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Nussküsschen für den Weihnachtsmann

Kurzroman

von Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)
75 Seiten
Reihe: Waldwünschelbach, Band 6

Zusammenfassung

Bäckermeisterin Marla ist enttäuscht, denn ihr Freund kann nicht verstehen, dass ihr die kleine von den Eltern geerbte Bäckerei so wichtig ist. Er lässt sie noch vor Weihnachten sitzen, um seinen Urlaub in der Karibik zu verbringen. Gerade jetzt zum Weihnachtsgeschäft hätte sie zumindest seine moralische Unterstützung so nötig gebraucht. Um das Weihnachtsgeschäft ein bisschen in Gang zu bringen, engagiert Marla kurzentschlossen einen Weihnachtsmann. Allerdings bemerkt sie schon bei seinem ersten Auftritt, dass er mehr ist als nur ein Weihnachtsmann unter vielen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Zur Autorin

Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Hunden im Westerwald.




 

Handlung des Romans

Bäckermeisterin Marla ist enttäuscht, denn ihr Freund kann nicht verstehen, dass ihr die kleine von den Eltern geerbte Bäckerei so wichtig ist. Er lässt sie noch vor Weihnachten sitzen, um seinen Urlaub in der Karibik zu verbringen. Gerade jetzt zum Weihnachtsgeschäft hätte sie zumindest seine moralische Unterstützung so nötig gebraucht. Um das Weihnachtsgeschäft ein bisschen in Gang zu bringen, engagiert Marla kurzentschlossen einen Weihnachtsmann. Allerdings bemerkt sie schon bei seinem ersten Auftritt, dass er mehr ist als nur ein Weihnachtsmann unter vielen. 


Eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Unstimmigkeiten

„Ich glaube ja nicht, dass das Mengenverhältnis stimmt, Helga. Wo hast du nur das Rezept dafür ausgegraben?“ Bäckermeisterin Marla Urenbach schüttelte den Kopf, nachdem sie ein wenig von dem neuen Plätzchenteig probiert hatte. 

„Wieso?“, fragte Bäckerfachverkäuferin Helga Kleinmann irritiert. „Ich habe es aus einer Zeitschrift abgeschrieben. Das muss stimmen.“

Aus einer Zeitschrift? Wie kommen wir dazu so etwas hier auszuprobieren? Kannst du das nicht zu Hause machen? Du weißt doch, dass wir seit Jahren die klassischen Weihnachtsrezepte verwenden. Unsere Kunden wollen das altbewährte Gebäck.“ Marla probierte abermals von dem Teig und verzog das Gesicht. „Wenn es wenigstens noch schmecken würde … Gib am besten noch ein bisschen von den gemahlenen Röstmandeln hinein und eine kleine Prise Zimt.“ 

Die pummelige, achtzehnjährige Helga tat wie ihr geheißen wurde. Nachdem der Teig einige Runden in der großen Rührmaschine absolviert hatte, nahm Marla erneut eine Kostprobe. „Ja, genau. So schmeckt es wenigstens. Die Plätzchen können wir dann bei der Weihnachtsfeier im Gemeinschaftshaus anbieten.“ Marla nickte zufrieden. Obwohl sie gegen das Rezept Einspruch erhoben hatte, freute sie sich darüber, dass die frisch gebackene Bäckereifachverkäuferin so engagiert war und oftmals sogar in der Backstube tatkräftig mit anfasste. Immerhin hatte Marla stets selbst neue Ideen für leckeres Backwerk. Abgesehen davon war sie jedoch nicht so begeistert, dass Rezepte, die andere Leute kreiert hatten, in ihrer Bäckerei verwendet wurden. Dabei konnte es eventuell zu Urheberrechtsstreitigkeiten kommen. Nun, dieses Rezept war, wie es auch sei, abgewandelt, darüber könnte sich aller Voraussicht nach keiner mehr beschweren. 

Marla schaute auf die Uhr. „Jens braucht aber heute beträchtlich lange für die Brötchenauslieferung.“ Jens Naumann war der Auszubildende im ersten Jahr und brachte täglich, außer Sonntags, die Brötchen zu den Waldwünschelbacher Kunden. Helga stieß einen spitzen Schrei aus und rief: „Ach herrje, ich habe ganz vergessen dir Bescheid zusagen. Jens hat eine Reifenpanne.“

„Was? Warum sagt ihr mir das nicht? Wie liefert er denn jetzt die Brötchen aus?“

Helga schaute schuldbewusst. „Jens hat angerufen, als du auf dem Klo warst. Er sagt, er geht zu Fuß. Die Brötchen werden jedenfalls ausgeliefert.“

Marla verzog den Mund. „Ja, aber wie lange wird das dauern? Wir können uns nicht leisten Kunden zu verlieren. Hat Jens wenigstens sein Handy dabei?“ Marla beruhigte sich, atmete erleichtert auf und sagte: „Na sicher, das muss er ja, sonst hätte er ja nicht anrufen können.“ 

Helga schüttelte den Kopf. „Er hat sein Handy in der Arbeitsjacke gelassen, die im Umkleideraum hängt.“

„Aber du sagtest doch gerade, er hat angerufen?“

„Hat er auch, aber von Liebkinds aus. Da musste er ja auch Brötchen ausliefern.“

„So ein Mist. Ich kann doch jetzt nicht alle Kunden anrufen, um nachzuforschen, wo Jens im Moment ausliefert. Der Junge treibt mich noch in den Wahnsinn.“

Helga grinste hämisch. „Das habe ich dir ja schon immer gesagt, der Schluffi hat eben nichts weiter im Kopf als seine Musik.“ Das war so ein kleines Streitthema zwischen Helga und Jens. Jens spielte in seiner Freizeit leidenschaftlich E-Gitarre und das gar nicht mal so schlecht. Helga spielte bedauerlicherweise keinerlei Instrument und hatte auch sonst keine Hobbys, außer vielleicht, das Durchlesen von Kontaktanzeigen in der örtlichen Zeitung, da sie ständig auf der Suche nach einem Freund war. 

Marla sah ihre Gehilfin scharf an. „Da will ich aber hoffen, dass du wenigstens die Zukunft unseres Betriebes im Kopf hast, denn, wenn unsere Bäckerei den Bach hinuntergeht, sind wir alle draußen.“

Nun blickte Helga doch schuldbewusst. „Soll ich ihm eventuell hinterherfahren? Er wird ja wohl die Kundenreihenfolge einhalten.“

„Das kann man nicht wissen“, stöhnte Marla. „Außerdem brauche ich dich hier.“

Die Bäckermeisterin überlegte. Wen könnte sie dem Jungen hinterherschicken? Aus dem Betrieb stand ihr im Moment leider keiner zur Verfügung, denn der Bäckergehilfe Klaus Schümmer, der ansonsten für die Bäckerei Urenbach arbeitete, hatte sich mit Grippe krankgemeldet. Ob sie ihrem Freund damit kommen durfte? Der hatte ja zurzeit Urlaub und war außer Zweifel noch oben in der Wohnung. Marla seufzte innerlich. Bestimmt wäre Steffen nicht begeistert darüber ihr zu helfen. 

Steffen Rost lag noch im Bett mit dem Laptop auf seinem Schoß und surfte dabei eifrig im Internet. Er suchte diverse Portale nach Last-Minute-Angeboten ab. Er wollte, komme was da wolle, über Weihnachten irgendwo hinfliegen, wo es warm war. Jetzt müsste er es nur noch schaffen, Marla von ihrem Betrieb loszueisen. Zu aller Not würde er sich selbstverständlich auch alleine davonmachen, denn Marlas Getue um die Bäckerei ging ihm ziemlich auf den Zeiger. Seine Freundin hatte derart Angst davor ihre kleine Bäckerei für eine Weile zu schließen, dass es ihm schier lächerlich anmutete. Steffen rümpfte missmutig die Nase. Marla befürchtete unverständlicherweise, dass ihr dann die Kundschaft weglief. So ein Unsinn, oder? Und wenn auch? Seine Meinung nach war nichts Schlimmes daran, wenn keine Kunden mehr kämen. Der gutaussehende Blonde räkelte sich gähnend im Bett. Diese kleine Klitsche bringt doch sowieso nicht genug ein, bei der Menge Arbeit, die man dafür leisten musste. Morgens musste Marla in aller Herrgottsfrühe aufstehen und war abends deshalb so hundemüde, dass an Ausgehen überhaupt nicht mehr zu denken war. Manchmal schlief sie quasi sogar beim Sex ein, dass das einen Mann nicht erfreuen konnte würde bestimmt jeder verstehen. Sicher, backen konnte Marla, dass musste man ihr lassen. Steffen schaute an sich herab. Von dem guten Zeug hatte er sich in gewisser Weise bereits eine kleine Wampe angefressen. Er scrollte weiter in den Reiseangeboten, als mit einem Mal die Tür aufging und Marla auf der Bildfläche erschien. „Gott sei Dank, dass du wach bist, Steffen. Könntest du mir vielleicht einen klitzekleinen Gefallen tun?“ 

Was denn? Sag jetzt nicht, dass wieder irgendeine deiner Leitungen verstopft ist. Ich habe Urlaub und da mache ich aus Prinzip nichts.“ 

Da Steffen als Gas und Wasser Installateur sein Geld verdiente, hatte er schon so manches Leck in den alten Leitungen der Bäckerei beheben müssen. Doch jetzt, in seinem Urlaub, gedachte er nicht eine Minute daran, mal wieder an den alten Rohren des Betriebes herumzuschrauben.

„Nein. Gott bewahre. Die Leitungen scheinen derzeit stabil zu sein. Könntest du bitte, mir zu Liebe, Jens hinterherfahren? Sein Rad hat einen Platten und so kann er die Brötchen nicht pünktlich ausliefern.“ Da Steffen ein abweisendes Gesicht machte, verlegte Marla sich aufs Bitten. „Komm, sei doch so gut. Ich bringe dir auch gleich etwas von dem leckeren Brot, dass du so gerne isst.“ 

Steffen zog die Brauen hoch. „Du willst wohl, dass ich fett werde?“

Marla schüttelte den Kopf. „Du wirst schon nicht fett. Schließlich treibst du ja regelmäßig Sport.“

„Na, das muss ich ja auch, bei dem vielen Kuchen, den ich mir hier immer reinstopfen muss.“

„Hallo? Du musst überhaupt nichts in dich hineinstopfen. Du isst immer alles freiwillig.“

Ja, ja. Sei nicht gleich beleidigt.“ Steffen setzte sich auf und fuhr den Computer herunter. „Wo treibt sich der Kerl denn herum?“ 

So genau weiß ich das nicht, doch du kannst die Kundenliste mitnehmen. Am besten packst du sein Rad auf deinen Pickup und ihr bringt die restlichen Brötchen schnell unter die Kundschaft.“ 

Dafür habe ich aber was gut bei dir“, sagte Steffen und stand auf. 

Ja, ich sagte doch, du kannst von dem leckeren Brot haben.“ 

Ich dachte viel mehr an unseren Weihnachtsurlaub.“ 

Marla schüttelte den Kopf. „Nicht das schon wieder Steffen. Wir haben doch bereits lang und breit darüber geredet. Du weißt doch, dass ich hier nicht so einfach wegkann.“

Du könntest schon, wenn du nur wolltest. Na, du wirst schon sehen, was du davon hast.“ 

Als Steffen endlich unterwegs war, stöhnte Marla erleichtert auf. Sie warf einen Blick auf die Uhr und beeilte sich, zurück in die Backstube zu kommen, um die Lieferungen für die Kurklinik und das Café fertigzumachen. 

Weihnachtsmann gesucht!

Nikolas Kremer studierte die Jobanzeigen in der örtlichen Zeitung. Wie konnte es sein, dass keiner in so einem großen Ort wie Letzendenburg, einen Konditor suchte? Sicher, es wäre möglich in eine noch größere Stadt zu ziehen, denn dort wo er jetzt arbeitete konnte er keinesfalls bleiben. Seine Chefin machte ihm von Mal zu Mal penetrantere Avancen. Meine Güte, sie war eine verheiratete Frau. Nikolas wollte nichts von ihr. Er wollte nur in Ruhe seinen Job machen. Seinen Traumjob. Er liebte seine Arbeit, jedoch so eine Besessene, wie seine Chefin, konnte einem so ziemlich die tollste Arbeit vermiesen. Wenn er doch nur erst eine neue Stelle in Aussicht hätte, dann würde er seinen Job bei der Konditorei Rauschmann sofort kündigen. Diesen Stress vertrug er schlecht, hatte er doch in seiner Vergangenheit schon zu viel davon gehabt. Nikolas war bereits vor Jahren zu Hause ausgezogen, weil er sich mit seinem Stiefvater nicht vertrug. Gegenwärtig wohnte er deshalb mit seinem besten Freund Max zusammen, den er schon aus der Schulzeit kannte. Er war froh darüber, dass Max ihm den Vorschlag machte, gemeinsam eine Wohnung zu mieten. Das war schließlich billiger und verstanden hatten sie sich sowieso seit jeher. Max Drechsler studierte Philosophie, und war ein Überflieger, der etliche Schuljahre übersprungen hatte. Aufgrund dessen war er auch um einiges jünger als Nikolas. Max hatte bezüglich seiner Intelligenz nur sehr schwer Anschluss gefunden. Trotzdem verstanden Nikolas und Max sich blendend, da sie irgendwie auf einer Wellenlänge lagen. Max lebte von Essenseinladungen und Gelegenheitsjobs. Die Hälfte der Wohnungsmiete spendierte ihm seine Großmutter, die einen Narren an ihrem einzigen Enkel gefressen hatte. 

Als Max heimkam und seinen Freund beim Durchstöbern der Jobanzeigen vorfand, rief er: „Und, gib zu, dass du wiedermal nichts Neues gefunden hast, und dich nun weiterhin mit deiner wollüstigen Chefin herumärgern darfst?“

Nikolas verzog das Gesicht. „Ich verstehe das nicht. Braucht heutzutage keiner mehr einen anständigen Konditor?“

Warum machst du dich nicht endlich selbstständig? Du sagtest mir doch, dass du dafür schon etwas auf der hohen Kante hast.“ 

Ja schon, aber es ist bei Weitem noch nicht genug. Ich brauche noch mindestens zwei Jahre, bis ich genug Geld dafür zusammen habe.“ 

Na dann … musst du eben noch Ausharren und dir die Anzüglichkeiten der flotten Bärbel gefallen lassen.“ 

Nikolas stöhnte auf. Seine Chefin Bärbel Rauschmann war grausig. Nicht, dass sie schlecht aussah, wenn man dieser Art Typ mochte. Künstlich blonde Barbiepuppe mit aufgespritzten Lippen. Doch er fand die Frau eher abstoßend. Nikolas hatte nahezu eine Aversion gegen seine Chefin, da die ihn ständig sexuell belästigte. Nun, er würde also auch weiterhin die Faust in der Tasche machen müssen, denn ein paar tausend Euro brauchte er noch für seine eigene Konditorei. Das müsste doch zu schaffen sein? 

Marla sah sich das Schaufenster ihrer Bäckerei von außen an und sagte zu Helga, die neben ihr stand: „Sieht doch schon ganz gut aus, mit der neuen Weihnachtsdeko. Doch ich finde, wir sollten hinten rechts in der Ecke noch den großen schaukelnden Weihnachtsmann, den wir vom Spielzeugkaufhaus Letzendenburg geschenkt bekommen haben, anbringen. Das bringt ein bisschen Leben ins Schaufenster. Die meisten Leute die gucken, die kaufen auch etwas.“

Das Riesending?“ 

Ja, warum nicht? Das sieht bestimmt gemütlich aus, wie der freundliche Weihnachtsmann in seinem Schaukelstuhl schaukelt.“ 

Also soll ich tatsächlich das Ungetüm von batteriebetriebenem Weihnachtsmann noch aus der gigantischen Weihnachtsdekokiste nehmen?“ 

Ja genau“, bestätigte Marla lachend. 

Kann Jens das nicht machen?“, bettelte Helga. „Der muss das schließlich auch mal lernen.“ 

Mach du es besser. Jens ist manchmal noch recht ungeschickt. Im Moment ist er ja eher hier unser Mann fürs Grobe.“ Helga brummte, tat allerdings wie geheißen. 

Einige Zeit später schauten sich, Marla, Helga und Jens das Schaufenster an. So recht zufrieden, war Marla in der Tat nicht. „Ich glaube, dieser Weihnachtmann ist zu groß für das kleine Fenster. Man schaut dann nur noch auf ihn. Die Riesenfigur verdeckt vollkommen die Tafel auf der unsere Angebote verzeichnet sind. Außerdem verspricht er mit seiner Anwesenheit mehr als wir zu bieten haben. Da er zu allem Übel auch noch immer das angeklebte Schild, >Heute kommt der Nikolaus<, um den Hals trägt. Und wie wir ja alle wissen, kommt kein Nikolaus zu uns.“

Warum eigentlich nicht?“, fragte Jens. „Das wäre doch der Knüller und du könntest den Weihnachtsmann zu Werbezwecken im Fenster belassen.“ 

Du spinnst doch“, tönte Helga. 

Marla überlegte. „So schlecht finde ich Jens Idee nicht. Doch, wo sollen wir so schnell einen Nikolaus herbekommen? Kosten darf er nämlich nichts. Zumindest nicht viel.“

Das könnte ich doch machen“, ereiferte sich Jens. 

Helga prustete: „Du? Schau dich doch mal an. So schlaksig und dürr wie du bist, glaubt ja überhaupt keiner mehr an den Weihnachtsmann.“

Marla schüttelte den Kopf. Wir brauchen dich auch zum Backen, Jens. Wir müssen jemanden anderen finden. Doch wo?“ 

Man könnte doch eine Anzeige an Heike Huhns Pinnwand machen. In ihrem Laden ist schließlich ein Kommen und Gehen“, meinte Jens eifrig. 

Gute Idee, Jens“, lobte Marla. Woraufhin der Auszubildende puterrot anlief. „Ich mache sogleich einen Zettel fertig und du läufst schnell hinüber zum Laden und gibst ihn Heike, damit sie ihn an ihrem schwarzen Brett pinnen kann. Viel Zeit ist schließlich nicht mehr, bis zum Nikolaustag.“ Marla begab sich in ihr kleines Büro und schrieb die Anzeige, zur Sicherheit rief sie dann auch noch bei Heike Huhn im Waldwünschelbacher Gemischtwarenladen an. Die Geschäftsinhaberin war erfreut. „Das ist so eine tolle Idee, Marla. Hier gehen ja etliche Männer ein und aus. Ich werde alle potenziellen, dafür infrage kommenden, Herren auf die Anzeige hinweisen.“ 

Sexuelle Belästigung

In seiner Arbeit vertieft legte Nikolas soeben die gefertigten Rumpralinen aufs Abtropfgitter als seine Chefin Bärbel Rauschmann zu ihm an den Arbeitstisch trat. „Hallo mein süßer Nikolas!“ Sie trat ihm, wie unbeabsichtigt, so nah, dass es Nikolas schwerfiel sich so zu bewegen, dass er keinen Körperkontakt mit ihr bekam. Er hielt die Luft an. Die Frau war ihm so unangenehm wie nur was. Ihr aufdringliches Parfum ging ihm durch und durch und er musste wieder einmal darüber nachdenken, wie es nur möglich war, das eine Frau, in diesem Beruf, sich derart starke Gerüche auftrug. 

„Schaffen wir die Trüffel Bestellung bis morgen, mein Bester?“

„Ja“, antwortete er knapp und versuchte ruhig weiterzuarbeiten, bis sich ihm plötzlich von hinten eine Hand zwischen die Beine schob. Nikolas schrak dermaßen zusammen, dass ihm der Topf mit der heißen Kuvertüre hart auf die Arbeitsplatte fiel. Schnell machte er einen Schritt zur Seite und drehte sich um. „Was soll das? Jetzt haben Sie es definitiv zu weit getrieben.“

Mein Gott! Du bist doch ein junger Mann. Da hat man es doch ganz gerne, wenn eine gutaussehende Lady einen berührt. Guck mal nur, was du für eine kleine Schweinerei angestellt hast, mein lieber Nikolas. Du hast mich ganz voll gespritzt“, säuselte Bärbel Rauschmann anzüglich und wischte an ihrem Busen herum. Tatsächlich hatte sie einige Spritzer der Kuvertüre auf ihrem Dekolleté abbekommen. 

Daran sind Sie ja wohl selbst schuld, weil Sie Ihre Hände nicht bei sich behalten können. Heute haben Sie es endgültig zu weit getrieben. Ich kündige!“ Nikolas trat sogleich einen Schritt beiseite und hastete in den Umkleideraum, um dort seine Privatsachen zu holen. Bärbel Rauschmann verzog jammernd das Gesicht. „Nikolas, das können Sie mir doch nicht antun“, bettelte sie. „Sie sind mein bester Konditor hier. Was soll ich denn ohne Sie machen?“ 

Das hätten Sie sich vorher überlegen sollen. Ich kann das nicht mehr. Das war too much und außerdem ist es jetzt zu spät für Entschuldigungen.“ Nikolas machte sich gar nicht erst die Mühe sich umzuziehen, da seine Chefin ihm zum Umkleideraum gefolgt war. Er nahm zügig seine Sachen aus dem Spind und packte sie in seinen Rucksack. Nachdem seine Chefin bemerkt hatte, dass all ihr betteln nichts nutzte, umschlang sie Nikolas urplötzlich mit ihren Armen und umklammerte ihn. Nikolas schloss entsetzt die Augen. Was kam denn nun noch? Etliche Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Sein Stiefvater hatte seine Mutter geschlagen, er hatte immer noch ihr wimmern im Ohr, wenn er daran dachte. Er würde jedoch niemals eine Frau schlagen, komme was da wolle und wenn es ihm noch so sehr in den Fingern juckte. Nikolas holte tief Luft und sagte mit ruhiger Stimme: „Lassen Sie mich los Frau Rauschmann es hat doch keinen Zweck, ich werde nicht mehr weiter für Sie arbeiten.“ 

Nein, nein! Ich lass dich nicht gehen.“ Man konnte sich gar nicht vorstellen, was diese Frau für eine Kraft in den Armen hatte. Die stete Arbeit in der Konditorei musste ihre Muskeln gestählt haben. Da fiel ihm schließlich ein, dass seine Chefin mittwochs immer zum Bodybuilding ging. Könnte ihre enorme Kraft wohl daher rühren? Nikolas atmete tief durch. Er müsste es nur schaffen irgendwie seine Arme zu bewegen, dann könnte er sich auch befreien. Als er nochmal all seine Kraft zusammennehmen wollte, stürzte mit einem Mal der Mann seiner Chefin in den Raum und schrie: „Was ist denn hier los?“. 

Geistesgegenwärtig rief Bärbel Rauschmann: „Wie gut, dass du kommst, Fritz. Herr Kremer hat mich begrapscht, als ich gerade die Kuvertüre gemacht habe, dann ist er einfach in die Umkleide gerannt. Ich glaube er wollte einfach abhauen, weil ich geschrien habe. Das können wir aber doch nicht zulassen, deshalb habe ich ihn festgehalten.“

Der muskulöse Fritz Rauschmann griff Nikolas am Kragen und brüllte: „Was soll das, Kerl? Du hast dich nicht an meine Frau heranzumachen. Am liebsten würde ich dir die Fresse polieren.“ Der Muskelprotz schüttelte Nikolas heftig hin und her.

„Ich bin nicht der, den sie sich vornehmen sollten“, antwortete Nikolas kühner als ihm zumute war. „Ihre Frau ist die diejenige, die mich sexuell belästigt hat und nicht umgekehrt.“

Fritz Rauschmann klappte die Kinnlade herunter und dann schlug er zu.

Nikolas kam erst wieder zu sich, als eine weiß gekleidete Frau seinen Arm hob, um ihm den Blutdruck zu messen. „Was ist los?“, stammelte er verwirrt. 

Alles in Ordnung“, sagte die Krankenschwester beruhigend. „Sie sind hier im Krankenhaus, weil Sie niedergeschlagen worden sind. Sobald es Ihnen besser geht, können Sie bei der Polizei eine Anzeige machen. Am besten bleiben Sie erst einmal ruhig liegen und ruhen sich aus!“ 

Kurz darauf kam Max Drechsler, Nikolas Freund. Er bemerkte das verbeulte Gesicht seines Freundes und fragte, teils besorgt, teils belustigt: „Hey alter Junge, was ist dir denn passiert?“

„Wo kommst du denn auf einmal her, Max?“

„Na, von zu Hause. Du hattest Glück, es sind ein paar Vorlesungen ausgefallen. Deshalb konnte ich auch sofort kommen, als die vom Krankenhaus anriefen, dass dich jemand abholen soll.“

Nikolas wollte den Kopf schütteln, das tat aber weh und so ließ er es lieber bleiben. „Ich glaube, der Mann meiner Chefin hat mich niedergeschlagen.“ Er rieb sich vorsichtig die Stirn, um sich besser erinnern zu können. 

Was, dieser Muskelprotz? Kein Wunder, dass du da direkt zu Boden gegangen bist. Warum hat er dich denn ausgeknockt?“ 

Er nimmt an, ich hätte seine Frau angefasst.“ 

Ach ja? Das ist doch nicht wahr, oder? Sage nichts! In Wirklichkeit war es andersherum, stimmt's?“ 

„Du hast es erfasst, Junge! Die Furie hat mir zwischen die Beine gegriffen.“

Max lachte schallend, hörte allerdings auf, als er Nikolas saures Gesicht sah. Die Männer schauten auf, als die Krankenschwester ins Zimmer trat. „So Herr Kremer, in ein paar Minuten kommt der Arzt und dann können Sie bestimmt gehen.“ 

Nikolas fragte die Krankenschwester: Sie meinen also, ich solle den Mann, der mich niedergeschlagen hat, anzeigen?“ 

Die Krankenschwester nickte und riet ihm temperamentvoll: „Sie müssen unbedingt Anzeige gegen diesen Barbaren erstatten, der Ihnen das angetan hat. Wo kommen wir dahin, dass die Leute schon einander niederschlagen?

Nikolas stöhnte und murmelte: „Ja, vielleicht haben Sie recht und ich mache das.“

Die Schwester ging aus dem Zimmer und Max fragte Nikolas: „Bist du mit dem Auto zur Arbeit gefahren?“

„Natürlich. Der Wagen steht allerdings noch bei Rauschmann auf den Parkplatz. Könntest du ihn holen?“ 

„Sicher.“ Max schaute auf die Uhr und meinte: „Ich geh mir dann, sobald ich das Auto geholt habe, unten in der Cafeteria noch eine Cola holen. Willst du auch eine?“

Nikolas nickte. „Also warte ich jetzt hier nur noch bis der Arzt kommt und dann können wir endlich hier weg. Beeil dich aber ein bisschen! Ich bin nämlich froh, wenn ich mich daheim noch etwas aufs Ohr legen kann.

Ein paar Minuten später kam der Arzt ins Zimmer. „Herr Kremer?“ Nikolas senkte zustimmend den Kopf. „Haben Sie noch Schmerzen? Sie sind ja ganz schön hart auf den Boden gefallen. Der andere war wohl ein Preisboxer, was?“

Nikolas antwortete nicht darauf. Er ließ sich von dem Doktor ein wenig verarzten, und als dieser ihn, mit der Anweisung sich zu Hause noch etwas hinzulegen, entließ, zog er sich so schnell es sein schmerzender Kopf zuließ, das Krankenhaushemd ab und streifte sich seine eigenen Sachen über. Noch bevor Max mit der Cola zurückkam, hatte Nikolas sich bereits aufgesetzt. „Wir können sofort los!“, empfing Nikolas seinen Freund, der ihm eine kleine Flasche Cola entgegenhielt. 

„Okay, doch trink erst einmal einen Schluck!“ Nikolas setzte sich zurück aufs Bett.

„Und, wirst du den alten Rauschmann nun anzeigen oder nicht?“

Ach, ich weiß nicht. Ich muss es mir überlegen. Immerhin wollte der alte Rauschmann ja nur seine Frau schützen.“ 

Der sollte lieber mal besser auf seine Frau aufpassen oder sie zumindest besser befriedigen, damit die holde Dame nicht auf dumme Gedanken kommt. Wahrscheinlich ist die schöne Bärbel sexuell total unterversorgt und hat sich deshalb an dich herangemacht.“ 

Wie auch immer, es ist mir so was von egal. In diese Konditorei treiben mich keine zehn Pferde mehr.“ 

Also bist du jetzt arbeitslos? Macht aber nichts. Du findest bestimmt allemal etwas Besseres, bei deinen Qualitäten.“ Und das meinte Max auch ernst. Er fand, dass Nikolas der beste Konditor überhaupt wäre. Da wäre es doch gelacht, wenn er nicht in Windeseile eine neue Stelle fände. 

Besser als nichts

Steffen Rost sah zufrieden auf sein Computertablett. Diesem Angebot konnte Marla bestimmt nicht widerstehen. Zwei Wochen karibische Insel zu einem Spottpreis. Sicher, sie müssten in zwei Tagen schon reisefertig sein. Doch wen störte das? Ihn jedenfalls nicht. So viele Klamotten bräuchte man ja auch gar nicht für die Insel. Mein Gott, karibische Weihnacht, welch ein Traum. Flugs sprang Steffen aus dem Bett. Er würde das Marla jetzt sofort unter die Nase halten, da musste sie doch einfach zusagen. 

Marla studierte die Tortenbestellliste. Zwei Hochzeitstorten und sieben normale Torten standen auf dem Programm. Die zwei Hochzeitstorten waren allerdings erst für den vierundzwanzigsten Dezember geplant. Wer heiratete denn am Heiligabend? Marla schüttelte verwundert den Kopf. 

Süße, du wirst es nicht glauben, ich habe den perfekten Urlaub für uns beide gefunden.“ Steffen kam gutgelaunt auf Marla zu. 

Was?“, fragte Marla während Helga neugierig zu ihnen hinüberblickte. „Du bist schon auf Steffen? Ich dachte, du wolltest heute bis Mittag im Bett bleiben?“ 

Nun, wenn es sich um etwas Wichtiges handelt, muss man eben schon mal Kompromisse machen.“ 

Ach ja?“ 

Ich habe jetzt wahrhaftig das perfekte Urlaubsziel für uns gefunden.“ 

Marla verzog das Gesicht. „Du weißt doch, dass ich hier nicht wegkann. Gerade zu Weihnachten sind Unmengen zu backen.“

Ach Quatsch! Wo ein Wille ist auch ein Weg.“ 

Ich habe jede Menge Bestellungen für Weihnachtsfeiern und sogar für den Heiligen Abend zwei Hochzeitstorten.“ 

Na und? Torten kann man auch im Supermarkt kaufen.“ 

Hast du schon mal eine Hochzeitstorte im Supermarkt gesehen?“ 

Meine Güte, eine Torte ist doch wie die andere. Man braucht doch nur einfach dieses Marzipanteigsding, also dieses Hochzeitspärchen, darauf zupacken und schon ist es eine Hochzeitstorte. So einfach ist das.“ 

Wenn du meinst“, antwortete Marla gedehnt. „Trotzdem fahre ich über Weihnachten nicht weg. Wir könnten stattdessen im Frühling einige Tage Urlaub machen. Österreich wäre doch toll oder die Schweiz. Oder der Schwarzwald?“ 

Schwarzwald? Was soll ich denn da? Ich will in die Karibik.“ 

Aber da müssten wir fliegen. Du weißt doch, dass ich Flugangst habe.“ 

Das ist doch Humbug! Du nimmst einfach eine Schlaftablette im Flugzeug und schon kriegst du nichts mehr mit.“ 

Nein Danke.“ 

Ist das dein letztes Wort?“, fragte Steffen scharf. 

Unbehaglich antwortete Marla: „Lass uns doch heute Mittag darüber reden, ich habe jetzt noch etwas zu tun.“

Heute Mittag ist das Last-Minute-Angebot eventuell schon weg. Ich muss jetzt sofort darauf reagieren.“ 

„Na dann … Nein!“

Steffen betrachtete seine Freundin mit geweiteten Augen. „Wie du meinst. Ich fliege in jedem Fall.“ Er kehrte ihr den Rücken zu und ging nach oben in die Wohnung.

Marla atmete tief ein und schaute hinüber zu Helga, die schnell wieder auf ihre Arbeit starrte. Marla lachte freudlos und sagte: „Genug Bespaßung, lass uns weitermachen.“

Als die Bäckermeisterin in der Mittagspause in ihre Wohnung kam, hatte Steffen seinen Koffer aufs Bett gelegt und war dabei, seine Sachen einzupacken.

„Was machst du, Steffen?“

„Na, wonach sieht's denn aus?“

„Ich weiß nicht. Du bist doch nicht etwa beleidigt wegen heute Morgen?“

Steffen zuckte mit den Schultern. „Einmal musste es ja so kommen.“ 

Was meinst du? Was musste so kommen?“ 

Tja“, sagte Steffen und warf seinen Kofferdeckel zu. „Ich denke, das mit uns beiden, das hat keinen Sinn mehr.“ 

Was meinst du?“ 

Na, was ich sage, Süße. Wir haben da wohl verschiedene Interessen, nicht wahr? Du willst weiter deine kleinen Brötchen backen und ich will hinaus in die weite Welt, wo es die süßen Törtchen gibt.“ 

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752129366
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Januar)
Schlagworte
backen Weihnachtsmann Nussküsschen Freundschaft Bäckerei Waldwünschelbach Schokolade Liebe Weihnachten Nikolaus

Autor

  • Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)

Ulrike Ina Schmitz lebt mit ihrem Mann und zwei Hunden im Westerwald.
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Titel: Nussküsschen für den Weihnachtsmann