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Weihnachtsküsse schmecken süßer

Kurzroman

von Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)
80 Seiten
Reihe: Waldwünschelbach, Band 1

Zusammenfassung

Melanie, die lange Zeit in Japan gelebt hat, passt über die Weihnachtstage auf Haus und Tiere ihrer Schwester Angelika auf, die mit ihrem Verlobten eine Reise nach Las Vegas macht, um dort zu heiraten. Eigentlich will Melanie ja nur kurz in Waldwünschelbach bleiben, doch der Aufenthalt dort wird für sie die schönste Zeit ihres Lebens sein. Hier findet sie Arbeit, Freundschaft und Liebe.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Zur Autorin:

Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Hunden im Westerwald. Sie liest und schreibt gerne leichte Kriminal- und Liebesromane.

 

Über die Handlung des Buches:

Melanie, die lange Zeit in Japan gelebt hat, passt über die Weihnachtstage auf Haus und Tiere ihrer Schwester Angelika auf, die mit ihrem Verlobten eine Reise nach Las Vegas macht, um dort zu heiraten. Eigentlich will Melanie ja nur kurz in Waldwünschelbach bleiben, doch der Aufenthalt dort wird für sie die schönste Zeit ihres Lebens sein. Hier findet sie Arbeit, Freundschaft und Liebe. 

 

 

 

Hinweis: Eventuelle Ähnlichkeit mit lebenden Personen wäre rein zufällig und nicht von der Autorin beabsichtigt.

Die Schlüsselübergabe.

Als Melanie den Anruf ihrer Schwester erhielt, hatte sie bereits ihre Stellung aufgegeben und befand sich nun in der Lage, den Gedanken an einen Neuanfang, vorerst einmal nach hinten zu schieben. Darüber hinaus würde sie endlich einmal wieder heraus aus der Stadt und aufs Land kommen. Ihre Schwester Angelika bewohnte ein kleines Landhaus im wunderschönen Westerwald. Ja, sie war sogar seit kurzem stolze Besitzerin von zehn Hühnern, vier Kaninchen, zwei Katzen, zwei Hütehunden und einem frisch Verlobten. Wobei sie mit Letzteren eine Reise gewonnen hatte, nach Las Vegas. Darum ging es natürlich in erster Linie, bei dem Anruf. Angelika klagte, sie könnte jetzt zwar weg, könne aber nicht weg, wegen der Tiere natürlich. Woraufhin Melanie versprach: „Natürlich hüte ich dein Haus mit samt der anwesenden Tierschar, liebes Schwesterherz. Keine Frage. Es passt gerade sehr gut bei mir. Gerade jetzt, wo ich eine Veränderung brauche.“ 

Angelika war natürlich riesig über die Zusage ihrer Schwester erfreut. Immerhin sollte nämlich auch in Las Vegas ihre Eheschließung erfolgen. Der Traum von Angelika und ihrem Verlobten Philipp wurde somit wahr. Warum die beiden nicht in Deutschland heiraten wollten, konnte Melanie sich zwar nicht erklären. Aber sie dachte: „Des Menschen Wille ist eben sein Himmelreich“, und äußerte sich weiter nicht darüber. „Da wollten wir schon immer hin. Wir beide“, -so Angelika. „Und heiraten wollten wir sowieso nicht hier im Dorf. Das würde viel zu teuer werden. Einfach jeder von hier würde zu unserer Hochzeit kommen, da braucht man nicht großartig einzuladen. Und so trifft es sich doch super, wo wir jetzt schon mal diese tolle Reise gewonnen haben. Und Weihnachten unter Palmen zu sein hat doch sicher auch etwas für sich.“ 

Die Tiere und das Haus stellten natürlich ein ziemliches Problem dar. Das könne man nicht so einfach dem nächsten Nachbarn überlassen, wenn der auch gefällig und kompetent wäre. Mit den Katzen würde es wohl gehen, die trieben sich sowieso überall herum. Mit den Hühner und den Karnickeln würde es schon schwieriger sein, doch das größte Problem wären die beiden Collies, die wollten nirgendwo anders bleiben. Zudem müsse, davon abgesehen, jemand stets im Hause sein, wegen allem eben. Und da Melanie sowieso alle Tiere lieben würde und speziell ein Herz für die beiden Collies hätte und die auch für sie, wäre es doch toll, wenn sie es möglich machen könnte zu kommen. Gleich zu Neujahr wären Angelika und ihr bis dahin frisch angetrautem Gatten ohnehin zurück. Den Schlüssel zum Haus müsse sie bei Jürgen abholen, dies wäre der nächste Nachbar. Den könne Melanie übrigens auch fragen, wenn sie etwas nicht wisse, der wüsste nämlich Bescheid, mit allem. Leider müssten Angelika und Philipp ja morgens schon sehr zeitig zum Flughafen nach Frankfurt aufbrechen und da Melanie erst nachmittags ankäme, würden sie sich leider vorher nicht mehr sehen können. Also wurde vorab telefonisch ausgemacht, dass die Wiedersehensfeier, einschließlich der kleinen Hochzeitsnachfeier, nach Neujahr begangen würde. Angelika hoffte zumal, dass Melanie hinterher noch einige Zeit erübrigen könne, bevor sie wieder abreiste. Immerhin hatten die Geschwister sich seit zwei Jahren nicht gesehen. Melanie kannte sogar noch nicht einmal Philipp, ihren noch Verlobten. 

Also versprach sie, dass sie gerne, noch, bis eine Woche nach Ankunft des Flitterpaares, bleiben würde. Stellenanzeigen würde sie auch von dort aus studieren können. Die Tageszeitung wimmele ja anscheinend nur so von Stellenangeboten, laut Angelika. Nun, das mochte sein, hoffte Melanie. Doch ob auch für sie die richtige dabei wäre? Das ließe sich abwarten.

Vom Frankfurter Flughafen aus fuhr Melanie direkt mit dem Zug bis Montabaur, von dort aus bekam sie ohne Zeitverzug einen Anschlussbus direkt nach Waldwünschelbach. Bisher war sie nur einmal in diesem Ort gewesen, und zwar um ihre Schwester zu besuchen, die sich dort vor etwas über zwei Jahren einen kleinen Resthof, von ihrem elterlichen Erbteil, gekauft hatte. 

An der Bushaltestelle in Waldwünschelbach befand sich das örtliche, im Moment wunderschön weihnachtlich dekorierte, Café, welches, gemäß Angelika, fast rund um die Uhr geöffnet hatte. Einige Leute, die dort drinnen ihren Kaffee schlürften, nickten ihr durch die Schaufensterscheibe grüßend zu. Ob man sich kannte oder nicht, war es innerorts so üblich, da das Dorf lediglich 1500 Einwohner besaß. Melanie grüßte folglich zurück und schauerte fröstelnd, als eine kalte Windböe sie streifte. Sehr festlich und schön war, dass es jetzt im Dezember, wo es ja so früh dunkel wurde, man schon die weihnachtlichen Lichter erkennen konnte, mit denen die Leute ihre Fenster geschmückt hatten. Sie erwog kurz, noch schnell ins Café zu gehen, um dort eine heiße Schokolade zu trinken. Sie entschied sich jedoch dagegen, da sie annahm, dass die Tiere noch versorgt werden müssten. Wie auch immer, sie würde sowieso als Nächstes den Schlüssel bei diesem Jürgen abholen müssen, Glücklicherweise lag das Haus von ihm ja ohnedies auf ihrem Weg.

Melanie zurrte ihren Rucksack zusammen und warf ihn sich über die Schulter, dann ergriff sie ihren riesigen Rollkoffer und zog ihn hinter sich her. Wie gut, dass es keine großen Steigerungen innerhalb des Ortes gab, so war der Weg doch recht gut zu schaffen. Sofern nicht ständig der frostig kalte Winterwind durch ihre leider nur wenig warme Kleidung fahren würde. Sie hätte sich besser eine dickere Jacke für den Westerwald besorgen sollen. Unterwegs, im Zug, war ihr das noch nicht so nötig erschienen. Melanie schaute sich um. Sie müsste doch bald das Haus von diesem Jürgen Sowieso, Melanie hatte zu ihrem Leidwesen seinen Nachnamen vergessen, erreicht haben. Als sie endlich die Hausnummer 24 fand, sah sie auch das Namensschild an der Tür. Dreher. Ja sicher, jetzt fiel es ihr auch wieder ein. Angelika hatte ihr sehr wohl den Nachnamen von Jürgen genannt, allerdings nur so nebenbei, deshalb hatte er sich auch noch nicht in Melanies Gedächtnis verfestigt. Beim Leuten der Türglocke an Hausnummer 24, stellte sie sich im Geiste einen alten greisen Mann vor, der ihr mit seinen tattrigen Fingern den Schlüssel überreichte. Sie dachte gerade: „Hoffentlich hält der alte Mann mich nicht zu sehr auf“, als sich die Tür einen Spalt öffnete und ein etwa dreizehnjähriger Junge, auf Socken, erschien. Er fragte: „Ja?“

Melanie antwortete: „Ich bin Melanie Hörsel, die Schwester von Angelika. Ich wollte die Schlüssel für Angelikas Haus abholen.“

Der Junge schien kurz zu überlegen und murmelte dann: „Ach so. Ja. Moment.“

Er verschwand wieder hinter der Tür und Melanie befürchtete schon, dass der Junge sie vergessen hätte, als sich die Tür erneut öffnete. Herr Dreher, scheinbar der Junior, händigte ihr ein Schlüsselbund aus. Dann ratterte er noch herunter: „Ich soll Ihnen von meinem Vater sagen, die Hühner und Kaninchen wären gefüttert und die Ställe geschlossen. Die Hunde und die Katzen laufen allerdings noch auf dem Hof draußen herum. Doch, das tun sie ja sowieso immer. Falls Sie noch Fragen haben, sollen Sie bei ihm in der Praxis anrufen. Bis neun Uhr ist er heute Abend noch da.“

„Uih, das ist aber ein langer Arbeitstag“, murmelte Melanie, dann sagte sie: „Danke. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend!“

Der Junge grinste plötzlich: „Werde ich haben. Sturmfreie Bude.“ 

Melanie lachte: „Okay … dann viel Spaß!“, hernach machte sie sich auf den Weg zu Angelikas Haus und Hof.

Tierische Wiedersehensfreude.

Die zwei Collies bellten freudig, als Melanie am Zaun entlang lief. Obwohl es bereits zwei Jahre her war, dass sie, die mittlerweile fünf und sechs Jahre alten Hunde kennengelernt hatte, schienen sie Melanie tatsächlich wiederzuerkennen. 

Sie kramte den Schlüssel aus ihrer Jackentasche und rief: „Hallo Nine, hallo Ida. Wie ich sehe, habt ihr alles im Griff.“ Sie schloss mit dem größten Schlüssel am Bund, das eiserne, etwa zwei Meter hohe Tor, auf. Sogleich wurde sie von den beiden Hündinnen umringt. Als sich Melanie zu ihnen beugte, schleckten die Collies ihr begeistert das Gesicht. „Na, meine beiden Süßen! Das freut mich sehr, dass ihr mich wiedererkennt.“ 

Melanie streichelte die beiden Hunde ausgiebig und als sie dann zum Haus blickte, sah sie, dass von dort die beiden gestreiften Katzen, Mecki und Muckel interessiert zu ihnen hinübersahen. „Hallo!“, rief sie den beiden Katzen zu. „Wir kennen uns ja noch gar nicht. Ihr dürft aber ruhig zu uns herüberkommen, damit ich euch auch begrüßen kann.“

Dazu schienen die beiden Katzenbrüder bei aller Liebe keinerlei Lust zu verspüren, sie blieben vielmehr auf Abstand, um bereit zu sein jeden Moment zu verschwinden.

Im selben Moment wo Melanie die Tür des kleinen Fachwerkhauses aufschloss, läutete das Telefon. Das Klingeln des Apparats war so laut, dass sie vor Schreck das Schlüsselbund fallen ließ. Sie hob den Hörer des antiken Fernsprechers ab und fragte: „Hallo?“ 

Vom anderen Ende polterte eine tiefe, bärengleiche Stimme: „Sind Sie endlich da?“

„Äh, ja

„Hier ist Jürgen. Ich hoffe, mein Sohn hat ihnen die Telefonnummer meiner Praxis gegeben?“

„Äh … nein. Hat er wohl vergessen, doch ich auch! Immerhin hat er mir ja mitgeteilt, dass ich Sie bei Bedarf anrufen kann. Da ich aber gerade in dem Moment erst hereingekommen bin, verspürte ich noch nicht das kleinste bisschen Bedürfnis dazu und so ist mir dieses Manque bisher noch nicht aufgefallen.“

Haha, sehr witzig.“ 

Die bärige Brummstimme von Jürgen machte Melanie auf eine Weise aggressiv, wie es eigentlich sonst ganz und gar nicht ihre Art war. Nur deshalb hatte sie wohl auch einen ziemlich schnippischen  Ton angeschlagen.

Wie dem auch sei, wenn Sie mit den Tieren auf irgendeine Weise Hilfe brauchen oder so, rufen Sie mich an. Ich bin meist noch spät in der Praxis. Die Nummer sehen Sie ja sicher auf dem Display.“ 

Melanie schaute das altmodische Gerät an und sagte zögernd: „Äh, nein.“

„Was? Ach so, ich vergaß. Angelika hatte sich ja jüngst dieses alte Ding von Telefon bei Ebay ersteigert. Haben Sie denn was zum Schreiben da oder soll ich Sie in ein paar Minuten nochmal anrufen?“ 

Melanie schaute sich um. „Sie können mir Ihre Nummer mitteilen, Herr Dreher. Hier liegen Block und Stift bereit.“

„Okay, aber sage ruhig Jürgen“, brummte Jürgen. „In Waldwünschelbach duzen sich sowieso alle.“

„Na gut. Wenn du dann die Nummer nennen könntest, … ich bin, wie gesagt, gerade erst zur Tür herein.“

„Gut, dann spitze die Ohren!“

Melanie verdrehte die Augen und schrieb, was er ihr diktierte. Er gab die Nummer seiner Praxis an und sogar noch seine Privatnummer, für alle Fälle. Als sie aufgelegt hatte, konnte sie endlich ihren Rucksack abnehmen. Sie ging durch die Räume, wobei die Hunde ihr vertraulich folgten. Angelika hatte seit ihrem letzten Besuch hier, vor zwei Jahren, viel machen lassen. Zudem war sämtliches in den Räumen weihnachtlich geschmückt. Alles war behaglich und gemütlich. 

Ein großer, bereits mit Holz bestückter Kamin, lud dazu ein, ihn anzuzünden, was Melanie auch sogleich vornahm. Eine Stunde später waren die Wohnräume längst lauschig warm.

Derweil war es draußen dunkel geworden und der kalte Wind schien sich sogar noch verschlimmert zu haben. Selbst die beiden Hunde hatten kein Verlangen sich draußen aufzuhalten und kuschelten sich gemütlich in ihren Körbchen.

Melanie hatte es sich gerade mit einer Tasse heißen Kakao gemütlich gemacht, als dieses Ungetüm von Telefon erneut klingelte. Leicht genervt sagte Melanie: „Wenn das schon wieder dieser Jürgen ist, dann …“

Na ja, es war zwar nicht Jürgen, jedoch sein Sohn. Der schien wenigstens ganz nett zu sein. Er teilte ihr mit: „Ich habe ganz vergessen Ihnen die Telefonnummer von der Praxis meines Vaters zu geben. Kann ich Ihnen die jetzt vielleicht telefonisch durchgeben?“

„Nicht nötig, dein Vater hat sie mir schon persönlich verkündet.“

Ach du Scheiße! Entschuldigung. Mein Vater hat bei Ihnen angerufen? Da macht er bestimmt wieder Stress, wenn er zurückkommt.“ 

Warum? Das ist doch nicht schlimm, ich hätte ja schließlich auch daran denken können. Dafür wird dir doch sicher dein Vater den Kopf nicht gleich abreißen, oder?“ 

Das nicht gerade, dennoch … am besten wird sein, wenn ich mich ins Bett lege und so tu, als würde ich schlafen.“ 

Melanie lachte: „Vielleicht kann deine Mutter ihn ja beschwichtigen.“

„Wohl eher nicht. Meine Eltern sind geschieden und meine Mutter ist jetzt mit einem Ölscheich aus Dubai verheiratet.“

„Oh, das tut mir leid. Siehst du sie manchmal?“

„So einmal im Jahr. In den Weihnachtsferien ist es wieder soweit. Sie lebt ziemlich megacool dort und der Scheich, Achmed, ist auch relativ cool drauf. Da lässt es sich wirklich prima aushalten.“

Da gibt es aber doch garantiert keinen Schnee, oder? Der fehlt dir sicher zu Weihnachten.“ 

Ach, das ist schon in Ordnung. Ich finde es cooler, wenn es wärmer ist.“ 

Melanie lachte: „Ja, wärmer ist meist cooler.“

Na, dann brauche ich Ihnen die Nummer ja nicht mehr zu geben. Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend und ich werde mich mal darangeben, mich so langsam bettfertig zu machen, sonst erwischt mich mein alter Herr noch.“ 

Ist dein Vater denn schon so alt?“ 

Ja, das ist er. Fast Methusalem. 35. Das ist schon was.“ 

Ja, das ist schon was. Dann schlaf gut Michel!“ 

„Sie auch Frau … tut mir leid, ich habe ihren Namen vergessen.“

Nenn mich einfach Melanie und du darfst auch ruhig Du sagen. Immerhin bin ich ja noch nicht so alt wie Methusalem.“ 

Michel lachte: „Okay, gute Nacht Melanie. Ein schöner Name übrigens.“

„Danke.“

Als Melanie es sich wieder vor dem Kamin gemütlich machte, fiel ihr ein kleiner Zettel auf dem Wohnzimmertisch ins Auge. Angelika hatte ihr eine kleine Gebrauchsanweisung aufgeschrieben, wie sie die Tiere zu behandeln hatte. Das Futter für die Hunde und Katzen hätte sie im unteren Bereich des Küchenschrankes deponiert, schrieb sie und das für die Hühner und Kaninchen wäre im Hühnerstall zu finden, in einer Tonne, beziehungsweise in zwei Tonnen, welche angeblich nicht zu übersehen wären. Ansonsten solle sie die Hühner jetzt im Winter erst um acht Uhr ins Freie lassen, auch wenn es schneien würde. Das Federvieh würde nach eigenem Ermessen dann durch den Schnee paradieren oder nicht. Sobald der Stall geöffnet wäre, solle sie sich im Übrigen daranmachen, die Eier einzusammeln, außer die von Gertrude, die wäre nämlich, trotz der kalten Jahreszeit, am Brüten. Insgesamt wären es sieben Hühner und ein Hahn. Alles andere wäre wohl selbsterklärend, auch die Kaninchen. Darunter, als Schlusssatz war noch der Vermerk: sie, Melanie könne sich jede Zeit an Jürgen wenden, der käme sogar des Nachts, wenn es sein müsse. 

Jetzt stutzte Melanie. „Warum sollte Jürgen Dreher wohl nachts kommen?“ Dann las sie weiter und ihr ging ein Licht auf. „Ach so, er ist der Tierarzt hier, in Waldwünschelbach. Das hätte ich mir eigentlich denken können.“ Na ja, wenn mit den Tieren nichts vorfiele, würde sie ganz gut ohne diesen arroganten Jürgen auskommen. Sie schaute die beiden Collies an, die in ihren Körbchen schlummerten. „Nine und Ida, wir werden schon zurechtkommen.“

Der Blick auf die Uhr, machte Melanie bewusst: „Uh, schon sieben Uhr. Ich denke, jetzt ist Futterzeit angesagt.“

Das Wort „Futterzeit“ ließ die Collies die Ohren spitzen. Melanie lachte: „Ich sehe schon, ihr versteht jedes Wort. Doch was ist mit euren Kumpeln, den beiden Katzen? Euer Frauchen hat nicht aufgeschrieben, wann die Herrschaften zu speisen gedenken.“

Nine bellte und lief zur Haustüre. Melanie sah auf. „Was ist, Nine? Musst du mal raus?“ Sie stand auf und öffnete die Haustür. Siehe da, die beiden Kater standen erwartungsvoll vor der Tür. „Wow, das ist ja toll. Mecki und Muckel. Ihr habt also auch eine innere Uhr. Na, dann auf zum Küchenschrank, damit ich euer Fresschen bereiten kann.“ Mit vier felligen Geschöpfen im Schlepptau zog Melanie in Richtung Küche. 

Anderntags am Morgen, Melanie hatte bereits die Eier eingesammelt und war dabei sie feucht abzuwischen und sie dann in den Kühlschrank einzuräumen, als wiedermal das Ungetüm von Telefon klingelte. „Hallo?“

„Jürgen hier.“

„Aha. Guten Morgen! Du bist aber früh auf den Beinen. Treibt dich die Sorge um Angelikas Tiere um?“

„Was? Nein“, brummte Jürgen aus dem Hörer. „Angelika hat mich gerade besorgt angerufen, sie hätte dich telefonisch nicht erreichen können.“

„Wieso? Ich bin doch die ganze Nacht und heute Morgen hier gewesen. Mit Ausnahme natürlich, als ich die Eier eingesammelt habe, und mit den Collies draußen war. Und just in diesem Moment soll meine besorgte Schwester angerufen haben? Das gibt's doch nicht!

Ja, scheinbar gibt es das doch. Sie wollte dir, nebenbei bemerkt, mitteilen, dass eine Freundin von ihr, heute Mittag ein Pärchen japanische Laufenten vorbeibringt.“ 

Warum hat Angelika die nicht erst zum Frühjahr bestellt? Das wäre doch zweifellos besser für die Enten und für Angelika, wenn sie selbst dabei wäre, die neuen Bewohner aufzunehmen. Ich weiß ja gar nicht, ob Enten bei dem eisigen Wetter überhaupt rausgehen dürfen.“ 

Ja, dürfen sie. Du musst nur einige Ballen Stroh mit in den Hühnerstall tun. Hat Angelika denn noch Stroh vorrätig?“ 

Du stellst Fragen. Also, im Hühnerstall habe ich nichts gesehen. Nur Sägespäne. Gehen die nicht auch?“ 

Nein, besser ist Stroh. Das Stroh kannst du bei Bauer Bernburger holen.“ 

Okay … dann werde ich das direkt nach dem Frühstück in Angriff nehmen. Ist der Bauernhof weit von hier?“ 

Am Dorfrand. Mit dem Auto bist du in fünf Minuten dort.“ 

Na toll“, stöhnte Melanie. „Mit der Schubkarre brauche ich wahrscheinlich eine halbe Stunde. Hoffentlich reicht ein Heuballen. Mehr als zwei bekomme ich jedenfalls nicht auf Angelikas kleine Schubkarre. Oder hat der Bauer etwa nur diese riesigen Dinger, die heutzutage überall herumliegen? Dann müsste ich den Ballen zumal irgendwie rollen. Hast du eventuell die Telefonnummer von dem Bauern? Vielleicht kann er mir ja auch einen seiner Ballen vorbeibringen.“ 

Du hast kein Auto?“, fragte Jürgen entgeistert. 

Nein. Bisher hatte ich jedenfalls noch keines nötig. Immerhin gibt es ja öffentliche Verkehrsmittel.“ 

Nun, in Waldwünschelbach fährt in der Tat nur zweimal täglich ein Bus. Angelika hat einen kleinen Traktor im Schuppen, vielleicht kannst du ja auch mit dem fahren, falls Bernburger keine Leute freihat. Im Winter hat er nämlich nicht so viele Leute parat.“ 

Was, das Ungetüm von Traktor im Schuppen?“, rief Melanie aus. „Da kenne ich mich ja überhaupt nicht mit aus.“ 

Na, das ist auch nicht soviel anders, als Autofahren.“ 

Hallo? Ich habe kein Auto. Ich habe auch keinen Führerschein.“ 

Was? Eine Frau von heute, die keinen Führerschein hat? Das gibt es doch gar nicht.“ 

Tja, da muss ich dich leider enttäuschen, sagte Melanie sarkastisch.“ „Ich habe jahrelang in Tokio gelebt, da ist ein Auto so ziemlich fehl am Platze.“ 

Du hast in Tokio gelebt?“, fragte Jürgen überrascht. 

Ja, warum?“ 

Ach, nur so. Ich bringe dir heute Mittag drei kleine Heuballen vorbei. Vielleicht kannst du den Enten im Hühnerstall schon mal einen Platz reservieren.“ 

Oh, okay. Das mache ich. Danke! Bis heute Mittag!“ 

Melanie sah hinunter auf die Collies, die ihr offenbar aufmerksam zugehört hatten. „Das ist ja ein komischer Heiliger, dieser Jürgen. Seine tiefe Stimme fährt einem durch Mark und Bein. Na, einigermaßen gefällig scheint er ja doch zu sein. Nun, dann müssen wir uns eben mit dem Frühstück beeilen, immerhin muss ich den Stall noch für den neuen Familienzuwachs vorbereiten. Kommt mit, ihr dürft mir Gesellschaft leisten!“ Verstehend wedelten die Collies mit dem Schwanz. 

Der kalte Wind hatte sich noch gesteigert und in den Nachrichten hatten sie für die nächsten Tage Schnee angekündigt. Melanie hatte für die zwei japanischen Enten ein schönes Eckchen eingerichtet. „Hey“, teilte Melanie Nine, die in ihrer Nähe saß, scherzhaft mit. „Wenn es japanische Enten sind, kann ich mich ja mit ihnen ein bisschen japanisch unterhalten.“ Die Hündin bellte bestätigend. 

Punkt zwölf Uhr kam eine kleine dicke Frau mit einem Minivan vorgefahren. „Hallo, ich bin Merle. Angelika sagte mir, du wüsstest Bescheid?“ 

Ähm, ja. Die Laufenten?“ 

Ja, genau. Ich hab‘ schon so viele, da müssen die zwei hier weg.“ 

Tatsächlich? Wie viele hast du?“ 

Sechs Stück und das sind definitiv zu viel, glaub‘ mir. Die scheißen einem den ganzen Rasen voll. Wo man hintritt, Entenkacke und im Schnee sieht das sogar noch beschissener aus“, lachte Merle. 

Hattest du vor der Anschaffung der Enten denn nicht im Internet recherchiert?“ 

Doch, eigentlich schon. Ich finde sie auch toll. Sie fressen Schnecken und Löwenzahn und auf unseren zweitausend Quadratmetern Rasen ist das auch ganz nützlich, doch könnten die nicht wenigstens auf eine Stelle machen? Vorzugsweise auf dem Komposthaufen?“ 

Melanie lachte: „Du weißt aber schon, das es Tiere sind, oder?“

Merle grinste: „Wahrscheinlich habe ich das nicht so richtig bedacht. Du wirst schon sehen, was ich meine. Hast du schon ein Eckchen mit Stroh vorbereitet?“

„Bisher leider nur ein Eckchen ohne Stroh, das Stroh bringt mir gleich Jürgen vorbei.“

„Jürgen? Der Tierarzt?“

Ja, der ist es wohl.

So, dann hast du ihn schon kennengelernt?

Nur telefonisch. Betreut er auch deine Enten?“ 

Unsere Enten, unsere Hunde, unsere Katzen und unsere Esel.“ 

Ist er ein guter Tierarzt?“, fragte Melanie interessiert. 

Der beste in unserem Ort. Natürlich ist er auch der einzige in Waldwünschelbach. Aber nein, er ist wirklich kompetent, doch menschlich …“ 

Wie, ist er etwa unmenschlich?“, fragte Melanie grinsend. 

Na ja, nicht direkt, zu den Tieren ist er wirklich freundlich. Doch für uns Menschen hat er nicht gerade viel übrig. Man kann leider mit ihm in keinerlei Gespräch kommen.“ 

Wenn er wenigstens ein guter Tierarzt ist, ist das doch auch schon etwas. Besser als umgekehrt, ich meine, für einen Tierarzt.“ 

Da magst du recht haben“, kicherte Merle. „Doch, lass uns die Enten in den Stall bringen.“ 

Sie brachten die beiden Enten zu den Hühner in den Stall, woraufhin das ansässige Federvieh einen fragenden Ausdruck in ihr Hühnergesicht zauberte. Der Hahn allerdings blickte nur kurz auf und zeigte dann den beiden Entenschnäbeln nur noch die kalte Schulter.

„Am besten lassen wir die Viecher jetzt erst einmal in Ruhe, sie werden sich schon einleben.“

„Gut, das machen wir. Sobald Jürgen mit dem Stroh kommt, werden sie sich schon heimischer fühlen. Möchtest du, bevor du zurückfährst, noch eine heiße Tasse Kaffee, Tee oder Kakao trinken?“

Merle warf einen Blick auf ihr Smartphone. „Mögen schon. Ich muss aber noch das Mittagessen bereiten, denn um ein Uhr ist Kindergartenschluss.“

„Na dann … vielleicht ein andermal?“

„Gerne. Vielleicht hast du ja auch mal Lust abends mit in unsere örtliche Gaststätte zu kommen? Wir treffen uns einmal die Woche dort, abends, mit ein paar Mädels aus dem Ort. Es ist eine recht lustige Zusammenkunft. Ich könnte hier vorbeikommen und dich mitnehmen, wenn du magst? Es liegt sowieso auf dem Weg.“ 

Das wäre nett. Doch, was ist, wenn du etwas trinken möchtest? Ich kann leider nicht Autofahren.“ 

Du kannst nicht Autofahren? Egal. Meine Mami fährt und die trinkt nie etwas. Sie trifft sich dort zur gleichen Zeit mit ihren Rommé Schwestern. Die Damen bleiben sowieso alle nüchtern.“ 

Das ist ja günstig für dich.“ 

Ja, ich habe es wirklich gut. Wir sehen uns also morgen um halb acht?“ 

Ja, gerne. Bis morgen und danke für die Enten.“ 

Merle lachte: „Ja, ihr werdet Spaß mit ihnen haben.“ Sie lachte noch, als sie in ihren Wagen einstieg und losfuhr.

Melanie hoffte nun, dass Jürgen, der Tierarzt mit der tiefen Stimme, bald mit dem Stroh kommen würde. Sie dachte: „Wenn der Mann so gut mit den Tieren umgehen kann, spricht das doch eigentlich nur für ihn. Vielleicht mögen die Tiere ja seine tiefe Bassstimme. Wenn ich mich nicht mehr so sehr über Jürgen, mit seiner nervigen Art, ärgern müsste, würde seine Stimme mir auch besser gefallen. Na, mal sehen, was so mit ihm los ist.“ 

Tatsächlich kam der Tierarzt pünktlich, um zwölf Uhr dreißig, mit einem japanischen Pick-up vorgefahren. Jürgen stieg aus und begrüßte die Hunde herzlich, die ihm bereitwillig entgegenliefen. Das dauerte recht lange und als er endlich in Melanies Richtung schaute, nickte er ihr nur kurz zu. „Du kannst schon mal die Schubkarre holen, damit ich die Ballen darauf legen kann!“ 

Okay …“ 

Melanie setzte sich sogleich in Bewegung und dachte: „Jetzt verstehe ich auch, was Merle meinte. Mit Menschen scheint dieser Jürgen es nicht so sehr zu haben.“ Über sein Aussehen war sie allerdings sehr erstaunt. Er sah nämlich gar nicht aus, wie man sich einen einheimischen Waldwünschelbacher vorstellte. Nein, er sah nicht einmal deutsch aus. Im Gegenteil, er sah gut aus. Richtig gut. Mittelgroß, blauschwarzes Haar und ja … wunderschöne schwarzbraune Augen. Er sah wie ein waschechter Japaner aus. Unsinnigerweise fühlt sich Melanie sofort von ihm angezogen. Natürlich weil er so aussah, wie er aussah. Japanisch eben. Warum auch sonst? Sie hatte schließlich mehrere Jahre in Tokio gelebt. Zugegeben seine Stimme klang tief, wie die eines Bären und sein ganzes Benehmen war überhaupt nicht japanisch. Die Japaner waren nämlich, im Gegensatz zu Jürgen, nette freundliche Menschen. Nebenbei bemerkt war es letztendlich doch auch verwunderlich, dass ein solcher Mann schlichtweg einfach nur Jürgen hieß.

Während Melanie die Schubkarre zum Wagen des Tierarztes schob, hatte Jürgen die Gurte, die er über die Strohballen gespannt hatte, gelöst. Er packte die drei rechteckigen Ballen leichthändig auf die Schiebekarre und fragte: „Sind sie schon da?“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739473536
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (November)
Schlagworte
Schnee Liebesroman Tiere Freundinnen basteln Freundschaft Japan Weihnachten Weihnachtsbaum Hunde

Autor

  • Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)

Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Hunden im Westerwald. Sie liest und schreibt gerne leichte Kriminal- und Liebesromane.
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Titel: Weihnachtsküsse schmecken süßer