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Mord auf der Levada

Ein Madeirakrimi

von Joyce Summer (Autor:in)
320 Seiten
Reihe: Mord im Gepäck, Band 1

Zusammenfassung

BLUTIGER MORD AUF DER BLUMENINSEL Eigentlich wollten die Hamburger Café-Besitzerin Pauline und ihr Mann Ben nur einen erholsamen Schnorchel-Urlaub auf Madeira verbringen. Aber kurz nach ihrer Ankunft stolpert Pauline bei ihrer morgendlichen Joggingrunde über die von Hortensienblüten bedeckte Leiche des Hoteliers Lucca DeFreitas, mit dem sie am Tag zuvor noch geschäftliche Kontakte geknüpft hatte. Und plötzlich sind sie und Ben Verdächtige in einem Mordfall! Unter den misstrauischen Augen des einheimischem Comissário Avila stellt Pauline auf eigene Faust Nachforschungen an, die sie tief in die Vergangenheit der Insel führen. Was haben ein Flugzeugabsturz in den Siebzigerjahren und der plötzliche Tod des letzten Habsburger Kaisers mit dem Toten auf der Levada zu tun? Auf der Suche nach Antworten gerät Pauline selbst in Gefahr … Der erste Portugal Krimi, der auf Madeira spielt. Für alle Freunde der "Perle im Atlantik", zum Träumen, Reise planen und Mitfiebern.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Zu diesem Buch:

Eigentlich wollten die Hamburger Café-Besitzerin Pauline und ihr Mann Ben nur einen erholsamen Schnorchel-Urlaub auf Madeira verbringen. Aber kurz nach ihrer Ankunft stolpert Pauline bei ihrer morgendlichen Joggingrunde über die von Hortensienblüten bedeckte Leiche des Hoteliers Lucca DeFreitas, mit dem sie am Tag zuvor noch geschäftliche Kontakte geknüpft hatte. Und plötzlich sind sie und Ben Verdächtige in einem Mordfall!

Unter den misstrauischen Augen des einheimischen Comissário Avila stellt Pauline auf eigene Faust Nachforschungen an, die sie tief in die Vergangenheit der Insel führen. Was haben ein Flugzeugabsturz in den Siebzigerjahren und der plötzliche Tod des letzten Habsburger Kaisers mit dem Toten auf der Levada zu tun? Auf der Suche nach Antworten gerät Pauline selbst in Gefahr …

 

Über die Autorin:

Joyce Summer lebt ihren Traum mit Krimis, die in sonnigen Urlaubsorten spielen. Politik und Intrigen kennt sie nach jahrelanger Arbeit als Projektmanagerin in verschiedenen Banken und Großkonzernen zur Genüge: Da fiel es Joyce Summer nicht schwer, dieses Leben hinter sich zu lassen und mit Papier und Feder auf Mörderjagd zu gehen.

Die Fälle der Hamburger Autorin spielen dabei nicht im kühlen Norden, sondern in warmen und speziell ausgesuchten Urlaubsregionen, die die Autorin durch lange Aufenthalte gut kennt. Die Nähe zu Wasser hat es Joyce Summer angetan. Sei es in ihren Büchern, die immer Schauplätze am Wasser haben, oder im echten Leben beim Kajakfahren auf Alster und Elbe.

Vorwort zur dritten überarbeiteten Auflage

Als ich 2013 begann, dieses Buch zu schreiben, hätte ich nicht gedacht, dass dies der Anfang eines neuen Lebens als Schriftstellerin für mich bedeuten würde.

Mittlerweile ist Pauline mit mir über die Jahre etwas reifer geworden und muss nicht mehr in all meinen Krimis die Hauptrolle spielen. Aber ich bin ihr immer noch dankbar, dass sie damals bei mir angeklopft hat und mit mir diesen ersten Krimi erschaffen hat. Seitdem ist viel geschehen. Neue Krimis, auch an anderen Orten, sind gefolgt und meine Liebe und Verbundenheit zu Madeira ist sogar noch gewachsen. Wen wundert es also, dass es nun eine ganze Madeira-Krimiserie gibt. Allerdings spielt dort nicht Pauline die Hauptrolle, sondern Comissário Avila und seine Männer. Das passiert, wenn man sich als Autor in Nebenfiguren verliebt. Sie entwickeln dann ein Eigenleben und wünschen sich mehr Beachtung. 

Aber sehen Sie nun selbst, wie alles begann und lernen Sie mit Pauline zusammen die Insel des ewigen Frühlings und Comissário Avila kennen  

Schauplätze von „Mord auf der Levada“

 

 

Portugiesische Begriffe, Speisen und Getränke

Hier ein kleiner Überblick der im Buch vorkommenden Begriffe, Speisen und Getränke:

A conta, se faz favor – Portugiesisch für „Die Rechnung bitte“.

Aguardente – Portugiesischer Zuckerrohrschnaps

Assembleia Municipal – kommunales Parlament

Azulejos – meist quadratische bemalte und glasifizierte Keramikfliesen

Bacalhau – Stockfisch, wird gerne als Ofengericht mit Kartoffeln und Rahmsoße zubereitet.

bisavó – Portugiesisch für „Urgroßmutter“.

Bolo do Caco – rundes, flaches Weißbrot, wird gerne warm mit Knoblauchbutter serviert.

Bual – etwas weniger süße Variante des Madeiraweines, auch als Dessertwein geeignet.

Caminho de Ferro – alte Eisenbahn auf Madeira bis 1949 (fuhr unter anderem von Funchal nach Monte).

Caravelle – zweistrahliges Flugzeug

Castanhétas – sardellenartige kleine Fische, werden gebraten und in Knoblauchöl angerichtet.

Coral – portugiesisches Bier

Cornetto com queijo – portugiesisches Croissant mit Käse

Desaperecido – Portugiesisch für „Vermisst“.

Espada preta – schwarzer Degenfisch, wird gerne als Filet mit Banane serviert.

Espetada de Luoro – Rindfleisch in Stücken, traditionell auf einem Lorbeerspieß über offenem Feuer gegrillt.

Jardim Botanico do Monte – Botanischer Garten von Monte

Lapas – Napfschnecken, die mit Olivenöl, Knoblauch und Zitronensaft gebraten werden.

Levada – künstliche Wasserläufe auf Madeira, um das Wasser vom niederschlagsreichen Norden in den Süden zu leiten

Malmsey/Malwasia – süße Variante des Madeiraweines, der klassische Dessertwein.

milho frito – frittierte Maiswürfel, klassische Beilage auf Madeira.

Municipio do Funchal – Gemeindebezirk von Funchal

para levar – Portugiesisch für „Zum Mitnehmen“.

Parque Ecológico do Funchal – Naturschutzgebiet zwischen Monte, Pico de Arieiro, dem Poiso-Pass und Camacha, ca. 1000 Hektar 

Polícia Judiciária – Portugiesisch für Kriminalpolizei

Poncha – Getränk aus Zuckerrohrschnaps, Zitronensaft und warmem Honig

Posso ajuda-lo – Portugiesisch für „Kann ich Ihnen helfen?“

Presidente da câmara – Oberbürgermeister

Segurança Pública – Schutzpolizei

Sercial – trockene Variante des Madeiraweines mit ausgeprägter Säure, als Aperitif geeignet.

Tosta Mista (com queijo/com fiambre) – überbackener Toast mit Käse und Schinken, bzw. nur mit Käse oder Schinken gefüllt, es gibt viele unterschiedliche Varianten.

Tremoços – salzig eingelegte Lupinenkerne, werden als Knabberei etwa zu Bier serviert.

Verdejo – halb trockene Variante des Madeiraweines mit zart bitterem Nachgeschmack, als Aperitif geeignet.

Prolog

Er sah hinab in die Schwärze. Die Insel, die sein Schicksal bestimmt hatte wie kein anderer Ort auf der Welt, war irgendwo da unten.

War es die richtige Entscheidung, nach so langer Zeit zurückzukommen? Er wusste nicht, was ihn nach all diesen Jahren erwarten würde. Seine Weggefährten von damals waren alt wie er und bereiteten sich auf ihre letzten Jahre vor. Er wusste, dass sie ihn nicht mit offenen Armen empfangen würden, dafür war zu viel geschehen. Über seinem scheinbar ausgefüllten Leben in Genf hatte immer der Beigeschmack seiner Schuld geschwebt. Das sollte jetzt ein Ende haben, er wollte reinen Tisch machen. Er erwartete keine Vergebung, Geld würde die Vergangenheit nicht auslöschen.

Als Erstes würde er sich mit ihr treffen. Würde sie Verständnis für ihn haben? Sein Verrat an ihr war besonders schlimm gewesen. Er erinnerte sich an ihr sanftes Gesicht und wie es sich veränderte, wenn ein Lächeln darüberhuschte.

Das Flugzeug ging in den Sinkflug. Er spürte ein leichtes Rucken in seinem Körper, als das Fahrwerk mit einem metallischen Klacken für die Landung ausgefahren wurde. Es erschienen die ersten vereinzelten Lichter unter ihnen. Die kleine Maschine hatte mit dem Wind zu kämpfen und schwang hin und her, sodass seine Sitznachbarin kurz an ihn gepresst wurde.

»Excusez-moi.« Sie lächelte ihn schüchtern an, wandte sich dann wieder ihrem Mann zu, der auf der anderen Seite neben ihr saß. Die beiden waren ihm schon beim Einsteigen aufgefallen. Sie waren offensichtlich sehr verliebt und womöglich frisch verheiratet. Zumindest spielte sie die meiste Zeit mit einem goldenen, glänzenden Ring an ihrem Finger, ein fast untrügliches Zeichen. Dieses Gefühl musste schön sein. Wie gerne hätte er das mit Mimi geteilt.

Wieder ein starkes Ruckeln. Die junge Französin neben ihm stöhnte leise auf.

Er drehte sich zu ihr: »Machen Sie sich keine Sorgen, Madame. Ich bin mir sicher, wir werden bald in Funchal landen. Dort unten kann man schon vereinzelt Lichter erkennen.«

»Es ist nur so, ich mache mir etwas Sorgen, nachdem wir diesen Defekt hatten in der, wie sagt man noch, Hydraulikpumpe?« Ihre Stimme zitterte leicht.

Aus diesem Grund waren sie mit einiger Verspätung in Genf losgeflogen und in diesen Sturm geraten. Um seine junge Sitznachbarin zu beruhigen, sagte er: »Ich bin mir sicher, dass unser Pilot sehr erfahren ist. Sehen Sie es doch so, er hat den Defekt rechtzeitig erkannt und es reparieren lassen. Wie wahrscheinlich ist es, dass jetzt noch etwas passiert?«

»Siehst du, mon coeur. Kein Grund zur Sorge. Der Herr hier ist der gleichen Meinung wie ich«, schaltete sich der Ehemann ein.

 

Er schaute wieder aus dem Fenster, um den Anblick von Funchal mit dem Hafen und den Lichtern, der um diese Zeit zum Fischen ausfahrenden Boote, genießen zu können. Aber sie mussten wohl vom Nordosten einfliegen, er konnte unter sich nicht viel erkennen.

Seine Anspannung wuchs. Er wusste, dass auch hier die Zeit nicht stehen geblieben war und diese Insel wenig mit der Insel zu tun hatte, die er vor über 50 Jahren verlassen hatte. Einen Flughafen hatte es in der Zeit nicht gegeben, und der einzige Weg zu der Insel war eine mehrtägige Seereise von Europa aus gewesen. Heute kaum mehr vorstellbar. Er erinnerte sich noch an die Überfahrt. Sie waren über die Donau ins Schwarze Meer gelangt. Es war schon November gewesen, und die Fahrt vom Schwarzen Meer mit der britischen Cardiff über das Mittelmeer war das erste einschneidende Erlebnis für die kleine Reisegesellschaft. Das alles hatte sie aber nicht auf die Herbststürme im Atlantik vorbereitet. Für die meisten von ihnen wurde die Überfahrt von Gibraltar zu einem Albtraum. Verstärkt noch dadurch, dass sie nicht wussten, wo das eigentliche Ziel ihrer Reise lag.

Er hatte sich beim Blick über das weite Graublau des Meeres furchtbar verloren gefühlt. Aufgewachsen in den Bergen, war er solche Weiten der scheinbaren Leere nicht gewöhnt. Seine Seele war immer zur Ruhe gekommen, wenn er früh morgens in die Berge gegangen war und nach dem Aufstieg vom Gipfel hinunter ins Tal schauen konnte. Aber die Wellenberge, die sich teilweise meterhoch über dem Schiff auftürmten, machten ihm Angst. Auf dem Schiff hatten die meisten Frauen ihre Kabinen seit Tagen nicht mehr verlassen. Man konnte sich nicht an Bord bewegen, ohne von einer Seite auf die andere geworfen zu werden. In den Aufenthaltsräumen waren die leichten Tische und Stühle, die nicht fest mit dem Boden verankert waren, festgebunden worden, damit sie nicht umherflogen. Oft  stahl er sich morgens früh raus auf das Deck, auch wenn die Crew allen verboten hatte, nach draußen zu gehen. Aber weiter unten im Schiffsrumpf, wo das Personal untergebracht war, war die stickige Enge nicht auszuhalten.

Mehrfach hatte er gedacht, dass sie auf dem Atlantik umkommen würden, und hatte es kaum fassen können, als die ersten Möwen die Nähe von Land ankündigten. Als sie dann im Hafen von Funchal anlandeten, waren alle Ängste der letzten zwei Wochen vergessen.

Funchal lag mit seinen weißen Häusern und der ausgedehnten Kaianlage vor ihnen. Darüber hob sich die Insel mit ihren von Bäumen bedeckten Bergen. Diese waren umgeben von einem leichten Nebel, wie er es auch aus den Alpen kannte. Im Hafenbecken herrschte geschäftiges Treiben. Mehrere Dampfschiffe hatten außerhalb Anker geworfen. Dazwischen tanzten einige Segeljachten und Fischerboote auf den Wellen.

Als ihr Schiff den Anker warf, kamen Hunderte von kleinen Ruderbooten auf sie zu, um die Neuankömmlinge zu empfangen. Auf manchen Booten waren Jungen, die nach Münzen tauchten, die die Passagiere von Bord warfen. Dieses fröhliche und aufregende Bild machte bei ihm schnell einer Beklommenheit Platz. Er sah, wie dünn und schlecht ernährt viele dieser Kinder waren. Sie mochten zum Großteil unter zehn Jahre alt sein, und es erschütterte ihn, mit welcher Verbissenheit sie den Münzen im Hafenbecken hinterhertauchten. Andere Boote waren beladen mit Spitzendecken, kleinen Korbmöbeln wie Hockern oder Stühlen, Blumen, Papageien und Korallen, um sie an die reichen Touristen zu verkaufen. Die Preise waren im Vergleich zu Wien geradezu lächerlich, dennoch schienen die Einheimischen über ihre kleinen Geschäfte mehr als erfreut. Währenddessen wurden die Beiboote klar gemacht und warteten jetzt darauf, sie an Land zu bringen.

Von einem der Besatzungsmitglieder hatte er erfahren, dass Madeira »Holz« bedeutet, weil die ganze Insel, als die Portugiesen sie im 14. Jahrhundert für sich einnahmen, mit Wald bedeckt war. Auch jetzt waren die Hügel mit dem Grün der Bäume bezogen. Als sie sich im Boot der Kaimauer näherten, wimmelte es vor Menschen. Die Touristen, leicht erkennbar an ihren hellen Kleidern und Anzügen, schritten gemächlich im Sonntagsstaat entlang des Piers. Zwischen ihnen boten bunt gekleidete Frauen, der Kopf mit einer seltsamen spitz zulaufenden roten Kappe bedeckt, Blumen in Körben an. Manche von ihnen balancierten die großen Körbe beim Gehen auf dem Kopf. Dies erinnerte ihn an Bilder von Frauen einiger Naturvölker in Afrika, die er in einer Buchhandlung in Wien gesehen hatte. Mitte November herrschte in Funchal noch immer ein warmes, frühlingshaftes Klima. Das war ganz anders als Wien. Europa mit seinen Kriegen war weit weg. Dies war eine neue, fast exotische Welt.

 

Er unterbrach seine Gedanken an die Vergangenheit und kehrte langsam in die Gegenwart zurück. Was passierte gerade? So langsam müssten jetzt die Positionslichter der Landebahn erscheinen. Oder flogen sie an der Insel vorbei? Der Sinkflug dauerte sehr lange. Er sah nur das Schwarz des Atlantiks unter sich. Als er sich im Halbdunklen der Maschine umsah, bemerkte er, dass nicht nur er beunruhigt war. Es wurde getuschelt und einige schauten krampfhaft aus dem Fenster, um etwas zu erkennen. Nervös fingerte er in seiner Brusttasche nach dem Zigarettenpäckchen. Er nahm eine heraus und steckte sie sich in den Mund.

In diesem Moment schlug das Flugzeug auf. Der Stoß kam völlig unvermittelt und er biss sich auf die Zunge. Er schmeckte den metallenen Geschmack von Blut im Mund. Um sich zu orientieren, schaute er aus dem Fenster. Draußen war nichts als Schwärze. Es brach Panik aus, alle schrien durcheinander. Bevor er noch fassen konnte, dass sie, anstatt auf der Landebahn, im Atlantik gelandet waren, strömte schon das kalte Wasser in die Kabine.

Das Wasser stieg unaufhörlich. Jetzt im Dezember war es eiskalt, sofort begann sein Körper zu zittern. Er versuchte verzweifelt, seinen Gurt zu lösen. Seine Hand bebte so stark, dass er nicht richtig zupacken konnte. Dieser verdammte Verschluss! Neben ihm zerrte das junge französische Ehepaar an seinem Gurt. Auch sie konnten ihn nicht lösen. Als würde es ihn nicht betreffen, dachte er nur daran, wie traurig es für die beiden war. In ihrer Verzweiflung klammerten sie sich aneinander. Ein Zittern ging durch die Maschine, gefolgt von der nächsten Erschütterung. Diese löste die beiden Sitze des Paares und sie schwammen, immer noch eng umschlungen, in den Fluten an ihm vorbei.

Er hörte die Menschen um sich herum verzweifelt schreien. Eine Stewardess bemühte sich, Passagiere aus ihren Sitzen zu befreien. Die Kabine füllte sich erbarmungslos mit Wasser. Er hielt die Luft an, als das Wasser seinen Mund erreichte. Es würde keine Rettung für ihn geben, wenn jetzt nicht noch ein Wunder geschah. Die Maschine seufzte und neigte sich auf die Seite. Gepäckstücke schwebten an ihm vorbei durch das Wasser. Es wirkte alles wie in Zeitlupe und vollkommen unwirklich. Er fasste an seine Brust. Durch den nassen Stoff im Beutel konnte er ihn fühlen. Der Inhalt des Beutels würde mit ihm untergehen und wäre dann für alle Zeit verloren. Er hatte sich schon vorgestellt, dass Mimi ihn in ihrem dunkelbraunen Haar in einem tiefen Knoten tragen würde. Erst jetzt merkte er, wie dumm er gewesen war. Sie müsste jetzt an die 70 Jahre alt sein, und ihr Haar würde mittlerweile grau sein.

Plötzlich sank das Flugzeug in einer Schnelligkeit, als wären sie in einem Fahrstuhl. Der Druck auf seine Ohren fühlte sich an, als wäre sein Kopf in einem Schraubstock. Schließlich konnte er sich nicht länger gegen den Atemreflex wehren. In Gedanken bei Mimi und ihrem hübschen Gesicht, öffnete er den Mund.

Das Salzige des Meeres vermischte sich in seinem Mund mit einem tranigen, leicht aschigen Geschmack. Ihm wurde klar, dass das der Treibstoff sein musste, der jetzt aus dem zerberstenden Flugzeug austrat. So schmeckt Kerosin, dachte er bei sich und wunderte sich über sich selber, dass ihn das in diesem Moment beschäftigte. Seltsamerweise erfasste ihn keine Panik. Er hatte das Gefühl, aus seinem Körper zu treten und von außen zu beobachten, wie er angekettet an seinen Sitz in die Tiefe sank. Eine wunderbare innere Ruhe überkam ihn. Etwas, was er in all den Jahren verloren hatte.

Er sah eine der Stewardessen neben sich, die versuchte, die Gurte weiterer Passagiere zu lösen. Fast hoffte er, dass sie es nicht bei ihm versuchen würde. Dieses nasse Grab war schöner, als in den nächsten Monaten von innen zerfressen zu werden. Er schloss die Augen und glitt in die Dunkelheit ab.

02.11.2011 16:41 – Hamburg

Das kleine Café in Winterhude war erfüllt von dem Krachen der Espressobohnen, die langsam zermahlen wurden, und dem Gemurmel der Gäste.

Pauline schaute sich um. Sie sah die kleinen blauen Tische mit den weißen Stühlen und den aus alten Kaffeesäcken genähten dicken Stuhlkissen. Sie hatte alles in Blau und Weiß gehalten. Selbst an den grauen Tagen des Hamburger Schmuddelwetters wirkte der Raum einladend hell und frisch. Das kleine Café hatte in einem der ehemaligen Wäscherinnen-Häuschen mit strahlend weißer Fassade und einem weiß gestrichenen Gartenzaun einen Platz gefunden, was den Urlaubseindruck noch verstärkte. Vor beinahe zwei Jahren hatte sie ihre gut bezahlte Stelle in einem großen Konzern aufgegeben und einen Großteil ihrer Ersparnisse in die Idee eines eigenen Cafés gesteckt. Viele alte Kollegen und auch Freunde hatten sie für verrückt gehalten. Aber sie war zu diesem Zeitpunkt ausgebrannt gewesen. Diese ständigen politischen Spielchen im Management lagen ihr einfach nicht. Ihr war Ehrlichkeit im Umgang miteinander wichtig. Genau das war in ihrer alten Firma nicht gewünscht gewesen. So war schnell klar, dass sie für die große Karriere in diesem Unternehmen nicht geschaffen war. Menschen, die wie sie offen ihre Meinung sagten, waren dort nicht willkommen. Umso mehr genoss sie es jetzt, ihr eigener Herr zu sein. Sie machte sich nichts vor und erwartete nicht, durch dieses Café weiter ein Leben in Wohlstand führen zu können. Der Anfang war schwer gewesen. Sie hatte beinahe rund um die Uhr gearbeitet, aber die Gewissheit, dass sie es für sich machte, hatte ihr geholfen. So hatte sie nach und nach ihre innere Ruhe wiedergewonnen, die sie über die Jahre, fremdbestimmt von sinnlosen, äußeren Zwängen, verloren hatte. Jetzt genoss sie es in den ruhigen Momenten, in denen sie nicht hinter dem Tresen stand, die ein- und ausgehenden Menschen zu beobachten. Denn seit einem knappen Jahr lief der Laden so gut, dass sie sich einen Vollzeitbarista leisten konnte.

Ein Duft von Nugat mit fruchtigen Noten von Erdbeere und Papaya lag in der Luft. Tomaz hatte sich erst geweigert, einen hellen Espresso für den Galao zu verwenden. Schließlich hatte ihr Barista grummelnd nachgegeben, nachdem er das aus der geöffneten Packung strömende Aroma gerochen hatte. Pauline liebte Experimente, und sie wollte ihren Gästen beim Kaffee unterschiedlichste Geschmackserlebnisse bieten. Dafür besuchte sie regelmäßig die kleine Rösterei in Rothenburgsort, einem Vorort von Hamburg, um immer wieder neue Espressosorten zu entdecken. Diesmal hatte sie einen hellen Espressoblend gekauft und war gespannt, wie er sich als ein doppelter Espresso im Galao machte.

»Nein, in dem Fall sagt man: obrigado!«

Tomaz erläuterte Pauline jetzt zum dritten Mal, wie es sich verhielt. Sie war verwirrt, dabei hatte sie gedacht, es könne so einfach sein. Als Vorbereitung für die zweite Reise nach Madeira hatte sie ein paar simple Floskeln lernen wollen. Und wer war dafür geeigneter als der Barista ihres Cafés, der zufällig aus Porto stammte?

Schließlich hatte sie, nach Aussage ihres Mannes Ben, mit ihrer Sucht auf Galao den größten Teil der Einrichtung ihres kleinen Cafés selbst finanziert. Da sollte es kein Problem sein, dass Tomaz ihr zwischendurch ein bisschen Portugiesischunterricht gab. Der Portugiese fuhr sich durch seine kurzen, an den Schläfen stellenweise angegrauten schwarzen Haare, und guckte sie aus seinen braunen Augen leicht genervt an. Wieso eigentlich genervt? Sie war die Chefin, da könnte er sich ruhig zusammenreißen. Aber besser jetzt keine Diskussion vom Zaun brechen, letztendlich wollte sie, dass er die nächsten 14 Tage den Laden hier alleine schmiss. Und sie könnte in Ruhe auf Madeira in der Sonne liegen, schnorcheln oder auf den Levadas durch die Berge wandern, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass zu Hause eine Katastrophe passiert.

Also, wie war das? »Wenn ich mich bei dir bedanke, sage ich obrigada, weil ich eine Frau bin? Oder sage ich obrigado, weil ich dich anspreche und du ein Mann bist?«

Sie saß auf dem Barhocker und hörte dem Zischen der Milch zu, die Tomaz gerade für ihren Galao wärmte. Wie immer machte er es perfekt. Keine großen Blasen, und der Schaum behielt seine cremige Konsistenz. Bei ihr im Café gab es keinen Bauschaum. Wer wollte da noch in einen der vielen Coffeeshops, in denen die Milch immer wieder aufgeschäumt und aus großen Milchkannen in die Kaffeebecher der Kunden geschaufelt wurde. Was hatte das mit Kaffeegenuss und Kaffeekultur zu tun? Dies war auch der Grund, dass Pauline auf ihrer Karte ausdrücklich Galao geschrieben hatte, um sich von der Latte-macchiato-Fraktion dieser Shops deutlich abzusetzen. Latte macchiato hatte vor 15 Jahren noch einen besonderen Klang gehabt, mittlerweile vermittelte er, ähnlich wie Caipirinha, mehr ein Bild der Spießigkeit. Und was war passender bei einem portugiesischstämmigen Barista als Galao anzubieten?

Vielleicht sollten Ben und ich uns darauf verlassen, dass die Engländer schon über 100 Jahre Madeira als Urlaubsinsel für sich entdeckt hatten und ein Großteil der Einheimischen Englisch spricht, kam sie in ihren Gedanken wieder auf ihr eigentliches Problem zurück. Andererseits wäre es schön, morgen Abend in ihrer Lieblingsbar die Ponchas auf Portugiesisch zu bestellen. Sollte sie es weiter versuchen und noch einen zweiten Galao trinken? Das waren alles notwendige Recherchen, dafür musste Ben doch Verständnis haben. Und Zeit für das Packen der Koffer blieb noch reichlich. Auch wenn sie heute Abend schon in Fuhlsbüttel den Vorabend-Check-in nutzen wollten.

Langsam tauchte sie ihren Löffel in den weißen, leicht schimmernden Schaum, hob ihn zum Mund und ließ ihn genüsslich auf der Zunge schmelzen. Jetzt vorsichtig einen Teil der obersten Espressoschicht in den Milchschaum heben. Dadurch bekam der Schaum einen leichten Geschmack nach Erdbeere und Nugat, ließ den Espresso im Mund erahnen. Für sie war das Trinken eines Galaos ein sorgsames Ritual, welches Zeit und Muße brauchte und einer eigenen Choreografie gehorchte. Am Ende durfte kein Schaum mehr übrig sein, bevor sie den ersten Schluck zu sich nahm. Nur so war der Genuss perfekt.

03.11.2011 06:30 – Hamburg

Der Radiowecker durchbrach ihren Schlaf mit einem penetranten »Piep, piep, piep«.

Gefühlt hatte Pauline die ganze Nacht kein Auge zugetan. Am Ende waren es drei Galao geworden, und sie hatte von dem vielen Koffein ein leicht schummriges Gefühl bekommen. Das gestrige abendliche Packen und die anschließende Fahrt zum Flughafen hatte sie, wie auf einer Wolke schwebend, hinter sich gebracht. Wieder zu Hause hatte sie die halbe Nacht mit offenen Augen da gelegen, weil der Körper sich weigerte, mit dem hohen Koffeinpegel einzuschlafen. Schließlich war sie gegen Morgen endlich eingedöst, um dann von wilden Träumen heimgesucht zu werden. Sie konnte sich noch vage erinnern, dass in ihren Träumen jedes Mal, wenn sie versucht hatte, etwas auf Portugiesisch zu bestellen, ihr etwas ganz anderes vorgesetzt wurde. »Un galao ze faz favor« und schwupps hatte man ihr einen Teller mit Bacalhau hingestellt. Hatte der Traum zu bedeuten, dass sie in Wahrheit großen Appetit auf salzigen Stockfisch hatte oder dass sie sich ernsthaft Gedanken um ihre Aussprache machen musste? Als sie jetzt mühsam die Augen öffnete, waberte die Umgebung an der Peripherie, und sie hatte Schwierigkeiten, scharf zu sehen. Sie versuchte aufzustehen, nicht ohne im ersten Anlauf, aufgrund ihres natürlichen Schwerpunktes, wieder unsanft auf denselben zurückzuplumpsen. Ben grummelte als Reaktion im Halbschlaf.

Sie wankte ins Bad und stieß sich gekonnt den kleinen Zeh an der Bettkante. Na toll. Das versprach ja ein ganz wunderbarer Tag zu werden. Ben war mittlerweile auch wach, sie hörte ihn im Schlafzimmer das Bett machen.

»Trödel nicht so lange im Bad herum, es kann nicht sein, dass wir wegen dir früh aufstehen, weil du pünktlich am Flughafen sein willst, und du dann nicht in die Gänge kommst«, beschwerte er sich da auch schon. Jetzt hieß es Ruhe bewahren, nichts fallen lassen und schnell fertig werden.

 

Fünfzig Minuten später standen sie beide mit ihrem Handgepäck auf dem Bahnsteig. So langsam erwachte Hamburg. Die morgendlichen Pendler standen, bewaffnet mit einer Zeitung oder einem großen Becher Kaffee, neben ihnen an der Bahnsteigkante. Die U-Bahn fuhr mit einem rumpelnden Quietschen ein.

Die Morgendämmerung setzte langsam ein und Pauline ließ die Gebäude der City Nord im graublauen Zwielicht an sich vorbeirauschen.

»Hast du das gelesen?«, Ben deutete auf den Infoschirm in der Bahn. »Die haben auf Madeira ein Flugzeugwrack im Meer gefunden.« Tatsächlich, da stand es. Zwei portugiesische Taucher hatten letzte Woche das Wrack der kurz vor Weihnachten 1977 verunglückten Caravelle entdeckt. Gar nicht weit von ihrem Urlaubsort Canico entfernt.

»Meinst du, dass man dahin tauchen kann? Wenn du Lust hast, kannst du die Tauchschule vom Hotel fragen, ob die einen Trip dahin organisieren. Ich beschäftige mich so lange, kein Problem«, bot Pauline gleich an.

»Das ist lieb, aber ich habe keine große Lust dazu.« Ben fuhr sich durch seine schwarzen, kurzen Haare. »Da steht etwas von einer Tiefe von 105 Metern, das hat nicht viel mit Spaß zu tun. So einen Tauchgang macht man eigentlich nur, wenn man dort wirklich hin muss. Man sollte bei so einer Tiefe nur mit Mischgas tauchen. Der Sauerstoffanteil normaler Atemluft ist in der Tiefe giftig, der Stickstoffanteil würde Tiefenrausch auslösen, daher werden Anteile dieser Gase durch andere Gase ersetzt.«

»Das klingt wirklich gefährlich!«, unterbrach Pauline ihn.

Ben war in seinem Element. »Ich vermute, die haben Trimix verwendet, ein Gemisch aus Stickstoff, Sauerstoff und Helium. Kann durchaus sein, dass sie zunächst mit Pressluft runter sind auf 30 Meter, um dort auf Trimix umzusteigen. Beim Aufstieg geht es weiter: Ab einer bestimmten Tiefe geht es zurück auf Pressluft und dann später zur Deko in geringerer Tiefe auf reinen Sauerstoff um das Abatmen von Stickstoff zu verbessern. Eine ziemliche Materialschlacht, und das mitten auf offener See. Und auch dabei muss man mit dem verbleibenden Stickstoff aufpassen, will man nicht beim Auftauchen wie eine Sprudelflasche blubbern. Das heißt, bei der Tiefe sind richtig lange Dekompressionszeiten notwendig. Ich für meinen Teil habe keine Lust mehr, stundenlang in der Deko rumzuhängen. So ein Tauchgang ist schon nicht ohne.«

»Ich dachte, das könnte den Urlaub für dich interessanter machen. Dann schnorchelst du nicht nur mit mir in der Gegend herum«, beschwichtigte Pauline rasch und fingerte nervös an ihrem Pferdeschwanz.

»Nein, wenn ich mit dir in den Urlaub fahre, genießen wir unsere Zeit zusammen. Das meiste sieht man eh im Flachwasser und man erkennt viel mehr Farben, je flacher man taucht. Wenn ich wirklich etwas Interessantes tiefer ausmache, dann wird die Luft angehalten und abgetaucht. Zwanzig Meter sind bei mir locker drin. Spaß werden wir auf jeden Fall haben, mach dir keinen Kopf.“ Er blickte noch einmal auf den Info-Schirm, auf dem wieder die Nachricht von dem Flugzeugwrack erschien. „Was meinst du, ist das der Unfall, von dem mein Vater erzählt hat? Die Maschine, die die Landebahn verfehlt hat und ins Meer gestürzt ist? Du erinnerst dich, dass er meinte, nur Piloten mit Spezialausbildung dürfen überhaupt in Funchal landen?«

Pauline verkrampfte sich. Musste er das ausgerechnet jetzt zur Sprache bringen? Ihre Flugangst meldete sich gleich mit einem Ziehen im Bauch zurück. Vielleicht sollte sie vor dem Start in der Lounge vorbeischauen und ein oder zwei Gin Tonic trinken? Ja, das war ein guter Plan. Dann gäbe es sicher auch keine Einschlafprobleme, und einen Absturz würde sie einfach verschlafen.

Eine Stunde später saß sie leicht beschwipst neben Ben im Flieger. Das mulmige Gefühl im Magen war einem warmen angenehmen Kribbeln gewichen. Ben nahm ihre Hand und sofort entspannte Pauline sich.

In vier Stunden würden sie in Funchal landen, und der Urlaub konnte beginnen. Das Flugzeug rollte auf die Startbahn, während die Stewardessen die Sicherheitsinstruktionen vorführten. Es war immer das Gleiche, aber aus einem simplen Aberglauben heraus zwang Pauline sich, wenigstens einmal hinzugucken. Das war ihre Art der Versicherung, dass alles gut gehen würde.

03.11.2011 13:13 – Funchal

Er war einsam. Sehnte sich danach, dass sie ihn berührte. Ihn in den Arm nahm und er die Wärme ihres Körpers spüren konnte. Er dachte zurück war er immer so einsam gewesen oder kannte er das Gefühl erst, seitdem er wieder auf dieser Insel war und er sie gesehen hatte? Sein Herz verwandelte sich jedes Mal in ein Stück Stein, der in seiner Brust schmerzte, wenn er die beiden zusammen sah. Ja, selbst die üppigen Farben von Madeira schienen in dem Moment einem Schwarz und Weiß zu weichen.

Immer, wenn er sie sah, wurde diese Einsamkeit größer. Dennoch suchte er ihre Nähe in der Hoffnung, wenigstens eine kleine zufällige Berührung zu erhaschen. Solch eine Berührung prickelte leicht, aber wenn es vorbei war, war sie wieder da, diese entsetzliche Leere. Er wusste, dass sie ihn mochte, aber sie behandelte ihn wie einen guten Freund oder einen Bruder. Warum sah sie nicht, dass er der Richtige für sie war?

 

03.11.2011 16:05 – Flughafen Funchal

Als Ben und Pauline die Treppe aus dem Flugzeug hinunter auf die Rollbahn stiegen, wehte ihnen ein warmer Wind entgegen.

Pauline atmete tief ein. Verglichen mit dem kühlen Herbstwetter der letzten Tage in Hamburg machte sich jetzt ein Gefühl von Sommer breit.

Der Flug wäre angenehm verlaufen, hätten sie nicht neben einem anderen deutschen Pärchen gesessen, das das Klischee des deutschen Touristen zu gut erfüllt hatte. Kaum saßen die beiden auf ihren Plätzen, ein kurzes Scharmützel zwischen Ben und dem Mann um die Armlehne inklusive, packte die Frau eine große Tupperdose mit belegten Broten aus. Sie bevorzugte Ei und Leberwurst, dem Geruch nach zu urteilen. Zum Glück hatte Pauline in mehreren Jahren als berufliche Vielfliegerin ihre Übelkeit beim Fliegen überwunden, sonst wäre ihr schlecht geworden. Das Pärchen schien sich herzlich wenig um seine Mitflieger zu scheren und ignorierte die genervten Blicke der anderen. Am Ende des Fluges wusste Pauline, dass sie es mit Siggi und Brigitte aus Barmbek zu tun hatte. Brigitte, oder »Briegitt« wie Siggi sie nannte, hatte während des ganzen Fluges gemeckert. Die Stewardessen waren zu unfreundlich, der Sitz zu unbequem, die Luft wäre abgestanden und das Essen an Bord einfach furchtbar. Pauline wunderte sich, dass die Stewardessen ruhig blieben. Sie selber hatte sich die ganze Zeit zusammenreißen müssen, um dieser »Briegitt« nicht die Meinung zu sagen. Wie schön war es, als sie endlich aus dem Flieger kamen.

Draußen auf dem Vorplatz des Flughafens würde sicher bereits der Bus warten, der sie hoffentlich in der nächsten Stunde ins Hotel bringen würde. Zum Glück war ihre Unterkunft nicht weit vom Flughafen entfernt, sodass nur wenige Hotels vor ihrem angesteuert werden würden, um die Touristen abzuladen.

Vor dem Gepäckband setzte Pauline ihren Rucksack ab. Hätte sie anstatt der vier dicken Krimis nur zwei Bücher mitnehmen sollen? Aber sie hatte beim Packen die Sorge gehabt, dass ihr zum Ende des Urlaubes der Lesestoff ausgehen würde oder eines der Bücher, die sie mitnahm, zu uninteressant war, als dass sie es vollständig lesen mochte. Ein Urlaub ohne ausreichendes Lesematerial, das wäre ein Albtraum.

Bens Handgepäck war wie immer minimal. Für ihn war es wichtig, nur das Nötigste mitzunehmen, und er hatte, über die Jahre des beruflichen und privaten Reisens, seine Packliste von Mal zu Mal weiter verfeinert und reduziert.

Nicht so Pauline. Sie hatte im Handgepäck für alle Fälle Ersatzklamotten für den nächsten Tag dabei und einen Teil ihrer Kosmetik. Auch ein Satz Badeklamotten fehlte nicht. Nur für den Fall, dass das Gepäck verloren ging. Das war ihr zwar in all den Jahren weder geschäftlich noch im Urlaub passiert, aber sie musste ja vorbereitet sein.

Sie blickte gespannt auf das Band, auf dem jetzt die ersten Gepäckstücke landeten. Erst als sie sah, dass ihre beiden Koffer auf sie zuglitten, wich ihre Anspannung. Nun begann wirklich der Urlaub, nichts konnte mehr schiefgehen.

Sie musste nur noch nach der Ankunft im Hotel ihre Mutter kurz benachrichtigen. Vor einigen Jahren hatte sie das einmal vergessen, als sie nach Zypern geflogen waren. Nach ein paar Tagen hatte ihre Mutter sich so verrückt gemacht, dass sie überzeugt gewesen war, ihrer Tochter müsste etwas passiert sein. Sie hatte daraufhin bei der deutschen Botschaft auf Zypern angerufen, um zu fragen, ob die Telefonmasten noch stehen oder ob es irgendein Unglück gegeben hatte. Für sie war das der einzige Grund, der ihre Tochter hätte davon abhalten können, sie anzurufen. Solche Anrufe versuchte Pauline seitdem zu vermeiden und meldete sich nun jedes Mal brav gleich nach der Ankunft.

Als sie draußen auf den Vorplatz zu ihrem Bus gingen, musste Pauline zusehen, wie Siggi und »Briegitt« vor ihnen einstiegen. Pauline sah an Bens Gesicht, dass er das Gleiche dachte wie sie, hoffentlich haben die beiden ein anderes Hotel.

Diese Hoffnung wurde enttäuscht, als die beiden mit ihnen in Canico de Baixo im Hotel eincheckten. Pauline wünschte nur, dass sie in den nächsten zwei Wochen nicht zu viele Berührungspunkte haben würden.

06.11.2011 7:07 – Canico

Der Waldboden gab leicht unter ihren Schritten nach, als Pauline die Levada dos Tornos entlanglief. So früh am Morgen war die Luft noch feucht, und ein Nebel lag über dem Tal. Hier oben konnte sie sich kaum vorstellen, dass nachher unten am Meer Temperaturen deutlich über 20 Grad herrschen würden. Pauline fröstelte leicht, das sollte sich hoffentlich gleich mit der Anstrengung geben. Der leicht scharfe Duft von Eukalyptus stieg ihr in die Nase. Dieser morgendliche Lauf war ein wunderbar erfrischender Start in den Tag. Außer dem gelegentlichen Zwitschern einiger Vögel und dem trägen leisen Plätschern des Wassers in der Levada war nichts zu hören. Ein Geruch von feuchtem Moos und wildem Oregano lag in der Luft.

An manchen Stellen hingen Bananenmaracujas in bunter Fülle von den Felsen herab. Farne und Flechten kleideten die schwarze Basaltwand zusätzlich in sattes Grün. Immer wieder öffnete sich der Wald, um den Blick auf das unten liegende Tal freizugeben. Sie konnte durch den Nebel das Meer erahnen, sicher würden sie später einen atemberaubenden Blick haben, wenn die Sonne den Dunst vertrieben hatte. Zwischendurch ragten knorrige Äste über den Weg, die hellen Flechten formten daraus geisterhaft hellgraue fragile Gestalten. Spinnen hatten kunstvolle Netze gesponnen, in deren Fäden sich jetzt der morgendliche Tau fing und das Licht in bunten Farben spiegelte. Fast erwartete sie, dass nach dem nächsten Knick Elfen oder Zwerge durch diesen Zauberwald liefen. Pauline konnte sich an der Natur gar nicht sattsehen.

Sie kam an einer Hütte der Levaderos vorbei. Wie romantisch, hier mitten im Wald, dachte sie im Vorbeilaufen und verlangsamte ihre Schritte, um besser schauen zu können. Die kleine Hütte war zweistöckig, aus grauem, unregelmäßigem Stein gemauert. Das Dach war leicht gewölbt, und die Levada schien mitten durch das Haus zu fließen. Wie es drinnen wohl aussah? Es konnte sich im Inneren kaum mehr als ein kleines Zimmer pro Stockwerk befinden. Pauline spekulierte, dass unten Arbeitsgeräte gelagert wurden und oben die Möglichkeit einer einfachen Übernachtung bestand. Die Fenster waren ohne Scheiben, stattdessen versperrten einige verrostete Gitterstäbe die Sicht. Die kleine hölzerne Eingangstür war vermutlich einmal rot gestrichen gewesen, jetzt war nicht viel mehr als ein verblasstes Rosa übrig. Sie würde auf dem Rückweg von ihrem Lauf kurz anhalten und hineinschauen, vielleicht konnte sie etwas mehr erkennen.

Pauline hatte in ihrem Reiseführer gelesen, dass die Levadas von portugiesischen Ingenieuren im 15. Jahrhundert geplant worden waren. Die Insel hatte nur aus Wald bestanden, und für die frühen Siedler war es notwendig gewesen, das Wasser, das sich in den Bergen sammelte, hinunter ins Tal, zu den neu geschaffenen Feldern für Wein, Obst und Gemüse zu leiten. Letztendlich gebaut wurden die Levadas von Sklaven. Als Kolonialmacht hatte Portugal genügend aus Afrika deportiert. Wie viele von diesen am Ende hier den Tod fanden, wenn sie sich an Körben die glatten Felsen herunterließen, um die Wasserstraßen hineinzuhauen, konnte man heute nicht mehr sagen, und Pauline wollte es sich auch nicht vorstellen.

Ben war ihr sicher etliche Kilometer voraus, was bei seinen langen Beinen und dem Trainingsstand kein großes Wunder war. Sie ließ sich dennoch in ihrem Tempo nicht stören und betrachtete die blau blühenden Natternköpfe, die es so nur auf Madeira gab. Anfang November war die Blütezeit fast vorbei, aber vereinzelt stakten die dunkelblauen Blütenstände noch aus den grünen Kissen ihrer Blätter hervor. Hinter der nächsten Biegung würde sie gleich umdrehen, um zur vereinbarten Zeit am Startpunkt zurück sein zu können. Das war zwar ein viel früherer Wendepunkt und damit deutlich weniger Strecke, als sie sich vorgenommen hatte, aber gegenüber Ben könnte sie ja ein bisschen flunkern und einen Kilometer mehr hinzufügen. Letztendlich wusste sie, dass das dumm war, denn am Ende belog sie sich selbst. Heute Abend würde sie wieder ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie im Restaurant mehr als einen Gang essen würde. Ja, als Ausgleich für die weggelassenen Kilometer sollte sie auf den Nachtisch verzichten.

Pauline sprang über einen Stein, rutschte aber beim Aufsetzen auf dem nassen, moosbedeckten Untergrund aus. Sie konnte sich gerade noch an einem der als provisorischen Zaun in die Erde gerammten Metallpfosten festhalten, sonst wäre sie über den Rand der Levada in die Tiefe gestürzt. Das war wieder typisch. Jetzt war das Knie aufgeschlagen, das T-Shirt am Ellenbogen gerissen und dreckig war sie auch noch. Alles klebte voll mit kleinen blauen Blättern von dem Haufen, in den sie gerutscht war. Waren das Hortensien? Irgendwie seltsam, wo kamen die her? Natürlich hatte sie auf Madeira öfter welche gesehen, aber bisher immer nur an Stellen, die sonnig gelegen waren, und nicht mitten im Wald. Und scheinbar hatte jemand diese hier  abgeschnitten und fein säuberlich zu einem Haufen aufgeschichtet. Dass Ben das beim Vorbeirennen nicht aufgefallen war, passte zu ihm. Aber erwartete sie, dass er seinen Lauf wegen einer botanischen Besonderheit unterbrach? Sie wäre auch an dem ganzen vorbeigelaufen, wenn sie nicht so ungeschickt gewesen wäre. Wenn das so weiterginge, könnte sie den ganzen Urlaub keine kurzen Röcke tragen, bei all den blauen Flecken, die sie schon wieder an den Beinen sammelte. Sie schnupperte, dieser Geruch erinnerte sie an Weihnachten. Rochen so Hortensien? Sie rappelte sich auf. Pauline wollte sich gerade den Staub und die Blätter abklopfen, um den Schaden genauer zu begutachten, da sah sie es.

Was war das? Lag da etwas darunter? Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie konnte deutlich eine menschliche Hand erkennen, die aus dem von ihrem Sturz aufgewühlten Haufen in einer merkwürdig anmutenden Geste ragte, als ob ihr Eigentümer auf etwas in den Lorbeerbäumen über sich zeigte. Vorsichtig ging sie näher heran. Die Hand hatte eine seltsame Färbung, rötlich helle Flecken bedeckten sie. Unter dem Haufen konnte sie nun ganz deutlich die Form eines menschlichen Körpers ausmachen.

Pauline fing an zu zittern.

In dem Moment hörte sie den gleichmäßigen Takt von Bens Schritten hinter sich, gepaart mit dem trockenen Knarzen der zerbrechenden Hütchen der Eukalyptussamen unter seinen Füßen.

»Na Paulinchen, was hast du wieder angestellt?«, kam da seine vertraute Stimme von hinten.

 

08.03.1922 08:21 – Monte

Es war noch früh am Morgen, und das Haus erwachte langsam zum Leben. Er hatte sich heute schnell alleine angekleidet, weil er wusste, dass Zita, aus Sorge um ihn, nicht wollte, dass er nach Funchal hinunterging.

In wenigen Tagen würde Carl-Ludwig, sein fünftes Kind, vier Jahre alt werden, und er wollte ihm eine Freude machen. Sie waren alle von den Entbehrungen der letzten Wochen gezeichnet. Die erste Zeit nach ihrer Ankunft in Funchal hatten sie noch im Hotel Viktoria, welches zu dem berühmten Reid’s gehörte, residiert. Das waren erholsame Tage gewesen, nach der Überfahrt über den Atlantik auch bitter nötig für alle. Dann war es zu dem Morgen gekommen, der alles veränderte. Nach dem Raub waren ihre finanziellen Mittel im Nu ausgeschöpft gewesen, und sie hatten es nur der Großzügigkeit dieser portugiesischen Bankiersfamilie zu verdanken, dass sie ein Dach über dem Kopf hatten.

So waren sie in die Quinta do Monte oberhalb von Funchal gezogen. Die zweigeschossige, mit bodentiefen Fenstern versehene Villa bot gerade genug Platz für den Haushalt aus dreißig Personen, der aus der kaiserlichen Großfamilie, ihren adligen Begleitern und den wenigen Dienstboten bestand. Das Haus wurde normalerweise als Sommerresidenz genutzt, dementsprechend wenig war es geeignet, in der kälteren Jahreszeit eine behagliche Atmosphäre zu schaffen. Im ganzen Haus gab es kein elektrisches Licht, sie hatten nur eine Toilette, die sie mit den Dienstboten gemeinsam nutzen mussten. Ein Zustand, der in der Hofburg unmöglich gewesen wäre. In der kleinen Kapelle des Hauses wucherten sogar Pilze an den Wänden, dennoch ließen sie sich nicht von ihrer täglichen Andacht abbringen.

Jetzt genoss er es, endlich dieser drückenden Feuchte, gepaart mit dem ständigen Rauch der Kamine, der das Haus oben in Monte erfüllte, zu entgehen. Fast übermütig ging er leichten Schrittes die Straße nach Funchal hinunter. Vorbei ging es an den Häusern mit ihren Strohdächern und alten Mauern, die mit Bougainville oder Wein dicht bewuchert waren. Bevor er den Bazar do Povo, das Kaufhaus in Funchal, besuchte, wollte er noch einen Abstecher zum Hafen machen, um den Blick auf den Atlantik zu genießen. Auf dem Weg hinunter in die Stadt begegneten ihm mehrfach Korbschlittenfahrer, die ihre schweren Körbe auf den Schultern hoch nach Monte trugen, um dann wieder oben geduldig auf den nächsten Touristen zu warten, der mit ihnen hinunter in die Stadt sauste. Weiter unten traf er einen kleinen Jungen, der drei große gefüllte Milchkannen an einem Stock über der Schulter die Straße hinauftrug. Dieser Anblick rührte ihn, mochte der Junge doch kaum älter sein als sein Zweitältester, der gerade einmal sieben Jahre alt war. Er musste den Kindern heute Abend davon erzählen. Vielleicht half es ihnen, ihr Schicksal besser zu ertragen, schließlich mussten sie für ihren Lebensunterhalt nicht hart arbeiten.

Unten am Pier hielt er an und sah eine Weile zu, wie die Ochsenkarren, die Einheimischen nannten sie Carros de Bois, auf Kundschaft warteten. Die Wagen reihten sich in einer langen Schlange unweit von der Stelle, wo die großen dampfbetriebenen Atlantikliner ihre Passagiere anlandeten. Jedes Gefährt hatte zwei Ochsen vor sich gespannt, die geduldig, die Köpfe gesenkt, auf das Zeichen zum Aufbruch warteten. Der Karren selber war, streng genommen, eher ein Schlitten mit Kufen, die über das Kieselpflaster gleiten konnten. Er bewunderte die simple aber ausgefeilte Technik der Karrenführer: Wenn es allzu uneben war und der Schlitten blockierte, legte der Führer einen Lederlappen unter die blockierte Kufe, sodass der Widerstand sich verringerte. Drinnen war Platz für vier Personen, und es gab sogar einen Baldachin, um die Touristen vor der Sonne zu schützen. Am Anfang ihres Aufenthaltes auf Madeira hatten sie diverse Male diese Art der Fortbewegung genutzt. Jetzt konnten und wollten sie ihr weniges Geld dafür nicht mehr ausgeben.

Heute ankerten fünf Schiffe draußen vor Funchal. Die Händler in ihren Booten würden ein gutes Geschäft machen. Er stoppte kurz und bestaunte den Fang eines Fischers, der stolz einen großen Thunfisch zur Schau stellte, aus dessen Maul noch der Kopf und der halbe Unterleib eines Degenfisches ragte.

 

Er ging weiter in Richtung Kathedrale. Hier unten schien die Sonne, es war angenehm warm. Er beschloss, zur Feier des Tages noch einen Kaffee im Golden Gate Café mit Blick auf die Statue von Zarco, dem portugiesischen Entdecker und einstigen Kolonialherr von Madeira, zu sich zu nehmen. Von dem bequemen Korbsessel aus beobachtete er in Ruhe das Treiben auf dem Platz. Er sah den auf dem Bordstein sitzenden Marktfrauen zu, die ihre großen Körbe, dicht gefüllt mit Blumensträußen, den vorbeigehenden Touristen entgegenhielten.

Vielleicht sollte er Zita einen kleinen Blumenstrauß kaufen, sobald er im Bazar gewesen war. Er stand auf, zahlte und ging durch die engen Straßen zu seinem eigentlichen Ziel. Der Bazar do Povo war ein gut sortiertes Kaufhaus, in dem er schnell fündig wurde. Er erstand einen kleinen Miniaturochsenkarren. Eine sehr getreue Nachbildung der großen Ochsenkarren vom Pier. Sogar zwei kleine Ochsen und einen winzigen Karrenführer gab es dazu. Er hoffte, Carl-Ludwig würde sich darüber freuen.

Nachdem er sich schon den Kaffee außer der Reihe gegönnt hatte, entschied er sich, zu Fuß hoch nach Monte zu gehen und auf eine Fahrt mit dem Ochsenkarren oder in der Caminho de Ferro zu verzichten.

Der Aufstieg nahm kein Ende. Er merkte, wie ihm die Kleider anfingen vor Anstrengung am Leib zu kleben, und er musste alle hundert Meter eine Verschnaufpause einlegen. Erst am späten Nachmittag kam er völlig erschöpft oben in Monte bei einem leichten Nieselregen an. Sofort fing er an zu frösteln, denn hier oben war es sicher um die zehn Grad kühler als unten in Funchal. Er hatte wenig Hoffnung, dass er in der Quinta von einem warmen prasselnden Kamin empfangen wurde. Sie hatten nur grünes, nasses Holz zur Verfügung und dies erzeugte mehr Rauch, als dass es wirklich für Wärme sorgte.

Als er die Quinta betrat, sah er nicht, dass sich hinter einem Fenster direkt am Eingang etwas bewegte. Seine Ankunft war nicht unbemerkt geblieben.

 

06.11.2011 10:13 – Funchal

»Und was haben Sie Sonntagmorgen um sieben auf einer Levada zu suchen? Ihr Touristen liegt doch zu so einer Zeit normalerweise noch im Bett?«

Der Ton des Comissário war ziemlich feindselig und Pauline wünschte, dass sie nicht ausgerutscht wäre und so die Leiche in ihrem Blütengrab entdeckt hätte.

Seitdem sie die Leiche gefunden hatte, waren fast drei Stunden vergangen, und sie saßen immer noch auf dem Revier der Polícia Judiciária in Funchal.

Pauline stand völlig neben sich. Die Fragen des Comissário rauschten an ihr vorbei. Sie musste immer noch das Geschehene verdauen.

 

Nachdem Ben gekommen war und recht schnell die Situation erfasst hatte, plante er zunächst in Ruhe die notwendigen nächsten Schritte. Leider hatten sie beide kein Mobiltelefon dabei, um sofort Hilfe zu rufen. Es war nur ein kurzer Lauf vor dem Frühstück geplant gewesen, und sie hatten keine Wertsachen im Auto lassen wollen, das am Eingang der Levada direkt auf der Straße geparkt war. Ben hatte kurz überlegt, ob einer von ihnen beiden bei der Leiche bleiben sollte, denn dass es sich um einen Toten handelte, war ihnen beiden klar. Dagegen sprach aus seiner Sicht einiges. Erstens wollte er Pauline nicht in ihrem aufgewühlten Zustand mit dem Auto runter in den Ort fahren lassen, nicht dass ihr noch etwas passierte. Sie fuhr sowieso nicht gerne mit einem Schaltwagen, da ihr Auto zu Hause eine Automatikschaltung hatte. Im Urlaub blieb daher das Autofahren meistens an ihm hängen. Normalerweise kein Problem, aber genau jetzt wäre es wichtig gewesen. Pauline bei dem Toten lassen und selber Hilfe holen, kam erst recht nicht infrage. Für ihn sah das verdammt nach einem nicht natürlichen Tod aus. Und was wäre, wenn der Mörder noch in der Nähe war oder zurückkehrte? Nein, die einzige Möglichkeit war, dass sie beide zusammen in den Ort fuhren und die Polizei alarmierten. Auch auf die Gefahr hin, dass jemand anderes in der Zwischenzeit hierherkäme. Dem Toten konnte nichts mehr passieren, und es war wichtiger, dass Pauline in Sicherheit war. So hatte er Pauline an die Hand genommen und war mit ihr zügig zurück zum Auto gegangen. Dabei hatte er die ganze Zeit die Umgebung sondiert, immer auf der Hut, dass jemand auf sie lauern könnte.

Im Eiltempo waren sie über die Serpentinen hinunter in das Hotel gefahren. Die Hotelangestellte hatte sie verdutzt angesehen, als sie ins Foyer kamen und nach der Nummer der örtlichen Polizei fragten. Zum Glück hatte sie schnell geschaltet und die Nummer herausgesucht. Ben hatte übernommen, kurz die Situation zu schildern. Insgeheim hatte er gehofft, Pauline im Hotel in der Obhut des nun alarmierten Personals lassen zu können. Leider hatte der Polizist am anderen Ende der Leitung insistiert, dass sie beide am Eingang zu der Levada auf die Polizei im Auto warten sollten. Insgesamt war nach dem Fund der Leiche und dem Eintreffen der Polizei am Ende fast eine Stunde vergangen. Sie waren zusammen mit dem Comissário, seinem Subcomissário und einem kleinen Spurensicherungsteam zurück zu der Stelle auf der Levada gegangen. Das Team hatte zunächst Fotos gemacht, Ben und Pauline mussten genau beschreiben, was sie angefasst hatten. Pauline zeigte die Stelle, an der sie gestürzt und auf den Hortensienhaufen gefallen war. Auch diese wurde daraufhin von allen Seiten fotografiert und die Abdrücke dort mit dem Profil von Paulines Laufschuhen verglichen. Selbst Ben und Pauline konnten sehen, dass es eine Unmenge verschiedener Abdrücke gab, da diese Levada sehr beliebt bei Wanderern war. Dass die Polizei in diesem Fall eine brauchbare Spur finden würde, war mehr als fraglich. Einer der Spurensicherer entfernte vorsichtig die Blütenblätter von der Leiche, und ein mit weißem Hemd und dunkler Hose bekleideter Mann kam zum Vorschein. Die hellroten Flecken, die Pauline schon an der Hand aufgefallen waren, zeigten sich auch in seinem Gesicht. Sie wandte sich schnell ab, wusste aber schon, dass sie dieser Anblick verfolgen würde. Der Comissário hatte sie während des ganzen Vorgangs kritisch beobachtet und ordnete an, dass sie ihm für die Zeugenaussage zur Wache in Funchal folgen sollten.

 

Und da waren sie nun. Das Büro des Comissários strahlte eine leicht antiquierte Gemütlichkeit aus. Sie saßen auf zwei alten, aber bequemen Stühlen vor seinem Schreibtisch. In einer Ecke stand ein leicht ausgesessener Sessel, überzogen mit hellgrauem, an den Armlehnen abgestoßenem, Cordstoff. Pauline konnte sich den dicklichen Comissário gut vorstellen, wie er in diesem Sessel saß, mit einem Galao in der Hand und über seinen aktuellen Fall nachdachte. Er  schien nicht viel von modernen sterilen Büros zu halten, denn obwohl das Revier in einem neuen Gebäude untergebracht war, wirkten die Möbel in seinem Büro eher wie vom Flohmarkt. Bunt zusammengewürfelt, leicht angestaubt, aber gerade deswegen behaglicher als der Rest des Kommissariats, weil man hier die persönliche Note spürte. In der linken Ecke neben der Tür stand eine alte Vitrine, die Hunderte von Aktenordnern enthielt. Alle fein säuberlich beschriftet und nach Jahreszahlen geordnet. Auch der Computer auf seinem schweren großen Sekretär aus dunklem Holz war ein ziemlich altes Modell, und nach dem Staub auf Monitor und Tastatur zu urteilen, wurde er eher selten genutzt. Das einzig Moderne in dem Büro war der glänzende Espressovollautomat eines italienischen Herstellers, der prominent auf einem halbhohen Sideboard im Rechten Winkel zum Schreibtisch stand. Oben auf dem Automat waren Espressotassen auf der Wärmefläche abgelegt und ein paar Galaogläser standen daneben. Freundlicherweise hatte ihnen der Comissário einen Galao angeboten, bevor er mit der Befragung begann, an dem Pauline jetzt dankbar nippte. Aber das war die einzige freundliche Geste des Portugiesen gewesen, er schoss eine ungeduldige Frage nach der nächsten in Richtung Pauline und Ben ab. Sein gut aussehender, junger Subcomissário saß die ganze Zeit schweigend daneben und schrieb fleißig mit.

»Von Ihrer Hotelrezeption weiß ich, dass Sie sich gestern für einen High Tea im Colonial anmelden wollten und nach der Telefonnummer gefragt haben. Ein komischer Zufall, dass Sie heute Morgen die Leiche des Direktors Lucca DeFreitas vom Colonial finden. Meinen Sie nicht?«

Pauline erstarrte. Der Tote war der nette Direktor vom Colonial? Sie hatten ihn tatsächlich gestern kennengelernt, als er während der Teestunde von Tisch zu Tisch gegangen war. Er war so charmant gewesen, hatte ihr Komplimente zu ihrem Portugiesisch gemacht, dabei hatte sie nur versucht, sich auf Portugiesisch für das wundervolle Ambiente zu bedanken. Ja, er hatte sogar ein paar Brocken Deutsch gesprochen und sie dabei aus seinen dunklen Augen verschmitzt angesehen. Als sie ihm erzählte, dass sie ein kleines Café in Hamburg besaß, hatte er einen Stuhl herangezogen um sich mit ihr über Gastronomie auszutauschen. Das Thema Kaffee interessierte ihn besonders, da er meinte, es gäbe auf Madeira einen ziemlichen Nachholbedarf. Die Einheimischen waren zufrieden mit einfachem Kaffee oder einem Galao. Unterschiedliche Sorten Espresso wären aber in Hinblick auf das internationale Publikum seines Hotels interessant. Eine Teekarte gab es bereits, dafür war das Hotel berühmt, sie hatten sogar eine eigene Hausmischung. Aber der Gedanke, zukünftig auch eine Kaffeekarte anzubieten, schien ihm zu gefallen. Pauline war in ihrem Element und schwärmte ihm von den vielen Espressosorten vor, die sie in Hamburg erwerben konnte, und die Möglichkeiten der unterschiedlichen Zubereitung.

Mit seinen grauen Schläfen, den dunklen Haaren und dem freundlichen Wesen hatte er einen ungeheuren Charme ausgestrahlt. Der einzige Abstrich war, dass er sich seiner Wirkung auf Frauen deutlich bewusst war. DeFreitas hatte vorgeschlagen, dass sie sich während ihres Urlaubes noch einmal treffen könnten, aber am besten zu einer anderen Zeit als zum High Tea, wenn das Hotel nicht überfüllt war. Dann könnten sie schauen, ob sie womöglich die Geschäfte des anderen bereichern könnten. Pauline hatte sich schon eine Art Kooperation ausgemalt und die Idee, auch einmal High Tea in ihrem Café, nach dem Vorbild vom Colonial, abzuhalten, nahm gleich in ihrem Kopf Gestalt an. Das war eine wunderbare Geschäftsidee. Gerade in Hamburg, welches von jeher gerne seine Nähe zu britischen Traditionen betonte. Vielleicht konnte sie versuchen, passende Teeservices aus englischem Knochenporzellan zu bekommen, und Etageren, auf denen sie, wie hier im Colonial, das Gebäck reichen könnte. Es würde eventuell schwierig sein, Tomaz zu überzeugen, dass sie in Zukunft auch der Teezubereitung mehr Zeit widmen mussten und nicht nur den perfekten Espresso zauberten.

Ben war am Ende leicht genervt gewesen, ihm wurde das Ganze zu viel. Er war eh nur ihr zuliebe mitgekommen, solche übertriebenen Veranstaltungen waren nichts für ihn. Aber ihre Mutter hatte so von diesem Ambiente geschwärmt, dass sie es diesmal unbedingt hatte ausprobieren wollen. Sie hatte extra heimlich Bens schwarzes Sakko und ein schwarzes Kleid für sich eingepackt, damit sie sich einigermaßen fein machen konnten. Ben war zwar verdutzt gewesen, als sie die Sachen aus dem Koffer zauberte, aber die Aussicht auf eine feudale englische Tea Time hatte ihn zum Glück überzeugt.

Es war auch etwas ganz Besonderes gewesen. Vor Paulines innerem Auge erschien das Colonial. Über einen schwarz-weiß gefliesten Marmorboden wölbte sich das Dach der Terrasse. Weiße, von klassizistischen Säulen gehaltene Rundbögen öffneten sich für einen Blick auf den rauschenden Atlantik, während sich daneben in dem prächtigen Garten ein Meer von Blüten im Wind bewegte. Vor ihnen standen Gurkensandwiches, weich und fluffig, ohne Rand selbstverständlich, Ingwerkuchen, kleine unterschiedliche Cremetörtchen und natürlich Scones. Im Hintergrund spielte jemand Klavier, fast erwartete man, dass jetzt Churchill auftauchte, der hier in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts seinen Fünf-Uhr-Tee eingenommen hatte, als er auf der Insel zum Malen gewesen war. Die Scones waren ein Gedicht gewesen. Noch warm schmolz die clotted cream und verband sich mit der Erdbeermarmelade zu einer süß säuerlichen Geschmackskomposition im Mund. Paulines Magen knurrte bei diesem Gedanken hörbar. Sie könnten jetzt so schön das Frühstücksbüfett im Hotel genießen.

»Wieso waren Sie alleine, Senhora?« Der Comissário riss sie unsanft aus ihren Träumen, die mittlerweile bei kleinen Natas mit Puddingfüllung und portugiesischen Schokoladen-Croissants angekommen waren.

»Ich laufe schneller als meine Frau«, schaltete sich jetzt Ben ein, »und damit wir zusammen laufen können, haben wir bei so einer Strecke verschiedene Umkehrpunkte und einen vereinbarten Zeitpunkt, zu dem wir uns wieder am Auto treffen.«

Der Comissário strich sich nachdenklich über sein Bäuchlein. Er schien zu überlegen, ob er die beiden unter harmlose Touristen einstufen könnte oder nicht. Für Pauline sah er genauso aus, wie sie sich einen südländischen Comissário vorstellte. Mittelgroß, deutlicher Bauchansatz, mit dunklen kurzen Haaren und einem gepflegten kleinen Ziegenbart. Wahrscheinlich war er jünger, als er aussah, sie würde ihn auf Ende vierzig schätzen. Bei einer Verfolgung würde er sicher seinen schicken jungen Subcomissário laufen lassen und gemütlich hinterherstolzieren. Seine von kleinen Falten umsäumten Augen musterten sie wachsam und schienen jede Kleinigkeit zu registrieren.

Ben hatte zum Glück bereits auf der Levada bemerkt, dass der Comissário offensichtlich Deutsch verstand, weil er einem kleinen Disput, den Ben und Pauline wegen ihrer Neugier hatten, mehr als interessiert lauschte. Auf sein Nachfragen hatte sich herausgestellt, dass der Comissário tatsächlich ein Jahr in Deutschland im Münsterland die Polizeischule besucht hatte und sehr gut Deutsch sprach. Dennoch führten sie das Gespräch jetzt auf Englisch, damit der Subcomissário Protokoll führen konnte.

Pauline hoffte, dass sie hier bald fertig waren. Nachdem sie jetzt wusste, dass sie den Toten gekannt hatte, ging ihr das Ganze noch mehr nah. Sie sah wieder die Szene auf der Levada vor sich. Ob er Familie gehabt hatte, die um ihn trauerte? Vielleicht Kinder, die jetzt mit diesem Verlust fertigwerden mussten? Sie fühlte sich schlecht, dass sie im ersten Moment nur an ihre eigenen Pläne gedacht hatte. Aber er hätte so ein wertvoller Kontakt für sie sein können. Der Traum von einer britischen Teestunde in ihrem Winterhuder Café rückte in weite Ferne. Sie schaute Ben an. Er hatte gegenüber dem Comissário mit keinem Wort erwähnt, dass sie sich mit dem Hoteldirektor ausführlich unterhalten und Telefonnummern für ein weiteres Treffen ausgetauscht hatten.

21.03.1922 12:01 – Monte

Er ging durch die kalte, zugige Quinta de Monte. Im Wohnzimmer hatte jemand die Fenster geöffnet, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass die wenigen Sonnenstrahlen, die sie heute hier in Monte erhaschen konnten, etwas von dem Moder aus dem alten Gemäuer treiben würden. Der einzige Effekt war, dass es noch zugiger und kälter war. Die weißen Vorhänge wehten im Wind und verfingen sich in der Harfe, die die eigentlichen Besitzer der Quinta hier hingestellt hatten. Überhaupt war dieses Zimmer für seinen Geschmack viel zu überladen. Trotz der Enge waren mehrere Statuen sowie große Bodenvasen aufgestellt. Schon als es ihm noch besser ging und er nicht die meiste Zeit in seinem Schlafzimmer verbracht hatte, war er mit diesem Platz im Haus nicht warm geworden und war meistens ziellos durch die anderen Räume geirrt.

Draußen im Garten konnte er den wachhabenden Soldaten sehen, der einsam seine Wege durch den Park ging. Immer im Stechschritt, das Gewehr geschultert. Was sollte das? Vor wem mussten sie hier auf Madeira beschützt werden? Oder sollten am Ende die Madeirenser vor ihnen geschützt werden? Das war sogar noch lächerlicher. Was konnte er denn schon tun? Einen Aufstand anzetteln? Zudem gab es für ihn keinen Weg von der Insel, der unbemerkt von den Siegermächten bleiben könnte.

Seine Frau Zita hatte heute Nacht unruhig geschlafen. Er wusste, dass sie in Sorge war, wie es jetzt mit ihnen weitergehen sollte.

In drei Monaten würde ihr achtes Kind geboren werden und er konnte ihm nicht das bieten, was es, seinem Titel gemäß, verdiente. Er hustete, ihm ging es seit Tagen nicht gut, tagsüber hielt er sich kaum auf den Beinen. Das versuchte er vor den Bediensteten und seiner Frau zu verstecken, damit niemand einen teuren Arzt rief. Wahrscheinlich hatte er sich verkühlt, als er hinunter nach Funchal gelaufen war. Jetzt wurde er für diesen Übermut und das Glück, das er empfunden hatte, als Carl-Ludwig über den kleinen Ochsenkarren aus dem Bazar do Povo vor Freude gestrahlt hatte, mit dieser heftigen Erkältung bestraft.

Er überlegte, ob er versuchen sollte, in den Garten zu gehen, um den Blick auf Funchal und den Atlantik zu genießen. So konnte er zumindest kurzzeitig dieser Enge entfliehen. Die Natur erwachte langsam zum Leben. Die wunderbaren, buschigen blauen Blüten, die unten im Tal schon überall zu sehen waren, erschienen auch oben in Monte mehr und mehr und durchbrachen das triste Grau.

 

Er wollte Maria fragen, was das für eine Blume war, die aus vielen kleinen blauen Blättern zu bestehen schien. Er hatte gesehen, wie sie sie gestern in großen Mengen abgeschnitten hatte. Bisher hatte er noch nicht herausgefunden, welchen der Räume sie damit verschönert hatte.

Vielleicht hatte sie sie in ihre kleine Kammer gebracht, um etwas Freude zu haben. Maria hatte trotz ihrer Jugend schon viel durchgemacht. In gewisser Weise war er nicht schuldlos daran. Als er im Oktober 1917 als aktiver Oberbefehlshaber der K. u. k.-Armee zugelassen hatte, dass das Giftgas verwendet wurde, hatte er Teile von Marias Familie ausgelöscht. Ihr Bruder und ihr Vater waren in der zwölften Isonzo-Schlacht elendig umgekommen. In seiner Erinnerung konnte er noch sehen, wie er hinterher über das Schlachtfeld gegangen war. Er hatte nicht den Befehl gegeben. Es waren die deutschen Generäle gewesen, die die Gasgranaten abgeschossen hatten. Aber das änderte nichts daran, dass er sich von dieser Schuld niemals lösen oder das Bild aus seiner Erinnerung tilgen könnte.

Der Anblick der Toten, die auf dem Schlachtfeld gelegen hatten. Erstarrt in grotesken Verrenkungen im Todeskampf mit teilweise leuchtend roten Flecken übersät. Folgen des Zyanids, wie er heute wusste.

Maria war im folgenden Jahr in Zitas und seine Dienste getreten, und es war die einfühlsame Zita gewesen, die die ganze Geschichte irgendwann von der damals 13-Jährigen erfahren hatte. Die große Familie hatte durch den Tod des Vaters und des Bruders nicht genug Geld für alle gehabt. So hatte sich Marias Mutter, die aus Österreich stammte, entschlossen, ihre Älteste als Dienstmädchen zunächst zu einer Tante nach Wien zu schicken. Lizzi Grünwald war eine Schauspielerin am Deutschen Volkstheater gewesen, und hatte mit ihrer blonden Schönheit einem Mitglied der österreichischen Hocharistokratie den Kopf verdreht. Dieser hatte sich nicht dazu hinreißen lassen, sie zu heiraten, so weit ging seine Liebe nicht. Aber er hatte ihr immerhin ein Stadtpalais in Fußweite zu seiner Residenz zur Verfügung gestellt, in dem sie ein angenehmes Leben führte. Durch einen Zufall hatte diese Tante ein Jahr später von der Stelle am Kaiserhof erfahren und es tatsächlich zustandegebracht, die Nichte dort unterzubringen. Dabei hatte Lizzi es zunächst geschafft, den väterlichen italienischen Teil von Marias Verwandtschaft zu verschweigen. Das wäre bei dem strengen Hofprotokoll in den Kriegszeiten ein Problem geworden, obwohl die Kaiserin selbst italienische Wurzeln hatte. Karl bewunderte Zita dafür, wie sie sich über das Protokoll hinweggesetzt hatte. Sie bestand darauf, dass Maria in ihren Diensten blieb, als nach einem halben Jahr der italienische Ursprung des neuen Dienstmädchens am Hof publik wurde. Zita hatte den Hütern des Protokolls deutlich gemacht, dass Maria keinen Groll gegen den Kaiser oder seine Familie hegte und dass sie, die Kaiserin, zum Wohle der Kinder keine Änderungen wünsche. In dieser Zeit musste die Familie schon genug ertragen, sodass sich Zita für die Kleinen ein wenig Stabilität und Kontinuität in ihrer direkten Umgebung wünschte. Maria war bemüht, es ihnen allen gut gehen zu lassen. Über all die Jahre war sie mit ihnen von einem Exil ins nächste geflohen. Sie waren wie die Vagabunden von Quartier zu Quartier gezogen, Genf und Budapest waren dabei gewesen und seit fünf Monaten lebten sie nun auf Madeira.

 

Immer war Maria ruhig und freundlich geblieben, allerdings hatte er bemerkt, dass ihr diese Insel besser gefiel als die Unterkünfte zuvor. Sie hatte angefangen, den Botanischen Garten zu besuchen, und hatte sich mit dem dortigen Gärtner angefreundet. Gegenüber Zita hatte er seinen Verdacht geäußert, dass sich da eine kleine Liebelei anbahnen könnte. Zita hatte gelacht und gemeint, dass er nicht genau hingeschaut hätte. Sonst hätte er bemerkt, dass seinen Kammerdiener und Maria schon lange mehr als die Arbeit verband.

In den letzten Wochen hatten sie noch mehr Einsparungen vornehmen müssen. Zuerst hatte Zita Butter und Süßigkeiten vom Speisezettel gestrichen. Fleisch gab es nur noch zu besonderen Gelegenheiten. Als Nächstes hatten sie die Köchin entlassen, um Geld zu sparen, und Maria fiel die Aufgabe zu, das tägliche Essen zuzubereiten. Kochen schien tatsächlich ihre Berufung zu sein. Das Essen wurde von ihr mit exotischen Früchten, Gemüsesorten und Gewürzen verfeinert, die sie im Garten selbst anbaute. Die kleinen Kinder waren nicht immer glücklich, aber Zita und er genossen die täglichen Überraschungen von Marias Kochkunst, die die eigentliche Kargheit der Mahlzeiten verbarg.

Ihre Erfindungsgabe war Gold wert in dieser Zeit, in der es kaum möglich war, viel Nachschub aus Funchal zu holen. Der Transport mit Ochsenkarren war zu teuer und ein Gang von unten hoch und voll bepackt mit Einkäufen kam einer Tagereise gleich.

Maria war ein liebes und einfühlsames Mädchen. Das stellte er täglich aufs Neue fest. Sie war die Einzige gewesen, die sofort bemerkt hatte, dass er sich bei seinem Ausflug überanstrengt hatte. Gleich am nächsten Morgen hatte sie angefangen, ihm einen warmen Tee aus Kräutern und Gewürzen zuzubereiten, der leicht weihnachtlich schmeckte. Sie meinte, das würde von innen wärmen und die Kälte aus seinen Gliedern vertreiben. Leider hatte es bisher nicht geholfen. Er fühlte sich nicht besser, sondern litt fast ständig unter leichten Kopfschmerzen und Schwindel.

Heute war es besonders schlimm, er konnte sich kaum auf den Beinen halten und hatte jetzt auch noch Beklemmungen in der Brust. Vielleicht sollte er sich lieber in sein Schlafzimmer zurückziehen und ausruhen. Wenn sie nur keinen Arzt rufen mussten.

 

18.12.1977 21:07 – Gaula

Paolo Fernandez bereitete sich auf den nächtlichen Fischfang für den Espada preta vor. Sorgfältig prüfte er die Köder an der langen Leine. An unzähligen Haken hingen die kleinen Kalmare.

Seit fast 20 Jahren fuhr er hinaus, wenn es dunkel war, um den Degenfisch zu holen. Den Fisch, den keiner von ihnen je lebendig gesehen hatte. Sobald sie ihn aus den großen Tiefen hochholten, platzte die Schwimmblase, die Augen traten hervor. Er hatte gehört, dass der Fisch die Farbe von einem goldenen Braun haben sollte, aber der Tod machte alles schwarz. Der Fisch sah aus wie eine Kreuzung aus Barrakuda und Aal, ein langer Leib mit einem gewaltigen schiefen Maul mit spitzen Zähnen. An manchen Tagen hatte er Pech und die Haie waren schneller als er: Dann holte er aus den Tiefen nur noch die Köpfe hervor, die an den Leinen baumelten.

Sein Leben drehte sich um diesen Fisch, seitdem er zum ersten Mal im Alter von neun Jahren seinen Vater zum nächtlichen Fischfang begleitet hatte. In seiner Erinnerung konnte er noch die Mischung aus Angst und Aufregung spüren, die er empfunden hatte, als er als Kind mit dem Vater hinausfuhr. Das Meer unter ihm war wie ein dunkler Abgrund, kein Boden sichtbar. Zwischendurch durchschnitt die Flosse eines Hais oder ein springender Delfin die Wellen. Genau wie sein Vater hatte er nur diese Arbeit, gelernt hatte er nichts. Seine Hände waren die Hände eines alten Mannes, geschunden und zerschnitten vom Einholen der Leinen. Handschuhe zum Schutz hatte er nie gehabt. Zu Hause wartete seine Frau auf ihn. Er wusste, sie würde wieder beten, dass er heil zu ihr zurückkommt und das Meer ihn nicht holt, wie viele andere vor ihm. Er sah sie vor sich, wie sie an dem kleinen Altar im Hause kniete und die Jungfrau Maria bat, über ihn zu wachen. Die Kinder waren sicher schon im Bett und ahnten nichts von den Ängsten ihrer Mutter. Sie war eine gute Frau, und sie wusste, dass er zu ihr nach Hause kam, sobald er den Lohn für seine Arbeit hatte. Anders als viele andere Fischer, die das Geld in der Bar bei Ponchas und beim Kartenspiel ließen. Ihm war es egal, wenn die anderen ihn aufzogen, dass er sich von seiner Frau alles vorschreiben ließ. Sie verwaltete das Geld, sparte für ihre gemeinsamen Träume. Die Kinder sollten es einmal besser haben als sie beide.

 

Als er gerade die fast 1000 Meter lange Leine aufrollte, hörte er die Sirenen. Unruhe machte sich bei den Fischern breit. Was war los?

Filipe kam über den Kai herunter zu den Booten gelaufen.

»Schnell, ein Flugzeug ist beim Landen abgestürzt und im Meer gelandet. Wir sollen in Richtung Machico mit den Booten raus und helfen. Vielleicht hat jemand überlebt.«

Die meisten der Fischer ließen sofort ihre Motoren an und fuhren ohne Zögern in die Dunkelheit. Zwar kannten sie die Gewässer rund um Madeira in- und auswendig, aber sie wussten nicht, wie sie einen Menschen in der winterlichen Brandung finden sollten. Das Einzige, was sie sicher wussten, war, dass sie nicht viel Zeit hatten, wenn sie noch Überlebende finden wollten. Der Winter war dieses Jahr für Madeira ausgesprochen kalt, und lange konnte man nicht im Wasser überleben.

Paolo starrte in die Nacht und versuchte angespannt, etwas zu erkennen. Zum Glück war es verhältnismäßig klar, sodass der halbe Mond ein weißlich silbriges Licht über den Atlantik schickte. War dort vorne etwas? Er hielt darauf zu.

Auf einmal hörte er ein dumpfes Geräusch. Etwas war gegen sein Boot geprallt. Als er sich über die Reling beugte, schaute er in das Gesicht einer alten Frau, die rücklings auf dem Wasser trieb. Für sie kam jede Hilfe zu spät, das konnte er an dem starren Blick der toten Augen erkennen. Inständig hoffte er, dass er heute Nacht nicht nur in solche Augen sehen würde.

Jetzt roch er es. Das Salz des Meeres paarte sich mit einem öligen ätzenden Geruch. Das musste aus dem Flugzeug kommen. Vielleicht Treibstoff? Er hatte gehört, dass Flugzeugtreibstoff schnell brannte und zudem hoch giftig war. Paolo wollte sich nicht ausmalen, was das für die Menschen, die jetzt hier im Wasser schwammen, bedeuten könnte. Schnell machte er die Zigarette aus, die meistens beim Arbeiten in seinem Mundwinkel hing, und schmiss diese in einen von den Behältern, die er für den Fangfisch vorbereitet hatte und der schon Wasser enthielt. Wenn er sie nun aus Versehen, wie sonst auch, über die Reling geschnippst hätte? Er hoffte, dass auch die anderen Fischer so schlau waren wie er, sonst würde dieser Abend in einem Inferno enden.

Vor sich meinte er, im Mondschein die milchigen Umrisse von menschlichen Gesichtern wahrzunehmen. Vorsichtig hielt er darauf zu. Ein junger Mann und eine junge Frau tauchten vor ihm auf. Sie war schon völlig entkräftet und Paolo sah, wie der Mann versuchte, ihren Kopf über dem Wasser zu halten. Er näherte sich. Hineinspringen und dem Mann helfen konnte er nicht, wie viele Fischer konnte er nicht schwimmen.

Sein Vater hatte immer gesagt: »Warum sollen wir lernen zu schwimmen? Wenn wir unser Boot verlassen, sind wir verloren, ein Mann, der nicht schwimmen kann, bleibt bei seinem Boot. Und er wird alles tun, um das Boot heil in den Hafen zurückzubringen.«

Er versuchte mithilfe des Mannes die Frau, die kaum noch bei Bewusstsein war, über Backbord ins Boot zu hieven. Mehrfach dachte er, die Last würde ihn mit hinunterziehen, aber irgendwann hatte er es geschafft, und das zitternde Paar lag vor ihm auf dem Deck. Zum Glück hatte Paolo ein paar alte Decken an Bord, die er in den langen Stunden nachts für sich selbst nutzte, wenn er auf den Degenfisch wartete.

Um Paolos Boot herum tauchten noch mehr Fischerboote und Boote der Küstenwache auf, die die Menschen aus dem Wasser zogen. Paolo hörte die Überlebenden verzweifelt schreien, es war ein Albtraum. Und immer wieder sah er regungslose Körper vorbeitreiben, die von den Booten eingesammelt wurden. Mit Blick auf die zitternde und schluchzende Frau in seinem Boot beschloss er, bevor er weitersuchte, erst einmal die beiden an den Strand zu bringen und sie an den hoffentlich wartenden pronto-socorro, den Rettungswagen der Ambulanz, zu übergeben.

Am Strand vor der Unglücksstelle wimmelte es vor Menschen. Auf der nahe liegenden Küstenstraße konnte Paolo mehrere Rettungswagen und Feuerwehrautos ausmachen. Leider hatten sich, trotz des stürmischen Wetters, bereits einige Schaulustige versammelt, die jetzt die Rettungskräfte behinderten. Er übergab die beiden Franzosen an einen Sanitäter und sah aus den Augenwinkeln, dass auch Filipe ein paar Überlebende gefunden hatte.

Leider hatten nicht alle Glück gehabt. Schwarze Bündel, notdürftig verhüllt, reihten sich auf dem steinigen Untergrund auf. Stumme Zeugen dieser Nacht, die für viele den Tod gebracht hatte.

Paolo zählte elf Tote, aber er glaubte nicht, dass das Meer bereits alle Toten wieder hergegeben hatte. Von dem jungen Franzosen, den er gerettet hatte, hatte er erfahren, dass er und seine Frau sich zuerst nicht hatten befreien können und sie nur durch großes Glück, weil ihre Sitzbank sich löste, aus dem Flugzeug getrieben worden waren. Wie viele Menschen befanden sich noch in dem Wrack? Er sah die ersten Taucher an den Strand kommen und auf Boote gehen. Aber was wollten sie in der Dunkelheit nach so langer Zeit noch finden? Es mussten seit dem Absturz mittlerweile fast zwei Stunden vergangen sein.

 

06.11.2011 16:37 – Funchal

Comissário Avila dachte über die rothaarige deutsche Touristin und ihren Mann nach. Sie wirkten nicht wie die typischen Touristen, die er normalerweise auf Madeira traf. Diese beiden versuchten zumindest, ein paar portugiesische Floskeln anzuwenden, und verständigten sich ansonsten in fließendem Englisch. Der hochgewachsene Ben Boysen wirkte auf den ersten Blick abweisender als seine Frau, er schien erst genau zu beobachten, wem er gegenüberstand. Dann offenbarte er aber ein ähnlich freundliches Wesen wie Pauline Boysen. Natürlich nicht bei Weitem so gesprächig, dachte Avila schmunzelnd. Aufgrund der Personalien wusste Avila, dass beide Mitte dreißig waren, sie wirkten aber jünger und ziemlich sportlich auf ihn. Wie viele Touristen waren morgens um sieben zum Laufen auf der Levada? Vielleicht sollte er auch wieder anfangen, morgens laufen zu gehen. Er blickte auf seinen Bauch, der sich deutlich über seinen Hosenbund wölbte. Am besten nächstes Wochenende. Er könnte nach dem Lauf gleich beim Bäcker im Ort vorbeigehen und warme Natas und Cornettos zum Frühstück für Leticia und sich besorgen. Ja, ein ausgiebiges Frühstück mit Leticia war ein schöner Plan fürs Wochenende.

 

Wo war er noch einmal gewesen? Seine Gedanken kehrten zurück zu dem deutschen Ehepaar. Konnte er sich die beiden als Mörder vorstellen? Nein, er würde sie weiter als Zeugen, nicht als Verdächtige behandeln. Er vertraute auf seinen Instinkt, und sein Bauchgefühl sagte ihm, dass etwas anderes dahinterstecken musste.

Das Ergebnis der Gerichtsmedizin lag noch nicht vor. Aufgrund der Positionierung der Leiche gingen sie von einem Mord aus. Avila fragte sich, was das Bett aus Hortensienblüten zu bedeuten hatte. Es war eine Zurschaustellung des Todes gewesen. Kein Verbergen der Leiche, mehr ein Zudecken, als wollte jemand dem Toten ein Bett aus Blüten schaffen. Ein beinahe liebevoller Akt im Angesicht des Todes. Eine Tat im Affekt konnten sie auf jeden Fall ausschließen, dies war eine Inszenierung. Oder gab es zwei Täter? Einer, der mordete, und ein zweiter, der versuchte, die Grausamkeit mit Blüten zu bedecken? Er wurde nicht schlau aus dem Ganzen. Er konnte nur hoffen, dass die Obduktion ihm mehr Anhaltspunkte lieferte.

 

Er hatte seinen Subcomissário Vasconcellos gebeten, den Hintergrund des Toten mehr zu beleuchten. Wie immer hatte Vasconcellos innerhalb kürzester Zeit ein umfassendes Profil geliefert. Senhor DeFreitas war durch seine Position als Direktor des Colonial eine bekannte Persönlichkeit auf Madeira gewesen. Das Hotel war fast 90 Jahre im Familienbesitz. Damit war es noch nicht so lange etabliert wie das Reid’s, aber dennoch eine Institution auf Madeira.

DeFreitas war von seinem Vater als Jugendlicher nach Genf geschickt worden, wo er mehrere Jahre im Hotel Kempinski sein Handwerk gelernt hatte. Vasconcellos hatte über seine Großmutter erfahren, dass der alte DeFreitas von Anfang an hart mit dem Sohn gewesen war. Während der Zeit in Genf hatte der Alte ihm untersagt, nach Madeira zu kommen. Er sollte sich auf seine Lehre konzentrieren. Alles andere war nach Auffassung des Vaters Geldverschwendung. Das war so weit gegangen, dass er seinen Sohn nicht benachrichtigt hatte, als die Mutter an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt war. Als Lucca deFreitas schließlich durch die alte Senhora Valdebosque davon hörte, hatte er sich Geld leihen müssen, um nach Madeira zu kommen. Er verlor wertvolle Zeit und kam zu spät. Seine Mutter war einen Tag vor seiner Ankunft gestorben. Das hatte endgültig einen Keil zwischen Vater und Sohn getrieben. Vasconcellos’ Großmutter konnte sich noch gut an die Beerdigung erinnern. Der Sohn aufgelöst und in Tränen, der Vater versteinert und scheinbar ohne jegliche Emotion. Keiner von beiden hatte den anderen eines Blickes gewürdigt. Kein Wort hatten sie gewechselt. Sofort nach der Beisetzung war der Sohn nach Genf zurückgekehrt und hatte sich im Kempinski bis zum stellvertretenden Direktor hochgearbeitet. Erst Jahre später, nach dem Tod seines Vaters, hatte er Madeira wieder betreten.
Der Vater hatte das Colonial in seinen letzten Lebensjahren heruntergewirtschaftet. Verlassen von Frau und Sohn hatte er sich zurückgezogen und das Hotel einem Verwalter überlassen, der es mehr schlecht als recht führte. Als DeFreitas zurück kam, hatte er das Colonial mit neuen Ideen wieder zu einem der ersten Hotels auf Madeira gemacht. Im Gegensatz zu seinem Vater verstand er es, auf Menschen zuzugehen und sie für sich zu gewinnen. Aus dem Familiensitz, der auf dem Gelände des Colonial stand, hatte er sämtliche Spuren seines Vaters getilgt. Selbst mit dem toten Vater war er noch unversöhnlich. Das Grab der Mutter wurde gepflegt, das des Vaters wucherte zu und verkam. Neben seiner Leidenschaft für das Colonial hatte Lucca DeFreitas nur noch eine weitere: die Frauen. Er liebte sie und sie liebten ihn. Stets war er großzügig mit seinen Geliebten und es gab erstaunlicherweise, trotzdem man sich auf Madeira kannte, kein böses Blut zwischen den Verflossenen. Diese Tatsache schien Vasconcellos besonders zu faszinieren, stellte Avila fest. Scheinbar hatte er andere Erfahrungen gemacht, dachte Avila belustigt, den Ruf seines Subcomissários als Frauenheld im Hinterkopf.

»Wusstest du, dass er das Colonial vergrößern wollte?«, unterbrach Vasconcellos in diesem Moment seinen Gedankengang. »Er soll scharf auf das Grundstück oberhalb von Monte gewesen sein, was nach dem verheerenden Brand letztes Jahr im Parque Ecológico do Funchal als Bauland freigegeben worden ist.«

Avila erinnerte sich. Wie so oft bei Bränden auf Madeira lag der Verdacht der Brandstiftung nahe. Bauland war knapp auf der Insel und viele begehrte Lagen waren als Naturschutzgebiet ausgewiesen und nicht für den Bau bestimmt. Das in dem Fall betroffene Gebiet war auffallend schnell nach diesem furchtbaren Brand, bei dem ein Feuerwehrmann ums Leben gekommen war, als Baugebiet ausgezeichnet worden. Man munkelte, dass Korruption im Spiel war. Das zumindest hatte ihm Vasconcellos gesagt, der als Madeirenser gut vernetzt war. Dies deckte sich mit Avilas Wahrnehmung und Information. Aufgrund seiner alten Verbundenheit zu Lissabon las Avila immer noch gerne die dortige Tageszeitung »Diário de Noticias« und hatte hier vor einiger Zeit schon Artikel zu diesem Thema gelesen. Die madeirensischen Tageszeitungen hielten sich mit ihrer Kritik deutlich zurück. Das mochte an den allgemein bekannten Verflechtungen von Politik und der Presse auf Madeira liegen. Unabhängige Pressestimmen waren auf der Insel selten zu vernehmen und eindeutig nicht gewünscht.

Avila hoffte, dass es keine politischen Hintergründe für den Mord gab, das würde seine Arbeit unnötig erschweren. Bei dem Gedanken, dass sich die örtliche Regierung einmischen könnte, wurde ihm ganz schlecht. Er war kein politischer Mensch, was ihm bereits das ein oder andere Problem in seiner beruflichen Laufbahn eingebracht hatte. Auf Madeira kam noch erschwerend hinzu, dass er nicht, wie die meisten alteingesessenen Madeirenser, die Verbindungen und Seilschaften durchschaute und dementsprechend nicht wusste, in welches Wespennest er mit seinen Ermittlungen stach. Nicht, dass es ihm etwas ausgemacht hätte. Avila hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der ihn schon als junger Mann veranlasst hatte, sein Ingenieurstudium abzubrechen und die Polizeilaufbahn einzuschlagen. Er wollte immer den Schuldigen bestrafen, koste es, was es wolle. Diese Einstellung hatte ihm zwar den Ruf eines guten Ermittlers gebracht, aber es war fast von Anfang an klar, dass er so keine großartige Karriere machen konnte. Unzählige Male hatte er Diskussionen mit Vorgesetzten geführt, dass er nicht loyal sei, weil er keine politischen Spiele mitgespielt hatte und bei der Wahrheit geblieben war. So war er immer wieder bei Beförderungen in einflussreichere Positionen übergangen worden. Für ihn war das in Ordnung. Er wollte sich nicht verbiegen lassen und morgens noch in den Spiegel schauen können.

 

Seine Frau war da durchaus anderer Meinung als er. Leticia kam aus einer wohlhabenden spanischen Familie, die bei Barcelona ein großes Anwesen hatte. Sie hatten aus Liebe geheiratet. Er erinnerte sich noch an ihre erste Zeit auf dem Campus in Lissabon. Jedes Mal, wenn er sie gesehen hatte, hatte er weiche Knie bekommen. Als sie sich tatsächlich für ihn entschieden hatte, den kleinen Ingenieurstudent aus einer Arbeiterfamilie, hatte er sein Glück nicht fassen können.

Er hatte alles getan, um ihr zu gefallen und ihre Eltern davon zu überzeugen, dass er der Richtige für sie war. Sein Schwiegervater in spe hatte ihn einer regelrechten Prüfung unterzogen. Als stolzer Katalane hatte er mit Avila eine waghalsige Bergtour in den Pyrenäen gemacht, nur um sicherzustellen, dass sein Schwiegersohn auch schwindelfrei war. Für Avila waren zu dem Zeitpunkt die sieben Hügel von Lissabon, die nicht viel höher als 200 Meter waren, die einzigen Berge gewesen. Dennoch hatte er diese Prüfung mit Bravour bestanden und letztendlich seine Leticia in einer kleinen Dorfkirche bei Barcelona geheiratet.

Aber über die Jahre und seine Arbeit war vieles auf der Strecke geblieben. Es fing mit Kleinigkeiten an. Gemeinsame Abende mit Freunden, bei denen er wegen aktueller Ermittlungen nicht erschien. Urlaube, die sie absagen mussten, weil er zu viel zu tun hatte. Am Anfang war sie noch stolz gewesen, dass er unentbehrlich im Büro war. Dann sah sie, wie die Kollegen an ihm auf der Karriereleiter vorbeizogen. Welche Autos diese mittlerweile fuhren und in welchen Häusern sie lebten. Und nicht zuletzt, wie viele Kinder sie hatten. Sie hatten da immer noch im selben kleinen Apartment in der Altstadt von Lissabon gewohnt. Er fand es wunderschön, morgens vom Balkon aus über die Dächer zu schauen, ihr wurde das alles zu eng. Immer öfter musste er sich das in ihren abendlichen Streitgesprächen anhören. Sie sprach von verschenkten Jahren und der Einsamkeit, die sie verspüre, weil er nie da sei und sie keine Kinder hätten. Und ständig müsse sie abends alleine zu den gesellschaftlichen Veranstaltungen gehen. Wie sie die mitleidigen Blicke ihrer Freunde hasste. Und an allem sei er schuld. Er hatte gehofft, dass es auf Madeira besser werden würde. Hier waren sie weit weg von Leticias alten Studienfreundinnen, die ihr ständig mit ihren Geschichten über das Leben in gehobenen Kreisen in den Ohren lagen. Leider kam es anders. Auch auf Madeira ging es um Geld, sehr viel Geld. Und hinter der schönen Fassade der Insel gab es noch mehr Korruption als auf dem Festland. Leticia verbrachte die meiste Zeit im Golfklub mit neuen Freunden, die er zum größten Teil nicht kannte. Aber anders als in Lissabon schien das Leticia nicht mehr zu stören. Sie bestand nicht mehr darauf, dass er sie abends begleitete. Resignierend musste er feststellen, dass Leticia und er sich so fern waren wie nie.

 

Er schüttelte den Kopf, um die Gedanken an seine verkorkste Ehe zu vertreiben und sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren. Die Spur mit dem Bauland musste er weiter verfolgen, um seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Brände auf der Insel gab es ständig. Die Folge war, dass die aufgrund des Laurazeenwaldes geschützten Teile schnell als Bauland freigegeben werden konnten, da es nach so einem Brand keinen Wald mehr gab. Avila wunderte es nicht, dass sich einige hochrangige Parlamentarier seit Jahren erfolgreich gegen die Aufhebung ihrer Immunität wehrten, um möglicher Strafverfolgung wegen Bestechlichkeit zu entgehen. Der Ausverkauf der Insel war nicht zu übersehen.

Das Bauland oberhalb von Monte war besonders begehrt, wegen des wunderbaren Blickes auf die Stadt Funchal und ihren Hafen. Auch wenn es oben kühler war, gerade die Touristen, die aus Gefilden wie England oder Norddeutschland kamen, schätzten es in den Sommermonaten, wenn es nicht ganz so heiß war.

»Hat er den Zuschlag für das Land bekommen?«, fragte er Vasconcellos, der geduldig gewartet hatte, bis sein Chef gedanklich zu ihrem Gespräch zurückgekehrt war. »Die letzte Sitzung des Gemeinderates von Monte, die über die Vergabe der Grundstücke entscheidet, soll morgen stattfinden. Ich schätze mal, dass unser Direktor kein Gebot mehr abgeben wird«, antwortete Vasconcellos trocken. »Wir sollten morgen an dieser Sitzung teilnehmen und schauen, wer sich sonst noch so für das Bauland interessiert. Vielleicht finden wir unter seinen Konkurrenten jemanden mit großen Ambitionen. Ich werde bis dahin versuchen, noch mehr über die Mitinteressenten herauszubekommen.«

»Das ist gut«, entgegnete Avila. »Ich werde mich jetzt auf den Weg in die Gerichtsmedizin machen und hoffentlich erfahren, wie DeFreitas umgekommen ist. Wenn ich Doutora Souza schon dazu bringe, heute, am Sonntag, zu arbeiten, sollte ich nicht zu spät kommen.«

28.03.1922 11:22 – Monte

Zita war besorgt. Karls Zustand hatte sich in den letzten Tagen verschlechtert. Er hatte es lange vor ihr geheim halten können, aber letzte Woche hatte sie schließlich den Arzt gerufen. Die Diagnose war nicht sehr hilfreich. Der Mediziner vermutete, dass Karl die feuchte Kälte in Monte nicht vertrug und sich eine Lungenentzündung zugezogen hatte. Es könnten aber auch Anzeichen der Spanischen Grippe sein, die zurzeit überall in Europa grassierte.

Karls rasselnder Atem war im ganzen Haus zu hören. Maria kümmerte sich aufopferungsvoll um ihn. Sie wechselte den heißen Ziegel in seinem Bett beinahe stündlich, damit er es warm hatte. Sie bereitete ihm seine Lieblingsspeisen und warme Getränke, aber Karl wurde immer schwächer. Die letzten Tage hatte er zudem einen verwirrten Eindruck gemacht. Er war sich zeitweise gar nicht bewusst, dass er auf Madeira war, sondern schien in seinen Fieberträumen durch die Gemächer der Hofburg zu gehen.

Selbst die kleinen Prinzen hatten gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Anstatt wie sonst durch das Haus und den Garten zu toben, schlichen sie jetzt herum und flüsterten nur, wenn sie in die Nähe des Zimmers ihres Vaters kamen. Einzig das Baby schien sich nicht an die allgemeine Stille halten zu wollen. Im Gegenteil, immer öfter hörte Zita es schreien, wenn die Amme nicht schnell genug bei ihm war. Zita war jetzt im siebten Monat, und bei ihrem morgendlichen Blick in den Spiegel hatte sie bemerkt, wie müde und erschöpft sie aussah. Die Sorge um ihren Mann und die Anstrengungen hatten sie altern lassen. Ihre Kammerdienerin hatte vorgeschlagen, dass sie heute mit dem Korbschlitten hinunter nach Funchal fahren sollten, damit Zita abgelenkt würde.

Ein Bummel durch die Straßen, kombiniert mit einem kleinen Einkauf wäre wirklich eine gute Idee. Vielleicht sollte sie sich gleich nach dem morgendlichen Mahl auf den Weg machen. Sie hoffte, dass sie heute Glück hatten und für den Rückweg die Caminho de Ferro nehmen konnten. Die Eisenbahn fuhr leider nicht immer. Karl würde nicht glücklich über diese Idee sein, denn vor drei Jahren hatte es ein schweres Unglück mit der Eisenbahn gegeben, als der Kessel der Lokomotive explodiert war. Damals waren vier Menschen gestorben und erst ein Jahr später war die Bahn wieder in Betrieb genommen worden. Aber ein Aufstieg wäre in ihrem Zustand unmöglich, und die Ochsenkarren waren erheblich teurer als ein Ticket für die Bahn.

 

Die Folgen des Juwelenraubes waren für sie alle furchtbar. Sie hatten die Juwelen aus Wien mitgenommen, um das Leben im Exil zu finanzieren. Zita konnte immer noch nicht fassen, dass sie das alles verloren hatten. Teile der Juwelen hatten sie verwendet, um Karl zurück auf seinen rechtmäßigen Platz zu bringen. Zweimal hatten sie nach 1918 versucht, in Ungarn wieder an die Macht zu kommen, jedes Mal waren sie gescheitert. Die Finanzierung dieser Versuche hatte einige der Juwelen gekostet. Ende 1921 hatten dann die Weltmächte beschlossen, dass sie nach Madeira verbannt werden müssten, da eine Anwesenheit Karls in Europa politisch nicht mehr tragbar war. Im Gepäck hatten sie nur wenige der wertvollsten Stücke der Kronjuwelen gehabt. Vor allem der Florentiner, der viertgrößte Diamant der Welt, der in eine Hutnadel eingearbeitet war, und die Brillantkrone von der Kaiserin Elisabeth, die sie, Zita, bei ihrer Krönung getragen hatte, waren eine gute Versicherung gewesen. Ansonsten hatten sie noch die Rosa Tropfen, Brillanten von der Kaiserin Maria Theresa, und zwei Goldarmbänder mit Smaragden bei sich gehabt. Aber an einem Morgen im Hotel Viktoria war die Schatulle mit den Juwelen leer gewesen. Zita war nach wie vor überzeugt, dass es jemand gewesen sein musste, der die Familie gut kannte. Sie hatten im Exil dafür gesorgt, dass die Diamanten nicht öffentlich zur Schau gestellt wurden, um keine Neider und Diebe anzulocken.

Leider hatten sie selber den Diebstahl nicht publik machen können, da sie sich die Kronjuwelen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion kurz vorm Verlassen der Wiener Hofburg angeeignet hatten. So würden die Diebe wohl davonkommen.

Vor allem Maria, das Hausmädchen, hatte sich den Diebstahl schwer zu Herzen genommen. Sie schlief in der Kammer neben dem Ankleidezimmer, in dem die Juwelen gewesen waren, und machte sich jetzt Vorwürfe, dass sie in der Nacht nichts gehört hatte.

Seitdem mied Maria fast jeden Kontakt mit den anderen Dienstboten, dabei hatte Zita sich insgeheim über die Romanze zwischen Maria und dem Kammerdiener von Karl gefreut. Sie hatte sich schon vorgestellt, für die beiden eine Hochzeit zu planen. Das wäre für ihren kleinen Haushalt ein Lichtblick gewesen, der etwas von den Sorgen der letzten Monate hätte ablenken können. Jetzt suchte der Kammerdiener aber, anstatt mit Maria durch den Garten in Monte zu spazieren, ständig den Kontakt zu dem Oberkellner ihres alten Hotels in Funchal. Ein schlechter Einfluss. Zita hatte ihn mehrmals dabei erwischt, dass sein Atem morgens, wenn er einen freien Abend in Funchal verbracht hatte, nach Alkohol roch. Karl schien es nicht zu bemerken und sie wollte in seinem Zustand nicht noch unnötige Aufregung in sein Leben bringen, indem sie seinen Kammerdiener austauschte. Auch war es fraglich, ob sie auf Madeira jemanden fanden. Zwar waren die Menschen hier äußerst hilfsbereit und liebenswürdig, aber Zita hatte in Bezug auf Etikette bestimmte Ansprüche, die sie wahrscheinlich nicht durch einen Einheimischen, der den Wiener Hof nicht kannte, erfüllen konnte. Das Gefühl der Heimatlosigkeit, das sie die letzten Jahre verfolgte, war nicht verschwunden. Sie war immer eine Vertriebene gewesen. Schon als Kind. Zum Glück war von ihrer Mutter bei der Erziehung großer Wert auf Disziplin, Bescheidenheit und Pflichterfüllung gelegt worden, sodass sie die Entbehrungen hier einfacher ertragen konnte. Aber auch sie musste schlucken, wenn sie morgens in ihre notdürftig mit kaltem Wasser und Seife gereinigten Kleider stieg. Es waren furchtbare Zeiten für die Familie.

Vorsichtig öffnete Zita die Tür zum Schlafzimmer ihres Mannes. Er schien nach dieser unruhigen Nacht endlich eingeschlafen zu sein. Leise wies sie ihre Kammerdienerin an, ihr Mantel und Hut zu bringen und sich fertig zu machen, um sie hinunter in die Stadt zu begleiten. Draußen hatten sich die morgendlichen Nebelschleier verzogen und gaben den Blick auf Funchal mit seinem Hafen frei. Unten im Tal schienen frühlingshafte Temperaturen zu herrschen. Zita beschloss, den Tag zu genießen und die Geldsorgen für heute hinter sich zu lassen. Sie ging mit ihrer Kammerdienerin zum Startpunkt der Korbschlitten. Vorbei an den typischen weiß verputzten Häusern mit ihren Ziegeln oder Stroh gedeckten Dächern ging es hinunter nach Funchal.

06.11.2011 17:09 – Funchal

Die Gerichtsmedizin, Médico-Legal e Forense da Madeira, war im Hospital Central do Funchal in der Avenida Luís de Camões 9000 untergebracht. Avila entschied sich, die sonntägliche Ruhe in der Innenstadt zu nutzen und die halbe Stunde zu Fuß zum Hospital zu gehen. So konnte er noch die Altstadt von Funchal genießen und tat außerdem seiner Frau einen Gefallen, die ihm ständig predigte, er solle sich mehr bewegen.

In den nüchternen Räumlichkeiten der Gerichtsmedizin herrschten fast arktische Temperaturen. Die Gerichtsmedizinerin erwartete ihn zum Glück in ihrem kleinen Büro. Dafür war Avila dankbar, hatten doch vorherige Begegnungen meist unweit der noch laufenden Obduktion stattgefunden. Ein Umstand, der ihm seinen doch sonst eher ausgeprägten Appetit verdorben hatte. Ihm reichte schon der leicht süßliche Geruch, der hier überall durch die Gänge wehte, gepaart mit den säuerlich-stechenden Ausdünstungen des Formaldehyds. Er mochte sich gar nicht vorstellen, wie es war, hier ständig arbeiten zu müssen. Dann lieber der Geruch nach abgestandenem Kaffee und kaltem Zigarettenrauch, der im Polizeipräsidium vorherrschte.

Doutora Souza saß hinter ihrem Schreibtisch, als er das Büro betrat. Sie war eine sportliche Endfünfzigerin, mit kurzen blonden Haaren, die an den Schläfen bereits grau wurden. Passend zu ihrem uneitlen Wesen, färbte sie sich das Haar nicht. Sie war eine Frau, die für ihren Beruf lebte und nicht viel Zeit für Äußerlichkeiten verschwendete.

»Ach Comissário, wollen Sie sich mit mir über unseren Neuzugang unterhalten?« Sie streckte ihm ihre kräftige Hand mit den kurz geschnittenen Fingernägeln zur Begrüßung entgegen.

»Ich muss sagen, von dem berühmten Charme des DeFreitas sehe ich nicht mehr viel. Ich würde ihn jetzt definitiv von der Bettkante schubsen.« Sie lachte trocken.

Avila staunte immer wieder, welch seltsamen Humor Gerichtsmediziner entwickelten. Das musste wohl die ganz eigene Art von Schutz in diesem Beruf sein.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783738041538
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Mai)
Schlagworte
Meerblick Regiokrimi Strandlektüre Mord Madeira Portugalkrimi Krimi Cosycrime Portugal Private Ermittlerin Insel Humor Thriller Spannung Historisch

Autor

  • Joyce Summer (Autor:in)

Joyce Summer lebt ihren Traum mit Krimis, die in sonnigen Urlaubsorten spielen. Politik und Intrigen kennt sie nach jahrelanger Arbeit als Projektmanagerin in Banken und Großkonzernen zur Genüge: Da fiel es Joyce Summer nicht schwer, dieses Leben hinter sich zu lassen und mit Papier und Feder auf Mörderjagd zu gehen. Die Nähe zu Wasser hat es Joyce Summer angetan. Sei es in ihren Büchern, die immer Schauplätze am Wasser haben, oder im echten Leben beim Kajakfahren auf Alster und Elbe.
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Titel: Mord auf der Levada