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Panpepato im Farbspiel der Opale

Panpepatos 1. Fall

von Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)
140 Seiten
Reihe: Panpepato, Band 1

Zusammenfassung

Was man über Panpepato wissen sollte? Fausto Panpepato, ein pensionierter Polizist mit Herz, Humor und Verstand, ist auf Zuraten seines Dassborger Polizeifreundes, nach Dassborg gezogen. Dort klärt der humorvolle und riesenhafte Sympathieträger, mit natürlichem Instinkt, gesundem Menschenverstand und Mithilfe seines Freundes, Kommissar Uwe Feindt, etliche Verbrechen in der Stadt Dassborg auf. Die Stadt Dassborg, ist eine Stadt wie (vielleicht) jede andere. Gespickt mit äußerst fragwürdigen Verbrechen aller Art.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte

Ulrike Ina Schmitz

Panpepato im Farbspiel der Opale

Kriminalroman Band 1



Ulrike Ina Schmitz - Roßbach

Anno 2008



Sämtliche Figuren und Geschehnisse sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten also rein zufällig.

Ulrike Ina Schmitz

Roßbach-Westerwald

Anno 2008



Panpepato im Farbspiel der Opale



Hauptort der Handlung, ist die kleine Großstadt Dassborg. Sie ist eine Stadt wie vielleicht jede andere. Sie hat so ca. mindestens zigtausend Einwohner, von denen mindestens bis fast drei Viertel einer regelmäßigen, legalen Beschäftigung nachgehen. Und dann gibt es die Anderen, die Kriminellen, die allerdings auch regelmäßigen Beschäftigungen nachgehen. Durch Dassborg fließen zwei Flüsse, der Propper und die Schnur. Eine der Brücken über dem Propper verbindet die Ortsteile, Schnurort und Bomberg, die Fritz-Schweinert-Brücke. Hier beginnt das Übel…







Im kleinen Städtchen Dassborg versank der Hafen just in dem Moment im Abenddunkel, als die Straßenbeleuchtung einsetzte und ihr Bestes gab, um nicht aufzufallen.

Einige der Laternen waren dem ewigen Kampf mit den steinschleudernden Jugendlichen bereits unterlegen, und hatten ein für alle Mal den Geist aufgegeben.

In dieser Trübnis fiel kaum die hässliche Gestalt auf, die an den Wänden entlang strich. Der versiffte zerknitterte Anzug passte so ganz in die vornehm verdreckte Gegend.

Im Dassborger Hafenviertel lebten die Taunus 5 Empfänger, die nicht einmal daran dachten, je wie-der einen legalen Job anzunehmen. Jobsuche ist was für Schwache und Dumme, die es nicht anders wissen. Hier biss das Arbeitsschaffeamt, kurz genannt ARSCHAMT auf Granit.

Sollte das Amt ruhig mit neuen Arbeitsstellen drohen, es gab genug Gründe um die Arbeit abzulehnen. Sollten sie doch die Stellen denjenigen anbieten, die ständig danach bettelten. Die männliche ungebügelte Gestalt hatte die Lefzen hochgezogen und brummelte undeutlich in seinen nichtvorhandenen Bart.

„Dieser verdammte Scheißkerl. Will mich wohl verarschen. Aber der hat sich geschnitten. Die nächste Lieferung gibt es erst wieder, wenn ich die mir zustehende Kohle hab`. Und das sogar diesmal bar auf die Kralle. Soll mir bloß mit seinen Verrechnungsschecks vom Hals bleiben.“

Mangels Aufmerksamkeit stieß der Mann heftig an einen Laternenpfahl und fluchte: „Auch das soll er mir büßen der Drecksack. Dafür verlange ich Schmerzensgeld! Jawohl!“

An Hausnummer 255 angekommen trat er heftig mit seinem ungeputzten Schuh vor die Tür. Dann ballerte er mit geschlossener Faust auf die Türklingel. Aus der Sprechanlage ertönte eine näselnd quäkende Stimme: „Wer ist da?“

„Preller hier“, motzte der Verknuddelte. Der Summer wurde betätigt und Preller stampfte missmutig die Treppe herauf. Oben öffnete sich, wie durch Geisterhand, eine eklig quietschende Tür. Es wurde ein diffus beleuchteter, langer Flur sichtbar. Preller ging den Flur entlang und blieb vor einer geschlossenen Zimmertür stehen. Er setzte an, mit der Faust dagegen zuschlagen, doch die Tür öffnete sich bereits freiwillig. Ein kahler Raum tat sich vor ihm auf. Von drei Möbelstücken, die sich in dem Raum befanden, war eines ein Schreibtisch, an dem, auf einem Stuhl dahinter, ein Greis mit einem wächsernen starren Gesicht saß. Eine armselige Schreibtischfunzel erhellte einige Dokumente, welche vor dem Alten aufgetürmt lagen. Der Greis erhob den Kopf leicht, deutete mit seinem hölzernen Kinn auf einen weiteren Stuhl mitten im Zimmer und gebot Preller sich dort zu setzen.

Der Alte fragte, ohne eine Miene zu verziehen: „Was wollen Sie hier, Preller? Ich hoffe Sie sind nur hier, um mir die Ware diesmal persönlich zu bringen. Sie wissen, dass ich den persönlichen Kontakt mit meinen Beauftragten nicht sonderlich schätze. Also los! Leeren Sie ihre Hosentaschen aus und holen sich in einer Stunde ihr Geld hier ab!“

Der lange dünne Zeigefinger tippte auf die Stelle des Schreibtisches, auf die er die sogenannte Lieferung erwartete. Preller, dem im Moment die Worte fehlten, hatte sich gehorsam auf den Stuhl gesetzt. Die Macht gebietende Position Zerbinottos hatte ihn kleinlaut gemacht. Er ballte wieder die Fäuste um sich in Rage zu bringen, aber er stammelte nur:

„Ne, ne! Zerbinotto! So haben wir nicht gewettet. Sie haben den Scheck letztes Mal platzen lassen, obwohl Sie die Ware doch schon vorher erhalten hatten.“

Zerbinotto schaute nicht auf. „Die Ware kam zu spät. Meine Bedingung war, dass Sie in der sechsunddreißigsten Woche zugestellt werden sollte. Sie haben diesen Termin um eine Woche überschritten, und deshalb bin ich auch nicht geneigt, für die zu spät gekommene Ware zu bezahlen. In unserem Metier hat Pünktlichkeit oberste Priorität. Schreiben Sie sich das hinter die Ohren Kerl!“

Jetzt wurde Preller wirklich stinkig. „Sie wissen genau, Zerbinotto, dass das mit der Zeit nicht immer so klappt, wie man gerne möchte. Ich bestehe auf meine Bezahlung!“

„Sie bestehen auf Ihre Bezahlung? Dass ich nicht lache! Wie wollen Sie die denn veranlassen? Sie können ja zur Polizei gehen Preller!“ Zerbinotto legte seinen Holzkopf in den Nacken und lachte unheimlich.

Prellers Adern schwollen am Hals an vor Wut. „Was soll das denn? Meinen Sie, ich lass' mich von Ihnen bescheißen? Das werde ich Ihnen heimzahlen Zerbinotto, darauf können Sie Gift nehmen! Ich weiß auch ohne die Bullen, wie ich Sie drankriegen werde.“

Zerbinotto schaute nur kurz auf. „Ja wirklich? Haben Sie am Ende sogar noch Freunde, die Ihnen helfen, wenn Sie in Not sind? Wie wollen Sie das sonst anstellen, Sie armseliger Wicht. Schauen Sie sich doch nur an! Sie sind besoffen und stinken nach Pisse. Meinen Sie irgendeiner, würde sich darum kümmern, was Sie zu melden haben?“

Preller zog wieder die Lefzen hoch. „Vielleicht sag ich's ja ihrem Nachbarn. Meinen Sie, ich wüsste nichts über ihn? Ich weiß genau, dass der Sie betrogen hat. Vielleicht ist der froh etwas über Sie zu erfahren. Sie sind ein Idiot, ziehen in die Nähe dieses Mannes.“

Zerbinotto stand auf und zog die Bändel seines Bademantels glatt. „So, so! Sie denken also Sie wären so schlau und ich wäre dumm, nicht?“ Er kicherte wie ein Wahnsinniger.

Preller, der sich abermals über das Verhalten des Greises aufregte, stand auf und wollte den Alten mit seiner Faust auf den hölzernen Schädel schlagen. Das wurde ihm jedoch zum Verhängnis, denn dicht vor ihm war in Knöchelhöhe ein Draht. Bei der ersten Bewegung spannte er sich, und Preller fiel kopfüber zu Boden. Jammernd stand er auf und rieb sich seine blutige Lippe. „Sie Schwein! Ich hätte mir den Hals brechen können. Ich werde ihnen eine verpassen, dass ihnen Hören und Sehen vergehen!“

Unbemerkt war Zerbinotto jedoch hinter Preller getreten und säuselte ihm ins Ohr. „Wie wollen Sie das denn machen, Preller? Scheinbar sind Sie doch sogar zu blöd um einen einfach gespannten Draht zu bemerken und da glauben Sie tatsächlich noch, zu anderem fähig zu sein?“ Wieder kicherte er bestialisch.

Preller wollte Zerbinotto mit seiner Hand ergreifen, fasste allerdings ins Leere. Zerbinotto hatte bereits die Zimmertür geöffnet und lief den langen Flur entlang. Preller polterte hinter ihm her, konnte ihn jedoch nicht mehr sehen. Er eilte die Treppe herunter und stieß Flüche aus. Als Preller aus der Haustür treten wollte, stellte er fest, dass diese verschlossen war. Er trat mit Wucht gegen das starke Holz, ohne damit etwas zu erreichen. „Jetzt hast du endgültig verschissen! Zerbinotto! Ich hab' jetzt die Schnauze voll von deinen Faxen. Jetzt hol' ich wirklich die Bullen. Da kannst du deine feige Visage nicht mehr verstecken. Sollen die dir doch deine hölzerne Fratze runterreißen!“

Preller hörte daraufhin ein leises Pfeifen. Neugierig blinzelte er nach oben übers Geländer. Da segelte ein harter hölzerner Gegenstand mitten in sein Gesicht. Preller schrie auf. Stolperte rückwärts und fiel hart gegen die Kante einer Treppenstufe. Stöhnend tat er seinen letzten Atemzug. Eine hölzerne Maske lag neben seinem Kopf. Von oben her ertönte noch das grausige Gelächter.

Die Ausstellung

In der Dassborger Protzhalle fand, wie in jedem Jahr, immer und immer wieder, eine Juwelenausstellung statt. Alles, was Rang und Namen hatte, ließ sich nicht lumpen, um dort die eigenen Glitzersteinchen vorzuführen und bei der Gelegenheit, den Prolls-Royce, vom eigenen Chauffeur, zum Lüften nach draußen fahren zu lassen.

Aus eines der letzten ankommenden Fahrzeuge, einen Panther Cabrio, stieg ein kleiner pummeliger Mann, er hatte selbst chauffiert, aus. Trotz seiner üppigen Dickte trug er enge elegante seidene, schwarze Leggins. Darüber einen Frack, Marke Schwalbenschwanz und einen leichten Klappzylinder. So ausgestattet ließ der edle Herr seinen Wagen durch einen Parkplatzwächter einparken und schritt nahezu königlich zum Portier.

Er zückte nonchalant seine Eintrittskarte und nickte dem Pförtner huldvoll zu.

Ehrfürchtig katzbuckelnd eilte der Dienstfertige herbei, um dem Freiherrn die Tür zu öffnen. Dankend schritt sodann Freiherr von Piepahn in die Vorhalle, ohne zu ahnen, dass er bereits von einem wachsamen Augenpaar beobachtet wurde. Freiherr von Piepahn wollte sich nun gemächlich in den Ausstellungssaal begeben, als sein Körper von einem riesigen Schatten verdunkelt wurde.

Eine tiefe sanfte Bassstimme ertönte: „Scusi Signor! Dürfte ich Sie wohl uno momento sprechen?“

Von Piepahn sah nach oben und prallte leicht zurück. Fast wäre er gefallen, wenn ihn der Koloss nicht sicher am Arm gehalten hätte.

„Ja, bitte? Ähem. Kennen wir uns? Ich wüsste nicht...“ Eingeschüchtert, aufgrund der Riesenhaftigkeit dieses Goliaths, ließ er sich willig in einen kleinen Nebenraum führen.

„Purtroppo, ich glaube Sie kennen mich noch nicht. Ich bin Privatdetektiv und gehöre zum Sicherheitsdienst.“

Mittlerweile hatte der Riese den Adligen in die hintere Räumlichkeit geführt. Dort platzierte er ihn so, dass Piepahn nichts anderes über blieb, als sich mit seinem edlen Gesäß auf einen kleinen rotgoldenen Stuhl niederzulassen. Nun endlich ließ der Hüne ihn los und stellte sich vor ihm auf. „Ich darf mich Ihnen vorstellen? Ich heiße Fausto Panpepato. Und Sie, Sie sind un ladro. Ein kleiner Ganove namens Joe Schmitt. Tut mir leid lieber Freiherr, dass ich ihr Inkognito gelüftet habe.“

Der dem Adel entblößte Exfreiherr schnappte nach Luft. „Was? Wie bitte? Sie müssen sich irren. Schauen Sie doch auf meine Eintrittskarte! Dort steht Gold auf Ocker, Freiherr Esau von Piepahn! Und der bin ich!“

Panpepato verzog bedauernd sein Gesicht. „Ich muss Sie leider enttäuschen. Haben Sie vielleicht das Gedächtnis verloren? Amnesie? In meinem Schreibtisch habe ich ein wundervolles Hochglanzfoto von Ihnen. Wenn Sie möchten, kann ich jemanden danach schicken. Dann werden wir beide es uns anschauen und feststellen, dass es nicht nur ein guter Doppelgänger von Ihnen ist.“ Der Detektiv nahm die Eintrittskarte und schaute darauf. „Esau? Ausgerechnet! Haben Sie vielleicht einen Bruder der Jakob heißt? Vielleicht kaufe ich ihnen die Geschichte dann ab.

Sein verdächtiges Gegenüber schaute ihm zweifelnd in sein schmunzelndes Gesicht. „Meine Güte! Ja, ich gebe es zu, ich bin nicht der, den ich zu sein vorgebe. Was soll ich es auch lange abstreiten. Was wollen Sie jetzt mit mir machen? Aktuell liegt ja nichts gegen mich vor.“ Hämisch schaute Joe Schmitt dem Riesen ins Gesicht.

„Allora, pazienza! So ist es eben! Vielleicht kann ich Sie aber vor einer neuen Dummheit bewahren. Bedenken Sie doch. Signor Schmitt! Wenn nun heute hier etwas gestohlen würde, Sie wären der Verdächtige Numero uno. Selbst wenn Sie ganz unschuldig wären.“

„Meine Güte! Na und? Ich bin halt an edlen Steinen interessiert. Das ist doch schließlich kein Verbrechen, oder?“

„Das nicht gerade, ragazzo mio, sennonché...”

„Seien Sie doch kein Spielverderber und lassen mich doch nur mal kurz in den Saal. Ich möchte doch wenigstens mal einen Blick auf das berühmte Kohlenauge, werfen!

Es heißt, es soll heute gestohlen werden.“

„Vero? Umso besser ist es, dass ich Sie auf keinen Fall in den Saal lasse.“

„Aber ich bitte Sie? Ich ...“

„No, No! Sie bleiben hier sitzen Joe Schmitt! Und ich werde in den Ausstellungsraum gehen und sehen, was dort los ist.“ Ohne weitere Einsprüche entgegen zu nehmen, machte Panpepato sich auf den Weg.

Im Saal tummelte sich die Dassborger Creme der Gesellschaft bereits müßig neugierig vor den Vitrinen. Mit gelangweilt gierigen Blicken fraßen diese Herrschaften nimmersatt, die Aura der köstlichen Juwelen.

Der Detektiv erfasste, dank seiner stattlichen Größe von 2 Metern 25, alles mit einem Blick. Er erspähte schnell das ältliche Ehepaar von Wenden, welches das berühmte Kohlenauge sein eigen nennen durfte. Frau von Wenden trug ein faszinierendes, bordeauxrotes Seidenkleid mit goldener Schärpe, von dem man sagen konnte, dass es vielleicht eine Spur zu unzüchtig weit ausgeschnitten wäre. Ablenkung widerfuhr nur durch das feurige schwarze Kohlenauge, welches in Zaum, in Form einer Kette gehalten wurde. Das Farbspiel dieses edlen Opals lenkte einigermaßen von dem faltig üppigen Busen der Frau von Wenden ab.

Panpepato hob die Hand und gab damit einem kleinen bebrillten Mann ein Zeichen. Dieser flinke Kerl bemühte sich daraufhin, emsig an dessen Seite zu gelangen.

„Herr Rost, ich habe den kleinen Taschendieb Joe Schmitt hinten im Raum sitzen.“

„Wirklich? Wollen Sie die Polizei alarmieren?“

„No! No! Nicht doch! Weshalb denn? Es liegt nichts gegen ihn vor. Er könnte ohne Weiteres bereits davon spaziert sein. Aber er hat mir berichtet, dass heute das Kohlenauge, der berühmte Opal gestohlen würde.“

„Wirklich? Das kann ich gar nicht glauben. Im Moment ist jedenfalls alles in Ordnung. Nur bekannte Persönlichkeiten sind anwesend. Alle mit dem nötigen Kleingeld versehenen Herren, die ihren mehr oder minder angetrauten Frauchens, ein kleines neues Schmucksteinchen gönnen können.“

„Lassen Sie aber keinesfalls Signora von Wenden aus den Augen. Wir tragen die Verantwortung hier.“

„Natürlich! Die faltigen Formen der Frau von Wenden lasse ich mir nicht aus den Augen kommen.“

„Nötiger als die Formen der Signora wäre allerdings, ihr Augenmerk auf die Form des Opals zu senken.“

Rost entfernte sich grinsend.

Panpepato begab sich derweil wieder ins Hinterzimmer, wo noch immer brav der kleine Exfreiherr verharrte.

„Mein lieber Joe Schmitt! Ich denke ich kann Sie jetzt getrost entlassen und Ihrem kleinen schicken Panther übergeben. Vielleicht spart ihnen das etwas vom Mietpreis, wenn Sie den Wagen etwas früher zurückgeben.“

„Ich beuge mich der Gewalt. Woher wollen Sie überhaupt wissen, dass der Panther nicht mein eigener ist?“

„Si, ragazzo mio! Autos gehörten noch niemals zu Ihrer Diebesbeute. Warum sollte es das auf einmal tun?“

Panpepato nahm den kleinen Dicken am Arm und begab sich mit ihm zum Ausgang. Dem Pförtner nickte er freundlich zu, woraufhin dieser ihm flink die Tür öffnete.

Der Detektiv war sehr beliebt. Blieb er doch immer höflich und freundlich. Und strahlte er nicht eine Souveränität aus? Man hatte das Empfinden, nur er wüsste, worum sich alles dreht. Man fuhr immer damit am besten, wenn man das tat, was er von einem erwartete.

Der Parkwächter hatte bereits den Panther vorgefahren und Panpepato verabschiedete sich nun von Joe Schmitt. „Mein lieber Esau von Piepahn! Ich wünsche Ihnen eine gute Fahrt. Vielleicht sieht man sich ja mal! Dassborg ist klein.“ Er winkte dem davonrasenden Panther nach.

Die hochgestellten geladenen Persönlichkeiten schlenderten unterdessen schauend, durch die wertvollen Auslagen der Ausstellung. Es waren natürlich nicht nur eingefleischte Dassborger, die sich hier tummelten. Selbst eine echte Dame befand sich unter den Illustren. Nämlich, Lady Meredith Princeton-Wackernagel. Verheiratet mit Otto Wackernagel. Sie, eine wunderschöne Brünette und Er, ein alter ergrauter Geldsack, mindestens zwanzig Millionen englische Pfund schwer.

Im angeregten Plauderton faselnd, schlenderten untergehakt, Eleonore van Laak eine professionelle Schmuckdesignerin und Milliardär Oskar Pattmann. Frau Eleonore van Laak war in letzter Zeit ein wenig in Verruf geraten. Man brachte sie mit einigen Imitationen in Verbindung, die jeglicher Legalität entbehrten. Da die Dassborger Exekutive aber bislang nichts Handfestes vorweisen konnte, war der Dame nicht beizukommen.

Eleonore, die eine verheiratete Frau war, ließ sich ganz gerne von dem hageren Milliardär ein wenig den Hof machen. Der magere Reiche schwänzelte deshalb auch unermüdlich um seine Angebetete herum, ohne dabei seine eigene Lächerlichkeit zu berücksichtigen.

Mitten im Getümmel blickte der gute Doktor von Wenden plötzlich auf seine Prollex und erschrak.

„Luise! Es ist Zeit, dass wir uns von hier entfernen! Wir waren uns doch einig, dass wir nicht mit dem gesamten neugierigen Volk durch den Ausgang stürmen.“

„Ja, ja, natürlich! Lass mir aber bitte noch ein wenig Zeit, um mir meine Nase zu pudern!“

Während sich Herr von Wenden gemächlich zur Garderobe begab, steuerte seine Frau die hinteren Toilettenräume an. Nach Verrichtung dringendster Bedürfnisse stellte sie sich vor dem Spiegel und begutachtete ihren opalgeschmückten Schwanenhals. Selbstzufrieden ließ sie ihre altersbefleckten Hände, streichelnd auf den Opal nieder. Hatte ihr Gatte ihr doch versprochen gleich noch einen kleinen Abstecher zum Juwelier zu machen, damit sie sich noch etwas Kleines aussuchen konnte. Sie hob Zeigefinger und Mittelfinger an ihre lippenbestifteten Lippen und warf ihrem Spiegelbild eine Kusshand entgegen.

„Gleich bekommst du noch ein neues Schmuckstück mein Liebes. Juwelier Neumann erwartet uns in der Schrottstraße in seinem Atelier.“ Luise von Wenden war immer sehr freundlich zu sich. Sie wusste, dass wenn sie sich nicht selbst gut zureden würde, würde es keiner tun. Und so tat sie es. Sie ergriff ihr paillettenbesticktes Abendtäschchen und verließ die Bedürfnisräume.

Eleonore van Laak hatte sich zwischenzeitlich, ihr Handy in die Handtasche steckend, wieder in die Ausstellung begeben.

„Meine Liebe!“ Mit seinen dünnen Armen schlenkernd, kam im pressanten Laufschritt, der Milliardär Pattmann auf sie zugeeilt.

„Wo waren Sie bloß? Ich habe Sie so schmerzlich vermisst. Ich dachte die Sonne wäre für mich untergegangen!“

„Ach! I wo, Herr Pattmann, oder darf ich Oskar sagen? Ich war doch wirklich nur eine kurze Zeit weg!“

„Für mich war es eine Ewigkeit“, stöhnte der Dünne.

„Ach, Sie sind ein Schmeichler Oskar! Ich war doch gerade eben mein Make-up ein bisschen auffrischen. Sie wissen doch, wie viel Aufmerksamkeit die Männer in puncto unseres Aussehens von uns Damen erwarten. So eine Nase soll doch schließlich nicht glänzender sein, als die Juwelen die wir hier betrachten!“

Es folgten Phrasen über Phrasen, und so ging es weiter mit dem schier endlosen Geschwafel der Wohlsituierten. Und zwar, bis ein eleganter Gong das Ende des Spektakels verkündete.

Mit spitzen Ellbogen und vorprogrammiertem Schrittmuster näherte sich die reiche Meute, den schon vor Aufregung zitternden Garderobieren. Die Dienerinnen streckten den Nahenden schon die flache Hand vor, um die Garderobenmärkchen entgegen zu nehmen. Teilweise hatten nämlich die Mesdames ihre Märkchen, aufgrund der glänzenden Köstlichkeiten, verschusselt. Bei dem darauf folgenden allgemeinen Gerangel verloren die Damen ein paar Tränchen und die wütenden Gatten ein paar Spucketröpfchen. Die fleißigen Garderobenmäuschen hatten jedoch alles verhältnismäßig schnell wieder aufgeklärt. Wobei sie anhand ihrer feinen Schnüffelnäschen, verschieden zugehörige Gerüche leicht assimilierten, und demnach sogleich zügig zuordnen konnten. Leichte Differenzen gab es nur mit den Duftkomponenten, einiger Eau de Toilettenbenutzerinnen. Bei den Duftsorten: Parmesani und Alvin Fein. Das schrie geradezu nach zukünftigem Handlungsbedarf. Was nunmehr bedeutete, dass die Schulungen der Garderobieren, zukünftig definierter geprägt auszufallen hatten.

So ging auch dieser, für die Wohlstandler so bedeutungsreiche Tag zu Ende. Als endlich die Eingangspforten von außen betrachtet werden konnten, und die Parkwächter die sprittfressenden Nobelkarossen, den jeweiligen Chauffeuren wieder ausgeliefert hatten, konnten die Heimfahrten durchgeführt werden.

Signor Fausto Panpepato

Signor Fausto Panpepato freute sich auf seinen Feierabend. Behaglich gähnend reckte er seine kräftigen Arme nach oben, nahm seinen dunkelblauen Blazer vom Haken und machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle. Er benutzte immer die öffentlichen Verkehrsmittel, obwohl er sich, wie viele Dassborger über die gestiegenen Fahrpreise ärgerte. Es fuchste ihn, dass vieles privatisiert wurde, und die Folgen überhaupt noch nicht abzusehen waren. Manchmal spielte er sogar mit dem Gedanken sich ein Fahrzeug anzuschaffen, nahm aber immer wieder Abstand davon. Das Einzige, was ihn wohl interessieren könnte, wäre die Anschaffung eines Fahrrads. Doch, da befiel ihn die Befürchtung, dass das Rad gestohlen werden könnte. Was in Dassborg höchstwahrscheinlich war. Die Leute klauten hier ja wie die Raben. Man brauchte sich nur kurz umzudrehen und schon wäre so ein Rad weg. Auf nimmer Wiedersehen. Vielleicht fand man dann und wann mal, im nächsten Gebüsch ein paar Einzelteile davon wieder, aber doch nicht so viel, dass man es sich wieder zusammen puzzeln könnte.

Das war ihm in seiner früheren Heimat in Trugano nicht so erschienen. Da war die Welt noch in Ordnung, oder nicht? Aber vielleicht kam es ihm auch nur so vor. Damals, als er noch im Dienst war, und ein Fahrrad besaß war er noch jung, und es war eine andere Zeit. Sogar hier in Dassborg war damals die Welt noch in Ordnung. Es gab da noch nicht so viele Menschen, die auf Taunus 5 angewiesen waren. Da gab es nur normale Arbeitslose, die irgendwann zu normalen Sozialhilfeempfängern wurden.

Besser er ging weiter zu Fuß und besorgte sich ein Jahresticket für Bus und Bahn. Das war natürlich auch teuer und kostete gleich so viel auf einmal. Na gut. Das wollte er sich gönnen. Seit drei Jahren lebte er jetzt in Dassborg. Er mochte die Stadt mit ihren Menschen. Natürlich wäre er ohne seinen Freund, Hauptkommissar Paul Feindt, niemals von Trugano weggezogen. Dort war er geboren, und hatte immerhin Jahre dort seinen Dienst als Kantonspolizist versehen. Doch Paul wollte, dass er nach Dassborg zog. Und was sollte er auch schließlich noch in seiner alten Heimat. Seine Frau war gestorben, Kinder hatte er keine und seine Freunde, die lebten in Dassborg.

Sein bester Freund war Paul Feindt. Paul, seine Frau Therese und deren kleiner Sohn Uwe hatten damals in Trugano Urlaub gemacht. Da lebte Panpepatos Frau Maria noch. Maria hatte viel Gefallen an dem kleinen Uwe gefunden. Bedauerlich, dass sie selber keine Kinder hatten.

Gerade, als Panpepato sich in Dassborg eine kleine Eigentumswohnung gekauft hatte, wurde Paul, bei einem Polizeieinsatz, getötet. Jetzt gab es nur noch Uwe, denn Uwes Mutter war schon einige Jahre früher verstorben.

Für den kleinen Uwe, der jetzt allerdings ein erwachsener, großer schlanker Mann war, war Fausto so ein bisschen Vaterersatz. Jedenfalls waren die beiden herzlich befreundet.

Angelangt, in seiner kleinen urigen Mansardenwohnung, die im obersten Stockwerk, in einem Wolkenkratzer in Dassborg-Schnurort lag, warf er sich auf seine schwere braune Ledercouch, streckte sich und gähnte herzhaft. Nach einiger Zeit bewegte er schmatzend die Lippen und ihm fiel ein, dass er unbedingt bei Kräften bleiben wollte und es so Nottat, unverzüglich für seine Nahrungsaufnahme zu sorgen. Sein Kühlschrank war immer gut gefüllt. Denn seine Devise war die der meisten Menschen, nämlich: Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen. Was ja schließlich der Wahrheit ebenso nicht entbehrt.

Nun, mit vorgeschürzten Lippen stand Panpepato vor seinem Kühlschrank. Er entschloss sich, vor dem eigentlichen Abendessen, das er wie immer selbst zubereitete, nur eine winzige Kleinigkeit zu verspeisen. Für un Apéro hielt er einen Drei- bis Vierbisshappen, und zwar in Beschaffenheit einer herzhaft, köstlichen Mettwurst, die er, wie immer, mit einer kleinen Halbliterflasche Weizenbier verdünnte. Die kleine Mettwurst war natürlich für so einen ausgewachsenen Mann, der wahrscheinlich quasi ein Bär werden sollte, mit seinen 2 Metern und 25 und einem Gewicht von 175 Kilogramm, ein Witz.

Er überlegte flugs auch, ob eine zweite Wurst, ihm den Appetit aufs Abendessen nicht verderben würde. Seine Überlegungen wurden jedoch jäh, von einem Kinderliedchen, das seinem Handy entwich, unterbrochen. Panpepatos Hand fuhr mühsam in die enge Hosentasche und angelte danach. „Pronto!“

Am Hörer war sein junger Freund Hauptkommissar Uwe Feindt. Er wollte ihm sein Kommen ankündigen, da er gerade in der Nähe einen Einsatz hätte. Und zwar wäre ein Mann von der Fritz–Schweinert-Brücke heruntergeworfen worden. Da diese ja in seiner Nähe war, wollte er auf einen Sprung vorbeikommen.

„Che cosa? Ein Mann ist hineingeworfen worden? Du meinst wohl herunter gesprungen. Das kommt hier öfter vor. Den Selbstmördern fällt ja meistens kein besserer Freitod ein.“

Nein, nein! Er hätte schon recht verstanden. Es wären zwei Männer beobachtet worden, wie sie einen scheinbar Betrunkenen über die Brüstung hievten, und in den Propper warfen.

Durch Dassborg – Schnurort zogen sich zwei Flüsse. Ein kleinerer und ein wenig kleiner. Bei dem Kleinen handelte es sich um die Schnur, die hier in Schnurort ihren eigenen Frachthafen hatte. Und bei dem größeren handelte es sich eben um besagten Propper. Über dem auch die riesige Fritz-Schweinert-Brücke gebaut worden war. Hätte Panpepato nur einen längeren Arm gehabt. Er hätte die Leute, die über diese Brücke gingen, aus seinem Fenster heraus mit Handschlag begrüßen können.

Vom Fenster aus hatte Panpepato einen weit reichenden Panoramablick. Ein starkes Fernrohr stand fixiert davor. Schnell hatte er am Ufer einen kleinen Menschenauflauf erspäht. Die neugierigen Glotzer behinderten natürlich, wie stets die Einsatzkräfte. Unmutig schimpfte er. „Maledizione! Immer dasselbe Theater. Kann denn keiner einmal für Ordnung sorgen?“

Ein zufällig vorüberstreifender Schutzmann, der akzidentell vor Ort war, versuchte die penetrante Gaffermenge in seine Schranken zu weisen. Leider bisher erfolglos. Erleichtert atmete Fausto auf, als der Dienstwagen von Hauptkommissar Uwe Feindt eintraf. Als überlegene Autoritätsperson hatte dieser sich schnell einen Überblick verschafft und alle überflüssigen Leute nach Hause schicken lassen, oder zumindest aus dem Weg gescheucht.

Es folgte die übliche Vorgehensweise. Nachdem der Polizeiarzt seine Pflicht getan hatte, wurden die sterblichen Überreste des Elenden, eingesammelt und zur Autopsie verfrachtet.

Sportlich durchtrainiert jumpte Uwe Faustos Treppe herauf. Er schaute sich zufrieden in der Wohnung seines Freundes um. „Es ist doch immer wieder schön hier!“ Er warf sich mit Schwung auf die Couch. „Heute ist mal wieder die Hölle los. Die Dassborger haben mal wieder nichts Besseres zu tun, als ihren kriminellen Aktivitäten nachzugehen. Ich bin fix und alle für heute! Ich hoffe du hast was zu essen für mich?“

Panpepato, der sich endlich an die Zubereitung seines Abendessens machte, ließ Uwe erst einmal in Ruhe abschalten. Solange der Junge sich ausruhte, bereitete er eine ordentliche Portion Spaghetti Bolognese vor. Nach dem Essen genehmigten sich die Beiden noch ein gutes Glas Dessiner Wein. Den ließ sich Panpepato immer aus der Schweiz kommen.

Uwe hatte ihm allerlei Neuigkeiten zu berichten. Der Hauptkommissar wusste, dass sein Freund heute Sicherheitsdienst in der Protzhalle getätigt hatte. So teilte er, dem verdutzten Panpepato, mit, dass eine hochgestellte Dassborger Persönlichkeit, ein Herr von Wenden, heute, auf dem Weg zu seinem Juwelier, ausgeraubt wurde. Wobei, es sich um den Raub einer sehr wertvollen Opalkette handelte.

„Das Kohlenauge“, stöhnte Fausto auf. „Hat der Freiherr doch noch recht gehabt.“

„Wie bitte?“ Du weißt, um welchen Schmuck es sich handelt? Wen meinst du mit Freiherrn? Der Wenden ist Doktor. Natürlich kein richtiger. Ich meine Mediziner. Irgend so ein Doktor, honoris causa.

„Allora, ich weiß! Hatte der gute Doktor denn keinen Beschützer dabei, um den wertvollen Schmuckstein seiner Frau zu bewachen?“

„Scheinbar nicht! Für so was geben diese Leute doch kein Geld aus. Sie wollen von der Polizei beschützt werden, und zwar rund um die Uhr. Das ist billiger. Das Gehalt für uns ist ja schon in den Steuergeldern enthalten. Nur sein wackerer Chauffeur wollte einschreiten. War aber nicht pfiffig genug, der Mann. Hat dann auch gleich eines über den Schädel bekommen. Liegt jetzt reichlich angeschlagen im Krankenhaus. Wie war übrigens die Ausstellung? Viel los?“

„Si! Fast die gesamte Dassborger Elite war anwesend. Alle wollten ihre Geschmeide bewundern lassen und auch wissen, was so neu auf den Markt kommt. Und wie man hört, machten sich die Leute auch anschließend auf zu ihren Juwelieren. Sie hatten scheinbar keine Zeit zu versäumen.“

„Ja, so sieht es aus. Ich bin mal gespannt, was die Kollegen bei der Recherche, nach dem Raub des Opals herausbekommen! Hast du keine Lust dich da ein bisschen einzuhängen? Vielleicht möchte der Doktor ja auch einen Privatdetektiv engagieren, immerhin geht es um den wertvollen Schmuck seiner Frau.“

„Allora! Die Idee wäre nicht schlecht!

Rosemarie Göttert

Rosemarie Göttert saß auf ihren Koffern, in der ehemaligen Wohnung ihrer Tante. Die alte Tante war tot. Gestern war die Beerdigung gewesen, und nun saß sie auf ihren Koffern und dachte über die letzten zwei Jahre nach. Mein Gott, das war ein elendes Leben gewesen. Immer nur Gejammer, von morgens bis abends. Das hätte sie sich niemals träumen lassen. Aber was hätte sie ändern können? Als ihre Eltern gestorben waren, war sie gerade achtzehn geworden. Dumme achtzehn. Sie hatte damals eine Hauswirtschaftslehre gemacht, und dann nur auf dem Bauernhof ihrer Eltern mitgearbeitet. Leider gab es den jetzt auch nicht mehr. Eines Tages kam sie nach Hause. Und der Hof war bis auf seine Grundmauern, mit Mann und Maus heruntergebrannt. Sie war nur ein paar Stunden von Daheim fort gewesen. Danach war sie heimatlos und eine Waise. Aber sie war schließlich volljährig. Später kam auch noch das bittere Erwachen für sie. Die Gebäudeversicherung zahlte nicht, denn ihre Eltern hatten schon über ein halbes Jahr die Versicherungsbeiträge nicht mehr bezahlt. Es wurde einfach nicht genug eingenommen. Sie hatten gerade immer nur das Nötigste zum Leben. Aber das hatte sie damals nicht gewusst. Wie dumm sie doch gewesen war. Natürlich hatte sie noch das Grundstück mit der Ruine. Sollte sie sich da vielleicht ein Zelt aufschlagen? Aber nicht einmal dafür hätte sie Geld gehabt. Als dann ihre pflegebedürftige Tante, aus Dassborg, Rosemarie anbot bei ihr zu wohnen, damit sie ihr ein wenig im Haushalt helfen solle, hatte Rosemarie es für eine gute Idee gehalten. Nur fort aus Nachenburg ihre Heimat.

Sie saß noch immer auf ihren Koffern, als heftig an der Tür geklopft wurde. Erschrocken stand sie auf und öffnete die Tür. Vor der Tür stand Frau Donnermann, die Hauseigentümerin.

„Na, Frollein Rosemarie! Sind Se noch nich wäck? Wann geht denn ihr Zuch?“

Rosemarie schaute auf ihre Armbanduhr. „So in zwei Stunden etwa.“

„Da müssen Se sich aber gätz sputen, Frollein! Sonst schaffen Se datt nachher nich mehr!“

„Ich warte nur noch auf das Taxi, das mich zum Bahnhof fährt. Der Chauffeur wird wohl läuten.“

„Taxi? Hätten Se nich besser den Bus genommen? Wär doch billiger gewesen? Aber ich kann Se ja verstehn! Auf die Busse iss heut zutage auch kein Verlass mehr. Immer unpünktlich. Dafür kassieren se aber regelmäßig ihre Erhöhung. Sind alles Verbrecher, die Politiker! Na, da könn’se doch auch wirklich gleich mit der Taxe fahren. Kommt sich vielleicht unterm Strich auf datt Selbe raus.“

Rosemarie ging schnell nochmal durch alle Räume. „Liebe Frau Donnermann, Sie denken doch daran, dass am Donnerstag jemand von der Diakonie kommt, um die Möbel und die anderen Sachen abzuholen?“

„Ja, ja! Datt haben se mir ja schon gesacht. Wollen se nich doch lieber noch watt davon mitnehmen? Et iss ja doch ne Schande, für die schönen Sachen. Wer weiß, watt, die bei de Diakonie damit machen. Die Kirche verschleudert doch auch immer unsere schönen Gelder. Wenn ich dran denk, wie hoch mittlerweile die Kirchensteuer schon iss. Aber ich glaub, datt iss der Papst Schuld. Watt reist dä auch immer inne Weltgeschichte rum. Als wenn unser Herr Jesus datt gemacht hätte. Und wenn auch, dann iss er wenigstens zu Fuß gelaufen. Nix mit Pappemobil, oder wie datt Ding heißt, womit se dem da immer rumtransportieren.

Ja, ich bleibe im Lande und nähre mich redlich oder wie datt heißt. Bin noch niemals in meinem Leben verreist. Nur einmal, da musste ich im Weißwald. Aber als Kind. Da war ich auch krank.

Ach ja, krank. Et war ja wirklich schlimm, mit Ihre Frau Tante! Datt arme Dier hat mir ja manchmal leidgetan. Se können froh sein, Frollein Rosemarie, datt se datt jetzt hinter sich hat. Auch für Sie. Datt war doch kein Leben nich! Sonn junger Mensch wie Sie, der muss doch raus. Tanzen zum Beispiel. Wir waren früher immer tanzen. Hab' so meinen Mann kennengelernt. Ja! Der iss ja auch tot. Zwanzig Jahre schon. Grade jetzt, wo wir ät noch hätten so gut haben können. Aber: Zälavieh! So sach ich mir immer. Kannsse nix machen. Man musset hinnehmen, wie ät kommt. Da kommt überings Ihre Taxe, Frollein Rosemarie.“

Frau Donnermann, die ihre Blicke, während ihrer Erzählung durch die Wohnung und zum Fenster hat schweifen lassen, trat jetzt wieder auf Rosemarie zu. Mit herzlichen Worten verabschiedeten die zwei sich voneinander, und Rosemarie verließ, ohne zurückzuschauen, das Haus.

Das Taxi hielt vor dem Haus. Der Fahrer stieg aus und fragte Rosemarie, ob sie das gewesen sei, die ihn hierher bestellt hatte. Rosemarie nickte. Dann öffnete der Chauffeur bereitwillig den Kofferraum, damit Rosemarie ihr Gepäck dort hineinhieven konnte. Erstaunt, ob der >Hilfsbereitschaft< des Mannes, schaute Rosemarie ihn verdutzt an.

Durch diesen Blick leicht gestört meinte der Taxifahrer: „Mit mir können Se dabei nich rechnen, Frollein. Ich habbet im Kreuz.“ Er winkte ab.

Aufseufzend griff Rosemarie nach ihrem Koffer, als sich plötzlich, von hinten, eine helfende Hand daran zu schaffen machte. Verzagt schaute Rosemarie nach dem Helfer aus. Ein mittelgroßer Mann im grauen Popelinemantel hob gerade den letzten Koffer an, um ihn mit Schwung in den Kofferraum zu befördern.

„Sind Sie Frau Göttert? Ich wollte gerade zu Ihnen!“

„Zu mir?“ Ungläubig schaute Rosemarie den Helfer an.

„Ja, gestatten Sie mir, dass ich mich vorstelle? Mein Name ist Jakobs! Ich hätte Sie gerne mal gesprochen, aber ich sehe, Sie wollen verreisen! Wann kommen Sie denn wieder? Dann bitte ich um Erlaubnis, Sie besuchen zu dürfen!“

Zwischenzeitlich hampelte der Taxifahrer von einem Bein aufs andere.

„Mich geht datt ja eigentlich nix an, Frollein. Aber ich muss Sie drauf aufmerksam machen, datt dä Taxameter läuft! Ich hab dann gleich auch noch ne andere Fahrt zu machen. Vielleicht können wir dann mal!“

„Herr Jakobs! Sie hören ja! Ich hab's auch eilig, muss zum Bahnhof, sonst fährt mein Zug noch ohne mich ab.“

„Können Sie mir denn nicht noch schnell sagen, wann Sie wieder in Dassborg sind?“

„Wahrscheinlich nie mehr, Herr Jakobs!“ Rosemarie ließ den Erstaunten stehen und stieg ins Taxi.

Im Taxi sitzend, grübelte Rosemarie darüber nach, was dieser Jakobs von ihr gewollt haben könnte. Sie hatte diesen Menschen noch nie gesehen, außerdem interessierte sie sich nicht die Bohne für den Kerl. Schon gut, dass er nicht einen Tag früher gekommen war, vermutlich wollte er ihr nur einen Staubsauger aufquatschen. Nein, es war schon besser so. Sie konnte jetzt endlich ein neues Leben beginnen. Jetzt hoffte sie nur, dass ihre Cousine auch Wort hielt. Als Rosemaries Eltern gestorben waren, hatte Eleonore ihr versprochen, dass sie jede Zeit bereit wäre, Rosemarie bei sich aufzunehmen. Nun hatte ihre Cousine zwar zwischenzeitlich geheiratet… Hoffentlich änderte das nicht ihr Versprechen.

Rosemarie atmete auf. Auf jeden Fall fühlte sie sich jetzt schon ein bisschen freier. Musste sich nicht immer alles sagen lassen, was sie zu tun und zu lassen hatte. „Wenn ich erst eine neue Stelle gefunden habe, habe ich auch eigenes Geld zur Verfügung“, dachte sie bei sich. Die paar hundert Euro, die ihre Tante Frieda hinterlassen hatte, reichten wohl nicht weit.

Sie grübelte und grübelte, als das Fahrzeug durch einen Rums erschüttert wurde, und sie mit Wucht, straff in den Gurt, nach vorne geschleudert wurde.

Sie befanden sich gerade im Verteilerkreis am Schnurdeich. Der Taxifahrer fluchte und stieg aus. Als er gesehen hatte, dass von rechts die Straßenbahn kam, wollte er schnell noch vorweg fahren, ohne zu sehen, dass ein Auto vor ihm hielt, um der Bahn Vorrang zu gewähren.

„So eine verdammte Scheiße! Datt kann auch nur mir passieren, der Wagen iss ja auch grade erst neu!“

Der Fahrer des angerumsten Wagens stieg aus. Es war Uwe Feindt. Er hatte einige Besorgungen in der Dassborger Innenstadt zu machen und hatte Fausto gebeten, ihn zu begleiten.

Uwe schaute sich den Kotflügel seines WWW an, er hatte eine anständige Delle abbekommen. Erfreulich war das ja nicht gerade, da es sich um einen neuen Waiswuàschdwagen handelte.

Doch der relativ kleine Schaden des WWW ließ sich wahrscheinlich schnell ausbessern. Die Front des Taxis sah um einiges schlimmer aus. Der Taxifahrer konnte sich seiner Selbstanklage kaum beherrschen, und verstummte erst, als ihn Uwe zur Ordnung rief. „Nun beruhigen Sie sich erst einmal, lieber Mann! Außer Blechschaden ist ja wohl nichts vorgefallen. Ich sehe gerade, dass Sie auch einen Fahrgast bei sich haben. Kümmern Sie sich jetzt erst einmal darum! Das sollte ihre oberste Priorität sein!“

Uwe ging zusammen mit dem Chauffeur, um die hintere Türe des Taxis zu öffnen. Dort saß Rosemarie zitternd. Uwe drückte den Taxifahrer beiseite und reichte Rosemarie die Hand. „Ist ihnen etwas passiert? Das Beste wäre, Sie würden erst einmal aussteigen. Dann könnten wir auch feststellen, ob bei Ihnen noch sämtliche Gliedmaßen funktionstüchtig sind.“

Hinter Uwe erschien plötzlich Fausto. „Uno momento solo! Lasst uns zuerst die Autos zur Seite schieben! Hinter uns hat sich bereits eine unangenehme Schlange gebildet.“

Mit vereinten Kräften schoben sie die Fahrzeuge an den nächsten Straßenrand.

Uwe fragte Rosemarie, ob sie sich sehr erschrocken habe? Rosemarie, die sich etwas gefasst hatte, meinte: „Ach, es geht schon wieder. Ich war nur gerade so fassungslos, weil ich mit meinen Gedanken ganz woanders weilte. Da habe ich nicht so auf den Verkehr geachtet.“

„Das ist ja auch nun nicht Ihre Aufgabe. Dafür ist der Taxifahrer allein verantwortlich.“

Dieser fing wieder zu jammern an. „Ich weiß auch nich mehr watt ich machen soll. Wenn die Polizei kommt, geht meine Versicherung direkt wieder höher. Können wir datt nich unter der Hand regeln?“

Panpepato schaute Uwe schmunzelnd an. Uwe fragte dann: „Sie meinen außergerichtlich?“

„Ja, sicher! Sie seh'n doch, dass ich schon genug Schäden an meinem Fahrzeug hab'. Wenn Sie nich da gestanden hätten, wäre ich noch vor der Bahn durchgekommen. Ich muss mich schließlich beeilen. Datt Frollein muss zum Bahnhof.“

„Ach so! Deswegen mussten Sie natürlich schnell fahren“, meinte Uwe ironisch. „Na gut, selbst wenn wir das unter der Hand regeln, wie Sie sagen, an eine Weiterfahrt Ihrerseits ist nicht mehr zu denken. Sie müssen abgeschleppt werden!“

Verzweifelt schaute Rosemarie auf ihre Armbanduhr. „Können Sie mir nicht über Funk ein neues Taxi herbeirufen, Herr Taxifahrer? Ich hoffe, ich schaffe es noch zu meinem Zug.“

„Wenn der Herr hier einverstanden iss, kann ich datt machen. Wenn aber nich, müssen Se für ne Zeugenaussage hier bleiben.“

Verzagt schaute Rosemarie Uwe an.

„Ich denke es ist nicht nötig, auf die Polizei zu warten.“ Uwe nahm seinen Dienstausweis heraus und hielt ihn dem Taxifahrer unter die Nase.

„Ach, du grüne Scheiße! Bin ich denn heute vom Pech verfolgt? Ja Frollein, jetzt werden Se wohl Ihren Zuch verpassen!“

„Nein, überhaupt nicht!“ Uwe nahm Rosemarie leicht am Arm. „Die Dame fährt mit uns! Ich habe mir Ihre Taxikennung aufgeschrieben. Ich hoffe dann, von Ihnen zu hören! Und jetzt packen Sie schleunigst das Gepäck der Dame aus Ihrem Auto und legen es in meinen Wagen!“

Perplex schaute der Chauffeur aus der Wäsche. „Ne, ne! Ich kann ja nich. Ich habbet im Kreuz.“

Die Augen himmelwärts gerichtet, meinte Uwe: „Aber den Kofferraum werden Sie ja wohl noch aufschließen können? Aber jetzt ein bisschen dalli, wenn ich bitten darf!“

Schnell nahmen Fausto und Uwe das Gepäck aus dem Taxi und verstauten es im WWW. „Ich habe den Abschleppdienst herbei geordert. Also, bis dann! Wir sehen uns.“

Damit ließ Uwe den Taxifahrer stehen und ließ Rosemarie auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Panpepato, der bereits auf der Rückbank saß, hatte seine Schirmmütze ein wenig ins Gesicht gezogen und die Augen geschlossen.

Uwes WWW sprang einwandfrei an. Er schaute kurz in Rosemaries schönes Gesicht. „Sie wollen also zum Bahnhof! Dassborger Hauptbahnhof nehme ich an?“

Rosemarie nickte.

„Falls es Ihnen nicht zu neugierig erscheint, würde ich gerne wissen, wohin die Reise geht!“

„Oh, nach Nachenburg. Dort ist meine Heimat.“

„Waren Sie hier nur zu Besuch?“

„Nein, nein! Zwei Jahre habe ich hier bei meiner Tante gelebt, seit meine Eltern gestorben sind.“

„Ach, und wo gehen Sie jetzt hin? Haben Sie denn noch andere Verwandte?“

„Noch eine Cousine. Die wollte mich bei sich aufnehmen. Hat sie auf jeden Fall versprochen.“

„Nun, dann wünsche ich Ihnen Glück dazu. Was werden Sie denn dort anfangen, haben Sie schon eine Arbeitsstelle in Aussicht?“

„Nein, das nicht.“ Rosemarie schaute Uwe von der Seite an. „Vielleicht ist es ja dumm von mir. Ich fahr' einfach so hin, in der Hoffnung schnell eine passende Stelle zu finden. Vielmehr hoffe ich, eine Stelle im Laden meiner Cousine zu bekommen. Eleonore hat einen Schmucksalon.“

Uwe schaute kurz zu ihr herüber. „Umso mehr Glück wünsche ich ihnen. Was machen Sie denn, wenn Sie dort nicht unterkommen können?“

„Ich weiß noch nicht genau. Ich werde dann so lange in ein Hotel ziehen und mir später, wenn ich eine Arbeit habe, eine Wohnung suchen.“

„Zurück nach Dassborg wollen Sie nicht ziehen?“

„Eigentlich hat mich bisher hier nichts gehalten.“

„Das ist aber schade! Wenn Sie aber mal wieder zurückkommen, werde ich Ihnen doch mal prophylaktisch nachher meine Visitenkarte geben. Mein Name ist Uwe Feindt. Dass ich bei der Polizei bin, haben Sie sicher schon mitbekommen. Und das da hinten...“ Uwe deutete auf den scheinbar schlafenden Panpepato.

„Das ist der berühmte Privatdetektiv. Fausto Panpepato. Vielleicht können Sie mir auch Ihren Namen noch nennen?“

„Ja. Sicher. Mein Name ist Rosemarie Göttert. Falls Sie mal in der Gegend in Nordwald sind, kommen Sie mich doch einmal besuchen. Auch mit Ihrem Freund. Meine Cousine heißt Eleonore van Laak. Sie ist Schmuckdesignerin und hat ihren Laden ganz in der Nähe des Schlosses in Nachenburg. Gar nicht zu verfehlen.“

„Ich werde Sie vielleicht beim Wort nehmen.“

„Das würde mich freuen.“

In der restlichen Zeit schwiegen sie und jeder hing seinen Gedanken nach. Rosemarie schaute auf ihre Armbanduhr und hoffte, dass sie ihren Zug noch bekommen würde. Am Dassborger Hauptbahnhof herrschte wie immer reger Verkehr. Uwe gondelte einige Male um den Platz, um festzustellen, dass kein Parkplatz mehr zu bekommen war. Nun dann würde er eben zu drastischen Maßnahmen greifen. Er stellte also kurz entschlossen seinen WWW im eingeschränkten Halteverbot ab, sprang aus dem Fahrzeug, nahm ein Blechschild, mit der Aufschrift, Polizeieinsatz aus seinem Kofferraum und legte es hinter die Windschutzscheibe.

Panpepato, der bislang keinen Mucks von sich gegeben hatte, stieg mit einem grübelnden Gesichtsausdruck aus. Uwe schaute ihn fragend an, sah dann aber wieder zu Rosemarie. „Sie wissen doch hoffentlich, von welchem Gleis Sie abfahren?“

„Ja, Gleis 1!“

„Dann wollen wir mal!“

Uwe und Panpepato nahmen die Gepäckstücke heraus, und hechteten zusammen mit Rosemarie zu den Bahnsteigen. Wie auf Kommando fuhr der Intercity ein. Sie gaben sich zum Abschied die Hand. Und die beiden Herren hoben die Gepäckstücke in den Zug.

„Hoffentlich finden Sie im Nordwald jemanden, der Ihnen hilft, sonst wird es schwer für Sie.“

„Es wird schon gehen. Und danke sehr, für Ihre Mühe!“

Uwe und Panpepato schauten zu, wie der Zug den Bahnhof verließ.

Oskar Pattmann

Oskar Pattmann, von seinen Freunden und Bekannten allgemein OPI genannt, saß gemütlich in einem Sessel, in seinen Wohnzimmer, das sich ganz in der Nähe des Dassborger Hafens befand. Sein alter Bekannter, Wilhelm Nüssgen brachte gerade die Post herein. Wilhelm Nüssgen war zwar nicht der Hellste, aber er hing an Pattmann wie ein Hündchen. Pattmann hatte Nüssgen vor einigen Jahren mal aus der Klemme geholfen, und seit dieser Zeit hatte er einen Kammerdiener, Gesellschafter, Minimalsekretär, Fußabtreter und Mädchen für was auch immer. All das ergo in Gestalt von Wilhelm Theobald Nüssgen, genannt Willi.

Willi übergab die Post immer vorsortiert, denn OPI mochte keine Reklame. OPI nahm einen Brief entgegen und schlitzte ihn fachgerecht mit dem rechten Zeigefinger auf. Der Brief enthielt nur einen kleinen Zettel mit der Aufschrift: Erledigt!

„Aha! Nun gut! Willi! Lass sofort, durch meine Bank, 5000 Euro an X anweisen!“

„Sehr wohl, Chef! Nüssgen nahm den Zettel. „Meinst du, der kommt aus Australien?“ Willi drehte den Zettel einige Male durch die Finger, als ob er so seine Echtheit feststellen könnte.

„Ich denke schon. Wer sollte sonst von der Sache Kenntnis haben?

Nüssgen zuckte mit den Schultern. „Übrigens, OPI! Wollt ich dir noch sagen! Nebenan iss so'n bescheuerter alter Knacker eingezogen. Wortkarg und kennt keine Tageszeit. Wollt ihn grüßen, aber der kriegt sein Maul nicht auf, dieser dämliche Spaghettifresser. Zerbinotto heißt er.“

Pattmann machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. „Was kümmert's uns?“

An der Haustür wurde heftig geklopft. „Sieh nach, Willi!“

Nüssgen schlurfte gemächlich zur Tür und kam mit einem unscheinbaren Mann, im grauen Popelinemantel ins Wohnzimmer.

„Chef! Es iss Jakobs. Er will Sie sprechen. Hat die Kleine ausfindig gemacht.“

Unterwürfig grüßend trat Jakobs auf Pattmann zu. „Gnädiger Herr, ich komme, um zu berichten.“

„Was gibt’s denn? Haben Sie, sie also endlich gefunden?“

„Ja.“

„Wirklich?“ OPI sprang begeistert aus seinem Sessel.

„Ja, aber wir haben sie wieder verloren. Sie zieht fort und konnte uns keine Adresse angeben.“

„Was? Sie schwachsinniges Rindvieh! Wofür bezahle ich Sie? Meinen Sie, ich honoriere Ihre Misserfolge? Die Provision können Sie sich erst mal von der Backe putzen! Solange ich nicht höre, dass Sie irgendetwas unternommen haben, gibt’s keinen Scheck.“

„Wir haben was unternommen.“

„Und was?“

„Wir haben ein Foto gemacht.“

„Ein Foto? Und was soll das bringen? Geben Sie das Foto mal her!“

Jakobs übergab Pattmann das Foto.

„Das ist sie also.“ Zärtlich fuhr OPI mit dem Finger über die Aufnahme. „Und, was macht sie so? Ist sie verheiratet? Hat sie einen Freund? Hoffentlich können Sie mir wenigstens darüber Mitteilung machen!“

„Alles nicht, gnädiger Herr!“

„Alles nicht! Alles nicht!“ Pattmann äffte die, etwas hohe Stimme, Jakobs nach. „Also wissen Sie nichts?“

„Doch, gnädiger Herr, wir wissen.“

„Ja, was wissen Sie denn, Jakobs? Lassen Sie sich doch nicht jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen!“

„Ich meine, sie ist nicht verheiratet, gnädiger Herr. Und Freund hat sie auch keinen.“

„Keinen Freund? Das gibt’s doch gar nicht! Mit diesem Aussehen! Sind die Kerle blind oder was?“

„Alles nicht, gnädiger Herr!“

„Grund Gütiger! Jakobs! Können Sie auch noch was anderes sagen!“

„Die Dame hat ihre Tante gepflegt, gnädiger Herr. Sie kam nicht viel aus dem Haus. Musste immer bei der Tante bleiben. Die Tante hatte sonst Angst. Wollte nicht alleine bleiben, die Tante hat sonst geweint.“

Pattmann schaute nochmal auf das Foto. „Das ist ja eine Schande! Na, für mich ist's ein Glück. Wie wollen Sie jetzt also weiter vorgehen, Jakobs? Oder warten Sie mal! Sagen Sie's mir nicht! Ich will es nicht wissen! Sagen Sie mir nur, was Sie jetzt noch wissen!“

„Wir wissen, dass sie mit dem Zug zum Nordwald gefahren ist. Doch vorher war sie noch in einen kleinen Unfall verwickelt.“

„Sie hatte einen Unfall? Ihr ist doch wohl nichts geschehen, oder?“

„Nein, war ein kleiner Unfall. Sie hat dadurch eine Bekanntschaft gemacht.“

„Eine Bekanntschaft gemacht? Zum Teufel, Jakobs! Wen hat sie denn kennengelernt.“

„Hat den Kommissar Uwe Feindt kennengelernt.“

„Wie soll ich das verstehen, Jakobs? Was hat ein Mann vom Morddezernat, bei einem gewöhnlichen Unfall verloren?“

„Der Taxifahrer hat ihn angefahren, den WWW vom Kommissar.“

„Aha! Und weiter?“

„Dann hat der Kommissar sie zum Bahnhof gefahren.“

„Und weiter?“

„Dann ist sie in einem Zug zum Nordwald gefahren.“

„So, so. Wo kann sie hingefahren sein?“

„Sicher zur Cousine, gnädiger Herr.“

„Cousine?“

„Frau Eleonore van Laak, gnädiger Herr.“

„Ach so. Mein Gott, welch ein Märchen. Das Mädchen und der Kommissar. Ist ja wohl nicht anzunehmen, dass die beiden in Verbindung bleiben. Andererseits, die Kleine sieht passabel aus. Unser guter Kommissar könnte Feuer gefangen haben. Soviel ich weiß ist der Mann auch noch Single. Vielleicht sind die Adressen ausgetauscht worden. Bleiben Sie ihr auf jeden Fall auf den Fersen, Jakobs! Ich will alles wissen. Haben Sie gehört? Alles!“

Die Herrschaften von Wenden

Mit einem Taxi wurde Panpepato direkt vor die Haustür des Ehepaares, Doktor Guido - Ebrahim und Frau Luise von Wenden gefahren. Die Luxusvilla befand sich in einer Nobelgegend mitten am Rande in Dassborg – Harn. Nach einem kleinen Anruf bei den Herrschaften hatte Panpepato das erreicht, was er erhofft hatte, nämlich, sie engagierten ihn, um den Verbleib des Kohlenauges aufzuklären.

Fausto betätigte den Seilzug an der Türglocke, worauf ihm von einem blitzblanken Hausmädchen, im schwarzen Kleid und weißem Schürzchen geöffnet wurde. Das Dienstmädchen wünschte ihm einen guten Tag und fragte, ob er der Signor Panpepato sei. Panpepato bestätigte das, zückte zusätzlich noch seine Besuchskarte, und daraufhin wurde ihm Eintritt gewährt.

Langsam, in großen Schritten, folgte er dem Mädchen durch einen langen, mit prunkvollem Teppich ausgelegten Flur. Seine schweren Füße senkten sich tief in den prächtigen Flor. An den Wänden prangte die Ahnengalerie derer von Wenden. Die, deren Leiber zu Staub geworden waren, verfolgten im Bilde den Riesen mit vornehm empörten Blicken. An einer schweren Eichentür stoppte das Hausmädchen und klopfte gezieme an selbiger.

„Signor Panpepato wäre jetzt gekommen Herr Doktor!“

Daraufhin wurde von drinnen zum Einlass aufgefordert. Von Wendens saßen an einem runden Tisch, im Erker, im grünen Salon.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739360232
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (August)
Schlagworte
Diebstahl Krimi Spannung Panpepato Detektivgeschichte

Autor

  • Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)

Ulrike Ina Schmitz geboren 1958 in Duisburg - Wohnt seit dem Jahr 2005 mit ihrem Ehemann und 2 Hunden im Westerwald - Schreibt und liest gerne, bevorzugt leichte Kriminalliteratur
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Titel: Panpepato im Farbspiel der Opale