Lade Inhalt...

Wertlos

von Anna Perenna (Autor:in)
172 Seiten

Zusammenfassung

Eine Kindheit sollte mit Abenteuern, glücklichen Momenten und viel Liebe bestückt sein, doch bei Anna Perenna sieht das ganz anders aus! Schläge, emotionale Grausamkeit und das ständige Gefühl wertlos zu sein, treiben Anna weit über ihre Grenzen hinaus. Aber wie schafft ein Kind es, aus diesem Teufelskreis herauszukommen? Wem kann sie noch vertrauen und vor allem, wie soll sie diese Zeit unbeschadet überstehen?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

 

 

Anna Perenna

 

 

 

Wertlos

 

 

 

 

 

 

Prolog

 

„Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, acht, ...“

„Nach sechs kommt was?“, herrschte mich eine Stimme von hinten an. Stillschweigend saß ich da.

„Noch einmal von vorne!“

„Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs … (konzentriere dich!) sieben, acht, ähm zehn.“

„Was kannst du überhaupt? Du kannst nichts und du bist nichts! Los noch einmal von vorne!“

 

Verängstigt saß ich auf meinem kleinen Plastikstuhl, Tränen stiegen mir in meine kleinen Augen. Du kannst das, zeig es ihm, sagte ich zu mir im Stillen. Wieder fing ich an zu zählen, doch auch beim dritten Mal versagte ich. Er schrie mich an, seine Geduld war am Ende. Starr blickte ich auf den großen Tisch vor mir und hoffte. Hoffte auf Normalität. Doch das war sie schon. Unsere Normalität. Seine Stimme verschwamm in meinem Kopf, er packte mich an meinem zarten sieben Jahre alten Handgelenk und zerrte mich vom Stuhl. Seine Schreie, sein Blick. So oft schon gesehen, so oft doch erlebt und immer wieder so fremd. Nun stand er vor mir groß, stark und laut als stünde der Teufel höchstpersönlich vor mir. Mein Herz schlug immer schneller, so intensiv, bis ich jeden Herzschlag in meinem Halse spürte. Wilder und impulsiver, ich spürte den Schwindel und dann seine Faust.

 

„Papi bitte nicht, du tust mir weh, bitte hör auf!“, schrie ich flehend und bitterlich weinend, doch es brachte nichts.

 

All das Weinen, Bitten und Flehen lösten sich mit jedem seiner Hiebe in Schall und Rauch auf. Das Hoffen auf Hilfe, meine stillen Gebete gen Himmel, nichts dergleichen wurde erhört. Gefühlt blieb die Zeit stehen, ich konnte nur noch Weinen und den Schmerz spüren. Ich hatte das Gefühl in der Höhle eines Löwen gefangen zu sein, der ich nicht mehr entkommen konnte. Zitternd kauerte ich in unserem, für mich so großen Wohnzimmer, in der Ecke zwischen zwei Sofas. Es ist vorbei. Endlich. Vorerst. Meine Beine umfasst von meinen klammernden Armen, den Kopf abgestützt auf den Knien. Der kleine zerbrechliche Körper verziert mit Flecken in allen Farben des Regenbogens. Und die Zeit verging, viel zu langsam. Gefühlte Stunden verharrte ich dort in meiner Ecke, die mir in jenem Moment mein Schutz war, solange bis meine Mutter kam und mich weinend fand.

 

Es ist ein Tag wie jeder andere, mal besser, mal schlechter, aber ich lebe. Und in dieser aussichtslosen Welt voll Hoffnung auf Erlösung stecke ich fest. Ich, Emilia und das ist meine Geschichte.

Kapitel 1

 

Was an diesem Tag noch geschah, daran kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Ich weiß nur noch, dass meine Mutter mich fand; ab da spalten sich meine Geister. Jetzt liege ich in meinem großen Zimmer, der Fernseher läuft. Er ist klein, aber das bin ich ja auch. Auf meinem Bett liegend, die Füße in die Luft gestreckt, zappe ich mich durch die Programme und kann sonst nichts mit mir anfangen. Nichts für Kinder, das auch nicht, ah die Schlümpfe, nein, möchte ich auch nicht sehen. Ich drehe mich auf den Rücken, stemme meine Beine gegen die Dachschräge und lasse meinen Kopf vom Bett baumeln. Aus der Perspektive sieht alles anders aus. Oftmals interessanter, wenn alles auf dem Kopf steht. Ich sehe mich in meinem Zimmer um, den Fernseher nehme ich nicht mehr wahr. Den Raum durchflutet helles Tageslicht. Nun, zumindest ist es draußen schön und die Sonne scheint. Nicht so wie hier, in diesem Haus, in meinem Innersten.

 

Wir haben zwei Stockwerke. Im Erdgeschoss unsere Küche, Wohnzimmer, Gäste-WC. Vom großen Flur führt eine Treppe nach oben in den ersten Stock. Die Stufen mit Teppich ausgelegt, eher schmal aber im Bogen nach oben ragend. Die Treppen faszinieren mich. Es ist nichts Besonderes; eben nur zum Besteigen, aber für mich waren sie besonders. Keine Ahnung wieso, ich glaube aber, weil sie den Wendeltreppen eines Leuchtturms ähneln. Im ersten Stockwerk sind zwei Zimmer. Das Elternschlafzimmer und das Badezimmer. Im Zweiten befinden sich noch zwei Zimmer und mit ihnen die Letzten dieses Hauses. Das Kinderzimmer meines Bruders und dann war da noch meines. Mittlerweile ist mein Bruder schon zwei Jahre alt, oftmals hasse ich ihn, weil er mich nervt, aber dennoch liebe ich ihn. Wenn ich oft so da liege durchdringen mich tausend Gedanken und ich weiß nicht, wie ich sie ordnen soll oder kann. Jedes Mal, wenn ich aus meinem Fenster schaue, das direkt an der Dachschräge liegt mit dem Blick gen Himmel, habe ich das Gefühl den Sternen ganz nah zu sein. Ich erinnere mich, meine Gedanken machen es wahr. So sehe ich mich wieder und fühle mich zurück in mein Erlebtes. Alles so dunkel; ich fühle mich so schwer, so allein, einsam. Mein Herz blutete und ich wusste nicht, wie ich das alles noch überstehen sollte.

 

Mein Vater kam nach Hause und schon ging es los. Mal lag hier etwas herum, mal da; nichts Besonderes und schon gar nicht gravierend, aber ihm gefiel das nicht. So fing er an, wie so oft, durchzudrehen, packte meine Mutter am Arm und maulte sie an, warum sie nicht aufgeräumt hat. Mein Herzschlag verdreifachte sich; wie so oft. Er schlug, als wäre alles zu spät. Das mit an zu sehen, machte mir Angst. Angst um den Frieden, den wir bis zu dem Augenblick hatten, bevor er wieder nach Hause kam, um meine Mutter und zuletzt auch um mich. Mein Bruder war ja nicht da, er lag schon in seinem Bett und schlief. Der Glückliche bekam nie etwas von alledem mit. Papas Liebling. Kaum zu glauben bei der Lautstärke, mit der mein Vater verbal ausrastete, jedes Mal. Und nicht nur das. Meine Mutter erklärte ihm ihren Gehorsam.

 

„Es tut mir leid. Ich habe es heute nicht mehr geschafft, alles zu erledigen.“ „Warum zum Teufel? Hattest du etwas Besseres zu tun? Was ist so viel besser, als dass du es nicht für nötig hältst, hier Ordnung zu halten?“, schrie er sie an.

Kleinlaut und mit hochgezogenen Schultern antwortete meine Mutter:

„Ich, ich hatte doch heute den Termin in der Schule, habe danach den Haushalt erledigt und noch einige Termine, die anstanden.“

 

Während das Schauspiel lief, versuchte ich mich aus der Küche zu schleichen und versteckte mich im Wohnzimmer auf dem Sofa. Gewohnte Grundhaltung, Füße auf die Couch und meine Beine mit meinen Armen umschlungen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, so besser geschützt zu sein. Allerdings brachte auch diese Position rein überhaupt nichts. Nun wurde es immer lauter und lauter. Die Küche ist mit dem Wohnzimmer verbunden. Also ein Raum quasi, nur dass man durch einen schönen Bogen gehen musste, um hier zu stehen, wo ich sitze. Ich hielt meine Ohren und Augen fest zusammengepresst geschlossen und hoffte, dass aller Lärm, aller Unmut auf der Stelle verschwanden. Und trotzdem hörte ich diesen Knall. Vater hatte sie geohrfeigt.

 

„Oh bitte lieber Gott, hilf mir, dass das alles ein Ende hat. Bitte, bitte, bitte!“

Tränen sammelten sich in meinen Augen und liefen die Wangen hinunter. Ich wollte sie noch aufhalten, aber es war so schwer. Fühlte mich so leer. Nun kamen Schritte auf mich zu. Schwer und stampfend, sie hatten Aggressionspotenzial. Das kannte ich mittlerweile schon viel zu gut. Noch immer saß ich da und wartete und hoffte. Bitte nicht ich. Bitte nicht. Da spürte ich einen packenden Griff an meinem Fußgelenk, er zerrte meine Beine in Richtung Boden, sah mich von oben herab an. Ich sah ihn kurz an und sofort wieder weg.

 

„Wolltest du nicht deiner Mama helfen, Fräulein?“, fuhr er mich an.

Ich schwieg, denn egal was ich sagte, es wäre gerade eh alles falsch und ja ich hätte ihr helfen sollen, aber warum? Darf ich nicht Kind sein? Nicht spielen? Warum muss ich jetzt schon so „erwachsen“ sein? Ich will das nicht. Ich will nicht erwachsen sein und will schon gar nicht wie meine Eltern sein. So forderte er mich noch einmal auf zu antworten.

 

„Ich wollte spielen und hätte ihr ganz sicher noch geholfen aufzuräumen. Ganz sicher“, sagte ich ihm mit zitternder Stimme.

„Wie oft habe ich dir gesagt, dass, wenn du gespielt hast und fertig bist, es sofort wieder zusammen räumen sollst? Wie oft? Wann fruchtet das endlich bei dir?“ Und während er mich so anfuhr, öffnete er den dunkelbraunen Gürtel an seiner Hose, deren Farbe hellblau war, ja ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Er trug weite Jeans, wie es in den 90ern üblich war. Mit einem Ruck hatte er den Gürtel durch seine Schlaufen gezogen und prügelte nun auf mich ein. Es tat weh. So unglaublich weh, und während ich mich krümmte, weinte, schrie, hoffte und wartete, verschwand der Schmerz allmählich trotz weiterer Schläge. Ich fühlte nichts mehr. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er von mir ab und schickte mich auf mein Zimmer.

„Dich will ich heute nicht mehr sehen, verschwinde aus meinen Augen, dein Abendessen wird für heute gestrichen, dass dir das klar ist!“

 

Mit langsamen und schmerzhaften Bewegungen ging ich zurück in mein Zimmer, am Bett, an den Schränken vorbei, sah empor zu meinem Fenster an der Dachschräge und setzte mich darunter auf den Teppich, der dort lag, auf die Knie, faltete meine Hände und fing an zu beten und zu fluchen. „Bitte lieber Gott, warum hilfst du mir denn nie? Wo bist du denn, wenn es dich gibt? Ich kann nicht mehr und ich will nicht mehr leben.“

 

So verharrte ich über Stunden im Dunkeln an dieser einen Stelle, und als ich damit fertig war, waren da nur noch ich, die Dunkelheit und die Sterne, die durch mein Fenster schienen. Oh, wenn ich daran zurückdenke, dann war das der Zeitpunkt, an dem ich bereits anfing, nicht mehr an Gott zu glauben. Alles, was mir noch halt geben konnte, war ich selbst. Stark zu bleiben und das durch zu stehen. Sei eine gute Tochter und du wirst glücklicher leben. Auch das brachte leider nichts, denn egal was und wie ich es machte, es war nie richtig oder nur ganz selten. Manchmal war sogar etwas richtig und in anderen Momenten war das, was vorher noch richtig war, doch wieder falsch. Was also, fragte ich mich, ist denn nun richtig? Und was ist falsch?

 

Heute bin ich anderer Meinung als zu der Zeit, ich hatte jeden Augenblick das Gefühl, dass alles falsch sei, egal was ich tat oder sagte, aber dazu brauchte es weitaus sehr viele Jahre, um zu reifen. Ich denke, es gibt kein richtig und kein falsch. Bleibe dir selbst einfach treu. Wieder aus der Situation erwacht, legte ich mich in mein Bett und versuchte einzuschlafen.

Am nächsten Morgen wachte ich auf, stand ich vor meinem Schrank und holte ein paar Blätter sowie Buntstifte. Ich entdeckte damals schon meine große Leidenschaft für das Malen und Zeichnen. Natürlich konnte ich mich an den Schreibtisch setzen, aber warum dort, wenn es auf dem Teppich doch so viel schöner war. Also legte ich mich auf den Bauch, die Beine in die Höhe und fing an zu malen. Meine Mutter kam und holte mich zum Essen, Papa war wieder unterwegs. Wie froh ich doch war. Das hatte schon Vorteile, wenn er selbst Lastkraftwagen fuhr, da war er sogar mal ein paar Tage nicht da. Wir aßen zusammen mit meinem Bruder, der in seinem Hochstuhl saß und nicht ruhig sitzen wollte. Er stand auf, Mutter setzte ihn wieder hin, er stand wieder auf. Spuckte sein Essen über den Tisch. Igitt, wie soll mir da noch die Mahlzeit schmecken, dachte ich bei mir und verdrehte die Augen. Zu meinem Bruder gebeugt flüsterte ich ihm ins Ohr.

 

„He Luca, wenn du jetzt ganz lieb bist, still sitzen bleibst und dein Essen vernünftig isst, spiele ich mit dir nachher etwas ganz Lustiges. Aber, dazu musst du jetzt still bleiben.“

Da sah er mich mit großen Augen an, nickte und für einen Augenblick genoss ich die Ruhe. Ich sah zu, wie sich meine Mama das Essen in den Mund stopfte, Gabel für Gabel überhäuft mit Nudeln in Bolognese-Soße getränkt. Das Geräusch beim Kauen, das Geschmatze meines Bruders und so wünschte ich mir wieder seine Unruhe herbei.

 

„Heute am späten Nachmittag kommt Cecilia mit ihren Söhnen vorbei“, erwähnte meine Mutter mit einem auf mir ruhenden Blick. Mit einem Nicken antwortete ich ihr.

„Okay.“ Auch das noch, ich hatte keine Lust sie zu sehen, die Jungs waren komische Typen, aber ich konnte es mir ja nicht aussuchen. Fertig mit dem Essen, warteten wir, bis der Tisch abgeräumt war, und ich half meiner Mutter beim Abwasch. Luca rannte durch den Bogen in das Wohnzimmer und brummte wie ein Auto.

„Brumm, brumm, brumm.“

Rannte mit Schwung um die Kurve und krachte auf seinen mit Pampers verbundenen Hintern. Lachend ging ich zu ihm, nahm ihn an die Hand. Er sah mich an.

„Wir jetzt bilen?“

„Ja, das habe ich dir versprochen“, sagte ich und tätschelte seinen Kopf. In Windeseile rannten wir die Treppen nach oben in sein Zimmer.

„Macht langsam Kinder, sonst stürzt noch jemand die Treppen hinunter!“, rief Mutter uns hinterher.

„Los, wir schnappen uns deine kleine Matratze und legen sie auf meine große Bettdecke. Bin gleich wieder da.“

 

Schnell holte ich meine Decke vom Bett aus meinem Zimmer, breitete sie auf dem Fußboden aus, legte zusammen mit meinem Bruder die kleine Matratze darauf und zogen sie mit aller Kraft hinaus in den Flur. Vor den Treppen hielten wir an.

„Los, setz dich drauf. Ich zieh dich die Treppen runter, aber du musst dich gut festhalten!“, forderte ich ihn auf.

Mittig platziert saß er nun auf seiner Matratze. Den hinteren Teil meiner Decke drückte ich ihm in den Rücken, damit er nicht rückwärts herunterfiel und sich gar noch den Kopf aufschlug. Drückte mich der Wand entlang vorbei und stellte mich auf die erste Stufe von ganz oben, packte die vorderen Enden der Decke und fing an ihn zu ziehen. Eins, zwei, drei, vier, fünf ... ziemlich anstrengend, aber er hatte Freude. Bei jeder Stufe rüttelte es ihn durch und er wackelte und lachte mit Schnuller im Mund und seine weißblonden Locken wippten hin und her. Im ersten Stockwerk angekommen, schlug ich ihm vor:

„Komm, wir machen das anders, dann wird das viel lustiger.“

Ich trug die Sachen geschwind nach oben, Luca stapfte Stufe für Stufe hinterher, wie es ein Zweijähriger eben konnte. Die Matratze lud ich im Zimmer ab und die Decke vor die Treppe. Er setzte sich wieder und diesmal war es leichter, zu ziehen. So zog ich ihn nochmals hinunter und es rüttelte ihn umso mehr. Sein Lachen wurde so enorm, dass er seinen Schnuller aus dem Mund verlor und ihm Tränen in die Augen stiegen. Zum Glück hatte er Pampers an, sonst hätte es ihm vermutlich nicht so sehr gefallen. Das Ganze haben wir ein paar Mal gemacht, bis es an der Tür klingelte.

 

„Schnell komm Luca, wir tragen die Sachen hoch und verstecken uns in deinem Geheimversteck im Zimmer.“

Außer Atem kamen wir oben an, ich etwas eher als er, so packte ich die Decke und schmiss sie auf mein Bett, lief zurück, um meinen Bruder an die Hand zu nehmen, und dann verschwanden wir gemeinsam in seinem Zimmer.

Rechts stand sein Kleiderschrank, links waren zwei Fenster, darunter stand das Bett. Wenn man zur Tür hereinkam, konnte man nur nach rechts gehen. Es war kleiner und enger als mein Zimmer, hatte aber einen Geheimraum; dazu musste man noch einmal rechts herum gehen, direkt unter die Dachschräge. Stehen konnte ich dort nicht, aber das machte nichts, so war es viel mysteriöser. Wir krabbelten nach ganz hinten, stapelten vor uns alle Kissen und Kuscheltiere und versteckten uns, solange es ging. Mama rief schon zum dritten Mal, nun sollten wir besser nach unten gehen, um mir nicht doch noch Ärger einzuhandeln. Luca nahm mich an der Hand und versuchte im gleichen Tempo mit mir zu kommen. Seine kleinen Beine streckten sich, soweit es ging auseinander, dass es aussah, als wolle er einen Spagat üben.

„Wir kommen schon!“, rief ich nach unten und tauchten auch kurz darauf im Wohnzimmer auf.

Da saßen sie, wie die Hühner auf einer Stange auf dem Sofa, und warteten darauf, dass wir kamen. Beide Jungs, der eine größer der andere kleiner, saßen da und langweilten sich. Wir begrüßten zuerst Cecilia und anschließend Richie und Joseph. Wir drei Großen mussten nach oben gehen, damit sich unsere Eltern mal wieder in Ruhe unterhalten konnten. Ehrlich gesagt wollte ich auch überhaupt nicht wissen, um was es da bei ihren Gesprächen ging. Also liefen wir nach oben und Luca blieb unten, spielte wieder brumm, brumm, brumm und fuhr seine kleinen Autos gegen den Schrank.

 

In meinem Zimmer sprachen wir darüber, mit was wir uns die Zeit vertreiben könnten, auch wenn ich so gar keine Lust hatte, mit den beiden etwas zu unternehmen. So fingen wir an, Indianer zu spielen. Ja, ich das kleine Mädchen, mochte solche Spiele gern. Zumal folgende Geschichte für immer in meinem Gedächtnis bleiben sollte, wie ich feststellte.

Mittig im Zimmer stellten wir uns vor, dort sei ein Marterpfahl. Unsichtbar natürlich. Früher war alles noch so voller Fantasie, wenn Kinder spielten. Vor dem Marterpfahl stand ein Eimer, in den wir Bücher luden und so taten, als wäre dies das Feuer der Opfergabe. Joseph meinte wieder alles besser zu wissen, wollte, dass alles nach seiner Pfeife tanzte und Richie, sein kleiner Bruder, hielt natürlich zu ihm. Wie sollte es auch anders sein? Allerdings wusste ich sehr genau mich durchzusetzen, ging aber gelegentlich auch Kompromisse ein. So waren die beiden jene Eindringlinge, welche ich als Indianeroberhaupt für die Opfergabe schnappte und fesselte. Rücken an Rücken stellte ich sie auf.

„Kopf gerade, ihr seid jetzt schon am Marterpfahl gebunden. Weglaufen ist unfair“, sagte ich, ging zum Schrank, kramte aus meinen Schubladen den Gürtel meines flauschigen weißen Bademantels, ging zurück und band die beiden an Händen und ihrem Hals fest zusammen, Rücken an Rücken stehend.

Dass es zu fest war, war mir nicht ganz bewusst, aber ich lachte, als ich sah, dass sie bereits nach ein paar Minuten rot im Gesicht anliefen. Ich ging auf sie zu und versuchte den Dreifachknoten zu lösen, allerdings gelang es mir nicht und somit bekam ich dann doch etwas Panik. Nach unten gehen konnte ich nicht, ich wusste, ich würde riesigen Ärger bekommen. Also versuchte ich weiter mein Glück, als plötzlich die Tür aufsprang und Cecilia schockiert herbeieilte. Eltern sind nicht dumm. Wenn man lange Zeit zu leise war, war und ist, ist es heute immer noch ein Zeichen, dass etwas im Busch ist. Sie konnte nun mit aller Kraft die starken Knoten lösen und die Jungs befreien. Ich musste mir ein Kichern verkneifen und versuchte, ernst zu sein. Verdient hätten sie es ja, dachte ich.

 

Sie stellte uns alle drei der Reihe nach auf und fing an Ohrfeigen auszuteilen. Das war das Schöne. Selbst, wenn nur ich etwas angestellt hatte, bekamen sie gleich noch etwas davon ab. Anders herum war es dann allerdings nicht mehr so schön. Zumindest war es da das letzte Mal, dass ich mit ihnen spielen musste. Als sie gingen, bekam ich noch zusätzlich von meiner Mutter eine schallende Ohrfeige.

„Was fällt dir ein, so eine Dummheit zu machen? Wirst du überhaupt nicht schlauer?“

Zurecht muss ich sagen, denn es war fahrlässig und zugleich eine Dummheit dies zu tun.

Kapitel 2

 

Den Rest des Tages, der ja ohnehin nicht mehr sonderlich viel bot, lungerte ich wieder in meinem Zimmer herum. Schmiss mich auf mein Bett. Fernseher an, aus, an, aus, an, aus, ... so ging das eine ganze Weile, während ich bei jedem Einschalten, einen anderen Sender wählte, irgendwann blieb ich bei einem Musiksender hängen, stellte mich in den Raum mit einem Stift zum Mund geführt und begann zu singen und tanzen. Immer wieder hopste ich vom Stand in den Spagat. Ich liebte es, so beweglich sein zu können, und musste das für mich auch andauernd vorführen. Da war das eine oder andere Kind schon etwas neidisch und das gefiel mir. Immerhin konnte ich ja sonst nichts und war ein Nichts. Etwas außer Atem ging ich ins Badezimmer und wollte mich gerade fertigmachen, um Schlafen gehen zu können. Mein Zahn wackelte gewaltig und tat ziemlich weh. Vor dem Spiegel versuchte ich zu erkennen, welcher Zahn das sein sollte, und versuchte daran zu wackeln und zu ziehen, aber er war anscheinend noch viel zu fest und ich hatte Angst, dass es schmerzt. In dem Moment kam meine Mutter in das Bad und fragte:

„Bist du dann endlich so weit? Du musst morgen früh raus.“

„Ja Mama, mein Zahn tut weh und ich kann ihn nicht ziehen.“

So geriet das Gespräch dann in eine Diskussion.

„Lass den Zahn gut sein und sehe zu, dass du fertig wirst.“

„Aber er tut weh!“

„Das ist mir gerade vollkommen egal, mach dich endlich fertig.“

Als ich bockig vom Spiegel wegtrat und noch etwas erwidern wollte, holte sie einmal kräftig aus, klatschte mir das Handtuch ins Gesicht und der Zahn fiel im hohen Bogen zu Boden. Da hätte ich ihn mir lieber selbst ziehen können, dachte ich weinend auf dem Boden sitzend. Sie ging zur Tür und wollte gehen, da drehte sie sich noch einmal zu mir um.

„Nun hast du ihn raus, mach dich fertig“, fauchte sie mich an und verschwand.

 

Weinend suchte ich nach meinem Zahn, ging zum Waschbecken und fing an, mich fertigzumachen. Schön gereinigt legte ich den Zahn dann unter mein Kopfkissen. Richtete die Decke ordentlich hin, schlüpfte darunter, zog sie bis halb über meinen Kopf und drehte mich zur Seite. Einige Zeit danach kam meine Mutter weinend in mein Zimmer. Ich blickte sie an und sie nahm mich in den Arm, sagte mir, es würde ihr leidtun und sie hätte mich lieb. In dem Moment war es für mich wieder gut. Endlich eine Umarmung. Endlich. So etwas kam viel zu selten vor, meistens musste erst etwas passieren.

 

Am nächsten Tag ging ich wie gewohnt in die Schule und überstand den Tag. Zumindest lenkte es etwas von allem ab. Doch mit jeder schlechten Note, die ich nach Hause brachte, wurde mir schlecht. Ich konnte mir einfach nichts merken. Mein Kopf war viel zu voll, sodass mir einfache Fragen zu schwer erschienen und ich selbst diese nicht richtig verstanden hatte. Gedanken um alles Mögliche.

 

Bereits in diesem Alter zeichnete es mich aus, ein Denker zu sein, eher verschlossen und allein. Natürlich machte ich auch Scherze mit, die kaum einer lustig fand, aber das störte mich nicht, solange ich darüber lachen konnte.

 

Nach einem anstrengenden, langen Tag in der Schule ging ich nach Hause. Im Kopf ging ich schon einmal durch, was mich heute wohl erwarten würde, wenn ich ankam. War mein Vater nun wieder zu Hause, oder traf ich nur meine Mutter an? Ich konnte mir so vieles Ausdenken und Ausmalen, wie ich wollte, im Endeffekt zählte ja nur, was auf mich zukam. Also ging ich den ganzen langen Weg durch unseren Ort. Meistens nahm ich den Weg hinten herum, manchmal auch vorne, aber heute war mir der längere Weg einfach lieber. So schlenderte ich, mit meiner schweren Schultasche auf dem Rücken, den Weg entlang der Donau, machte einen kurzen Stopp am Spielplatz. Noch kurz schaukeln, etwas trinken und schnell mein Pausenbrot entsorgen, damit niemand bemerkt, dass ich nichts gegessen hatte, sonst gäbe es wieder nur Theater und Hunger hatte ich einfach keinen.

 

Allmählich ging ich dann weiter, an der Feuerwehr vorbei, und kam letzten Endes zehn Minuten später zu Hause an. Meine Mutter öffnete mir die Tür und gab mir mit einer Kopf- und Handbewegung zu verstehen, ich solle mich beeilen, durch die Tür zu kommen. So eilte ich in den Flur, stellte leise die Tasche ab, streifte Jacke und Schuhe von meinem Körper und schon hörte ich Schritte von oben nach unten kommen. Ich beeilte mich, meine Sachen an Ort und Stelle zu bringen, und huschte mit meinem Schulranzen durch die Küche ins Wohnzimmer, packte meine Sachen aus und begann auch schon Hausaufgaben zu machen.

 

Papa kam herein und ich begrüßte ihn wie immer. Trotz allem war es doch immer schön, ihn auch mal zu sehen, wenn er gut gelaunt war. So wie im Moment.

„Na, wie war die Schule?“

„Ganz gut, viel zu lernen“, sagte ich ihm.

So fragte er mich aus, was wir gelernt hätten und wo wir gerade wären. Dieses mulmige Gefühl, welches jedes Mal in mir aufkeimte, ist unbeschreiblich. Noch während er gute Laune hatte, sorgte ich mich, dass es sich schlagartig ändern konnte und so war das auch sehr häufig. Ich war sehr erleichtert, dass er es nicht bemerkte, dass ich zu spät nach Hause gekommen war, also spielte ich die liebe Tochter. Die, die man einfach nur gernhaben kann; aber selbst da hatte ich nicht das Gefühl, dass er verstand, dass ich wollte, dass er einfach nur mal liebevoll zu mir war.

 

Nach den Hausaufgaben ging ich in mein Zimmer und wollte mich noch etwas erholen. Meine Eltern hörte ich im Schlafzimmer miteinander sprechen. Nach einer ganzen Weile, während ich mein Puzzle vom Schrank holte und ausbreitete, nahm ich lautstarkes Streiten wahr. Er wurde immer lauter und fing an exzentrischer zu schreien. Von meiner Mutter hörte ich allerdings nichts mehr. Langsam, auf Zehenspitzen, um unbemerkt zu bleiben, schlich ich hinunter in den ersten Stock. Vater knurrte sie mit dunkler Stimme an und nun sah ich sie. Mir stockte der Atem.

Die Schlafzimmertür stand weit geöffnet, vor mir war das riesige Ehebett, welches sie sich teilten. Auf der rechten Seite lag meine Mutter halb in ihrem Bett, Vater beugte sich über sie und drückte ihr ein Kissen ins Gesicht. Sie strampelte und versuchte sich zu wehren, aber er war viel zu stark, um gegen ihn anzukommen. Da er mit dem Rücken in Richtung Tür gedreht stand, ergriff ich voller Panik mit angehaltenem Atem zu meiner Rechten, eine Vase. Rannte auf ihn zu und schrie ihn an.

 

„Lass sofort Mama los! Du tust ihr weh!“

Doch als er nicht von ihr abließ, zog ich ihm mit all meiner Kraft die Vase über den Kopf. Taumelnd trat er zurück und fasste sich mit der Hand an den Kopf. Sein Blick war so hasserfüllt und eisig, als er sich zu mir umdrehte. Ich sprang schnell auf das Bett zu meiner Mutter, sie schnappte nach Luft und setzte sich auf. Papa packte mich nun am Arm und zog mich vom Bett, sodass ich mit dem linken Bein am Bettrand aufschlug. Zuerst gab er mir eine Ohrfeige, dann ging er mir nach, während ich in den Flur rannte und vor der Treppe stehen blieb. Schnell hastete ich nach oben.

 

In meinem Versteck würde er mich nicht finden. Ich versteckte mich, so schnell ich konnte. Nun war er oben und kam zuerst in das Zimmer meines Bruders, der gerade im Kindergarten war. Voll bedeckt mit Kuscheltieren versuchte ich leise atmend, die Hände fest auf meinen Mund gepresst abzuwarten. Er verließ das Zimmer und ging wohl in meines. Langsam schlich ich mich zur Tür und horchte nach, wo genau er sich nun befand. Er stand in meinem Zimmer in der Nähe des Schrankes.

 

„Komm sofort hier her! Sonst erlebst du dein blaues Wunder!“, brüllte er.

Ich ergriff die Chance und rannte die Treppen hinunter ins Badezimmer. Meine Mutter saß immer noch keuchend auf ihrem Bett und hielt sich den Brustkorb. Nach Fassung ringend, stand sie allmählich auf. Ich kam aus dem Bad und wollte geradewegs zu ihr gehen, schon stand mein Vater vor mir und verpasste mir mit der flachen Hand eine Schelle, sodass mein Ohr anfing, zu rauschen und zu pfeifen. Er schüttelte mich durch und schrie mich an, ließ von mir ab, holte aus. Ich schloss die Augen ganz fest. Plötzlich prallte ich an die Wand aber nicht durch einen Schlag, sondern als hätte man mich zur Seite geschubst, hörte daraufhin ein Poltern und sah, wie meine Mutter die Treppen hinabstürzte. Mein Vater, der erzürnt dastand, ging langsam die Treppen hinab, an meiner Mutter vorbei, während er sie mit dem Bein zur Seite schob, um besser an ihr vorbeizukommen, und verschwand im Wohnzimmer.

 

Starr vor Schreck setzte ich langsam einen Fuß vor den anderen. Ich hatte Angst zu sehen, wie meine Mutter nun so da liegen würde, aber ich wusste, ich musste ihr helfen. Vorsichtig und mit wackeligen Knien schlich ich mich zu ihr. Da lag sie, mit dem Kopf nach unten auf einer der Stufen, der Körper quer nach oben gerichtet, ein Bein an der Wand und das andere Bein darunter liegend. Sie fing an zu weinen und schluchzte, versuchte sich abzustützen und richtig hinzusetzen. Ich nahm ihren Arm und half ihr, so gut es ging, sich hinzusetzten. Jede ihrer Bewegungen sah man ihrem schmerzverzerrten Gesicht an. Leise flüsterte ich ihr zu und fragte, ob ich sie nach oben bringen soll. Mit einem Nicken gab sie mir zu verstehen, dass ihr das recht war. Also nahm ich ihre Hand, legte ihren Arm um meine kleinen zierlichen Schultern und begleitete sie zu ihrem Bett. Immer wieder mussten wir kurze Pausen einlegen, da die Schmerzen zu stark waren, um weiter gehen zu können. Gerade das Treppensteigen war eine große Herausforderung. Mutter stand neben dem Bett, gebeugt, da ihre Rippen sehr schmerzten, und stützte sich am Nachtkästchen ab, während ich flink die Bettdecke zurückzog, sodass sie sich schnellstmöglich hineinlegen konnte. Als sie lag, in Embryostellung, deckte ich sie zu.

 

„Soll ich dir noch etwas zu trinken bringen? Oder brauchst du irgendetwas?“

„Nein, schon gut. Ich muss mich nur etwas erholen“, gab sie zurück und schloss schwer atmend ihre Augen.

„Erhole dich etwas Mama, ich bin da, bei dir“, gab ich ihr zu verstehen, setzte mich auf den Fußboden, legte meinen Kopf auf meine Hand, die auf dem Bett lag, sodass ich sie ansehen konnte, und streichelte mit der anderen Hand ihren Kopf.

Es fühlte sich alles so unwirklich an und doch war es real. Nach einer ganzen Weile ihren Kopf streichelnd schlief ich, auf dem Boden kniend, neben ihr ein, und als ich erwachte, war es schon sehr dunkel. Ich blinzelte und sah meine Mutter immer noch da liegend, nicht von der Stelle bewegt und hörte sie nicht mehr atmen. Schnell sprang ich auf, legte meine Hand auf ihren Brustkorb und spürte, wie er sich hob und sank, hob und sank.

„Puh, du atmest“, flüsterte ich.

 

Erleichtert ging ich in das Zimmer nebenan, öffnete aus dem weißen Schränkchen die Tür, zog einen rot leuchtenden Waschlappen heraus und befeuchtete ihn unter dem Wasserhahn am Waschbecken. Mir wurde plötzlich sehr schwindelig und ich musste mich setzen. So glitt ich auf den Boden, unter mir ein flauschiger, runder Wollteppich. Langsam legte ich mich hin, mit meiner Wange auf die kühlen Fliesen. Vor meinen Augen fing es an, zu flimmern und schon war alles schwarz.

 

„Emilia! Emiliiiiaaa! Schau dich um, siehst du, wo du stehst? Siehst du, wer du bist und was du angestellt hast?“

Ich befand mich in einem dunklen Raum, konnte nichts erkennen, alles so dunkel. Nein, ich wusste nicht, wo ich war, was hatte ich wohlgetan? Versuchte zu antworten, doch es ging nicht. Ich stand da und konnte mich nicht bewegen, in einem Sumpf, nein, kein Sumpf, alles so schlammig.

 

„Emilia! Emiliiiiaaa!“, schallte es erneut mit entfernter und sanfter Stimme.

Auf was ich stand, sah ich natürlich ganz genau, aber ..., aber wo? Kein Licht, kein heller Fleck in jener Dunkelheit. Es machte mir große Angst. Plötzlich hatte ich das Gefühl zu fallen. Ich fiel, prallte auf harten Stein und wurde wach. Langsam wurde mir klar, dass ich mittlerweile nicht mehr im Badezimmer lag, sondern in meinem Bett. Knipste die Leselampe an meinem Bett an und wusste, es war nur ein Traum. Einer von sehr vielen, die ich hatte. Die Bettdecke von mir geschoben stand ich auf und lief barfuß nach unten, um zu sehen, ob es meiner Mutter gut ging. Sie lag nicht mehr in ihrem Bett, dafür aber mein Vater, der ohrenbetäubend schnarchte. Auf leisen Sohlen schlich ich mich in das Erdgeschoss und suchte sie. Eine Kerze brannte auf dem Tisch in der Küche, an dem meine Mutter mit vor der Stirn gefalteten Händen saß. Mir war danach, sie in den Arm zu nehmen, eigentlich eher, dass sie mich in ihre Arme nahm, also ging ich auf sie zu. In dem Moment, als ich bei ihr stand, sagte ich leise.

„Mama?“

Sie erschrak so sehr, dass sie mir gleich eine Ohrfeige verpasste. Ihr Blick war so voller Verzweiflung, Wut und doch irgendwie ohne jegliches Mitgefühl. Dass in den Arm nehmen, hatte sich erledigt. Für mich auf jeden Fall. Leise schluchzend lief ich nach oben, sodass ich meinen Vater nicht wecken konnte, warf mich in mein Bett und zog die Decke über den Kopf. Nach einer Weile kam meine Mutter zu mir, setzte sich an den Bettrand, weinte und nahm mich in den Arm.

„Es tut mir leid“, flüsterte sie mir zu und weinte unaufhörlich.

 

Andauernd fragte ich mich in jener Situation, warum und was ihr leidtat? Schließlich hatte ich es ja verdient. Ich hatte sie erschreckt und dafür eine Ohrfeige bekommen. Aber wie geht man am besten auf einen schreckhaften Menschen zu? Ich wusste es nicht. Schon gar nicht als Kind. Irgendwie ist es schwer, sich in Erwachsene hinein zu versetzten, zu verstehen, was in ihren Köpfen vor sich geht. Nur stellt sich dann die Frage, warum können sie sich nicht in uns hineinversetzen, denn schließlich waren sie ja auch einmal Kinder, so wie ich, mein Bruder und alle anderen Kinder. Natürlich sind wir nicht alle gleich, aber das war mir damals nicht bewusst. Wie auch? Als Kind lebt man unbeschwerter und viel leichter. Es sei denn, man hat Dinge erlebt, die alles auf den Kopf stellen. Emotional sowie körperlich.

 

Als meine Mutter den Raum wieder verlassen hatte und ich nun alleine in meinem Bett lag, um einzuschlafen, klappte es natürlich nicht sofort. Die Gedanken und Bilder des Tages zermalmten mein Gehirn, wie Riesen in einem Zwergendorf alles zu Brei. Ich konnte kaum noch richtig denken, denn wenn sich ein Gedanke und ein Bild einschlichen und ausbreiteten, kam sogleich schon der nächste und nächste und nächste. Wie in Dauerschleife, eine hängende Schallplatte mit immer den gleichen Tönen. Irgendwann wurde ich dann von all dem Kopfkarussell müde und schlief ein. Am Morgen weckte mich meine Mutter schon ziemlich früh, denn ich musste wieder zur Schule.

 

„Aufwachen Emilia, es wird allerhöchste Zeit.“

„Nur noch ein paar Minuten Mama“, bettelte ich, um noch ein wenig Schlaf zu bekommen.

Die Nacht war so kurz und ich viel zu müde, so schloss ich meine Augen erneut.

„Nur ganz kurz, damit meine Augen sich entspannten, bevor ich sie öffnete“, dachte ich mir.

Kurze Zeit später kam meine Mutter erneut in mein Zimmer gestürmt und erschreckte mich. Sie zog meine Bettdecke zur Seite und ermahnte mich zeitgleich.

„Emilia, wenn du nicht sofort aufstehst, dann zieh ich dich aus deinem Bett!“

 

Während meine Mutter das Zimmer verließ und ich ihre Schritte nach unten nur noch gedämpft wahrnahm, richtete ich mich in meinem Bett auf, saß im Schneidersitz und rieb mir gähnend meine Augen. Zuerst hob ich das eine, dann das andere Bein aus dem Bett, schlüpfte in meine Pantoffeln und schlurfte langsam in Richtung Badezimmer. Vor dem doppelten Waschbecken entschied ich mich immer wieder für die linke Seite; denn diese war etwas weiter von der Tür entfernt. Für mich war das gut so, denn so konnte ich schneller zur Seite rennen und somit Zeit schinden für den Ernstfall.

Langsam nahm ich meinen Zahnputzbecher, füllte lauwarmes Wasser ein und spülte den ersten ekeligen Schlafgeschmack aus. Meine Zahnbürste ließ ich eine Weile in meinem Becher liegen, damit die Borsten nicht all zu hart waren, und stellte ihn kurz auf die Ablage. Mit meinen Händen fühlte ich das lauwarme Wasser, während ich mir damit mein Gesicht wusch, dachte ich daran, wie unglaublich gut es sich doch anfühlt. Als ich in den Spiegel sah, während ich mir mein Gesicht trocknete, war dieses gute Gefühl jedoch sofort verflogen.

Ich sah im Spiegel das, was mir nicht gefiel. Nein, kein einziges kleines Bisschen davon gefiel mir. Tupfte weiter mit dem Handtuch meine Wangen ab und dachte, wie schön es wäre, anders zu sein, anders auszusehen. Jedes Mal, wenn ich mich sah, ekelte es mich mehr und mehr vor mir selbst. Ein kleines Mädchen, das sich hässlich empfand. Innerlich sowie äußerlich. Wut stieg in mir auf und ich versuchte meinem Spiegelbild zu entkommen, setzte mich auf den Rand der Badewanne, putzte mir die Zähne, spülte am Waschbecken noch flink meinen Mund mit Kindermundwasser aus, ohne auch nur noch einmal in den Spiegel zu sehen, und ging wieder zurück in mein Zimmer. Als ich den Kleiderschrank öffnete, um mir etwas Frisches zum Anziehen heraus zu nehmen, kam auch schon meine Mutter um die Ecke.

 

„Kind, wie weit bist du?“

„Ich muss mich nur noch anziehen“, antwortete ich ihr schnell, damit es nicht am Morgen schon Ärger gab.

 

Sie kam näher und musterte mich. Mittlerweile hatte ich mir schon Kleidungsstücke ausgesucht, doch meine Mutter schüttelte nur den Kopf, und während sie mir die Sachen aus der Hand riss und genervt im Schrank wühlte, sagte sie:

„Du willst nicht ernsthaft damit auf die Straße gehen? Willst du aussehen wie ein Papagei?“

„Nein, das möchte ich nicht, aber mir gefällt das.“

„Ja, was dir nicht alles gefällt. Du wirst dies hier anziehen“, befahl sie und streckte mir eine Bundfaltenhose entgegen und einen warmen flauschigen Pullover mit einem Teddybären bedruckt.

„Mama, ich will das nicht anziehen!“, protestierte ich.

„Die Kinder sind alle so toll angezogen, warum darf ich nicht anziehen, was ich möchte?“

 

Genervt sah sie mich an.

„Du hast anzuziehen, was ich dir gebe. Keine Widerrede. Hast du mich verstanden? In fünf Minuten bist du unten, du musst noch etwas essen, bevor du aus dem Haus gehst.“

 

Und so verschwand sie wieder aus meinem Zimmer und ich wollte in diesem Moment nur weinen. Ich verstand nicht, warum alle anderen immer schick angezogen waren, und warum meine Mutter mich nie so angezogen hatte oder anziehen hatte lassen. Es war einfach unfair und absolut gemein. Es war immer dasselbe. Während ein anderes Kind schöne lange Haare trug, musste ich mit einem David-Bowie-Haarschnitt leben. Wenn andere Mädchen wie hübsche Prinzessinnen aussahen, sah ich aus wie ein Junge. Ich konnte es nicht ausstehen und hasste mich von Tag zu Tag immer mehr. Mich und mein Aussehen.

Kapitel 3

 

Als ich sechs Jahre alt war, wohnten wir in einem Mehrfamilienhaus. An sich wirklich sehr toll geschnitten und wir hatten einen Garten. Über uns wohnte eine Dame, eine Freundin meiner Mutter, mit einem kleinen Jungen. In der Ortschaft hatte ich durch den Kindergarten auch meine wunderschöne Freundin Magdalena in der Nähe. Ich ging sie oft besuchen und fuhr mit meinem Fahrrad zu ihr. Sie selbst hatte ein ziemlich großes Dreirad für Erwachsene. Jedes Mal versuchte ich sie davon zu überzeugen, mich einmal damit fahren zu lassen, schließlich war ich ja genauso alt wie sie und nicht sehr viel kleiner. Manchmal ließ sie mich auch ohne großes Betteln damit fahren.

 

„Magda schau mal, ich kann das auch!“, rief ich ihr zu und nahm meine Hände vom Lenker.

Schockiert blickte sie mir nach.

„Emilia, lass das sein! Meine Eltern bringen mich um, wenn das Fahrrad Schrott ist und ich bekomme kein Eigenes!“

 

Mit den Händen am Lenker fuhr ich auf sie zu, stieg ab, verabschiedete mich flüchtig und ging nach Hause. Keine Lust mehr zu spielen, nicht mit ihr, sie durfte das; ich aber nicht. Zu Hause angekommen wollte ich natürlich nicht gleich durch unsere Wohnungstür stürmen und entschied mich die Freundin meiner Mutter zu besuchen. Wieder etwas, was ich anschließend bereute und niemals jemand erfahren durfte und auch nicht erfuhr. Jedes Mal, wenn ich dort zu Besuch war, brummte sie mir ihren Sohn auf. Dieses Mal sagte sie:

„Sei doch bitte so lieb und bleib kurz bei Brandon, während er in der Wanne ist. Du weißt, er braucht Aufsicht, er ist ja schließlich erst eineinhalb Jahre alt. Ich muss nur eben etwas holen. Bin gleich wieder da.“

 

Also saß ich auf den Knien am Boden und spielte mit dem Kleinen und seinen Badeenten. Ich wusste nicht wieso, aber ich hasste dieses Kind. Wie er mich immer ansah und so wie er aussah. Er fing an zu quengeln und ich hoffte, dass seine Mutter gleich wieder da sei, nur brauchte sie länger als gedacht und das wurde ihm zum Verhängnis. Es wurde mir zu viel und vor allem zu dumm. Mit quiekender Stimme fing er an zu weinen und hörte einfach nicht auf. Egal was ich versuchte, er wollte absolut nicht den Mund halten und still sein. Mir brannten jegliche Sicherungen durch und kurz entschlossen tauchte ich ihn im Wasser unter. Fünf lange Sekunden war er unter Wasser, bis ich ihn wieder nach oben holte an die Oberfläche, weil ich Schritte hörte. Was mir nicht bewusst war, war, was ich damit auslösen würde. Er hätte ertrinken können. Damals wusste ich das noch nicht, aber es ist zum Glück nichts passiert. Stattdessen hustete er lauthals und schrie und weinte noch mehr als zuvor. Plötzlich stürmte seine Mutter rein.

 

„Oh mein Gott, was ist passiert?“, fragte sie regelrecht panisch.

„Brandon ist ausgerutscht und untergetaucht. So schnell konnte ich nicht schauen, wie es passiert ist“, gab ich ihr zur Antwort und sogleich empfand ich Schuldgefühle.

 

Ich wusste, wenn ich die Wahrheit sagen würde, würde das nicht gut enden. Immerhin hatten wir schon einmal so eine ähnliche Situation, nur nicht in der Badewanne, sondern auf dem Sessel. Er spielte dort mit seinen Miniautos und ich weiß nicht mehr genau wieso, aber ich schubste ihn vom Sessel. Ich hasste alle. Die Großen vor allem und auch die Kleinen, einfach alle. Am Meisten jedoch mich selbst. Heute plagen mich solche Dinge und ich entschied mich dafür anderen Menschen zu helfen, auch wenn ich noch immer kein großer Menschenfreund bin.

Als der Vorfall in der Wanne passierte, war das so ziemlich das letzte Mal, an dem ich bei ihr war. Es musste ausgesehen haben, als wäre ich schuld daran gewesen, was ja tatsächlich auch so war, aber ich wollte dieses Kind und auch sie nicht mehr wiedersehen. Meine Mutter ging nur noch alleine dort hin. Mit meinem Bruder hatte ich in diesem einen Jahr bis zum Umzug in die neue Doppelhaushälfte auch so einiges erlebt.

 

Eines schönen Tages, die Sonne schien, aber das Zimmer war dunkel, wollte ich im gemeinsamen Kinderzimmer nach meinem Bruder sehen. Als ich vor der Türe stand, hörte ich schon ein paar Geräusche, da war mir klar, dass er wach sein musste. Leise öffnete ich die Türe einen Spalt weit, für den Fall, dass er vermutlich doch schlafen würde und ich mich verhört hätte. Ich lugte hinein und sah ihn auf dem Hochbett, im unteren Bett sitzen, und er grinste mich mit seinem Schnuller im Mund breit an. Zu der Zeit war er gerade eineinhalb Jahre alt, wie der Junge von oben. Da er wach war, konnte ich getrost das Zimmer betreten, ging geradewegs zum Fenster und öffnete die Jalousien. Wohl wissend, dass er nun seine Milch bekommen würde, entschloss ich mich dazu, sie ihm zu bringen. Auf dem Weg in die Küche fragte mich meine Mutter.

 

„Warum warst du denn im Zimmer? Du weißt doch, dass dein Bruder schläft.“

„Er ist schon wach, Luca sitzt im Bett und grinst mich an, als ich die Tür ein wenig geöffnet habe, um zu sehen, was los ist, weil ich Geräusche gehört habe.“

„Na gut, dann ist es Zeit für seine warme Milch.“

„Die wollte ich ihm gerade eben holen, Mama. Ich mach das schon“, gab ich ihr zu verstehen, lächelte sie an und bereitete ihm sein Fläschchen zu.

„Danke schön, das ist lieb von dir“, lobte mich meine Mutter.

 

Als ich zurückkam, saß Luca immer noch am selben Fleck und wippte mit dem Po auf der Matratze auf und ab. Es schien ihm unheimlich viel Spaß zu machen. Ich nahm seinen Schnuller aus dem Mund, gab ihm seine Flasche und sagte,

„Schau, da hast du dein Trinken, Luca.“

Er sog am Nuckel des Fläschchens und wippte immer noch weiter. Kurze Zeit später rief mich meine Mutter, ich sollte ins Wohnzimmer kommen und mein Frühstück essen. Gesagt, getan. Am großen Holztisch, den wir dann auch im neuen Haus hatten, saß ich wie üblich auf meinem Kinder-Plastikstuhl und begann mein Müsli in mich hinein zu stopfen. Mir schmeckte ja nicht wirklich viel, aber das auf jeden Fall. Als mein Bruder anstapfte und ich ihn hörte, drehte ich mich wie automatisch mit dem Kopf in seine Richtung nach hinten, um zu sehen, was er macht. In dem Moment stand er zwischen Tür und Angel, war blutüberströmt, weinte aber nicht, doch ich kippte mit samt dem Stuhl nach hinten um und war bewusstlos. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf der Couch und hatte einen kühlen Waschlappen im Nacken und auf der Stirn. Mein Bruder war verarztet, kein Blut war mehr zu sehen. Was für ein Glück.

 

„Geht es dir besser Emilia?“, fragte mich meine Mutter.

„Ja, mir geht es gut“, entgegnete ich ihr.

„Warum hat Luca denn so sehr geblutet?“

Sie erzählte mir, dass er wohl im Kinderzimmer noch die Glasflasche fallen ließ und sich an den Scherben schnitt. Kleine Kinder bluten ja besonders schlimm. Als sie mir sagte, dass es ihm aber gut ging, war ich doch etwas beruhigter. Diese Glasflasche hatte es wirklich in sich und so hart sie auch war, hätte ich nie gedacht, dass sie doch so schnell zerspringen würde. Eigentlich, so dachte ich, musste er sie mit all seiner kindlichen Kraft zerschlagen haben, anstatt sie fallen zu lassen.

 

Ein anderes Mal hatte er wie an diesem Tag im Bett gesessen, ich saß spielend am Boden und er entschied sich dafür, mir die Flasche über den Kopf zu ziehen. Das tat schon ordentlich weh. Da wunderte es mich, dass das Glas, durch einmal fallen lassen, dann doch zersprang.

 

An andere Einzelheiten zu dieser Zeit kann ich mich nur schwer erinnern, außer, dass es da eine Frau gab. Eine Frau im Alter von etwas um die 40 Jahre. Sie war die Einzige, die ich wirklich sehr mochte und gerne besuchte. Ich erinnere mich, dass sie im Dachgeschoss wohnte. Immer dann, wenn ich sie besuchen kam, gingen wir die Esel besuchen, um sie mit harten Brötchen zu füttern, die kein Mensch mehr essen konnte. Wenn wir dann wieder in ihrer Wohnung waren, saßen wir stundenlang an ihrem riesigen Puzzle und ich durfte ihr sogar dabei helfen. Das war ein schönes Gefühl und brachte mich von all meinen Gedanken, Ängsten und Sorgen weg. Es war etwas, womit ich mich wirklich lange Zeit beschäftigen konnte, ohne dass es mir zu blöd wurde.

An ihr bezauberndes Lachen und Lächeln erinnere ich mich noch heute, als wäre es gestern erst gewesen. Sie schaffte es, einen Menschen dazu zu bewegen, ebenfalls zu lächeln und mit ihr zu lachen. Mit ihren langen blonden Haaren sah sie aus wie ein Engel. Ein etwas molliger Engel. Aber es gefiel mir. Einfach alles an ihr. Und alles war besser als meine Eltern.

 

Mein Vater, ein gut gebauter Mann, hässlich war er nicht, aber ähnlich würde ich ihm auch nicht sehen wollen. Und meine Mutter, die durch mich und ihrer stressbedingten Fresssucht einfach fett war. Eigentlich bevorzuge ich dieses Wort „fett“ überhaupt nicht in meinem Vokabular, aber es trifft zu und so war sie. Als kleines Kind wollte ich wie meine Mutter aussehen, damit ich in dieser Verwandtschaft überhaupt jemandem ähnlichsah, doch mittlerweile wollte ich alles daransetzen, um keinerlei Ähnlichkeiten zu verspüren. In jeder Hinsicht.

So kam später noch meine Cousine mit ins Spiel. Und nicht nur sie. Auch die Ähnlichkeit und der Zusammenhalt in dieser Familie.

 

Wenn ich draußen spielte, ging ich oftmals eine kleine Runde spazieren, oder fuhr mit meinem Fahrrad. Nicht weit von uns hatten wir eine kleine Reitanlage, an dem sich bei Wettkämpfen oftmals Leute versammelten. Hauptsächlich war es ein kleiner Übungsplatz, an dem sie ihre Pferde trainierten. Der Reihenfolge nach hatten sie festgelegte Parcours, wie man sie beim Springreiten eben brauchte. Hier ein paar Stangen, da ein paar Stangen mehr. Dreh- und Angelpunkt an diesem Platz war die Stangenarbeit und es gab dort einen einzigen 4,50 m breiten Wassergraben.

 

Ich fand es sehr faszinierend, wie filigran sie ihre Pferde zum Steilsprung und Hochweitsprung antrieben. Als kleines Kind wollte ich immer gerne reiten. Immer, wenn ich zusah, hatte ich das Gefühl, dass man auf dem Rücken der Pferde fliegen könnte. Und das gefiel mir sehr. Der Gedanke daran, einfach nur zu fliegen, den Wind zu spüren dort oben in der Luft. Irgendwann nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach eine der netten Damen an. Fragte sie durchgehend Löcher in ihren hübschen flachen Bauch. Springreiten und Disziplinen des Pferdesports.

 

Klang großartig, wusste nur nicht, was es bedeuten sollte. Ich wollte mehr und mehr wissen, aber alles konnte ich mir zu dem Zeitpunkt ohnehin nicht merken. Vollkommen egal, denn irgendwann würde ich lesen können, oder eben so oft fragen, bis ich nervte. So dachte ich. Was ich nicht wusste, war, dass das bald Geschichte sein würde, denn wir zogen um. Das war dann mein zweiter Umzug und mein drittes Zuhause.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739449913
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (April)
Schlagworte
misshandlung borderline suizid autobiografie gewalt alkohol

Autor

  • Anna Perenna (Autor:in)

Die in Kelheim geborene Anna Perenna lebt mit ihren Kindern zusammen im schönen Bayern. Bereits als Teenagerin schrieb sie verschiedene Gedichte, um alles Erlebte los zu lassen, sich ein Stück weit besser zu fühlen