, dass er vor zwei Monaten die Stelle ergattert hatte. Dafür nahm er gerne den langen Weg zu den Abfüllanlagen in Kauf. Mit dem Lohn der letzten Woche fühlte er sich heute Abend wie ein König. Er würde in der Shebeen das neue Leben feiern. Das Wochenende anständig begießen. Ein paar Flaschen Maisbier, bevor er wieder nach Hause zu seiner schwangeren Frau und den Kindern musste. Wie er ihr ständiges Gequengel satthatte.

»Du versäufst unser ganzes Geld, Langa. Was soll ich den Kindern zu essen geben, wenn wir kein Geld haben? Ist dir das alles egal?« Dabei hatte sie ihn aus weinerlichen Kuhaugen angesehen. Umringt von schreienden Kindern. Seine Frau sollte sich nicht ständig beschweren, schließlich gab es keinen im Viertel, der einen so guten Job hatte wie er. Sogar ein Dixieklo hatte er ihr besorgt. Was für ein Luxus. Natürlich hatte er ihr nicht erzählt, wie viel er verdiente, damit er Geld für sich behalten konnte. Wer weiß, vielleicht war es irgendwann genug, um sich aus dem Staub zu machen.

Sie konnte froh sein, dass er überhaupt etwas mit nach Hause zu diesen Blagen brachte. Und ständig wurden es mehr. Konnte sie nicht aufpassen? Jetzt blähte sie sich schon wieder auf. Dick und träge hing sie nur noch rum. Wollte sich nicht mehr von ihm anfassen lassen. Aber reden, das konnte sie immer. Dabei wollte er nur seine Ruhe haben. Nein, er brauchte heute Abend sein Maisbier. Damit war es leichter, hinterher zu Hause ihr Gerede einfach auszublenden.

 

Er ging zu der Shebeen, die erst vor ein paar Monaten geöffnet hatte und ganz anständiges Bier braute. Die Kneipe war in einem alten Stahlcontainer untergebracht, der bunt mit allen möglichen Symbolen bemalt war. Groß neben der Tür prangte ein Schild aus grauer Pappe.

»Dangerous Fighter, come in and make my day.« Darunter war ein grinsender Totenkopf gezeichnet.

Dieses Schild bezog sich auf eine der gegnerischen Gangs, die im Nachbarviertel ihr Hauptquartier hatte. War wohl besser für die Typen, sich hier nicht blicken zu lassen, dachte Langa, bevor er sich einen Weg in die Kneipe, vorbei an den alten Männern, die mit ihren Bierflaschen auf ein paar Plastikstühlen saßen, bahnte. Die Hitze in dem Container sprang ihn an wie ein hungriger Löwe. Ein Rinnsal von Schweiß floss ihm zwischen den Schulterblättern hinab. Sein Hemd klebte am Rücken. Verdammt, das Hemd. Er hatte vergessen, die Werksuniform auszuziehen. Jetzt saß er hier mit dem Firmenlogo auf der Brust. Dabei hatte er es im Viertel nicht breittreten wollen, dass er für die Franzmänner arbeitete. Nicht, dass am Ende alle ankamen und ihn um Geld anbettelten. Sollte er lieber verschwinden? Langsam schob er sich in Richtung Eingang, da kam der Betreiber der Kneipe auf ihn zu.

»Ahoy. Willst du ein Bier? Oder hier nur dumm rumstehen?«

Er nickte stumm und lehnte sich an den Tresen, der aus aufgestapelten Bierkästen mit einer einfachen Holzplatte als Abschluss bestand. Wenn er sich mit dem Bier dahinten in die Ecke verkrümelte, würde er bei dem Publikum nicht weiter auffallen. Die meisten waren eh betrunken und beachteten ihn nicht. Nur vor den Jungs dahinten sollte er sich in Acht nehmen. Die waren sicher der Grund für das Schild da draußen: Sie gehörten eindeutig zu den »Heavy Guys«, der Gang, die diese Gegend hier beherrschte. Langa konnte sich nur zu gut vorstellen, was passieren würde, wenn ein Mitglied der »Dangerous Fighters« sich in diesen Glutofen verirrte.

Ein lautes »Klack« holte ihn aus seinen Gedanken. Vor ihm stand ein frisches Maisbier. Er wollte schon danach greifen, als der Wirt eine Hand ausstreckte.

»Way! Erst zahlen, vorher gibt es nichts!« Die Stimme des Wirtes war hell, schnitt wie Stahl durch das Gemurmel der anderen Gäste. Die Gangster am Tisch in der Ecke blickten auf.

Langa griff in seine Tasche und fingerte einen Zwanzig-Rand-Schein heraus. Gierig streckte sich die Hand nach dem Schein.

»He, ich bekomme noch etwas wieder!«

»Sieh es als Anzahlung für das zweite Bier. Du siehst nicht so aus, als ob ein Bier dir heute Abend reichen würde.«

Die dunklen Augen des Wirtes musterten Langa scharf. Eine Hand verschwand unter dem Tresen. Lag dort seine Waffe? Langa schluckte. Mit dem sollte er besser keinen Streit anfangen. Leise vor sich hin murrend, verzog er sich.

09.01.2015 – 21:11, Khayelitsha Township, Kapstadt

»Ahoy, sisi. Willst du mir den Abend versüßen?«

Zanele schaute erschreckt zu dem Typen, der rechts neben dem Eingang saß und »Dagga« rauchte. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und klopfte mit der rechten Hand auf den Plastikstuhl neben sich. Dachte er ernsthaft, sie würde sich zu ihm setzen? Seine Haare waren kurz geschoren, unter dem rechten Auge war eine Träne eintätowiert. Selbst Zanele wusste, was das bedeutete. Er hatte mindestens einen Mord begangen. Wo war nur …?

»Fokof, Philani. Das ist meine Schwester, die du da anbaggerst«, erklang da zum Glück die Stimme ihres Bruders, der hinter der Theke Gläser abwusch, aber das Geschehen in seiner Bar ständig beobachtete.

»Schon gut, Broe. Das wusste ich nicht. Das ist die kleine Zanele? Mann, bist du groß geworden!« Träne zuckte mit den Schultern und verzog sich zu den anderen Typen der Gang an den einzigen Tisch rechts hinten im Raum. Zanele huschte durch die Shebeen zu ihrem Bruder Sifiso, der sie wütend anstarrte.

»Zanele, was suchst du hier? Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst nach Sonnenuntergang nicht mehr auf die Straße! Weißt du nicht, was dir passiert, wenn dich einer von den ›Dangerous Fightern‹ in die Finger kriegt? Nur um mir eins auszuwischen, werden sie dich vergewaltigen oder Schlimmeres!«

»Entschuldige, ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte.« Zanele fing an zu schluchzen. Sofort änderte sich Sifisos Stimmung.

»Sustertjie, Schwesterchen, was ist los? Ist etwas passiert?«

»Das Baby, es ist …« Der Rest ging in Zaneles Weinen unter. Sithimbiso hatte sie »Sustertjie« genannt. Wenn etwas mit dem Baby passieren würde, es war doch alles, was …

»Ganz ruhig. Noch mal von vorne. Was ist mit dem Baby?« Sifiso nahm Zaneles Hand und drückte sie beruhigend.

»Es ist ganz heiß und hat Durchfall. Und seit einer Stunde schreit es nicht einmal mehr, es wimmert nur noch.«

»Habt ihr Tannie Lindiwe gerufen?«

Ein tiefer Schluchzer.

»Ja, haben wir. Aber Tannie sagt, sie könne nichts tun, nur beten.«

»Wir müssen in die Klinik.« Sifiso trocknete sich die Hände ab und schaute zu dem Tisch mit Träne und den anderen.

»Mhambi, komm mal her!« Sofort sprang ein Teenager mit pickligem Gesicht und kurzen Rastalocken auf.

»Sifiso, was soll ich tun?«

»Kümmer dich um die Bar, während ich weg bin.«

»Alles klar, Mann. Kannst dich auf mich verlassen.« Der Junge nahm brav das Geschirrtuch von Sifiso wie einen Staffelstab entgegen und schob sich hinter den Tresen.

Sifiso deutete Zanele an, kurz auf ihn zu warten, und ging hinüber zu dem Kerl mit der Träne.

»Broe, ich muss noch mal kurz los. Familiensache. Kann ich dein Auto haben?«

»Steht direkt vor der Tür. Nimm ihn.« Träne wendete sich an einen bulligen Typen mit einer schlecht verheilten Panga-Narbe am Hals.

»Akani, du hast es gehört. Wir brauchen einen anderen Wagen für den Job nachher. Besorg uns einen neuen.« Der Narbige erhob sich und verließ die Shebeen.

Sifiso ging zurück zu seiner Schwester, legte den Arm um sie und schob sie aus der Kneipe.

Vor der Tür stand ein weißer Toyota. Sifiso deutete auf den Wagen.

»Steig ein. Ich bringe euch in die Klinik. Ich kann nicht versprechen, dass ich die ganze Zeit bei euch bleibe. Aber ihr lauft nicht von der Klinik zurück, sondern wartet, bis ich euch wieder abhole, verstanden?«

Zanele nickte stumm. Langsam schöpfte sie wieder Hoffnung. Ihr großer Bruder wusste, was jetzt zu tun war. Es würde alles wieder gut werden.

Eine halbe Stunde später betraten sie zusammen mit Zaneles Schwägerin und dem Baby die Klinik. Auf den Gängen warteten Menschen, teilweise lagen sie auf einfachen Matratzen, andere konnten sich nur mühsam auf den Beinen halten. Der Geruch von Seife konnte den säuerlichen Gestank von Fäulnis und Erbrochenem nicht vollständig überdecken. Zaneles Zuversicht schwand, sie würden bestimmt nicht rechtzeitig einen Arzt sehen. Der Junge hing als kleines lebloses Bündel im Arm der Schwägerin.

Sifiso sah sich um. Im Gang erschien eine pummelige, noch junge Krankenschwester, die scheinbar den Nächsten in der Schlange suchte.

»Ahoy, Sisi.« Die Krankenschwester schaute ihn mit vor Schreck geweiteten Augen an.

»Meinst du, dass der Doktor Zeit für mich und meine Familie hat?«, fragte er ruhig. Als Antwort nickte sie nur stumm und winkte Sifiso zu sich.

Zanele bemerkte, wie sich Unruhe unter den Wartenden ausbreitete, als sie an der Schlange vorbeischritten. Aber keiner sagte etwas, sondern ließen sie passieren. Tannie Lindiwe würde jetzt wahrscheinlich sagen: »Siehst du, mein Kind. Alle im Viertel haben Angst vor deinem Bruder. Was glaubst du, warum das so ist?«

Aber das war Zanele jetzt egal. Nein, im Gegenteil: Durch die Angst der anderen war Sifiso der Einzige, der das Baby retten konnte.

10.01.2015 – 08:11, Direktorat für Kapitalverbrechen SAPS, Kapstadt

»Der Typ verwendet ein Kaliber, bei dem es nicht sicher ist, dass das Opfer sofort tot ist?« Nick grübelte. »Weißt du, was ich denke?«

»Noch nicht. Ich habe es aufgegeben zu versuchen, deine Gedankengänge zu erahnen«, brummte Strauss.

»Der Täter ist überzeugt, dass er sein Opfer mit einem Schuss tötet. Ich glaube nicht, dass er ein Risiko eingehen würde. Er arbeitet präzise. Wie die Schnitte, mit denen er die Schulter abgeteilt hat. Was sagte Thomas? Wenig Zerstörung? Darum geht es wahrscheinlich. Er will sichergehen, dass der Körper intakt bleibt, weil er Teile benötigt.«

Pieter stöhnte.

»Sind wir wieder beim Muti? Hier möchte keiner, dass wir die Occult Crime Unit involvieren. Die Kerle sind mindestens so verrückt wie die Typen, die sie verfolgen.«

»Ich weiß es nicht. Gibt es denn Muti-Fälle, wo einem Opfer die Schulter entfernt wurde?«

Kolisi mischte sich ein.

»Meine Erfahrung ist, dass sie für Zaubermedizin andere Körperteile verwenden: Hände, Genitalien oder Teile des Kopfes. Alles Dinge, die einen Menschen ausmachen. Was ist an einer Schulter besonders?«

Nick überlegte, da war etwas … Bevor er den Gedanken zu Ende denken konnte, meldete sich Unathi Zama.

»Kann es sein, dass wir es mit einem Fall wie 2010 zu tun haben? Der Flitterwochen-Mord?«

»Du meinst den Fall, als der indische Ehemann seine Frau von zwei Typen aus den Townships ermorden ließ? Wie kommst du darauf, dass wir eine Ähnlichkeit haben?« Pieter blickte skeptisch.

Zama blätterte durch seine Aufzeichnungen, deren Erstellung Nick so viele Nerven gekostet hatte.

»Der Ehemann ist dominant, richtig? Er hat nicht viel mit seiner Frau gemeinsam. Daher fliegt er mit ihr nach Südafrika, wo es leicht ist, einen Mord billig in Auftrag zu geben. Und ein paar Tage später ist er die Frau los.«

Nick schüttelte den Kopf.

»Mal der Reihe nach. Wie kommst du auf die Idee, dass die beiden nicht viel gemeinsam haben?«

»Die Pinguine, er hat doch zugegeben, dass sie ihn nicht interessieren«, kam es zurück.

Bheka Dube schlug sich vor die Stirn.

»Was bist du für ein Idiot, Zama. Glaubst du etwa, ich interessiere mich für Pinguine? Das heißt aber nicht, dass ich meine Frau umbringen lasse.«

Zama ließ sich von dem Einwand nicht abbringen, sondern fuhr stoisch fort.

»Er hat sich verraten. Erst erzählt er, er hätte niemanden getroffen. Aber was war mit dem schwarzen Typen am Strand, mit dem Fernglas? Der hat bestimmt die Lage ausgespäht.«

Strauss sah seinen Sergeanten sprachlos an. So langsam zweifelte er, dass der Profilerkurs das Richtige für ihn gewesen war. Jetzt ging eindeutig die Fantasie mit ihm durch. Er setzte an, um Unathi Zama auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, aber Nick war schneller.

»Sergeant Zama, Sie haben recht, um die Ehe der beiden stand es sicher nicht gut. Ich würde auch sagen, dass der Ehemann dominant in der Beziehung war. Er zeigt das typische narzisstische Verhalten eines Menschen mit Kontrollzwang.« Zama schaute Dube triumphierend an. Die nächsten Sätze des Italieners ließen ihn mit einem Knall aus seinen Höhenflügen wieder auf den Boden zurückstürzen.

»Der Typ mit dem Fernglas. Erklären Sie mir, warum der sich so auffällig verhalten sollte, dass ihn die Ehefrau am Strand anspricht. Ein Killer hält sich im Hintergrund. Er will nicht auffallen. Oder meinen Sie, dass die beiden Männer während der Begegnung am Strand das Geschäft zur Tötung der Ehefrau abgeschlossen haben? Warum stößt uns der Ehemann auf die Tatsache, dass er einen Mann am Strand getroffen hat? Bei dem Flitterwochen-Mord gab es, wenn ich mich richtig erinnere, eine viel längere Interaktion zwischen dem Mörder, seinem Auftraggeber und dem späteren Opfer. Er war der Fahrer des Paares während ihres Aufenthaltes in Kapstadt. Sollte Ihre Theorie stimmen, müssten wir nach einer anderen Person suchen, die einen länger dauernden Kontakt mit dem Ehepaar in Südafrika hatte. Oder wir müssen dem Ehemann nachweisen, dass er schon in Schottland den Mord beauftragt hat. Was meinen Sie?«

Zama schaute verunsichert zu seinem Captain, der sich durch die Haare fuhr und dann Nicks Worten Nachdruck verlieh. »Unathi, Nick hat recht. Ich halte es auch für unwahrscheinlich, dass der Typ am Strand ein gedungener Killer sein soll. Nach der Beschreibung tippe ich auf einen Shark Spotter. Davon gibt es an den Stränden von False Bay wegen der Haie so einige.« Bheka Dube fing an zu lachen.

Pieter schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Bheka, da du die Angelegenheit so lustig findest: Es gibt durchaus Punkte in Unathis Ausführungen, die wir überprüfen sollten. Ich möchte, dass du diesen Shark Spotter ausfindig machst, dem die beiden begegnet sind. Unathi: Du kontrollierst bitte die Kameraaufnahmen vom Flughafen. Wir müssen sicher sein, dass es wirklich keine weiteren Kontakte des Ehemannes nach der Ankunft in Kapstadt gab. Am besten, ihr zieht gleich los.« Die beiden Sergeanten verließen den Raum.

Pieter schaute zu seinen beiden Warrant Officers. Es ärgerte ihn, dass sie nicht weiterkamen.

»Haben Sie schon etwas zu der verwendeten Kugel herausgefunden?«, wandte er sich an Kolisi.

»Ja, es ist eine Sellier & Bellot. Die Firma sitzt in Tschechien und ist über 300 Jahre alt. Ich habe den Kontakt aufgenommen und hoffe, dass sie mir helfen, die Kugel zu identifizieren. Ich vermute, dass es eine Patrone aus dem aktuellen Katalog ist. Zumindest sieht es für mich so aus.«

»Wo kann man sie am Kap erwerben?«

»Es gibt einen Verkäufer in Kapstadt. Seine genaue Adresse taucht im Internet nicht auf. Wahrscheinlich eine Vorsichtsmaßnahme.«

»Fok«, unterbrach sie Pieter.

»Nicht so schnell, Captain! Ich habe sie in unserer Polizei-Datenbank gefunden«, fuhr Kolisi fort. »Der Shop liegt in Ottery. Ich wollte gerade Sergeant Dube dorthin schicken …« Sie ließ den Satz unvollendet.

»Ottery? Das Industriegebiet? Dann vermutlich in der Bamboesvlei Road, richtig? Nicht die beste Gegend mit den Townships in der unmittelbaren Nachbarschaft.« Pieter grübelte. »Ich brauche dringend einen anständigen Kaffee. Wenn ich heute Morgen noch einen Kaffee aus diesem Automaten trinke, brennt mein Magen vermutlich durch. Mein Vorschlag wäre, wir fahren zu dem Waffenhöker, schauen uns dort um und danach stoppen wir in meinem Lieblings-Café. Ich schätze, wir können in einer halben Stunde in Ottery sein.« Er stand auf.

Nick räusperte sich.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739419626
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Juni)
Schlagworte
Südafrika Thriller Rugby Kommissar sportlich Mord Südafrikanisch Krimi Kapstadt Regionalthriller Aberglaube Ermittler Townships Afrikanische Krimis Thriller Spannung Noir

Autor

  • Joyce Summer (Autor:in)

Joyce Summer lebt ihren Traum mit Krimis, die in sonnigen Urlaubsorten spielen. Politik und Intrigen kennt sie nach jahrelanger Arbeit als Projektmanagerin in verschiedenen Banken und Großkonzernen zur Genüge: Es fiel Joyce Summer nicht schwer, dieses Leben hinter sich zu lassen und mit Papier und Feder auf Mörderjagd zu gehen. Die Fälle der Hamburgerin spielen nicht im kühlen Norden, sondern in warmen und speziell ausgesuchten Urlaubsregionen, die die Autorin durch lange Aufenthalte gut kennt.
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Titel: Tod am Kap