Lade Inhalt...

True Love Bad Guys ... wahre Liebe lohnt sich doch

Liebesroman

von Anna Graf (Autor:in)
246 Seiten

Zusammenfassung

Ich bin Katie Jensen, achtundzwanzig Jahre alt, Frontfrau in meiner eigenen Band und in punkto Männer weiß ich genau, was ich will!
Mir ist klar, dass eine Frau, die so etwas sagt, schnell als Schlampe abgestempelt wird, aber warum sollte ich lügen? Ich mag Männer und ich nehme sie mir, sobald ich Lust drauf habe.
Mit Männern hatte ich immer ein leichtes Spiel, aber aus Marcus, diesem menschgewordenen Gott mit den dunklen Augen, werde ich einfach nicht schlau. Er ist der schönste Mann, den ich jemals gesehen habe, er hat den schönsten Körper, den ich jemals berührt habe. Er ist einfach fantastisch … so fantastisch, dass ich ihm die meiste Zeit am liebsten ein langes Messer zwischen die Rippen rammen würde.
Er ist undurchschaubar, gefährlich und ein Buch mit sieben Siegeln … Ich fürchte, ich bin ihm nicht gewachsen.

Zu diesem Buch gibt es einen „Ableger“:
„Liebesurlaub“ knüpft lose an „True Love Bad Guys“ an und erzählt die Liebesabenteuer, die Katies beste Freundin Alex auf Mallorca erlebt.
Beide Bücher stehen für sich, man kann sie unabhängig voneinander lesen.

Weitere Romane von Anna Graf:
"JUST LOVE - Verhängnisvolle Affären_1 - New York"
"JUST LOVE - Verhängnisvolle Affären_2 - Los Angeles"
"JUST LOVE_3 - Am Abgrund"
„MORDSmäßig verliebt“ Liebe, Mord und Mafia – Ein ziemlich krimineller Liebesroman
„MORDSmäßige Leidenschaft“ Tödliches Verlangen – Noch ein ziemlich krimineller Liebesroman
"(K)ein flotter Dreier"
"Lieb mich zweimal, Baby"

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Eins

Sie stritten sich … mal wieder. Die Stimme meiner Mutter überschlug sich in hohem Stakkato, Tommy, ihr Freund, brüllte zurück, eigentlich war alles wie immer, aber ich hatte die Nase voll und verzog mich nach oben auf mein Zimmer. Konnten sich die beiden nicht fetzen, wenn ich nicht zu Hause war? Das alles kotzte mich maßlos an.

Gut, Mama hatte nach dem Tod meines Vaters eine schwere Zeit durchgemacht, aber jetzt war sie nicht mehr wiederzuerkennen. Ich wusste, dass sie mit meinem Vater nicht glücklich gewesen war, die Ehe der beiden war, gelinde gesagt, eine Katastrophe. Mit meinem Vater konnte niemand längere Zeit auskommen. Er war ein dominanter, herrschsüchtiger Mann und wir alle mussten nach seiner Pfeife tanzen. Noch dazu hatte er Mama permanent betrogen und sich nicht einmal die Mühe gemacht, es zu verbergen.

Vor zwei Jahren war er gestorben, filmreif gestorben. Herzinfarkt auf einem neunzehnjährigen Dessousmodel, er hatte es mit seinem Abgang sogar in die einschlägige Boulevardpresse geschafft.

Mir hatte er drei Dinge vererbt, die da waren:

einen fetten Treuhandfonds, der mir ab meinem dreißigsten Lebensjahr zur Verfügung stehen würde und mit dem ich mir ein gemütliches Leben machen konnte,

seine Hälfte der Immobilienfirma, die er gemeinsam mit meiner Mutter betrieben hatte,

eine ungezügelte Libido.

 

Ich kam halbwegs klar mit Vaters Tod, ich hatte ihn geliebt, er war schließlich mein Vater. Andererseits fühlte ich mich jetzt frei, niemand gängelte mich mehr und machte mir Vorschriften, was ich zu tun und zu lassen hatte.
Mama hatte mehr Probleme, damit fertig zu werden, zudem musste sie die Firma weiterführen und zahlreichen geschäftlichen Verpflichtungen nachkommen, um die sich bis dahin immer mein Vater gekümmert hatte. Vor ein paar Monaten allerdings flippte sie ziemlich aus. Sie war plötzlich der Meinung, während ihrer Ehe das halbe Leben verpasst zu haben- was ja auch irgendwie stimmte- und fing sofort damit an, das Versäumte nachzuholen. Eines schönen Morgens kam ich hinunter in die Küche und Tommy war da. Im ersten Moment dachte ich, ich schlafe noch und habe einen feuchten Traum, denn in unserer Küche saß einer der schärfsten Typen, denen ich jemals begegnet war.

Tommy war für mich die pure Provokation. Er war genauso alt wie ich, studierte Sport im letzten Jahr und sah aus wie ein Model. Er liebte es, der Welt seinen Astralkörper zu präsentieren und lief den halben Tag mit freiem Oberkörper und Jogginghosen durchs Haus. Er hatte breite Schultern, muskulöse Arme, seinen Bauch zierte ein anbetungswürdiges Sixpack und sein Hintern war einfach nur zum Anbeißen. Dazu hatte er Gesichtszüge, die wie aus edlem Marmor gemeißelt schienen, hohe, markante Wangenknochen betonten einen sinnlichen Mund mit vollen Lippen, er hatte strahlend blaue Augen und dichte, braune Locken, kurzum, er war eine Sahneschnitte ersten Grades.
Ich war baff, meine Mutter hatte sich tatsächlich einen Toy- Boy angeschafft!
Mama war mit ihren siebenundvierzig Jahren wirklich noch super beieinander, man sah ihr das Alter nicht an und ihre Figur war fast besser in Schuss als meine. Aber warum musste sie mir ausgerechnet jemanden wie Tommy vor die Nase setzen!

Jawohl, er provozierte mich, aber nicht, weil ich ihn nicht mochte. Im Gegenteil, die meiste Zeit war er total liebenswürdig. Aber wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich ihn am liebsten in mein Zimmer gezerrt, auf mein Bett geworfen und mich über ihn hergemacht. Auch wenn er zu Mama gehörte, knisterte es manchmal gewaltig zwischen uns und das bildete ich mir ganz sicher nicht ein. Manchmal fing ich Blicke von ihm ein, bei denen es mir durch und durch ging.

 

 

Ich bin Katie Jensen, achtundzwanzig Jahre alt, Frontfrau in meiner eigenen Band und ich weiß, was ich will. Mir ist klar, dass eine Frau, die so etwas sagt, schnell als Schlampe abgestempelt wird, aber warum sollte ich lügen? Ich mag Männer, ich mag Sex und ich nehme mir beides, sobald ich Lust drauf habe.

Als ich dreiundzwanzig war, lernte ich Lars kennen, einen ziemlich durchschnittlich aussehenden, verheirateten Mittdreißiger, der mich anfangs überhaupt nicht interessierte. Warum wir trotzdem im Bett landeten, weiß ich heute nicht mehr, aber mit ihm hatte ich eine Offenbarung.
Meine bisherigen Lover waren so lala, nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Lars weckte das Tier in mir, er brachte mir Dinge bei, von denen ich bis dahin nicht einmal wusste, dass sie möglich waren. Ich liebte ihn auf meine eigene Art, ich wusste, dass wir nicht für immer zusammen sein würden und das war auch gut so. Unsere Affäre dauerte ein knappes Jahr, dann zog er in eine andere Stadt.

Liebeskünstler wie Lars waren dünn gesät, meine nächsten Lover waren nicht annähernd so talentiert wie er. Lars war nicht der schönste Mann auf Erden, aber er hatte mich anspruchsvoll gemacht. Ich suchte keinen Ehemann und schon gar keinen Versorger, wie so viele andere Singlefrauen in meinem Alter. Ich konnte mich selbst versorgen, Geld war kein Problem bei mir. Ich war einfach nur auf der Suche nach einem neuen Sexgott.

Mamas Lover Tommy stand auf Grund seines Erscheinungsbildes ziemlich weit oben auf meiner Liste, aber ich ließ natürlich die Finger von ihm. Allerdings wäre er längst fällig gewesen, wenn jemand anders als meine Mutter ihre Finger im Spiel gehabt hätte.

 

 

Unten im Wohnzimmer hörte ich meine Mutter brüllen, dazwischen tönte beschwichtigend Tommys tiefe Stimme, aber Mama schien sich nicht beruhigen zu lassen. Wenig später krachte die Haustür zu und sie fuhr weg.
Wenigstens konnte ich jetzt wieder hinuntergehen und mir etwas zu trinken holen, ohne Gefahr zu laufen, zwischen die Fronten zu geraten. Vielleicht sollte ich mir wirklich endlich eine eigene Wohnung suchen. Schlimm genug, dass ich wegen der Firma in dieser Stadt festsaß, noch schlimmer war allerdings, dass ich immer noch bei Mama wohnte.

Ich fischte mir eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank und ging hinüber ins Wohnzimmer, wo Tommy vor der Glotze hing und irgendeine Sitcom ansah.

„Musst du nicht in die Uni heute?“, fragte ich.

„Nope“, brummte er, ohne den Blick vom Fernseher zu lösen. Ich hockte mich neben ihn auf die Couch und zog die Beine unter mich.

„Wo ist Mama hin?“, fragte ich weiter.


„Keine Ahnung, Geschäftstermin.“

„Mal wieder Stress bei euch?“, ich wusste, dass ich nervte. Gereizt schaltete Tommy den Fernseher ab.

„Geh mir bloß nicht auf den Wecker Katie“, schnauzte er und pfefferte die Fernbedienung auf den Tisch. Ich hob beide Hände in die Luft und sagte sarkastisch:
„Sorry Dad, geht mich ja auch überhaupt nichts an.“

Tommy warf mir einen undefinierbaren Blick zu.

„Ach scheiß drauf“, sagte er. „Du erfährst es ja sowieso. Ich haue ab, ich habe es Chris gestern schon gesagt.“

„Ach so, ihr trennt euch mal wieder.“ Ich verdrehte die Augen. Das war nun wirklich nichts neues, Tommy und meine Mutter Christine trennten sich gefühlt alle zwei Wochen.

„Nicht wieder mal“, antwortete Tommy mit grimmiger Miene und sah mir direkt in die Augen. „Ich gehe für eine Weile nach London.“

„So kurz vor dem Abschluss?“, ich war erstaunt.

„Hat sich so ergeben, eine Modelagentur interessiert sich für mich und ich habe beschlossen, alles mitzunehmen, was sich mir anbietet. Mein Diplom kann ich später immer noch machen.“

„Arme Mama“, sagte ich.

„Sie hat schon länger gewusst, dass ich weggehen werde. Dass das mit ihr und mir nichts für die Ewigkeit ist, war doch von vorn herein klar, sie wird drüber wegkommen.“
Natürlich war das klar, ich wusste bis heute nicht genau, wieso ein Prachtstück wie Tommy mit einer Frau zusammen war, die seine Mutter sein konnte. Er lehnte sich zurück und sah mir in die Augen.

„Tja, diesmal haue ich wirklich ab, aber wir zwei haben noch eine Rechnung offen, Katiemaus.“

Mir rutschte das Lächeln aus dem Gesicht. Ich setzte mich gerade hin und stellte meine Füße zurück auf den Boden. Mein Hals war plötzlich trocken und ich nahm einen großen Schluck aus ihrer Flasche.

„Rechnung offen? Wie meinst du das?“

Ganz blöde Frage, ich wusste genau, was er meinte.
Tommy lächelte verschlagen.

„Ich meine, dass du scharf auf mich bist, seit ich hier aufgetaucht bin. Du hast mich mit deinen schönen Augen so oft ausgezogen, dass ich hier praktisch die ganze Zeit splitternackt rumgelaufen bin.“

Ich kicherte, denn er hatte vollkommen recht.

„Und jetzt soll ich dir den Abschied versüßen, oder wie?“

Ich stand langsam auf und stellte mich vor ihn.
„Und was ist, wenn du es dir doch wieder anders überlegst und bei Mama bleibst?“
„Werde ich garantiert nicht, ich sammle mein Zeug ein und in zwei Stunden bin ich weg.“

Er legte seine Hände um meinen Hintern, zog mich zu sich, so dass ich zwischen seinen gespreizten Beinen zu stehen kam und sah zu mir auf.

„Also, was ist, Lust auf einen kleinen Abschiedsfick?“

„Du bist ein Schwein, Tommy“, sagte ich grinsend. Ich löste den Nackenträger meines Kleides und ließ das weit geschnittene Teil in einer fließenden Bewegung auf den Boden gleiten. Ich trug keine Unterwäsche, das tat ich im Sommer so gut wie nie.

Zufrieden sah ich, wie Tommy nach Luft schnappte. Ich griff in seine Haare, das hatte ich immer schon einmal machen wollen, zog seinen Kopf nach hinten, beugte mich hinunter und fuhr mit der Zungenspitze langsam über seine Lippen. Tommy stieß einen erstaunten Laut aus, offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass ich die Initiative ergriff.

„Vielleicht bin ich ein Schwein, aber du bist auch nicht besser, Katiemaus“, presste er zwischen seinen Lippen hervor und stand auf.
Seine Hände glitten über meinen Hals hinunter zu meinen Brüsten, er umfasste sie und strich mit den Daumen über meine kleinen, aufgerichteten Nippel. Ich atmete scharf ein und sah ihn aus geweiteten Pupillen an. Er küsste mich leidenschaftlich, seine Zunge erforschte meinen Mund und fand schließlich den Weg zu meinem Ohr. Ich keuchte auf, er hatte genau die Stelle gefunden, die mich verrückt machte. Ich war total heiß, ich wollte ihn auf der Stelle, aber nicht hier unten, wo meine Mutter jederzeit hereinplatzen konnte.

Tommy stand breitbeinig vor mir, seine Jogginghose beulte sich verdächtig aus und ich kratzte mit meinen Fingernägeln darüber. Dann bückte ich mich aufreizend langsam nach meinem Kleid, warf es mir über die Schulter und griff nach seiner Hand. Gemeinsam liefen wir die Treppe hinauf zu meinem Zimmer.

 

 

Später beschloss ich, dass es die Sache nicht wert war, ein schlechtes Gewissen zu haben. Tommy war richtig gut im Bett und mit einem ordentlichen Glücklichmacher zwischen den Beinen ausgestattet, aber ich würde ihn wahrscheinlich sowieso nie wieder sehen und Mama würde nie von unserer kleinen Eskapade erfahren. Ein wenig bedauerte ich, dass ich nicht schon eher mit Tommy geschlafen hatte, aber dann dachte ich an meine Mutter und an das, was Tommy gesagt hatte. Er hatte recht, ich war mindestens ein genauso großes Schwein wie er.

Sollte ich mir langsam Gedanken darüber machen, mit welchen Männern ich schlief? Bisher hatte ich nie viel Rücksicht darauf genommen, ob die Typen frei waren oder ob sie Beziehungen hatten, das war mir immer ziemlich egal gewesen, ich wollte sie schließlich nicht heiraten, sondern nur meinen Spaß.
Die Gene meines Vaters ließen grüßen, aber was sollte ich machen Wenn es juckte, musste man sich kratzen. Ich vögelte nun mal gern und das Leben war kurz. Ich wollte es genießen, solange ich jung war.

Grinsend dachte ich an meine früheren Schulkameradinnen, die ich gelegentlich traf, wenn ich auf Tour war. Die waren so verbissen damit beschäftigt, ihren Mister Right zu finden, dass sie darüber vergaßen, zu leben. Die sparten sich auf und hatten bestimmt schon Spinnweben zwischen den Beinen.
Mir würde das garantiert nicht passieren. Meine biologische Uhr tickte anders oder vielmehr, gar nicht. Wenn schon Familie, dann vielleicht in zehn Jahren oder so. Allein die Vorstellung, für immer und ewig an denselben Typen gekettet zu sein, verursachte mir Übelkeit.

 

 

Nach unserer kleinen Matratzensport- Einlage hatte ich Tommy dabei geholfen, seine Sachen, die im ganzen Haus verteilt waren, zusammenzupacken. Er bewohnte eigentlich ein kleines Zimmer im Studentenwohnheim, hatte aber die letzten Monate fast ausschließlich bei uns verbracht.

Zum Abschied küsste er mich fast väterlich auf die Stirn.

„Tschüss Katiemaus“, sagte er. „Wenn du demnächst mal in London sein solltest, ruf mich an.“

Er zwinkert mir zu, verfrachtete seine Taschen in das wartende Taxi und war verschwunden. Ich ging zurück ins Haus und war erstaunt, wie leer es mir plötzlich vorkam. Irgendwie hatte ich mich an Tommys ständige Anwesenheit gewöhnt und daran, dass sein Zeug überall herumlag, was Mama regelmäßig zur Weißglut gebracht hatte.

Hoffentlich schleppte meine Mutter nicht sofort wieder den nächsten Mann an. Sie konnte nicht gut allein sein, es war also nur eine Frage der Zeit, wann mein nächster „neuer Vater“ hier aufkreuzen würde.

Ich brauchte endlich eine eigene Wohnung, allerdings war es überaus bequem, hier zu wohnen. Ich gebe es zu, ich bin eine verwöhnte Göre. Hotel Mama war Klasse, ich musste mich um nichts kümmern, wir hatten eine Haushälterin, die kochte, putzte und die Wäsche machte.

Mama versuchte, mich seit Vaters Tod für die Immobilienbranche zu erwärmen, aber ich war Sängerin mit Leib und Seele, ich wollte nichts anderes. Nach dem Abi hatte ich versucht, Jura zu studieren, schmiss aber nach zwei Semestern hin. Das war nichts für mich, es ging einfach nicht.

Musik war mein Leben, ich hatte eine tolle Band und wir arbeiteten wie verrückt an unserer Karriere. Wir waren mittlerweile sogar ganz gut im Geschäft, tingelten durch Clubs und Kneipen, aber unseren Lebensunterhalt konnten wir natürlich nicht davon bestreiten.

Meiner Mutter war die Sache ein Dorn im Auge, sie hätte es lieber gesehen, wenn ich studieren und richtig in die Firma einsteigen würde. Aber sie sagte auch nie wirklich etwas dagegen, wahrscheinlich hatte sie Angst davor, mich zu verlieren.
Wir schlossen schließlich einen Kompromiss, ich arbeitete an drei Tagen in der Woche in der Firma und in der restlichen Zeit kümmerte ich mich um meine Musikkarriere. Meine Mama hatte die Hoffnung nie aufgegeben, dass ich mich entschließen würde, in ihre Fußstapfen zu treten, aber ich wollte nichts als singen.

 

 

Sie kam am frühen Abend zurück, als ich gerade dabei war, mich für unseren heutigen Gig vorzubereiten.

„Ist er weg?“, fragte sie geknickt.

Ich nickte und sagte:

„Schon seit ein paar Stunden, er hat seinen ganzen Kram mitgenommen, er wird also nicht mehr herkommen.“

Mama hatte Tränen in den Augen, dann zog sie die Schultern hoch.
„Ich hab ja gewusst, dass das irgendwann passieren wird, aber wenn es dann soweit ist, leidet man doch wie ein Hund.“

Ich nahm meine Mutter in den Arm und versuchte, nicht daran zu denken, wie ich vor noch nicht einmal drei Stunden auf Tommy gesessen und vor Lust gestöhnt hatte.
„Du wirst drüber wegkommen Mama“, sagte ich tröstend.
Sie schniefte.

„Ich werde mich in die Wanne legen und heulen, bis ich nicht mehr kann und dann vergesse ich ihn einfach.“

„Willst du nachher ins ‚Snake’ kommen? Wir spielen heute da, vielleicht lenkt dich das ab?“

Die Worte waren mir einfach so herausgerutscht und ich erschrak über mich selbst. Bisher hatte ich es immer vermieden, sie mit zu unseren Auftritten zu nehmen. Die Texte, die ich sang, waren stellenweise nicht ganz jugendfrei und komischerweise hatte ich Hemmungen, sie vor meiner Mutter zu singen. War das etwa doch ein Anflug von schlechtem Gewissen wegen Tommy?

Mama schüttelte zum Glück den Kopf.

„Lass mal Katie, ist lieb gemeint, aber ich will echt nur meine Ruhe haben.“
Sie lief hinauf in ihr Schlafzimmer und ich hörte eine Weile später Wasser rauschen.


Zwei

Das „Snake“ war eine der lausigsten Kneipen in der Stadt, aber ich liebte es. Es lag im Keller einer uralten Fabrik und wenn man vor dem Haus stand, hatte man den Eindruck, dass einem die ganze Bude jeden Moment über dem Kopf zusammenbrechen könnte.

Trotz allem war die Kneipe gefragt, sie gehörte zur Szene und unsere Band hatte hier zwei Mal im Monat feste Auftritte und ein Stammpublikum, das nur wegen uns kam. Wir waren an den Abendeinnahmen beteiligt und die Auftritte im ‚Snake’ waren zurzeit unsere beste Einnahmequelle.

Außerdem war ich gut mit Pit, dem Besitzer des Ladens, befreundet. Wir kannten uns schon ein paar Jahre und gingen ab und zu miteinander ins Bett. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass Pit in mich verliebt war, aber das wollte ich lieber nicht so genau wissen. Ich hatte ihn gern, er war jemand, auf den ich mich immer verlassen konnte, aber Pit zu lieben kam mir ziemlich absurd vor.
Hatte ich überhaupt jemals einen Mann richtig geliebt? Ich konnte mich nicht erinnern. Ich war ja nie lange genug mit einem zusammen gewesen und es gab bisher auch keinen, den ich länger ertragen hätte.

 

 

Meine Bandkollegen und ich trafen uns an diesem Abend im Proberaum und fuhren gemeinsam zum ‚Snake’. Wir besaßen einen klapprigen, alten Ford- Transit, den man mit „Sie“ anreden musste und bei dem wir vor jeder längeren Fahrt beteten, dass er nicht auseinander fiel.

Die Band hieß ‚Katie and the Bad Guys’, die ‚Bad Guys’ waren John am Schlagzeug, Nico am Bass und Freddie an der Gitarre. Freddie war mein bester Freund, wir kannten uns schon aus dem Sandkasten, gingen später zusammen zur Schule und waren Freunde, seit ich denken konnte. Freunde wohlgemerkt, ich hätte nicht im Traum daran gedacht, Freddie zu verführen. Er war mein Vertrauter, mein bester Kumpel und das sollte auch so bleiben. Wir waren eine verschworene Einheit, schrieben gemeinsam die Songs für die Band, wir hauten gemeinsam auf den Putz und waren immer füreinander da. Unsere Musik war eine Mischung aus Blues, Rock und Pop, die meisten unserer Songs waren laut und hauten ordentlich rein.

 

 

Als wir ankamen, stand vor dem ‚Snake’ schon eine beträchtliche Schlange und ich freute mich. Heute würde die Kasse ordentlich klingeln! Ich wusste um meine Bühnenpräsenz. Meine Stimme war dunkel, an den richtigen Stellen ein wenig rau und ungemein sexy. Es dauerte nie lange, bis ich das Publikum in meinen Bann gezogen hatte. Heute allerdings war einer dieser Abende, an denen eine Meute angetrunkener Kerle unseren gesamten Auftritt sabotierte. Eine Horde Schnösel jenseits der Dreißig hatte sich vor der Bühne zusammengerottet und benahm sich wie die Vollidioten. Die Typen stanken nach Geld und feierten Junggesellenabschied.

Sie belagerten die kleinen Bühne, grölten und pfiffen und brüllten permanent: „Ausziehen, ausziehen, zeig uns deine Titten!“

Ich trat notgedrungen vom Bühnenrand, an dem ich normalerweise stand, zurück, um den grapschenden Händen zu entgehen, Freddie und Nico rückten näher an mich heran, um im Notfall dazwischen gehen zu können und auch Pit hinter der Bar ließ das Geschehen vor der Bühne nicht aus den Augen.

Nach kurzem Blickkontakt mit Pit gingen wir eher als gewöhnlich in die erste Pause, setzten uns nicht wie sonst an die Bar, sondern zogen uns in den kleinen Raum hinter der Theke zurück, den Pit als Büro nutzte.

 

 

„Was für Drecksäcke“, sagte Nico. „Reiche Arschlöcher, die sich unter den gewöhnlichen Plebs mischen und Stunk machen, so was hatten wir ja lange nicht.“

Bisher hatten wir immer Glück mit unserem Publikum gehabt. Gut, manchmal bekam man die Leute nicht gleich auf seine Seite, das passierte schon mal, aber mit solch aggressiven Attacken wurden wir normalerweise nicht konfrontiert.

Ganz am Anfang unserer Zeit als Band waren wir mal mit allem möglichen Zeug beworfen und ausgebuht worden. Damals nahmen wir jeden Gig mit, der zu kriegen war und spielten als Vorgruppe für eine Boy- Band aus einer Casting- Show. Die kreischenden Girlies vor der Bühne nahmen uns übel, dass wir da waren, dass wir ihnen Zeit mit ihren Idolen stahlen und vor allem nahmen sie wohl an, dass ich es hinter der Bühne mit allen Jungs der Teenieband gleichzeitig treiben würde, denn ich bekam außer Wurfgeschossen auch noch ihren geballten Hass verbal zu spüren. Wir spielten damals unsere Songs fast doppelt so schnell runter, wie sonst und sahen zu, dass wir Land gewannen. So etwas war nie wieder passiert, allerdings hatten wir auch nie wieder als Vorband gespielt.

„Vielleicht wird den Heinis ja langweilig und sie verziehen sich wieder“, antwortete ich Nico. „Ich geh mal mein Make- Up auffrischen.“

Ich lief zur Damentoilette und machte mich frisch. Dabei überlegte ich angestrengt, wie ich die nächsten drei Stunden überstehen sollte. Wir mussten noch mindestens bis zwei Uhr morgens spielen, jetzt war es kurz vor elf und der ganze Abend lag noch vor uns. Augen zu und durch, anders ging es nicht. Aber vielleicht würden die Idioten ja wirklich weiterziehen und andere Leute belästigen.

 

 

Ich war noch nicht ganz aus der Toilette heraus, als ich am Arm gepackt und unsanft gegen die Wand geschleudert wurde. Ich hätte es wissen müssen, einer der Junggesellentypen hatte mich abgepasst. Er war mir vorhin schon aufgefallen, er sah unglaublich gut aus, war groß und durchtrainiert, hatte dunkelbraune Haare und ebenso braune Augen und war eigentlich genau der Typ Mann, auf den ich normalerweise abfuhr.

Jetzt hatte er mich mit beiden Händen gegen die Wand gedrückt und hielt mich so fest, dass ich mich kaum bewegen konnte.

Ich wollte keinen Aufstand machen, versuchte, ruhig zu bleiben und lächelte ihn verführerisch an.

„Was willst du Baby?“, fragte ich und ließ meine Stimme tief und sexy klingen.

„Du bist wirklich eine hübsche, kleine Hure. Krieg ich Rabatt, wenn ich es dir mehrmals besorge?“, nuschelte er dicht an meinem Gesicht.

Ich schnappte nach Luft, einerseits, weil er eine Alkoholfahne hatte, die ihresgleichen suchte, andererseits- wie kam der Kerl dazu, mich Hure zu nennen!

„Für dich mach ich es umsonst, mein Schöner“, antwortete ich und leckte mir aufreizend über die Lippen. Das verfehlte seine Wirkung nicht, er ließ meine Arme los und griff mir an die Brust.

Ich legte ihm die Hände auf die Schultern, zog ihn näher an mich heran und rammte ihm mit voller Wucht ein Knie zwischen die Beine.

Befriedigt sah ich, wie er sich vor Schmerz zusammenkrümmte und mit einem Schrei zur Seite taumelte.

„Fick dich selbst, Arschloch“, sagte ich und ging zurück zu den anderen.

Sein Geschrei trieb meine Jungs auf den Gang, dass es nicht zu einer Schlägerei kam, hatten wir Pit zu verdanken, der ein paar Leute zusammentrommelte und die ganze Bande vor die Tür setzte. Der Typ, der mich belästigt hatte, stieß wilde Drohungen gegen uns und die Kneipe aus, er brüllte noch eine ganze Weile vor der Tür herum und ließ sich dann von seinen Kumpels zur nächsten Location weiterziehen.

Wir spielten unbehelligt bis in die frühen Morgenstunden, kassierten jede Menge Beifall und einen ordentlichen Batzen Geld. Am Ende hingen wir noch ein Weilchen an der Bar ab und ich beschloss, mit zu Pit zu fahren. Nach einem guten Gig war ich immer total aufgedreht und kam nur schwer zur Ruhe, Pit würde mir genau die Entspannung verschaffen die ich jetzt brauchte.

 

 

Gegen Mittag erwachte ich und fand Pit in seiner kleinen Küche mit einer Tasse Kaffee und der Zeitung. Ich hatte eins von seinen T- Shirts übergezogen, es war mir viel zu groß und reichte mir bis zu den Oberschenkeln. Darunter war ich nackt. Pit hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, etwas anzuziehen, splitternackt saß er auf dem Küchenstuhl und war schon wieder bereit für mich, als ich herein kam. Ich setzte mich einfach auf ihn, ließ ihn in mich hineingleiten und vergaß noch eine Weile, dass ich eigentlich gleich hatte gehen wollen.

Später sagte er mir, dass er mich liebe und es ihm jedes Mal wehtäte, wenn ich wegging.

„Ach Pitty“, sagte ich und strich über sein Haar. „Du kennst mich besser als die meisten Leute, du weißt, dass ich nicht für Beziehungskisten gemacht bin. Ich mag dich viel zu sehr, ich will dich nicht meinetwegen leiden sehen. Und leiden würdest du, wenn du dich ernsthaft auf mich einließest.“

„Was soll ich machen, du bist einfach fantastisch Katie“, antwortete er niedergeschlagen. „Dir kann keine das Wasser reichen.“

„Vielleicht sollten wir eine Pause einlegen“, erwiderte ich. „Ich schlafe unheimlich gern mit dir, aber du hast von Anfang an gewusst, dass ich nichts für so ein Liebesding übrig habe. Es tut mir wirklich leid Pit.“

Ich lief hinüber ins Schlafzimmer und zog mich an. Als ich zurückkam, hockte Pit mit angezogenen Beinen auf dem Boden, rauchte und stierte Löcher in die Luft. Verdammt, es tat mir ja wirklich leid, aber sollte ich ihm etwas vorlügen? Das hatte ich noch nie gekonnt und würde es auch jetzt nicht tun. Trotzdem fühlte ich mich beschissen, als ich ihn da so sitzen sah und ich war wütend, dass er mich dazu gebracht hatte, mich beschissen zu fühlen.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ ich die Wohnung und machte mich auf den Heimweg. Es war viel zu spät geworden, ich hätte schon längst bei meiner Mutter im Büro sein müssen.

 

 

Zu Hause duschte ich in Windeseile und zog mich um. Meine Mutter legte großen Wert auf angemessene Geschäftskleidung, also schlüpfte ich in ein weißes Seidentop und einen schiefergrauen Hosenanzug und schminkte mich ein ganzes Stück dezenter, als gewöhnlich. Dann schnappte ich mir meinen Mini und fuhr ans andere Ende der Stadt, wo unsere Firma ihren Sitz hatte.

Ich hatte Glück, als ich ankam, war Mama unterwegs. Wenigstens würde ich keinen Ärger wegen meiner Verspätung bekommen.

Ich fuhr den Computer hoch, checkte die Emails und setzte mich dann an die Buchhaltung. Ich hasste Steuerkram, aber Mama wollte, dass ich alles von der Pike auf lernte und so verrichtete ich zur Zeit mehr oder weniger niedere Arbeiten.

Gegen sechs, gerade als sich unsere drei Angestellten in den Feierabend verabschiedet hatten, kam sie zurück, mit einem Kunden im Schlepptau. Der Mann trug Maßanzug und handgenähte Schuhe, ich hatte einen Blick für so was. Er war groß, gut gebaut und dunkelhaarig und trug eine große Sonnenbrille, die er auch im Raum nicht abnahm.

Er nickte mir kurz zu und folgte ihr in ihr Büro.

„Machst du uns bitte einen Kaffee, Katie?“, rief meine Mutter noch, ehe sie die Tür schloss.

Ich sah ihm nach, denn er kam mir irgendwie bekannt vor. Nachdenklich ging ich zur Kaffeemaschine und ließ zwei Tassen Kaffee heraus. Ich stellte sie mit Milch und Zucker auf ein Tablett und brachte alles hinüber.

Der Typ saß im Sessel in der Besucherecke und strahlte arrogante Präsenz aus. Ich besah ihn mir genauer und wusste plötzlich, wer er war. Vor mir saß das Arschloch von gestern Abend, ich konnte zwar seine Augen hinter den dunklen Brillengläsern nicht erkennen, aber ich war mir hundert Prozent sicher, dass er es war. Allerdings hatte er mich nicht erkannt, kein Wunder, zwischen der braven Katie mit dem streng nach hinten gebundenen Haar und dem aufgemotzten Bühnenvamp von gestern lagen Welten. Mit Sicherheit hielt er mich für eine kleine, dumme Sekretärin, denn er ignorierte mich komplett.

Ich setzte ein harmloses Lächeln auf, stellte das Tablett auf den Tisch, reichte dem Typen schwungvoll seine Kaffeetasse hinüber und der brühheiße Kaffee kippte in seinen Schoß. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sprang er auf und brüllte:

„Sind Sie komplett bescheuert? Verdammt, ist das heiß!“

Mama war ebenfalls aufgesprungen und suchte nach Papiertaschentüchern, um ihm zu helfen.

„Oh, das tut mir furchtbar leid“, flötete ich und verbiss mir das Lachen. Ich griff mir ein Taschentuch und begann, an seiner Hose herumzuwischen.

„Verschwinden Sie, ehe ich mich vergesse!“ Er stieß mich weg, sein Gesicht war knallrot vor Wut. Mama versuchte, ihn zu besänftigen und zeigte ihm das Badezimmer.

Als er weg war, ging sie wie eine Furie auf mich los.

„Bist du total verrückt geworden?“, zischte sie leise, damit der Typ im Bad nichts davon mitbekam. „Das ist Marcus Vollmer, dem gehört der ganze Felsenstein- Komplex und ich soll das Ding für ihn vermarkten. Da springt eine sechsstellige Summe für uns raus.“

„Sorry“, murmelte ich und tat so, als wäre ich zerknirscht, aber eigentlich tat mir überhaupt nichts leid. Ich hoffte, dass sein Schwanz nach dem Tritt gestern und dem heißen Kaffee heute ein Weilchen außer Gefecht wäre. Er hatte es schließlich mehr als verdient.

„Am besten gehst du jetzt“, befahl meine Mutter. „Hoffentlich kann ich das wieder geradebiegen, wir wollten jetzt den Vertrag unterzeichnen. Ich will nicht, dass er dich noch mal zu Gesicht bekommt.“

 

 

Ich nahm meine Tasche und verließ das Gebäude. Draußen setzte ich mich auf eine Bank und wartete. Mein Rachedurst war bei Weitem nicht gestillt. Ich zog die Spange, mit der ich meine Haare gebändigt hatte, heraus und ließ meine kastanienbraunen Locken in ganzer Pracht über die Schultern fallen. Ich zog mir die Lippen blutrot nach und meine Kostümjacke aus, denn ich wusste, dass sich meine Brüste unter dem dünnen Seidentop deutlich abzeichneten.

Nach einer halben Stunde kam er langsam und ziemlich steifbeinig aus der Tür. Er hatte sein Jackett ausgezogen und hielt es, über den Arm gelegt, über den bereits leicht angetrockneten, braunen Fleck, der seine Hose zierte.

Ich spürte, dass seine Augen hinter der Brille auf mich gerichtet waren, als er an mir vorbeiging.

„Na, tut’s weh?“, fragte ich zuckersüß und grinste ihn von unten her an.

Er blieb vor mir stehen und nahm die Brille ab. Die vergangene Nacht hatte ihn gezeichnet, seine Augen hatten tiefe, dunkle Ringe und seine Gesichtsfarbe war auch nicht die gesündeste, was aber nichts daran änderte, dass er umwerfend gut aussah.

„Harte Nacht gehabt?“, fragte ich weiter und strich mir mit einer aufreizenden Bewegung die Haare hinter die Ohren, so dass meine Brüste besonders gut zu sehen waren.

Er musterte mich jetzt intensiv, ich sah regelrecht, wie es in seinem Kopf arbeitete, aber er konnte mich immer noch nicht einordnen.

„Wollen Sie sich entschuldigen?“, knurrte er und baute sich breitbeinig vor mir auf.

Ich lachte ihn aus.

„Wofür sollte ich mich entschuldigen, Arschloch, du hast nur bekommen, was du verdienst hast. Ich denke, dein mickriges Schwänzchen ist für eine Weile ruhig gestellt.“

Ich erhob mich lässig, warf meine Haare zurück und zeigte ihm den Mittelfinger. Dann stolzierte ich auf meinen High- Heels davon und achtete beim Laufen darauf, meinen Hintern ordentlich zu schwingen.

Er starrte mir mit offenem Mund nach und ich hoffte, dass ihm langsam dämmerte, wem er da bereits zum zweiten Mal ein lädiertes Unterteil verdankte. Seine Gedanken mussten sich regelrecht überschlagen.

Als ich mich nach ein paar Schritten noch einmal umdrehte und ihm zuzwinkerte, starrte er mir immer noch nach. Dann stürmte er los, aber nur kurz, denn er zuckte zusammen und kniff schmerzerfüllt die Augen zusammen. Schließlich lief er langsam, wie ein alter Mann zu seinem Wagen und ich hörte sein unterdrücktes Fluchen bis zu mir herüber.


Drei … Marcus

„Dieses verdammte Miststück!“

Laut vor sich hinfluchend lief Marcus Vollmer zu seinem Wagen, wenn man das langsame Hinken, zu dem er gerade noch fähig war, als Laufen bezeichnen konnte. Am liebsten hätte er sich seine durchnässte Hose mitsamt der Unterhose vom Leib gerissen und frische Luft an sein bestes Stück gelassen.

Oh ja, er hatte sie erkannt, diese Ausgeburt der Hölle, die ihn gestern Abend außer Gefecht gesetzt hatte. Sie hatte es tatsächlich gewagt, ihn ein zweites Mal zu kompromittieren, von den unerträglichen Schmerzen, die sie ihm zugefügt hatte, einmal abgesehen.

Wie konnte sie es wagen, ihn derart zu behandeln. Gut, sie war wohl nicht die billige Schlampe, für die er sie gehalten hatte, denn wenn sie die Tochter von Achim und Christine Jensen war, kam sie aus einem ziemlich guten Stall.

Aber so, wie sie sich gestern auf der Bühne präsentiert hatte, wäre er nie auf den Gedanken gekommen, dass sie etwas anderes als ein kleines Flittchen war. Ok, er war ziemlich breit gewesen, er wusste gar nicht mehr so richtig, warum sie eigentlich so ausgerastet war. Vielleicht hatte er sich ihr gegenüber unangemessen benommen, aber war das ein Wunder, so wie sie ausgesehen hatte? Trotzdem hatte sie kein Recht der Welt, ihn derart zu behandeln, noch dazu vor Publikum. Jemanden wie ihn demütigte man nicht ungestraft.

Wenn er das vorher gewusst hätte, wäre der Vertrag mit Jensen- Immobilien niemals zustande gekommen, auch wenn er schon einige Geschäfte erfolgreich mit dem verstorbenen Achim Jensen abgewickelt hatte. Leider war es jetzt zu spät, er hatte die Unterlagen gerade unterschrieben.

Seine Wut wuchs mit jedem Gedanken.

Er würde die Hexe wegen Körperverletzung verklagen- genau das würde er tun.

Aber andererseits war sie auch ziemlich heiß, vielleicht sollte er ihr erst den Verstand aus dem Hirn vögeln und sie dann verklagen.

Er grinste diabolisch. Er wusste ja jetzt, wer sie war und wo er sie finden konnte. Sie war fällig, gnadenlos fällig. Sie würde erfahren, was es hieß, Marcus Vollmer zum Idioten zu machen …

Vier

Meine Mutter war seit drei Wochen an der Vermarktung des Felsenstein- Komplexes und konnte erste Ergebnisse vorweisen. Ein knappes Drittel der Wohnungen hatte sie an den Mann gebracht und sechs der zwölf Geschäfte im Erdgeschoss waren vermietet.

Ich wusste, dass ihr mittlerweile vor den wöchentlichen Rapporten bei Marcus Vollmer graute. Er war nie zufrieden zu stellen, sie wusste nicht, ob das sein Naturell war, oder ob es an dieser ominösen Sache lag, die zwischen ihm und mir gelaufen war. Ich hatte mich geweigert, ihr irgendetwas zu erklären, aber ich war überzeugt davon, dass er von Grund auf bösartig und ein schlechter Mensch war.

Ich saß im Büro, als Mama anrief und mir sagte, dass sie ihr Handy wohl in Vollmers Büro liegengelassen haben musste, denn dort hatte sie gerade Termine mit ihm abgeglichen. Sie konnte aber nicht noch einmal zurückfahren, sie hatte in ein paar Minuten einen Termin mit einem anderen Klienten.

Sie stand irgendwo in einer Telefonzelle und bat mich, auf dem Heimweg bei Vollmer vorbeizufahren und das Handy abzuholen. Natürlich war ich alles andere, als begeistert davon, dort aufkreuzen zu müssen. Vorsorglich rief ich in seinem Büro an und die Sekretärin sagte mir, dass ich bis neunzehn Uhr vorbeikommen solle, danach sei das Gebäude verschlossen und niemand mehr zu erreichen.

 

 

Ich zögerte die Sache bis auf den letzten Drücker hinaus und kam kurz vor sieben am Felsenstein an. Der riesige Gebäudekomplex war noch nicht ganz fertig und noch so gut wie unbewohnt. Einzig Vollmer hatte sein Penthouse bereits bezogen und residierte oben auf dem Dach wie ein kleiner König. Er hatte sich auf fünfhundert Quadratmetern luxuriöse Wohnräume, einen Dachgarten und sein Büro errichten lassen, und wie ich von Mama erfahren hatte, lebte er dort ganz allein. Ich verstand das, welche Frau würde es schon freiwillig mit diesem Ekel aushalten.

Zum Glück waren die Eingangstüren noch nicht verschlossen. Ich betrat das Foyer und lief zu einem der Aufzüge, der mit offenen Türen auf mich zu warten schien. Kurz bevor ich den Aufzug erreichte, gingen die Aufzugstüren zu und ich sprintete los, um noch mitzukommen.

Die Türen schlossen sich hinter mir und ich erstarrte, denn ich stand Marcus Vollmer gegenüber, der in der Ecke lehnte und mich anzüglich angrinste.

„Na, wen haben wir dann da?“, sagte er und stieß sich von der Wand ab. Seine Hand schlug auf den Not- Stopp und der Aufzug blieb mit einem kleinen Ruck stehen.

Ich stand kerzengerade und versuchte, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Ich konnte ihn nicht einschätzen, sein Gesicht war reglos, in seinen Augen erkannte ich einen Anflug von Gier. Ich verschränkte die Arme über der Brust und sah ihn herablassend an.

„Was soll das werden?“, fragte ich. „Hast du noch nicht genug?“

Er lachte auf, aber sein Lachen klang nicht nett.

„Glaub mir Schätzchen, ich habe noch nicht mal mit dir angefangen.“

Der Aufzug war nicht sehr groß, er kam mir gefährlich nah. Ich rutschte seitlich an ihm vorbei, hin zur Schalttafel und versuchte, den Aufzug wieder in Gang zu setzen. Hektisch drückte ich alle Knöpfe, die da waren, der Aufzug ruckelte ein bisschen, bewegte sich aber nicht.

Ich schlug jetzt ziemlich wütend auf sämtliche Knöpfe, aber nichts passierte.

„Weg da“, schnauzte Vollmer und stieß mich zur Seite. Ich taumelte in die Ecke und war froh, dass die Wand mich auffing.

„Fass mich bloß nicht an, du Scheißkerl!“, brüllte ich zurück. „Das überlebst du nicht, drauf kannst du Gift nehmen!“

Vollmer ignorierte mich und gab einen Code in ein kleines Terminal ein. Als das nichts brachte, zog er einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und steckte einen Schlüssel in das Schloss am Schaltbrett. Er drehte ihn mehrmals um, aber wieder passierte nichts. Wir steckten fest.

Ich fluchte innerlich, mein Handy lag in meiner Tasche unten im Auto, ich war auf mich allein gestellt. Ich befahl mir, ruhig zu bleiben und nicht auszurasten.

„Kannst du nicht jemanden anrufen, der uns hier herausholt?“, fragte ich.

„Hab kein Handy dabei“, knurrte er und warf das Schlüsselbund wütend in die Ecke.

„Wo du auftauchst, machst du Ärger“, schrie er mich an. „Was bist du nur für ein nerviges Stück Mist!“.

„Nerviges Stück Mist? Du hast sie wohl nicht mehr alle!“, schrie ich zurück. „Ich hab dir nicht gesagt, dass du den Aufzug anhalten sollst und ich hab dir auch nicht gesagt, dass du mich belästigen sollst, also halt verdammt noch mal deine blöde Schnauze!“

Er setzte zu einer Antwort an, aber ich hob die Hand und fiel ihm ins Wort.

„Halt bitte einfach den Mund!“

Er feuerte einen Blick auf mich ab, der mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte, er sah mich an, als würde er mich am liebsten auf der Stelle umbringen, aber komischerweise hielt er wirklich die Klappe.

Ich setzte mich auf den Boden und legte die Arme um meine Knie. Ein Weilchen später setzte er sich in die gegenüberliegende Ecke.

„Also Mister Obercool“, sagte ich grantig. „Das ist dein scheiß Aufzug, lass dir gefälligst was einfallen, ich will hier nicht die Nacht verbringen.“

„Glaubst du, ich will das?“, blaffte er zurück. „Ich habe gleich eine Verabredung mit einer wirklich heißen Kleinen und jetzt sitze ich ausgerechnet mit dir fest, nicht zu fassen ist das.“

Ich konnte mich wieder nicht beherrschen.

„Welches Glück für die Kleine. Du wärst eine Enttäuschung für sie, glaub mir.“

„Treib es nicht zu weit, sonst …“

„Sonst was? Ziehst du dann deinen angesengten Prügel heraus und verhaust mich damit?“

Er stierte mich wütend an und sagte:

„Mach dir bloß keine falschen Hoffnungen, dich würde ich nicht mal mit einer Zange anfassen.“

„Na dann bin ich ja beruhigt“, antwortete ich sarkastisch.

Vollmer stand auf und ging wieder zum Schaltbrett. Er drückte darauf herum und versuchte noch einmal sein Glück mit dem Schlüssel. Er erreichte nichts, außer dass plötzlich auch noch das Licht im Aufzug ausging. Einzig die Druckknöpfe auf dem Schaltbrett leuchteten noch, aber das schwache Licht das von ihnen ausging, ließ nur Schemen erahnen.

„Scheiße“, kam es gleichzeitig von ihm und mir, er macht einen Schritt irgendwohin, stolperte über meine Füße und konnte sich gerade noch fangen.

„Sag kein Wort“, knurrte er und setzte sich vorsichtig wieder hin.

Ich wartete, bis sich meine Augen an das schwache Licht gewöhnt hatten. Es war ziemlich unheimlich und mittlerweile auch recht warm in der engen Kabine.

„Kriegen wir genug Luft?“, fragte ich leise. Das machte mir schon eine Weile Sorgen.

„Der Aufzug hat Lüftungsöffnungen, du wirst schon nicht ersticken“, antwortete er und setzte hinzu:

„Obwohl das wahrscheinlich ein Segen für die Menschheit wäre.“

Ich beschloss, seine letzte Äußerung nicht zur Kenntnis zu nehmen und schloss die Augen. Wie spät es wohl war, ich konnte meine Uhr nicht erkennen und hatte bereits jegliches Zeitgefühl verloren.

Er saß nicht weit weg von mir, seine Anwesenheit beunruhigte mich. Ich konnte zwar nur seine Umrisse erahnen, aber was viel schlimmer war, ich roch ihn und er roch fantastisch - nach einer Mischung aus edlem Aftershave und frischem Schweiß. Ich schloss die Augen, sein Moschusduft machte mich verrückt. Wenn er doch bloß nicht so ein Dreckskerl wäre …

Ich hörte etwas rascheln und konnte es nicht einordnen.

„Was machst du da?“, fragte ich.

„Ich ziehe mich aus, mir ist heiß“, antwortete er und ich sah etwas in die Ecke fliegen, das wie seine Jacke aussah. Kurze Zeit später nahm sein Hemd den gleichen Weg.

„Behalt bloß deine Hose an“, sagte ich.

Nach einer Weile Schweigen hielt ich es nicht mehr aus und fragte:

„Was glaubst du, wann kommen wir hier raus?“

„Wahrscheinlich erst morgen früh, wenn die Handwerker kommen. Die können sich auf was gefasst machen, mir so einen Schrotthaufen anzudrehen.“

Mir platzte der Kragen.

„Herrgott, bist du eigentlich jemals friedlich? Wie kann man nur so permanent aggressiv sein? Kriegst du nicht genug Sex oder was?“

Er unterdrückte einen Wutschrei, fuhr herum, ergriff mein Kinn und presste seinen Mund auf meinen. Fast gewaltsam drängte sich seine Zunge zwischen meine Lippen, mich durchzuckte kurz der Gedanke, ihm auf die Zunge zu beißen, aber als hätte er es geahnt, ließ er von mir ab.

In mir brannte etwas durch, ich war plötzlich hochgradig erregt, mein Unterleib brannte und mein Denkvermögen setzte aus. Ich griff fest in seine Haare und zog ihn wieder zurück zu mir. Sofort war er bei mir und küsste mich wie ein Verrückter. Ich bäumte mich ihm entgegen, als er nach meinen Brüsten griff. Meine Hände glitten über seinen nackten Rücken, er zog mich mit sich nach oben und nestelte hektisch an seinem Gürtel herum. Mir ging das alles nicht schnell genug, ich stieß seine Hände zur Seite und half ihm. Er hatte mein Kleid nach oben geschoben und in seiner Ungeduld meinen feinen Slip zerrissen.

Marcus hob mich hoch, ich schlang meine Beine um seine Hüften und stieß einen spitzen Schrei aus, als er in mich eindrang. Von wegen mickriges Schwänzchen, er schnaubte nicht nur wie ein Vollbluthengst, er war auch gebaut wie einer. Ich krallte mich an ihm fest und fand einen gemeinsamen Rhythmus mit ihm. Stoß für Stoß trieb er mich zur Ekstase, mein Orgasmus kam schneller, als mir lieb war. Ich biss ihm in den Hals und auch er kam mit einem lauten Schrei.

Immer noch keuchend glitt er aus mir heraus und hielt mich, bis ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Er strich mir fast zärtlich über den Hals.

„Du bist eine verdammte Furie“, sagte er heiser.

„Und du bist ein verdammter Hengst“, antwortete ich.

Im gleichen Moment hörte ich jemanden meinen Namen rufen, es klang wie meine Mutter und ich hämmerte gegen die Aufzugstür.

„Mama!“, schrie ich. „Mama, hörst du mich? Wir stecken hier fest!“

Sie hämmerte von unten zurück und schrie:

„Ok, geduldet euch noch ein wenig, ich hole Hilfe, ich muss nur sehen, wo ich ein Telefon auftreibe.“

„Lass dir Zeit Mama.“

Oh Gott, das hatte ich doch hoffentlich nur gedacht! Oder hatte ich das wirklich laut ausgesprochen? Ich wusste es nicht und die einzige Reaktion, die Marcus zeigte, war, seinerseits zu schreien, dass meine Mutter zum Telefonieren hinauf in sein Büro laufen solle, es stünde offen.

 

 

Er hatte sein Hemd wieder übergezogen und war dabei, es in die Hose zu stecken. Im Dunklen suchte ich nach meinem Slip, fand ihn aber nirgends. Auch egal, der war eh hinüber.

Ich setzte mich zurück auf den Boden und hoffte inständig, keine verdächtigen Flecken auf dem Kleid zu haben.

„Alles ok bei dir?“, fragte er und sah auf mich herunter.

„Alles Bestens“, antwortete ich knapp. Ich hatte Angst, dass meine Stimme mich verraten könnte, denn ich hatte Lust auf mehr, aber das würde ich niemals freiwillig zugeben. Es war unverzeihlich genug, dass das eben überhaupt passiert war.

Wir hockten noch eine gefühlte Ewigkeit schweigend im Aufzug, ehe es endlich wieder hell wurde und er sich wieder in Bewegung setzte. Ich beeilte mich, aus der Kabine herauszukommen und würdigte Marcus keines Blickes mehr. Mit einem hastigen:

„Die Jungs warten auf mich“, ließ ich meine Mutter und ihn stehen und rannte zum Auto.

 

 

Die Band wartete tatsächlich, Freddie war stocksauer auf mich und ich hatte keine Lust, mich zu rechtfertigen. Die beiden anderen ließen sich anstecken und die Probe verlief in äußerst gereizter Stimmung. Gegen ein Uhr morgens beschlossen wir, aufzuhören, Nico und John packten ihren Kram zusammen und waren in Windeseile verschwunden.

Freddie hielt mich zurück.

„Stimmt was nicht mit dir?“, fragte er, er klang jetzt überhaupt nicht mehr stinkig, sondern besorgt.

„Du warst zwar hier, aber dein Kopf war woanders. Was ist los Katie?“

Mist, Freddie kannte mich einfach zu gut, das war manchmal ein echtes Problem. Ich wollte ihm auf gar keinen Fall mein kleines Abenteuer beichten, ich hatte ihm noch nicht einmal erzählt, dass ich den Hass- Typen aus der Bar wiedergetroffen hatte.

„Es ist nichts, Freddie, wirklich nichts, mach dir keine Sorgen“, sagte ich schnell. „Ich bin nur ein wenig müde. Wir sehen uns morgen Abend im ‚Snake’.“

Ich küsste ihn auf die Wange, floh aus dem Proberaum und spürte Freddies Blicke in meinem Rücken. Meine Ausrede war schwach, ich war nie müde, im Gegenteil, Freddie hatte mich öfters gefragt, ob ich überhaupt jemals schlief. Ich war einer der Menschen, die sich Nacht um Nacht um die Ohren schlagen konnten, ohne besonders erschöpft zu wirken.

Ich überlegte indessen, noch auf einen Absacker ins ‚Snake’ zu fahren, allerdings war da Pit und seine sehnsuchtsvollen Blicke ertrug ich heute nicht.

Ob Marcus noch zu der „heißen Kleinen“ gegangen war? In Gedanken sah ich mich wieder mit ihm im Aufzug, wie er mich in seinen Armen hielt und wie er mich höher und höher getrieben hatte, bis ich mit Blitzen vor den Augen explodiert war. Mein Körper sehnte sich nach mehr von ihm, nach einer langsamen, lustvollen Entdeckungsreise. Plötzlich hatte ich seinen überwältigenden Duft wieder in der Nase und schüttelte wütend den Kopf über mich selbst.

Von allen Männern dieser Welt war Marcus Vollmer mit Abstand der letzte, an den ich auch nur einen weiteren Gedanken verschwenden sollte. Er gehörte eindeutig zur Gattung Drecksack, einer wie er respektierte Frauen nicht, er nahm sich, was er wollte und dann wurde man fallengelassen.

Es war, als würde ich mir einen Spiegel vor die Augen halten. War ich nicht eigentlich genau wie er? In Sachen Liebe war ich ziemlich wie ein Mann gepolt, ich nahm meist nur und gab selten etwas zurück. Pit war das beste Beispiel dafür. Er liebte mich und ich nutzte das gnadenlos aus. Ich hatte ohne viel nachzudenken mit dem Ex meiner Mutter geschlafen, obwohl deren Beziehung noch nicht einmal richtig kalt gewesen war.

Wütend trat ich aufs Gaspedal und der Motor des kleinen Autos heulte klagend auf. Worüber zerbrach ich mir hier eigentlich den Kopf? Schließlich fuhr ich direkt nach Hause und ging zu Bett.


Fünf

Gegen Mittag erwachte ich mit Kopfschmerzen und megaschlechter Laune. Ich hatte mich gerade mit einem Becher Kaffee und einer Großpackung Aspirin an den Küchentisch gesetzt, als es klingelte und ein Bote ein Päckchen für mich abgab.

Neugierig riss ich die Verpackung auf, im Inneren befand sich eine flache, schwarze Schachtel, in der, in ebenfalls schwarzes Seidenpapier eingeschlagen, ein hauchzarter, champagnerfarbener Spitzenslip lag. Er sah so ähnlich aus wie das Teil, das Marcus Vollmer mir gestern vom Leib gerissen hatte und das anschließend spurlos verschwunden war. Allerdings war der Slip, der hier vor mir lag, von einem teuren Luxuslabel und hatte mit Sicherheit ein kleines Vermögen gekostet.

Ich fand nichts weiter in der Schachtel, keine Karte, keinen Hinweis, nichts, außer diesem wundervollen, verführerischen Wäschestück, das hauchzart war und wie aus Spinnweben gemacht zu sein schien.

Sollte ich mich jetzt aufregen oder freuen? Vollmer gab mir Rätsel auf. Ich las normalerweise in Männern wie in offenen Büchern, aber er war einfach undurchschaubar. Erwartete er jetzt einen Dank von mir? Na, darauf konnte er lange warten. Ich hoffte inständig, ihm nie wieder über den Weg laufen zu müssen.

Ich vertrödelte den Rest des Tages in der Sonne im Garten und versuchte, ihn aus meinem Kopf zu verdrängen. Es machte mich wahnsinnig, dass er meine Gedanken dominierte.

 

 

Als ich mich am Abend für den Gig im ‚Snake’ zurechtmachte, hatte sich der Frust dermaßen in mir aufgestaut, dass jedes noch so kleine Ding jetzt das Fass zum Überlaufen gebracht hätte.Infernalisch grinsend schlüpfte ich in den

Spitzenslip von Vollmer und nahm mir vor, heute Nacht einen supercoolen Typen aufzureißen und ihm das schlüpfrige Teil einfach als Erinnerungsstück zu überlassen.

Ich zwängte mich in eine Lederleggins, die wie eine zweite Haut saß und meinen Hintern ordentlich zur Geltung brachte. Dann suchte ich eine burgunderrote Spitzenkorsage heraus, das Teil betonte meine schmale Taille und präsentierte meine Brüste wie auf einem Tablett. Passend zum Domina- Outfit zog ich schwarze High- Heels an, bürstete meine langen Haare zu einer wilden Lockenmähne und legte entsprechendes Make- Up auf.

Zufrieden besah ich mich im Spiegel. Der Look passte zu meiner Stimmung, keiner würde es heute wagen, mir zu nahe zu treten. Ich strahlte Gefahr aus und puren Sex, wehe dem Mann, der mir heute in die Quere kam.

Unten lief mir Mama über den Weg und ihr fielen fast die Augen aus dem Kopf bei meinem Anblick.

„Was soll das denn sein, übertreibst du nicht ein wenig?“, fragte sie bissig und setzte hinzu:

„Wir müssen uns über Marcus Vollmer unterhalten.“

„Nicht jetzt Mama, ich muss los.“

Ich lief zur Tür, ich hatte ein Taxi bestellt und würde lieber draußen warten, als noch ewig mit meiner Mutter zu diskutieren. Sie hielt mich wütend am Arm fest.

„Du wirst mir sofort sagen, was da läuft. Erst diese Szene im Büro und dann gestern diese Fahrstuhlsache, ich habe mich so vor dem Handwerker geschämt, man hat förmlich gerochen, was da abgegangen ist. Denkst du, ich bin komplett blöd?“

Ich befreite meinen Arm und antwortete gereizt:

„Ich bin dir wirklich keine Rechenschaft schuldig über Vollmer, aber damit du ruhig schlafen kannst- er ist das größte Arschloch, dass ich kenne und da läuft absolut nichts.“

Meine Mutter rastete aus.

„Nimm dich gefälligst zurück, Katharina! Das ist mein wichtigster Kunde, mit dem Geld von ihm haben wir einen ordentlichen Puffer für die nächste Zeit. Es ist schwer genug, die Firma ohne deinen Vater zu führen und du bist mir leider keine Hilfe. Wenn du mir das vermasselst, bringe ich dich um!“

Katharina?! Ich konnte mich nicht erinnern, wann mich meine Mutter zum letzten Mal mit meinem Taufnamen angesprochen hatte. Ich begriff, dass sie eine Heidenangst davor hatte, das Geschäft mit Vollmer zu verlieren.

„Ist ja gut Mama“, sagte ich versöhnlich. „Ich vermassel dir nichts. Wenn du dafür sorgst, dass ich ihm nicht mehr begegnen muss, dann passiert auch nichts.“

Draußen hupte es, das Taxi war da. Schnell drückte ich ihr einen Kuss auf die Wange und verschwand.

 

 

Das Publikum im ‚Snake’ war heute absolute Spitzenklasse. Die Band und, ohne zu übertreiben, vor allem ich waren heute absolute Spitzenklasse. Der Saal kochte, die Meute tobte und ich hatte mich kurz nach Mitternacht bereits ordentlich verausgabt. Meine schlechte Stimmung war verflogen, ich hatte den Frust herausgetanzt und war fast wieder glücklich.

Dann sah ich ihn. Ich sang mir gerade bei einer unserer wenigen Balladen die Seele aus dem Leib, als ich ihn entdeckte. Marcus Vollmer schien allein zu sein, er lehnte lässig an der Bar und trank Bier aus der Flasche. Er sah atemberaubend aus, er war mal nicht im Anzug, sondern trug eine alte, ausgeblichene Jeans und darüber ein schwarzes T- Shirt. Sein muskulöser Oberkörper zeichnete sich unter dem engen Teil ab und ich sah, dass er überaus bemerkenswerte Oberarme hatte.

Ein wollüstiger Schauer überzog mich, als ich daran dachte, wie mich diese Arme gehalten hatten. Verdammt, ich musste mich konzentrieren, mein Timing hing, Freddie sah mich bereits wütend an. Die Ballade war glücklicherweise vorbei, es folgte meine derzeitige Lieblingsnummer, bei der ich noch einmal alles gab, dann war Pause.

Auf dem Weg zu unserer Stamm- Ecke an der Bar wurden wir von einem grauhaarigen Typen in Designerjeans und knallrotem Kaschmirpullover abgefangen.

„Hallo Leute, mein Name ist Thomas Brunner, ich arbeite für R.E.- Records und würde gern kurz mit euch reden.“

Freddie stieß mir einen Ellbogen in die Seite und grinste vielsagend. Der Typ quatschte indessen ungebremst weiter.

„Einer unserer Scouts hat euch vor einiger Zeit auf einem Festival gesehen und hat uns auf euch aufmerksam gemacht. Wir würden euch gern zu Demo- Aufnahmen einladen.“

Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, dass Marcus Kurs auf mich nahm. Ihn konnte ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Ich legte einen Arm um Freddies Hüfte, hakte mich mit dem anderen bei dem Plattentypen unter und sagte laut:

„Lasst uns nach hinten gehen und reden.“

 

 

Wir verschwanden im Hinterzimmer und Marcus war erst einmal vergessen. Der Plattenmensch hieß Thomas Brunner und machte vollmundige Versprechungen. Er winkte mit einem Plattenvertrag, bot in Berlin ein Studio für Aufnahmen, ein Haus für alle dort während dieser Zeit, anschließend eine Tour durch Deutschland und wenn die erfolgreich war, auch durch Europa.

Am Ende einigten wir uns auf einen Gesprächstermin mit seinem Boss und dass man danach weitersehen werde, Brunner ließ eine Karte da, verabschiedete sich und verschwand.

„Ich weiß nicht“, sagte John. „Klingt viel zu schön, um wahr zu sein. Unrealistisch das alles.“

„Stimmt“, pflichtete ich ihm bei. „Das ist sicher wieder nur so eine ganz kleine Klitsche, bei der wir erst mal Geld hinbringen müssen.“

„Abwarten“, entgegnete Freddie. „Wir gehen auf jeden Fall da hin und sehen uns den Laden an. Wir können es uns nicht leisten, auf so eine Gelegenheit zu pfeifen.“

„Klar gehen wir hin.“ Ich lachte. „Wir wären blöd, wenn nicht.“

Die Tür des Hinterzimmers wurde aufgerissen und Pit steckte den Kopf herein.

„Geht ihr heute noch mal auf die Bühne?“, schnauzte er. „Ich bezahle euch nicht fürs Rumsitzen!“

Mit einem Knall fiel die Tür wieder zu.

„Was ist denn in den gefahren?“, fragte Nico erstaunt.

Ich zuckte mit den Schultern, aber ich konnte mir denken, was mit Pit los war. Ich hatte ihn kaum beachtet seit seiner Liebesbeichte. Ich wusste nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte, ich wollte ihn nicht noch mehr vor den Kopf stoßen. Ihn zu ignorieren war nicht der richtige Weg, das wusste ich auch, aber ich hatte keine Lust auf endlose Diskussionen mit ihm.

„Na los, gehen wir“, sagte ich, machte die Tür auf und lief gegen Marcus Vollmer, der im Begriff war, anzuklopfen.

„Ich will mit dir reden“, sagte er und hielt mich am Arm fest.

Wortlos funkelte ich ihn an und riss mich von ihm los.

„Brauchst du Hilfe, Katie?“ John und Nico standen sofort hinter mir.

„Dich kenne ich doch“, sagte John. „Du bist einer der Typen, die hier letztens solchen Terror gemacht haben, du bist der Vogel, der Katie belästigt hat.“

Er schob sich an mir vorbei und stellte sich schützend vor mich. Nico und Freddie standen auf dem Sprung.

Vollmer lächelte überheblich und im wahrsten Sinne des Wortes von oben herab. Er war mit gut einem Meter neunzig Körpergröße ein ganzes Stück größer als meine Bandkollegen

„Du kannst die sieben Zwerge zurückpfeifen, Babe“, sagte er lässig. „Wir sehen uns noch.“

Er drehte sich um und ging.

Freddie war rot vor Zorn und wollte hinter ihm her. Ich hielt ihn fest.

„Es ist in Ordnung, Freddie“, sagte ich. „Lass ihn einfach gehen.“

„Es ist in Ordnung? Spinnst du? Was hast du mit dem Kerl zu schaffen, Katie?“

„Meine Mutter arbeitet für ihn … leider“, antwortete ich beschwichtigend. „Er ist ein stinkreicher Immobilienfritze. Sie braucht den Auftrag, also lasst ihn bitte. Er kläfft nur, weiter nichts.“

„Wenn er dich noch mal anfasst, verpasse ich ihm eine“, versprach Freddie. „Das Pit den überhaupt wieder hier reingelassen hat!“

„Wenn wir jetzt nicht augenblicklich auf die Bühne gehen, wird Pit uns hier auch nicht mehr reinlassen“, mein Geduldsfaden riss und die schlechte Laune war zurück.

„Hör jetzt auf zu labern, Freddie, wir müssen arbeiten!“

Der Rest des Abends zog sich wie Gummi. Das Publikum bekam natürlich nichts von meiner miesen Stimmung mit, ich war viel zu professionell, um mir irgendetwas anmerken zu lassen. Marcus Vollmer hatte sich in Luft aufgelöst, ich sah ihn nicht mehr und war heilfroh, dass er weg war.

 

 

Nach dem Gig verschwand ich, so schnell es ging, aus dem ‚Snake’. Die Jungs saßen noch mit Pit zusammen, aber ich schützte Kopfschmerzen vor und bestellte mir ein Taxi.

Die Sommernacht war herrlich. Die immer noch angenehm warme, klare Luft tat mir gut. Ich lehnte mich an die große Kastanie, die vor der Tür stand und wartete auf das Taxi.

„Redest du jetzt mit mir?“ Marcus’ Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich schrak zusammen. Er war wie aus dem Nichts aufgetaucht und lehnte neben mir am Baum.

„Bist du verrückt geworden?“, fuhr ich ihn an. „Wie kannst du mich nur so erschrecken!

„Bist du eigentlich jemals friedlich?“, gab er zurück und hatte plötzlich ein unwiderstehliches Lächeln im Gesicht. „Du bist permanent aggressiv, kriegst du nicht genug Sex oder was?“

Ich verstummte, dann musste ich lachen, denn mir war eingefallen, dass ich ihm gestern genau diese Worte um die Ohren gehauen hatte. Und danach …

In mir begann es, zu kribbeln. Seine Hand griff in mein Haar, er ließ die dicken Flechten durch seine Finger gleiten. Die Hand glitt an meinem Hals hinab und blieb auf dem Ansatz meiner Brust liegen. Ich erschauerte, in meinem Bauch brannte es schon wieder lichterloh.

Mein Taxi bog um die Ecke, ich bemühte mich, die Erregung in meiner Stimme zu unterdrücken und sagte:

„Sorry, wir reden ein andermal, ich muss jetzt los.“

Das Taxi hielt, aber Marcus war vor mir dort. Er reichte dem Fahrer einen Geldschein durchs Fenster und ich sah fassungslos, dass es wieder wegfuhr.

„Hey, was machst du da?“, rief ich.

Er kam zurück, griff nach meinen Schultern und bohrte seine Augen in meine. Sein Blick loderte, seine Stimme war rau und sexy und hatte einen gefährlichen Unterton.

„Wenn ich mit dir reden will, werde ich das auch tun. Du wirst noch lernen, dass man mich nicht warten lässt. Mein Wagen steht dort drüben, du fährst mit mir.“

Ich ergab mich. Mit weichen Knien ließ ich mich von ihm zu einem großen, schwarzen Range Rover führen. Normalerweise wäre ich in Begeisterungsstürme ausgebrochen, ich mochte diese Wagen, aber jetzt, in diesem Augenblick war ich so erregt, dass ich wieder einmal nicht mehr klar denken konnte.

 

 

Was immer er mit mir besprechen wollte, musste Zeit haben, denn er sagte während der Fahrt kein Wort und auch ich schwieg.

Das Ziel war der Felsenstein, er parkte den Wagen in der Tiefgarage und wir fuhren in demselben Aufzug, in dem wir am Tag zuvor festgesteckt hatten nach oben in sein Penthouse. Ich nahm das alles nur schemenhaft wahr, ich hatte das Gefühl, in Trance zu sein.

Die Aufzugstür öffnete sich zu einem großen Salon, der Raum war leer und nur mit einer nackten Glühbirne beleuchtet, er wirkte ein wenig gespenstisch. Marcus nahm mich an die Hand und zog mich durch zwei weitere, unbeleuchtete Räume, in denen sich ebenfalls kein einziges Möbelstück befand.

„Klasse Einrichtung“, brummelte ich vor mich hin, verstummte aber sofort, als er die nächste Tür öffnete. Der einzige Einrichtungsgegenstand, der sich in der gesamten Wohnung zu befinden schien, war ein riesiges Himmelbett, welches mitten im Zimmer stand. Das Teil war purer Barock, hatte mit üppigen Schnitzereien versehene, wuchtige Holzsäulen, protzige Goldverzierungen und einen lilafarbenen, bodenlangen Samtvorhang mit Goldstickerei, es sah aus, als hätte er es aus dem Schloss von Versailles geklaut oder als hätte zumindest der Marquis de Sade darin sein Unwesen getrieben.

„Mein Gott, was für eine Scheußlichkeit“, entfuhr mir, ich ging hin zu dem Ding und lief einmal rundum.

Marcus fing mich ab und pflanzte sich vor mir auf.

„Du bist echt das Letzte“, sagte er mit einem Grollen in der Stimme. „Du bist der absolute Hass, Schätzchen. Ich werde dir zeigen, was wirklich scheußlich ist.“

Er versetzte mir einen Stoß, so dass ich rückwärts auf das Bett fiel. Ich versank in weichen Decken und er war sofort über mir.

Ich bin Katie Jensen, ich bin kein dummes Weibchen, mit mir spielt man nur Spielchen, die ich mir selbst ausgesucht habe. Ich griff zu und krallte, noch nicht besonders fest, wieder mal meine Finger in seine Eier. Marcus erstarrte in der Bewegung.

„Das wirst du nicht tun“, knurrte er.

„Ach nein?“, entgegnete ich liebenswürdig.

„Nein“, antwortete er und fuhr mit der Zunge über meine Brüste, die leider beim Fallen aus der knappen Korsage gerutscht waren und vor ihm lagen wie auf dem Präsentierteller.

Ok … ich gestehe … ich wurde schwach, leider. Ich ließ ihn los, aber nur kurz, um mich an seinem Reißverschluss zu schaffen zu machen. Dann griff ich wieder zu, diesmal aber nicht durch mehrere Lagen Stoff und auch wesentlich netter als eben.

Marcus schnaubte und schälte mich, ehe ich bis drei zählen konnte, aus meiner engen Lederleggins und der Korsage. Er setzte ein überlegenes Grinsen auf, als ich nur noch mit seinem Spinnwebenslip bekleidet vor ihm lag.

Verdammt, ich hatte völlig vergessen, dass ich das Ding trug, ich hatte nicht im Traum daran gedacht, mich ausgerechnet ihm darin zu präsentieren.

„Na sieh mal einer an“, war alles, was er sagte, und befreite mich umgehend davon.

 

 

Nach dem schnellen Ritt gestern im Aufzug hatte ich mir eine langsame Reise mit ihm gewünscht, die bekam ich schließlich auch, aber erst im zweiten Anlauf. Vorerst fielen wir übereinander her wie die Tiere und bearbeiteten uns gegenseitig mit Zähnen und Klauen. Am Ende war ich froh, dass es keine Nachbarn gab und die gruseligen Samtvorhänge die Geräusche dämpften, wer weiß, wer sonst alles zu meiner „Rettung“ aufmarschiert wäre.

Ich hatte ihn gefunden, meinen neuen Sexgott. Zu schade, dass er so ein Arschloch war, denn im Bett machte er süchtig.

Nach der zweiten Runde lag ich neben ihm und hätte am liebsten geschnurrt wie ein Kätzchen. Mein Körper war Pudding, mein Hirn war Pudding, ich fühlte mich sauwohl und hatte erfolgreich verdrängt, in wessen Bett ich mich da befand.

Ich kuschelte mich an ihn, wurde aber jäh aus meiner Glückseligkeit gerissen. Er schob mich weg und sagte:

„Ich muss früh raus, also würdest du jetzt wohl gehen?“

Mit einem Schlag verpuffte die rosa Wolke in meinem Kopf und ich setzte mich auf. Marcus hatte mir bereits den Rücken zugedreht und die Daunendecke über sich gezogen. Ich hörte ihn noch etwas murmeln, verstand nicht und fragte:

„Was hast du gesagt?“

Diesmal kam die Antwort laut, deutlich, ziemlich ruppig und ohne noch einmal einen Blick an mich zu verschwenden:

„Ich sagte, du kommst durch die Tiefgarage hinaus. Nun mach schon, verschwinde endlich und mach das Licht aus, wenn du gehst.“

War das zu fassen? Vor ein paar Minuten noch hatten wir … ja was hatten wir da eigentlich getan? Dieses zweite Mal war anders gewesen, träge, zärtlich und liebevoll, es unterschied sich vollkommen von dem wilden, animalischen Akt, den wir am Anfang vollzogen hatten und ausgerechnet danach schmiss er mich raus wie eine Escort- Dame?

Dieser blöde Wichser! Mit einem Sprung war ich aus dem Bett und suchte meine Sachen zusammen. Ich überlegte kurz, ihm noch irgendetwas an den Kopf zu werfen, aber er atmete bereits tief und gleichmäßig. Der Scheißkerl schlief einfach!

Ich lief durch die leeren Räume zum Aufzug, fuhr hinunter und rief mir ein Taxi. Es war kurz nach vier Uhr morgens und es wurde bereits hell. Ich stand vor dem riesigen Felsenstein- Komplex, fror und fühlte mich mutterseelenallein. Mir war echt zum Heulen, was hatte Marcus nur aus mir gemacht?

Verdammt, das letzte Mal hatte ich mit siebzehn wegen eines Kerls geweint, ich würde doch nicht ausgerechnet wegen Marcus Vollmer anfangen, zu flennen. Das wäre ja noch schöner. Er war genau das Arschloch, für das ich ihn von Anfang an gehalten hatte.

Das eben war seine Rache an mir gewesen, das begriff ich langsam. Ich hatte mich einlullen lassen von seinen Zärtlichkeiten, hatte mich tatsächlich fallenlassen und damit genau den Fehler gemacht, auf den er gewartet hatte.

Ich stellte mir vor, wie er oben im Bett lag und sich über mich schlapp lachte. Er war nicht der Typ, der sich auf der Nase rumtanzen ließ, das hätte ich wissen müssen. Ich hatte ihn zweimal gedemütigt, das konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Dabei war es völlig egal, ob ich im Recht war. Am Ende konnte ich ihm wohl noch dankbar sein, dass er mich nicht in aller Öffentlichkeit bloßgestellt hatte. Vielleicht kam das ja noch? Vielleicht war er ja noch nicht fertig mit mir. Erstaunt stellte ich fest, dass ich nicht wütend auf ihn war. Enttäuscht war ich, das traf es besser.

„Oh Gott Katharina Jensen, reiß dich zusammen, man könnte ja glatt denken, du bist verknallt in den Typen!“, fluchte ich vor mich hin. Na, das sicher nicht, das fehlte noch, ausgerechnet so ein arroganter, großkotziger Idiot, der Frauen wie Gebrauchsgegenstände behandelte, das hatte ich echt nicht nötig.


Sechs … Marcus

Verdammt war sie gut … sie war besser als jede, die er bisher im Bett gehabt hatte. Marcus hatte genug Frauen flachgelegt, um sich ein solches Urteil erlauben zu können. Er hörte, wie sich die Aufzugstür schloss und setzte sich im Bett auf.

Sex mit Katie Jensen war mit Abstand das Beste, was er jemals erlebt hatte. Sie war wild und ungezähmt wie eine Tigerin, gleichzeitig aber zart und hingebungsvoll wie ein Kätzchen. Sein Ziel war erreicht, sie war getroffen und verletzt, das hatte er gespürt. Alles war genauso gelaufen, wie er es geplant hatte. Er wusste, dass er ein exzellenter Liebhaber war, seine zahlreichen Lehrmeisterinnen hatten ihn gut geschult und er hatte sein Wissen ausgenutzt, um sich Katie gefügig zu machen. Sie hatte sich ihm eben vollkommen hingegeben. Das Biest war gezähmt und anschließend abgestraft worden.

Er stellte sich vor, wie sie klein und verunsichert unten auf der Straße herumlief und die Welt nicht mehr verstand. Wie sie endlich ihr verdammtes Schandmaul hielt und ihr überzogenes Selbstbewusstsein am Boden war.

Warum also war er nicht glücklicher?

Er horchte in sich hinein und fand die hämische Befriedigung nicht, die er normalerweise verspürte, wenn eine Intrige zum Ziel geführt hatte. Alles, was er fühlte, war Leere und ein Anflug von Enttäuschung, dass sie nicht mehr neben ihm lag und er ihren Körper nicht mehr spürte.

Hä? Was sollte das denn? War er noch bei Trost?

Er schwang die Beine aus dem Bett und schlurfte ins Bad, um sich die Spuren der Nacht abzuwaschen. Als er unter der Dusche stand, sah er Katie wieder vor sich, ihr schönes Gesicht in Ekstase, ihren Körper und ihre geschmeidigen Bewegungen. Wütend über sich selbst griff er nach einem Handtuch, schlang es um seine Hüften und lief in die Küche. Er brauchte einen Drink, irgendwas Starkes, damit er schlafen konnte.

Seine Schritte hallten in den großen Räumen und plötzlich fühlte er sich beschissen. Er sah sich um in seinem leeren Palast und abgrundtiefe Einsamkeit überfiel ihn.

In der Küche, die bis auf das allernotwendigste ebenso leer war, wie der Rest des Penthouses, griff er sich eine Flasche Wodka, goss sich eine ordentliche Portion davon in ein Wasserglas und stürzte das Zeug fast in einem Zug hinunter. Er schüttelte sich, setzte sich auf den Boden und schloss die Augen.

Was war nur los mit ihm? Wieso störte es ihn plötzlich so, allein zu sein? Und wieso spukte Katie Jensen schon wieder in seinem Kopf herum? Wütend knallte er das leere Glas gegen die Wand und es zersprang in tausend Scherben.

Das Biest hatte ihn verhext, seine Aktion war, was ihn betraf, voll nach hinten losgegangen.

Katie Jensen … Katie Jensen … er rannte zurück ins Bett, zog die Vorhänge zu, um die Leere um sich auszublenden und fiel in einen unruhigen Schlaf.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739445977
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (März)
Schlagworte
Liebesroman Millionär Billionär Celebrity Porsche Rockstar Mallorca Romanze

Autor

  • Anna Graf (Autor:in)

Anna Graf startete ihre ersten Schreibversuche in den neunziger Jahren. Sie schrieb kleinere Romane, die allerdings in der Schublade blieben.
2013 nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und veröffentlichte erfolgreich den ersten 'Schubladenroman'.
Seitdem schreibt sie, über das Leben, die Liebe, über Irrungen und Wirrungen, den Weg zum Glück zu finden.
Ihre Heldinnen sind keine schwachen Frauen, im Gegenteil, sie sind selbstbewusst und wissen, sich im Leben zu behaupten.
Zurück

Titel: True Love Bad Guys ... wahre Liebe lohnt sich doch