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Das tote Kapital von Corrib

von Torben Stamm (Autor:in)
270 Seiten

Zusammenfassung

Corrib – ein düsterer Ort. Ein Ort, an dem niemand freiwillig lebt, an dem niemand freiwillig arbeitet. Auch nicht Terry Donel und Declan Naugh, zwei Bullen, die ihre Jobs hassen und einander nicht leiden können, deren Schicksale aber untrennbar miteinander verbunden sind. Als auf dem Friedhof Unbekannte ein Grab schänden und kurz darauf einen spektakulären Ritualmord begehen, sehen beide ihre Chance gekommen – dabei ahnen sie nicht, dass das erst der Anfang ist.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Impressum

Texte und Bildmaterialien Copyright © by Torben Stamm

Im Sundern 47

48431 Rheine

torben.stamm@posteo.de

Alle Rechte vorbehalten.

Stiller Beobachter

Meinen Namen müssen Sie nicht kennen.

Den erfahren Sie früh genug.

Sie müssen auch nichts über mein Aussehen wissen.

Aussehen ist relativ – wie Namen übrigens auch.

Zumindest in meinem Business.

Meinem Geschäft.

Meinem Metier.

Was Sie aber über mich wissen sollten…

…wissen müssen,

…wissen dürfen, ist, dass ich da bin.

Da!

Damit meine ich präsent.

Wenn Sie in Ihren Wagen steigen, beobachte ich Sie.

Wenn Sie nach Ihrem Telefon suchen, weiß ich, wo es liegt.

Ich bin Profi - kein Raubtier.

Nur Anfänger bezeichnen sich als Raubtier.

Sie haben Instinkte, machen deswegen auch einiges richtig, gehen aber nicht planvoll vor. Sie sehen ein Opfer - und greifen an.

Ich auch – aber nicht sofort. Erst, wenn der Effekt maximal ist.

Dann bin ich da.

Und das sollten Sie niemals vergessen.

Prolog II.

„So, kommen wir zum letzten Tagespunkt“, sagte Hugh King mit seiner tiefen, beruhigenden Bass-Stimme.

Er saß am Kopfende des großen, massiven Tisches des Besprechungsraumes, in dem er jeden Monat die Leiter der städtischen Polizei-Reviere zusammenrief, um ein Update über die Lage vor Ort zu erhalten, auch wenn es ihn nur „begrenzt“ interessierte, sprich: Gar nicht.

„Es gibt noch eine Personalentscheidung“, sagte er und blickte in seine Notizen, die ihm sein Sekretär, irgendein namenloser, austauschbarer Typ, hingelegt hatte. „Terry Donel“, las er mit zusammengekniffenen Augen vor und hob den Blick: „Peter, wollen Sie vielleicht etwas dazu sagen?“

Peter Murray, Revier-Leiter des Bezirks Westside, nickte: „Terry Donel ist ein guter Mann. Sehr intelligent, sehr fleißig, sehr idealistisch.“

Ein paar der Männer grunzten leise: Idealismus war in Polizeikreisen verpönt und nur den Neulingen vorbehalten – und denen mussten solche Flausen schnell ausgetrieben werden, denn „Idealismus“ und „Polizeiarbeit“ passten nicht unbedingt zusammen.

„Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass ein Banker unbedingt in den Mord an seiner Frau verwickelt war.“ Peter zuckte mit den Schultern: „Dafür gab es jedoch keine Beweise und nur schwache Hinweise. Ich habe ihm gesagt, er solle ermitteln, aber diskret und sensibel vorgehen.“

Zustimmendes Nicken: Diskret und sensibel – auf diese Weise versandeten Fälle, die unbequem oder unlösbar waren, wobei das eine manchmal die direkte Folge des anderen war.

„Und?“, fragte King.

„Er ist zu dem Mann nach Hause gefahren und hat ihn verhaftet.“

Allgemeines Lachen.

„Er meinte, er wolle mal ein bisschen auf den Busch klopfen, ihn nervös machen.“ Peter schüttelte den Kopf: „Natürlich war der arme Kerl nach zwei Stunden wieder draußen. Aber wir brauchen eine disziplinarische Maßnahme.“

King nickte: „An was haben Sie gedacht?“

„Acht Wochen Suspendierung ohne Gehalt.“

King nickte langsam.

„Ist das nicht unfair?“ Die Stimme war ruhig und gelassen.

Lian Murphy saß locker in seinem Stuhl. Er trug als einziger im Raum keine Krawatte, das Sakko hatte er ausgezogen und über die Stuhllehne gehängt.

„Wie meinen Sie das?“, fragte King. Er konnte Murphy nicht leiden, weil der sich weigerte, ihm den nötigen Respekt zu zollen.

„Was hat der Junge getan? Das, was rechtlich in Ordnung war, oder?“

„Er hat meine Anweisungen ignoriert“, entgegnete Peter drohend.

„Weil Ihre Anweisungen schwachsinnig waren.“

Die Worte hingen eine Sekunde im Raum. Peter Murray kochte, aber er wusste, dass sein Boss es hasste, wenn man ordinär wurde, also hielt er sich zurück. Was nicht bedeutete, dass er vergaß.

„Das sind harte Worte“, sagte King. Seine Augen wurden schmal: „Nicht sehr solidarisch Ihrem Kollegen gegenüber.“

„Ich glaube, mein Kollege legt keinen Wert auf meine Solidarität.“

„Worauf Sie sich verlassen können“, spie Peter mühsam beherrscht aus.

King wartete einen Moment. Er hatte eine Idee: „Also gut“, sagte er und ein böses Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. „Soweit ich das sehe, habe ich hier jemanden, der mit seinem Mitarbeiter nicht zufrieden ist und jemanden, der diesen Typus Beamten sehr zu schätzen weiß.“ Er lehnte sich leicht nach vorne: „Also: Terry Donel wird nicht suspendiert. Das hat er Ihnen zu verdanken, Lian. Stattdessen wird er vom Revier Westside nach Corrib versetzt – in Ihre Obhut, Lian. Und ich hoffe, Sie kommen niemals zu mir, um sich über ihn zu beschweren.“

***

Lian Murphy steuerte seinen alten Kombi quer durch die Stadt.

Er hatte das Fenster runtergekurbelt, auch wenn es regnete, und die Musik laut aufgedreht: Die verzerrten Gitarren dröhnten aus den Boxen, was hauptsächlich an der minderen Qualität der Lautsprecher lag.

Sehr gut, dachte er bei sich. Das hat doch Spaß gemacht.

Er hasste seinen Boss.

Er hasste seine sogenannten Kollegen.

Er war jetzt 62 und der älteste Sack nach King am Tisch. Die anderen Speichellecker waren alle jünger.

Teilweise weit jünger.

Lian war nie befördert worden.

Und das hatte einen einfachen Grund: Als Lian vor mehr als zwanzig Jahren zum Leiter des Reviers Corrib befördert wurde, geschah das aufgrund seiner herausstechenden Intelligenz, seiner unfassbar guten Aufklärungsquote und… weil er schwarz war. Der Polizeipräsident brauchte einen Quoten-Schwarzen, obwohl er ein absolut rassistisches Arschloch war.

Was also tun?

Man schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Man befördert den Schwarzen (Quote erfüllt) und setzt ihn in das Revier, das absolut keiner haben will, weil es das Drecksloch der Stadt darstellt: Corrib.

Mit dem Hafen und den Sozialwohnungen hatte es gewisse „Tendenzen zum sozialen Brennpunkt“, wie man so schön sagt. Der junge, intelligente Schwarze würde sich so niemals für höhere Aufgaben empfehlen können.

Wenn man Karriere machen wollte, musste man woandershin, am besten an die Westside, wo die Banken, das Geld und somit auch die richtigen Kontakte saßen.

In Corrib konnte man nichts werden, das hatte Lian schnell erkannt. Obwohl er inzwischen seinen Frieden damit gemacht hatte, kochte es immer noch in ihm, wenn er daran dachte, wie er damals erkannt hatte, dass er verarscht worden war. Er war kurz davor gewesen, seinen Job hinzuschmeißen, hatte es sich dann aber doch anders überlegt.

Hauptsächlich, weil er nicht wusste, was er sonst hätte machen sollen.

Also hatte er den Rat seiner Frau Beth befolgt und das Beste aus der Situation gemacht: Er leitete das Revier mustergültig und schiss seinem Vorgesetzten bei jeder Gelegenheit ans Bein. Wenn die anderen brav Männchen machten und an Kings Lippen hingen, verdrehte Lian die Augen.

Dresscode?

Kollegialität?

Damit brauchte ihm keiner zu kommen, außer, er wollte einen vor den Latz haben.

Er setzte den Blinker und bog rechts ab. Das Stadtbild begann sich langsam, aber sicher, zu verändern.

Die glitzernden Fassaden der Hochhäuser wichen schrittweise alten Lagerhallen und Fabriken.

Keine luxuriösen Edelschlitten.

Keine feinen Boutiquen.

Keine Hoffnung.

Die Arbeitslosigkeit in Corrib war hoch – die Jungs lernten von ihren Vätern, dass Bildung und Schule einen Scheiß wert waren. Sie schlossen sich einer der zahlreichen Gangs an.

Wurden Kleinunternehmer.

Selbstständige.

Teilweise sehr kreativ: Dann kamen sie ein paar Jahre durch.

Teilweise sehr brutal: Dann landeten sie früher oder später im Hafenbecken oder in der Zelle. Lian wusste nicht, womit die Jungs besser fuhren.

Und jetzt hatte er einen neuen Beamten unter sich.

Einen Idealisten.

Was haben alle gegen Idealisten? Wenn wir alle etwas weniger zynisch wären, hätte diese verdammte Stadt eine Chance. Zumindest eine kleine. Eine theoretische.

Aber es würde darauf ankommen, was der Junge aus der Situation machte.

Würde er mauern?

Würde er sich einfügen?

Und: War er hart genug für Corrib?

Ankunft

Terry Donel betrachtete sein Spiegelbild, nachdem er heiß geduscht und sich rasiert hatte: Er war Mitte zwanzig, hatte einen definierten Oberkörper und deutlich erkennbare Bauchmuskeln, welche das Ergebnis harten Trainings im Fitnessstudio waren. Seine braun-blonden Haare trug er geschnitten. Das Kinn war markant, ebenso die Wangenknochen. Mit knapp 1,90 Meter und seinem breiten Kreuz hatte er nie Probleme gehabt, sich in einer handfesten Diskussion zu behaupten.

Und er ging einer Diskussion bestimmt nicht aus dem Weg.

Er kniff die Augen zusammen: Und was hat es mir gebracht?

Die Antwort kannte er natürlich: Nichts. Außer man hält Ärger für was Zählbares.

Peter Murray, das blöde Arschloch, hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, sein Grinsen zu unterdrücken, als er ihm die frohe Botschaft überbrachte: „Sie werden nach Corrib versetzt“, hatte er ihm triumphierend mitgeteilt.

Terry hatte ihn nur angestarrt.

„Sie wissen, was das für Ihre Karriere bedeutet, oder?“, hatte Murray genüsslich nachgehakt. „Es gibt keine Karriere mehr für Sie.“

Terry hatte die Zähne zusammengebissen.

Hatte den Mund gehalten.

Alles, was er jetzt gesagt hätte, wäre falsch gewesen:

Es tut mir leid – eine Lüge.

Sie mieses Arschloch – die Wahrheit, aber unprofessionell.

Ich verstehe ­– nein, das tat er definitiv nicht. Natürlich hatte er die Anweisungen seines Vorgesetzten ignoriert.

Dass er dafür eins draufbekam, konnte er verstehen.

Aber nicht, dass er in das scheiß Revier nach Corrib versetzt werden sollte.

Das verstand er nicht.

Er hatte mit einer Suspendierung, einem Aktenvermerk oder Ähnlichem gerechnet. Etwas, das seine Karriere zunächst ausgebremst hätte, was später aber so interpretiert werden konnte, dass er immer straight seinen Weg gegangen war.

Und jetzt Corrib.

Klar: Murray hatte Recht.

In Corrib kannst du keine Karriere machen. Da kamst du hin, wenn du wirklich Scheiße gebaut hast oder Scheiße bist.

Oder beides.

Terry streifte seine Boxershorts über und ging durch den Flur ins Schlafzimmer. Dort öffnete er den Kleiderschrank und betrachtete die akkurat gebügelten und aufgehängten Hemden mit gestärktem Kragen.

Aber ich werde das durchziehen, dachte er grimmig. Die werden mich auf keinen Fall kleinkriegen.

Er griff sich ein hellblaues Hemd aus dem Schrank und streifte es über.

Ich werde meinen Job machen – und zwar so gut, dass Murray mich anbetteln wird, wieder zurückzukommen.

Aber natürlich würde er nicht mehr zur Westside gehen.

Gaillim bestand aus vier Bezirken: Westside, Corrib, Newtown und Oldtown.

Westside: Banken.

Oldtown: Pubs und Touristen.

Newtown: Wohnstätte der Reichen.

Corrib: Hafen und Wohnstätte des Abschaums.

Die Westside war das Premium-Revier. Die besten Absolventen der Akademie kamen hierher und Terry war einer der besten.

Genauer: Der Beste seines Jahrgangs.

Er zuckte mit den Schultern: Dann eben die Oldtown.

Er öffnete eine andere Schranktür, um eine ordentlich gebügelte Hose aus schwarzem Stoff nebst passenden Socken herauszuholen und anzuziehen.

Schmaler Ledergürtel.

Dann schloss er die Tür wieder.

Nickte zufrieden.

Das Jackett hing bereits im Flur, das hatte er gestern mit der Fusselrolle bearbeitet.

Wollte er einen guten Eindruck machen?

Ja, das auch.

Aber das war nicht der einzige Grund, warum er so viel Wert auf seine Kleidung legte.

Es ging um ein Statement: Ich muss zwar hier arbeiten, aber ich lasse mich nicht runterziehen.

Er grinste: Ein Anzug als Uniform gegen den Dreck. Aber wirklich Mut konnte er sich mit solchen Gedanken nicht machen.

Er musste trotzdem nach Corrib.

***

Das Revier lag direkt am Hafenbecken und war in einem alten Lagerhaus untergebracht.

Terry lenkte seinen Sportwagen auf den Parkplatz und schaltete den Motor aus. Er blickte auf seine Automatikuhr: Kurz vor acht.

Um acht sollte er sich bei seinem Boss, Lian Murphy, melden.

Murphy war eine Legende, wenn auch keine positive.

Es kursierten tausend Geschichten, wie er King eins ums andere Mal blamiert hatte – ob aus Dummheit oder purer Absicht. Natürlich kannte Terry auch das Gerücht, Murphy sei frustriert, weil er aufgrund seiner Hautfarbe nicht befördert worden war, aber das hielt er für Unsinn. Vielleicht war das im Amerika der 60er Jahre möglich gewesen, aber sie waren hier im scheiß England des 21. Jahrhunderts! Seiner Meinung nach war Murphy ein dummer Arsch, der die Rassismuskarte spielte, weil er einfach zu schlecht war, um es zu mehr zu bringen.

Er stieg aus dem Wagen, griff hinter den Fahrersitz und streifte sich sein Jackett über.

***

Lian Murphy saß in seinem Büro und ging mehrere Statistiken durch: Seit mehreren Wochen tobte in der Unterwelt ein Machtkampf. Nachdem mit Brian Jenkins das unumstrittene Oberhaupt der Gangster-Szene friedlich entschlummert war, gingen seine zwei Stellvertreter John Finley und Mathew Cormag munter aufeinander los und produzierten eine Todesmeldung nach der anderen.

Natürlich nicht so wie im Fernsehen, wo das Blut meterhoch in den Straßen stand.

Das konnte zwar auch mal passieren, aber die beiden waren in der Regel sehr viel diskreter: Murphys Männer registrierten, dass regelmäßig Leute verschwanden, die mal zu der einen, mal zu der anderen Seite gehörten. Das alles geschah sehr unauffällig, sodass die Presse teilweise nichts mitbekam. Die schlichte Wahrheit war: Die Gangster von heute konnten es sich nicht leisten, ihre Machtkämpfe zu offen auszutragen. Hierdurch würden sie die Rückendeckung der Politiker verlieren, die sie so fleißig geschmiert hatten. Früher war das noch anders gewesen: Die Gangster schmierten ein paar Zeitungsmänner und Verleger, damit sie die Storys kleinhielten, und gut war. Heute hatte jeder verdammte Idiot ständig ein Handy mit Kamera bei sich und konnte die Fotos mittels Internet innerhalb weniger Minuten einem Millionenpublikum zugänglich machen. Und wenn es etwas gab, was Politiker fürchteten, dann war es die Macht des perfekten Schnappschusses, der der Öffentlichkeit vor Augen führte, was wirklich los war.

Also mussten die Gangster vorsichtig und diskret vorgehen, wenn sie sich gegenseitig abschlachteten.

Es klopfte.

Murphy warf einen Blick auf seine Uhr: Punkt acht.

„Herein“, bellte er.

Die Tür öffnete sich und ein großer, trainierter, junger Mann trat mit ernstem Gesicht ein.

„Guten Morgen, Sir“, sagte er zackig.

Murphy lächelte innerlich, während er aufstand und keine Miene verzog: „Terry Donel?“

„Ja, Sir.“

„Setzen Sie sich.“

Donel folgte der Aufforderung und nahm auf dem Besucherstuhl vor Murphys Tisch Platz.

Murphy lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und legte die Fingerspitzen aneinander, während er den jungen Mann anstarrte.

Ohne was zu sagen.

Ohne mit der Wimper zu zucken.

Ohne zu blinzeln.

Terry hielt dem Blick seines neuen Chefs Stand: Was ist das für ein dummes Spiel?, fragte er sich. Soll mich das beeindrucken? Du sitzt hier in einer scheiß Baracke am Hafen! Hier ist nichts beeindruckend.

Die Minuten verstrichen, während die beiden Männer sich anstarrten. Schließlich nickte Murphy: „Sie wissen, weswegen Sie hierher versetzt wurden?“

Terry nickte: „Ja, Sir.“

„Und was ist der Grund?“

Willst du, dass ich es sage? Kannst du haben: „Ich habe eine direkte Anweisung meines Vorgesetzten ignoriert und einen Verdächtigen ohne ausreichende Beweise festgenommen.“

Murphy nickte: „Korrekt. Würden Sie sowas wieder tun?“

Klar – „Nein, Sir. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und bereue meine Entscheidung.“ Als ob!

„Weil Sie jetzt hier im Drecksloch der Stadt festsitzen?“

Donels ernste Fassade bröckelte für eine Zehntelsekunde, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle: „Nein, Sir. Es ist mir eine Ehre, in diesem Revier zu arbeiten. Ich bereue es nur, meinen Vorgesetzten enttäuscht zu haben und meinen Kollegen jetzt nicht mehr helfen zu können.“ Die mich nicht einmal mehr angerufen haben, seit sie wissen, dass ich aus dem Revier raus bin.

Murphy nickte: „Also: Wenn ich Ihnen was sage, werden Sie auf mich hören.“

„Ja, Sir.“
„Ich werde Ihnen auch sagen, warum: Wenn Sie es nicht tun, werde ich nicht zu King gehen.“

Murphy stellte zufrieden fest, dass Donel ihn (endlich) verwirrt anstarrte, ohne etwas zu sagen.

„Wir sind hier in Corrib. Ein Revier, das in Wahrheit schlimmer ist als sein Ruf. Wenn Sie meine Anweisungen missachten, haben wir hier ganz andere Möglichkeiten, Sie zu bestrafen.“ Er ließ die Worte sacken, sah, wie sich Donels Mund öffnete und wieder schloss.

„Ja?“, fragte er. „Möchten Sie etwas dazu sagen? Sie haben jetzt die Gelegenheit dazu. Wenn Sie dieses Büro verlassen, will ich in Ihnen nur noch den braven Soldaten sehen, den Sie gerade so tapfer spielen. Und ziemlich schlecht, muss ich sagen.“

Donel leckte sich über die Lippen, rang mit sich: Das läuft ja alles andere als gut, dachte er. „Haben Sie mir gerade gedroht?“, fragte er wider besseren Wissens.

Guter Junge, stellte Murphy fest. Eier hast du: „Ja, das habe ich.“

„Das ist gegen die Vorschriften.“

„Das ist gegen die Vorschriften, SIR“, korrigierte Murphy ihn streng. Donel nickte. Murphy fuhr fort: „Lassen Sie mich nachdenken: Wenn ich Sie bestrafe, dann, weil Sie meine Befehle missachten und somit gegen die Vorschriften verstoßen. Meinen Sie, Sie haben dann noch das Recht, sich auf diese Vorschriften zu berufen?“

„Ich werde gegen gar nichts verstoßen“, platzte es aus Donel heraus. „Aber Sie können mir doch jetzt nicht einfach drohen!“
„Doch! Das kann ich! Sie können gerne zu King gehen und sich beschweren. Er ist aber derzeit nicht gut auf Sie zu sprechen – wenn er sich überhaupt noch an Ihren Namen erinnert. Ich halte das für sehr unwahrscheinlich.“ Er grinste: „Und wenn mich jemand fragt, streite ich natürlich alles ab. Und dann kommen Sie wieder zu uns aufs Revier und wir machen da weiter, wo wir aufgehört haben – nur mit mehr Spaß.“

Donel schwieg: Was das für ein Spaß sein soll, kann ich mir denken.

„Sind damit Ihre Fragen beantwortet?“

„Ja, Sir.“

„Gut.“ Er warf einen Blick auf seine Uhr: „Es ist jetzt halb neun. Ihr Partner wird noch nicht da sein. Er kommt meistens so gegen elf. Machen Sie sich mit den Räumlichkeiten vertraut, räumen Sie Ihren Schreibtisch ein. Und dann lernen Sie Declan Naugh kennen.“

Declan Naugh

Declan Naugh versuchte die Augen zu öffnen, als ihm jemand einen Kuss auf die Lippen drückte.

„Amanda?“, fragte er verschlafen.

„Fast. Lorena.“

Declan fuhr sich mit der Hand durch die Haare und stellte seinen Blick scharf: Neben ihm lag eine junge, rothaarige Frau, die ihn vorwurfsvoll ansah.

„Tut mir leid“, sagte er benommen.

„Ihr seid doch alle gleich“, schimpfte die Frau, die sich als „Lorena“ geoutet hatte und stand auf. „Ich denke, du wirst dich nicht bei mir melden, also lasse ich dir erst gar keine Telefonnummer da. Richtig?“

„Deine Entscheidung.“ – Vollkommen richtig, sehr clever, vielleicht…

„Arschloch!“

Lorena stampfte aus dem Schlafzimmer und wenig später hörte Declan die Haustür zuschlagen.

Die ist nicht sofort gegangen. Bestimmt hat sie was mitgenommen.

Er schwang sich aus dem Bett, blieb aber noch einen kurzen Moment sitzen, bis die Welt um ihn herum sich endlich wieder beruhigt hatte.

Ganz langsam. Erstmal Kaffee.

Er ging/torkelte in Richtung Küche und öffnete den Kühlschrank.

Mhmmmm. Espresso oder Vanille?, überlegte er und betrachtete die verschiedenen Plastikbecher mit kaltem Fertigkaffee. Er schnaufte, dann nahm er sich von jeder Sorte einen Becher, schlug den Kühlschrank zu und schlurfte zur Haustür.

Als er auf die kleine Veranda vor das Haus trat, wehte ein kühler Wind, der ihn kurz frösteln ließ, gleichzeitig aber auch belebte. Erst jetzt registrierte er, dass er nur eine Boxer-Shorts und ein altes Shirt trug, allerdings würde er dadurch keine Nachbarn verstören: Declans Haus lag in dem Waldgebiet, das an Gaillim grenzte. Er hatte es von seinem Großvater geerbt, einem Frauenheld und Aufreißer, der mit seinen Damenbekanntschaften diskret über die Stadtgrenze fuhr, um dort seinen Vergnügungen nachzugehen: Der hatte noch Stil und Anstand.

Declan hatte das Haus erst verkaufen wollen: Was sollte ein junger Mann wie er mit einem scheiß Haus im Wald, weit ab vom Schuss, inmitten der Einsamkeit?

Dann war er für ein Wochenende hierhergefahren. Seine Freundin hatte Stress gemacht, weil sie herausbekommen hatte, dass sie nicht die einzige Dame in seinem Leben war, und darauf bestanden, Declan zur Rede zu stellen – einen Wunsch, den er ihr lieber nicht erfüllen wollte, da die gute Dame Kampfsport betrieb. Natürlich hatten sie sich später trotzdem unterhalten, natürlich war Declan vollkommen zurecht verdroschen worden, aber vor allem: Er hatte festgestellt, dass es zunächst zwar sehr irritierend war, in einem stillen, ruhigen Wald zu leben, und dass diese Stille ohrenbetäubend laut sein konnte, man sich aber sehr schnell an diese Ruhe gewöhnte und sie das innere Tempo massiv drosselte – ein Luxus, für den die Leute normalerweise zu Wellness-Oasen pilgerten und wahnsinnig viel Kohle ausgaben.

Er hatte das immer.

Gratis.

Und das Haus kam bei den Frauen gut an. Wie gesagt: Sein Opa hatte gewusst, wie der Hase lief. Aber immer mit Stil.

Er setzte sich in einen alten Schaukelstuhl, riss den Espresso auf und trank ihn in einem Zug leer. Er ließ ihn neben sich fallen, öffnete die Vanille-Latte und schlürfte vorsichtig den Schaum ab.

Schloss die Augen.

Lauschte auf das Rauschen der Bäume.

Die Vögel.

Dann schlief er ein.

***

Terry Donel saß in seinem Büro und langweilte sich. Er sah auf die Uhr: Halb zwölf. Sollte sein neuer Partner nicht um elf auftauchen? Und warum erst um elf? Eigentlich war um acht Dienstbeginn. Typisch Corrib!

Er hatte seinen Rechner eingerichtet, sich mit dem spärlichen Inhalt seiner Schublade vertraut gemacht und mit ein paar seiner neuen Kollegen auf dem Gang Small-Talk betrieben.

Die Tür wurde aufgerissen.

Ein junger Mann betrat aufgeregt das Büro. Seine Haare waren fettig, sein Shirt sah so aus, als habe er die vergangene Nacht darin geschlafen. Dichte, blonde Bartstoppeln sprossen aus seiner Haut.

„Hey!“, rief Terry. „Wer sind Sie und was wollen Sie?“

„Ich…“

„Wenn Sie eine Meldung machen möchten, müssen Sie zu dem Beamten ganz vorne im Büro“, sagte Terry ungehalten. Er war genervt und frustriert.

„Aber es ist wichtig. Es geht um einen Überfall! Ich kenne die Täter!“

Jetzt hatte der Unbekannte Terrys Aufmerksamkeit: „Wovon sprechen Sie?“

„Von dem Überfall auf den Supermarkt! Ich kenne einen der Täter. Hat es mir gestern im Pub erzählt.“

Terry öffnete seine Schublade und holte ein Notizbuch hervor: „Dann schießen Sie mal los.“

Von was für einem Überfall redet der? Ist aber auch egal!

„Ne!“, gab der Mann beleidigt zurück. „Sie sehen nicht wie jemand aus, der was zu sagen hat. Außerdem wollten Sie mich vor einer Minute noch wegschicken. Ich sage gar nichts.“

„Es ist Ihre Bürgerpflicht, der Polizei bei den Ermittlungen zu helfen.“

„Das mag sein. Aber ich muss Ihnen nicht helfen.“

Terrys Augen verengten sich.

„Ich will mit Ihrem Boss sprechen. Wie heißt er?“

„Murphy.“

„Mit dem will ich sprechen: Mit Murphy!“

Terry dachte kurz nach: Wenn ich direkt an meinem ersten Tag maßgeblich dazu beitrage, einen Überfall aufzuklären, wäre das ein guter Einstieg. Soll er es Murphy doch selbst sagen – dann kriegt der Boss wenigstens mit, dass ich an der Sache dran bin.

„Einverstanden“, sagte Terry und stand auf. „Kommen Sie mit.“

Wenige Minuten später klopfte er an der Tür seines Chefs. Dabei versuchte er durch den Mund zu atmen, weil sein Zeuge eine gewisse Geruchsnote mitgebracht hatte. Terry glaubte fast, den billigen Whiskey im Mund schmecken zu können.

„Was?“, rief Murphy von innen. Terry öffnete die Tür, trat ein und hielt seinem Zeugen die Tür auf, der schüchtern das große Büro betrat.

„Entschuldigen Sie die Störung, Sir, aber ich habe einen Zeugen, der einen der Täter vom Supermarkt-Überfall identifizieren kann.“

Lian Murphy saß hinter seinem Schreibtisch und funkelte Terry wütend an: „Was reden Sie da? Es wurde kein Supermarkt überfallen.“

„Aber dieser Mann sagt, er könne…“

Der Zeuge brach in schallendes Gelächter aus. Murphy warf ihm einen bösen Blick zu, der ihn kurz verstummen ließ, allerdings gluckste er immer noch vor unterdrückter Freude.

„Das“, sagte Murphy, „ist Ihr neuer Partner, Donel, und Sie verschwenden meine Zeit. Scheren Sie sich raus!“

Terry blickte verwirrt von seinem vor Zorn bebenden Boss zu dem vor Freude bebenden „Zeugen“, dann lief er rot an, als er verstand, dass er verarscht worden war.

„Entschuldigung, Sir, aber…“

„Raus!“

***

Während Naugh und Donel zu ihrem Büro zurückgingen, summte es in Terrys Kopf: Ich habe mich voll zum Idioten gemacht! Dieses blöde Arschloch! Was ist das hier für ein Laden, wo ein Boss das durchgehen lässt und die Leute glauben, sie könnten so was abziehen! Das wird es bei mir später nicht geben!

Declan Naugh war mit sich sehr zufrieden: Dieser scheiß Streber! Ihm hatte ein Blick auf Donel gereicht, um sich ein felsenfestes und unumstößliches Urteil bilden zu können: Karrieremensch, Spaßbremse, überkorrekt. Kurz: Unbequem.

Aber damit habe ich Erfahrung, das Problem lässt sich lösen.

Sie erreichten ihr Büro und nahmen an ihren Schreibtischen Platz, die sich gegenüber standen, sodass die beiden Männer sich nun zwangsläufig in die Augen sehen mussten.

„Willkommen in Corrib. Mein Name ist Declan Naugh. Kannst mich Declan nennen.“

„Ich bin Terry Donel. Was sollte der Scheiß?“

Declan hob abwehrend die Hände: „Hey, das war nur ein kleiner Spaß.“

„Auf meine Kosten!“, brauste Terry auf, konnte aber gerade noch verhindern, dass er brüllte.

„Ja, irgendwie schon“, stimmte ihm Declan zu. „Aber dein Gesicht war der Hammer. Hättest du sehen sollen.“

Terry wollte gerade zu einer moralischen Predigt ansetzen, als Declans Telefon klingelte. Dieser hob einen Finger und nahm ab: „Ja…? OK… Schickst du mir die Adresse aufs Handy? Super!“

Er stand auf: „Wir müssen los. Wir können ja die Themen Spaß am Arbeitsplatz und Der Schaden von arrogantem Auftreten im Polizeidienst auf der Fahrt zum Tatort erörtern. Wir nehmen meinen Wagen.“

Damit verließ er das Büro und ließ einen wütenden und sprachlosen Terry Donel zurück, der einen Moment brauchte, bis er sich gefasst hatte, fluchte und seinem Kollegen hinterherstürmte.

Der Tatort

Declans Wagen stellte sich als amerikanischer Oldtimer heraus, den Terry zwar nicht weiter bestimmen konnte, der aber wie ein teures Liebhaberstück wirkte und so gar nicht zum äußeren Erscheinungsbild seines Besitzers passen wollte.

Oder seinem Geruch.

Während der Fahrt schwiegen die beiden Männer sich an: Terry, weil er wütend war, Declan, weil er lieber Musik hörte.

Laute Musik.

Declan setzte den Blinker und bog in eine Straße ein, welche zum Zentralfriedhof führte.

„Der Tatort ist auf dem Friedhof?“, fragte Terry, wobei er sich um eine neutrale Stimmfärbung bemühte.

„So sieht es aus, Chef.“

„Was ist denn passiert?“

„Das hat mir Sam leider nicht geschrieben. Nur die Adresse.“

Er folgte der Straße, die nun steil anstieg: „Aber wenn es ein Mord ist, müssen sie die Leiche wenigstens nicht quer durch die Stadt kutschieren.“ Declan nickte gedankenverloren: „Ist dir schon mal aufgefallen, dass nie Leichenwagen in Unfälle verwickelt sind?“

„Was?“, fragte Terry.

„Ja, das meine ich ernst: Wenn ein Leichenwagen voll ist und der hat einen Unfall, dann wäre das bestimmt irgendwie bizarr, wegen der Leichen und des Sarges und so. Und dann würde das doch unter Garantie im Internet oder in den Nachrichten auftauchen. Aber ich habe so was noch nie gelesen.“

„Hast du denn danach gesucht?“

„Nein, aber ich achte darauf.“ Er parkte den Wagen mittig auf zwei Parkplätzen.

„Du stehst nicht richtig drin“, sagte Terry.

Declan schaute aus dem Fahrerfenster, beugte sich dann demonstrativ über Terry und warf einen Blick aus dem Beifahrerfenster: „Warum? Genau so wollte ich das.“

„Du blockierst zwei Parkplätze.“

„Ja.“
„Findest du das in Ordnung?“

„Ja.“
„Warum?“
„Weil mir sonst irgend so ein alter Sack mit seiner Rentnerkarre einen Katschen in die Seite macht.“ Er tätschelte das Lenkrad: „Und das möchte ich nicht, OK?“
Eigentlich nicht, aber wir hatten sowieso schon einen miesen Start.

Sie stiegen aus. Am Eingang stand ein alter Mann in grüner Arbeitshose, der sie unsicher ansah.

„Guten Morgen“, sagte Declan und streckte die Hand aus. „Sind Sie Mr. Smith? Das ist mein Kollege Donel und mein Name ist Naugh, wir kommen vom Revier Corrib, wegen des geschändeten Grabes.“
Terry funkelte seinen Kollegen an: Der wusste also doch, um was es hier geht.

„Sie sehen gar nicht aus wie ein Polizist“, sagte Smith unsicher. Dann warf er Donel einen Blick zu: „Also Sie schon, aber…“

„Es ist manchmal wirklich sehr nützlich, wenn einem nicht BULLE auf der Stirn steht“, lachte Naugh einnehmend und entlockte dem Alten ein Grinsen.

„Da haben Sie Recht“, stimmte der zu. Dann wurde er wieder nervös: „Soll ich Ihnen… den Tatort zeigen?“
„Sehr gerne, danke“, sagte Donel, um nicht nur korrekt gekleidetes Beiwerk zu sein.

Sie betraten den Friedhof, der seinen Namen einem Umstand verdankte, den niemand mehr zu rekonstruieren vermochte: Weder lag der Zentralfriedhof zentral noch war er sonderlich groß oder bedeutend.

Vielmehr handelte es sich um einen kleinen Flecken Erde, der an einem Hang lag und auf dem die sterblichen Überreste zahlreicher Leute lagerten, deren Hinterbliebene sich nicht mit der lästigen Grabpflege beschäftigen wollten oder konnten, weil sie inhaftiert waren.

Entsprechend wucherte überall Unkraut, die Grabsteine waren mit Moos bewachsen – kurzum: Man fühlte sich der Natur sehr nah.

Terry vermied es in der Regel, auf Friedhöfe zu gehen.

Nicht, weil sie ihn traurig gemacht hätten.

Nicht, weil sie eine unliebsame Erinnerung hervorrufen würden.

Nein: Er mochte sie einfach nicht.

„Sie sind der Gärtner?“, fragte Declan derweil.

„Gärtner, Pförtner, Mädchen für alles“, lächelte Smith. Sie mussten langsam gehen, um den Alten nicht zu verlieren. „Aber nur als Vertretung. Normalerweise bin ich im Hung-Park. Richard macht Urlaub, ich springe für ihn ein.“

„Hung-Park, schöne Gegend.“
„Nicht mehr. Heute dealen da die Jugendlichen nur noch und man muss aufpassen, dass sie einen nicht aus Versehen abstechen.“ Verbitterung schwang in Smiths Stimme mit. Wer könnte es ihm verdenken?

„Ist nicht mehr dasselbe wie früher, unser schönes Corrib, oder?“ Declan wirkte tatsächlich mitfühlend.

Smith schüttelte den Kopf: „Ganz bestimmt nicht. Früher, als wir noch die Werften hatten, gab es keine Rumtreiber oder Penner. Da war jeder Mann an den Docks, da hatte keiner die Zeit oder Kraft, um sich Dummheiten auszudenken. Aber heute? Ich kann es den Jungs ja nicht mal verdenken. Wo sollen sie denn das Geld herkriegen? Die Politiker haben sie doch schon längst vergessen und aufgegeben.“

Sie erreichten das Grab.

Oder vielmehr, die Grabstätte.

Denn das Wort Grab beinhaltet ein gewisses Maß an Würde.

Adam Rengh hatte seine Würde allerdings spätestens mit dem Tod verloren: Die Grabstätte war verwildert, überall wucherte Moos und der Grabstein selbst stand so schief, dass Terry Angst hatte, er würde bei näherer Betrachtung einfach umfallen.

In der Mitte des Urwaldes befand sich ein Loch – der Grund für ihre Anwesenheit.

„Nicht sehr ordentlich“, stellte Terry fest.

Smith nickte: „Und alt. Es sollte nächsten Monat eingeebnet werden.“

„Keine Angehörigen?“, wollte Declan wissen.

„Ne, glaub nicht. Wie gesagt, bin nur die Aushilfe. Allerdings ist es vielen Angehörigen auch egal, was mit den Gräbern passiert. Also macht es auch keinen Unterschied, oder?“

Declan und Terry betraten vorsichtig die Grabfläche, wobei schon auf den ersten Blick klar war, dass der Boden keine verwertbaren Spuren aufwies. Sie schauten in das gut zwei Meter tiefe Loch. Terry hielt die Luft an, aber es war nichts zu sehen.

Nur Erde.

„Ist alles schon verwest“, erklärte Smith, der Terrys Gesichtsausdruck beobachtet hatte. „Nach zwanzig Jahren in diesem Boden ist nichts mehr von dem armen Kerl übrig.“

Terry schüttelte verwirrt den Kopf: „Aber warum buddelt dann einer so ein Loch? Das ist ja auch relativ tief. Wofür?“

Declan stimmte ihm zu: „Macht nur begrenzt Sinn. Haben Sie eine Idee, Mr. Smith?“

„Das waren bestimmt wieder diese Satanisten.“

„Wieder?“, hakte Declan nach. „Ist so was schon mal passiert?“

„Nein“, gab Smith kopfschüttelnd zu. „So was nicht. Aber ich weiß noch, dass Richard sich mal fürchterlich darüber aufgeregt hat, dass eine Gruppe Halbstarker hier irgendwelche Partys oder schwarze Messen oder weiß der Himmel was gefeiert hat. Er war so stinkwütend, er hätte ihnen bestimmt den Schädel eingeschlagen, wenn er sie erwischt hätte.“ Er verzog erschrocken das Gesicht, als ihm wieder einfiel, mit wem er sprach: „Also er hätte ihnen nichts getan, nicht dass Sie was Schlechtes über Richard denken. Er ist ein lieber Kerl.“

„Schon gut“, sagte Declan beschwichtigend und kniete sich neben das Grab, als würde ihm diese Position zu weiteren Erkenntnissen verhelfen.

Terry ging derweil auf den Weg zurück und sah sich um. Dann fragte er: „Gibt es hier keine Lampen?“

„Nein. Nachts ist es hier stockfinster. Ist ja auch keiner mehr da, der was sehen müsste.“

„Was ist mit dem Tor? Wann wird es abgeschlossen?“

„Bei Einbruch der Dunkelheit.“

„Mhmmm.“ Terry kniff die Augen zusammen: „Der Friedhof hat eine Mauer, oder?“

„Ja.“

„Wie ist ihr Zustand?“
„Der Zustand der Mauer?“
„Ja, genau.“

Smith rümpfte die Nase: „Eigentlich nicht übel. Wir bessern sie regelmäßig aus, reparieren einzelne Löcher.“

Terry wusste, was das hieß: „Wie hoch ist sie?“
„Vielleicht zweieinhalb Meter? So um den Dreh, würde ich sagen.“

Alles klar, dachte Terry. Die Mauer ist ein beschissener Flickenteppich. Es wird nicht schwer sein, eine Stelle zu finden, wo man drüberklettern kann. Im Schutz der Dunkelheit ist es dann leicht, in aller Seelenruhe ein Grab ausheben, um die Seelenruhe eines Toten zu stören, der schon verwest ist.

Er hatte eine Idee: „Haben Sie in letzter Zeit Leute gesehen, die nicht hierher gepasst haben?“

„Was?“ Anfangs war Smith noch freundlich und kooperativ gewesen. Die Frage nach dem Zustand der Mauer hatte ihn aber in seiner Berufsehre gekrängt. Aushilfe hin oder her: Dieser Schnösel stellt zu viele Fragen, dachte er bei sich. Der andere sieht normal aus. Aber der? Der weiß gar nicht, was richtige Arbeit ist.

„Haben Sie Leute gesehen, die nicht unbedingt hierher gepasst haben?“

„Nein, habe ich nicht.“

„Und wann haben Sie den Friedhof gestern verlassen?“

Smith kniff die Augen zusammen – entweder, weil er nachdachte, oder aus Feindseligkeit: „Ich habe meine Runde gemacht um zu sehen, dass ich niemanden einsperre. Wann war das? Vielleicht so um halb sieben, vielleicht auch sieben?“

Terry nickte: „Danke.“

Declan lächelte: „Gut, ich denke, das war es fürs Erste. Aber tun Sie mir bitte den Gefallen und warten Sie mit dem Einebnen noch, OK?“

„Muss das sein?“

„Vielleicht müssen wir nochmal etwas überprüfen.“

„Na gut“, stimmte Smith zu. „Ist ja eh noch einen Monat hin. Aber dürfen wir das Loch zumachen? Das könnte der einen oder anderen Oma einen solchen Schrecken versetzen, dass wir für die noch ein neues Loch brauchen, wissen Sie?“

Declan warf Terry einen Blick zu, der nickte. Smith grunzte.

Während sie zum Tor zurückgingen, fragte Terry: „Arbeiten Sie alleine hier?“

Smith nickte: „Ja. In der Regel reicht das.“

***

Terry und Declan marschierten an der Mauer entlang, die den Friedhof umgab. Smith hatten sie am Tor zurückgelassen. Der Alte war froh, den nervtötenden Bullen und seinen bemitleidenswerten Kollegen endlich quitt zu sein. Die Mauer sah aus wie die geschändete Grabstätte: Zugewuchert, brüchig, kurz vor dem Kollaps. Blieb die Frage, ob hier auch ein Unbefugter seine Finger dran gehabt hatte.

„Du hast viele Fragen gestellt“, stellte Declan fest.

„Und du mich angelogen.“

Declan grinste: „Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor.“

Terry glaubte ihm kein Wort.

„Schon eine Theorie?“, wollte Declan wissen.

Terry wartete ein paar Sekunden, nur um deutlich zu machen, dass er noch sauer war, dann begann er: „Die erste Frage, die wir klären müssten, ist, ob das Grab gezielt oder zufällig ausgewählt wurde. Ich tippe auf Letzteres.“

„Warum?“

„So ein Gefühl.“

Klasse, dachte Declan, ohne eine Miene zu verziehen, was ihm aber schwerfiel. Ein Mann der Gefühle. Mit Bauchgefühl und Intuition. Wusste gar nicht, dass ich eine Partnerin bekommen habe.

Der Weg an der Mauer entlang endete und ein Waldstück begann. Terry ignorierte die Natur und folgte der Mauer weiter. Declan starrte auf den breiten Rücken seines neuen Partners: Der Kerl trug teure Kleidung und auf Hochglanz polierte Schuhe. Trotzdem machte es ihm offensichtlich nichts aus, in den Wald zu latschen, wo er sich schmutzig machen würde.

Widersprüchlich.

Was war das für ein Kerl?

Natürlich hatte er Erkundigungen eingeholt, als er hörte, Murphy würde wieder versuchen, ihm einen Partner aufs Auge zu drücken.

Declan hasste Teamarbeit.

Nicht, weil er sich für besser hielt oder möglichen Ruhm nicht teilen wollte.

Nein, Declan hatte einen gewissen Hang zur Bequemlichkeit und bisher hatte Murphy ihm immer Partner zugewiesen, die diesen Hang in den Griff bekommen sollten und auch wollten. Es war immer mit sehr viel Arbeit verbunden gewesen, diese Typen loszuwerden. Terry wirkte ganz nett, bestimmt kein übler Kerl. Aber er war ehrgeizig, das sah man ihm an. Er wollte nicht in Corrib bleiben, er wollte zurück auf ein Revier, wo er Karriere machen konnte: Ein Wandervogel, zwischengeparkt auf dem Weg nach oben.

Das waren keine guten Vorzeichen für eine langfristig angelegte Partnerschaft mit Declan.

„Ah“, sagte Terry plötzlich zufrieden und ging in die Hocke. Declan tat es ihm gleich und starrte wie sein Partner konzentriert auf die Mauer.

„Und? Was sehen wir?“, fragte er ratlos und starrte weiter auf die alten Steine.

„Spuren“, sagte Terry zufrieden.

Declan verdrehte die Augen: „Ich denke, es war ein Wolf. Zwei Meter, vielleicht 60 Kilo.“

„Hä?“, fragte Terry irritiert und sah Declan verständnislos an.

„Wir hocken hier im Wald und du redest von Spuren, als wärst du ein Indianer.“ Er sah seinen Partner an: „Bist du ein Indianer? Das wäre cool.“

Terry wies mit der Hand auf einen Busch und einen Baum, die sich direkt an der Mauer befanden: „Siehst du das? Da hat jemand Äste abgebrochen. Die Bruchstellen sehen frisch aus.“

„Vielleicht ein zwei Meter großer Wolf?“

„Guck dir die Höhe an.“ Terry stand auf und ging zu der Stelle: „Das ist ungefähr auf Armhöhe. So, als würde ich zur Mauer wollen und Äste wegdrücken.“ Terry musterte den Boden und hockte sich wieder hin. Declan trat neben ihn: „OK, das finde ich schon überzeugender“, sagte er und bemühte sich, nicht beeindruckt zu klingen – was er allerdings war.

Auf dem Boden prangte ein einzelner Schuhabdruck.

„Wo ist der zweite?“, fragte Declan.

„Keine Ahnung. Anscheinend haben wir Glück gehabt, wenigstens den hier gefunden zu haben. Ich rufe die Spurensicherung.“ Er holte sein Handy aus der Tasche, aber Declan hielt seinen Arm fest: „Ist das dein Ernst? Da ist nur ein Loch in einem Grab, das bald eingeebnet wird. Es ist für niemanden ein Schaden entstanden. Für so was haben die keine Kapazitäten.“

„Soll das heißen, der Tote hat keine Rechte?“

„Nein. Das soll heißen, wir sind hier in Corrib. Wir haben ein schmales Budget und holen die Spurensicherung nur, wenn viel Kohle geklaut wurde oder wenn jemand umgebracht wurde, was oft genug passiert.“ Er schüttelte den Kopf: „Wenn du dich nicht schon wieder lächerlich machen willst, lass es, Kumpel.“

Terry überlegte kurz, dann nickte er: „Gut, dann mache ich ein paar Fotos.“

Während er sich hinkniete und den Fußabdruck aus mehreren Perspektiven mit seinem Handy fotografierte, war Declan sehr zufrieden mit sich: Spurensicherung, scheiße. Das bläht die Sache nur unnötig auf. Spurensicherung bedeutet Kosten. Kosten bedeuten, dass man sich beim Boss rechtfertigen muss – und irgendwann verwertbare Resultate vorweisen muss. Sehr anstrengend.

Pläne

Murphy lehnte sich in seinem Stuhl zurück, trank einen Schluck abgestandenen Kaffee und dachte nach: Declan Naugh.

Ein Mann, der ihn schon öfters wahnsinnig gemacht hatte. Er grinste gehässig, als er sich fragte, was sich der liebe Peter von der Westside wohl bei einem Beamten dieses Schlages denken würde.

Naugh war gut. Er war clever. Er hatte vielleicht das größte Potential von allen hier in Corrib.

Aber der Kerl machte nichts draus.

Vergraulte einen Partner nach dem anderen.

Kam zu spät.

Ging zu früh.

Trödelte in der Zeit dazwischen rum.

Lieferte nur Ergebnisse, wenn er kurz vorm Rauswurf stand.

Was bereits dreimal der Fall gewesen war.

Murphy hatte ihm immer wieder eine Chance gegeben, weil er an ihn glaubte. Es wäre eine solche Verschwendung, den Jungen vor die Tür zu setzen…

Aber so konnte es nicht mehr weitergehen, das war Murphy schmerzlich bewusst.

Deswegen hatte er einen Plan.

So oder so: Das Problem Naugh würde sich bald relativieren. Und wenn es blöd lief, fiel Naugh weich.

Sehr weich.

Er stellte die Tasse weg und biss sich auf die Unterlippe: Und mein zweites Sorgenkind?

Er musste Donel auf die Reihe kriegen, ihn auf jeden Fall zwei Jahre durchziehen, egal was der Kerl trieb. Allein schon, um sich bei Peter und King keine Blöße zu geben.

Aber da machte er sich keine Sorgen.

Büroarbeit

Terry saß hinter seinem Schreibtisch und ging die Fakten durch: Jemand steigt über die Friedhofsmauer auf der Westseite des Friedhofs ein. Das Grab liegt auf der Ostseite und es war dunkel, keine Beleuchtung. Der Täter hat das Grab also aus einem bestimmten Grund ausgewählt. Warum hätte er sich sonst die Mühe machen sollen, quer über den Friedhof zu latschen? Nein, er muss aus einem bestimmten Grund genau dieses Grab gesucht haben.

Er notierte sich etwas in seinem Notizbuch.

Dann der Fußabdruck: Es war ein großer Schuh, vielleicht Größe 45 oder so. Also ein großer Kerl – oder eine große Frau. Das weiß man nicht.

Ihm kam ein Gedanke. Er suchte eine Telefonnummer aus dem Internet und tippte sie in das riesige Telefon auf seinem Schreibtisch.

Es dauerte eine Weile, dann meldete sich Smith: „Ja?“, fragte er formvollendet.

„Hallo, hier ist nochmal Terry Donel vom Revier Corrib. Ich war mit meinem Kollegen vorhin bei Ihnen.“

„Ja.“

„Mir ist noch was eingefallen.“

Schweigen. Wahrscheinlich freute sich Smith sehr darüber, der Polizei helfen zu können.

„Ich habe nicht drauf geachtet, aber ist am Grab irgendwelches Werkzeug gewesen? Eine Schaufel oder Ähnliches?“

„Weiß ich nicht.“

„Wo bewahren Sie Ihre Sachen auf?“

„Im Schuppen.“

„Ist der abgeschlossen?“

„Ja.“

„War das Schloss heute Morgen offen?“

Smith dachte kurz nach, dann sagte er: „Nein, abgeschlossen.“

„Fenster zu?“

„Alles zu. Da war keiner dran.“

Terry machte sich Notizen.

„OK, danke. Das hat mir schon mal geholfen. Könnten Sie mir vielleicht den Gefallen tun und mal nachsehen, ob beim Grab ein Werkzeug rumliegt?“

„Ja.“

„Sehr gut. Sie können mich hier um Büro erreichen. Durchwahl 11, OK?“
„OK.“

Terry legte auf: So wie es aussieht, hat der Täter kein Werkzeug vom Friedhof benutzt. Er ist also mit dem festen Vorsatz auf dem Friedhof eingebrochen, ein Loch zu graben – eine Schaufel hat man ja nicht einfach so dabei.

Es klopfte.

„Ja?“, fragte Terry.

Die Tür schwang auf und Murphy betrat das Büro. Terry sprang auf: „Guten Tag, Sir.“

„Setzen Sie sich.“

Terry tat, wie geheißen. Murphy setzte sich hinter Declans Schreibtisch.

„Wo ist Naugh?“, wollte er wissen.

„Er musste noch etwas Dringendes erledigen.“

„Mhmmm.“ Murphy kannte Naughs dringende Angelegenheiten. „Wie kommen Sie miteinander zurecht?“

Terry schwieg eine Sekunde zu lange, bevor er sagte: „Wir spielen uns noch aufeinander ein.“

Beschwert sich nicht. Und das trotz des dämlichen Scherzes heute Mittag. Guter Junge.

„Wie steht es bei den Ermittlungen? Sie waren auf dem Friedhof?“

Terry nickte: „Es verdichten sich die Hinweise, dass der Täter bewusst dieses Grab aufgesucht hat und mit dem Vorsatz einbrach, ein Loch an genau dieser Stelle auszuheben.“

Murphy verzog das Gesicht: „Warum? Gibt es schon Hinweise auf ein mögliches Motiv?“

„Nein“, antwortete Terry kopfschüttelnd. „Leider nicht. Aber der Gärtner meinte, es hätte in der Vergangenheit Schwierigkeiten mit Satanisten gegeben, zumindest auf anderen Friedhöfen, er ist lediglich eine Vertretung. Ich wollte gleich in der Datenbank nachsehen, ob wir über solche Fälle irgendwas vorliegen haben, wo man vielleicht anknüpfen könnte.“

„Sehr gut. Waren verwertbare Spuren am Tatort?“

„Ein Fußabdruck an der Mauer.“

„Mehr nicht?“

Kopfschütteln.

„Mehr hat die Spurensicherung nicht gefunden?“

Terry zögerte kurz: „Es war keine Spurensicherung vor Ort, Sir.“

Murphys Augen blitzten kurz auf: „Warum? Wir brauchen gerichtlich verwertbare Spuren, ansonsten nützt uns Ihre Arbeit gar nichts.“

„Ja, ich…“

Murphy ahnte, auf was das hinauslief: „Hat Naugh gesagt, sie brauchen keine Spurensicherung?“

Terry rang kurz mit sich, dann nickte er.

Murphy grunzte, dann sagte er: „Sie rufen sofort bei den Jungs an, die sollen ein kleines Team losschicken. Fahren Sie mit denen hin und zeigen Sie Ihnen, wo sie suchen sollen. Es ist wahrscheinlich nichts zu holen, aber so wie sich das bei Ihnen anhört, könnte die Sache doch etwas komplizierter sein, als man auf den ersten Blick meinen könnte.“

Das Telefon klingelte.

„Wollen Sie nicht rangehen?“, bellte Murphy und stand auf. Während er rausging, rief er über seine Schulter: „Und regeln Sie das mit der Spurensicherung, verdammt noch mal!“

Terry hob das Telefon ab: „Terry Donel, Revier Corrib, was kann ich für Sie tun?“

„Ich war am Grab. Da liegt nichts.“ Smith hielt es wohl für ausgeschlossen, dass Terry noch andere Anrufe erwartete, weswegen er darauf verzichtete, seinen Namen zu nennen.

„OK, danke für Ihre Hilfe“, sagte Terry mechanisch.

Er hatte andere Probleme.

Das größte von ihnen hatte zwei Beine und war offiziell sein Partner.

***

Smith war überhaupt nicht begeistert gewesen, als der anstrengende Bulle ihn schon wieder angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, dass er mit der Spurensicherung vorbeikommen würde. Es war bereits kurz vor fünf und wer weiß, wie lange die brauchen würden. Seine Laune wurde noch schlechter, als er registrierte, dass der normale Kollege nicht dabei war: Hat wohl schon Reißaus genommen.

Das kleine Team von der Spurensicherung machte sich an die Arbeit, stellte Scheinwerfer auf, sowohl am Grab als auch an der Mauer und machte Fotos. Es sicherte den Fußabdruck und bestimmte ihn mit Größe 45.

Nach zwei Stunden war alles vorbei, ohne dass die Aktion inhaltlich neue Erkenntnisse geliefert hätte.

Terry fuhr auf dem Weg nach Hause bei einem Fish and Chips-Laden vorbei, holte sich eine große Portion und pflanzte sich vor den Fernseher. Während er die arterienfreundliche Mahlzeit verspeiste, versuchte er seine Gedanken zu ordnen.

***

Das war also mein erster Tag.

Komischer Tag.

Murphy ist komisch, scheint aber händelbar zu sein. Nett von ihm, vorbeizukommen und sich zu erkundigen, wie es läuft.

Aber die Tatsache, dass er es für nötig befunden hat, vorbeizukommen und auch nach Declan zu fragen, sagt einiges aus.

Declan!

Der Kerl ist eine Seuche. Egal wann, der hat mich heute nur in die Scheiße geritten.

Hat mich beim Boss verarscht.

Auf dem Weg zum Friedhof angelogen.

Mir die Spurensicherung ausgeredet, die ich dann später nachholen musste, sodass ich erst jetzt zuhause bin.

Warum ist der Kerl überhaupt Polizist, wenn er so schlecht oder so faul ist? Ich meine, er ist eigentlich zu jung, um mit dem Thema Job schon durch zu sein, oder?

Aber jetzt habe ich ihn an der Backe. Ich muss das Beste draus machen, muss mich professionell verhalten, ohne dabei dauernd der Angeschmierte zu sein.

Declan

Declan war, nachdem er Terry am Polizeirevier abgesetzt hatte, zu einem kleinen Bürogebäude im Herzen von Corrib gefahren und hatte den Wagen in der Tiefgarage abgestellt.

Bevor er ausstieg, blieb er noch einen Augenblick sitzen, griff hinter den Beifahrersitz und holte eine Flasche Cola aus dem Fußraum hervor. Er öffnete sie und trank einen tiefen Schluck von der abgestandenen, warmen Flüssigkeit.

OK, dachte er. Dann wollen wir mal.

Er stieg aus, durchquerte die Garage und ging zu einem Aufzug, der ihn ratternd in die zweite Etage beförderte.

Er trat aus der Kabine und stand vor einer alten grünen Tür mit großer, schwarzer Glasscheibe, auf der in altmodischen Lettern R. Dale & Partner – Privatdetektiv stand. Er klopfte, wartete kurz, dann trat er ein.

Frühschicht

Terry betrat um sieben das Revier, ging aber nicht in sein Büro, sondern schnurstracks zu den Umkleideräumen. Er hatte eine kleine, kompakte Sporttasche dabei, die er nun auf einer der Bänke abstellte und öffnete.

Dann tauschte er seinen ordentlichen, makellosen Anzug gegen eine alte Jeans und ein kariertes Baumwollhemd. Seine übrige Kleidung schloss er in dem muffigen Spint ein, den die Gesellschaft ihren Gesetzeshütern zur Verfügung stellte.

Sehr gut, dachte er zufrieden bei sich. Er hatte gestern sehr wohl registriert, dass Smith ihm misstraut hatte – bestimmt auch wegen seiner Kleidung. In dieser Gegend fiel er mit einem Maßanzug zu sehr auf. Also musste er sich anpassen. Natürlich hätte er sich zuhause schon entsprechend kleiden können, aber das widerstrebte ihm: Er trug diese Klamotten nur zur Arbeit, wie eine Art Uniform.

Fertig umgezogen ging er zügig zu seinem Büro. Ihm war zwar klar, dass er Declan hier vor elf auf keinen Fall antreffen würde, wollte aber trotzdem sicher gehen.

Er fuhr den Rechner hoch, loggte sich ein und startete die Abfrage in der Datenbank, die er gestern bereits hatte machen wollen, was aber durch die nachträgliche und sinnfreie Spurensicherungsaktion nicht mehr möglich gewesen war.

Als er fand, wonach er gesucht hatte, nahm er sein Notizbuch aus der Tasche: In den letzten fünf Jahren hatte es drei Anzeigen wegen „moralisch verwerflichen Verhaltens“ gegeben. Es war zu keinen Verhaftungen, keinen Verurteilungen oder sonstigen Konsequenzen gekommen, allerdings waren drei Personen namentlich bekannt, die an jeweils einer Aktion teilgenommen haben sollten: Christopher Ips, Olivia Wood und Dorian Butler. Terry notierte sich die Namen, ihre aktuellen Adressen und Telefonnummern, dann schrieb er Declan eine Mail: „Hi. Bin heute Vormittag unterwegs. Treffen um eins im Büro? Dann kann ich dir sagen, was ich bereits rausgefunden habe. Wir sehen uns! Terry!“

Er grinste, während er zum Hörer griff und eine Nummer wählte, die er gestern bereits in sein Notizbuch geschrieben hatte: Professionelles Verhalten – aber sicher!

Befragungen

Terry fuhr zunächst eine Bäckerei an, wo er sich ein belegtes Brötchen und einen schwarzen Kaffee gönnte. Es war erst kurz nach acht und schlicht zu früh, bei einem Bürger an der Tür zu klingeln und ihn zu verhören. Es gab Kontexte, wo das durchaus Sinn machte, aber da er auf die Kooperation seiner Gesprächspartner angewiesen war und absolut nichts gegen sie in der Hand hatte, wäre es jetzt unklug, sie zu verärgern.

Er setzte sich mit seinem kleinen Frühstück in die hinterste Ecke der Bäckerei und zog seinen eBook-Reader aus der Tasche.

Früher hatte er die Dinger gehasst, weil er sie für eine ästhetische Verarmung der Buchkultur gehalten hatte. Inzwischen war er zu dem Schluss gekommen, dass er mit dieser Meinung zwar Recht hatte, die Dinger aber trotzdem ungemein praktisch waren – und praktischer Nutzen schlägt Ästhetik im Alltag um Längen.

Er nippte an seinem Kaffee, die Geräusche um ihn herum wurden zunehmend leiser, während er im Los Angeles der siebziger Jahre versank und sich durch die Seiten des Krimis wischte.

***

Es war kurz nach neun, als es an Dorian Butlers Tür klingelte. Er war etwas gestresst, immerhin war er schon spät dran, wenn er noch rechtzeitig zur Uni wollte/musste.

„Was?“, raunzte er in die Gegensprechanlage.

„Guten Morgen, Donel mein Name. Ich bin von der Polizei und bräuchte Ihre Hilfe. Haben Sie wohl ein paar Minuten Zeit für mich?“

„Eigentlich nicht.“

„Die Polizei wäre Ihnen trotzdem sehr verbunden.“

„Ich habe einen Termin.“
„Die Zeit, die wir gerade verschwenden, brauche ich, um mit Ihnen zu sprechen. Meinen Sie, es wäre nicht leichter, zu kooperieren?“ Das letzte Wort sprach Terry bewusst betont aus. Er konnte vor seinem inneren Auge sehen, wie Butler die Augen rollte, dann brummte der Summer: „Zwei Minuten.“

Dorian Butler war ein hagerer, bleicher Jüngling, den die Biologie um den Bartwuchs beschissen hatte. Er stand mit verschränkten Armen in der Tür, die kurzen, schwarzen Haare wild in alle Richtungen abstehend – ob gewollt oder aufgrund mangelnder Pflege war schwer einzuschätzen. Ebenso konnte Terry nicht erkennen, ob die Haare fettig oder mit zu viel Gel „gestylt“ worden waren.

„Danke“, sagte Donel, als er die zwei Stockwerke zu der kleinen Wohnung hochgestiegen war. „Darf ich reinkommen?“

„Warum?“

„Weil Nachbarn neugierig sind. Ich denke da nur an Sie.“

Butler zögerte kurz, dann zuckte er mit den Schultern: „Nur, wenn Sie mir Ihren Ausweis zeigen.“

Donel nickte und holte das kleine Ledermäppchen aus der linken Gesäßtasche. Er streckte Butler den Ausweis entgegen, der ihn eingehend prüfte. Terry sagte: „Die Zeit für die Überprüfung meiner Identität geht aber nicht von meinen zwei Minuten ab, oder?“

Butler verdrehte die Augen und machte einen Schritt zur Seite, um Donel einzulassen. Sie gingen durch einen schmalen, karg eingerichteten Flur in ein Wohnzimmer, das quasi nur aus einem Sofa und einem Fernseher bestand, der an die Wand gedübelt worden war. Allerdings war der Raum damit auch voll, was aber nicht an der Größe des Sofas oder des Fernsehers lag, sondern der beschränkten Quadratmeterzahl, die Butler zur Verfügung stand.

„Gemütlich“, sagte Donel.

„Es ist billig. Als Student hat man nicht viel Geld.“

Das beantwortet die Frage mit den Haaren.

„Was studieren Sie?“

„Psychologie.“

Oh scheiße, dachte Terry. Gestern macht er Party auf einem Friedhof und morgen legen sich Leute auf seine Pritsche, um seelisch blank zu ziehen? Was hätte Freud dazu gesagt? Außer, dass das irgendwas mit seiner Mama zu tun hat?

„Sehr spannend“, sagte Terry und versuchte beeindruckt zu gucken.

„Ist es. Und ich habe gleich eine Veranstaltung, also: Was möchten Sie?“
„Darf ich mich setzen?“ Terry wartete nicht auf eine Antwort, sondern setzte sich einfach auf das Sofa, zog sein Notizbuch und einen Stift hervor und schlug die Beine übereinander.

„Klar, machen Sie es sich bequem.“ Butler verschränkte die Arme vor der Brust. Auch ohne das Studium der Seele wusste Terry, dass der junge Mann nicht darauf brannte, sich ihm mitzuteilen.

„Also“, begann er sachlich. „Gegen Sie wurde vor einiger Zeit ermittelt.“

„Ist das eine Frage?“

„Nein, das habe ich aus Ihrer Akte.“

„OK.“

Terry fuhr fort: „Wissen Sie, weswegen gegen Sie ermittelt wurde?“

Butler hielt Terrys Blick stand: „Was soll das Spiel? Fragen Sie bitte, was Sie wissen wollen, dann werde ich Ihnen eine Antwort geben.“

Terry nickte: „Gut, ich würde zwar nicht sagen, dass das ein Spiel ist, aber da Sie wenig Zeit haben: Wann haben Sie das letzte Mal ein Grab geschändet?“

Butlers Kopf ruckte kurz ein Stück nach vorne, dann verzog er genervt das Gesicht: „Geht es echt noch immer darum?“

„Worum könnte es denn sonst gehen, weswegen die Polizei morgens bei Ihnen auftauchen sollte?“

Butler war kurz aus dem Konzept, fasste sich aber wieder schnell: „Hören Sie: Ich habe damals nichts angestellt. Wir haben was getrunken, das Tor stand offen, wir waren kurz auf dem Friedhof, fertig. Wir haben nichts gemacht.“

„Gepinkelt?“

„Was?“

„Haben Sie auf dem Friedhof uriniert?“
„Nein.“
„Wo waren Sie vergangene Nacht? Also nicht jetzt die Nacht, sondern die davor?“

Butler kratzte sich am Kopf: „Hören Sie, ich muss los. Das ist doch alles lächerlich. Ich war im Bett, das Semester ist bald zu Ende und ich muss für meine Scheine lernen. Ich bin abends nur noch müde. Ich habe keine Zeit für… wonach auch immer Sie suchen. Und jetzt würde ich Sie bitten, zu gehen.“

Terry stand auf und nickte: „Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Falls ich noch Fragen habe, melde ich mich.“

„Machen Sie das“, sagte Butler und deutete auf die Wohnungstür. „Aber bitte rufen Sie vorher an, dann machen wir einen Termin und ich erzähle Ihnen in aller Ausführlichkeit, dass ich keine Ahnung davon habe, was Sie von mir wollen, OK?“
„Einverstanden, so machen wir es.“

Als Terry in seinen Wagen stieg, schlug er sein Notizbuch auf und strich den Namen Dorian Butler durch.

„Schade“, sagte er zu sich selbst. „Das wäre auch zu einfach gewesen.“

Zumal ich eigentlich nicht davon ausgehe, dass einer der Freaks von damals etwas mit der Sache zu tun hat. Der Täter jetzt ist gezielt vorgegangen, so, als hätte er etwas Bestimmtes gewollt oder gesucht… Die Sachen früher wirken eher wie spontane Dummheiten. Und warum sollten Satanisten gezielt ein Loch in einem Grab buddeln, wo die Leiche schon verwest sein wird? Die wollen doch bestimmt irgendwas Frischeres, oder?

Terry verzog das Gesicht: Wobei ich natürlich keine Ahnung habe, was so ein Satanist sich bei dem denkt, was er da tut. Vielleicht gibt es einen Ritus, bei dem man… die uralten, zersetzten Überreste eines Mannes braucht? Mhmmm… Der Typ hat jedenfalls nicht wie ein Satanist gewirkt, aber keine Ahnung…

Er schüttelte den Kopf. Er war sich sicher, dass die Befragungen nichts bringen würden. Aber das machte nichts. Diese Fußarbeit gehörte dazu. Das Thema Satanismus war durch Smith aufgebracht worden und jetzt war es Terrys Job zu überprüfen, ob an der Sache etwas dran war. Wenn nicht, auch gut. Dann konnten sie die Option wenigstens schon mal ausschließen.

Er gab die Adresse seines nächsten Opfers ein, ließ den Motor an und fuhr los.

Meeting um eins

Declan hatte sich in der Cafeteria einen doppelten Espresso geholt und wartete jetzt in seinem Büro auf Terry.

Er warf einen verärgerten Blick auf seine Uhr: Schon fünf nach. Er selbst war zwar nicht sonderlich pünktlich, aber Unpünktlichkeit bei anderen fand er unerträglich, vor allem, wenn er selbst mal zur Abwechslung pünktlich war.

Das war natürlich unfair, aber Klarheit über die eigenen Unzulänglichkeiten zu besitzen bedeutete nicht, diese abstellen zu können oder sie abstellen zu wollen – und für Declan war beides keine Option.

Die Tür wurde aufgerissen und ein junger Mann in Declans Alter steckte den Kopf rein: „Da sind Sie ja. Wir warten schon alle. Bitte kommen Sie.“

Declan sah den Mann verwirrt an: „Was?“

„Bitte, wir haben alle wenig Zeit und es ist ja auch etwas auf den letzten Drücker gewesen.“

Declan stand auf, ließ seinen To-Go-Becher stehen und folgte dem Mann den Gang entlang zu einem kleinen Konferenzraum: Was zum…

Der Konferenzraum war abgedunkelt, ein Beamer stand auf dem Tisch und projizierte das Thema der Stunde an die Wand: „Leitfaden der Spurensicherung“.

Declan verzog verwirrt das Gesicht: „Das muss ein Irrtum sein. Ich bin mit meinem Partner verabredet, wir…“

Eine Frau, offensichtlich die Referentin, sah ihn ernst an: „Sie meinen Mr. Donel? Er hat sich entschuldigt. Bitte setzen Sie sich.“

Declan setzte sich verwirrt auf einen Stuhl.

Neben der Frau und dem jungen Mann befanden sich noch zwei weitere Polizisten in Uniform im Raum.

Noch sehr jung.

Anfänger.

„Also“, begann die Frau. „Mein Name ist Dr. Brow, ich bin Teamleiterin bei der Spurensicherung. Ich habe eine Anfrage von Herrn Donel erhalten, ob ich eine kurze Einführung in das Thema geben könnte. Es ist zwar etwas kurzfristig, aber, ehrlich gesagt, kommt es sehr häufig vor, dass unwissende Beamte Spuren am Tatort zerstören. Nicht aus Bosheit, sondern weil sie nicht über die Wichtigkeit bestimmter Vorgehensweisen Bescheid wissen. Daher habe ich mich über diese Anfrage gefreut, würde Sie aber bitten, wenn wieder Interesse besteht, etwas rücksichtsvoller bei der Terminierung zu sein.“ Dabei sah sie Declan an, als wäre er der Grund für die ganze Hetzerei.

Declan hob die Hand und fragte: „Entschuldigung, wie lange wird Ihr Vortrag dauern? Ich habe noch ein paar…“

„Zwei Stunden. Und es wird länger, wenn Sie mich dauernd mit Sachen unterbrechen, die Sie eigentlich schon wissen sollten.“ – Autsch!

Declan öffnete kurz den Mund, um zu protestieren, dann schloss er ihn wieder. Er ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken und ergab sich in sein Schicksal – erst einmal.

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Declan saß düster am Tresen und starrte auf sein Schwarzes. Es war inzwischen halb elf abends, er hatte mehrere von den Dunklen verputzt, merkte aber nichts davon.

Der Kerl hat mich echt verarscht – das war ihm inzwischen klar geworden.

Declan war ein guter Polizist und es war kein Problem gewesen zu rekonstruieren, was Terry getrieben hatte: Offensichtlich hatte er gestern Abend doch die Spurensicherung zum Friedhof geschickt und dabei angegeben, dies erfolge auf ausdrücklichen Wunsch von Murphy.

Scheiße! Wenn das stimmt, stehe ich wieder mal klasse da. Nicht, dass es mich interessieren würde…

Die Sache hatte sich lange hingezogen und keinerlei Ergebnisse gebracht - was Declan klar gewesen war und weswegen er von Anfang an nichts davon gehalten hatte.

Zumindest unter anderem.

Und dann begann der Teil, der Declan wirklich sauer machte: Terry hatte die Spurendödel gebeten, einen Vortrag zu halten, hatte sich selbst verpisst und Declan auflaufen lassen.

Clever, dachte er bei sich. Nicht dumm. Etwas aggressiv. Aber clever.

Declan hatte nichts dagegen, dass sein Kollege ihn verarscht hatte.

Das machte er selbst so oft mit anderen, er konnte es vertragen, wenn ihm das jemand auf kreative Art und Weise mal heimzahlte.

Nein, was Declan ärgerte, war etwas anderes und die Tatsache, dass es ihn ärgerte, machte die Sache nur noch schlimmer.

Terry will mich nicht dabeihaben, wenn er ermittelt.

Bisher hatten Declans Partner sich vergeblich bemüht, ihn zu harter Polizeiarbeit zu bewegen. Sie wollten, dass er sich einbrachte, Teil des Teams war, blablabla.

Terry glaubte wohl, er könne gut auf ihn verzichten.

Das kratzte an seinem Ego.

Will er genau das? Ist das so eine Umgekehrte-Psychologie-Scheiße?

Er nippte lustlos am Bier.

Sein Handy brummte. Er fingerte es aus der Tasche, warf einen Blick auf das Display.

Ging ran: „Ja?“, fragte er.

Lauschte.

Dachte nach.

Machte: „Mhmmm.“

Dachte wieder nach.

„Nur beobachten“, sagte er schließlich und drückte den Anruf weg.

Nicht gerade meine Sternstunde, dachte er reumütig und hob den Finger, um ein weiteres Bier zu ordern.

Wieder Befragungen

Terry schaltete den Fernseher aus. Er musste los. Gleich neun.

Eigentlich würde ich lieber pennen. Oder in die Wanne. Nein: Erst in die Wanne, dann pennen.

Es war zwar unmännlich, aber Terry stand auf Bäder.

Es entspannte ihn und er fand alles, was einen entspannte, war gut. Das Leben, der Job und überhaupt alles war kompliziert und stressig genug.

Er hatte den Nachmittag damit verbracht, Olivia Wood zu suchen, aber sie war weder an ihrer Arbeitsstelle, einem asiatischen Nagelstudio, noch bei ihrer Wohnung gewesen. Er hatte allerdings von einem sehr aufmerksamen und erschreckend gut informierten Nachbarn erfahren, dass sie abends oft ins Broken-Coffins ging, einem Goth-Schuppen.

Also hatte Terry beschlossen auszugehen.

Kleidung: Schwarze Jeans, schwarzes Hemd, schwarze Lederjacke.

Wenn ich Eier hätte, würde ich weiße Tennissocken anziehen.

Er hatte zwar Eier, war sich aber sicher, dass den Witz keiner außerhalb seines Kopfes lustig finden würde. Außerdem gab es in dieser Szene bestimmt einige Typen, die es mit dem Dresscode zu ernst nahmen und sich persönlich verarscht fühlen würden, wenn er da so aufkreuzte. Er wollte niemanden vor den Kopf stoßen, sondern Türen öffnen, um Infos abzugraben.

Außerdem besaß er keine weißen Tennissocken.

Er schmunzelte, während er an Declan dachte. Natürlich war das alles irgendwie Kindergarten. Andererseits schien Declan solche Sachen aber selbst permanent abzuziehen, also verstand er vielleicht die Botschaft und ließ ihn in Ruhe. Terry brauchte einen Partner, ein professionelles Umfeld, damit er seine Qualitäten unter Beweis stellen und dieses Drecksloch von Revier schnell wieder verlassen konnte – aber Declan war weder sein Partner, noch professionell. Wenn ich schnell genug bin, kann ich diese Etappe in meinem Lebenslauf sogar ganz weglassen, dachte er bei sich.

Er verließ die Wohnung, stieg in seinen Wagen und fuhr zu der Adresse, die er im Internet gefunden hatte.

Er konnte mit der Goth-Szene nichts anfangen.

Seiner Meinung nach waren das hauptsächlich Sensibelchen, die der Gesellschaft die Schuld an ihren Gefühlen gaben und sie deshalb mit ihrem „bösen“ Auftreten auf Distanz halten wollten.

Das war OK.

Diese Typen machten keinen Ärger.

Aber in jeder Subkultur gibt es Extreme, die sich in ihrem künstlichen Milieu verloren.

Terry glaubte nicht, dass Olivia Wood eine von diesen extremen Typen war, ganz im Gegenteil. Er hatte ihre virtuellen Auftritt im Internet überprüft: Schwarze Haare, dunkle Schminke, lila Corsage…

Wenn sie glaubte, sich auf diese Weise individuell auszudrücken, sollte sie sich fragen, warum sie dabei aussah wie ein Klischee.

Er steuerte den Wagen durch die Straßen von Corrib.

Die Arbeitslosigkeit mochte zwar hoch sein, trotzdem gab es überraschend viele Pubs und Clubs hier.

Oder gerade deswegen.

Er hielt an einer roten Ampel, griff zu seinem Handy und wählte eine Playlist aus.

Ein Vorteil, wenn man bei der Polizei ist: Man darf immer mit dem Handy spielen.

Als er den Club erreichte, fuhr er erst mal an ihm vorbei, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.

Der Eindruck war nicht gut.

Er hatte nicht viel erwartet.

Aber zumindest doch ein Gebäude.

Das Broken-Coffins beschrieb sich auf seiner Internetseite als „anders“ und „nicht von dieser Welt“. Fotos hatte der Betreiber nicht veröffentlicht – offensichtlich aus gutem Grund.

Terry musste der Werbebotschaft zustimmen: Im Vorbeifahren hatte er nur einen Bretterzaun mit Stacheldraht drauf gesehen.

Er suchte sich einen Parkplatz und ging langsam in Richtung Loch im Zaun, das wahrscheinlich den Eingang darstellen sollte.

Das Broken-Coffins stellte sich als ein leeres Grundstück heraus, das mit Zäunen und Ähnlichem abgesichert war, sodass niemand aufs Gelände konnte, der nicht bezahlt hatte. Am Loch im Zaun erhielt man gegen ein „kleines“ Eintrittsgeld leihweise einen Kopfhörer. Terry hatte ihn verwirrt betrachtet, bis der Typ an der Kasse lässig sagte: „Alter, willst du Musik hören? Dann zieh die Dinger auf.“ Terry hatte die Kopfhörer aufgesetzt und sofort knallten ihm harte Riffs und übertriebene Frauenstimmen entgegen, die von gewollt-wütendem Männergrunzen unterbrochen wurden.

Er betrat das Gelände und stellte fest, dass alle Besucher des Clubs solche Kopfhörer trugen.

Logisch, dachte er. Ansonsten könnten die gar keine Musik machen. Ohne Wände und Dach. Das wäre ja sofort Ruhestörung.

Auf einem erhöhten Podest stand der DJ (oder wie das hier hieß). Er trug einen schwarzen Umhang und eine enge Lederhose, was nicht nur lächerlich, sondern einfach nur grotesk wirkte, da Umhang und Lederhose die einzigen sichtbaren Kleidungsstücke an seinem Körper waren.

Terry schob sich zur Bar durch und orderte ein Bier.

Flaschenbier, nichts schön Gezapftes. Dafür fehlte den Leuten hier sowohl die Ruhe als auch die nötige Fachkenntnis.

Er wandte sich, an den Tresen gelehnt, zur Tanzfläche und beobachtete die Menge.

Dafür, dass es mitten in der Woche war, war es ziemlich voll.

Und was soll der Name? Coffin heißt Sarg, aber wir sind unterm freien Himmel. Ich hätte da jetzt etwas anderes erwartet. Na ja…

Das Publikum war jung, wild und teilweise schon ziemlich durch. Terry beobachtete einen Typen, der einem Mädel eine Pille auf die ausgestreckte Zunge legte, die diese dann mit einem gewollt-sinnlichen Lächeln in ihrem Mund verschwinden ließ. Bald darauf folgte die Zunge des Kerls.

Terry nahm einen tiefen Schluck seines Bieres und verzog das Gesicht: Er hasste diese Kohlensäure-Scheiße.

Dann wurde ihm klar, dass sein ursprünglicher Plan, wenn man ihn denn so nennen konnte, problematischer war, als er gedacht hatte.

Ursprünglich hatte er vorgehabt, durch den Club zu streifen und nach Olivia Ausschau zu halten. Die Wahrscheinlichkeit, sie nur aufgrund ihres Internet-Fotos zu erkennen, war relativ gering, also hatte er sich eine dösige, aber plausible Geschichte zurechtgelegt, um sich nach ihr erkundigen zu können.

Aber die tragen alle Kopfhörer. Das macht eine direkte Frage umständlich. Erst antippen, dann das Teil abnehmen… Andererseits, wenn ich Olivia gefunden habe, kann man sich in Ruhe an den Rand setzen und in vernünftiger Lautstärke ein Gespräch führen.

„Dann mal los“, sagte er zu sich selbst, auch wenn er sich nicht verstand – aber wer konnte das schon von sich selbst guten Herzens behaupten?

Der Morgen danach

Als Terry in seinem Bett aufwachte und sich wie immer hinauswälzen wollte, zuckte er zusammen.

Sein Kopf tat weh.

Seine Rippen schmerzten.

Er schnappte nach Luft und blieb auf dem Rücken liegen.

„Was…“, japste er und legte sich die Hand vor die Augen.

Er dachte nach, brauchte aber ein paar Minuten, bis er den innerlichen Film bis zu der Stelle zurückgespult hatte, die seinen jetzigen Zustand erklärte.

Er war im Club gewesen.

War umhergegangen.

Hatte schließlich angefangen, ein paar Leute anzusprechen.

Ein paar hatten Olivia auf dem Bild erkannt, meinten aber, sie heute noch nicht gesehen zu haben.

Terry war dann irgendwann aufs Klo gegangen, einem Lattenverschlag, und stand an einem improvisierten Pissoir, als ein Typ hinter ihn getreten war.

„Du?“, hatte er geknurrt. Zum Glück verstand Terry überhaupt, was er sagte, denn er hatte den Kopfhörer abgenommen.

„Was?“, hatte Terry zurückgebrummt und sich vorsichtig nach hinten umgedreht, während er sich erleichterte. Als der Typ in sein Blickfeld kam, traf auch schon die erste Faust Terrys Gesicht.

Er war nach vorne geflogen und gegen „das Klo“ geknallt.

„Was ist dein Problem, Mann?“, wollte er von dem Kerl wissen.

„Willst du meine Braut ficken?“

„Was?“

„Willst du meine Braut ficken? Olivia gehört mir, selbst wenn sie es gerade nicht weiß, klar?“

Terry musterte den Typen: Er war breit, muskulös und leider nicht allein. Hinter ihm hatten sich zwei weitere Schränke aufgebaut. Alle drei trugen das Logo einer Sicherheitsfirma auf der Brust.

„Ich will niemanden ficken. Ich will nur mit ihr reden.“

„Stehst du darauf? Ist das dein Ding? Nur zu reden?“
Terry schüttelte den Kopf und hob die Hände: „Hey, ich will keinen Ärger. Ich werde jetzt gehen und…“

„Du wirst gar nichts.“ Der Typ schlug wieder zu, aber Terry konnte ausweichen. Der Schwinger ging ins Leere. Trotzdem: Das Leben weicht oft von den Geschichten im Kino ab, und deswegen war es Terry nicht möglich, aufgrund seiner hochentwickelten Nahkampfkünste eine zahlenmäßige Überlegenheit in wenigen Augenblicken auszugleichen.

Die Realität sah anders aus: Die beiden Hilfsschränke stürzten sich auf Terry, klemmten ihn sich unter den Arm und bugsierten ihn aus dem Club. Terry brüllte zwar um Hilfe, aber da die drei zur Security gehörten, musste jeder glauben, sie würden einen Unruhestifter wegschaffen.

Dann schleppten sie Terry in eine kleine Nebenstraße.

***

„Was ist denn mit dir passiert?“, wollte Declan wissen, als Terry am Morgen nach seinem Club-Besuch das Büro betrat.

Der hatte eigentlich gehofft, sein liebster Kollege würde wie sonst erst mittags im Büro auftauchen und nicht schon um neun am Schreibtisch sitzen, wenn Terry sich mit Verspätung an seinen Dienstort schleppte.

„Habe einen Zeugen befragt. Er hat geglaubt, ich würde seine Freundin anmachen und hat mir keine Zeit gegeben, alles zu erklären.“

„Hast du ihm gesagt, dass du Polizist bist?“

Terry schwieg: Das hatte er nicht. Es gab Typen, die das Wort Polizist eher noch provozierte, und er hatte den Eindruck gehabt, dass Olivias Freund/Stalker so einer war.

„Ist nicht zur Sprache gekommen“, sagte er schlicht.

„Mhmmm“, machte Declan. Er wandte sich seinem PC zu und sagte: „Hättest du mir Bescheid gesagt, wärest du nicht so aufgemischt worden.“

„Die Befragung war nach 16 Uhr.“

Declan funkelte ihn böse an: „Was willst du damit sagen?“

„Nichts.“ Terry biss sich auf die Zunge. Er wollte sich jetzt nicht mit Declan streiten. Früher oder später würde es zwischen ihnen gewaltig knallen, es musste einfach knallen, aber jetzt fühlte er sich dem nicht gewachsen. Zum Glück hatte er einen Großteil der vergangenen Nacht vergessen.

Das Trommelfeuer der Schläge, die ihn im Gesicht, im Magen und am Kopf getroffen hatten, hatte er natürlich noch deutlich vor Augen, aber irgendwann hatte er das Bewusstsein verloren. Er erinnerte sich aber noch, wie er zwischendurch aufgewacht war.

Keine Schläge mehr.

Sein Körper hatte vor Schmerzen gebebt.

Er hatte versucht, die Augen zu öffnen, hatte es auch irgendwann geschafft, aber die Welt um ihn war verzerrt und tumb gewesen.

Er erinnerte sich an einen Mann, der sich über ihn gebeugt hatte.

Rote Haare, aber vielleicht war es auch eine andere Farbe gewesen und er hatte sie sich nur eingebildet, weil er selbst geblutet hatte.

Auf jeden Fall keiner von der Security. Wahrscheinlich ein Passant, ein Neugieriger…

Wie auch immer…

Er setzte sich an seinen Schreibtisch, fuhr den Rechner hoch und rieb sich vorsichtig die Augen.

Er hasste seinen Job.

Zumindest gerade.

Der Arbeitsethos des Terry Donel

Ich würde gerne sagen, ich wäre Polizist geworden, weil ich Menschen helfen will. Aber das wäre gelogen. Und Polizist wäre in so einem Fall auch nicht die einzig logische Berufswahl gewesen. Feuerwehrmänner, Ärzte und Installateure helfen Menschen ebenfalls, dafür muss man nicht Bulle werden.

Ehrlich gesagt bin ich Polizist geworden, weil dieser Beruf etwas Besonderes beinhaltet: Du hast die Freiheit, an Orte zu gehen, wo Leute dich nicht haben wollen und du Fragen stellen darfst, die andere sich verkneifen müssen. Die Befragten hassen dich, wenn du diese Fragen stellst, und das ist ihnen auch anzumerken – aber sie dürfen nichts sagen. Sie sind gefangen zwischen dem Impuls, sich auf dich zu stürzen, und der Erkenntnis, dass das nur Probleme mit sich bringen wird.

Natürlich ist das nicht immer der Fall, deswegen gibt es Übergriffe auf Polizisten und deswegen sind wir bei Fußballspielen oder Demonstrationen nicht nackt, sondern schwer gepanzert.

Aber trotzdem… Macht ist ein Faktor gewesen.

Und genau das ist derzeit das Problem: Ich fühle mich total ohnmächtig.

Man hat mir meine Stelle gestohlen.

Man hat mich verpflanzt!

Man hat mir eine Knalltüte als Partner gegeben!

Und der Fall ist eigentlich auch nicht wirklich ein Fall. Ich meine, Declan ist ein Idiot, aber natürlich hat er Recht, dass im Grunde genommen nichts passiert ist.

Da ist ein kleines Loch, wo in ein paar Wochen ein großes sein wird – nämlich, wenn das Grab eingeebnet wird.

Was mache ich also?

Laufe durch die Gegend, stelle sinnlose Fragen und lasse mich verprügeln.

Wäre ich ein Psychiater, würde ich sagen, jemand, der sich so verhält, will für etwas Buße tun. Vielleicht stimmt das sogar. Ich glaube, Murphy will mich testen, will sehen, ob ich etwas durchziehen kann oder sofort anfange zu stänkern. Vielleicht will er mich auch bestrafen, aber so wirkt er eigentlich nicht. Er ist ein Freak, kein Sadist.

Meine Eltern waren damals sehr stolz auf mich, als ich zur Truppe gegangen bin. Meine Mutter machte sich zwar dauernd Sorgen, aber das hätte sie auch getan, wenn ich Gärtner geworden wäre.

Da gibt es Bienen – zumindest noch.

Bis zu ihrem Tod hat sie mich jeden Sonntag angerufen, mir viel Glück für die Woche gewünscht und gesagt, ich solle auf mich aufpassen. Manchmal fehlt mir jetzt dieser Anruf, aber wenigstens hat sie nicht mitbekommen, dass ihr lieber Sohn strafversetzt wurde. Auch wenn sie niemals den Fehler bei mir gesehen hätte. Aber es hätte mich nicht gewundert, wenn sie Murray von der Westside angerufen hätte, um ihm ordentlich die Meinung zu geigen.

Peinlich.

Manche Sachen ändern sich nie.

Mein Vater hat die Nachricht ruhig aufgenommen.

Er hat mir zugehört.

Hat kurz geschwiegen.

Hat gefragt, was sich für mich ändern wird, ob das dann ewig so sein wird und dann schlicht gesagt: „Mach das Beste draus. Das Leben verläuft nicht wie mit dem Lineal gezeichnet.“

Sehr tiefsinnig. Hat er bestimmt irgendwo gelesen. Seit er in Rente ist, liest er nur noch. Früher hat er für einen Herrenausstatter die Bücher geführt.

Pünktlich anfangen, pünktlich Feierabend.

Mittagspause zuhause.

Ein ruhiges Leben.

Ein gutes Leben.

Ein Leben, das es heute so nicht mehr gibt.

Warum ist Declan wohl Polizist geworden? Eine Frage, die mir nicht aus dem Kopf geht…

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„Terry!“, rief Declan und winkte seinem Kollegen wild zu. „Pennst du?“

Terry zuckte zusammen: „Was?“, fragte er, als er merkte, dass er ganz weit abgeschweift war.

„Wie gehen wir weiter vor?“

Terry zuckte mit den Schultern: „Wir befragen Wood und Ips. Was anderes können wir nicht machen.“

Declans Wochenende

Als Declan samstags aufwachte, war es bereits mittags. Er drehte sich auf die Seite und sah den nackten Rücken einer Frau, der nur unzureichend von einer Decke verhüllt wurde.

Er stand leise auf, um die Frau – wer auch immer das sein mochte – nicht zu wecken, schlich zur Küche und holte sich einen Kaffee aus dem Kühlschrank.

Mit diesem ausgestattet setzte er sich vors Haus auf die Veranda.

***

Meiner Meinung nach ist die Freude der Menschen über das Wochenende Ausdruck dessen, was falsch in unserer Gesellschaft läuft. Ich meine, wir arbeiten fünf Tage, damit es uns zwei Tage gut geht und wir, zumindest bedingt, machen können, was uns Spaß macht.

Ist das einer Spezies würdig, die sich als intelligent bezeichnet?

Eigentlich müsste es doch umgekehrt sein, oder? Aber wir fühlen uns ja nur als ein produktives Mitglied der Gesellschaft, wenn wir viele Überstunden haben und wir kurz vorm Burn-Out stehen. Wer ernst macht mit der Achtsamkeit, wird ausgelacht oder für faul gehalten.

Klar, ich kann das Maul aufreißen. Ich muss ja auch nicht für meinen Lebensunterhalt aufkommen.

Meine Eltern starben, als ich ein Jahr bei der Polizei war. Ich hatte mich für die Arbeit als Gesetzeshüter entschieden, weil ich dachte, als Cop habe man alle Freiheiten, ermittele so vor sich hin und es gäbe eine Menge Action.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739472997
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Oktober)
Schlagworte
Friedhof Mafia Satanisten Krimi Thriller Spannung

Autor

  • Torben Stamm (Autor:in)

Torben Stamm schreibt in seiner Freizeit gerne Krimis, Thriller und Fantasy!
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Titel: Das tote Kapital von Corrib