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Nicht gewonnen und doch zerronnen

von Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)
200 Seiten
Reihe: Detektiv Fausto Panpepato, Band 2

Zusammenfassung

Was man über Panpepato wissen sollte? Fausto Panpepato, ein pensionierter Polizist mit Herz, Humor und Verstand, ist auf Zuraten seines Dassborger Polizeifreundes, nach Dassborg gezogen. Dort klärt der humorvolle und riesenhafte Sympathieträger, mit natürlichem Instinkt, gesundem Menschenverstand und Mithilfe seines Freundes, Kommissar Uwe Feindt, etliche Verbrechen in der Stadt Dassborg auf. Die Stadt Dassborg, ist eine Stadt wie (vielleicht) jede andere. Gespickt mit äußerst fragwürdigen Verbrechen aller Art. Leicht spannend und entspannender Lesespannungsspaß für 12 bis 120 jährige!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

Ulrike Ina Schmitz

Nicht gewonnen und doch zerronnen

Kriminalroman: Panpepatos 2. Fall



Ulrike Ina Schmitz

Westerwald Anno 2011





Sämtliche Figuren und Geschehnisse sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten also rein zufällig.



































Hauptort der Handlung, ist die kleine Großstadt Dassborg. Sie ist eine Stadt wie vielleicht jede andere. Sie hat so ca. mindestens zigtausend Einwohner, von denen mindestens bis fast drei Viertel einer regelmäßigen, legalen Beschäftigung nachgehen. Und dann gibt es die Anderen, die Kriminellen, die allerdings auch regelmäßigen Beschäftigungen nachgehen. Durch Dassborg fließen zwei Flüsse, der Propper und die Schnur. Eine der Brücken über dem Propper verbindet die Ortsteile, Schnurort und Bomberg, die Fritz-Schweinert-Brücke. Hier beginnt das Übel…









VORGESCHICHTE

Um 1 Uhr früh in der Dassborger Altstadt, zählte der Trinkhallenbesitzer Hellmuth Bopang seine Einnahmen, bevor er seine Bude dichtmachte.

Zur selben Zeit, in der Nähe der Trinkhalle, waren fünf betrunkene Jungen dabei >Rabatz< zu machen. Sie grölten hemmungslos, frei von Rücksichtnahme auf die nächtliche Stunde. Zu ihrer Belustigung bewarfen sie sich mit Erdnüssen und beschütteten sich mit Bier, danach warfen sie die Flaschen in die Luft, um damit der Straßenbeleuchtung den Todesstoß zu versetzen.

Jedes Mal, wenn einer der >niedlichen Knäblein< ins Ziel getroffen hatte, brach Jubelgeschrei aus. Das bedeutete: Die nächtliche >Kinderbelustigungsparty< war voll im Gange.

Einer der Knaben, ein ansehnlicher Schönling rief: „Boh äh, ich glaub’ ich werd’ langsam nüchtern. Wird Zeit, datt wir langsam für Nachschub sorgen. Und es ist auch sowieso noch viel zu hell hier. Besser wär’ überhaupt Hochprozentiges, aber ich glaub’ für euch Hosenscheißer ist datt nix. Also, wo kriegen wir jetzt datt Bier her?“

Ein kleiner hellhäutiger, fast weißhaariger Junge, schaute zu seinen doch schon reichlich angetrunkenen Kumpel hinüber und konterte: „Gib mal bloß nicht so an Fredo! Willst du etwa einer der Junkies sein, die anderntags im Krankenhaus aufwachen, weil man ihm den Magen ausgepumpt hat? Also Bier reicht mir persönlich völlig. Das Problem ist allerdings ...“ Der kleine krempelte seine Hosentaschen nach außen. „Ich bin total blank. Mein Taschengeld für diesen Monat ist schon verkonsumiert Leider sind meine beiden Oldies nicht so spendable, wie deine Mutter. Wenn ich wenigstens schon einen Ausbildungsplatz hätte, aber die Chefs rennen einem ja heutzutage auch nicht gleich die Tür ein.“

Angewidert verzog, der als Fredo angesprochene Schöne, sein Gesicht. „Mensch, meinst du etwa, datt interessiert uns?“

Nicht wirklich beleidigt schaute der Kleine ihn an. „Ja, dich interessiert’s vielleicht nicht, du hast ja schon eine Lehrstelle.“

Fredo verzog die Augenbrauen, ignorierte aber den Ausfall des Kleinen. Er schaute die anderen drei Pappenheimer, die ulkend durch die Gegend drifteten an. „Wie isset mit euch? Habt ihr vielleicht noch genug Knete in der Tasche, oder wartet ihr auch darauf, datt euch jemand erst ma einen Ausbildungsplatz anweist?“

Der Weißblonde musste schrecklich über diese Frage kichern, dass er sich fast an seiner eigenen Spucke verschluckt hätte. Sein Freund, der dunkelblonde Jan Prosa stürzte gleich auf ihn zu und klopfte ihm kräftig auf den Rücken. „Mensch Gackerer, willst du uns etwa auf offener Straße, an deinem eigenen Sabber verenden?“

Nachdem der Gackerer sich wieder gefangen hatte, schaute er sich um. „Dort drüben ist übrigens ne Bude. Was sollen wir aber dort, ohne Geld? Oder meint ihr, der gibt uns Kredit?“

Überheblich schaute Fredo die beiden Freunde an. Das viel ihm leicht, denn er war gut einen Kopf größer als Jan Prosa und mindestens zwei Köpfe über Ottmar Schurf, Gackerer genannt. „Ihr seid doch reichlich kindische Schwachköpfe. Warum sollte uns der Alte, dem die Bude gehört, Kredit geben. Da weiß ich watt besseres.“

Fredo zog eine Scheckkarte aus seiner Hosentasche.

Die beiden Nachzügler die jetzt zu den anderen stießen staunten. Der rotgelockte Peter, genannt Pit, rief: „Du hast eine eigene Scheckkarte? Das ist aber mal gediegen.“

Fredo stieß das Kinn nach vorn. „Quatsch kein Scheiß! Obwohl ich natürlich auch meine eigene hab. Näh, datt iss auf jeden Fall nicht meine eigene. Meint ihr, ich würde für euch Schwachköpfe was von meinem eigenem Geld ausgeben? Näh, die hier ...“ Er bog die Karte ein wenig mit den Fingern, die hab ich ner alten Omma geklaut. Watt soll die Olle sonst mit ihrem ganzen Geld anfangen. So alte Leute haben doch schließlich alles. Und wenn auch nicht, ist sowieso egal, alte Leute sterben schnell. Dann iss datt schöne Geld weg und der Staat kassiert die Knete.“

Der Gackerer fing an zu kichern, doch Pit meinte: „ Das ist doch Unsinn! Du hast dich strafbar gemacht!“

Fredo zog die Augenbrauen nach oben. „Ach wirklich? Und ihr? Ich hab genau gesehn wie ihr mit der Bierflasche die Glühlampe der Straßenbeleuchtung ausgelöscht habt. Da habt ihr euch ja wohl auch strafbar gemacht?“

„Das ist ja wohl was Anderes! Das ist nur Sachbeschädigung. Aber so eine alte Frau beklauen, die vielleicht nur eine ganz magere Rente kriegt. Wenn ich da an meine Oma denke ...“

„Trief, trief Trauer! Es handelt sich ja nicht um deine Omma. Diese Omma, der die Karte gehörte, ist reich, das weiß ich. Die kauft immer in unserem Laden, und nicht so knapp. Außerdem, du Depp, “ wieder stieß Fredo das Kinn in Richtung Pit. „Außerdem ist datt auch keine Sachbeschädigung. Schaut her, die Karte ist noch makellos.“ Fredo drehte die Karte erneut ein wenig. „Ich werd’s mal bei dem Alten damit versuchen.“ Er steckte die Scheckkarte wieder zurück in die Hosentasche und ging zielstrebig in Richtung Trinkhalle. Die andern trabten hinter ihm her.

Kräftig klopfte Fredo gegen die Scheibe des Verkaufsfensters.

Hellmuth Bopang. Dem vor Schreck die letzte, soeben gedrehte Kleingeldrolle aus den Händen fiel, sprang wie von der Tarantel gestochen auf und schob die Glasscheibe zur Seite.

„Hä! Watt iss hier los? Macht hier nich son Jedriss Jungens! Ihr macht mir ja die Scheibe im Arsch! Watt wollder denn jetzt überhaupt hier noch? Ät is Feierabend!“

„Ja, ja Meister! Alles klar! Lass mal nen paar Flaschen Nöpi rüberwachsen, dann sind wir auch schnell wieder verschwunden.“

Der kleine Gackerer krächzte mit seiner stimmbrüchigen Stimme dazwischen: „Und mit Karte, wenn’s geht!“

„Watt! Euch hamse wohl mitten Klammerbeutel gepudert, ihr Rotzbengel! Bei mir wird bar bezahlt. Da kenn ich nix. Datt hab ich noch nie gemacht. Meine Devise ist: Nur Bares ist Wahres! Aber wenner Geld braucht Jungens, “ Bopang deutete jetzt auf einen hübschen goldhaarigen Jungen, mit einer pinken Strähne und Gesichtspiercing „Dann nehmt dem da doch die Ringe ausse Visage und verkloppt die, vielleicht krichter ja da noch watt für!“

Fredo verzog das Gesicht und blies die Nüstern auf. „Boh, quatsch kein Scheiß, Alter und rück die Flaschen raus!“

Hellmuth Bopang jedoch, zeigte keinerlei Verständnis für die quengelnde Jugend.

„Ich hab ät euch gesacht, Jungens. Geht mich hier weg, und seht zu datter Land gewinnt! Und datten bisschen dalli! Sonst wird ich euch die Schupos aufem Hals hetzen. Die nehmen euch schneller am Schlafittchen, als euch lieb iss.“ Mit einem Ruck zog er den Jungen die Verkaufsscheibe vor der Nase zu.

Der rote Pit fasste Fredo an die Schulter und meinte: „Komm Fredo, lass uns die Fliege machen! Von dem gestörten Alten ist doch nix zu erwarten.“

Doch Fredo war stinksauer und schüttelte unwillig die Hand seines Kumpels von seinen Schultern. „Tu die Flossen da weg, du Arsch! Der alte Nussknacker wird schon sehen was er davon hat. Ungestraft lass ich mich so nich behandeln.“

Mit voller Wucht trat er vor dem Bretterbeschlag, der Trinkhalle, wodurch sich einige Schrauben lockerten.

„Mensch, Fredo! Hör doch auf damit! Das gibt nur Ärger.“

Widerwillig ließ sich Fredo besänftigen, doch dann trat er noch einmal fest vor das wackelige Brett. Die Schrauben gaben ihren unsicheren Halt auf und entließen das Brett, mit einem >Knacks< in die Freiheit.

Bopang, der den Radau vernommen hatte, stampfte entrüstet aus seiner Bude. Mit einem Blick erfasste er die Bescherung. Er schaute den davonrennenden Jungen nach. „Saubande, elende! Sowatt hättet in unserer Jugend nich gegeben. Da hätten wir den Arsch vollgekricht, datt wir drei Tage nich mehr sitzen konnten.“

Kopfschüttelnd schlurfte er zurück in seine Bude, nahm die frisch gewickelten Geldrollen und die paar eingenommenen Scheine, stopfte alles in eine lederne, abgewetzte Aktentasche und begab sich nach draußen, um seinen kurzen Heimweg anzutreten.

Auf halber Strecke fiel ihm jedoch ein, dass er doch wohl lieber, das herumliegende Brett in seine Bude einschließen sollte. Falls es nämlich weg wäre, morgen, wäre das eine unnötige Geldausgabe, was sich so, mit Sicherheit vermeiden ließe. Schließlich ist vom Geldausgeben noch keiner reich geworden.

Vor seiner Trinkhalle angekommen stutze er. „Watt iss datt denn? Wo iss datt Brett denn hin? Datt gibt ät doch gar nich! Er suchte den Boden ab, mit einer Taschenlampe, die er für alle Fälle immer dabei hatte.

„Ich werd‘ verrückt! Mich laust dä Affe! Da sind doch noch die Schrauben! Die verdammten Blagen, ob die noch ma zurückgekommen sind?“

Wieder schüttelte er den Kopf, bückte sich unter Stöhnen, um die Schrauben einzusammeln und bekam von hinten einen gewaltigen Schlag. Prompt fiel er mit dem Kopf auf den Tresen seines Verkaufsfensters und war mit einem Schlag aller Ärgernisse enthoben. Da lag der Alte. Das verschwundene Brett lag neben ihm und seine Aktentasche lag entleert über ihn.

SCHRECK IN DER MORGENSTUNDE

Undefinierbares Brummen und Pauken drang qualvoll dröhnend an Signor Fausto Panpepatos Gehörgänge, welche sich derweil in Ruheposition befanden.

Unruhig stöhnend und knurrend wälzte der Privatdetektiv sich in seinem Bett.

Noch schlaftrunken murmelte er: „Che c’è?“

Als dann noch ein Kreischen an sein Ohr drang, saß er mit einem Ruck senkrecht im Bett. Er riss die Augen auf und starrte auf seinen Wecker. Zwei Uhr morgens.

Mit den Fingern rieb er seinen noch voll behaarten Schädel. „Maledizione! Basta! Jetzt ist es genug!“

Panpepato schob seine riesigen Füße in XXL Bärenschlappen und richtete sich zu seiner vollen Größe, von nicht weniger als zwei Meter dreiundzwanzig auf.

„Basta! Basta!“

Er zog seinen zirkuszeltgroßen Bademantel über die massigen Schultern und raffte den zierlichen Gürtel, über die >schmale Taille< fest zusammen. Er griff nach seinem Schlüssel der neben der Wohnungstür hing und verließ die Wohnung, um den kurzen Flur hinüber zu gehen.

Dort wohnten seine neuen Nachbarn seit einer Woche. Bislang hatte er sie noch nicht zu Gesicht bekommen, was aber nicht weiter verwunderlich war, denn er hielt sich hier im Haus, wie auch sonst überall, möglichst verdeckt. Es hatte wohl auch etwas mit seinem Beruf zutun, dass ihm diese monströse Unscheinbarkeit in Fleisch und Blut über ging. Was zwar erstaunlich war, aufgrund seiner außerordentlichen Statur, aber doch nicht so sehr, dass man ihn nicht für eine viktorianische Säule oder schlichtweg für einen Laternenpfahl halten konnte.

Panpepatos Blick fiel auf ein salzteiggebackenes Türschild auf dem in verschnörkelter Schrift, hier wohnen Paul und Ingrid Mädel, zu lesen war. Er drückte auf den Klingelknopf und fürchtete fast, dass das Klingeln, bei der ohrenbetäubenden Musik, ungehört in den animalischen Klängen verpuffte. Jedoch wurde die Tür, überraschenderweise prompt geöffnet.

Im Türrahmen erschien ein goldhaariger, etwa sechzehnjähriger Jüngling, mit einer grellpinken Strähne. Des Knaben Brauen, Nasenflügel und Lippen zierten kleine rotgoldene Ringe. Nahezu erschreckend schienen dagegen, die gänzlich nackten Ohren.

„Ja, bitte! Was gibt’s?“

„Mio ragazzo! Es ist zwei Uhr morgens!“

Mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck schaute der Junge zu Panpepato auf. „Ja! Und?“

„Es ist zu laut.“

„Oh, ach so. Ich hatte keine Ahnung, dass es schon so spät ist.“

„Tutt’altro! Ganz im Gegenteil es ist noch viel zu früh, für diese Art von Musik.

„Entschuldigen Sie! Sie möchten wohl, dass ich die Musik etwas leiser mache?“

Piacevole, mio ragazzo!“ Panpepato nickte.

„Okay! Geht klar! Nur kein Stress! Hab ganz die Zeit vergessen, ich probiere nämlich gerade meine neuen Boxen aus. Wollen Sie mal rein hören?“

„Hab’s schon gehört, mein Junge, deshalb stehe ich ja hier.“

„Oh. Ja. Stimmt ja. Deshalb sind Sie hier. Werde sofort leiser machen. Einverstanden?

„D‘ accordo.“

Nach dem kleinen nächtlichen Intermezzo hatte Panpepato noch einige Stündchen hervorragend geschlafen. Er erwachte erst, als ihn ein Sonnenstrahl an der Nase kitzelte.

Seit seiner Pensionierung aus dem Polizeidienst, der Polizia Comunale in Trugano, hatte er, in seiner jetzigen Eigenschaft als Privatdetektiv, einige mehr oder weniger kleine Aufträge übernommen.

Er reckte sich nun gemächlich, erhob sich in Sitzposition und ging danach in die Vertikale. Daraufhin setzte er seine 155 Kilo Lebendgewicht in Gang, absolvierte seine morgendliche Toilette, zog sich einen flauschigen Jogginganzug über und machte sich auf den Weg, seine Morgenzeitung unten aus dem Briefkasten zu holen.

Mit frühsportlicher Energie trabte er >federleicht< die Treppen herunter. Für den Aufzug konnte er sich nicht erwärmen, denn dieser blieb bei allen möglichen Gelegenheiten und Ungelegenheiten stehen. Irgendwie schafften es die hauseigenen Techniker nicht, diesen Otis in die Reihe zu kriegen.

Die Zeitung steckte fest zusammengerollt im Briefkasten, der sich im Hausflur befand. Fausto Panpepato machte sich Gedanken darüber, warum der Zeitungsbote die Zeitung so in den Briefkastenschlitz quetschte, dass man sie nicht mehr anständig herausziehen konnte. Selbst wenn er den Briefkasten aufschloss, wurde seine Zeitung beschädigt, weil er sie ja dann von unten herausziehen musste. Es gab also in diesem Fall kein Mittelmaß, um den Weg des geringsten Widerstandes zu wählen.

Ruckweise zog Panpepato also von oben an seiner Zeitung, um sie möglichst wenig zu verunstalten. Leider blieben einige Fetzen der Dassborger Allgemeinen im Briefkasten zurück. Mit seinen großen Händen glättete er vorsichtig die Eselsohren und schickte sich an, nach oben zu gehen, als er hinter sich ein leises Zischen vernahm.

Panpepato zog die Augenbrauen zusammen, brummte und schüttelte ungläubig den Kopf. „Nanu, wir haben doch wohl keine Reptilien im Haus?“

Wieder ertönte das schlangenartige Zischen und gleich darauf wurde die Tür, seiner Parterrenachbarin Frau Viper, einen Spaltbreit geöffnet.

„Sie sind doch der Privatdetektiv, oder?“

Panpepato drehte sich um. „Si. Mein Name ist Panpepato.“ Er hatte Frau Viper bisher eher selten gesehen und das auch nur von Weitem, sodass er sich auch ihr bisher nicht vorstellen konnte. Sie war nicht gerade das, was man eine gut aussehende ältere Dame nennen konnte, sondern hatte vielmehr das Aussehen einer schlecht rasierten Ziege. Was der leicht meckernde Tonfall ihrer Stimme, nur bestätigte.

„Haben Sie schon gehört, dass der alte Bopang erschlagen worden ist?“

„Bopang?“ Unwissend verzog Panpepato die Augenbrauen.

„Ja, Der Trinkhallenbesitzer in der Altstadt. Den müssen Sie doch kennen? Er wurde heute Morgen tot vor seiner Trinkhalle aufgefunden. Frau Brotsang ist deswegen schon total aus dem Häuschen.“

Panpepato begriff nicht recht und fragte: „Signora Brotsang? Warum denn? Hat sie dort öfter eingekauft?“

Frau Brotsang war die Nachbarin im Erdgeschoss, die direkt gegenüber von Frau Viper ihre Wohnung hatte.

„Ach Quatsch! Wissen Sie denn nicht, dass Frau Brotsang Hellmuths Schwester war? Ich seh‘ schon, Sie wissen es nicht. Also, der Trinkhallenbesitzer Hellmuth Bopang war Frau Brotsangs Bruder. Und da ist es ja wohl mehr als verständlich, dass Frau Brotsang ein bisschen neben der Spur ist.“ Eindringlich kaute ihm Frau Viper die Zusammenhänge vor.

Panpepato schürzte die Lippen. „C‘ est terribile! Das ist schlimm! Hat man denn den Täter schon erwischt?“

„Nein, davon habe ich noch nichts gehört, doch ich glaubte Sie? Bestimmt können Sie doch etwas darüber in Erfahrung bringen? Ich denke doch, dass Sie Beziehungen haben? Schließlich sind Sie doch vom Fach!“

Frau Viper schaute Panpepato recht vorwurfsvoll an, so als könnte sie nicht fassen, dass er noch nichts von dem Tod des Trinkhallenbesitzers erfahren hatte.

Scheinbar hielt sie ihn ja für einen Übermenschen. Einer, der schon alles wusste, bevor es überhaupt an ihn herangetragen wurde.

Frau Viper verzog plötzlich bestrebt bedauernswert ihr Gesicht. „Ist das nicht eine schreckliche Geschichte, Herr Panpepato? Die arme Frau Brotsang, die kann einem ja wirklich leidtun.“

Leider konnte die gute Frau Viper nicht verhindern, dass ihr die pure Sensationsgier aus den Augen leuchtete. Doch Panpepato brachte dem einiges Verständnis entgegen. Was hatte diese alte Frau denn schon? Jeder Tag war für sie wie der andere. Und passierte dann mal endlich was, war es für sie mal eine rege Abwechslung. Schließlich war sie ja auch nicht persönlich betroffen.

Panpepato kniff die Lippen zusammen, und stöhnte innerlich auf. Sehr interessiert war er nicht an dem Fall. Und überhaupt, hier im Haus, wo er selbst wohnte. Wahrscheinlich würde er da noch ungewollt mit in die Strömung hineingerissen. Er fürchtete um seine wohlverdiente Ruhe. Im Geiste sah er schon, während aller Tag und Nachtzeiten irgendwelche Nachbarn an seiner Tür klingeln. Doch er wollte dafür sorgen, dass er ein Rettungsanker in seiner Nähe hatte. Er versuchte nun zumindest einen interessierten Eindruck zu machen.

„Dann noch einen guten Tag, Signora Viper! Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.“

„Nicht für mich, mein lieber Herr Panpepato! Das müssen Sie doch nicht denken! Doch nicht für mich!“ Jetzt kam die mit einem grauen Flanellmorgenrock bekleidete, alte Frau vollends aus ihrer Tür und hielt Fausto, mit ihren langen dünnen Fingern am Ärmel fest. „Ich meine doch für Frau Brotsang, die Arme! Sie hat doch erst vor einigen Jahren ihren Mann verloren, den seligen Brotsang und nun auch noch ihren lieben Bruder. Was muss diese Frau verkraften?“ Frau Viper blickte gen Himmel oder besser gesagt gen Flurdecke. „Ich glaube die Gute ist die einzige von zwei Schwestern des seligen Bopangs, der, der Tod ihres Bruders nahe geht. Sie hat ihn geliebt diesen einzigen Bruder.“

„Si, si! Wenn Sie meinen Signora! Ich werde sehen, was ich erfahren kann und es dann Signora Brotsang mitteilen.“

Panpepato versuchte vorsichtig Frau Vipers Hand von seinem Ärmelaufschlag abzuschütteln. Doch, wie zum Trotz krallte sie sich erneut an seinem Ärmel fest. „Nein, nein Herr Panpepato! Teilen Sie es lieber erst mir mit! Der Schock könnte sonst für Frau Brotsang zu stark sein. Also, wenn Sie es mir zuerst erzählen, werde ich es hinterher Frau Brotsang schonend beibringen.“

Veramente Signora? Stento a crederci!”

„Was sagten Sie?“ Frau Viper streckte ihr Ohr vor. Ich kann Sie nicht verstehen, aber ich hab’ schon gehört, dass Sie Ausländer sind.“

„Ich komme aus Trugano, Signora!“

„Ach so, ja. Das kenn ich. Da war ich schon mal im Urlaub, früher mit meinen Eltern. Man sieht gleich, dass Sie daher kommen. Sie haben Ähnlichkeit mit den Leuten die ich dort gesehen habe.“

„Vero Signora?“

Da Panpepato wenig Lust verspürte, sich am frühen Morgen, über das Aussehen der Truganer, mit Frau Viper zu unterhalten, rollte er schnell seine Zeitung zusammen, steckte sie unter dem Arm und schnellte die Treppe herauf. Zur Entschuldigung, für seine schnelle Entfernung, murmelte er etwas von einem nicht abgestellten Wasserkessel. Woraufhin sich Frau Viper zurück in ihre Gemächer begab.

In Panpepatos Wohnung warteten zwar weder der dampfende Wasserkessel, noch irgendeine andere heiße Flüssigkeit, die man zur Herstellung eines morgendlichen Getränkes benutzen könnte, aber das hatte er schnell nachgeholt.

In aller Ruhe genoss er sein Frühstück und las seine Zeitung.

Satt und zufrieden und um einige journalistische Spitzfindigkeiten bereichert, kramte er ein kleines Notizbuch hervor. Dort standen alle, im Laufe der Jahre gesammelten Adressen und Telefonnummern, sodass er sie dort jeder Zeit, nach Bedarf abrufen konnte.

Er setzte seine Brille auf die Nase und begann abwechseln zu lesen und zu blättern. Fündig geworden nahm er sein Handy und wählte eine Nummer.

„Pronto! Ist dort Kommissar Pinscher? Hier spricht Fausto Panpepato.“

„Herr Panpepato! Welch eine Freude, dass Sie sich bei mir melden. Ich sprach gerade mit Wachtmeister Meier noch über ihren Freund Kommissar Feindt, was der jetzt wohl so täte, fern der Heimat. Und prompt rufen Sie an. Womit kann ich Ihnen dienlich sein?“

Kommissar Pinscher vertrat zurzeit Faustos besten Freund Uwe, der nach seiner Hochzeit, mit Frau und Schwiegeronkel nach Australien abgereist ist, um dort des Onkels Opalminen zu besichtigen. Hierfür hatte sich Uwe Feindt ein volles Jahr beurlauben lassen. So hatte also Kommissar Pinscher die Mordabteilung im Dassborger Polizeipräsidium, urlaubsvertretend übernommen.

„Caro commissario Pinscher! Ich hoffe es ist nicht zu unverschämt, wenn ich Sie um eine kleine Auskunft bitte?”

„Nein, mein lieber Herr Panpepato. Sie dürfen mich jeder Zeit ausquetschen wie eine Zitrone. Unser lieber Kommissar Feindt hat Sie mir schließlich wärmstens ans Herz gelegt. Haben Sie einen kleinen Fall zu lösen, zu dem Sie etwas wissen wollen?“

„Allora, es handelt sich nicht direkt um einen Fall von mir, eher um eine kleine Auskunft über den ermordeten Bruder einer Nachbarin, die hier bei mir im Haus wohnt. Ein gewisser Trinkhallenbesitzer, Hellmuth Bopang. Wissen Sie da vielleicht schon Näheres?“

„Ach, dafür interessieren Sie sich? Ist ja auch gar nicht weit von Ihnen entfernt, der Tatort. Es liegt also nahe.“ Kommissar Pinscher lachte. „Und dafür interessieren Sie sich also? Und die Schwester wohnt bei Ihnen im Haus? Nun gut.“

Man hörte Papierrascheln.

„Also, hören Sie! Dieser Bonbonverkäufer wurde mit einem Brett erschlagen. Und zwar eines, das eigens hierfür von der Bretterverkleidung seiner eigenen Trinkhalle abgerissen wurde. Verdächtigt werden bislang einige Jugendliche, die um diese Zeit, dort in der Nähe gesehen worden sind. Doch, das überprüfen wir gerade noch. Wir haben eine wirklich gute Zeugenaussage bekommen. Der Zeuge kennt scheinbar einen der Jugendlichen näher. Mehr kann ich Ihnen im Augenblick nicht mitteilen. Wo ich aber jetzt weiß, dass Sie sich für den Fall interessieren, erlaube ich mir Sie in Kürze noch darüber zu informieren. Ich hoffe Ihnen damit fürs erste gedient zu haben. Doch, warten Sie mal! Gerade fällt mir was ein. Hätten Sie nicht Lust, gleich mit mir die Exfrau des Toten aufzusuchen? Wir haben hier im Moment sowieso Personalmangel, etliche Krankmeldungen heute Morgen. Ich wäre froh, wenn ich noch jemand Gescheiten dabei hätte. Sonst müsste ich von der anderen Wachabteilung irgendeinen Trottel anfordern. Und dazu verspüre ich, mit Verlaub gesagt, nicht die geringste Lust. Also, wie wär’s?“

Fausto überlegte nicht lange. „Wann und wo treffen wir uns?“

„So, Sie beißen also an? Also ... Wir treffen uns in anderthalb Stunden, im Dassborger Süden. Am grünen Fang 44 in Dschungelsheim. Seien Sie pünktlich!“ Kommissar Pinscher hatte aufgelegt und Panpepato blickte auf seine Armbanduhr. „Da muss ich mich doch tatsächlich sputen.“ Schnell verstaute er die Reste vom Frühstückstisch in Kühlschrank und Spüle. Dann zog er seine Windjacke über, steckte Kugelschreiber und Notizzettel ein und verließ seine Wohnung.

ZÄZILIE KLOTSCHPOPER-BOPANG

Panpepato und Kommissar Pinscher trafen sich in der Straße, >Am grünen Fang<, in Dassborg Dschungelsheim.

Der fast zwei Meter große und äußerst dickbäuchige Kommissar Pinscher trat lachend auf Panpepato zu. Er musterte sein Gegenüber ungeniert.

„Gar nicht so übel mein Lieber. Wirklich. Ich dachte immer, ich wäre schon fast zu groß für diese Stadt, aber Sie?

Ich bin beeindruckt.“ Pinscher kniff den Mund zusammen und nickte staunend.

Panpepato reichte dem Kommissar schmunzelnd die Hand. „So behält man stets den Überblick.“

Pinscher machte ein übertrieben amtliches Gesicht. „So, mein lieber Herr Panpepato, dann lassen Sie uns mal zur Tat schreiten!“

Er klingelte an der Haustüre Frau Zäzilie Klotschpoper-Bopang.

Es öffnete eine Frau, eingehüllt in tiefstes Schwarz. Ihr langes, schwarzes Haar hatte sie mit einer dunkelroten Rose geschmückt, die auffällig hinters Ohr geschoben war. Ihren gefältelten Hals zierten einige schwarzperlige Ketten.

Der Kommissar sah die Dame abschätzend an, zückte seinen Dienstausweis und machte, in Anbetracht dieses Auftritts, eine leicht übertriebene Verbeugung.

„Guten Tag! Habe ich die Ehre mit Frau Klotschpoper-Bopang? Ich bin Kommissar Pinscher, und der da, “er deutete auf Fausto, „ist Herr Panpepato. Wir würden es zu würdigen wissen einige Worte mit Ihnen sprechen zu dürfen!“

Panpepato beobachtete derweil Pinscher, um zu sehen, wie er ihn einzuschätzen hatte.

Die schwarze Dame beachtete das Gehabe des Kommissars nicht sonderlich. „Ja, das bin ich. Sind Sie wegen meines toten Ex hier?“

Sie öffnete ihre Türe weit, damit die zwei stattlichen Herren eintreten konnten. Beide traten in einen langen schlauchförmigen Flur ein.

„Kommen Sie bitte mit ins Wohnzimmer und setzen Sie sich dorthin!“ Frau Klotschpoper-Bopang zeigte auf eine froschgrüne Samtcouch, im Stil der 70er Jahre. „Aber bitte nicht so fest an die Kissen lehnen, die werden mir sonst zu knautschig. Ich kann sie schließlich nicht ständig in die Reinigung bringen.“

Panpepato und Pinscher betraten demnach vorsichtig das, nach antiquierter Katalogvorlage eingerichtete Wohnzimmer, um sich zart an das froschgrüne Velours zu schmiegen und fragliche Federkissen zu ignorieren.

An der linken Wand befand sich eine provinzielle Eichenschrankwand. Die besagte Couch stand akkurat mittig an der Wand, über die, auf goldglänzender Tapete, ein röhrender Hirsch ölgemalt auf einer Leinwand lautlos brunzte.

Davor, in exakt dreißig Zentimeter Entfernung zur Chaiselongue, wurzelte ein nußbaumholzener, höhenverstellbarer Tisch. Wiederum davor, in haargenau der gleichen Entfernung, wie Sofa und Tisch, zwei passende Sessel. Deren Lehnen abschließend, mit ihren gegenüberliegenden Pendants, nach der Couch ausgerichtet waren. Die Herren Kriminalisten machten es sich >bequem< und der Kommissar begann mit seinen Fragen.

„Sie sind also geschieden?“

„Ja sicher! Wie ich Ihnen schon sagte, mein Exmann.“

„Lebte Ihr Mann allein, oder hatte er sich eine neue Partnerin genommen? Diesbezüglich liegen uns leider keine Informationen vor.“

Zäzilie reckte das Kinn nach vorne. „Er lebte natürlich allein. Wer hätte es mit Hellmuth auch schon aushalten können. Ich kann Ihnen sagen, unsere Ehe war eine einzige Tortur. Nichtsdestotrotz, seitdem wir getrennt leben verstehen, beziehungsweise verstanden wir uns wieder bombig. Können Sie mir vielleicht sagen, ob bei Mord auch die Versicherung bezahlen muss? Ich hoffe es doch.“

Forschend sah Zäzilie Klotschpoper-Bopang in das Gesicht des Kommissars.

Pinscher verzog keine Miene. „Ich denke schon, Frau Klotschpoper-Bopang, dass die Versicherung schon an Sie herantreten wird. Immer natürlich vorausgesetzt, dass Sie begünstigte sind. Aber ich habe noch einige andere Fragen: Hatte Ihr Mann irgendwelche Feinde? Und wann machte er üblicherweise seine Trinkhalle zu?“

„Feinde?“ Sie spie das Wort förmlich aus. „Ich könnte Ihnen ja jetzt erzählen: Wer meinen Mann näher kannte, der hat ihn gehasst. Aber das wäre wohl doch etwas überzogen.“

Zäzilie lachte bitter. „Schließlich kamen die Leute immer wieder an seine alte Bude, um ihre Zeitung, Süßigkeiten oder Zigaretten zu kaufen. Der Freundlichste war er nicht gerade, aber er gab jedenfalls immer ordnungsgemäß das Wechselgeld zurück. Außerdem war er geizig und natürlich geldgierig“.

Sie machte ein ablehnendes Gesicht. „Sie sehen schon meine Herren, was es Schlechtes über meinen Ehemaligen zusagen gibt, das kann ich Ihnen berichten“ Sie kniff die Lippen zusammen.

„Zum Ladenschluss der Trinkhalle kann ich Ihnen auch nicht viel sagen. Ich denke doch, dass er die Ladenschlusszeiten immer korrekt eingehalten hat. Mit den Gesetzen hielt er’s doch ziemlich genau. Das kann man ihm dann nun doch nicht zur Last legen, da bin ich ehrlich. Es ist ja bedauerlich, dass ich Ihnen so gar nichts Neues erzählen kann, Herr Kommissar. Aber, bis auf seinen ausgemachten Geiz und seiner pingeligen Art, war an meinem Ex-Ekel wirklich nichts Besonderes.“

Pinscher schnaubte ein bisschen durch die Nase und verzog die Lippen zu einem geraden Strich. Nun, er hatte wirklich von dieser aufgedrehten Tussi, Nichts erfahren, was er nicht vorher schon im Bericht gelesen hatte. Somit war er auch nicht klüger als vorher. Daraufhin gedachte er denn, diesem sinnlosen Gespräch ein schlagartiges Ende zu bereiten. Er erhob sich demnach abrupt aus seiner unbequemen Sitzposition.

„Oh, Signora! Die schöne lächelnde Dame in dem weißen Brautkleid, auf dem Foto dort hinten an der Wand, sind Sie das?“

Pinscher glitt, leicht genervt, ob Panpepatos Gesprächseinmischung, in seinen Sitz zurück und Zäzilie Klotschpoper-Bopang schaute auf besagtes Foto an der Wand.

„Ja, ja, das bin ich. Zu diesem Zeitpunkt glaubte ich noch, glücklich zu sein. Da hatte ich auch noch nichts von dem feigen Verrat meines Mannes erfahren.“

„Veramente Signora, das ist aber bedauerlich. Was ist denn passiert? Der Privatdetektiv schaute mitleidig.

„Oh, nicht viel, “ wehrte Frau Klotschpoper-Bopang trocken ab. „Nur, dass dieses gemeine Schwein von einem Ehemann, sich seinerzeit bloß wegen einer armseligen Wette an mich rangemacht hatte.

Beliebte mit seiner Schwester Mann, was also sein Schwager war, zu wetten, dass er mich rumkriegen könnte, seine Frau zu werden.

Ich war damals gerade drauf und dran als Sängerin Karriere zu machen, müssen Sie wissen. Erster Sopran, falls es Sie interessiert? Da kam Bopang, dieser Chauvi, log mir was von seinem angeblichen Reichtum vor, und machte mich in meinem Entschluss, eine gefeierte Künstlerin zu werden, wankend. Als ich von dem Betrug erfuhr, war ich längst seine Frau. Der Schock, den er mir damit versetzt hatte, machte mich unfähig zu handeln. Sonst hätte ich mich schon früher von ihm gelöst.“

„Cara Signora, dann muss Signor Bopang aber un attore buono, ein guter Schauspieler gewesen sein, dass Sie von der Täuschung nichts bemerkten?“

„Ach, ich hatte wohl meine rosarote Brille auf, und ich glaubte auch damals noch nicht an die Niederträchtigkeit in dieser Welt. Überdies konnte Bopang sehr charmant sein, wenn er wollte.“

Frau Klotschpoper-Bopang nahm diskret ein Taschentuch aus ihrem Ärmel und wischte sich, über die vermeintlich tränenfeuchten Augen.

„Allora, Signora, alles kann doch nicht so schrecklich gewesen sein. Sie haben zum Beispiel, dort hinten auch ein paar wunderschöne Urlaubsfotos hängen. Waren Sie dort überall? In Ägypten, scheinbar in Petra. In der Dominikanischen Republik? New York, Rom, Paris?“

„Das“, verwies sie ihn mit barscher Miene, „ist erst nach unserer Scheidung aufgenommen. Er musste ja schließlich für mich bezahlen. Ich kann ja nicht arbeiten. Ich bin schließlich ein psychisches Wrack, da mein Exmann mir den Anlauf in eine aufsteigende Karriere verbaut hat. Zumal hat er mein zartbesaitetes Nervenkostüm aufs Schwerste dauerhaft geschädigt. Das hat auch Henry, mein Anwalt gesagt.“ Selbstbemitleidend strich sie sich zart übers Gesicht.

„Kein Psychiater hat sich an meinen akuten Fall, von psychogen paralysierenden Depressionen, herangewagt. Kein Sanatorium stand zu meiner Verfügung. Nur mühselig habe ich mich wieder hochgerappelt und meinem Leben einen Sinn gegeben. Was, außer die Welt zu bereisen, hätte ich sonst auch tun können? Sollte ich mir etwa einen neuen Mann nehmen? Wieder so eine >Schabe<, die zu nichts anderem geschaffen ist, als mir mein bisschen Glück zu missgönnen? Ich sage Ihnen: DIES DIEM DOCET! Ich habe aus meinen Erfahrungen gelernt.“

„Während Pinscher mit offenem Mund dasaß, räusperte sich Panpepato ein wenig und meinte dann: „Si, Si Signora! FIDE, SED CUI, VIDE! “



Nach der einigermaßen, dann doch noch schnellen Verabschiedung, von Frau Klotschpoper-Bopang, stand Kommissar Pinscher kopfschüttelnd vor der Haustür und pustete geräuschvoll aus, dann nahm er sein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

„Mein lieber Scholli, die ist verdammt nervenaufreibend. Erst dachte ich, die ist doch wohl nur ein schrapphalsiger Kleiderständer, die Gnädige. Aber jetzt glaub' ich fast, die ist sogar gebildet. Und das alles nur wegen Ihrer ...“ Pinscher räusperte sich. „Entschuldigung! Scheißfragerei. Mich hat das Gesabbel von der Madame keinen Deut weitergebracht. War nur vertane Zeit. Nun gut, ich ...“

Pinschers Rede wurde durch das Piepen seines Handys unterbrochen. „Pinscher!“ Der Kommissar röhrte in den Apparat und horchte auf, wonach er schließlich missmutig sein Gesicht. Verzog. „Was? Die? Ausgerechnet! Da kann man wohl nichts machen. Na gut dann, tschüss.“

Pinscher beendete das Gespräch und brummelte unverständlich vor sich her. „Da haben wir den Salat. Bedauern sie mich mal ein bisschen. Soll mir doch tatsächlich so ein Heimchen ans Bein gebunden werden. Mir bleibt heute wirklich nichts erspart.“

Panpepato schaute seinen Begleiter fragend an. Pinscher achtete jedoch nicht darauf und steuerte auf sein Auto zu.

„Tja, Herr Panpepato. Ich kann Sie mitnehmen. Man hat einen der Jungen, die letzte Nacht vor der Trinkhalle gesichtet und, identifiziert. Er wohnt in Ihrem Haus. Ist das nicht witzig?“

„Si, molto frizzante“, meinte Fausto trocken. Panpepato schaute Pinscher wieder fragend an. Diesmal bekam er jedoch prompt eine Antwort.

„Der Junge heißt Paul Mädel. Kennen Sie ihn gut?“

„Purtroppo no. Er ist erst vor Kurzem mit seiner Mutter eingezogen.“

„Ach so.“ Enttäuscht verzog Pinscher die Mundwinkel. „Dann wissen Sie ja nichts. Schade.“

Panpepato lächelte, wie in Gedanken versunken. „Das Einzige, was ich weiß ist, dass er Musik mag.“

„Was?“ Pinscher tippte sich unauffällig an die Stirn. „Na dann kommen Sie mal! Ich treffe vor dem Haus mit einer Kollegin zusammen.“

Am Zielort angekommen, fuhr Pinscher zielstrebig auf den hauseigenen Parkplatz. Auf einem, der für die Hausbewohner reservierten Abstellplätze, parkte er selbstgefällig ein.

Der Kommissar warf einen Blick zum Hauseingang und meinte: „Ach, sieh mal einer an! Ich fresse’ einen Besen, wenn das nicht unser Knabe ist. Die Beschreibung passt, wie Faust auf Auge. Und der Rotschopf, da bei ihm? Wer ist das?“

Er wartete jedoch keine Antwort ab. „Scheint die Freundin zu sein. Na, das wird wohl auch irgend so ein Flittchen sein. Was soll man bei so einem Loser anders erwarten.“

Fausto schaute den Kommissar kopfschüttelnd an. Seinen riesigen Begleiter jedoch geflissentlich ignorierend, schaute Pinscher knurrend auf seine Armbanduhr. „Ich hab’s ja geahnt. Die schicken mir doch tatsächlich so `ne Tranfunzel. Aber damit war ja zu rechnen.“

UNTER VERDACHT

Eine etwa 1Meter und 60 cm kleine, pummelige, quirlige Person kam ins Blickfeld der Gesetzeshüter.

Kommissarin Rosalie Schulz trat fröhlich lachend auf ihren Kollegen zu.

„Pardon, die Herren“. Neugierig schaute sie zu Panpepato und nickte leicht mit dem Kopf. „Es ist spät geworden, wollte mich gerade auf die Beine machen, da kam noch ein Anruf rein. Eine Gerlinde Schnaub rief wegen des toten Bopang an. Sie sei angeblich seine Geliebte gewesen. Ich denke das interessiert Sie doch Kollege Pinscher, oder?“

Pinscher verzog betont gelangweilt das Gesicht. „Ach ja, da hat uns aber seine Exwitwe etwas anderes erzählt. Na Scheiß egal, werden wir also dieser Spur auch noch nachgehen.“

Er deutete mit dem Daumen auf Fausto und sagte: „Das ist übrigens Herr Panpepato. Ein äußerst schlauer Privatdetektiv. Außerdem ist er der beste Freund von unserem Kommissar Uwe Feindt und ...“

Hier machte Pinscher eine kleine Pause. „Er wohnt im gleichen Haus, wie unser Tatverdächtiger.“ Er rieb sich die Hände.

„Dem ungeachtet schauen Sie mal da vorne das Pärchen vor der Tür, Schulz! Die rotblonde Biene und der Strunzlappen mit der pinken Strähne und dem beringten Mefken.“

„Mefken?“ Rosalie Schulz hob fragend eine Braue. Unterdessen griente Panpepato in sich hinein.

Pinscher rümpfte die Nase und meinte von oben herab: „Sie sind wohl nicht aus Dassborg, was? Für Sie wiederhole ich es auf Hochdeutsch.“

Pinscher hob die Stimme an, setzte ein arrogantes Gesicht auf und schulmeisterte:

„Also achten Sie doch bitte auf das junge Paar, dort an der Türe! Sie hat rotblondes Haar und er, der Tatverdächtige, hat im Haar eine rosa Strähne und zusätzlich, besagtes Gesicht mit Piercingnadeln dekoriert.“

Frau Kommissarin Schulz hob ihre Braue. „Ich danke für die Übersetzung! Ich bin übrigens aus Dassborg - Wahnheinerort. Jedoch war mir das Wort Mefken bislang kein Begriff. Aber, so alt bin ich ja noch nicht, das war wahrscheinlich etliche Jahre vor meiner Zeit Jargon.“

Pinscher verzog das Gesicht, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen. Panpepato verzog seine Mundwinkel zu einem Lächeln. Alle drei gingen nun auf das junge Paar zu, welches jedoch die Neuankömmlinge nicht zu bemerken schien. Die Beiden unterhielten sich amüsiert.

Gerade als die drei Kriminalisten auf das Pärchen zu kamen, brach der >Pinke< in wieherndes Lachen aus, und die Rotblonde kicherte einigermaßen verschämt. Das Mädchen hielt sich dabei die Hand vor dem Mund, so als ob sie eine Zahnspange oder einen faulen Zahn verbergen wollte.

„Tach, die Herrschaften“, bellte Pinscher den jungen Leuten entgegen, dass sie heftig zusammenschraken.

„Guten Tag“, grüßten die Teenager artig im Chor. Die rotblonde Monika Milz hob den Kopf und schaute interessiert auf, und Paul Mädel schaute dem Kommissar kurz ins Gesicht, ließ dann seinen Blick über dessen Begleiterin schweifen, und als sein Blick auf Panpepato fiel grinste er breit. „Ah, Sie sind's!“

Pinscher riss ungeduldig die Aufmerksamkeit an sich. „Ich gehe davon aus, dass Sie Herr Mädel sind? Herr Paul Mädel? Wir hätten gerne mal mit Ihnen gesprochen!“ Er wartete keine Antwort ab, sondern legte gleich dem Jungen die Hand auf den Rücken und schob ihn ins Haus.

Paul nickte irritiert. Er blickte zurück in Monika Milz Richtung und gab ihr mit einem Kopfnicken und eindringlichen Blicken zu verstehen, dass sie sich später weiter unterhalten würden. Dann ließ er sich willig von Pinscher weiter führen.

Panpepato schaute den Dreien nach und blieb mit der verdatterten Monika Milz vor der Türe stehen.

„Was sollte das denn bedeuten? Die taten ja so wichtig. Wird Paul etwa verhaftet? Aber weswegen denn? Ich bin sicher es handelt sich um einen Irrtum.“ Monika Milz schaute Panpepato an und sagte: „Sie können sich doch sicher auch nicht vorstellen, dass Paul einer Fliege was zuleide tun könnte. Oder?“

Panpepato murmelte: „Allora Signorina, ich kenne ihn leider zu wenig. Er ist ja noch neu im Haus.“

„Ja, das stimmt, hier im Haus ist er neu. Doch ich kenne ihn von früher, aus der Grundschule. Paul war immer ziemlich schüchtern und war mir der liebste Junge in der ganzen Klasse. Ich dachte schon er wäre weggezogen. Damals hieß es, die Familie würde wieder in die Heimat des Vaters ziehen. Er ist aus Fressden. Jedoch hat’s da irgendwelchen Ärger gegeben. Ich vermute, das Ganze lief auf eine Scheidung hinaus. Es muss schon ziemlich arg gewesen sein, denn die Mutter will nichts mehr von Pauls Vater wissen. Ich bin so froh, dass er hierher gezogen ist.“

„Ich denke Signorina, wir sollten erst einmal abwarten, was geschieht. Wir wollen uns nicht unnützend Sorgen machen!” Panpepato nickte seiner jungen Nachbarin beruhigend zu und ging ins Haus, hinauf in seine Wohnung.

Fausto war gerade dabei, seine >Campanelle con Verdure< abzuschmecken, als es an der Wohnungstür läutete. Er wischte sich den Mund an einem Küchenkrepp ab und öffnete die Tür.

Vor ihm stand Kommissar Pinscher, in höchsteigener Person.

Panpepato öffnete die Tür weit und deutete Pinscher mit der Hand an einzutreten.

Pinscher hob die Nase, schnüffelte und schmatzte mit den Lippen. Hier duftet es ja so lecker. Was haben Sie denn da Tolles zusammengekocht, Herr Panpepato?“

Solamente, delle campanelle con verdure.“

Fragend hob Pinscher die Brauen.

„Lediglich Nudeln in Gemüsesoße. Etwas Leichtes. Devo calare di peso. Ich muss etwas an Gewicht abnehmen. Ich hab’ in letzter Zeit ein wenig viel von meinen heiß geliebten Mettwürstchen konsumiert. Allora, perciò. Heute mal fleischlos.“

„Oh! Darf man da mithalten? Es riecht zu köstlich und ich hab’ seit heute früh nichts mehr gegessen.“ Wie zum Nachdruck knurrte in diesem Moment Pinschers Magen. Oder war es etwas Anderes?

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739360553
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (August)
Schlagworte
Krimi Spannung Panpepato Detektivgeschichte

Autor

  • Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)

Ulrike Ina Schmitz geboren 1958 in Duisburg - Wohnt seit dem Jahr 2005 mit ihrem Ehemann und 2 Hunden im Westerwald - Schreibt und liest gerne leichte Kriminalliteratur
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Titel: Nicht gewonnen und doch zerronnen