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Elisa - Verführe mich, Master

von Pia Conti (Autor:in)
300 Seiten

Zusammenfassung

Für Elisa geht ein Traum in Erfüllung, als sie mit Hilfe ihrer geliebten Tante Silvana ein neues Leben in Florenz beginnt. Diese vermittelt ihr eine Stelle beim unnahbaren Galeristen Fabrizio Testi. Die junge Frau ist vollkommen fasziniert von der machtvollen Aura dieses Mannes. Auch Fabrizio fühlt sich bezaubert von Elisas sanfter Schönheit, doch er hält sie für zu unbedarft, um seine sexuellen Ausschweifungen und seine Dominanz ertragen zu können. Kann Fabrizio der Verlockung der Unschuld dauerhaft widerstehen? Teil 2 der Italian Masters-Reihe. Neuauflage des früheren Titels Elisa-Verlockung der Unschuld.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

Elisa parkte ihren alten Mini auf einem der Stellplätze vor dem fünfstöckigen Gebäude, in dem ihre Freundin Davina wohnte. Das würde also für die nächsten Wochen ihr neues Zuhause sein.

Sie beugte sich über das Lenkrad und sah durch die Windschutzscheibe an der Fassade entlang. Die von der Witterung dunkel gewordene Hauswand hätte dringend einen neuen Anstrich benötigt. Davinas Wohnung befand sich in einem typischen Großstadtbunker am äußeren Rand des Stadtteils Novoli und wirkte alles andere als einladend. Hoffentlich war die Wohnung etwas einladender, als der äußere Eindruck es vermuten ließ. Dann wurde Elisa bewusst, wie undankbar sie war. Sie konnte sich mehr als glücklich schätzen, vorerst bei Davina unterzukommen, bevor sie sich der Herausforderung stellte, eine eigene Wohnung zu finden.

Elisa zog den Autoschlüssel ab und stieg aus. Neugierig sah sie sich um. Glücklicherweise war es noch hell genug, um alles detailliert begutachten zu können. Die Sonne ging gerade erst unter und warf ihre rote Glut über die Dächer von Florenz, einer Stadt, die sie schon seit ihrer Teenagerzeit faszinierte. Was für herausragende Persönlichkeiten sie hervorgebracht hatte. Dante schrieb hier seine Göttliche Komödie, und Leonardo da Vinci wuchs hier zu jenem Genie heran, dessen künstlerische Werke die Menschen auch über seinen Tod hinaus begeisterten.

Seit sie vor vielen Jahren ein Wochenende bei Davinas Familie verbracht hatte, träumte sie davon, hier zu leben. Florenz faszinierte sie, sie spürte, dass diese Stadt etwas Besonderes für sie bereithielt. Was hatte das Schicksal mit ihr vor, wenn sie ihren Traum von einem Leben hier nie hatte aufgeben können?

Jetzt kann ich es ja herausfinden, dachte sie und versuchte, das unangenehme Rumoren in ihrem Bauch zu ignorieren. Auch wenn ein Traum für sie in Erfüllung ging, machte sie sich fast in die Hosen vor Angst. Was, wenn sie versagte? Ihre geliebte Tante Silvana hatte ihr geholfen und die Bedenken von Elisas Vater zerstreut, indem sie ihr einen Job bei einem befreundeten Galeristen besorgt hatte. Gott, was für ein Kampf das gewesen war!

Roberto Bernini hatte sie zuerst nicht ziehen lassen und sie um jeden Preis innerhalb der erstickenden Enge von St. Vincenzes schmalen Gassen halten wollen. Es war nicht so, dass sie ihr Heimatdorf nicht geliebt hätte, aber es musste doch mehr geben als nur den Blick über die Theke von Papas Gemüseladen. Immer die gleichen Gesichter, dieselben Geschichten, die gleichen Abläufe. Elisa sehnte sich nach prickelnden Abenteuern und Aufregung, nach etwas, das diesen quälenden Hunger in ihr stillen konnte, ohne dass sie genau hätte definieren können, wonach es sie so dringend verlangte.

Papa verstand das nicht. Am Ende gab er aber doch seinen Segen, als Silvana ihm mitteilte, dass Elisa sofort nach ihrer Ankunft als Empfangsdame in einer Galerie anfangen könne. Die Gewissheit, dass seine Tochter einer ehrlichen Arbeit nachgehen würde, beschwichtigte Roberto Bernini ein wenig, sodass er schließlich nachgab. Das war erst wenige Tage her und nun konnte sie endlich auf eigenen Beinen stehen. Einzig und allein der Gedanke, in einer Galerie zu arbeiten, behagte ihr noch nicht ganz. Es fehlte ihr an Erfahrung im Umgang mit großstädtischen Kunstliebhabern, und sie fürchtete sich davor, den Eindruck eines unbedarften Landeis zu erwecken.

Silvana hatte versucht, ihre Bedenken zu zerstreuen, und ihr versichert, sie brauche nichts weiter zu tun, als die Besucher der Galerie in Empfang zu nehmen und ihnen Kaffee, Sekt oder eine andere Aufmerksamkeit anzubieten. Das klang einfach. Abgesehen davon hatte Silvana ihr versichert, dass sie für Fabrizio Testi die Hand ins Feuer legen würde und dass sie bei ihm gut aufgehoben wäre.

„Fabrizio Testi …“, murmelte Elisa und spürte mit halb geschlossenen Augen dem Klang dieses melodischen Namens nach. Was er wohl für ein Mann war? Sie stellte sich einen etwas exzentrischen, älteren Herrn vor, mit schlohweißem Haar, einem bunten Seidenschal um den Hals und einer Pfeife im Mundwinkel, mit der er kringelige Rauchschwaden in die Luft blies. Sie war gespannt, ob sich diese Fantasie als wahr erweisen würde.

Voller Elan lief sie um ihren kleinen Mini herum zur Beifahrerseite. Auf dem Sitz befand sich ihr Handgepäck, den Rest ihrer Habseligkeiten würde sie später holen.

„Also gut, Elisa, jetzt gibt es kein Zurück mehr!“, murmelte sie leise und steuerte den überdachten Hauseingang an. Dabei achtete sie nicht auf ihre Umgebung und wurde um ein Haar von einem Inlineskater niedergestreckt, der wie aus dem Nichts auftauchte und mit einem Affenzahn den Fußgängerweg entlangraste. „Pass gefälligst auf, wo du langfährst, du Wahnsinniger!“, brüllte sie ihm hinterher.

Der junge Kerl hob nur die Hand, ohne sich zu ihr umzudrehen, und zeigte ihr den Stinkefinger. So eine Frechheit! Elisa öffnete den Mund und schloss ihn wieder, während sie ihm verdutzt nachstarrte. In der Großstadt wurde Rücksichtnahme wohl nicht besonders großgeschrieben. Höflichkeit anscheinend auch nicht.

„Herzlich willkommen in Florenz“, murmelte sie sarkastisch und legte die restlichen Schritte bis zum Eingang des Wohnhauses zurück.

„Rivoli … Rivoli …“, murmelte sie und fuhr mit ihrem Zeigefinger die Klingelschilder entlang, auf der Suche nach dem Namensschild ihrer Freundin. Als sie das richtige Plättchen fand, drückte sie drauf und schon nach wenigen Sekunden ertönte der Türsummer. Ein bisschen unsicher betrat sie das Haus, es roch muffig. Beklommen musterte sie die heruntergekommene Umgebung. Der Boden hätte eine Säuberung mit einem Hochdruckreiniger nötig gehabt, so verdreckt wie er aussah. Naserümpfend bewegte sie sich auf die Treppe zu. Den Aufzug links von ihr ignorierte sie, weil sie dessen Funktionstüchtigkeit anzweifelte. Die Hausverwaltung erschien ihr nicht unbedingt vertrauenswürdig, wenn sie ein so schönes Gebäude so schmählich vernachlässigte.

Bei den Wänden setzte sich dieser Eindruck fort. Irgendein Witzbold hatte sich mit obszönen Kritzeleien darauf verewigt. Elisa spürte ihre Wangen heiß werden, als sie an einer erotischen und überraschend detailgetreuen Zeichnung vorbeilief, die einen Mann zeigte, der seine Partnerin von hinten bediente. Sein Phallus steckte tief in der Scheide der vollbusigen Frau, ihr langes Haar wand sich um seine Hand, mit der er ihren Kopf nach hinten zwang. Die totale Zurschaustellung männlicher Dominanz und Überlegenheit. Ein wohliger Schauer erfasste Elisa und sie blinzelte irritiert über dieses Gefühl. Lieber Himmel, gefiel ihr das etwa?

Noch nie hatte sie sich über so etwas Gedanken gemacht. Sie konnte wirklich an einer Hand abzählen, wie oft sie in ihrem Leben Sex gehabt hatte. Vier Mal, um genau zu sein, und ihr bisher einziger Liebhaber Angelo – ein wirklich lieber Kerl aus St. Vincenze – war immer sehr sanft mit ihr umgegangen. Mit ihm zu schlafen war schön gewesen, nicht sonderlich aufregend, aber sie war der Meinung, es nicht anders haben zu wollen. Trotz der erotischen Träume, in denen sie ein unbekannter Liebhaber mit unbarmherziger Schamlosigkeit zum Orgasmus trieb. Er verlangte Dinge von ihr, für die sie sich beim Aufwachen schämte. Doch jetzt, während sie mit halb geöffneten Lippen diese Schmiererei an der Wand betrachtete, fühlte sie wieder dieses unbestimmte Sehnen in sich.

Obwohl sie verwirrt war, konnte sie die Augen nicht von dieser Zeichnung abwenden. In ihren Gedanken formte sich ein neues Bild, und die Frau darauf trug ihre Züge, während der Liebhaber kein Gesicht besaß. Aber in ihrer Fantasie war er groß, düster und wahnsinnig erotisch. Wie es wohl sein mochte, von so einem übermächtigen Liebhaber genommen zu werden? Von einem, der sie seinem Willen und seiner Männlichkeit unterordnete?

Je länger sie darüber nachdachte, umso tiefer versank sie in ihrer Träumerei. Das verdreckte Treppenhaus wurde zu einem Palast der Sinne. Sie reckte sich dem Mann entgegen, fühlte den harten Stoß, der von hinten ihren Schoß spaltete, und den pulsierenden Schwanz, der sie in Besitz nahm, während er ihr langes honigblondes Haar packte, um ihren zuckenden Leib zu zügeln. Ihre Kopfhaut spannte, die Andeutung von Schmerz überschwemmte ihre Sinne und sie wehrte sich, wollte dem Griff ihres dunklen Liebhabers entkommen. Er schlang seinen Arm um ihren Hals, zwang sie in eine kniend aufrechte Haltung, während er noch tiefer in sie eindrang und anfing, sie immer heftiger zu ficken. Erbarmungslos trieb er seinen Schwanz in ihre Pussy. Sein Mund an ihrem Ohr flüsterte ihr zu, wie herrlich eng sie sich anfühlte, er nannte sie sein Eigentum, und nichts anderes wollte sie in diesem Augenblick sein. Köstliche Angst vor dieser unbekannten Welt, gepaart mit nicht enden wollender Ekstase, flutete ihren Leib. Sie wollte mehr davon, wollte sich unterwerfen und jede Sekunde davon auskosten …

Elisa spürte, wie ihre spontane Fantasie ziemlich reale Auswirkungen auf sie hatte. Ihr Bauch zog sich zusammen vor Erregung und ihre Scham fing an zu pochen. So intensiv, dass sie erschrocken die Beine zusammenpresste und dann die Treppen hinaufstürzte, um vor ihrer eigenen Lust zu flüchten.

Was war nur mit ihr los in letzter Zeit? Diese Unterwerfungsfantasien nahmen langsam überhand. Dabei war sie mit solchen Praktiken noch nie zuvor in Berührung gekommen. Doch er war da, der Reiz des Unbekannten, immer dann, wenn sie Bilder sah oder Texte las, in denen Männer ihre Frauen dominierten. Es gab einschlägige Literatur dazu, Romane über wunderschöne Frauen, die sich ihren Maestros hingaben und ihnen mit ihren Körpern dienten. Sie hatte einige davon gelesen, heimlich natürlich und mit der Hand unter der Bettdecke, weil sie manche Passagen derart aufheizten, dass sie sich selbst Befriedigung verschaffen musste.

„Elisa, bist du das?“, schallte es von oben herunter und sie zuckte ertappt zusammen.

„Ja, ich komme schon.“

Atemlos nahm sie jeweils zwei Stufen auf einmal und versuchte, auf diese Weise auch den Gefühlen zu entfliehen, die diese Zeichnung an der Wand in ihr freigesetzt hatte. Heiß schoss ihr Blut durch ihre Adern, kochte und wärmte sie von innen. Endlich erreichte sie den vierten Stock und erblickte ihre Freundin, die am Türrahmen ihrer Wohnung lehnte und mit ungläubiger Miene den Kopf schüttelte.

„Elisa … oh mein Gott, nicht zu fassen, du bist tatsächlich hier“, rief sie lachend. „Ich glaub, ich muss mich kneifen.“

Davinas Herzlichkeit vertrieb sofort alle Sorgen und auch die letzten Reste ihrer unpassenden Gelüste. Ihr letztes Treffen lag erst ein Jahr zurück, dennoch kam ihr Davina total verändert vor …

„Du hast dir die Haare abgeschnitten“, stieß Elisa verblüfft hervor und bewunderte den schicken schwarzen Longbob, der Davinas zartknochiges Puppengesicht umspielte. Früher hatten ihr die schwarzen Strähnen fast bis zum Po gereicht, doch der neue Schnitt brachte nicht nur ihr bildhübsches Gesicht besser zur Geltung, auch die graugrünen Augen wurden deutlicher betont.

Davina berührte nach Elisas Bemerkung zart die dunklen Haarspitzen, ein geschmeicheltes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Gefällt es dir? Es war eine spontane Entscheidung. Ich dachte, es wird mal wieder Zeit für eine Veränderung.“

Normalerweise veränderten sich Frauen nur dann, wenn sie ein einschneidendes Erlebnis hinter sich hatten. War es bei Davina genauso gewesen? Elisa verschob die Frage auf einen späteren Zeitpunkt und überbrückte die letzten Zentimeter, um Davina fest zu umarmen. „Du siehst wunderhübsch aus, Davina. Die neue Frisur sieht toll an dir aus.“

„Na, das will ich doch schwer hoffen. Schließlich war ich beim teuersten Coiffeur der Stadt!“

Sie grinsten einander an, in stiller Übereinkunft. Merkwürdig. Obwohl sie sich so selten gesehen hatten, fühlte Elisa sich Davina enger verbunden als ihren Freundinnen in St. Vincenze. Ein Blick in ihre grünen Augen reichte und ihr Gehirn spulte die gemeinsamen Erlebnisse während ihrer Kindheit wie einen Film vor ihrem inneren Auge ab.

Anfangs waren Elisas Eltern nicht begeistert über diese Freundschaft, weil sie die großstädtische Rotzgöre als unpassenden Umgang für ein braves, katholisches Mädchen hielten. Doch auf Dauer konnte sich niemand Davinas erfrischendem Charme entziehen. Ihr Wesen hauchte selbst ihren von der Ohnmacht des Alltags gezeichneten Eltern neues Leben ein. Sie lachten über ihre Witze, schüttelten nachsichtig den Kopf und erlaubten Elisa während Davinas Besuchen Dinge, die sonst immer verboten waren. Wenn sich ihre Freundin aus Florenz in St. Vincenze aufhielt, gab es lange Abende am See. Sie lagen nach dem Baden im saftig grünen Gras, inhalierten den Duft der Pinienbäume und zählten die Sterne am Himmel, die einem das Gefühl von Unendlichkeit vermittelten.

Plötzlich verlor sich Davinas kapriziöse Haltung, sie seufzte tief. „Ich freu mich so, dich endlich wiederzusehen. Es ist viel zu lang her, Elisa.“

So sentimentale Neigungen kannte sie gar nicht von ihrer Freundin, doch bevor sie ihrer Verwunderung Ausdruck verleihen konnte, ging ein Ruck durch Davina.

„Genug von diesen Gefühlsduseleien“, rief sie und warf theatralisch die Arme nach oben. „Jetzt bist du da und wir können es uns richtig gemütlich machen.“

Dieser Optimismus und die Fröhlichkeit wirkten irgendwie aufgesetzt, das spürte Elisa sofort. Möglicherweise hatte Davina ja Liebeskummer. Mit ihrer Schönheit und ihrem wilden Temperament zog sie die Männer wie ein Magnet an. Leider waren oft Frösche dabei und selten der ersehnte Traumprinz, und so hätte es Elisa nicht gewundert, wenn ihre Freundin mal wieder auf die Liebesschwüre eines windigen Don Juans hereingefallen wäre.

„Komm rein, ich kann es kaum erwarten, dir dein Zimmer zu zeigen. Ich hoffe, du fühlst dich wohl.“

Elisa wurde in einen schmalen Flur gezogen und hörte, wie sich hinter ihr die Türe schloss. Sie legte erst mal ihr Handgepäck ab und drehte sich um. Davina musterte sie eingehend.

„Gott, ich schwöre, ich sterbe vor Neid“, rief sie schließlich und zog einen entzückenden Schmollmund. „Du siehst so gut aus, und dabei hast du nicht den Hauch von Make-up im Gesicht. Wie machst du das nur? Du wirst die Männer in Florenz in den Wahnsinn treiben, das garantiere ich dir!“

So viel überschwängliche Bewunderung war Elisa peinlich. Sie knuffte ihre Freundin burschikos an den Arm. „Jetzt hör aber auf! Du hast doch selbst keinen Mangel an Bewunderern. Ich wette, du ziehst eine Spur von sabbernden Verehrern hinter dir her und lässt es ordentlich krachen.“

Davinas Gesicht verdunkelte sich ein wenig, ehe sie gleichgültig mit den Schultern zuckte. „Es gibt da hin und wieder jemanden, mit dem ich ausgehe. Nichts Ernstes.“

Sie klang einfach zu beiläufig. Elisa kaufte ihr diese desinteressierte Haltung nicht ab, doch so kurz nach ihrer Ankunft wollte sie Davina nicht nach ihrem Liebesleben ausfragen. Dafür würden sie in den nächsten Tagen und Wochen noch ausreichend Zeit haben. Sie zwinkerte Davina zu.

„Wenn du keinen Freund hast, der dich beansprucht, dann hast du ja viel Zeit, um deiner unwissenden Freundin die schönsten Ecken in Florenz zu zeigen.“

„Natürlich.“ Lächelnd wies Davina mit der Hand den Gang entlang. „Aber vorher solltest du deine Sachen in deinem Zimmer deponieren.“

Während sie hinter ihrer Freundin herlief, beäugte sie neugierig ihre Umgebung und wurde angenehm überrascht. Die Wände waren mit einer hellbeigen, sehr hochwertig wirkenden Tapete verkleidet, die den schmalen Flur optisch größer wirken ließ. Auch die Möblierung vermittelte soliden Luxus. Die weiß lackierte Barockkommode mit den gebogenen Standfüßen hätte auch gut in eine edle Villa gepasst. Darauf stand eine Porzellanvase, bemalt mit Blütenornamenten. In ihr verteilten sich zartgelbe Nelken, deren Köpfe vom Spiegel dahinter reflektiert wurden. Auch entdeckte Elisa ein paar Bilder an den Wänden, die eindeutig die Handschrift ihrer Freundin trugen.

„Du malst wieder?“, rief Elisa erfreut und blieb vor einem Landschaftsmotiv stehen. Davina hatte eine Begabung dafür, Dinge und Orte unglaublich detailgetreu wiederzugeben. Da Elisa in der Hinsicht völlig talentfrei geboren worden war, beneidete sie Davina um diese Fähigkeit.

Ihre Freundin trat neben sie, lächelnd, und betrachtete ihr Werk versonnen. „Ja, ich war selbst überrascht, dass ich wieder so viel Spaß daran habe.“

„Es wäre auch wirklich eine Sünde, ein Talent wie deines zu vergeuden“, sagte Elisa ehrlich.

„Ach du! Meine Bilder sind doch höchstens mittelmäßig.“ Davina lachte und deutete auf eine Tür. „Das ist dein Zimmer. Bring doch dein Handgepäck schon mal rein, ich geh so lange in die Küche und später zeige ich dir den Rest der Wohnung.“

Während Davina in der Küche verschwand, betrat Elisa den Raum, der für die nächsten Wochen ihr Zuhause sein würde. Sie fühlte sich in Davinas Reich sofort pudelwohl und bereute die Entscheidung, ihr Zuhause zu verlassen, keine Sekunde lang. Sie konnte sich nicht vorstellen, ein Leben wie ihre Mutter zu führen, ohne Ambitionen, ohne etwas von der Welt gesehen zu haben. Auch wenn sie St. Vincenze und all die vertrauten Gesichter vermissen würde, wäre sie dort niemals dauerhaft glücklich geworden.

Entzückt stellte sie fest, wie groß und hell der Raum war. Die Wände waren mit hellblauen Tapeten bezogen, die Möblierung ganz in Weiß gehalten. Ein französisches Bett stand auf der rechten Seite. Gleich dahinter befand sich ein Schminktisch mit einem hübschen, ovalen Spiegel. Gegenüber entdeckte Elisa einen geräumigen Schrank, in dem sicher noch viel Platz sein würde, wenn sie ihre wenigen Habseligkeiten darin verstaut hatte. Das Bett war bezogen. Sie setzte sich probeweise auf die Matratze. Dabei fiel ihr Blick aufs Fenster. Neugierig stand sie auf und zog die zart durchscheinenden Vorhänge aus weißem Organza zurück. Sie blickte auf unzählige Hausdächer, die letzten Sonnenstrahlen des Tages verliehen der Stadt einen goldenen Strahlenfächer. Wunderschön. Sie kam sich vor, als wäre sie in einer völlig neuen Welt gelandet. Erst als sie ein Geräusch hörte, drehte sie sich um und sah Davina an der Tür stehen. Sie lächelte.

„Und … denkst du, du wirst dich hier wohlfühlen?“

Elisa verbarg ihre Begeisterung nicht. „Und ob! Es ist wirklich wundervoll, ich finde keine Worte dafür. Danke, dass ich hier sein darf, bis ich was Eigenes finde.“

Ihre Freundin trat neben sie und legte ihr kameradschaftlich den rechten Arm um die Schulter. „Du musst mir nicht danken. Du hast keine Ahnung, wie sehr ich mich freue, dich hier zu haben.“

Sie drückte sie kurz an sich, dann trat sie beiseite und öffnete das Fenster. „Schau, Elisa, schau dir diese Stadt an“, sagte sie stolz und stützte sich mit den Ellenbogen am Fenstersims ab.

Elisa tat es ihr gleich und überblickte die Umgebung. Florenz ging unter in gleißendem Gold und begrüßte die herannahende Nacht, die in wenigen Minuten alles in ein dunkles Kleid hüllen würde.

„Wie wunderschön …“, flüsterte Elisa ergriffen und wandte den Kopf nach rechts. Davina schien tief in Gedanken versunken. Wer oder was sorgte für diese neue Traurigkeit in ihren Augen? Ihr war schon bei der Begrüßung eben aufgefallen, dass ihre Heiterkeit aufgesetzt wirkte.

„Du siehst unglücklich aus.“

Davina stellte sich abrupt aufrecht hin und zeigte ein Lächeln, dem es an Tiefe fehlte. „Es ist nichts. Manchmal werde ich sentimental, vor allem in Momenten wie diesen. Das ist alles.“

Elisa glaubte ihr nicht, doch sie hütete sich, weiter nachzubohren.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.“

„Das hast du nicht“, antwortete Davina. „Es ist sogar ganz nett, wenn man jemanden um sich hat, der sich um einen sorgt. So, und jetzt mach ich uns was zu essen. Es sei denn, du willst dich frisch machen und ausgehen?“

„Ich würde gerne hierbleiben. Ich bin zu fertig für eine Erkundungstour. Morgen vielleicht?“

„Dann morgen. Florenz rennt uns nicht weg.“

Nach dieser allzu wahren Feststellung verschwand sie wieder in der Küche. Elisa sah ihr nachdenklich hinterher, dann holte sie ihr Handy aus dem Handgepäck und schrieb ihren Eltern eine kurze Textnachricht, um sie über ihre Ankunft zu informieren. Beim Verlassen des Zimmers kam sie am Spiegel vorbei, der an der Außenseite des Kleiderschranks befestigt war. Dieser zeigte sie in voller Lebensgröße. Elisa blieb für einen kurzen Moment stehen und betrachtete sich. Ihr eigener Anblick kam ihr seltsam fremd vor.

Glaubte Davina wirklich, sie könnte die florentinischen Männer beeindrucken? Für sie kaum vorstellbar, wenn sie ihr Outfit mit dem ihrer hübschen Freundin verglich. Davina trug einen kurzen, schwarzen Faltenrock, kombiniert mit einem flauschigen, schreiend roten Pullover und wadenhohen Stiefeletten. Das sah frech und sexy aus, während sie selbst ziemlich bieder wirkte in ihrem schlichten Sommerkleid und den turnschuhähnlichen Sneakers. Auch ihre zierliche Figur mit dem kleinen Busen würde sicher keinen Mann zu Liebesschwüren bewegen.

Kritisch begutachtete sie ihr Gesicht. Eine kleine, gerade Nase, Lippen, die oft lächelten und für ihren Geschmack ein wenig zu voll waren. Sie hob die Hand und strich leicht über ihre Wangenknochen. Eher rund, nicht so wunderbar hoch angesetzt wie die ihrer Freundin. Elisas Fazit fiel knallhart aus: Sie fand sich gewöhnlich, nur auf ihr Haar war sie wirklich stolz. Honigfarbene, großzügig fallende Wellen, die ihr weit in den Rücken hingen, sobald sie darauf verzichtete, sie zu einem praktischen Zopf zu flechten. Auch die Farbe war apart. Nicht blond, nicht braun. Ein dunkles glänzendes Gold, das wunderbar mit ihrer zart gebräunten Haut harmonierte und das sanfte Graublau ihrer Augen betonte.

Sie seufzte und beschloss, ihre Eitelkeit nicht weiter zu fördern, während sich ihre Freundin allein in der Küche abplagte. Das Geklapper lenkte ihre Schritte ins richtige Zimmer. Davina holte gerade etwas aus dem Kühlschrank, als sie eintrat.

„Da bist du ja schon.“

„Ich räume mein Zeug später ein. Kann ich dir was helfen?“

Davina schüttelte den Kopf. „Soweit kommt's noch. Du setzt dich hin und ruhst dich aus. Ich bin ohnehin gleich fertig.“

Hier drin war es zu eng, um zu zweit zu arbeiten. Gegenüber von der Küchenzeile stand ein kleiner weißer Tisch mit dazu passenden Stühlen, wodurch ein schmaler Gang frei wurde, der geradewegs auf eine Balkontür zuführte.

„Du hast deinen Balkon zur Küche raus?“, wunderte sich Elisa und setzte sich.

„Ja.“ Davina lachte. „Das war sicher eine Fehlplanung, aber ich finde es so viel besser. Dann muss ich nicht alles durch die halbe Wohnung schleifen, wenn ich draußen frühstücken will.“

Sie holte geröstetes Brot und stellte es auf den Tisch neben die Schale mit dem Tomatensalat. Dazu gab es Wasser und noch eine Flasche Chianti. Ein einfaches Essen, doch Elisa lief schon jetzt das Wasser im Mund zusammen.

„Leg dir doch schon auf, Elisa. Ich schenke uns inzwischen den Wein ein.“

Rasch hielt Elisa die flache Hand übers Glas. „Aber nicht zu viel. Ich vertrage nichts, und ich muss morgen einen guten Eindruck machen, wenn ich mich bei meinem neuen Arbeitgeber vorstelle.“

Ihre Freundin runzelte die Stirn. „Was ist denn das für eine Arbeit, bei der du dich an einem Sonntagabend vorstellen musst?“

Elisa biss gerade von ihrem Brot ab, kaute schnell und schluckte hastig, damit sie Davinas Befürchtungen zerstreuen konnte.

„Nichts Merkwürdiges oder Unanständiges. Meine Tante hat mir einen Job bei einem Bekannten vermittelt. Er ist Galerist und viel unterwegs. Da er Anfang der Woche nach Rom reisen muss, findet das Gespräch in seiner Galerie schon morgen statt.“

Elisa seufzte schwer. „Ich frage mich allerdings, wie es meiner Tante gelungen ist, ihm eine einundzwanzigjährige Gemüsehändlerin aus der italienischen Provinz aufzuschwatzen. Wahrscheinlich wird er sich kaum das Lachen verkneifen können, wenn ich Landei dort auftauche. Ich vermute, er tut ihr einen Gefallen, und sie hat die Gewissheit, dass jemand ein Auge auf mich hat.“ Grollend verzog sie den Mund. „Als ob ich nicht alt genug wäre, um auf mich selbst aufzupassen!“

Statt Davina wie beabsichtigt zum Lachen zu bringen, verdüsterte sich deren Miene. „Mach dich nicht schlecht, du bist sehr belesen, besitzt Verstand und du siehst aus wie ein Engel. Und ich halte es auch für eine gute Idee, wenn deine Tante ihn dazu abkommandiert hat, ein wenig auf dich achtzugeben. Ich bin nicht immer bei dir und hier in Florenz gibt es mehr als genug üble Kerle, die eine so schöne junge Frau wie dich liebend gern zum Frühstück verspeisen würden.“ Mit ernster Miene beugte sie sich über den Tisch und ergriff Elisas Hand. „Ich kann dir nur raten, misstrauisch zu sein. Hier laufen die Dinge ein wenig anders. Das wirst du schnell merken.“

Das klang nicht sehr ermutigend. Elisa entzog Davina ihre Finger und nahm ihr Glas zur Hand. Dann lächelte sie ihre Freundin unsicher an. „Willst du mir Angst einjagen?“

„Nein, ich will dich nur warnen, weil ich mir Sorgen um dich mache. Du bist das Leben in St. Vincenze gewohnt und da drehen sich die Räder viel langsamer als hier. Und in vielen Dingen bist du eine echte Unschuld. Neben dir komm ich mir vor, als wäre ich bereits hundert Jahre alt.“

„Denkst du, ich bin für ein Leben hier nicht geschaffen?“

Kopfschüttelnd verneinte Davina das. „Das wollte ich damit nicht andeuten. Aber unterschätz die Umstellung nicht. Die Menschen hier sind anders als bei dir daheim. Nicht schlechter, aber egoistischer. Wenn du dir das hinter die Ohren schreibst und nicht zu viel erwartest, wirst du dich mit der Zeit schon anpassen. Und noch etwas … Meinetwegen kannst du gerne dauerhaft bei mir einziehen. Ich habe gern Gesellschaft.“

Ein verlockendes Angebot, doch sie würde es nicht annehmen. Sie war nach Florenz gekommen, um selbstständig zu werden. Davinas Gastfreundschaft über den geplanten Zeitraum hinaus in Anspruch zu nehmen, würde sie wieder in eine Spirale der Abhängigkeit drängen. Schon jetzt geriet sie in Versuchung, sich ganz und gar an ihrer Freundin zu orientieren, vor allem nach deren eindringlicher Warnung, nicht jedem zu vertrauen und Vorsicht walten zu lassen. Elisa wollte diesen Rat natürlich beherzigen, aber sie musste ihren eigenen Weg finden.

„Ich glaube, irgendwann sollte ich auf eigenen Beinen stehen, aber ich danke dir für dieses Angebot. Und noch etwas … Ich werde dir natürlich etwas dafür bezahlen. Ich will dir nicht auf der Tasche liegen.“

Die grünen Augen ihrer Freundin funkelten entrüstet. „Wag das ja nicht! Du bist mein Gast, außerdem zahle ich doch selbst keine Miete, weil die Wohnung meinem Vater gehört. Spar das Geld lieber, damit du nie wieder dazu gezwungen bist, nach St. Vincenze zurückzukehren.“

Davinas schlanker Körper schüttelte sich. Für ihre Freundin war wohl allein die Vorstellung, in einem winzigen Dorf leben zu müssen, unerträglich. Elisa konnte das gut verstehen, ihr ging es ja ähnlich. Es war nicht so, dass sie es gehasst hätte, dort aufzuwachsen und zu leben, aber nach einundzwanzig Jahren barg ihr Heimatdorf keinerlei Überraschungen mehr für sie.

„Ich danke dir. Aber wenn ich schon keine Miete bezahlen muss, dann möchte ich mich zur Hälfte an allen Einkäufen beteiligen.“

„Das klingt vernünftig“, räumte Davina ein und häufte sich mit frisch erwachendem Appetit etwas von dem köstlichen Salat auf ihren Teller.

„Lass uns jetzt erst mal was essen, danach machen wir es uns im Wohnzimmer gemütlich und du erzählst mir alles über deine Zukunftspläne.“

Elisa lächelte und kaute an ihrem Brot, dadurch kam sie gar nicht erst in die Verlegenheit, sich dazu äußern zu müssen.

Ihre Zukunftspläne … sie hatte keine Ahnung, wie die aussahen.


Kapitel 2

„Eine Landpomeranze!“

Aus dem Mund von Nevio della Mea klang das wie eine Beleidigung. Geringschätzig verzog er die Lippen, seine Schultern, die in einer perfekt sitzenden Anzugjacke von Baldessarini steckten, strafften sich. „Fabrizio … ich bitte dich“, rief er beschwörend. „Willst du wirklich ein unbeholfenes Landei auf deine Kunden loslassen? Denk doch an deinen Ruf und an den deiner Galerie!“

„Willst du damit andeuten, ich wüsste nicht, was ich tue?“

Fabrizios seidige Stimme verriet nichts von dem brodelnden Zorn, der sich in ihm aufbaute. Er ließ nicht zu, dass er die Kontrolle verlor – obwohl Nevio die Dreistigkeit besaß, seine Entscheidung infrage zu stellen.

Seit er seinem Assistenten von der baldigen Ankunft von Elisa Bernini erzählt hatte, steigerte sich Nevio regelrecht in seine Antipathie gegen dieses Mädchen hinein. Dabei kannte er sie gar nicht. Dieses Kind sollte nichts weiter tun, als die Besucher der Galerie mit erlesenen Häppchen, Kaffee und anderen Erfrischungen bei Laune zu halten. Sie war keine Gefahr für Nevios Position. Nichtsdestotrotz fühlte sich sein Freund in seinen Kompetenzen bedroht und gebärdete sich wie ein aufmüpfiges Kind. Dabei war er normal nicht so kleinkariert.

„Ich will hier kein albernes Gänschen haben, das von Kunst keine Ahnung hat!“, beharrte er.

Nevios Nasenflügel bebten, dann hob er eigensinnig das Kinn und kniff die Augen wütend zusammen, was Fabrizio lediglich dazu veranlasste, seine schwarzen Augenbrauen einige Millimeter zu heben. Ein Außenstehender hätte dies wahrscheinlich nicht mal bemerkt, doch Nevio kannte ihn schon seit Jahren und hätte gewarnt sein sollen.

„Sie wird mir alles durcheinanderbringen!“, schimpfte er. „So jemand kann doch einen Picasso nicht vom Geschmiere eines Kindergartenkindes unterscheiden. Hat dich Silvana schon so am Wickel, dass du dir die missratene Brut ihres Bruders unterjubeln lässt?“

Kaum ausgesprochen, wurde auch Nevio klar, dass er zu weit gegangen war, denn er versuchte sofort, seinen Fauxpas zu relativieren. „Fabrizio, verzeih, ich wollte nicht …“

„Wolltest du nicht noch die Geldeingänge der letzten Verkäufe prüfen, bevor wir die Bilder ausliefern?“, unterbrach er ihn und sprach so ruhig und beherrscht, dass Nevio augenblicklich erblasste. Die Ungewissheit darüber, ob Fabrizio ihn für diese Respektlosigkeit zur Verantwortung ziehen würde, zeigte sich in jedem Zug seines hübschen Engelsgesicht.

Fabrizio zügelte seinen Drang, ihm ein spöttisches Lächeln zuzuwerfen, und behielt seine steinerne Miene bei. Es machte ihm Spaß, seinen Assistenten zu triezen und ihn eine Weile schmoren zu lassen.

„Du weißt, ich wiederhole mich ungern, Nevio.“

Die Schärfe in seiner Stimme glich einem Warnschuss. Nevio wusste genau, dass er sich jetzt keinen weiteren Fehler erlauben durfte. „Natürlich nicht, Fabrizio. Ich mache mich umgehend an die Arbeit.“

Er drehte sich um und eilte ins Büro. Fabrizio sah ihm hinterher und dachte darüber nach, welche Bestrafung für Nevios Entgleisung angemessen wäre und wer sie vollstrecken sollte. Da er jede Session nach Möglichkeit mit einem befriedigenden Fick abschließen wollte, kam er selbst nicht infrage. Er verspürte keinerlei bisexuelle Neigungen. Aus diesem Grund suchte er sich immer eine Person seines Vertrauens, die bei solchen Gelegenheiten aktiv wurde. Ein Arrangement, mit dem Nevio gut leben konnte, da auch er das weibliche Geschlecht bevorzugte.

Nevio liebte es, von einer schönen Domina unterworfen und bestraft zu werden, die, in Lack und Leder gewandet, auf ihn herabsah und ihm mit eiserner Stimme und lasziver Schamlosigkeit die Flausen austrieb. Was allerdings kaum einer außer Fabrizio wusste: Sein Assistent besaß auch eine dominante Ader, die er bis jetzt noch nie ausgelebt hatte und die er nur in seinem beruflichen Umfeld zuließ.

Nevio hatte sich ihm vor langer Zeit anvertraut und ihm gestanden, dass er seit Langem davon träumte, eine Frau zu beherrschen, doch der devote Teil in ihm war schon so stark in ihm verankert, dass er diese Fantasie unterdrückte. Er traute sich nicht, diesen Drang auszuleben. Irgendwann würde er aber überhandnehmen, dessen war sich Fabrizio sicher.

Er kannte Nevio schon seit Jahren. Sie hatten sich im Caligula kennengelernt, einem modernen SM-Tempel am äußeren Rand von Florenz. Dort konnte beinahe jeder Fetisch ausgelebt werden. Nevio ging oft und gern dorthin, während Fabrizio die lüsterne Atmosphäre in Silvanas barockem Schloss bevorzugte. Im Endeffekt war es wohl Geschmackssache, und da sie beide delikate Neigungen verspürten, die sie auch hemmungslos auslebten, verwischte mit der Zeit die Grenze zwischen Business und Privatleben. Sobald Nevio seine Grenzen während der Arbeit in der Galeria di Bellezza überschritt – so wie eben geschehen – musste er in seiner Freizeit mit körperlichen Konsequenzen rechnen.

Fabrizio beobachtete seinen Freund durch die halb geöffnete Bürotür. Nevio setzte sich an den Schreibtisch, seine Hände zitterten, als er eine Liste zur Hand nahm und den Rechner einschaltete.

Gut, er hat die Hosen voll.

Es bereitete Fabrizio Freude, ihn in Angst und Schrecken zu versetzen, es war jedes Mal ein großer Spaß. Nicht aus Bosheit, sondern weil man Nevio hin und wieder an seine Grenzen erinnern musste. Sie vertrauten einander blind, auch wenn es eine andere Freundschaft war als jene, die ihn mit Alessandro Bertani verbunden hatte, bevor der große Bruch stattfand und sie zu Feinden wurden. Während er Alessandro stets auf Augenhöhe begegnet war, wahrte er zu Nevio immer eine gewisse Distanz. Er war der Herr, Nevio der Sub, wenn auch nicht seiner. Nur eines hatten Alessandro und Nevio gemeinsam: Beide kannten seine Vergangenheit und die unglückselige Liebesgeschichte mit Annalena Tozzi, deren dramatisches Ende Fabrizio fast das Leben gekostet hätte. Danach war nichts mehr so, wie es sein sollte, denn Annalenas Besessenheit für Alessandro hatte einen verbitterten und hasserfüllten Menschen aus ihm gemacht. Ihm war all die Jahre bewusst gewesen, dass Alex Annalenas Liebe nie gewollt hatte, doch in seinem Kummer hatte er das nicht zu dessen Gunsten auslegen können und schwor seinem Freund damals bittere Rache.

Das mündete in dem wenig ehrenvollen Versuch, Alessandros bezaubernde Frau Giulia verführen zu wollen, um seinem früheren Freund die gleichen Qualen zu bescheren, die auch ihn zu einem emotionalen Krüppel gemacht hatten. Doch Giulia hatte ihn so nachhaltig beeindruckt, dass er seine Rachepläne aufgab und den beiden sogar zu neuem Glück verhalf, nachdem er herausgefunden hatte, dass die Ehe kurz vorm Scheitern stand.

Schon zum zweiten Mal hatte er eine Frau an Alessandro verloren, dieses Mal jedoch aus freien Stücken, und dieser selbstlose Akt hatte dazu geführt, dass er und Alessandro das Kriegsbeil endlich begraben konnten. Dennoch fühlte er eine unbestimmte Melancholie, wenn er an das neue Glück seines Freundes mit der bezaubernden Giulia dachte. Aus diesem Grund brauchte er dringend Ablenkung, eine Aufgabe, um sein instabiles Selbst wieder auf den rechten Weg zu bringen. Da kam ihm Silvanas Bitte, sich ein wenig um ihre Nichte zu kümmern, gerade recht. Er stimmte zu, dem Mädchen einen Job zu geben, damit sie „aufgeräumt“ war. Silvana sorgte sich sehr um ihre Nichte Elisa und hatte ihn bei seiner Ehre als Maestro schwören lassen, sich dem Mädchen unter gar keinen Umständen sexuell zu nähern.

Er lächelte zynisch. Allein die Vorstellung, sich so ein unbedarftes Geschöpf ins Bett zu holen, war lachhaft. Es lag nicht an ihrem Alter. Er hatte schon Devote dominiert, die jünger als Elisa gewesen waren, die seines Wissens einundzwanzig Jahre alt war. Solche Neigungen entwickelten sich nicht über Nacht. Manche spürten es eher, andere – wie Giulia Bertani zum Beispiel – brauchten länger, ehe sie sich ihre Vorliebe eingestanden und sie auslebten. In welchen Ebenen sich die sexuellen Sehnsüchte dieser Elisa bewegten, das wusste er natürlich nicht, doch wenn er Silvana Glauben schenkte, dann war das Mädchen in erotischen Belangen noch ziemlich unerfahren und ganz sicher nicht die richtige Partnerin für einen erfahrenen Dominus wie ihn.

Elisa Bernini war keine Option. Sein Privatleben war geprägt von sexuellen Ausschweifungen aller Art. Er brauchte Härte, Strenge, unersättliche kleine Subs mit feuchten Mösen und der Fähigkeit, seine Dominanz nicht nur auszuhalten, sondern sie auch zu genießen. Auf eine „Landpomeranze“, die vor lauter Angst und Empörung bis ans Ende der Welt laufen würde, wenn sie von seinen Vorlieben erfuhr, konnte er getrost verzichten.

Es blieb zu hoffen, dass sie sich gut hier einlebte. Nevio würde sie akzeptieren, auch wenn sich seine Begeisterung über den personellen Zuwachs in der Galeria di Bellazza in Grenzen hielt. Schlussendlich war Nevio zu professionell, um in die Hand zu beißen, die ihn fütterte.

Sein Assistent gehorchte, wenn Fabrizio das verlangte, dachte aber mit, wenn es nötig wurde. Das machte ihn zum perfekten Mitarbeiter. Dazu besaß er ein hervorragendes Gespür für Kunst, die Kunden liebten seine charmante Art, die im krassen Gegensatz zu Nevios rigidem Führungsstil stand. Nevio überließ nichts dem Zufall, alles wurde minutiös geplant und umgesetzt, und wehe, jemand baute Mist, dann musste sich diese Person warm anziehen, was, ganz nebenbei bemerkt, durchaus zu seiner dominanten Seite passte.

Was also die Aufsicht seiner Galerie anging, gab es keinerlei Grund zur Beanstandung.

Er lief auf das Büro zu, seine handgenähten Lederschuhe quietschten leise auf dem glatten Boden des Ausstellungsraums, bis er an der Türschwelle anhielt und Nevios Blick begegnete. Der schluckte, was in Fabrizio ein rauschhaftes Gefühl der Genugtuung erzeugte.

„Hast du mir nichts zu sagen?“, fragte ich in harmlosem Tonfall. Täuschend sanft, doch Nevio verstand die stumme Botschaft und senkte respektvoll den Blick und verfiel sofort in die Rolle des Sub.

„Ich … ich entschuldige mich für meine anmaßende Bemerkung vorhin, Maestro.“

„Sieh mich an, wenn du mit mir sprichst!“

Nevios Kopf ruckte sofort nach oben, sein Kehlkopf bewegte sich unruhig, denn nun wurde ihm endgültig klar, dass sein Verhalten Konsequenzen haben würde.

Fabrizio, der auf einmal große Lust darauf verspürte, den Abend mit einer Session ausklingen zu lassen, verzog die Lippen zu einem diabolischen Grinsen. Nevio büßte auch den letzten Rest seiner Gesichtsfarbe ein und auf Fabrizios Zunge breitete sich das köstliche Aroma seiner eigenen Grausamkeit aus. Er schenkte seinem Assistenten ein träges Lächeln. „Ich würde sagen, für Entschuldigungen ist es zu spät.“

Fabrizio schob sein Jackett übers Handgelenk und sah auf seine Armbanduhr. „Du wirst jetzt deine Arbeit beenden und dich dann um 21 Uhr im Caligula einfinden, um deine Bestrafung zu empfangen. Sobald man dir mitgeteilt hat, in welchem Raum, wirst du dich dort nackt ausziehen und warten.“

Nun wich auch der letzte Widerstand aus Nevios Miene, er senkte dienstbeflissen den Kopf. „Natürlich, Maestro.“

In diesem Augenblick war er nicht mehr der arrogante Assistent, sondern ein williger Sub, der sich in sein Schicksal fügte. Fabrizio starrte auf den gesenkten blonden Kopf und spürte, wie sich Lust in ihm aufbaute. Nicht auf Nevio, aber das Wissen, heute noch einer Bestrafung beizuwohnen, stachelte seine Begierde an.

Ohne ein Wort des Abschieds schloss er die Bürotür. Leise, gemäßigt. Fabrizio war schon immer stolz auf seine Fähigkeit, sich jederzeit zu kontrollieren. Mit langen Schritten durchquerte er den großzügigen Ausstellungsraum, in dem momentan die Werke eines ungemein talentierten jungen Künstlers hingen. Bilder von verstörender Brutalität. Gaspard bannte den alltäglichen Wahnsinn auf die Leinwand. Blut, Tränen, Angst. In seinen Bildern lag eine bezwingende Kraft, gerade weil man in ihnen nichts Schönes fand. Sei es in dem Bildnis einer trauernden Mutter, die ihren ermordeten Sohn in den Armen hielt, oder in dem resignierten Blick eines misshandelten Kindes. Diese Ausstellung brachte ihm – zumindest im Moment – kein Geld, doch er hielt es für wichtig, wenigstens hin und wieder einem solchen Ausnahmetalent eine Plattform zu bieten. Der sich immer weiter ausbreitende seelische Verfall auf der Welt war ein Spiegelbild dieser Gesellschaft, zu der auch er gehörte. Er trug seinen Teil dazu bei, und sein Gewissen hätte ihm keine Ruhe gelassen, wäre er Gaspards Werken gegenüber genauso ignorant eingestellt wie all die anderen Galeristen, denen die umgesetzten Themen zu heiß waren.

Er verließ die Galeria di Bellezza, während er im Kopf schon den Ablauf des heutigen Abends plante. Sein Jaguar parkte direkt vor dem Eingangsbereich im Halteverbot. Fabrizio entfernte einen Strafzettel von der Windschutzscheibe und warf ihn achtlos auf den Beifahrersitz, nachdem er sich hinters Steuer geklemmt hatte. Danach betätigte er die Freisprechanlage des Telefons, um Silvana anzurufen, die sich zur Stunde in Florenz aufhielt, weil sie sich höchstpersönlich davon überzeugen wollte, dass ihre Nichte heute wohlbehalten angekommen war. Sie residierte im Westin Excelsior Hotel an der Piazza Ognissanti. Mit etwas Glück würde sie ein oder zwei Stunden Zeit erübrigen können, um Nevios Hintern eine kräftige rote Färbung zu verpassen.

Der Hauch eines schwachen Lächelns glitt über sein Gesicht. Was ihre Nichte wohl dazu sagen würde, wenn sie von Silvanas Karriere als Domina erfahren würde? Er zuckte mit den Achseln. Das ging ihn nichts an. Er musste lediglich ein Auge auf sie halten und dafür sorgen, dass sie den Alltag in der Galerie nicht durcheinanderbrachte.

Fabrizio lauschte dem Klingeln, es dauerte eine halbe Ewigkeit, ehe sie ans Handy ging.

„Silvana Bernini, mit wem habe ich das Vergnügen?“

„Als ob du meine Nummer nicht sofort erkannt hättest“, spöttelte er. Ihr heiseres Lachen fuhr ihm direkt in den Schwanz. Oh ja, eine Session wäre ein angenehmer Ausklang des Tages, er konnte es kaum erwarten, sich an Nevios Bestrafung aufzugeilen und sich gleichzeitig von einer süßen Sub aus dem Caligula bedienen zu lassen. Sein Schwanz schwoll an und pochte schmerzhaft gegen die Vorderseite seiner Hose. Verflucht, seit der Sache mit Giulia hatte er sich zurückgehalten. Das war jetzt schon einige Wochen her, und während Alessandro und seine bezaubernde Frau sich regelmäßig in der Villa Desideria verschanzten und sich gegenseitig das Hirn rausvögelten, darbte er sexuell. Dass dies auf freiwilliger Basis geschah, interessierte sein bestes Stück herzlich wenig. Der Schmerz unerfüllter Lust quälte ihn deswegen nicht weniger, doch ab und an tat ein wenig Enthaltsamkeit gut, damit er wieder zu schätzen wusste, welche Annehmlichkeiten er genießen konnte. Doch nun wurde es höchste Zeit, die Selbstkasteiung zu beenden.

„Was willst du, Fabrizio?“

Er fackelte nicht lange und kam gleich zur Sache. „Nevio war ungehorsam, ich glaube, es täte ihm gut, wenn man ihm in Erinnerung ruft, wer in meiner Galerie das Sagen hat.“

Silvanas erotisches Schnurren heizte ihm gehörig ein. „Soso, unser blonder Engel hat sich also mal wieder im Ton vergriffen.“

Fabrizio spürte, wie sich seine Lippen zu einem lauernden Lächeln verzogen; der Drang, seinen persönlichen Assistenten für seine Unverschämtheiten büßen zu lassen und dieses Schauspiel aus allernächster Nähe zu genießen, wurde unbezwingbar. Selbst wenn er nicht selbst aktiv wurde, war es jedes Mal ein Erlebnis, Silvana bei ihren Bestrafungen zuzusehen. Nevio würde sich beim nächsten Mal gut überlegen, wie weit er gehen durfte.

„Soll ich allein kommen oder jemanden für dich mitbringen?“

„Komm allein, für meinen persönlichen Genuss sorge ich schon selbst. Immerhin habe ich Heimvorteil.“

Seine Antwort entlockte ihr ein harsches Lachen. „Also gut, aber ich kann nicht sofort kommen. Ich will noch bei Elisa und ihrer Freundin vorbeischauen.“

„Was bist du doch für eine Glucke“, zog er sie auf.

„Sobald du sie kennenlernst, wirst du verstehen, warum ich mich um sie sorge. Sie wird sich vor notgeilen Kerlen kaum retten können, und ich erwarte von dir, dass du sie alle zum Teufel jagst!“

„Erwartungen können enttäuscht werden, ich hoffe, du bist dir dessen bewusst.“

„Wärst du ein anderer, dann ja, aber ich kenne dich und deinen Ruf in der Stadt. Diese dummen Jungs mit ihren kümmerlichen Schwänzen werden fliehen, sobald du auch nur die Augenbraue hebst. Schau einfach ab und an nach ihr. Mehr verlange ich nicht. Schließlich muss sie nicht vom Regen in die Traufe kommen, indem sie einen Diktator gegen einen anderen eintauscht.“

Silvana spielte wohl auf Elisas Vater an, der seine Tochter wie seinen Augapfel behütet hatte. Nur dass Signor Bernini sicher andere Methoden angewandt hatte, um seine Tochter zum Gehorsam zu erziehen, als es Fabrizio handhaben würde. Außerdem gab es einen Unterschied zwischen elterlicher Sorge und Übergriffigkeit. Aber dass ausgerechnet er die Tugend einer schönen jungen Frau beschützen sollte, kam einem Frevel gleich, doch wenn Silvana ihn für den Richtigen hielt, würde er ihr den Gefallen eben tun. Trotzdem fragte er sich, wieso sie auf einmal ihre mütterliche Ader so sehr pflegte.

„Keine Sorge, ich werde darauf achten, was sie so treibt, und notfalls eingreifen.“

„Sehr schön.“ Zufriedenheit schwang in ihrer Stimme mit, dann verlor sich das und sie klang so hart wie Stahl. „Was planst du für Nevio?“

Nun kamen sie zum interessanteren Teil ihrer Unterhaltung. „Ich habe ihn angewiesen, sich um 21 Uhr im Caligula einzufinden, wo er dann auf uns warten wird. Natürlich kommen wir beide nicht pünktlich, sondern lassen ihn schmoren. Ruf mich an, sobald du den Besuch bei deiner Nichte beendet hast, und wir treffen uns erst mal auf ein Glas in der Bar. Je länger wir ihn zappeln lassen, umso mehr Zeit hat er, sich auszumalen, was du ihm antun wirst.“

Silvanas heiseres Lachen drang an sein Ohr. Schon ihre Stimme ließ ihre männlichen Subs zu Eis erstarren und machte aus ihren schlaffen Schwänzen eisenharte Rohre. Auch sein Glied pulsierte heftig.

„Also, ab wann kannst du es einrichten?“, fragte er und konnte seine Ungeduld kaum bezähmen.

„Ich würde sagen, es reicht, wenn du gegen acht kommst.“ Kühl und souverän wie immer.

Fabrizio bedauerte sehr, dass sie keinerlei devote Neigungen verspürte, zumindest war ihm etwas Derartiges nie aufgefallen. Was für ein Fest der Sinne hätten sie gemeinsam erleben können. Doch zwei Dominante funktionierten nicht in einer Beziehung.

„Dann treffen wir uns um acht an der Bar.“

„Si, und lass mich nicht warten, Amore“, zog sie ihn auf.

Fabrizio ballte seine rechte Hand zur Faust. Dieses impertinente Weibsstück! Sie wusste, dass er diesen Kosenamen einfach nur furchtbar fand. Er hätte wirklich Lust, ihr den knackigen Arsch zu versohlen, bis das sengende Feuer, hervorgerufen durch ein erbarmungsloses Spanking, sogar ihren Latexanzug schmelzen ließ!

„Ich bin durchaus in der Lage, die Uhr zu lesen, meine liebe Silvana.“

„Sehr schön, du weißt, Geduld ist nicht meine hervorstechendste Eigenschaft“, sagte sie leichthin. Natürlich wusste sie, was sie mit solchen Äußerungen in ihm auslöste, und amüsierte sich köstlich darüber. Der Drang, sie für ihre schamlose Respektlosigkeit zur Verantwortung zu ziehen, wurde immer stärker, auch wenn ihm klar war, dass es niemals dazu kommen würde.

„Als ob ich das nicht wüsste …“, murmelte er lediglich und verabschiedete sich.

Danach fuhr er nach Hause in seine Stadtwohnung. Er besaß ein großzügiges Loft mit Panoramaterrasse in der Nähe der Piazza della Libertà. Von dort aus konnte er auf die weltberühmte Kuppel des Doms Santa Maria del Fiore schauen. Das Wunder von Florenz wurde dieses Bauwerk genannt, da es nach heutiger Sicht kaum nachvollziehbar war, wie es den Dombauern gelungen war, eine so gigantische Kuppel ohne technische Hilfsmittel zu erbauen.

Was auch immer sie dazu befähigt hatte, nach über hundert Jahren Bauzeit ein solch architektonisches Kunstwerk zu erschaffen, er genoss den Ausblick und hätte diese Wohnung nicht in einer Million Jahre freiwillig aufgegeben. Im Vergleich zu seinem eher bescheidenen Apartment in Rom, war sein Loft ein wahrer Luxustempel.

Auf der Terrasse mit Blick auf die Dächer seiner geliebten Stadt befand sich unter dem überdachten Teil sogar ein Jacuzzi, in dem er nach einem harten Tag entspannen und seinen Gedanken freien Lauf lassen konnte.

Während er sich in seinem Schlafzimmer auszog, um noch eine ausgiebige Dusche zu nehmen, ging er im Kopf die Liste der Frauen durch, mit denen er sich hin und wieder auslebte. Welche von ihnen würde die Richtige sein für den heutigen Abend? Er entschied sich für Lea, eine schöne Italienerin mit katalonischen Wurzeln, die keinerlei Hemmungen kannte und seine hohen Ansprüche immer voll und ganz befriedigte.

Gut gelaunt stieg er in die Dusche und freute sich unbändig auf den heutigen Abend. Es war die erste Session, an der er teilnahm, seit er seinem ehemaligen Erzfeind Alessandro und dessen Frau Giulia zu einem Happy End verholfen hatte, und hoffentlich entwickelte sich dieser Abend zum Anfang eines neuen Lebensabschnitts.


Kapitel 3

Das Caligula war ein von hohen Mauern eingeschlossener Lusttempel am Rande von Florenz, weit weg von den mit Touristen bevölkerten Plätzen, den Einkaufsstraßen und Hotels. Äußerlich ziemlich unscheinbar – was bei dieser Art von Etablissement durchaus im Sinne der Besucher sein musste – parkte man auf einem Schotterparkplatz, den der Besitzer des Clubs, Davide Ristori, direkt neben einem kleinen Wäldchen hatte anbauen lassen. Bewegungsmelder sorgten dafür, dass niemand das Gelände ungesehen betreten konnte.

Vom Parkplatz aus gelangte man zu einem schmiedeeisernen Tor. Am steinernen Wall, der das gesamte Gelände umgab, hatte man eine Sprechanlage eingebaut, und ein Stück weiter oben surrte eine Kamera, die den Eingangsbereich überwachte. Sobald man mithilfe eines geheimen Passwortes das Gelände betreten durfte, lief man einen schmalen Weg hinauf, der in den Eingangsbereich eines dreigeschossigen Gebäudes mündete.

Hinterm Haus befand sich ein großer Garten, ebenfalls meterhoch von Mauern eingefasst und nicht einsehbar. Der ganze Komplex ähnelte dem Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses, damit die Mitglieder ungestört ihren Fantasien nachgehen konnten.

Es standen schon einige Autos auf dem Parkplatz, als er sich nach dem Aussteigen umsah. Unter anderem auch Nevios schwarzer Audi TT. Fabrizio verriegelte seinen Jaguar mithilfe der Fernbedienung und schlenderte nach dem Betreten des Geländes auf den Eingangsbereich des Clubs zu. Er deutete ein Lächeln an, sobald er vor den beiden bulligen Wachmännern stand, die wie zwei unbewegliche Statuen den Eingang blockierten. An diesen Kerlen kam keiner vorbei, wenn sie es nicht wollten. Man musste schon lebensmüde sein, um überhaupt den Versuch zu wagen, sich gewaltsam Eintritt zu verschaffen. Fabrizio empfand es als sehr beruhigend, zwei solche Kolosse vor dem Club zu wissen. Anselmo und Marcello gehörten quasi zum Inventar und schützten Davide Ristoris Reich, das er mit viel Mühe und unendlicher Geduld aufgebaut hatte, bis er sich in der Szene etablieren konnte.

Die beiden Kerle, beide glatzköpfig und tätowiert, traten sofort zur Seite, als Fabrizio vor ihnen stand. Ihn kannten und respektierten sie.

„Maestro.“ Anselmo öffnete ihm die schmale, schwarz lackierte Tür und deutete eine Verbeugung an. „Wir wünschen Ihnen einen lustvollen Abend.“

Fabrizio lächelte.

„Den werde ich sicher haben“, antwortete er und trat in den Vorraum des Clubs, dessen räumliche Ausmaße noch recht überschaubar waren. Im Grunde war es nur ein Übergang, denn geradeaus befand sich eine weitere Tür, flankiert von zwei Podesten, auf denen flackernde Ölschalen standen. Dieser Eingang führte in den eigentlichen Clubbereich. Ohne zu zögern marschierte er darauf zu und drückte auf den Schalter der Sprechanlage, der leicht versetzt an der Wand angebracht war. Dann hob er den Blick seitwärts nach oben in die Ecke und sah direkt in die Linse einer beweglichen Kamera.

Nach einigen Sekunden öffnete sich die Tür wie von Zauberhand und offenbarte einen Ort der Sünde, wie man ihn sich schöner nicht vorstellen konnte. Das Atrium, der Mittelpunkt des Gebäudes, erstreckte sich vor seinen Augen. Fabrizio trat in den großen Raum mit der hohen Decke und den Wandmalereien mit Abbildungen von römischen Orgien. Der bunte Mosaikboden verlieh dem ganzen Raum ein unwiderstehlich, mediterranen Flair. Zu seiner Linken hörte er einen Brunnen plätschern, in der Mitte befand sich ein ungefähr sechs Meter langes Becken. Kein modernder Pool, sondern aus Marmor gefertigt und an den Rändern mit Ornamenten versehen.

Der gesamte Club glich einem altrömischen Tempel und das sündhafte Treiben, das hier tagtäglich stattfand, erinnerte an längst vergangene Orgien. Nackte Sklavinnen, lüsterne Herren und jede Menge geiler Sex. Fabrizio kam gern hierher, auch wenn er aufgrund der privateren Atmosphäre die Villa Desideria immer vorziehen würde.

Neben dem Becken standen einige breite Liegen, auf denen man sich nach einer ausgedehnten Session ausruhen konnte. Die meisten hatten sich bereits in die Spielräume zurückgezogen, doch ein einzelner Gast amüsierte sich mit einer Sub, die ihm hingebungsvoll den Schwanz blies. Fabrizio kannte ihn vom Sehen, ein schlanker und gepflegter Mann Anfang fünfzig, grau meliertes Haar, edle Gesichtszüge und, soweit er wusste, verheiratet mit einem wunderschönen italienischen Laufstegmodel. Was sie aber nicht davor bewahrte, von ihrem Mann betrogen zu werden. Die Beine gespreizt, die Arme hinter sich auf der Liege abgestützt, schob er immer wieder seinen Unterleib nach vorn und so sein Glied in den geöffneten Mund der Sub, die hingebungsvoll an seinem Schwanz lutschte.

Um ihren rechten Oberarm schlang sich ein rotes Band. Das bedeutete, dass sie – und noch andere ebenso gekennzeichnete Frauen – nach Belieben von den Gästen benutzt werden durfte. Diesen Service nutzten vor allem jene Männer, die keine feste Sub haben wollten. Es gab einheitliche Sicherheitsworte für diese Frauen, mit unterschiedlichen Abstufungen, damit keiner eine Grenze überschreiten konnte. Sollte sich doch ein Gast danebenbenehmen und sich nicht an den Ehrenkodex des Clubs halten, schritt das Sicherheitspersonal ein.

Clubintern wurden sie auch als Freiwild bezeichnet, was allerdings keine Beleidigung sein sollte. Es handelte sich um einen selbst gewählten Status; alle Frauen, die das rote Band trugen, taten dies aus freien Stücken. Sie liebten es, sich von wechselnden Partnern benutzen zu lassen.

Interessiert beobachtete Fabrizio den Blowjob, den die zierliche Sub dem Mann verpasste, während sie vor ihm auf den Fersen kauerte, die Hände mit feinen Ketten auf dem Rücken gefesselt. Sie nahm den Schwanz bis zur Gänze auf, ließ ihn dann wieder aus ihrer Kehle gleiten, nass glänzend und schlüpfrig, ehe sie ihn wieder in sich aufnahm. Der Gesichtsausdruck des Mannes spiegelte seine Lust, auch Fabrizio verspürte Erregung bei dem Gedanken, sein Glied bis zum Anschlag in den Schlund einer süßen Devoten zu bohren. Aber nicht jetzt.

Harsch wandte er sich ab und lief durch einen von zwei Palmen gesäumten Torbogen in den Barbereich des Clubs. Eine lange Theke aus hellem Marmor zog seinen Blick an. Auf einem der Hocker saß Silvana, und ihr Anblick verblüffte ihn so sehr, dass er mehrmals blinzeln musste. Die härteste Domina Italiens trug ein biederes graues Kostüm, nur ihre Frisur, ein wie geleckt aussehender Sekretärinnendutt, erinnerte an die strenge Herrin, die in der Villa Desideria das Zepter schwang.

Langsam kam er auf sie zu. Sie konnte ihn sehen, hinter der Theke befand sich ein Spiegel, und so beobachtete sie ihn über die Distanz hinweg. Diese schmolz mit jedem seiner Schritte, bis er endlich bei ihr war und sich auf den Hocker neben ihrem setzte.

„Beinahe hätte ich dich nicht erkannt“, sagte er anstatt eines Grußes.

Sie wandte sich ihm zu, die schmal gezupften Augenbrauen hoben sich dezent in die Höhe.

„Dann bist du leicht zu täuschen, Fabrizio.“

Sie nahm ihr mit Rotwein gefülltes Glas in die Hand und ließ die Flüssigkeit darin kreisen, bis sich ein kleiner Strudel bildete. Silvana hielt es sich unter die Nase und atmete das Bukett ein; es roch süßlich, das Aroma strömte sogar bis zu ihm und hinterließ ein leichtes Prickeln auf seiner Zunge.

Als sie ihn über den Rand des Weinglases hinweg musterte, gestattete sie sich die Andeutung eines Lächelns.

„Ich freue mich sehr, dich wiederzusehen. Manchmal bedaure ich, dass du Florenz so sehr liebst und es nicht mal in Erwägung ziehst, in Rom zu leben.“

„Dann musst du mich eben öfter hier in Florenz besuchen“, schlug er leichthin vor, wohl wissend, dass sie das nicht tun würde.

„Und die Villa Desideria unbeaufsichtigt lassen?“ Sie klang, als wäre allein die Vorstellung absurd. „Nein, mein Lieber, vor allem nicht in diesen Zeiten. Ich könnte keine Minute genießen, solange bestimmte Dinge nicht geklärt sind.“

Tiefe Sorge zeichnete sich auf ihren edel geschnittenen Zügen ab. Das machte ihn stutzig.

„Ist irgendwas vorgefallen?“

Silvana seufzte erneut und öffnete den obersten Knopf ihres Kostüms, dann noch einen, bis er den ledernen BH sah, den sie darunter trug. Beinahe hätte er gelächelt. Auch wenn sie im Moment nach außen hin Seriosität und biedere Langeweile ausstrahlte, so besaß sie das Herz einer ausgewachsenen Wildkatze. Die funkelnde Schönheit ihrer gletscherblauen Augen durchbrach den Willen eines jeden Devoten, und sie nutzte die verführerischen Kurven ihres Körpers, um sie vor Lust fast in den Wahnsinn zu treiben. Eine wunderschöne und vor allem absolut loyale Frau, und doch unendlich einsam, wie sie ihm einmal nach einer besonders intensiven Session gestanden hatte. Hin und wieder wurde sie danach redselig.

Noch immer antwortete sie nicht auf seine Frage, ob etwas vorgefallen sei. Das leichte Zittern ihrer Unterlippe fand er so beunruhigend, dass er noch einmal nachhakte. „Silvana?“ Drängend sprach er ihren Namen aus, um sie endlich dazu zu bringen, ihre Sorge mit ihm zu teilen. Wofür zur Hölle waren Freunde denn sonst da? Und wenn er jemanden als Freund bzw. Freundin bezeichnen konnte, dann sie.

„Ich bin nicht nur wegen Elisa nach Florenz gereist“, fing sie an und räusperte sich. „Das Mädchen ist alt genug, und sie hat eine gute Freundin hier in Florenz, die sie, wenn nötig, ebenfalls unterstützen wird. Der wahre Grund ist anders geartet. Außer mir sind noch zwei weitere Clubbesitzer in der Stadt. Wir treffen uns morgen mit Davide, um ein paar Dinge zu besprechen.“

„Ihr haltet also so was wie eine Konferenz ab?“, mutmaßte er und traf damit ins Schwarze.

Ihr Mund verzog sich zu einer Grimasse. „Si, ich würde sagen, das trifft es ziemlich genau.“

„Jetzt bin ich neugierig“, erwiderte er und hoffte darauf, sie würde sich ihm anvertrauen. Zuerst zögerte sie, dann machte sie eine wegwerfende Handbewegung, als wollte sie damit ihre Zweifel fortschieben.

„Ich denke, es wäre nicht verkehrt, dich einzuweihen. Vielleicht kannst du deine Augen und Ohren offenhalten und mir berichten, sollte dir etwas auffallen.“

„Du sprichst in Rätseln.“

Ein knappes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Erinnerst du dich an den Conte?“

„Du meinst diesen römischen Aristokraten? Graf Andrea Cassano?“

Sie nickte. „Ja, genau.“

„Ich kenne ihn nur vom Sehen. Soweit ich weiß, bewegt er sich in etwas härteren SM-Kreisen. Ist er nicht Mitglied des Schwarzen Zirkels?“

„War“, korrigierte Silvana und nahm einen kräftigen Schluck von ihrem Wein. Danach stellte sie das Glas auf der Theke ab und schenkte ihm einen sehr ernsten Blick. „Er hat sich von diesem Kreis abgewandt und sieht sich nach Alternativen um. Unter anderem auch in der Villa. Eine neue Sub hat es ihm ziemlich angetan. Alessandro nennt sie den kleinen Schmetterling, wegen dem Tattoo auf ihrem Schulterblatt. Der Conte will sie zu seiner Gespielin machen, aber sie weigert sich beharrlich, und das scheint ihn genug zu reizen, um meinem Club ein paar Besuche abgestattet zu haben. Und jedes Mal, wenn er kommt, hatte er schlechte Neuigkeiten für mich.“

„Inwiefern?“

Um Silvanas Mundwinkel gruben sich tiefe Linien, die ihr makellos schönes Gesicht müde aussehen ließen.

„Der Schwarze Zirkel fängt an, sich zu einem ernst zu nehmenden Problem zu entwickeln. Der Conte bekommt seit einiger Zeit Hinweise auf eine sehr unschöne Entwicklung, und er behauptet, seine Quelle sei hundertprozentig zuverlässig.“

Fabrizio hob ein wenig irritiert die Augenbrauen. Er wusste nicht viel über den Schwarzen Zirkel, nur, dass es sich bei dieser Gruppe um einen inoffiziellen Zusammenschluss von adeligen Doms handelte, die sich für die Elite in der Szene hielten.

„Hinweise … sieh an“, sagte er spöttisch.

„Mach dich nicht darüber lustig, es ist ernst. Dieser Informant behauptet, dass einige Mitglieder des Schwarzen Zirkels ihre Subs übers Internet für horrende Summen an anonyme Doms vermitteln. Du weißt, was das bedeutet.“

„Keine Namen, keine Sicherheit“, schlussfolgerte er und spannte seinen Kiefer an. Das waren in der Tat keine guten Nachrichten, sollten sich Conte Cassanos Behauptungen als wahr herausstellen.

„Was genau hat er dir denn erzählt?“

Silvanas hellblaue Augen glitzerten unheilvoll. „Nicht viel, weil er selbst nicht genug weiß, um zu handeln. Beweise hat er auch keine, nur die Mitteilungen, die man ihm zugespielt hat, und allein die Möglichkeit, dass daran etwas Wahres dran sein könnte, ist eine Katastrophe. Wenn ein paar schwarze Schafe ihre Subs für Geld an irgendwelche Fremden weiterreichen, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis einer dieser Männer im Schutz der Anonymität die Grenzen der Sub überschreitet. Die ganze Szene würde darunter leiden. Stell dir vor, einem dieser Mädchen passiert etwas und das kommt an die Öffentlichkeit.“ Silvana verzog das Gesicht und schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich verstehe nicht, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, die eigene Sub an einen Namenlosen zu vermitteln. Allein die Vorstellung ist verabscheuungswürdig!“

Silvana hatte nicht ganz Unrecht mit ihren Bedenken, und wenn an dieser Geschichte etwas dran war, konnte es nicht schaden, Augen und Ohren offenzuhalten. Der Conte vertraute seinem Informanten jedenfalls genug, um sein Wissen mit anderen zu teilen. Ansonsten hätte er sich niemals dazu herabgelassen, sich mit dem gewöhnlichen Volk abzugeben.

Oder Silvanas Schmetterling ist reizvoll genug, um einen Schritt in die Welt der Normalsterblichen zu wagen, dachte Fabrizio nicht ohne Zynismus.

„Ist der Conte nun Mitglied in deinem Club?“

„Nein, dazu lässt er sich sicher nicht herab. Dieser arrogante Bastard ist viel zu eingebildet“, erwiderte Silvana. Eigentlich hätte man aus ihren Worten Abneigung ableiten müssen, doch ihr verklärter Gesichtsausdruck machte Fabrizio stutzig.

„Du scheinst trotz alledem begeistert von ihm zu sein“, merkte er an und spürte einen feinen Hauch von Eifersucht. Silvana grinste.

„Ich bewundere ihn“, gab sie offen zu. „Seinen völligen Mangel an Bescheidenheit finde ich faszinierend. Er hält sich für Gott und seine Subs bestärken ihn darin. Sie verehren den Boden, auf dem er geht“, sagte sie mit einem leicht zynischen Unterton. „Ich gebe es ja ungern zu, aber seine adelige Herkunft verleiht seiner Dominanz eine unterkühlte Grausamkeit, die ich so noch niemals erlebt habe. Und glaub mir, Fabrizio, ich habe schon eine Menge Maestros in meinem Leben kennenlernen dürfen. Selbst ich kann noch von ihm lernen und seine ausgeprägte sadistische Ader lässt jedes Sklavenherz vor Freude hüpfen.“

Fabrizio nahm einen Schluck von seinem Grappa, den der Barkeeper vorhin diskret vor ihm abgestellt hatte. Der junge Mann aus Neapel kannte die Vorlieben seiner Gäste, zumindest wenn es um die Auswahl der Getränke ging. Der Alkohol rann wohltuend seine Kehle hinunter.

„Dann freu dich, wenn du so einen Perfektionisten zu deinen Ehrenmitgliedern zählen kannst“, meinte er ungewohnt milde.

Die Villa Desideria besaß einen hervorragenden Ruf in der Szene, und sollte sich der Conte dazu entschließen, ihren Club dauerhaft aufzusuchen, würde das Silvanas Ansehen noch weiter steigern. Aus dem Augenwinkel sah er eine sehr hübsche Blondine aus dem Atrium in die Bar eintreten. Eine Devote und zumindest am heutigen Abend Freiwild, denn sie trug das rote Band um ihren Oberarm und einen aufregenden roten Perlenstring, der ihren niedlichen Schlitz nur unzureichend verdeckte. Die Frau bewegte sich mit Anmut und Grazie und präsentierte ihre zarten Rundungen ohne Scham. Ihm schoss das Blut in den Schwanz. Steif drückte er sich gegen den Hosenstall.

Da seine ursprünglich geplante Partnerin für diesen Abend an einem grippalen Infekt litt, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich im Caligula nach einem Ersatz umsehen. Ein feines Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

Ich denke, meine Entscheidung ist gefallen.

Noch immer sehr angetan vom Anblick dieser Sub betrachtete er die spitzen Brüste. Aufregend rote Nippel krönten die blasse Haut. Oh ja, sie reizte ihn, zudem gefiel ihm ihr platinblondes Haar, weil es ihn an eine ganz bestimmte Frau erinnerte und dementsprechend scharfmachte.

Steife Schwänze lügen nicht, geisterte es mit zynischer Belustigung durch seinen Kopf, ehe er die Schwellung in seiner Hose zurechtrückte.

„Bist du bereit?“ Er sprach nun mit Silvana und winkte gleichzeitig die Blondine zu sich, die umgehend auf ihn zusteuerte. Als Freiwild war es ihr nicht gestattet, sich einem Maestro zu verweigern, es sei denn, sie benutzte ihr Safeword.

„Selbstverständlich. Ich denke, wir haben den armen Nevio schon lange genug schmoren lassen.“

Mit einem rauen Lachen ließ sie sich vom Barhocker gleiten. Die Blondine stand nun mit gesenktem Haupt und wortlos vor ihnen.

Fabrizio stellte sich direkt vor sie und umfasste mit zwei Fingern ihr Kinn, zwang ihren Blick in seinen, der sie durchbohrte wie eine frisch geschmiedete Stahlklinge.

„Wie heißt du?“

Ihre Wimpern zitterten, sie waren nicht getuscht, was ihm ausgesprochen gut gefiel. Er hasste diese stacheligen schwarzen Spitzen, die den Frauen ein clownhaftes Aussehen gaben. Vor allem wenn sie weinten – und früher oder später taten sie das alle –, verlief sich das Schwarz in dunklen Bahnen auf der hellen Haut, als hätte man ihnen ein Spinnennetz auf die Wangen tätowiert.

„Mein Name lautet Serafina, Maestro.“

„Du weißt, was ich von dir will, Serafina?“

„Ja, mein Herr. Ich habe die Ehre, Euch heute Abend zu dienen.“

Sie sprach äußerst ehrerbietig, ihre natürliche Demut beeindruckte und erregte ihn. Neugierig umfasste er ihr Kinn mit zwei Fingern und musterte ihr schönes Gesicht. Sie war nicht so jung, wie es auf den ersten Blick den Eindruck machte. Er schätze sie auf Anfang dreißig, doch ihre gut gepflegte und absolut reine Haut ließ sie jünger wirken. Dass sie kein junges Ding mehr war, kam ihm entgegen. Er mochte erfahrene Subs, die sich rasch auf ihn und seine Vorlieben einstellen konnten. Ewige Erklärungen und ständige Rücksichtnahme nervten ihn.

Allein deswegen ist deine Nichte bei mir in besten Händen, dachte er sprunghaft und warf einen schnellen Blick auf Silvana.

„Dann wollen wir mal sehen, wie gut du deine Sache machst. Ich bin sehr anspruchsvoll, du solltest dich anstrengen“, spottete er.

Serafina zuckte nervös zusammen, was er sehr wohlwollend zur Kenntnis nahm. Er streckte die Hand aus und kniff prüfend in einen hart aufgerichteten Nippel, dem zweiten ließ er die gleiche Behandlung angedeihen. Hellrot standen sie hervor, und er beschloss, sie später mit ein paar hübschen Klemmen zu versehen, um ihre Schmerzempfindlichkeit zu testen.

Endlich wandte er sich der wartenden Silvana zu, deren völlig starre Mimik geradezu furchterregend wirkte. Er deutete eine Verbeugung an. „Nach dir, Herrin Silvana. Unser ungehorsamer Sub erwartet schon sehnsüchtig die Bestrafung durch deine unbarmherzige Hand.“

Wortlos schob sie sich an ihm und Serafina vorbei. Mit königlich erhobenem Kopf bewegte sie sich auf den Ausgang der Bar zu, ging zurück ins Atrium und erklomm dort die breite Steintreppe, die ins obere Stockwerk führte. Dort befanden sich die Spielzimmer. In einem davon wartete Nevio, völlig sich selbst und seinen Fantasien über die anstehende Bestrafung überlassen.

Der alte Cäsar hätte hier seine helle Freude gehabt, dachte Fabrizio belustigt und sah sich um, sobald sie das entsprechende Zimmer betraten. Ein großer Raum, wenig Schnickschnack, bis auf die luxuriös wirkenden Ottomanen, die den Maestros die Möglichkeit boten, sich auszuruhen, oder die als Liegefläche für die Subs genutzt wurden, um sie daran zu fesseln oder sie einfach nur darauf zu ficken. Ansonsten herrschte in diesem Zimmer Tristesse. Silvana musste diesen Raum vorab gewählt haben. Trotz des pompösen Luxus, der in der Villa Desideria herrschte, mochte sie es hin und wieder etwas minimalistischer. Das Zimmer bestach durch schmucklose Wände, nur in den Ecken standen Podeste, auf denen ähnliche Ölschalen brannten, wie im Eingangsbereich. Die Fenster wurden von schwarzen Samtvorhängen verhüllt, der Natursteinboden glänzte vor Sauberkeit.

Eindruck machte das riesige Andreaskreuz an der linken Wandseite. Es bestand aus massivem, poliertem Holz und sah nicht so künstlich und modern aus wie die neuartigen Stahlkonstruktionen, die teilweise mit gepolsterten Trittbrettern versehen waren.

Er beobachtete Silvana, die sich auf Nevio zubewegte, der wie gefordert nackt und mit dem Rücken zu ihnen in der Mitte des Raumes stand und wartete.

„Steh aufrechter, lass deine Schultern nicht so lasch herunterhängen, Sub!“, fuhr sie ihn an und Nevios Körper spannte sich wie eine Bogensehne.

Fabrizio grinste in sich hinein, als seinem Assistenten klar wurde, wer ihn heute in die Mangel nehmen würde. Nevio war total verknallt in Silvana, er betete sie an. Leider erwiderte Silvana seine Gefühle nicht, was sie nicht daran hinderte, ihn regelmäßig zu züchtigen und anschließend zu ficken.

Noch im Laufen öffnete sie ihre Kostümjacke und warf sie auf eine rot gepolsterte Ottomane. Der Rock folgte, und dann stand sie in einem Unterwäscheset aus schwarzem Leder da, die hochhackigen Schuhe mit den fast sieben Zentimeter hohen Absätzen wirkten nun gnadenlos sexy, da ihre langen Beine nicht mehr von dem biederen Kostüm verdeckt wurden.

„Dreh dich um“, kommandierte sie mit harter Stimme.

Nevio folgte diesem Befehl umgehend. Fabrizio deutete ein fieses Schmunzeln an, als sein Blick auf den seines Assistenten traf. Nevio wirkte nervös, was sicher in allererster Linie daran lag, dass er nicht mit Silvanas Anwesenheit gerechnet hatte. Da er vermutlich nie ihr fester Spielpartner werden würde, genoss er die wenigen Gelegenheiten, bei denen er von ihr dominiert wurde, träumte aber auch heimlich davon, der erste Mann zu sein, der die schöne Silvana unterwarf. Fabrizio lächelte mitleidig. Silvana würde sich nie und nimmer freiwillig der Herrschaft eines Mannes unterwerfen. Weder im Privatleben und schon gar nicht im Rahmen einer Session. Nevio wusste das und begnügte sich mit den erotischen Träumen, die ihm seine unterdrückte dominante Seite bescherte.

Schweigend lief sie auf einen riesigen Schrank auf der rechten Seite des Raumes zu. Dort lagerte das Handwerkszeug, das sie für die Session benötigen würde. Sie öffnete eine Seite und betrachtete nachdenklich die Auswahl, ehe sich ihre zarten Finger um den Griff einer furchterregend aussehenden Bullenpeitsche schlossen. Mit einem fiesen Grinsen auf den ungeschminkten Lippen – er fand ja, dass ihr Mund ohne zusätzliche Betonung noch viel sinnlicher und erotischer wirkte – drehte sie sich zu Nevio um. Dessen Adamsapfel schaukelte heftig auf und ab, er schluckte, dennoch lag in seinem Gesicht ein Ausdruck stummer Anbetung und als Silvana auf ihren schwindelerregenden Absätzen näher kam und dabei mit der Zunge den oberen Griff der Peitsche umspielte, regte sich Nevios Schwanz. Blut schoss in seinen Phallus und er stand waagrecht von seinem Körper ab.

Bravissimo, Silvana, du hast gerade deinen persönlichen Rekord gebrochen, beglückwünschte Fabrizio sie in Gedanken. Es war schon eine Kunst, einen eingeschüchterten Sub so schnell steif zu bekommen. Eine Kunst und eine Gabe gleichermaßen.

„Nevio, Nevio“, raunte sie in lästerndem Tonfall und blieb direkt vor ihm stehen. Fabrizio positionierte sich so, dass er alles genau beobachten konnte, und die süße Sub, die er für heute gewählt hatte, folgte ihm wie ein Schatten.

Silvana streckte indessen den Arm aus und ließ einen ihrer langen Fingernägel zärtlich über Nevios Wange gleiten. „Was sind mir nur für Sachen über dich zu Ohren gekommen?“

Sie erlaubte sich ein Grinsen, während Nevio kreidebleich dastand und gehorsam den Kopf nach hinten bog, als Silvana seine Kehle mit den Fingern umschloss. „Fabrizio hat mir erzählt, du seist ihm gegenüber respektlos gewesen. Stimmt das?“

Sie drückte leicht zu, sodass Nevio nur röcheln konnte. „Stimmt das?“, wiederholte sie schärfer.

„Ja, Herrin, ich war respektlos“, ächzte Nevio.

Menschen, denen die Regeln und Eigenheiten einer SM-Beziehung nicht geläufig waren, hätten sicher entsetzt reagiert auf das aufkommende Schluchzen in Nevios Stimme, doch die Brüchigkeit seines Tonfalls war purer Erregung geschuldet. Sie ergriff Besitz von ihm, eigentlich schon von der Sekunde an, in der Silvana den Raum betreten hatte. Seine Lust an der Unterwerfung fing das Gefühl der Demütigung hundertfach wieder auf, verwandelte es in etwas Wunderschönes. In etwas Ehrliches und Unverfälschtes, denn man versteckte und verweigerte nichts. Das war es, was die Sinnlichkeit ausmachte, in der sich Dominante und Submissive bewegten. Jemand, der sich nicht intensiv damit auseinandersetzte, würde das niemals verstehen können.

Fabrizios Nasenflügel bebten, als er den würzigen Duft einatmete, den die Ölschalen verbreiteten, bis er den gesamten Raum durchdrang. Sobald man die Augen schloss, weckte dieser Duft die Illusion, man würde mitten in einem toskanischen Pinienwald stehen. Er machte eine kleine Bewegung mit dem Finger und winkte Serafina zu sich. Er wollte sich Nevios Bestrafung nicht im Stehen ansehen, sondern auf einer der Ottomanen. Er machte es sich gemütlich, Serafina kniete neben ihm auf den Boden.

Während er die Umgebung auf sich wirken ließ, spürte er langsam, wie sich die Anspannung in ihm löste und unverhohlener Vorfreude Platz machte. Indessen umkreiste Silvana den bedauernswerten Nevio, berührte ihn an einigen Stellen seines Körpers und überlegte laut, wo die Peitsche ihn wohl am schmerzhaftesten treffen würde. Das verbale Vorspiel und die Androhung seiner bevorstehenden Qualen machten Nevio nur noch geiler. Sein Gesicht rötete sich, und sein Glied schwoll so dick an, dass Silvanas zierliche Finger ihn sicher kaum würden umfassen können.

Da das verbale Vorspiel der beiden noch ein wenig dauern würde, lenkte er seine Aufmerksamkeit auf die hübsche Serafina. Die saß stumm da und wartete auf ihre Anweisungen. Eigentlich mochte er so passive Subs nicht, aber ihre Ähnlichkeit mit Annalena – platinblondes Haar und blasse Brüste mit rötlichen Spitzen – reichte aus, um dieses Manko zu ignorieren. Seine ungesunde Obsession für seine frühere Verlobte konnte man nur als dumm bezeichnen, doch sobald er eine Sub entdeckte, die ihr ähnelte, musste er sie einfach haben. Dieses Verhalten war schon fast zwanghaft, nur bei Giulia Bertani war er von diesem Muster abgewichen. Alessandros Frau glich seiner früheren Verlobten in keiner Weise, weder im Charakter noch im Aussehen. Mit ihren welligen dunklen Haaren und den sanften graublauen Augen strahlte Giulia etwas Verletzliches aus, das ihn sehr für sie eingenommen hatte. Er bedauerte sehr, dass sie sich am Ende für Alessandro entschieden hatte, doch nachdem sich die beiden endlich ausgesprochen hatten und alle Missverständnisse ausräumen konnten, blieb ihm nichts übrig, als sich zurückzuziehen. Seine Zeit würde kommen. Eines Tages würde auch er eine Partnerin finden, die seine Neigungen akzeptierte und ihn in jeder Hinsicht liebte und ergänzte. Hoffentlich.

Er lenkte seinen Blick auf Serafinas Pussy. Eng würde sie sein, wenn er seinen Schwanz in ihr versenkte. Auch ihr Arsch sah verlockend aus, schön knackig und rund. Vielleicht würde er dieses niedliche Geschöpf ausgiebig von hinten nehmen …

„Senk deinen Kopf! Wer hat dir erlaubt, mich anzusehen?“

Silvanas Stimme glich einem Peitschenhieb. Scharf und erbarmungslos riss ihn der an Nevio gerichtete Befehl aus seinen lüsternen Fantasien. Abgelenkt sah er wieder zu ihr und seinem Freund. Deswegen war er doch eigentlich hier, nicht wahr? Um Nevios Disziplinierung beizuwohnen, und nicht nur, um ein weiteres Annalena-Double zu ficken.

„Stell dich hier vor die Haken und leg die Manschetten um die Fußgelenke.“

Silvana warf Nevio die Ledermanschetten zu, und er fing sie beinahe lässig auf, ehe er auf die besagte Stelle zulief. Dabei bewegten sich die schlanken Muskeln an seinem Körper. Er besaß den Körper eines Tänzers. Schlanke Gliedmaßen, gezügelte Kraft, die er mit eleganten Bewegungen bändigte. Mit seiner Größe von 1,85 Meter hätte Nevio sicher auch auf den Mailänder Laufstegen eine gute Figur gemacht. Konzentriert und mit der ihm eigenen Disziplin legte er sich die Manschetten um Hand- und Fußgelenke.

„Sehr schön, du kannst ja richtig folgsam sein“, lästerte Silvana und trat näher. Sie ging in die Knie und verhakte die Karabiner mit den Ösen im Boden. Geschmeidig glitt sie wieder nach oben. Nevio schluckte, dennoch konnte Fabrizio in seinen grauen Augen unverhohlene Vorfreude entdecken.

Fabrizio beschloss, dass es nun an der Zeit war, sich um sein eigenes Vergnügen zu kümmern.

„Geh in Bereitschaftsposition“, befahl er Serafina mit harter Stimme und sie ließ sich mit einer fließenden Bewegung nach unten gleiten. Die Sklavin saß mit dem Hinterteil auf den Fersen, die Hände ruhten leicht gespreizt auf den Oberschenkeln. Eine eher relaxte Stellung, die aber die Geduld so mancher Sub auf die Probe stellte, wenn man sie zu lange ausreizte. Da ihre Knie dennoch mit dem harten Parkettboden in Berührung kamen und sich die Bestrafung von Nevio durchaus hinziehen konnte – Silvana schien es heute nicht sonderlich eilig zu haben –, warf er Serafina eines der Zierkissen zu, damit sie es als Unterlage benutzen konnte.

Fabrizio sah sich nicht als Sadist, obwohl er das Spanking einer Sub sehr genießen konnte. Auch mit der Peitsche konnte er versiert umgehen. Er hatte sich alle Fähigkeiten angeeignet, um jeder devoten oder masochistischen Neigung gerecht werden zu können. Doch den totalen Sinnesrausch zog er aus den Machtspielchen, die er seinen Subs zumutete. Er genoss es sehr, sie dazu zu bringen, Dinge zu tun, die sie zuerst ablehnten, ob aus Stolz, aus Scham oder aus wahnwitziger Frechheit heraus. Wenn er ihren Widerstand brach – ob echt oder geschauspielert – fühlte er sich wie ein Gott. Seine eigene Überlegenheit geilte ihn auf, keine Brüste, keine Möse konnten ihn so erregen wie die Gewissheit, die totale Kontrolle über seine Partnerin auszuüben. Dabei bemühte er sich, diesen Einfluss nie zu missbrauchen.

Gib einem Menschen Macht und du erkennst seinen wahren Charakter. Das war ein allzu wahrer Satz und nicht jeder Maestro wurde dieser Herausforderung gerecht. Das zeigten die Gerüchte rund um den Schwarzen Zirkel zur Genüge.

Serafina platzierte das Kissen unter ihren Knien. Er registrierte durchaus den dankbaren Schimmer in ihren Augen, weil er sie nicht auf dem harten Boden kauern ließ. Sie waren blau, nicht grün wie bei Annalena, fiel ihm nun auf. Doch darüber konnte er hinwegsehen. Er würde sie einfach von hinten nehmen.

„Nun, Sklave, was hast du zu deiner Entlastung zu sagen?“, hörte er Silvana fragen. Sie stand breitbeinig vor Nevio, dessen blondes Haar von dem flackernden Feuerschein der brennenden Öllampen erhellt wurde, die in jeder Ecke des Zimmers ein warmgoldenes Licht ausstrahlten.

Silvana bewegte sich vor Nevio hin und her. Fabrizio entdeckte einen schmalen Schlitz im vorderen Bereich ihres Lederslips, damit ihr Sklave ihr den Schamhügel lecken konnte, wenn sie es verlangte. Hin und wieder schimmerte die blanke Haut ihrer rasierten Pussy durch.

Nevios Stimme zitterte nicht bei seiner Antwort. „Es gibt nichts, was ich vorbringen kann, Herrin. Ich war vorlaut und habe die Entscheidungen eines Maestros infrage gestellt. Das hätte ich nicht tun dürfen und ich erwarte meine Strafe.“

Nevio senkte demütig den Kopf und verhielt sich seiner Rolle entsprechend.

„Dann werde ich dich daran erinnern, wie du dich einem Maestro gegenüber zu verhalten hast.“

Da die Ottomane nur drei Meter entfernt stand, konnte Fabrizio die Gänsehaut sehen, die sich nun auf Nevios Körper ausbreitete. Sein blasser Leib erstrahlte in Vollendung. Groß und schlank, erfreute er sowohl das männliche als auch das weibliche Auge. Seine äußere Perfektion würde heute ein wenig Schaden nehmen, denn wenn Silvana mit ihm fertig war, würde er die Zeichen seiner Bestrafung noch einige Tage lang mit sich herumtragen und damit seine Lektion in Sachen Gehorsam verinnerlichen. Und zwar jedes verdammte Mal, wenn er nach dem Duschen nackt vor seinen Spiegel trat.

Silvana ließ mit einer Fernbedienung eine Spreizstange herunterfahren, die speziell für die Befestigung an der Decke gedacht und dementsprechend massiv und sicher konstruiert worden war. Aus Edelstahl gefertigt, bot sie dem dominanten Part die Möglichkeit für fesselnde Vergnügungen. Der stabile Schäkel sorgte dafür, dass man die Vorrichtung ausgeglichen befestigen konnte. An jeweils einem Ende der Stange befand sich ein Karabinerhaken und an denen würde Silvana gleich die Ösen von Nevios Manschetten verknüpfen.

„Arme hoch“, forderte sie prompt und verband die Haken an der Hängestange. Sie sorgte dafür, dass er wehrlos ihrem Spieltrieb ausgeliefert war, und die pure Ergebenheit, die sich auf Nevios Gesicht spiegelte, sorgte auch bei Fabrizio für einen erregenden Schub.

Sein Blut rauschte immer schneller durch seine Adern. Er ließ die beiden nicht für eine Sekunde aus den Augen, wollte nichts verpassen und jeden Moment dieses Schauspiels genießen, auch wenn er selbst nur als passiver Beobachter daran teilnahm.

Dann erfolgte der erste Schlag mit der Peitsche. Ein dumpfes Stöhnen entwich Nevios Mund, es musste verdammt wehtun und das sollte es auch. Diese Züchtigung diente nicht dem Lustgewinn, sondern der Bestrafung. Die Muskeln auf Nevios Rücken arbeiteten unermüdlich, während seine Haut von Silvanas Hieben malträtiert wurde. Sie fuhr ihm mit der Peitsche zwischen die Beine, strich über die prallen Hoden. Sein Glied zuckte, er keuchte, als Silvana ihn auf diese Weise stimulierte.

„Wirst du in Zukunft dein vorlautes Mundwerk im Zaum halten, mein blonder Engel?“

Die distanzierte Unnahbarkeit war aus ihrer Stimme gewichen, wie Fabrizio feststellte. Es erregte sie, Nevio seine Grenzen zu zeigen. Er war einer der wenigen, der ihr eine Reaktion abringen konnte. Silvana mochte den schönen Nevio, wahrscheinlich mehr, als ihr selbst bewusst war. Kein Wunder. Alle Frauen vergötterten Nevio, den blonden Engel, dessen Schönheit beinahe schmerzte, wenn man ihn zu lange ansah.

„Meine Herrin, ich werde nie wieder das Wort eines Maestros anzweifeln“, presste dieser nun hervor. Das Surren der Peitsche hallte durch den Raum und der dicke Riemen traf mit einem durchdringenden Zischen Nevios Arschbacken. Er fuhr zusammen, keuchte und Fabrizio lächelte. Wie sehr er den Klang liebte, dieses beißende Geräusch, das sich genauso in seine Gehörgänge brannte wie das Leder in das Fleisch des Subs. Silvana traf ihre Ziele sicher und gekonnt. Sie fügte Nevio Schmerz zu, sie zeichnete seinen Körper, auf dem sich rote Striemen zeigten.

Fabrizio spreizte die Beine ein wenig und forderte Serafina mit einer Handbewegung auf, zwischen seine Beine zu kriechen.

„Komm her, erfreue mich“, forderte er mit rauer Stimme. Sie gehorchte, in ihren Augen las er die Freude darüber, ihm dienen zu dürfen. Nun, ohne arrogant wirken zu wollen, aber er wusste, dass er ein schöner Mann war, dem die Frauen, egal ob devot oder nicht, zu Füßen lagen. Sie rissen sich förmlich darum, ihm den Schwanz zu lutschen, und er nahm diese Dienste nur zu gern in Anspruch.

Mit ihren zarten Fingern befreite sie sein Glied und nahm es tief in ihrem süßen Schlund auf. Sie saugte und leckte. Fabrizio ließ sich in die Kissen zurücksinken, die seinen Rücken stützten, und ließ sich bedienen, während sich seine Augen weiter an der Szene vor ihm festsaugten, wo Silvana gerade Nevios Schwanz ergriff und ihn beinahe zärtlich massierte. Ungewöhnlich, dass sie das tat. Sie fasste ihre Subs während der Session selten direkt an, und er hatte auch nicht von ihr verlangt, Nevios Erregung durch Liebkosungen auf die Spitze zu treiben. Vermutlich machte sie die Situation einfach scharf, außerdem sah es geil aus, wie sie in ihrem knappen Lederoutfit und mit der Peitsche in der Hand vor dem angeketteten und wehrlosen Nevio stand und ihn mit der Hand bearbeitete.

Fabrizios Schwanz zuckte zwischen Serafinas Lippen und schwoll weiter an. Er senkte den Blick auf die hellblonden Locken, auf den üppigen Mund, der seinen Schaft umschloss und unermüdlich saugte. Ihr Gesicht verschwamm, verwandelte sich, und plötzlich kniete nicht die hübsche Sub aus dem Caligula vor ihm, sondern Annalena, deren Hingabe er nie vollständig hatte erringen können. Verflucht, jedes Mal, wenn er mit einer Frau zusammen war, dachte er früher oder später an seine frühere Verlobte. Eine Frau, die ihn zutiefst gedemütigt und betrogen hatte, und doch konnte er nicht verhindern, dass sie immer wieder Teil seiner Gedanken wurde. Eine Seuche, eine Pest, unheilbar.

Manchmal wünschte er sich, ein gnädiges Schicksal würde ihn von den Erinnerungen an sie erlösen. Er zwang das Luder aus seinem Kopf und konzentrierte sich wieder auf seine reale Geliebte, die hingebungsvoll seinen Schwanz verwöhnte. Es reichte nicht, er brauchte mehr.

„Härter“, kommandierte er und in Gedanken fügte er hinzu: Saug sie aus meinem Kopf. Sie fickt meinen Geist, immer und immer wieder. Befreie mich von ihr.

Blind vor Leidenschaft presste er die Hand an ihren Hinterkopf und signalisierte Serafina, dass sie sich noch mehr ins Zeug legen sollte. Sofort nahm sie ihn noch tiefer in sich auf, bis sie den natürlichen Würgereflex überwand und sein Schwanz von ihren Halsmuskeln massiert wurde. Enger und geiler als es eine Möse je sein konnte. Gut, das war gut.

Sein Blick kehrte zurück zu Silvana und Nevio. Mehrere rote Linien zogen sich über die muskulösen Halbkugeln seines festen Hinterteils. Silvana gönnte sich eine kurze Pause und strich mit ihrem Fingern, die in einem schwarzen Latexhandschuh steckten, durch den Spalt seines Pos. Es gefiel ihm wohl. Nevios Stöhnen zog wie ein Klagelaut durch den Raum, obwohl es ihm nicht erlaubt war, seine Lust zu zeigen.

Silvana wandte den Kopf und sah Fabrizio direkt an. Sie zwinkerte ihm zu. „Soll ich ihm zeigen, was mit ungehorsamen Subs passiert, Maestro?“

Er grinste und fühlte sich wie der böse Wolf persönlich. „Du hast meine Erlaubnis, alles mit ihm zu tun, was du für nötig hältst.“

Kurz blitzte etwas in ihren Augen auf. Macht. Sie liebte dieses Gefühl genauso sehr wie er, ging darin auf, war süchtig danach. Auch Silvana wäre niemals imstande, sich dauerhaft mit simplem Vanillasex zu begnügen, sie brauchte den Rausch des Spiels, das Ausleben ihrer Dominanz. Sie brach den Blickkontakt ab und widmete sich nun wieder voll und ganz Nevio.

„Was für einen niedlichen Hintern du hast, Sklave“, raunte Silvana und versetzte Nevio einen kräftigen Schlag mit der Hand. Danach tauchte sie die Finger in den Schlitz zwischen ihren Beinen und streichelte sich, während sie scheinbar versonnen den gefesselten Nevio begutachtete. Anschließend zog sie die Finger heraus und bearbeitete Nevios Hintereingang. Er stöhnte heiser auf und genoss diese Behandlung in vollen Zügen. Spätestens in dem Moment, als sie einen behandschuhten Finger tief in seinen Po schob, schrie er seine Lust hemmungslos hinaus. Sein Samen spritzte unkontrolliert aus seinem Schaft. Nicht die Reaktion, die Silvana ihm zugestand; ihr ausdrucksstarkes Mienenspiel verhieß nichts Gutes für Nevio.

„Du hast Nerven, mein Lieber, wer hat dir erlaubt zu kommen?“

Ihr Tonfall wurde von kühler Überlegenheit dominiert, während sich auf Nevios Gesicht pure Seligkeit ausbreitete. Sie trat näher an ihn heran, ihre schönen Brüste im ledernen BH streiften ihn seitlich. Mit der freien Hand packte sie sein blondes Haar und riss seinen Kopf mit einem brutalen Ruck nach hinten, dann fing sie an, seinen nur noch halb steifen Schwanz zu massieren.

Fabrizio vergaß für einen Moment seinen eigenen Drang zur Befriedigung. Viel zu interessant war das Spektakel, das Silvana mit Nevio veranstaltete. Wie alle Menschen, die sich nur mit Perfektion in allen Belangen zufriedengaben, sah auch er gerne einem Profi bei der Arbeit zu, und es gab kaum eine Domina, die den schmalen Pfad zwischen Demütigung und lustvoller Unterwerfung sicherer entlangschritt als sie.

Mit einem gefährlich anmutenden Lächeln zog sie Nevios Gesicht an den Haaren zu sich heran, sie leckte kurz über seine Wange, bevor sie ihn zwang, sie anzusehen. Ein Eiswürfel besaß mehr Wärme als ihr Lächeln in diesem Augenblick.

„Hab ich dir erlaubt, Lust zu empfinden und den Boden zu besudeln? Hast du so wenig Respekt vor deiner Herrin, dass du sie auf diese Weise beleidigst?“

Fabrizio lächelte lüstern, als sich tiefe Scham über sein Fehlverhalten auf Nevios Gesicht abzeichnete. Silvana schaffte es doch jedes Mal, seinen vorlauten Assistenten in die Schranken zu weisen, und die Art und Weise, wie sie das tat, erregte ihn. Begierde schoss wie eine Stichflamme in ihm hoch, als er die Tränen auf Nevios Wangen entdeckte, während er versuchte, Silvanas harten Augen standzuhalten.

„Bitte vergebt mir, Herrin“, flüsterte er demütig und zuckte zusammen, als sie ihn erneut penetrierte. Dieses Mal drang sie gewiss noch leichter ein, das Gefühl musste dementsprechend lustvoller für ihn sein, doch Nevio wagte es nicht mehr, auch nur eine Miene zu verziehen. Fabrizio grinste. Silvana würde ihn schon dazu bringen, die Beherrschung zu verlieren. Er selbst genoss das Schauspiel in vollen Zügen, während Serafina noch immer mit gierig saugendem Mund vor ihm kniete und ihm die Seele aus dem Schwanz sog. Immer wieder verschwand sein Phallus im Inneren ihres Mundes, während er Silvana bei ihrer Session zusah und seinem eigenen Orgasmus entgegenjagte. Seine Eier zogen sich bereits fest zusammen, sein Glied pochte gierig und schien förmlich an den weichen Innenseiten ihrer Wangen zu kleben. Sie ersetzten ihm das warme, feuchte Innere eines Frauenkörpers aufs Vortrefflichste.

„Schneller“, zischte er, seine Stimme klang verzerrt vor lauter Ungeduld. Serafina bemühte sich nach Kräften, ihn zu befriedigen, doch es war immer noch nicht schnell genug, nicht tief genug …

Knurrend wickelte er ihr hellblondes Haar um sein Handgelenk, um sie besser steuern zu können. Gierig pumpte er seinen Schwanz in ihren Mund, sah auf sie hinunter, und erneut gaukelte ihm seine Fantasie vor, es wäre Annalena, die so willig vor ihm kniete und ihm seine Trauer und seine Wut aus dem Leib saugte.

Er schloss die Augen, in Gedanken bei ihr. Annalena. Ihr Name geisterte durch seinen Kopf. Seine große Liebe, die ihn so schamlos hintergangen hatte, und während er in Erinnerungen an sie schwelgte, spürte er, dass er noch immer nicht über sie hinweg war. Vielleicht würde er sie niemals vergessen können. Sie befand sich in seinem Kopf, in seinen Gedanken und ließ ihn einfach nicht zur Ruhe kommen. Dafür saß der Stachel des Treuebruchs einfach zu tief.

Entschlossen, Annalenas Geist endlich zu entkommen, zwang er Serafina zu einem noch schnelleren Rhythmus. Er übte die volle Kontrolle über sie aus und beschleunigte die Bewegungen ihres Kopfes, dabei schob er sich immer tiefer in ihren Mund, er konnte spüren, wie sie die Halsmuskeln entspannte und ihn nun komplett vordringen ließ. Nicht viele Frauen beherrschten diese Kunst, doch sie war anscheinend eine Meisterin darin, Männerschwänze zu schlucken als wären sie Süßigkeiten.

Um seinen Höhepunkt zu beschleunigen, konzentrierte er sich wieder auf Silvana und Nevio. Sie hatte sich in der Zwischenzeit von seinem Assistenten entfernt und einen Rohrstock geholt. Mit der Spitze fuhr sie ihm ganz zart übers Rückgrat, bis sie seinen Hintern erreichte und ihn leicht antippte.

„Du erhältst noch zehn Schläge extra mit dem Stock, damit du in Zukunft nicht vergisst, dass du nur kommen darfst, wenn ich es dir ausdrücklich erlaube!“

Mit grausamem Lächeln auf den Lippen holt sie aus, und als der erste Schlag Nevios Hintern traf, entlud sich Fabrizios Lust. In ihm tobte der Wunsch, seinen inneren Dämonen zu entkommen. Damit er endlich Frieden finden konnte und eines Tages vielleicht sogar eine Frau, die es wert war, geliebt und vergöttert zu werden.


Kapitel 4

„Sag mal, bist du sicher, dass ein Job in einer Galerie das Richtige für dich ist? Du hast dich doch noch nie übermäßig für Kunst interessiert oder hat sich das in der Zwischenzeit verändert?“

Davinas Frage sorgte dafür, dass Elisa peinlich berührt über den Rand ihres Glases hinweg zu ihr rüber sah. Sie saßen nach Silvanas überraschendem Besuch noch bei einem Glas Wein im Wohnzimmer und genossen die kühle Brise, die durch das geöffnete Fenster in den Raum strömte. Ihre Tante war recht schnell wieder gegangen, weil sie noch einen alten Freund treffen wollte und sich nur davon überzeugen wollte, dass Elisa auch wohlbehalten angekommen war. Bei der Verabschiedung hatte ihre Tante sie noch eindringlich an den Termin in der Galerie erinnert, was Davina nun zum Anlass nahm, noch einmal Elisas zukünftigen Job zu thematisieren.

„Ich mag schöne Dinge“, antwortete Elisa schließlich und lächelte schief. „Außerdem muss ich kein ausgeprägtes Kunstwissen besitzen. Die suchen dort einen Ansprechpartner für die Besucher und jemanden, der nach dem Rechten sieht.“

„Klingt ganz schön langweilig, wenn du mich fragst“, antwortete Davina gewohnt ehrlich. „Und du solltest dir darüber im Klaren sein, dass in solchen Galerien fast nur reiche Schnösel ein und aus gehen. Hast du eine Ahnung, wie anstrengend solche Leute sind? Signora, tun Sie dies, und Signora, tun Sie das …“

Elisa unterdrückte ein Kichern. Zwar hatte sie auch Bedenken, ob sie sich als einfaches Mädchen vom Land an so einem Ort wohlfühlen würde, aber ihre Eltern hatten sie gut erzogen und sie traute sich den Umgang mit solchen Leuten durchaus zu.

„Ich habe keine andere Wahl“, meinte sie pragmatisch. „Wenn ich dauerhaft in Florenz bleiben will, dann brauche ich Geld. Schließlich habe ich keine reichen Eltern, die mir meinen Lebensunterhalt finanzieren.“

Ihre Freundin zuckte bei dieser Bemerkung leicht zusammen. Elisa seufzte entschuldigend, weil das für ihre Freundin ziemlich beleidigend klingen musste. „Verzeih mir, das war nicht so gemeint. Ich verurteile dich nicht dafür, dass du von deinen Eltern unterstützt wirst, ich will dir nur begreiflich machen, dass Arbeit für jemanden wie mich, nicht auf der Straße liegt. Keiner wartet auf eine Gemüsehändlerin aus St. Vincenze, und dieser Job in der Galerie ist eine großartige Möglichkeit, um an Geld zu kommen. Zumindest, bis ich weiß, was ich mit dem Rest meines Lebens anfangen möchte.“

„Hast du denn schon irgendwelche Vorstellungen?“

Eine vage Ahnung hatte sie durchaus, allerdings noch nichts Konkretes. „Auf alle Fälle würde ich an der Abendschule gerne das Abitur nachholen, um eventuell studieren oder einen etwas lukrativeren Job bekommen zu können.“

„Du willst noch einmal die Schulbank drücken. Ernsthaft?“

Davina klang beeindruckt. Sie hatte das Lernen und den ganzen Prüfungsstress immer verabscheut und würde freiwillig sicher nie wieder ein Schulgebäude betreten. Ihre Stärken lagen eher im künstlerischen Bereich. Kurz bevor Tante Silvana auf einen Sprung vorbeigekommen war, hatte sie Elisa anvertraut, dass sie den Versuch wagen wollte, mehr aus ihrer Malerei zu machen, um irgendwann davon leben zu können. Ein ehrgeiziges Vorhaben, aber wenn es jemand schaffen konnte, dann Davina.

Elisa unterdrückte ein amüsiertes Lächeln und nickte. „Und ob das mein Ernst ist. Wenn ich noch was aus meinem Leben machen möchte, dann bleibt mir gar nichts anderes übrig.“

„Wieso hast du nicht gleich das Abi gemacht? Ich wette, du hättest das mit links geschafft. Du warst doch immer gut in der Schule.“

„Papa hielt es für überflüssig, weil er davon ausging, dass ich einen netten Jungen heirate und einen ganzen Stall voll Kinder in die Welt setze“, antwortete sie ehrlich und sah, wie Davina vor Entsetzen über diese machohaften Vorstellungen die Luft anhielt.

„Nicht wahr!“, keuchte Davina atemlos und riss ungläubig die Augen auf. „Und du hast das einfach so akzeptiert?“

Elisa seufzte peinlich berührt. „Du musst mich für ziemlich dumm halten, aber ich war einfach zu schwach, um mich gegen ihn durchzusetzen.“

Davinas Fassungslosigkeit nahm immer noch nicht ab. „Konnte deine Tante denn nicht auf ihn einwirken? Ich persönlich wäre jetzt nicht scharf aufs Abitur gewesen, weil ich grauenhafte Noten hatte, aber du … Für dich wäre es doch perfekt gewesen. Stattdessen hat dich dein Vater hinter einer Gemüsetheke verrotten lassen.“

„Papa ist eben altmodisch, und Silvana konnte mir nicht helfen, weil Papa seit Jahren jeden Kontakt zu ihr meidet.“

Davina wäre nicht Davina gewesen, wenn sie nicht sofort nachgehakt hätte. „Wieso denn das?“

Diese Frage stellte sich Elisa auch seit Jahren, ohne eine zufriedenstellende Antwort darauf zu erhalten. Bis heute weigerten sich alle Beteiligten, über die Gründe zu reden. Dass er überhaupt mit Silvana gesprochen hatte, als sie vor einigen Wochen nach St. Vincenze gekommen war, um ihrer Nichte beizustehen, glich einem Wunder. Auch die Einwilligung zu Elisas Umzug nach Florenz musste man in diese Kategorie einordnen.

„Keiner spricht über das Warum“, erklärte sie nach einer kurzen Pause und lächelte kläglich. „Ich vermute, es hängt mit Silvanas Unabhängigkeit zusammen. Papa ist ziemlich rückständig, genau wie die meisten Männer in St. Vincenze. Feminismus, wie ihn Silvana lebt, ist für ihn nicht akzeptabel, und ich vermute, das hat dann zum Streit geführt.“

„Und deine Mutter? Hat sie das einfach hingenommen?“

Wenn sie an ihre Mutter dachte, fühlte sie eigentlich nur Mitleid. Antonella Bernini besaß keine eigene Meinung, und wenn doch, dann behielt sie diese für sich. Das Wort ihres Ehemannes war Gesetz, sie hinterfragte nichts und akzeptierte seine Entscheidungen, egal wie abstrus sie auch ausfielen.

„Mama tut, was er sagt. Sie war mir nie eine große Hilfe und hat seit meiner Entscheidung, nach Florenz zu ziehen, kein Wort mehr mit mir geredet. Für sie bin ich eine Enttäuschung auf der ganzen Linie.“

Noch während sie sprach, spürte Elisa einen dicken Kloß in der Kehle. Auch wenn sie sich nur schwer mit dem Verhalten ihrer Mutter abfinden konnte, so liebte sie ihre Mama doch von Herzen. Dass sie jetzt von ihr geschnitten wurde, tat unglaublich weh. Doch sie musste diesen Weg gehen oder sie würde früher oder später genauso enden wie sie. Als seelenloser Roboter, ohne Hoffnungen und Wünsche, ohne Erfüllung. Deswegen rannte sie wohl auch so oft in die Kirche zu Padre Marco. Den Trost, den sie im Leben nicht fand, suchte sie im Gebet und in der Beichte.

„Dass du es so schwer hattest, habe ich nicht geahnt“, sagte Davina nun betroffen. Sie zog eine verärgerte Schnute. „Also wirklich, das ist so unfair. Nur weil diese antiquierten, italienischen Machos es nicht ertragen können, wenn eine Frau etwas aus ihrem Leben macht, müssen die Frauen darunter leiden. Aber du wirst es ihnen allen zeigen. Leb dein Leben und werde glücklich. Beweise allen, dass du durchaus in der Lage bist, für dich selbst einzustehen.“

Davinas Ausbruch amüsierte sie. Ihr feuriger Charakter brach nun voll durch.

„Ich werde es versuchen und mir ein Beispiel an dir nehmen.“ Grinsend neigte sie den Kopf seitlich und betrachtete die zorngeröteten Wangen ihrer Freundin. „Ehrlich, Davina, der Mann, der es jemals wagt, dir Befehle zu erteilen, tut mir jetzt schon leid. Selbst der Vesuv ist nicht so explosiv wie du, wenn du wütend wirst.“

Wenn Davinas Temperament mit ihr durchging, dann musste sich die Männerwelt warm anziehen. Doch anstatt bestätigend zu nicken, färbten sich ihre Wangen tiefrot. Sie glühten wie im Fieber.

„Wenn ich damit einverstanden bin, Befehle zu bekommen, dann hat er nichts zu befürchten. Manchmal kann es sehr erleichternd und lustvoll sein, sich ganz und gar der Kontrolle eines Mannes zu überlassen.“

„Das verstehe ich jetzt nicht.“ Irritiert runzelte Elisa die Stirn und versuchte, aus dieser komischen Bemerkung schlau zu werden. „Ich kenne dich, du gehst hoch wie eine Rakete, wenn man dir sagt, was du tun oder lassen sollst. Was soll daran denn lustvoll sein?“

Davina räusperte sich angelegentlich und machte den Eindruck, als würde sie ihre Äußerung von eben bedauern. Als hätte sie unabsichtlich zu viel von sich preisgegeben und wüsste nun nicht, wie sie sich aus der Affäre ziehen sollte.

„Vergiss einfach, was ich gesagt habe. Du würdest das ohnehin nicht verstehen, und ich will dich nicht noch mehr verunsichern, indem ich dich in meine intimsten Geheimnisse einweihe.“

Nun wurde Elisa hellhörig. Interessiert beugte sie sich nach vorn und schenkte ihr einen beschwörenden Blick. „Sprechen wir gerade über Sex?“

Davina, die gerade einen Schluck Wein trank, verschluckte sich und hustete sich die Seele aus dem Leib, ehe sie atemlos nach Luft rang und sie böse anstarrte. „Kannst du nicht warten, bis ich das Glas abgestellt habe, ehe du mich so was fragst?“ Ihr kurzfristig aufflammender Zorn legte sich allerdings schnell und sie grinste verschlagen. „Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Ja, ich spreche über Sex.“

Elisa fühlte einen Hauch von Aufregung in sich aufsteigen. In St. Vincenze hatte sie hin und wieder versucht, ihre Mutter über die Liebe zwischen Mann und Frau auszufragen, kurz nachdem sie mit Angelo geschlafen hatte und wissen wollte, warum sie so wenig dabei empfunden hatte. Doch ihre Mutter war beinahe in Ohnmacht gefallen und hatte ihr empfohlen, in die Kirche zu gehen und mindestens zehn Mal den Rosenkranz rauf und runter zu beten, um sich von ihren unzüchtigen Gedanken abzulenken. Keine sehr ergiebige Konversation.

„Erzähl mir mehr davon“, bat sie, begierig nach Informationen lechzend.

Davina zögerte ein wenig. „Ich weiß nicht, ob ich dir wirklich davon erzählen soll. Du wirst schockiert sein, aber ich schwöre dir, es ist nichts Schlimmes, sondern einfach nur anders.“

„Ich bin deine Freundin, Davina, ich würde dich niemals für etwas verurteilen.“

„Also gut, aber bevor ich dich einweihe, muss ich dir ein paar Fragen stellen. Hattest du schon Sex?“

Sengende Hitze stieg Elisa ins Gesicht, als hätte sie in eine Chilischote gebissen. „Was denkst du denn? Ich bin doch nicht die Jungfrau Maria. Natürlich hatte ich schon Sex.“

„Mit wie vielen Männern?“

„Was ist denn das jetzt für eine Frage?“

Davina schmunzelte. „Ach, ich bin einfach nur neugierig. Verrat es mir, sonst wechseln wir sofort das Thema.“

So eine Erpresserin! Elisa starrte sie düster an und gab nach. „Ich hatte bis jetzt nur einen Mann. Angelo, den Sohn des Metzgers.“

Lachend lehnte sich Davina auf ihrem Stuhl zurück, ein freches Funkeln in den Augen. „Na, der kennt sich wenigstens mit Fleisch aus“, sagte sie derb und grinste noch breiter. „Und? War er denn gut? Hat er dich ordentlich kommen lassen?“

Die Richtung, in die sich diese Unterhaltung bewegte, wurde Elisa ein klein wenig unangenehm, allerdings spürte sie auch eine gewisse Erregung, weil sie sich endlich mit jemandem austauschen konnte. Davina besaß jede Menge Erfahrung.

„Um ehrlich zu sein, war es nicht besonders toll. Angelo war lieb und sehr zärtlich, aber … ich weiß auch nicht, es hat mich einfach nicht richtig umgehauen. Irgendwas hat mir gefehlt, aber ich könnte dir nicht sagen, was es ist.“

In Davinas Miene zeichneten sich Verständnis und eine Spur Mitleid ab. „Das ist nicht ungewöhnlich. Meine ersten Liebhaber konnten mir auch keinen Orgasmus verschaffen. Bis ich herausgefunden habe, dass ich etwas anderes brauchte als das, was sie mir geben konnten.“

Elisa neigte den Kopf. „Hat das was mit diesen Befehlen zu tun?“

Ein mildes Lächeln, ein beifälliges Nicken. „Ja, das könnte man so sagen.“

„Wirst du mir davon erzählen?“

Davina wirkte einen Moment etwas unschlüssig, dann seufzte sie und sah Elisa direkt in die Augen. „Warum eigentlich nicht. Lieber, du erfährst es von mir, als irgendwann von jemand anderem.“

„Jetzt machst du mir aber Angst“, wandte Elisa ein.

„Die brauchst du nicht zu haben, aber ein bisschen Verständnis und Toleranz wären gut.“

„Davina, jetzt sag einfach, was mit dir ist!“

Es folgte eine kaum wahrnehmbare Pause, dann ließ ihre Freundin die Katze aus dem Sack. „Ich bin devot, Elisa. Ich lasse mich von Männern dominieren und finde dabei meine sexuelle Erfüllung. Viele verstehen das nicht.“

Elisa musste an die Romane denken und an ihre eigenen Unterwerfungsfantasien. Gut, das war Unterhaltungsliteratur, aber die Lektüre reichte aus, damit sie sich ungefähr ausmalen konnte, worauf Davina abfuhr. Allerdings konnte sie sich ihre Freundin nicht als devoten Part einer Beziehung vorstellen.

„Du magst es also, wenn man dich dominiert“, sagte sie und grinste kläglich. „Ich fürchte, das sprengt jetzt meine Vorstellungskraft“, erwiderte sie und lächelte Davina entschuldigend an. Deren verständnisvolles Lachen holte die vertraute Leichtigkeit zwischen ihnen zurück.

„Das glaube ich dir gern, aber so ungewöhnlich ist das nicht. Viele starke Frauen genießen es hin und wieder, das Heft aus der Hand zu geben. Außerdem erstreckt sich das nicht auf meinen Alltag. Ich mag es, mich beim Sex unterzuordnen, aber ansonsten lebe ich absolut selbstbestimmt. Nur weil ich darauf stehe, die Kontrolle an meinen Liebhaber abzugeben, spiele ich nicht das Opfer. Ich tue das ganz bewusst und nur unter bestimmten Rahmenbedingungen.“

Elisa fiel es immer noch schwer, Davinas heißblütige Persönlichkeit mit einem devoten Sexualleben in Einklang zu bringen. Sie konnte Davinas Zurückhaltung durchaus verstehen, doch sie selbst störte sich kein bisschen daran. Um ihr zu beweisen, dass sie ihre Freundin nicht verdammte, ergriff sie deren Hand.

„Ich bin froh, dass du mir davon erzählt hast. Ich habe dich deswegen nicht weniger lieb, und wenn es dir guttut, dann ist das auch für mich in Ordnung.“

Vor allem, weil ich selbst heimlich davon träume, mich von einem Mann sexuell überwältigen zu lassen, fügte sie gedanklich hinzu.

Auf Davinas Gesicht zeichnete sich Erleichterung ab. Auch wenn sie sich meistens cool und abgebrüht gab, konnte sie die Fassade nicht immer aufrechterhalten.

„Du hältst mich also nicht für pervers?“, hakte sie nach und entlockte Elisa damit ein gackerndes Lachen.

Das habe ich nicht gesagt“, frotzelte sie und wich dem Sofakissen aus, das ihre Freundin nach ihr warf.

„Du Luder, ich glaube, ich muss dich mal einem heißblütigen Maestro vorstellen, damit er dir für diese Unverschämtheit den Arsch versohlt!“

Ein merkwürdiges Bild flackerte vor Elisas innerem Auge auf. Sie, nackt über den Schenkeln eines Mannes kauernd, dessen Gesicht im Schatten lag. Man konnte nichts von ihm erkennen, selbst seine Hände wurden von schwarzen Lederhandschuhen verhüllt. Eine davon strich über die zarte Haut ihres Rückens, fuhr abwärts und liebkoste die Rundungen ihres Pos, glitt dann tiefer und schlüpfte zwischen ihre Schenkel. Diese Szene erschien ihr so real, so unwahrscheinlich erregend, dass ein sehnsüchtiges Pochen zwischen ihren Schenkeln einsetzte. Köstliche Wellen der Vorfreude wechselten sich ab mit dem klopfenden Pulsieren in ihrem Geschlecht. Die Nässe, die aus ihr sickerte, beschämte sie so sehr, dass sie den Blick abwandte.

„Elisa, was ist los? Du siehst aus, als hättest du Fieber.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nur müde und der Wein steigt mir zu Kopf. Ich bin es nicht gewohnt, mehr als ein Glas davon zu trinken. Außerdem ist mir unser Thema ein bisschen peinlich, wenn ich ehrlich bin.“

Das war noch nicht einmal gelogen.

„Geh doch duschen und dann legst du dich hin. Immerhin hast du eine anstrengende Fahrt hinter dir“, meinte sie. „Aber bevor wir ins Bett gehen, wüsste ich gerne, wann genau du den Termin in der Galerie hast?“

Elisa nahm den Themawechsel erleichtert auf. „Erst gegen Abend. Silvana hat mit Signor Testi ausgemacht, dass ich gegen zwanzig Uhr dort eintreffen soll.“

Bei der Erwähnung des Namens verlor Davinas Gesicht alle Farbe. Bleich wie eine Wand stellte sie ihr Weinglas ab, welches sie gerade erst an die Lippen geführt hatte. Sie blinzelte hektisch. „Sprichst du etwa von Fabrizio Testi, dem Inhaber der Galeria di Bellezza?“

Der komische Unterton blieb Elisa nicht verborgen und sie runzelte die Stirn. „Wenn es nicht mehrere von ihm in Florenz gibt, dann wird er das wohl sein. Wieso? Kennst du ihn?“

Sofort schüttelte ihre Freundin hektisch den Kopf. „Nein, nein“, wiegelte sie sofort ab. „Also, nicht direkt jedenfalls. Ich habe nur schon viel von ihm gehört, das ist alles.“

Das kaufte sie ihr nicht ab. Elisa kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Soso, und was erzählt man sich so über ihn?“

Das Thema schien Davina mehr als unangenehm zu sein. Sie rang mit den Händen und rutschte unruhig hin und her. Elisa beobachtete ihre Freundin derweil ganz genau und war sich ganz sicher: Sie wusste mehr über Fabrizio Testi, als sie zugab, dennoch hatte sie keineswegs die Absicht, dieses Wissen mit ihr zu teilen.

„Davina, was erzählt man sich über ihn?“, wiederholte sie drängend, da ihre Freundin weiterhin schwieg.

„Ach, nichts Besonderes.“

„Wieso bist du dann vorhin so blass geworden, als ich seinen Namen erwähnt habe?“

Mit einem nichtssagenden Lächeln spielte Davina die Sache herunter. „Weil er als Frauenheld gilt. Fabrizio Testi ist kein unbeschriebenes Blatt und lässt nichts anbrennen, wenn es um die holde Weiblichkeit geht. Ich finde wirklich, du solltest nicht für ihn arbeiten.“

Dio mio, und das von einem Freigeist wie Davina!

„Also hör mal, was redest du denn da für einen Unsinn? Natürlich werde ich die Stelle annehmen. Abgesehen davon, werde ich ihn sicher kaum zu Gesicht bekommen. Tante Silvana meinte, er sei ständig unterwegs. Sie würde mich niemals bei ihm arbeiten lassen, wenn sie irgendwelche Zweifel an seinem Charakter hätte. Außerdem bin ich ein unbedeutendes Landei, er wird mich gar nicht wahrnehmen.“

„Wenn du dich da mal nicht täuschst. Ich glaube, du unterschätzt deine Anziehungskraft auf Männer ganz gewaltig.“

„Wie meinst du das?“

„Na ja, sieh dich doch an, Elisa. Du bist wunderschön, kein Mann bleibt davon unberührt. Pass einfach auf dich auf und versuch, ihm zu widerstehen, sollte er Interesse an dir zeigen. Er ist kein Mann für ein Mädchen wie dich.“

„Keine Sorge, ich weiß schon, was ich tue, und ich bin auch nicht so leicht zu beeindrucken, wie du denkst.“

„Du kennst ihn nicht!“, warf ihre Freundin ein und schien beinahe Mitleid mit ihr zu haben. „Fabrizio Testi ist ein absoluter Traum. Düster, unwiderstehlich und so was von sexy, dass selbst mir sofort das Höschen feucht wird, wenn ich nur an ihn denke. Alle Frauen in Florenz sind verrückt nach ihm und jede einzelne würde sich liebend gern von ihm verführen lassen.“

„Hast du nicht gesagt, du kennst ihn nicht?“

Davina wand sich unter ihren bohrenden Fragen. „Tue ich auch nicht“, behauptete sie. „Jedenfalls nicht persönlich“, räumte sie dann ein. „Aber ich habe ihn schon mal gesehen. Während einer Ausstellung war er als Gastredner eingeladen, und ich konnte live miterleben, was er bei den Frauen anrichtet, wenn er sie nur anblinzelt. Glaub mir, dieser Mann ist die pure Sünde.“

Elisas Mundwinkel kräuselten sich amüsiert. „Dann bin ich ja froh, dass ich keine sexuellen Ambitionen habe. Ich verstehe gar nicht, warum sich immer alles um das Eine drehen muss. Es gibt so viele andere Dinge, mit denen man sich beschäftigen kann.“

Davina kräuselte spöttisch den Mund. „Du bist so ein Unschuldslamm.“

„Und bis jetzt ganz gut damit gefahren“, konterte Elisa und hob stolz den Kopf. „Sex ist nicht alles im Leben.“

Grinsend schüttelte Davina den hübschen Kopf. „Das kann nur jemand behaupten, der bis jetzt keinen guten Sex hatte. Er ist die Essenz des Lebens, und wenn du einmal den perfekten Liebhaber zwischen den Schenkeln hattest, wirst du süchtig danach. Warte es nur ab. Der schöne Fabrizio wird auch deinem Höschen einheizen, nur solltest du bei ihm aufpassen, dass du dich nicht verbrennst.“

„Du bist unmöglich“, schimpfte Elisa gutmütig, die keine Sekunde lang glaubte, dass eine rein sexuelle Beziehung Davina auf Dauer glücklich machen konnte. Sie neigte den Kopf zu Seite und grinste ihre Freundin verschmitzt an. „Tu, was du nicht lassen kannst“, meinte sie generös. „Aber ich darf doch noch ein braves Mädchen bleiben, oder?“

Für diese Bemerkung erntete sie von Davina ein amüsiertes Grinsen. „Aber sicher doch. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass du das schon bald gar nicht mehr sein willst.“

„Spielst du auf meinen zukünftigen Chef an?“

Davina wurde unvermittelt ernst. „Du solltest meine Warnung ernst nehmen. Du kennst mich. Ich hätte nichts gesagt, wenn ich mir keine Sorgen machen würde. Du bist Männer wie ihn nicht gewohnt und er ist selbst von weitem enorm beeindruckend. Wenn du dich in ihn verliebst, dann wird es kein gutes Ende nehmen.“

Elisa beschlich ein komisches Gefühl. Ob er wirklich so unwiderstehlich auf Frauen wirkte? Selbst ihre geliebte Tante hatte ein paar warnende Sätze über ihn fallen lassen, aber im gleichen Atemzug auch seine absolute Loyalität und Freundschaft gelobt. Ein Mann mit zwei Gesichtern. Ihre Neugier auf ihn nahm zu, sie sehnte dieses erste Treffen förmlich herbei und fürchtete es gleichzeitig. Davina schien zu spüren, was gerade in ihr vorging.

„Elisa, bitte, ich meine es ernst. Versprich mir, dass du unter gar keinen Umständen Gefühle für ihn entwickelst.“

„Du redest so, als wäre das unausweichlich.“

Das Seufzen ihrer Freundin klang mitleidig. „Weil es so ist. Ich kenne dich und er hat nun mal diesen gewissen Ruf. Ich bin gar nicht begeistert darüber, dass du ständig in der Nähe eines solchen Mannes sein wirst, und ich verstehe deine Tante ehrlich gesagt nicht. Vor allem, wenn sie ihn so gut kennt, wie es den Anschein hat.“

So langsam bekam sie es mit der Angst. „Tut er etwas Unrechtes? Willst du das damit sagen?“

„Nein, nein, das nicht, aber du bist ihm einfach nicht gewachsen. Männer wie er sind wie der Wind. Erst umschmeicheln sie dich wie eine sanfte Frühlingsbrise, und dann reißen sie dich mit der Kraft eines wütend tobenden Sturms mit sich, bis nur noch Schutt und Asche übrigbleibt“, erklärte sie etwas melodramatisch. „Ich will einfach nicht, dass du verletzt wirst!“

Alle wollten sie immer beschützen und vergaßen dabei, dass sie kein kleines Kind mehr war. Sie war nach Florenz gekommen, um der Bevormundung zu entkommen, und nun fing auch noch Davina an, sich wie eine Glucke zu verhalten, dabei war sie gerade mal ein paar Stunden hier. Wann würde man ihr endlich zutrauen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen?

„Ich danke dir für diese Informationen, aber ich bin nicht ganz so naiv, wie ich vielleicht aussehe, und ich kann auf mich aufpassen.“

Ziemlich zerknirscht biss sich Davina auf die Lippen. „Ich benehme mich wahrscheinlich nicht besser als deine Eltern, oder?“

Elisa zog es vor, das nicht zu kommentieren, sondern lehnte sich mit einem bedeutsamen Blick nach hinten.

Seufzend gab sich ihre Freundin geschlagen. „Okay, okay, ich sehe es ja ein. Keine guten Ratschläge mehr. Ich verspreche es.“

Das belohnte Elisa mit einem strahlenden Lächeln. „Das klingt doch super. Und jetzt werde ich ins Bett gehen. Mir fallen schon fast die Augen zu und der Wein macht mir die Zunge träge.“

Sie wünschten einander eine gute Nacht und Elisa verzog sich in ihr neues Zimmer. Nachdem sie einen Teil ihrer Sachen in den Schränken verstaut hatte und sich nach einer Dusche ins weiche Bett gelegt hatte, musste sie an Davinas Worte denken. Auch wenn sie sich jegliche Einmischung in ihr Leben verbot, so wurde sie doch das Gefühl nicht los, dass dieser Fabrizio Testi eine Herausforderung darstellte, die ein einfaches Mädchen aus der Provinz nie und nimmer bewältigen konnte.

Am nächsten Abend stand sie zur vereinbarten Uhrzeit vor der Galeria di Bellezza. In ihrem Magen rumorte es vor Aufregung und sie wäre am liebsten zurück in Davinas kleine Wohnung geflüchtet. Ihr Selbstbewusstsein war zu einem winzigen, kleinen Knäuel zusammengeschrumpft, und da sie vor lauter Aufregung seit dem Mittag nichts mehr gegessen hatte, war ihr obendrein ein wenig flau zumute.

Die Räumlichkeiten, in denen Signor Testi seine Kunstwerke ausstellte, befanden sich in einer zentral gelegenen Einkaufsstraße von Florenz, auf der Via dei Calzaiuoli, zwischen der Piazza Doumo und der Piazza della Signora. Elisa fühlte sich wie erschlagen von den vielen Boutiquen, die sich hier aneinanderreihten. Alle namhaften Designer und Labels konnte man hier finden. Die elitäre Eleganz des Eingangsbereichs beeindruckte sie sowieso. Die Galerie musste ziemlich illustres Publikum anziehen, wenn sie schon von außen so luxuriös aussah.

Sie trat an die Tür heran und griff nach der Klinke, die goldglänzend das Licht der Abendsonne reflektierte.

„Komm schon, geh rein. Er wartet sicher schon“, versuchte sie sich zu ermutigen und drückte den Griff herunter. Sie betrat einen riesigen Raum, der in klinischem Weiß erstrahlte und durch mehrere Trennwände in einzelne Nischen unterteilt wurde. Langsam trat sie näher und atmete mehrmals tief ein, um ihre Nerven zu beruhigen.

„Hallo? Ist da jemand?“, rief sie und ihre Stimme hallte erschreckend laut durch den Innenraum. Sie erhielt keine Antwort. Merkwürdig. Hatte er sie etwa vergessen? Nein, das konnte nicht sein. Sonst hätte er die Tür nicht offen gelassen. Vorsichtig ging sie ein paar Schritte weiter, blieb stehen und sah sich um.

Ziemlich eingeschüchtert vergrub sie die Fingernägel in ihren Handflächen, während sie sich umsah. Der Ausstellungsraum kam ihr enorm groß vor. Wie viel Miete zahlte er monatlich für eine solche Fläche? Es musste ein Vermögen sein, bei dieser Lage.

Da Signore Testi durch Abwesenheit glänzte, nahm sie sich die Freiheit und betrachtete die Bilder, die hier ausgestellt wurden. Sie mussten alle vom selben Künstler stammen. Jedes Bild trug mit seinen düsteren Farben und den verstörenden Motiven eine unverwechselbare Handschrift. Dunkle Töne, abstrakte Muster, die kriegsähnliche Szenarien wiedergaben und alles andere als leichte Kost darstellten. Vor allem ein Bild fesselte sie. Es zeigte eine Mutter, die ihr totes Kind in den Armen hielt.

Elisa schluckte schwer und konnte nicht mehr hinsehen. Eine so tiefgründige und gleichzeitig abstoßende Ausstellung hätte sie einem reichen Galeristen gar nicht zugetraut, und sie fühlte sich angesichts dieser verstörenden Motive wie ein naives Ding, das keine Ahnung vom wahren Leben hatte. Als hätte sie ihr bisheriges Dasein im Dornröschenschlaf verbracht und nicht mitbekommen, was für Gräuel tagtäglich auf dieser Welt passierten.

Betroffen wandte sie den Blick ab. Die Augen ganz fest zusammengepresst, atmete sie tief ein und aus.

„Ich habe schon oft erlebt, dass manche Kunstwerke einem Menschen den Atem rauben können, aber Sie sehen aus, als würden Sie jeden Augenblick in Ohnmacht fallen. Kann ich Ihnen vielleicht ein Glas Wasser anbieten?“

Diese Stimme glich einem dunklen, erotischen Flüstern. Sie zwang sich dazu, die Augen zu öffnen, und da sie den Kopf immer noch gesenkt hielt, starrte sie auf die polierten Schuhspitzen von schwarzen – offensichtlich handgenähten – Ledermokassins. Langsam glitt ihr Blick aufwärts, an dunklen Hosenbeinen entlang. Der Bund wurde von einem schwarzen Gürtel gehalten, die Schnalle war silbern. Der Mann hatte einen flachen Bauch, schmale Hüften, doch sein Brustkorb war unverkennbar muskulös. Breite Schultern, ein starker Hals, ein energisches Kinn … endlich wagte sie es, den Blick höher gleiten zu lassen, und glaubte, direkt in blankes Eis zu schauen, als sich ihre Blicke trafen.

Diese Augen … Dio mio … Sie leuchteten gletscherblau und hoben sich vom Rest seines kantigen Gesichts ab. Der Anblick seiner scharf geschnittenen Lippen und der hohen Wangenknochen, die ihm eine gewisse Arroganz verliehen, brachten sie zusätzlich aus der Fassung. Faszinierend. Sexy. Absolut zum Niederknien. Wenn es sich bei diesem Mann um Fabrizio Testi handelte, wovon sie ausging, dann würde sie erst mal lernen müssen, bei seinem Anblick nicht jedes Mal in Ohnmacht zu fallen. Auf jeden Fall wurde ihr mit einem Mal furchtbar schwindelig. Sie schnappte nach Luft und schwankte. Dio mio, sie würde umfallen wie ein Sack Mehl und sich fürchterlich vor ihm blamieren.

Er packte sie mit festem Griff um die Oberarme, bevor sie auf den harten Marmorboden stürzen konnte.

„Aber hallo, junge Dame. Tief durchatmen …“

Er zog sie an sich, um ihr den nötigen Halt zu geben. Instinktiv krallte sie die Finger in die Aufschläge seines Hemdes, ihre Stirn lag an seinem Brustbein, als sie versuchte, ihre Benommenheit wegzuatmen. Viel höher kam sie nicht, denn er überragte sie bestimmt um anderthalb Köpfe, trotz ihrer hochhackigen Sandaletten aus weißem Leder. Sie hatte ihre heiß geliebten Turnschuhe nur widerwillig gegen diese schicken Schuhe eingetauscht, um in ihrem hübschen blauen Sommerkleid erwachsener und weiblicher zu wirken. Oder wäre ein Hosenanzug passender gewesen? Dass sie sich ausgerechnet jetzt um ihre optische Erscheinung sorgte, bewies nur, wie durcheinander sie war.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739483542
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Februar)
Schlagworte
Liebesroman Verführung Liebe Unschuld Master Dark Romance Erotik Erotischer Liebesroman

Autor

  • Pia Conti (Autor:in)

Pia Conti ist das Pseudonym einer deutschsprachigen Autorin. Sie liebt ihre Familie, gutes Essen und die Sonne. Bücher begleiten sie schon seit frühester Kindheit und mit der Veröffentlichung ihres eigenen Romans geht ein Traum in Erfüllung.
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Titel: Elisa - Verführe mich, Master