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Froschküsschen für das Burgfräulein

Kurzroman

von Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)
75 Seiten
Reihe: Waldwünschelbach, Band 3

Zusammenfassung

Faschingszeit in Waldwünschelbach. Beim Kostümball im Waldwünschelbacher Schloss begegnet Miriam dem Mann ihrer Träume. Voller Vorfreude wartet sie auf die Stunde der Demaskierung nach Mitternacht. Es interessiert sie umso mehr, da er ihr seltsam vertraut erscheint. Wie wird der Mann, der scheinbar alle ihre Erwartungen erfüllt, ohne Maske aussehen? Was jedoch so erwartungsvoll begonnen hat, ist mit einem Schlag vorbei, da der Fremde vor der Demaskierung spurlos verschwindet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Handlung des Buches

Faschingszeit in Waldwünschelbach. Beim Kostümball im Waldwünschelbacher Schloss begegnet Miriam dem Mann ihrer Träume. Voller Vorfreude wartet sie auf die Stunde der Demaskierung nach Mitternacht. Es interessiert sie umso mehr, da er ihr seltsam vertraut erscheint. Wie wird der Mann, der scheinbar alle ihre Erwartungen erfüllt, ohne Maske aussehen? Was jedoch so erwartungsvoll begonnen hat, ist mit einem Schlag vorbei, da der Fremde vor der Demaskierung spurlos verschwindet.

Zur Autorin

Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Hunden im Westerwald. Sie liest und schreibt gerne leichte Kriminal- und Liebesromane.

 

 

Alle Figuren in diesem Roman sind frei erfunden und eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Personen wären rein zufällig.

Kostümprobe

Welches Kostüm passt deiner Meinung nach besser zu mir?“ Miriam Sträter sah ihre Freundin Rieke Bernburger neugierig an. 

Also, ich finde das Kostüm, das du zuerst anhattest, das passt am besten zu dir.“ 

Du meinst das Burgfräuleinkostüm?“ 

Ja doch. Das hat was. Und es passt unbedingt zu deinem Typ.“ Rieke geriet ins Schwärmen: „Ich sehe es nahezu bildlich vor mir. Du, als wunderschönes Ritterfräulein Kunigunde von Sowieso, lustwandelnd durch die alten Gemäuer der Burg und wartest auf den getreuen Ritter, der da käme, dich holde Maid zu befreien.“ 

Warum gerade Kunigunde? Miriam ist auch ein alter Name.“ 

Kann schon sein, aber ich glaube, das ist eher ein jüdischer Name und keiner aus der Ritterzeit.“ 

In Wirklichkeit kommt der Name Miriam aus dem hebräischen und bedeutet so viel wie, die Geliebte.“ 

Tatsächlich? Die Geliebte? Von wem denn?“, fragte Rieke irritiert. 

„Hallo? Von niemandem. Ich bin die Geliebte von niemanden. Du weißt doch, welches Pech ich mit meinen Freunden immer gehabt habe. Sobald sie mit mir einige Zeit zusammen waren, haben sie mich wieder verlassen und du weißt auch warum.“

Manche Männer sind eben Idioten. Zumindest die, die nicht wissen, was sie wirklich wollen. Ich habe auch seit Ewigkeiten schon keinen Kerl mehr gehabt. Und? Meinst du, das macht mir was aus? Nein. Ich habe ein Pferd und das reicht. Meine Shanty ist mir treu.“

Ja, deine Shanty ist schon eine ganz liebe. Meine Katze Abby liebt mich übrigens auch. Doch irgendwie finde ich ja, das ein Haustier nicht wirklich ein Ersatz für einen Mann ist. Wo bleibt da das körperliche?“ 

Du meinst Sex?“ 

Ja, ich glaube so heißt das. Nicht, dass ich mich nur im entferntesten daran erinnern könnte, wie das war mit dem Sex, wo ich doch schon so lange keinen mehr hatte.“ 

Wem sagst du das? Die guten Männer sind eben schon alle vergeben.“ 

Ja, so ist es wohl.“ 

Vielleicht kommen ja demnächst wieder ein paar neue Männer zum Kostümball, am Faschingsdienstag. Immerhin hat es sich ja längst herumgesprochen, dass wir hier in Waldwünschelbach zu feiern verstehen. Vielleicht erscheinen dort sogar ein paar mutige Ritter aus den Nachbardörfern und befreien das Fräulein Kunigunde aus ihrem Singledasein?“ 

Ja bestimmt“, grunzte Miriam. „Die sind sicher wahrscheinlich auch wieder anderweitig verbandelt oder, was noch schlimmer ist, total durchgeknallt.“ 

Nun, das kann man nicht wissen. Sicher gibt es auch noch nette Männer.“ 

Ach, wirklich? Und das aus deinem Mund“, lachte Miriam. „Trotzdem ist es schon auf irgendeine Weise frustrierend.“ 

Gibt es denn auf deiner Arbeitsstelle keine gescheiten Männer?“ 

Hallo? Ich arbeite beim Finanzamt. Da arbeiten keine Männer. Da gibt es nur Beamte.“ 

Hey! Sind das etwa Eunuchen oder was?“ 

Höchstwahrscheinlich“, kicherte Miriam. „Doch ich glaube, es sind eher Erbsenzähler.“ 

Und du? Bist du etwa nicht das weibliche Pendant eines Erbsenzählers?“ 

Gott bewahre. Ich habe noch Illusionen.“ 

Okay … Du meinst Einbildungen?“ 

So negativ darf man das nicht deuten. Ich habe eine explizite Wunschvorstellung, wie mein zukünftiger Ehemann zu sein hat. Und diese Illusion lass ich mir nicht rauben, von niemanden.“ 

Rieke nickte lächelnd. „Du bist so ein positiver Mensch. Das liebe ich an dir. Nimm das Kunigundedress, denn damit bist du optimal für deinen zukünftigen Traummann ausgerüstet.“

Miriam schaute sich das Kleid, das aus lila Samt und seidig weißen Fledermausärmeln bestand, noch einmal genau an. „Ich glaube, du hast recht, das gefällt mir selbst am besten. Also, das nehme ich.“ Miriam ergriff das Retrostil-historische Kostüm und ging damit zur Kasse. 

Abgenickt

Zugegebenermaßen, Miriam war nicht ganz aufrichtig zu ihrer Freundin Rieke Bernburger gewesen. In Wahrheit gab es sehr wohl einen Mann auf ihrer Arbeitsstelle, einen, den sie zumindest attraktiv fand. „Mehr allerdings auch nicht“, sagte sie sich selbst immer wieder. Nun, sie traute sich deshalb ihrer Freundin Rieke nichts zu sagen, weil es ihr ein bisschen peinlich war. Irgendwer im Finanzamt hatte Miriam gesteckt, dass besagter Kollege homosexuell sei. Und was würde es da bringen, wenn sie zugab, sich näher für diesen Mann zu interessieren? 

In Waldwünschelbach gab es leider auch keine interessanten unverheirateten Männer, die für sie infrage kämen. Das Dumme, wenn sie so darüber nachdachte, war, dass sie so langsam ein ganz kleines bisschen ins Flattern kam. Sie befand sich jetzt im achtundzwanzigsten Lebensjahr und trotzdem war immer noch kein potenzieller Ehemann in Sicht. Sie wollte keinesfalls eine alte Jungfer werden. Wobei das natürlich sowieso nicht mehr hinkam. Sie hatte nämlich schon zwei feste Freunde gehabt.

Den ersten im zarten Alter von 19 Jahren. Ein komischer Typ namens Albert Möller. Ein Zweiundzwanzigjähriger aus dem Nachbarort, der sie, mit ihrem Einverständnis freilich, aber bedauerlicherweise alles andere als gekonnt, defloriert hatte. Dass das alles andere als Spaß gemacht hatte, stellte sich im Nachhinein auch als kein Wunder heraus, denn besagter Deflorator, war fatalerweise vom anderen Ufer. Als sie sich damals angefreundet hatten, war der Mann kurz vor seinem Comingout gewesen. Natürlich hatte Albert es vor seinen Eltern und Bekannten nicht zugegeben und war auf die glorreiche Idee verfallen mit irgendeinem beliebigen Mädchen anzubandeln, um dann so zu tun, als wäre er ein Hetero.

Nachdem ihr erster Freund sich dann endgültig outete, hatte Miriam, in ihrer damals grenzenlosen Naivität, befürchtet, es wäre ihre Schuld gewesen, dass der Junge schwul geworden wäre. Da sie nämlich während des Beischlafs kein bisschen angenehmes Gefühl gehabt hatte. So nahm sie also in ihrer jugendlichen Einfältigkeit an, es läge an ihr, dass sie eben zu dumm wäre oder so. Der Rückblick auf ihre einst reichlich kindlichen Gedankengänge trieb ihr noch heute den Schweiß auf die Stirn. 

Zum Glück war dann vier Jahre später Paul gekommen und hatte Miriam das Gegenteil gelehrt. Insofern, als sie eben doch etwas empfinden konnte und auch etwas zu geben hatte. Paul und sie waren dann sogar zwei Jahre zusammengeblieben, solange, bis er eines guten Tages, auf und davon gegangen war. In einer sogenannten Nacht und Nebelaktion verließ Paul, mit dem Kaplan der örtlichen Kirchengemeinde, Waldwünschelbach. Auf einem Zettel, den Paul in den Briefkasten der Familie Sträter geworfen hatte, stand: Entschuldige Süße, mit uns ist es aus. Ich bin jetzt mit Hartmut zusammen. Es hat sich herausgestellt, dass ich mich eher zum gleichen Geschlecht hingezogen fühle, obwohl es mit uns ja ganz schön war und ich mich auch zu dir hingezogen fühlte. Aber, mit Hartmut ist es anders. Besser. 

Das war die letzte Nachricht, die Miriam von Paul erhalten hatte. Glücklicherweise konnte sie Pauls Mitteilung, vorzeitig aus dem Briefkasten fischen, bevor ihre Eltern sie zu Gesicht bekamen. Das wäre doch sonst zu peinlich gewesen. Es hatte danach lange gedauert bis Miriam gedanklich realisierte, dass ihr bester Freund mit einem Mann abgehauen war. Nun, damals war sie dreiundzwanzig Jahre alt gewesen und in der Zwischenzeit waren schier unglaubliche, freundlose fünf Jahre ins Land gegangen. 

Und jetzt das, nach diesen fünf männerlosen Jahren, fand sie endlich wieder einen Kerl gut, und der sollte auch homosexuell sein? Was war bloß mit ihr los? Irgendetwas schien mit ihrem Gefühlsleben nicht zu funktionieren. Sie konnte sich doch nicht nur in homophile Typen verlieben? Also, da war es doch kein Wunder, dass sie Rieke nichts von diesem netten Arbeitskollegen erzählt hatte.

Aber vielleicht würde ihre Freundin ja, die ganze Aufregung um einen Mann, sowieso nicht verstehen, Rieke würde gegebenenfalls nicht nachempfinden können, dass Miriam sich nach einem Partner sehnte. Ihre beste Freundin hatte schließlich auch keinen Mann. Sie hatte ein Pferd, wie sie selbst immer und immer wieder betonte, ihre Stute Shanty.

Rieke war siebenundzwanzig Jahre alt und lebte immer noch bei ihren Eltern, die sie zugegeben auch über alle Maßen liebten. Miriam, die von ihren Eltern auch recht verwöhnt worden war, hatte sich jedoch endlich mit ihren siebenundzwanzig Jahren, entschlossen zu Hause auszuziehen. So war sie also vor gut einem Jahr von zu Hause weg und in eine kleine gemietete Dachgeschosswohnung übergesiedelt. Die Wohnung lag nur ein paar Straßen entfernt von ihrem elterlichen Haus. So konnte Miriam mehrmals in der Woche bei ihren Eltern essen, was sie recht bequem und außerdem billig fand. Gutes Essen war immerhin teuer und so konnte sie das gesparte Geld für andere Sachen zurücklegen.

Miriam legte den Telefonhörer auf und erhob sich, um einen Schluck aus ihrer Wasserflasche zu trinken. Vieles Sprechen machte ja so einen trockenen Mund. Miriam arbeitete in der unteren Etage des Finanzamtes in Letzendenburg in der Informationsabteilung. Wie stets wurden im ersten Halbjahr viele Fragen und Beratungen telefonisch durchgeführt. Ab und an verirrte sich zwar mal ein einzelner Arbeitnehmer direkt zu ihr ins Infocenter, um vor Ort nach seiner Veranlagung zu fragen, jedoch erfolgten die meisten Gespräche telefonisch und das bedeutete, dass unaufhörlich die Telefone klingelten. 

Alle Wege der Kollegen, die im Hause arbeiten, führten zwangsläufig an ihrem Schreibtisch vorbei. Manch einer blieb noch auf ein kurzes Schwätzchen, während andere nur kurz nickten. Zu den kurz Nickenden gehörte bedauerlicherweise auch der von Miriam favorisierte Kollege Johannes Rauten. Wie gerne hätte sie einmal ein paar Worte mit ihm gewechselt, aber nein. Ob er wohl zu schüchtern war? Johannes arbeitete in der Rechtsbehelfsabteilung und hatte täglich Unmengen von Widersprüchen zu bearbeiten. Von Karla Becker, die in seiner Etage arbeitete, hatte Miriam gehört, dass er momentan sein Studium nachmachte, um vom mittleren Dienst in den höheren zu kommen. Offensichtlich stand er, laut Karla, kurz vor seinem Abschluss.

Johannes Rauten war in der Tat erst seit circa einem halben Jahr im Finanzamt Letzendenburg, von wo er kam, wusste Karla nicht so genau. Man vermutete, dass er aus den neuen Ländern kam, wegen seines Dialekts. Nicht, dass Miriam je von ihm ein Wort vernommen hätte, denn, wie gesagt, er hatte bisher nicht mehr als ein Kopfnicken für sie übrig gehabt. Dies schien wohl auch so zu bleiben, selbst, wenn er in der Kantine an Miriams und Karlas Tisch vorbeikam. 

Miriam saß stets mit ihrer Kollegin Karla zusammen. Sie hatten beide gleichwohl einen gemischten Salat vor sich stehen, indem sie lustlos herumstocherten. Miriam deshalb, weil sie, obwohl sie eigentlich tierischen Hunger hatte, in der Mittagszeit nicht so viel essen wollte. Alldieweil sie erstens, abends noch bei ihren Eltern essen würde, und zweitens wusste, dass sie nach üppigem Essen grundsätzlich müde wurde. Karla schließlich war auf selbst verordneter Diät.

Zu deren Vorsätzen, welche sie sich fürs neue Jahr verordnet hatte, gehörte unter anderem, eine Gewichtsabnahme von nicht weniger als schlappen zehn Kilogramm. Dieses Ziel wollte Karla fraglos bis Faschingsdienstag erreichen. Wie sie das bis dahin schaffen wollte, war Miriam allerdings ein Rätsel. Grund war, Karlas Schwester hatte ihr ein Kostüm in Kleidergröße achtunddreißig geschenkt. Nun stöhnte ihre Kollegin: „Ich muss unbedingt bis zum Kostümball in dieses Kleid passen. Und ich sage dir, dieser Fetzen ist einfach phänomenal. Du wirst staunen, wenn du mich darin bewundern darfst.

Warum hat deine Schwester dir nicht ein Kleid in Größe vierzig besorgt?“ 

Das gute Stück gab es doch leider nur noch in achtunddreißig. Und ich will unbedingt dieses Marlene Dietrich Kleid anziehen.“ 

Miriam betrachtete ihre Kollegin nach diesen Gesichtspunkten. „Du hast beileibe einige Ähnlichkeiten mit ihr. Die hohen Wangenknochen und die schöne rauchige Stimme.“

Karla war über dieses Kompliment sehr erfreut. „Ja nicht? Deshalb brauche ich definitiv dieses spezielle Kleid. Darüber hinaus übe ich auch schon so wie Marlene zu singen. Es gibt doch hoffentlich wieder einen Karaoke Wettbewerb, wie letztes Jahr beim Fest, oder?“

Natürlich“, bestätigte Miriam. „Das lassen wir Waldwünschelbacher uns nicht nehmen, jedes Jahr, zum Faschingsball, einen Karaoke Wettbewerb auszurichten. Du willst also mitmachen?“ 

Ja, das will ich. Du weißt doch, dass ich gerne singe.“ 

Ja, das hast du mir erzählt. Da bin ich mal gespannt. Willst du obendrein ein Lied von Marlene Dietrich vortragen?“ 

Ja sicher, das steht außer Frage. Ich glaube, das Lied, das ich vortragen will, hört sich auch schon bei mir ziemlich gut an. Doch das Vorrangigste ist, dass ich jetzt erst mal mindestens fünf Kilo abspecke. Am besten natürlich zehn. Doch ich will mir nichts vormachen, ich weiß wie schwer das ist. Ich stricke jetzt schon abends, vor dem Fernseher, damit ich nicht ständig das Gefühl habe mir irgendwelche Chips oder Nüsse in den Mund zu schieben.“ 

Ach, das wird schon. Ich weiß ja, dass du ehrgeizig bist.“ 

Im Allgemeinen schon, doch leider nicht in puncto weniger essen. Doch warum isst du eigentlich nur Salat? Bei deiner Figur könntest du doch alles essen.“ 

Ich esse Mittags nicht gerne so viel, wenn ich noch arbeiten muss, da ich danach immer sehr müde werde. Dann schlafe ich nachher noch vor dem Computer ein und das will sicher keiner sehen.“ 

Karla kicherte: „Das würde ich nicht sagen. Du siehst sicher niedlich aus, wenn du schläfst. Es sei denn … du sabberst während des Schlafens und klebst, mit deiner Spucke, an den Steuerbescheiden fest.“

Miriam grinste: „Ja, das wäre sicher ein Bild für die Götter.“

Apropos Götter …“, flüsterte Karla. „Hast du gesehen, dass er wieder nur genickt hat? Ich glaube, er spricht nur, wenn er was will. Man könnte meinen er hätte schlechte Zähne, die er klarerweise nicht zeigen will. Doch, im Gegenteil, er hat ein super Gebiss. Blendend weiß, sage ich dir.“

Mit Er, war, wenig überraschend, Johannes Rauten gemeint. Miriam sah unauffällig zu ihm hinüber. Er saß mit seinem Bürokollegen, Philipp Maurer, zusammen. Philipp sprach unentwegt auf Johannes ein, gestikulierte dabei wie immer stark und zudem Johannes, natürlich auch wie immer, nur nickte. 

Mit gedämpfter Stimme sagte Karla: „Ich bin fast sicher, dass die beiden zusammen sind. Vorhin hat Philipp sogar den Arm um ihn gelegt.“

Miriam presste die Lippen zusammen. „Ja, so ist das wohl“, sagte sie bedauernd.

Karla senkte zustimmend den Kopf. „So eine Schande. Und das, obwohl beide so gutaussehende Kerle sind. Das ist doch Materialverschwendung.

Die Abfuhr

Nach Feierabend räumte Miriam ihren Schreibtisch auf und stieß danach fast mit Johannes zusammen, weil dieser so schnell um die Ecke kam.

Hoppla!“, rief Miriam aus, während Johannes sie reichlich erschrocken ansah. Schnell nickte er ihr zu und strebte dem Ausgang entgegen. 

Miriam schüttelte den Kopf. „Das kann doch nicht sein. Kein einziges Wort der Entschuldigung. Er hat mich angesehen, als würde ich ihn fressen wollen.“

Als im Anschluss auch Philipp flinken Schrittes um die Ecke kam, verzog Miriam das Gesicht. Philipp schaute sich suchend um. „Ist Johannes schon hier vorbeigekommen?“ 

Ja, vorbeigerannt wie ein aufgescheuchtes Kaninchen. Veranstaltet ihr ein Wettrennen oder warum kam er hier so vorbeigesaust?“ 

Philipp lächelte und zwinkerte ihr zu. „Hey, heute ist Handballabend. Um beim Public viewing noch ein paar ordentliche Plätze zu bekommen, muss man sich beeilen.“

„Was, draußen gucken, jetzt im Februar?

„Natürlich nicht draußen. Bei uns im Dorf in der Turnhalle wird auf einer Riesenleinwand ein älteres Lokalspiel übertragen. Das macht Riesenspaß, sage ich dir.“ 

Hört sich interessant an.“ 

Philipp schaute Miriam argwöhnisch an. „Du willst doch nicht etwa auch kommen?“

„Warum nicht? Oder wäre das etwa verboten?“

„Das nicht, aber ich werde dir auf keinen Fall einen Platz freihalten.“

„Ach ja, danke!“, antwortete Miriam ironisch.

„Nichts für ungut. Doch, wenn man selbst nach Feierabend immer noch Arbeitskollegen sehen muss, ist das doch wohl ziemlich grotesk.“

Miriam, die sowieso nicht vorhatte dort hinzugehen, äußerte: „Na, du musst es ja wissen. Immerhin ist Johannes auch dein Arbeitskollege. Doch du hast recht, das ist ziemlich grotesk!“, erwiderte Miriam ironisch. „Wahrscheinlich sind sowieso fast nur Männer da.“ 

So ist es. Mindestens um die 99 %. Ich denke, für dich ist das nichts.“ 

Wenn du es sagst … dann viel Spaß bei eurem 99 prozentigen Männerabend!“ 

Philipp ging schnell in Richtung Parkplatz, wo Johannes schon wartend am Auto stand. „Wo warst du denn? Ich dachte, du wärest schon längst hier draußen?“

„Nein, doch jetzt bin ich ja da. Stell dir vor, um ein Haar wäre diese Schickse aus der Information noch zu unserm Spiel gekommen.“

Johannes sah ihn entgeistert an. „Miriam Sträter?“

„Ja, eben diese. Aber sei beruhigt, ich habe ihr gesagt, es kämen nur Männer.“

„Warum hast du das gesagt? Das stimmt doch überhaupt nicht.“

„Na und? Ich will die Trulla nicht bei uns haben. Außerdem, mache dir da mal keinen Kopf darüber, ich habe dir ja erzählt, was das für eine ist.

Johannes presste die Lippen zusammen und brummte: „Vielleicht hast du recht.“

Philipp nickte bestätigend und dachte, Meike wird stolz auf mich sein. Meike war Philipps jüngere Schwester. Sie stand schon seit längeren auf Johannes, dieser beachtete sie jedoch zu ihrem Bedauern nicht, sondern wich ihr eher aus. Da Meike das so zu schaffen machte, dass Johannes sie zu verschmähen schien, hatte Philipp, der sehr an seiner Schwester hing, versprochen, sich darum zu kümmern. Im Amt hatte er unauffällig das Gerücht verbreitet, dass Johannes schwul wäre, so wie er selbst, als er bemerkte, dass Miriam Sträter Interesse an seinem Freund zu haben schien. Immerhin lag das sehr nahe, dass Johannes und er mehr als nur normale Freunde waren. Die Kollegen schienen es jedenfalls zu schlucken. 

Als Philipp unter anderem bewusst wurde, dass auch Johannes nicht wirklich etwas gegen Miriam einzuwenden hatte, sondern sogar Interesse an ihr zu haben schien, musste er sich etwas einfallen lassen. So erzählte Philipp also seinem Freund Johannes im Vertrauen, er hätte Miriam Sträter eines Nachmittags mit dem Sachgebietsleiter Andreas Schmidt in den Toilettenräumen beim Knutschen erwischt. Johannes, dem besagter Andreas Schmidt schon seit jeher zuwider war, ging demnach seit jener Zeit auf Distanz zu Miriam. Nichtsdestotrotz fühlte er sich, zu seinem Unwillen, immer noch zu ihr hingezogen und das machte Johannes beträchtlich zu schaffen, sodass er ihre Nähe mied und sie demgemäß nur, so kurz wie möglich, anschaute.

Philipp war, mit Johannes jetzigem Verhalten, Miriam gegenüber, äußerst zufriedengestellt. Nun musste er es nur noch irgendwie ins Lot bringen, dass sein Freund mehr Interesse an seiner Schwester bekäme. Letztendlich wäre sie ja am Abend mit beim Public viewing dabei und er plante deshalb, dass Meike neben Johannes sitzen sollte. Allein deswegen hätte er die Anwesenheit von Miriam dort ganz und gar nicht gebrauchen können. 

Miriam hatte in der Tat nie ernsthaft in Erwägung gezogen mit zu dieser Sportfilmvorführung zu gehen. Jedoch wurmte es sie nicht schlecht, dass Philipp sie so brüsk abgewiesen hatte. Fast fühlte sie sich versucht doch einfach dort in dieser öden Turnhalle aufzutauchen, allein nur um Philipp zu verärgern. Abgesehen davon erschien es ihr dann doch zu unpassend sich einfach in einen Männerabend zu drängen. Darüber hinaus war sie ja sowieso bei ihren Eltern zum Essen eingeladen worden und das war sicher tausendmal besser als dieses dumme Handballspiel.

So sehr sich Miriam auch bemühte, Johannes Rauten ging ihr nicht aus dem Sinn. Als er vor einem halben Jahr im Finanzamt Letzendenburg angefangen hatte, erschien er ihr ja durchaus freundlich gesonnen zu sein. Gesprochen hatte er zwar auch da nicht viel, doch, so kam es Miriam jedenfalls vor, hatte er bestimmt öfter ihre Nähe gesucht. Es war jedoch zumindest von ihm ein ›Hallo‹ zu hören. Das war ja wohl mehr als dieses mittlerweile übliche hervor gestoßene Kopfnicken. Erst seitdem das Gerücht kursierte, dass Johannes homosexuell wäre, ging er zu Miriam auf Abstand. Ob er annahm, dass sie etwas gegen Homosexuelle hätte? Das war natürlich ganz und gar nicht der Fall, auch wenn sie in der Vergangenheit ihre Enttäuschungen mit dieser Spezies gehabt hatte. Naturgemäß war sie auch enttäuscht, nachdem sie das gehört hatte. Immerhin hatte sie sich sehr zu Johannes hingezogen gefühlt. Aber, na gut, wenn er eben schwul war, war er schwul. Dann könnte man doch trotzdem nett miteinander umgehen, oder? 

Als die beiden Herren morgens an Miriams Informationsabteilung vorbeikamen, fragte Miriam prompt: „Und, wie war der Männerabend gestern? Gut gelaufen?“

Johannes schaute unverzüglich nach unten auf seine Schuhe und nickte nur, während Philipp ins Schwärmen geriet. „Es war toll. Du hast was verpasst.“

„Wieso, was soll ich in einer Männerrunde verpasst haben?“

„Ach, es waren doch Frauen anwesend. Da habe ich mich wohl vertan. Du hättest also ruhig kommen können.“

Johannes schaute seinen Freund mahnend an und schüttelte den Kopf. „Jetzt lass gut sein, Philipp.“ 

Philipp hörte auch prompt auf und die beiden gingen nach oben. Philipp war vom Verlauf des gestrigen Abends äußerst zufriedengestellt. Er hatte es geschafft, dass seine Schwester und Johannes sich ausnehmend gut unterhalten haben. Die beiden haben nebeneinander gesessen und auch oft zusammen gelacht. Später am Abend ist Philipps Schwester sogar noch zu ihm gekommen und hatte sich bei ihm bedankt, dass er es möglich gemacht hat, dass sie den Abend mit Johannes verbringen konnte. Meike schwärmte: „Ich glaube, Johannes mag mich.“ Doch dann fragte sie ihren Bruder zweifelnd: „Meinst du, es könnte auch Liebe draus werden? Du glaubst gar nicht, wie sehr ich ihn will.“ 

Philipp grinste und strich seiner jüngeren Schwester über ihr silberblondes Haar. „Das wird schon mein Kleines. Ich glaube, du bist ihm auch sehr sympathisch. Ihr habt doch viel zusammen gelacht.“ 

Ja, das stimmt, aber er hat mich nicht einmal berührt.“ 

Na ja, so einer ist Johannes auch nicht. Er ist keiner, der Frauen direkt an die Brüste grapscht. Und das willst du doch auch sicher nicht, oder?“ 

Tja, nicht direkt, aber … er hätte ja zumindest meine Hand einmal halten können.“ 

Wie gesagt, so einer ist Johannes nicht. Er ist ziemlich einfühlsam.“ Dann schaute Philipp schwärmerisch auf. „Schade, dass er nicht schwul ist, er wäre sonst ganz mein Fall.“ 

Leicht entsetzt sagte Meike: „Gott sei Dank nicht! Das wäre schrecklich für mich. Sorgst du folglich weiter dafür, dass er sich für mich interessiert?“

Natürlich Schwesterlein. Ich werde ihm von dir in höchsten Tönen vorschwärmen. Und außerdem ist ja bald dieses Kostümfest in Waldwünschelbach. Wenn du erst einmal dieses tolle Kleid trägst, wirst du ihn schon bezaubern.“ 

Ja hoffentlich. Immerhin habe ich mir auch sehr viel Mühe gegeben dieses Kostüm zu finden. Als was wird Johannes denn dort hinkommen?“ 

Philipp dachte, dass er ihn eigentlich noch dazu überreden müsste überhaupt zu kommen, doch seiner Schwester sagte er: Das weiß ich noch nicht genau. Er ist ziemlich vage mit seinen Andeutungen. Vielleicht hat Johannes ja noch gar kein Kostüm besorgt und tut deshalb so geheimnisvoll. Ich werde ihm raten, als Prinz zu kommen. Umso mehr wird dein Cinderella Outfit zur Geltung kommen.“ 

Philipp selbst hatte für sich ein Batman Kostüm besorgt, weil er genau wusste, dass sein neuer Freund Robin Winter als Robin, Batmans Freund kam. Außerdem gefiel Philipp sich sehr gut mit der enganliegenden Leggins.

Überredungskünste

Johannes Rauten fand übrigens auch, dass der gestrige Abend ein ganz netter gewesen war. Es hatte Spaß gemacht, den Abend mit Philipp und seiner Schwester zu verbringen. Sonst saß er meistens am Abend nur zu Hause und paukte für seine Prüfung, die Anfang März anstand. Da war so eine kleine Abwechslung zwischendurch mal ganz lustig. Ab jetzt musste er sich jedenfalls heranhalten sein Lernpensum zu schaffen, denn nur so konnte er den Posten in der Rechtsabteilung behalten. Sein direkter Vorgesetzter wusste, dass Johannes fast dabei war, in den höheren Dienst aufzusteigen, nur deshalb hatte er diesen anspruchsvollen Posten schon vorher bekommen. Er durfte das Vertrauen seines Vorgesetzten keinesfalls, enttäuschen. Johannes nahm sich von jetzt ab vor, jeden Abend regelmäßig zu lernen und nirgendwo anders mehr hinzugehen, bis er die Prüfung bestanden hätte. Sein Freund Philipp machte es ihm da auch nicht immer leicht, denn dieser wollte unbedingt, dass er am Fastnachtsdienstag mit zum Kostümfest ins Waldwünschelbacher Schloss ging. Ständig lag Philipp ihm in den Ohren, dass er mitkommen solle und sich sogar noch ein Kostüm besorgen solle, obwohl er für derlei Verkleidungen eigentlich gar nichts übrig hatte. Nun, Johannes nahm sich vor, Philipps Drängen nicht nachzugeben. Trotz alledem war er sein ältester und bester Freund. Eigenartigerweise benahm sich Philipp manchmal ziemlich irritierend. Warum zum Beispiel hatte er vor Miriam Sträter behauptet, dass diese Sportfilmvorführung nur für Männer wäre? Obwohl er doch ganz genau wusste, dass dem nicht so war, schließlich war ja auch seine Schwester dabei gewesen und noch jede Menge anderer Frauen. Und wieso anderntags dieses lächerliche Getue vor Miriam? Behauptete einfach, er hätte es nicht gewusst, dass auch Frauen dort hingehen. Johannes selbst hätte es ganz nett gefunden, wenn sie dabei gewesen wäre. Sicher, Philipp hatte ihm gesagt, Miriam hätte mit Andreas Schmidt rumgemacht. Das fand er natürlich nicht so toll. Zumal Johannes den Sachgebietsleiter nicht leiden konnte. Doch jetzt waren sie bestimmt nicht mehr zusammen. Er hatte selbst gesehen, dass Andreas mit Gaby Hutnudel, aus der Zollabteilung, geflirtet hatte. Die beiden schienen ziemlich vertraut zu sein. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Miriam dann noch etwas mit Andreas zu tun haben wollte. Sie hatte es sicher nicht nötig sich weiterhin mit Andreas abzugeben. Dazu ließ sie sich bestimmt nicht herab. Doch, wenn sie gar nichts zu Andreas Beziehung zu Gaby Hutnudel wusste? 

Johannes seufzte und nahm sich seine Prüfungsunterlagen zur Hand. Dabei löffelte er seine Ravioli, die er zuvor in der Mikrowelle erhitzt hatte. Er hatte gerade den letzten Bissen getan, als sein Telefon läutete. Am Apparat war Philipp. „Hallo, mein Guter, ich bin's. Ich wollte dich nochmal daran erinnern, dass du dir noch ein Kostüm besorgen musst.“ 

Ach, Philipp“, stöhnte Johannes. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich keine Lust habe, auf dieses komische Kostümfest zu gehen. Du weißt ganz genau, dass es bei mir im Moment mit dem Lernen pressiert.“ 

Meine Güte! Sei doch nicht so langweilig. Dieser Kostümball in Waldwünschelbacher Schloss ist legendär. Wenn man an so einem tollen Event nicht teilnimmt, wird man es für immer bereuen.“ 

Denk doch bitte mal an meine Prüfung, Philipp! Du weißt, unter welchem Druck ich stehe.“ 

Ja, das weiß ich. Ich werde dich ja auch hinterher wieder in Ruhe lassen. Doch zu diesem Event musst du unbedingt mit hin. Danach kannst du ja immer noch lernen. Zwischendurch mal eine kleine Abwechslung wird dir auch guttun. Dann bist du wieder frisch und bereit fürs neue Lernen.“ 

„Du nervst. Außerdem muss ich mir dann ja auch noch ein Kostüm besorgen. Und, das dauert sicher auch Stunden, bis ich etwas Annehmbares gefunden habe. Ansonsten weiß ich auch gar nicht, als was ich dort auftreten soll. Ich könnte eventuell als Bettelstudent gehen, ein paar alte Klamotten habe ich noch.“

„Nichts da! Du brauchst ein würdiges Kostüm. Da kommt natürlich nur ein Prinzengewand infrage.“

„Gleich als Prinz? Na gut. Vielleicht gibt es ja so eines noch irgendwo zu kaufen.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739485218
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Februar)
Schlagworte
Karneval Freundschaft Maskerade Kostümball Fasching Liebe

Autor

  • Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)

Ulrike Ina Schmitz lebt mit ihrem Mann und zwei Hunden im Westerwald.
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