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Solana Dreams - Lyanne

von Alina Jipp (Autor:in)
344 Seiten
Reihe: Solana Dreams, Band 1

Zusammenfassung

Lyanne flieht mit ihrem Sohn von Columbus/Ohio in die Kleinstadt Solana Beach in Kalifornien. Hier möchte sie ein neues Leben starten – ohne ihren Stalker, der sie verfolgt und ihr das Leben zur Hölle macht. Von Männern hat sie die Nase gestrichen voll, und doch ist da eine Anziehungskraft zwischen ihr und ihrem neuen Boss Connor. Wird sie ihr nachgeben? Wird er seine Vorurteile überwinden? Und was passiert, wenn ihr Stalker sie wieder findet?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1. Lyanne – Aufbruch

Ein letztes Mal sah ich mich in meiner Wohnung um und nahm still Abschied. Sechs Jahre hatte ich hier gelebt, aber es kam mir vor, als wäre es viel länger gewesen. So viele Erinnerungen steckten in diesen Räumen, viele gute, aber auch einige schlechte. Zum Beispiel an Nicks Vater – oder sollte ich besser Erzeuger sagen? –, der nur ein paar Wochen nach Nicks Geburt abgehauen war und sich seitdem nicht mehr gemeldet hatte. Jedes einzelne Möbelstück hatte ich selber ausgesucht und mir hart erarbeitet. Nun musste ich alles hier zurücklassen. In Solana Beach hatte ich eine möblierte Zweizimmerwohnung angemietet, die ich mir im Vorfeld nicht einmal persönlich ansehen konnte. Allein der Gedanke daran trieb mir die Tränen in die Augen. Auch wenn ich mich auf den Neuanfang irgendwie freute, so fiel es mir trotzdem verdammt schwer, alles hier zurückzulassen. Hoffentlich erwartete uns dort keine böse Überraschung. Eine andere Wahl gab es nicht, auch wenn das Risiko hoch war. Jetzt konnte ich sowieso nur das Nötigste für Nick und mich mitnehmen. Wir würden in ein ganz neues Leben starten, ohne die alten Sachen, aber, so hoffte ich, auch ohne die alten Probleme. Ich musste ihn einfach loswerden.

Es kam mir vor, als wären wir Flüchtlinge, die wir im Grunde ja auch waren. Wir flohen zwar nicht vor einem Krieg, aber doch vor Terror – Psychoterror – eines verrückten Stalkers. Zum Glück war ich auf Stopp–Stalking – Verein für Stalking–Opfer – aufmerksam geworden. Mithilfe dieser Menschen hatte ich meinen Umzug ganz genau geplant. Freunde hatte ich ohnehin kaum, zu denen ich jeden Kontakt abbrechen müsste, aber an die neue Identität würde ich mich trotzdem erst gewöhnen müssen. Aus Lyanne O’Sullivan, kurz Anne gerufen, würde Lyanne Brown werden. Als Rufnamen hatte ich mir Lynn ausgesucht. Außer meiner Großmutter hatte mich noch niemand so genannt, aber irgendwie fühlte es sich gut an. Besser jedenfalls als ein völlig fremder Name. Es war gewiss nicht einfach, alles hinter mir zu lassen, aber nur so hatte ich eine Chance auf einen Neuanfang ohne Angst.

Noch zwanzig Minuten bis das Taxi kam, es war höchste Zeit, meinen Engel endlich zu wecken. Der arme Kleine ahnte zum Glück nicht, was uns bevorstand. Hoffentlich konnte ich ihm das Ganze als Abenteuer verkaufen, um ihm den Neuanfang zu erleichtern.

Schnell wischte ich mir die Tränen weg, die in den letzten Minuten des Abschieds einfach so gelaufen waren, ehe ich ins Kinderzimmer hinüberging. Nick sollte nichts von meinen widersprüchlichen Gefühlen mitbekommen, aber er wurde gar nicht richtig wach, als ich ihn anzog. Das war auch kein Wunder, schließlich war es erst vier Uhr morgens. Noch ehe die Wohnungstür ein letztes Mal hinter uns ins Schloss fiel, schlief er auf meinen Arm schon wieder tief und fest. Ich konnte nur hoffen, dass er unser altes Zuhause nicht zu sehr vermisse würde.

Der Taxifahrer half mir, meinen Sohn und das Gepäck im Wagen zu verstauen. Es wäre leichter gewesen, wenn wir das Gepäck im Vorfeld aufgegeben hätten. Aber das Risiko war einfach zu groß. Jason könnte dadurch herausfinden, wohin ich verschwand. Genau aus diesem Grund hatte ich sogar mein Handy in der Wohnung liegen lassen und mich von keinem meiner Bekannten verabschiedet. So wenig Spuren wie nur möglich hinterlassen, das war unser Ziel. Ein Handy konnte man auch illegal orten und Bekannte könnten sich aus Versehen oder Unwissenheit verplappern. Um die Auflösung der Wohnung würde sich der Verein kümmern. Einen Teil der Möbel bekäme eine andere Frau, die in der gleichen Situation wie ich steckte, und der Rest wurde zugunsten des Vereins verkauft. So finanzierten sie einen ganzen Teil ihrer Hilfe.

Am Flughafen wurde Nick dann doch wach und beobachtete völlig fasziniert, was er um uns herum sah. Ständig musste ich aufpassen, dass er mir nicht davonrannte.

Plötzlich stieß ein dunkelhaariger Mann gegen meinen Gepäckwagen und ein Rucksack fiel herunter. Mir blieb fast das Herz stehen vor Schreck. Natürlich musste es auch noch ausgerechnet der sein, in dem sich zerbrechliche Sachen wie die Kamera und der Laptop befanden.

»Entschuldigen Sie bitte. Das war keine Absicht.« Der Mann lächelte mich entschuldigend an.

»Schon gut«, brummte ich und versuchte, den Rucksack wieder aufzuheben und gleichzeitig Nick am Weglaufen zu hindern.

»Darf ich Ihnen behilflich sein?«, fragte er höflich und hob den Rucksack wieder auf, während ich hinter meinem Sohn herrannte.

 

»Nick, bleib endlich stehen«, schimpfte ich, »sonst fliegt unser Flugzeug noch ohne uns.«

»Ich will aber jetzt fliegen. Ich bin ein Pilot«, antwortete mein Junior empört. Der kleine Mann liebte schon lange alles, was mit Autos und Luftfahrzeugen zu tun hatte. Vielleicht konnte ich ihn mit einer List dazu bekommen, dass er letztendlich auf mich hörte. Zumindest im Moment schien es zu funktionieren und er folgte mir wieder zu unseren Sachen. Der Mann war verschwunden, aber zum Glück stand mein Rucksack wieder auf dem Gepäckwagen. Einen Augenblick hatte ich befürchtet, er könnte ihn gestohlen haben.

Eine Viertelstunde später hatte ich eingecheckt und war mein Gepäck los. Nur den Rucksack würde ich als Handgepäck mit ins Flugzeug nehmen. Den trug ich nun auf dem Rücken und hatte somit beide Hände frei, um meinen Sohn zu bändigen. Die Wartezeit überbrückten wir mit einem Bummel durch den Flughafen, dabei ließ ich meinen Blick immer wieder über die Menschenmassen gleiten. Ich war sowieso lieber in Bewegung, solange wir noch hier in Columbus waren, die Angst trotz aller Vorbereitungen und Absicherungen doch noch von Jason gefunden zu werden, war einfach zu groß. Er durfte auf keinen Fall erfahren, wo unsere Reise hinführte, sonst würde er uns sicher folgen. Da war ich mir völlig sicher. Diesem Mann war alles zuzutrauen.

Endlich wurde unser Flug aufgerufen. Nick hampelte wie verrückt, denn er war noch nie geflogen und schrecklich aufgeregt, weil es nun losging. Für ihn war das Ganze ein großes Abenteuer. Fast wünschte ich mir, ich könnte es ebenso positiv sehen wie er. Aber im Moment sah ich nur die Risiken und was ich aufgeben musste. Und das nur wegen eines durchgeknallten Idioten, der behauptete, mich zu lieben.

 

Das Flugzeug hob ab und langsam atmete ich etwas auf. Wenn ich keinen Fehler gemacht hatte, würde Jason mich nun nicht mehr finden. Jeany, die Mitarbeiterin der Hilfsorganisation, hatte wirklich alles perfekt vorbereitet. In Solana Beach erwarteten mich eine Wohnung, ein Job, ein Kindergartenplatz für Nick und hoffentlich kein Stalker.

Er wird uns nicht finden, sprach ich mir selber Mut zu. Lyanne Brown war ein Allerweltsname und das O’Sullivan würde ich nicht vermissen. Den Mädchennamen meiner Großmutter zu benutzen machte mir Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Nick verschlief nach der anfänglichen Aufregung einen großen Teil des fast fünfstündigen Fluges und ich weckte ihn erst kurz vor der Landung in Los Angeles, damit er sich umziehen konnte. Die Sachen hatte ich im Handgepäck dabei. Denn während in Columbus vier Grad minus geherrscht hatten, würden uns hier in Kalifornien ungefähr fünfzehn Grad plus erwarten.

»Mom, es ist Winter. Da darf ich den dünnen Pulli doch nur im Haus anziehen«, protestierte der Kleine verwirrt. Schließlich verbot ich ihm seit Monaten, mit seinem Lieblingsteil vor die Tür zu gehen.

»In Kalifornien ist es wärmer, Nick«, erklärte ich ihm.

»Kein Schnee?«, fragte er noch einmal.

»Nein, Schatz. Den gibt es hier nicht. Aber dafür tolle Strände. Wir werden ganz oft ans Meer gehen, damit du dort spielen kannst«, versprach ich ihm.

»Wirklich?«, fragte er selig und ich bestätigte es ihm erneut.

»Und ich darf auch im Ozean baden?« Für ihn gab es nichts Schöneres als Wasser.

»Dafür ist es jetzt wahrscheinlich doch noch etwas kalt.«

Die Landung lenkte ihn noch etwas ab, aber während der ganzen Zeit, in der wir auf unser Gepäck warteten und dann zur Bushaltestelle gingen, hatte Nick nur ein Thema. Er wollte ans Meer – sofort. Dabei stand uns der anstrengendste Teil der Reise noch bevor.

Wir aßen schnell Burger in einem Schnellrestaurant und mussten uns auch schon beeilen, um den Bus noch rechtzeitig zu erwischen.

»Mommy, hast du auch meinen Bagger eingepackt? Den brauche ich am Strand.« Ich seufzte leise. Wie sollte ich ihm erklären, warum wir kaum etwas mitnehmen konnten? Sein großer Sitzbagger stand noch immer im Sandkasten im Innenhof unseres alten Hauses. Die anderen Kinder dort würden sich sicher darüber freuen.

»Nein, aber der wäre auch viel zu schwer, um ihn an den Strand zu tragen. Ich kaufe dir einen Kleineren, den du tragen kannst.« Damit gab er sich zufrieden, sah den Rest der ersten Busfahrt aus dem Fenster und unterhielt den ganzen Bus, indem er jede Kleinigkeit draußen kommentierte. Manchmal wünschte ich mir eine Mute–Taste, um ihn mal einige Augenblicke stumm zu schalten.

Es dauerte dreißig Minuten, bis wir unser erstes Ziel erreichten und in den anderen Bus umzusteigen. Zum Glück hielt der direkt hinter unserem. So war es nicht so kompliziert, mit Nick und Gepäck dorthin zu kommen, zumal wir nur zwanzig Minuten bis zur Abfahrt hatten. Dieser Abschnitt der Reise war etwas länger als der vorherige und Nick wurde mit der Zeit tatsächlich ein bisschen ruhiger, da er müde war. Aber das war ja auch kein Wunder, es war mittlerweile fast vierzehn Uhr in Columbus und somit waren wir schon zehn Stunden auf den Beinen. Hier war es erst elf Uhr Ortszeit. Außerdem hatte er viele neue Eindrücke zu verarbeiten. Ich schaffte es aber, ihn bis zum nächsten Halt am Einschlafen zu hindern.

Den Rest der Strecke nach Solana Beach würden wir jetzt mit der Bahn zurücklegen, und da diese Fahrt über zwei Stunden dauerte, konnte Nick auch ruhig schlafen. Allerdings tat er mir diesen Gefallen nicht. Durch das Umsteigen war er wieder richtig wach und wollte beschäftigt werden.

»Ich will auf deinem Handy spielen«, forderte er quengelig. Ab und zu durfte er das. Ich hatte sogar extra eine App für ihn installiert, mit der er Luftballons zerplatzen lassen konnte. Nur lag mein Handy ja in unserer alten Wohnung und ich musste ihn enttäuschen.

Nick war nun noch unleidlicher und meine Nerven lagen langsam blank. Ich fühlte mich völlig erschlagen und überfordert mit der Situation. Zumal mein kleiner Mann alles ablehnte, was ich ihm anbot. Egal ob Essen, Trinken, Malsachen oder Spielzeug. Er war nicht zufriedenzustellen.

»Das macht doch nichts. Kinder sind nun einmal so. Sie sind wohl schon länger unterwegs?«, fragte die ältere Frau, die uns gegenüber saß, nachdem ich mich für sein Verhalten entschuldigt hatte.

»Ja, wir kommen aus Ohio.« Näheres sagte ich nicht. Auch wenn Jason hier hoffentlich niemanden kannte, so hatte ich doch immer noch Angst, ihn auf unsere Fährte zu bringen.

»Dann darf er auch unleidlich sein. Ich habe drei Enkel, die sind auch nicht besser drauf, wenn sie verreisen. Bleiben Sie lange in Kalifornien?« Neugierig musterte sie unser Gepäck.

»Mommy, guck mal. So viel Wasser.« Der Zug fuhr nun direkt an der Küste entlang und Nick war völlig aus dem Häuschen. Seine Laune stieg sofort um ein Vielfaches.

»Das ist das Meer, Schatz«, erklärte ich ihm. »Jetzt dauert es auch nicht mehr lange und wir sind endlich da.« Ich konnte die Ankunft kaum erwarten. Auch wenn ich große Angst vor dem Neuanfang hatte. Schließlich kannte ich hier keine Menschenseele und musste Nick völlig fremden Menschen überlassen, wenn ich nächste Woche meinen neuen Job antreten würde. Selbst meinen Chef kannte ich nicht persönlich. Das Bewerbungsgespräch hatten wir über Videochat geführt. Ob wohl alles gut gehen würde?

 

2. Connor – Veränderungen

Genervt saß ich am Schreibtisch des Minibüros hinter dem Laden und versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen, das mein Bruder in meiner Abwesenheit angerichtet hatte. Ich war doch nur zwei Wochen nicht in der Stadt, wie hatte er es da geschafft, die Papiere der letzten Monate durcheinanderzubringen? Ich hatte ihm doch klar und deutlich gesagt, dass er die Finger davon lassen sollte. Warum hatte Jodie ihn überhaupt ins Büro gelassen? Normalerweise kümmerte sie sich um die Abrechnungen, wenn ich nicht da war. Auch wenn das nicht so oft vorkam.

»Daniel?«, rief ich den Schuldigen, der gerade dabei war Bilderrahmen auszupacken. Eigentlich nannte ich ihn nur Dan, aber im Moment war ich wirklich stinksauer. Das Chaos zu lichten würde mich Stunden kosten. Es war gerade kein Kunde im Laden und die Zeit musste man ausnutzen. Ich wusste das, weil wir hier hinten zwei Monitore hatten, auf denen man die Bilder der Überwachungskameras sehen konnte. Viel hielt ich nicht von dieser Dauerüberwachung, und ich würde sie auch nie nutzen, um das Personal auszuspionieren, aber ab und zu, so wie gerade jetzt, waren diese Kameras schon praktisch.

»Ja?« Mein Bruder kam ins Büro, blieb aber zögernd an der Tür stehen. Er sah aus wie das personifizierte schlechte Gewissen. Das kannte ich so gar nicht von ihm, normalerweise zuckte er bei solchen Sachen einfach nur mit den Schultern und meinte, ich würde das schon regeln. Aber viel mehr noch als sein Verhalten, irritierte mich seine neue Frisur. Bisher hatte er seine blonden Haare immer lang getragen und oft zum Pferdeschwanz gebunden. Nun trug er sie auf einmal genauso kurz wie ich. Das würde sicher zu Verwechslungen führen. Wir waren eineiige Zwillinge und die unterschiedlichen Frisuren hatten es den Leuten erleichtert, uns zu unterscheiden.

»Was hast du hier angestellt? Du sollst doch Jodie die Buchführung überlassen, wenn ich nicht da bin.« Mein Bruder schien etwas zu schrumpfen bei meinen Worten, und sofort schrillten bei mir die Alarmglocken. Was hatte er noch angerichtet? Dan konnte wunderbar mit Menschen umgehen, die Kunden liebten ihn, aber bei organisatorischen Dingen war er schnell überfordert. Eben ein echter Künstlertyp und genau das war er auch. Leider weigerte er sich, seine Bilder zu verkaufen, dabei hätten wir sicher Abnehmer dafür gefunden, aber seiner Meinung nach reichte sein Talent nicht aus. Jetzt ging es jedoch nicht darum, sondern um die Frage, wie Dan es geschafft hatte, einen solchen Saustall zu hinterlassen, und wo Jodie war. Immerhin war eigentlich sie dafür verantwortlich, wenn ich nicht da war.

 

Leider betrat genau in diesem Moment eine Kundin den Laden und Dan nutzte die Gelegenheit, um die Flucht zu ergreifen. Lieber leistete er ihr Hilfe, als mir Rede und Antwort zu stehen. Die Frau lächelte ganz verzückt während des Gesprächs mit ihm und er schaffte es, dass ihr Korb immer voller wurde. Die Kunden, vor allem die Frauen, liebten ihn einfach und er schwatzte ihnen auch nichts Unnötiges auf, so waren am Ende alle zufrieden. Auch wenn ich mich bei einigen Frauen fragte, ob sie wegen unserer Waren oder seinetwegen kamen. Aber solange die Kasse stimmte, konnte es mir ja eigentlich egal sein.

Äußerlich waren wir uns sehr ähnlich, aber innerlich waren wir wie zwei Hälften eines Ganzen. Er hatte alles Kreative abbekommen und ich alles Organisatorische. Er war der Gefühlsmensch – ich der Kopfmensch. Aber trotz allem standen wir uns sehr nah, vielleicht auch gerade, weil wir so verschieden waren. Wir ergänzten uns einfach perfekt. Ich kümmerte mich um das Büro, den Einkauf des Künstlerbedarfs und den Vertrieb, während mein Bruder für den Umgang mit Künstlern und die Anordnung der Waren im Geschäft verantwortlich war. Oft half er auch im Verkauf, obwohl wir dafür eigentlich unsere Angestellte Jodie und die Aushilfen Jim und Mike hatten.

Unser Geschäft war etwas ganz Besonderes und entsprach uns beiden sehr. Zum einen waren wir eine Art Galerie, die Werke von neuen Künstlern anbot und auch Ausstellungen ausrichtete. Daneben boten wir aber auch Drucke, Bilderrahmen, Künstlerbedarf und einiges anderes an.

Daniel hatte zwar davon geträumt, eine richtige Galerie zu besitzen, aber dafür war Solana einfach zu klein. Mit den Zusatzgeschäften lief es aber ganz gut und wir konnten langsam den Kredit zurückzahlen, den wir für die Geschäftseröffnung aufgenommen hatten. Reich waren wir nicht, aber wir konnten davon leben. Das Konzept kam wirklich bei den Kunden an. Deshalb hatte einer der Maler, der schon öfter bei uns ausgestellt hatte, es in seiner Heimatstadt kopiert. Nun strebte er eine Zusammenarbeit an und ich war die letzten zwei Wochen in Santa Cruz gewesen, um die Einzelheiten mit ihm abzusprechen.

 

Mit der gefundenen Lösung waren wir alle höchst zufrieden und es wurde Zeit, hier im Geschäft aufzuräumen. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es fast Mittag war. Wo blieb Jodie heute nur? Laut Dienstplan sollte sie längst hier sein. Wie sollte ich so Ordnung in dieses Chaos bekommen?

Ich gab auf und ging nach vorn, um Dan nach Jodie zu fragen. Sie musste mir hier helfen. Da mein Bruder aber immer noch mit seiner Kundin beschäftigt war, sah ich mich erst einmal genauer um. Hier vorn war alles in bester Ordnung, dafür hatte er wirklich ein Händchen.

Zwei neue Kunden betraten den Laden und ich platzierte mich an der Kasse, um mit zu bedienen. Der Verkauf war zwar nicht meine Stärke, aber im Notfall sprang jeder überall ein. Die nächsten zwei Stunden hatten wir beide viel zu tun, und erst als Jim seinen Dienst antrat und etwas weniger los war, konnte ich mit meinem Bruder nach hinten gehen, um mich zu unterhalten.

»Ist Jodie krank?«, fragte ich ihn und machte uns beiden einen Kaffee. Der Vollautomat war zwar die teuerste, aber auch beste Anschaffung gewesen, die wir uns geleistet hatten. »Laut Plan hat sie doch heute Dienst.«

»Sie … sie hat«, stammelte Dan und bei mir klingelten schon die Alarmglocken. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht.

»Was hat sie?«, bohrte ich nach.

»Gekündigt.« Er senkte den Blick und hob die Schultern etwas, als wollte er sich vor mir schützen. Das schlechte Gewissen in seiner Stimme war nicht zu überhören. Was hatte er nur wieder angestellt?

»Warum?« Musste ich ihm denn heute alles aus der Nase ziehen? Dan stand auf und wäre wohl am liebsten Auf und Ab gelaufen, das tat er immer, wenn ihm etwas unangenehm war. Hier im Büro war dafür aber zum Glück kein Platz.

 

»Sie hat versucht, mich zu küssen und ich war so überrumpelt, da habe ich sie weggestoßen. Danach ist sie einfach gegangen und abends hatte ich ihre Kündigung im Briefkasten.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und sah nervös zu mir herüber. Wäre das Ganze nicht eine Katastrophe für den Laden, hätte ich lachen müssen. Ich hatte Jodies Schwärmerei für Dan und seine für sie schon lange bemerkt, es aber lieber ignoriert. Dan war ein gebranntes Kind und wollte von Beziehungen nichts wissen, egal wie sehr er Jodie mochte. Hoffentlich würden die beiden das klären können, denn ich wollte Jodie als Angestellte wirklich nicht verlieren. So eine zuverlässige Mitarbeiterin fand man nicht so schnell.

»Meinst du, sie überlegt es sich wieder?«, fragte ich vorsichtshalber nach. Doch mein Bruder schüttelte nur den Kopf. »Sie hat schon eine neue Stelle, sie arbeitet nun bei Fabio im Eiscafé. Aber … ich … habe uns schon einen Ersatz besorgt. Sie fängt nächste Woche an.« Erst pausierte er nach jedem Wort und zum Ende hin sprach er plötzlich immer schneller. Nun war ich völlig perplex. Er hatte jemanden eingestellt? Dan hatte sich doch noch nie um das Personal gekümmert. Das erklärte aber die Unordnung im Büro. Wahrscheinlich hatte er nach den Vorlagen für die Arbeitspapiere gesucht.

»Wen hast du eingestellt? Kenne ich sie?« Irgendwie hatte ich Angst, es könnte meine Ex–Freundin sein. Schon mehrmals hatte sie versucht, über ihn wieder an mich heranzukommen. Dan verstand sich einfach viel zu gut mit ihr. Aber ich hatte wirklich keine Lust, noch mehr Privates und Berufliches zu verbinden.

»Zuerst hatte ich ja Milly gefragt.« Ich stöhnte auf. Genau so etwas hatte ich befürchtet. »Aber die ist schwanger und wird demnächst heiraten.« Erleichtert atmete ich auf und überlegte, wie lange ich sie nicht gesehen hatte. Seit wann hatte sie denn einen neuen Partner? Aber egal, ich freute mich für sie.

»Jim meinte dann, er hätte eine Idee und hat die Stelle zusammen mit mir online ausgeschrieben und wir haben innerhalb von ein paar Stunden auch jemanden gefunden«, erzählte er nun fast stolz.

»Wen?« Eigentlich wollte ich es gar nicht wissen. So sehr ich Daniel liebte, er war nicht wirklich dafür geeignet, solche Entscheidungen zu treffen.

»Eine Galeristin aus Ohio, sie kommt heute Nachmittag am Bahnhof an. Sie wird in Grandmas Einliegerwohnung ziehen.« Genervt stöhnte ich auf. Musste er Granny da mit hineinziehen? Er kannte diese Frau doch gar nicht, und ich wollte keinesfalls, dass Granny Probleme bekam. Sie hatte in ihrem Leben schon genug für andere getan. Immerhin hatte sie Dan und mich nach der Trennung unserer Eltern aufgenommen. Sie war uns mehr Mutter, als unsere wirkliche es je gewesen war und außerdem unser Fels in der Brandung. Die Einliegerwohnung war zwar in sich abgeschlossen, aber die Möbel waren wirklich hochwertig und hatten auch eine Bedeutung für Granny. Da konnte man doch nicht jeden reinlassen.

»Wann hat sie sich überhaupt vorgestellt? Das ging ja jetzt wirklich alles sehr schnell.«

»Wir haben das Bewerbungsgespräch über Skype geführt. Von Kunst hat sie wirklich Ahnung und sie suchte dringend eine neue Stelle weit weg von Ohio. Die Vermittlung lief über Stopp–Stalking, so können wir mal richtig helfen und nicht nur mit Spenden.«

 

Er wusste genau, wie er mich bekam. Stopp–Stalking war ein amerikaweiter Verein, der den Opfern half, ein neues Leben aufzubauen. Der Verein arbeitete eng mit den Behörden zusammen und würde niemandem helfen, der es nicht wirklich nötig hatte. Wir spendeten seit vier Jahren immer wieder kleine Beträge, um sie bei der Arbeit zu unterstützen. Große Beträge konnten wir uns bisher einfach nicht leisten. Dabei wussten wir nur zu genau, wie wichtig die Arbeit dieses Vereins war.

Jenny war eine ehemalige Schulfreundin von uns und hatte versucht, sich das Leben zu nehmen, weil ihr Stalker sie einfach nicht in Ruhe gelassen hatte. Der Kerl saß nun endlich im Gefängnis, aber leider landeten nicht alle Täter dort. Jenny hatte eine Therapie gemacht, um die Sache zu verarbeiten, und leitete jetzt die hiesige Stelle des Vereins.

»Na gut, ich werde ihr eine Chance geben, aber wenn es nicht klappt, dann feuerst du sie wieder.« Das »Du« betonte ich extra, denn ich hatte wirklich keine Lust darauf.

»Das wird schon klappen. Diese Lyanne hat anscheinend wirklich Ahnung von Kunst und ist froh, nicht völlig aus ihrem Beruf rauszukommen.« Daniel klang zuversichtlich. Immerhin würde eine Frau, die vor Stalking floh, keinen von uns anbaggern, vielleicht war das zur Abwechslung ganz gut, denn weder mein Bruder noch ich hatte Interesse an einer festen Beziehung.

»Übernimmst du den Laden ein paar Stunden?«, fragte er mich plötzlich in meine Überlegungen hinein. »Ich würde unsere neue Mitarbeiterin gern vom Bahnhof abholen und ihr die Wohnung zeigen.«

»Nein, das mache ich. Dann kann ich mir gleich selbst ein Bild von ihr machen. Wann kommt sie an?«

Daniel schien ganz zufrieden zu sein, nicht selbst loszumüssen, und gab mir sofort die gewünschten Daten. Kurz darauf machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof, um diese Lyanne Brown abzuholen, und zum Haus unserer Grandma zu fahren.

 

3. Lyanne – Ankunft in Solana Beach

Endlich hielt der Zug in Solana Beach am Bahnhof.

»Sind wir jetzt da?« Nick zappelte ungeduldig herum und stellte diese Frage schon zum fünften Mal in höchstens drei Minuten. Seit wir uns fürs Aussteigen bereit gemacht hatten, war er völlig überdreht. Am Ende meiner Kräfte musste ich mich sehr zusammenreißen, um nicht mit ihm zu schimpfen. Immer wieder sagte ich mir, dass er doch erst vier Jahre alt und der Tag für ihn sicher noch viel aufregender und anstrengender als für mich gewesen war.

Da die Türen des Zuges aufgingen, sparte ich mir die Antwort und stieg schnell aus. Das war mit zwei Koffern, Rucksack und meinem Sohn an der Hand gar nicht so einfach. Aber endlich stand ich auf dem Bahnsteig unserer neuen Heimatstadt. Ob ich mich hier jemals heimisch fühlen könnte? Columbus war eine Großstadt, in der das Leben pulsierte. Solana dagegen ein beschaulicher Touristenort.

»Nick, komm bitte. Wir müssen ein Taxi finden.« Zum Glück war der Bahnhof hier nicht groß, da dürfte das kein Problem sein. In Columbus war das oft schon schwieriger.

»Warum sehen die Bäume hier so komisch aus?«, fragte mein Kleiner neugierig. Er musste immer alles ganz genau wissen.

»Das sind Palmen, die wachsen hier überall«, erklärte ich ihm, während wir in Richtung des Ausgangs gingen.

»Wo ist denn die Stadt? Hier sind ja nur kleine Häuser.« Krampfhaft versuchte ich, nicht loszulachen. Dabei war es eigentlich eher traurig, dass er fast nur Hochhäuser und Parks kannte. Aus unserem Stadtteil sind wir nie viel herausgekommen, da einfach immer das Geld fehlte.

»Hier gibt es keine, Schatz. Hochhäuser stehen nur in großen Städten, außerdem ist jeder Ort anders, hier gibt es dafür Palmen und Strand.« Über eines war ich mir schon jetzt sicher, für Nick würde der Umzug eine Bereicherung sein. Es wurde Zeit, dass er neue Orte kennenlernte. Vielleicht war dieser Neuanfang eine echte Chance für uns.

Als ich mit zwanzig schwanger wurde, hatten meine Eltern mich vor die Wahl gestellt. Entweder ich trieb das Kind ab, oder sie stellten die Unterhaltszahlungen ein. Also hatte ich mein Studium abgebrochen, mir einen Job gesucht und war in die kleine Wohnung in der vierzehnten Etage gezogen. Damals dachte ich wirklich, Nicks Vater und ich würden alles schaffen, wenn wir nur zusammenhielten. Nur war auch diese Zeit begrenzt.

 

Noch bevor unser Sohn zur Welt kam, teilte er mir eines Morgens mit, dass er ausziehen wollte. Ich konnte das gar nicht glauben und flehte ihn an, bei mir zu bleiben, aber als ich nach meiner Schicht nach Hause kam, war er weg. Er hatte nicht nur seine Sachen, sondern auch meinen Schmuck, den ich von meiner Großmutter geerbt hatte, mitgenommen. Ich hörte nie wieder etwas von ihm. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, ihn anzuzeigen, aber damals hatte ich noch die Hoffnung, er würde zu uns zurückkommen. Diese hatte ich eigentlich bis vor einem Jahr nicht ganz aufgegeben. Inzwischen hatte ich diese Hoffnung zum Glück begraben, denn auch er würde uns jetzt nicht mehr finden. Ich hatte alles getan, um unsere Spuren zu verwischen.

Doch jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Der einzig wichtige Mann in meinem Leben war Nick und für ihn musste ich ein neues Zuhause schaffen. Aber dafür musste ich es erst einmal finden. Kofferwagen gab es hier nicht, also musste ich beide Koffer tragen.

»Komm, Spatz, dort drüber stehen die Taxen. Da müssen wir hin.« Während ich sprach, drehte ich mich leicht zu ihm um und übersah so einen Mann, der am Eingang des Bahnhofs auf jemanden wartete. Meine Koffer krachten gegen ihn und brachten ihn fast zu Fall.

»Entschuldigen Sie bitte. Ich habe Sie nicht gesehen. Alles in Ordnung bei Ihnen? Es tut mir so leid.« Immer wenn mir etwas peinlich war, redete ich zu viel und schämte mich hinterher noch mehr.

»Passen Sie einfach nächstes Mal besser auf.« Er sah mich böse an, ehe er sich umdrehte und mich einfach ignorierte. Dabei grummelte er vor sich hin. »Was müssen Touristen auch immer so viel Gepäck mitschleppen für ein paar Tage?«

Irgendwie kam mir der Mann bekannt vor, aber ich traute mich nicht, ihn darauf anzusprechen. Nachher dachte er noch, es wäre eine billige Anmache. Dabei wollte ich von Männern wirklich nichts mehr wissen. Lieber beeilte ich mich, meinen Sohn und unser Gepäck in ein Taxi zu bekommen. Erst als ich dem Fahrer die Adresse unserer zukünftigen Wohnstätte mitgeteilt hatte und er losfuhr, atmete ich etwas auf. Egal wie schrecklich die Wohnung war, für heute hatten wir das Schlimmste hinter uns. Außerdem hatte ich für Notfälle die Handynummer der hiesigen Vertretung von Stopp–Stalking in der Tasche. Wenn die Unterkunft gar nicht aushaltbar wäre, blieb mir die Möglichkeit, mich an sie zu wenden.

Keine zehn Minuten später hielt der Wagen an der angegebenen Adresse und ich entlohnte den Fahrer großzügig, der mir die Koffer noch bis zur Haustür getragen hatte. Neugierig sah ich mich um und bemerkte, wie gepflegt hier alles war. Das machte mir Hoffnung für die Wohnung.

Als er wieder zu seinem Wagen ging, atmete ich tief durch und drückte dann auf die Klingel meiner zukünftigen Vermieterin. Hoffentlich war Mrs Fisher nett. In Ohio waren mir meine Vermieter egal gewesen, dort war das eine anonyme Agentur gewesen, aber hier war das etwas anderes. Schließlich würden wir unter einem Dach leben.

Eine ältere Dame öffnete uns lächelnd die Tür.

»Hallo, ich bin Susan Fisher, aber nennt mich ruhig Susi oder Granny, das macht jeder. Ihr müsst die Browns sein.« Die Herzlichkeit, die diese Frau ausstrahlte, beruhigte meine Nerven. Wenn alle Menschen hier in Solana Beach so wären, dann würden wir uns schnell heimisch fühlen.

»Lyanne«, stellte ich mich vor. Früher wurde ich nur Anne genannt, aber das wollte ich jetzt nicht mehr. Auch Jason hatte mich so genannt. »Aber Sie können auch Lynn zu mir sagen.«

»Und wer bist du, junger Mann?«, fragte sie meinen Sohn und mir fiel siedend heiß ein, dass er die Sache mit der Namensänderung ja noch gar nicht verstand. Hoffentlich stellte er sich jetzt nicht mit O’Sullivan vor.

»Ich bin Nick. Bist du wirklich eine Granny? Mein Freund Luke hat eine und die ist toll«, plapperte er los. »Ich habe keine Großeltern. Das ist doof.«

»Ja, ich habe zwei Enkel. Aber die sind schon erwachsen und mein Urenkel ist auch bereits sechzehn.«

»Gleich so viele? Cool.« Das war im Moment sein Lieblingswort.

»Ja, meine Enkel sind Zwillinge«, bestätigte sie ihm. »Du wirst sie bestimmt bald kennenlernen. Daniel und Connor kommen mich oft besuchen. Mein Urenkel lebt leider nicht hier, sondern in New York bei seiner Mutter.«

Zwillinge fand Nick noch cooler, da war der Urenkel völlig unwichtig. Zumal der weit weg lebte, aber er wurde dann auch von diesem Thema abgelenkt. Susi öffnete nämlich die Tür zu unserer neuen Wohnung und ließ uns eintreten. Sein Zimmer interessierte ihn noch viel mehr als irgendwelche fremden Leute.

»Wirklich kindgerecht ist die Einrichtung des zweiten Zimmers nicht. Es sind einfach nur ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. Auch wenn es eine Klappcouch im Wohnraum gibt.« Entschuldigend sah sie mich an. »Aber ich wusste ja nichts von Nick. Meinst du – ich darf doch du sagen? – der Platz reicht für euch beide? Ich hatte mit einem jungen Pärchen als Mieter gerechnet.« Hoffentlich wollte sie uns nicht schnell wieder loswerden, weil ich alleinerziehend war.

»Natürlich reicht es erst einmal. Später kann ich mich immer noch nach einer größeren Wohnung umsehen. Solange reicht das Sofa für mich völlig und für Nicks Zimmer besorge ich kindgerechte Dekoration.«

 

Natürlich nicht sofort, denn im Moment belief sich mein komplettes Erspartes auf etwa dreihundert Dollar. Die drei Monatsmieten im Voraus waren schon kaum aufzubringen gewesen. Aber ich hatte es geschafft, und wenn Nick in den Kindergarten ging und ich endlich wieder arbeitete, dann ging es uns bald besser. Auf keinen Fall würde ich meine Vermieterin mit meinen Sorgen belästigen. Ich hoffte nur, dass es auch ein bisschen Geschirr in der Wohnung gab und ich das nicht auch noch alles kaufen musste.

Der Rundgang durch die Wohnung ging relativ schnell und ich war angenehm überrascht. Es war alles sehr sauber und die Möbel waren zwar nicht neu, aber trotzdem hell und freundlich. Vor allem die Küche war ein Traum. Hier sah alles nagelneu aus und es gab sämtlichen Schnickschnack wie Müllzerkleinerer, Spülmaschine … So einen Luxus war ich gar nicht gewohnt. Wenn Susi uns nachher verließ, wollte ich den Inhalt der Schränke näher inspirieren.

Wenn im Schlafzimmer statt des riesigen Doppelbettes ein kleines Bett gestanden hätte, wäre die Wohnung wirklich perfekt. Dann hätte Nick mehr Platz zum Spielen, aber es würde schon irgendwie gehen. Ich konnte ja nicht erwarten, dass die Einrichtung genau auf uns abgestimmt war.

»Vielen Dank, Mrs …« Ihr verletzter Blick brachte mich dazu, mich schnell wieder zu verbessern. »Vielen Dank, Susi. Die Wohnung ist wunderschön. Wir werden uns hier sicher wohlfühlen.«

»Dann lasse ich euch jetzt allein. Ihr seid sicher müde von der Reise. Wenn ihr euch etwas eingerichtet habt, kommt doch raus zu mir in den Garten.« Bei diesen Worten zeigte sie auf die Tür in der Küche, hinter der ich nur einen Abstellraum mit Waschmaschine vermutet hatte. Die Tür, die von dort aus hinausführte, hatte ich völlig übersehen. »Ich habe alles für ein Barbecue vorbereitet. Dann musst du heute nicht mehr kochen. Aber auch sonst könnt ihr den Garten und den Pool jederzeit nutzen.«

»Ein Pool?«, quiekte Nick entzückt.

»Ja, aber ohne deine Mutter darfst du da nicht rein«, erklärte sie ihm und sah dann mich an. »Keine Angst, der Pool ist auch gesichert, sodass deinem Sohn nichts passieren kann.«

Konnte es eigentlich noch besser laufen? Wo war der Haken an der Sache?

Vielleicht wäre es ein Fehler, wenn ich mich gleich so auf die Vermieterin einlassen würde. Eigentlich wollte ich Abstand zu den Leuten hier halten. Aber Susi machte es mir wirklich schwer, diesen Vorsatz beizubehalten.

»Wann sollen wir da sein?«, frage ich also.

»Wie es euch passt, und falls ihr zu müde seid, ist das auch kein Problem. Ich bin draußen, bis ich ins Bett gehe und freue mich über Gesellschaft, bin dir aber auch nicht böse, wenn du nicht rauskommst.«

Susi verabschiedete sich und fragte mich doch allen Ernstes, ob sie durch meine Abstellkammer in den Garten gehen dürfte. Mein Blick sprach wohl Bände, denn sie erklärte ihre Frage sofort.

»Ab jetzt ist das euer Heim, da komme ich weder ungefragt herein, noch gehe ich in Räume, für die ich nicht deine Erlaubnis habe.« Sie lächelte mich wieder an, ehe sie die Tür hinter sich schloss.

Zuerst ging ich mit Nick in sein neues Zimmer und packte den Koffer aus. Freudig begrüßte er eines seiner Lieblingsspielzeuge und fragte zum Glück nicht nach seinen restlichen Sachen, die noch in der alten Wohnung waren. Hoffentlich würde er sie nicht zu sehr vermissen. Während er schon spielte, legte ich die wenigen Sommersachen, die ihm noch passten, in den Kleiderschrank. Er war ganz schön gewachsen in letzter Zeit und daher hatte ich die dicken Wintersachen gar nicht erst eingepackt. Die würde er hier sowieso nicht gebrauchen können. Wir mussten wohl oder übel einkaufen gehen, um ihn neu einzukleiden.

Nick setzte sich auf den Fußboden, baute seine Parkgarage auf und ließ seine Autos herunterflitzen. Die Zeit, in der er sich selbst beschäftigte, nutzte ich dazu, meinen Koffer auszupacken. Eigentlich hatte ich danach durch die Wohnung gehen wollen, um nachzusehen, was ich noch alles brauchen würde. Aber ich war zu erschöpft und ließ mich stattdessen aufs Sofa fallen, um wenigstens fünf Minuten die Augen zu schließen.

 

 

4. Connor – Versetzt

Der Zug war schon vor zehn Minuten abgefahren und der Bahnsteig hatte sich gelehrt. Von unserer neuen Mitarbeiterin war nichts zu sehen. Langsam musste ich es wohl einsehen – entweder hatte ich sie verpasst oder aber sie war gar nicht erst gekommen. Ich hoffte auf Ersteres, denn eine unzuverlässige Verkäuferin war das Letzte, das wir im Artists brauchen konnten.

Vielleicht stimmte die ganze Geschichte mit dem Stalking gar nicht. Es gab sicher Menschen, die den Verein nur ausnutzten, auch wenn alles dafür getan wurde, um dies zu verhindern. Je länger ich wartete, desto größer wurden meine Zweifel an dieser Frau. Wahrscheinlich sollte ich wieder zum Laden fahren und weiter versuchen, das Chaos zu ordnen, anstatt hier blöd herumzustehen. Hätte ich doch Dan hierherfahren lassen, immerhin hatte er uns diese Frau eingebrockt. Ich wollte sowieso am liebsten Jodie zurück. Sie war immer zuverlässig und pünktlich.

»Schon zurück?«, fragte mein Bruder erstaunt, als ich das Geschäft betrat.

»Nein, ich stehe noch am Bahnhof und warte auf Leute, die nicht kommen.« Die Antwort war nicht gerade nett, aber ich hasste solch dämliche Fragen.

»Oh, der Herr hat schlechte Laune. Entschuldige bitte, dass ich lebe.« Dan drehte sich um und begann, die Leinwände geradezurücken. Dan konnte ziemlich jähzornig werden, arbeitete aber daran, nicht gleich zu explodieren, um potenzielle Kunden nicht zu verschrecken. Diese Übersprunghandlungen halfen ihm dabei, ruhig zu bleiben. Während unserer Kindheit hätte er mich noch einfach geboxt.

»Sorry, Dan. Ich bin einfach genervt und außerdem traue ich der ganzen Geschichte nicht.« Er zögerte erst, schlug dann aber in meine hingehaltene Hand ein, auch wenn er mich immer noch böse ansah.

»Du immer mit deinem Misstrauen. Hast du jede Frau gefragt, ob sie Miss Brown ist oder nur dort gestanden und gewartet? Sie wusste ja nicht, dass ich sie abholen wollte.« In der Tat hatte ich das nicht getan, aber so viele weibliche Fahrgäste waren ja gar nicht ausgestiegen.

»Bist du hinterher bei Granny vorbeigefahren? Vielleicht ist sie ja dort. Es könnte auch das Flugzeug oder einer der Busse Verspätung gehabt haben und sie musste deshalb einen späteren Zug nehmen. Schon einmal daran gedacht?« Natürlich hatte ich das nicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, heute alles falsch zu machen.

»Ich wusste es. Du gehst ja immer direkt vom Schlimmsten aus«, erklärte er grinsend, als ich nicht antwortete. Immerhin stieg seine Laune jetzt wieder. »Soll ich Granny anrufen und nachfragen?«

»Nein, nicht nötig. Ich fahre jetzt zu ihr und gehe im Anschluss surfen. Die Papiere sind morgen ja auch noch da. Die Abrechnung könnt ihr mir einfach in den Ablagekorb legen.« Leider, hätte ich noch gern hinzugefügt, verkniff es mir aber, sonst würde ich Dans Stimmung gleich wieder ruinieren. Auf die Überstunden, die dadurch auf mich zukamen, um diese Unordnung zu beheben, freute ich mich zwar nicht, aber wenn ich sowieso zu Granny musste, wollte ich auch die Gelegenheit zum Wellenreiten nutzen. Immerhin hatte ich schon über zwei Wochen nicht mehr auf dem Brett gestanden, sondern nur in irgendwelchen Büros herumgesessen, und ihr Haus war ganz in der Nähe des Strandes. Vielleicht musste ich mich mal wieder richtig auspowern, um ebenfalls bessere Laune zu bekommen.

Als Teenager war es mein Traum gewesen, Profisurfer zu werden, und ich hatte wirklich hart dafür trainiert. Aber dann wurde unser Leben völlig auf den Kopf gestellt. Bei der Wahl zwischen einer Sportkarriere und meinem Bruder hatte ich ihn gewählt und wir hatten unsere Pläne für die Zukunft komplett geändert, nur um erneut enttäuscht zu werden. Doch darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken. Deshalb beeilte ich mich, ins Auto zu steigen, um zu Granny zu fahren.

Kaum hielt ich vor ihrem Haus, da sah ich auch gleich, dass sämtliche Fenster der Einliegerwohnung offen standen. War diese Miss Brown also doch angekommen? Aber vielleicht hatte Granny auch einfach nur lüften wollen. Die Wohnung hatte ja schon länger leer gestanden. Dan und ich hatten ihr schon öfter vorgeschlagen, jemanden mit in ihr in Eigenheim zu holen, der ihr auch bei den Einkäufen etwas helfen könnte. Aber das hatte sie immer abgelehnt. Weil sie sich noch nicht so alt fühlte, obwohl sie schon einundachtzig Jahre alt war. Für die Urgroßmutter eines Sechzehnjährigen war das ja eigentlich auch noch kein Alter. Aber normalerweise wurde man ja auch nicht mit sechzehn Vater, so wie mein Bruder. Mir war seine Erfahrung immer eine Lehre gewesen und ich hatte lieber doppelt verhütet als gar nicht. Es gab nichts Schlimmeres, als ein Kind zu haben und es kaum sehen zu dürfen. Dans Ex–Freundin hatte Solana gleich nach der Schule verlassen und war mit dem Jungen nach New York gegangen. Seitdem konnte Dan seinen Sohn nur in den Ferien besuchen. Das Verhältnis der beiden hatte sehr darunter gelitten, und wenn Dave nicht ein leidenschaftlicher Surfer gewesen wäre, würde er sich bei seinem Vater wohl gar nicht mehr blicken lassen. Wie immer klingelte ich gar nicht erst, sondern ging durch das Tor direkt in den Garten. Granny lebte fast ausschließlich hier draußen und hatte sogar eine Gartenküche. Wenn es nicht zu heiß war, verbrachte sie jede Minute hier. Auch jetzt war sie, wie erwartet, in ihrer kleinen grünen Oase. Sie saß in ihrer Hollywoodschaukel und las.

»Connor«, rief sie erfreut, als sie mich entdeckte und legte ihr Buch auf den Beistelltisch. »Was machst du denn hier, mein Junge?« So, wie Granny strahlte, bekam ich sofort ein schlechtes Gewissen. Ich sollte sie öfter besuchen. Schließlich würde sie nicht ewig da sein, auch wenn ich darüber gar nicht nachdenken wollte.

»Ich wollte dich sehen und mich davon überzeugen, ob mit der neuen Mieterin alles klappt.«

»Bleib doch zum Barbecue, dann lernst du sie gleich kennen. Sie packt nur noch aus, aber dann kommen sie und Nick raus.« Nick? Von einem neuen Partner hatte Dan gar nichts erzählt. Wieder überkam mich das Gefühl, dass an ihrer Geschichte etwas nicht stimmen konnte. Wenigstens war ich jetzt hier, um Granny im Notfall vor diesen Betrügern zu beschützen.

»Ich bleibe gern.« Mit diesen Worten zauberte ich ihr ein noch breiteres Grinsen ins Gesicht. Hoffentlich würde sie nicht zu enttäuscht sein, wenn ich Miss Brown mit ihren Lügen konfrontierte.

 

5. Lyanne – Schlechte Träume

Mein Herz klopfte wie wild und ich fuhr regelrecht aus dem Schlaf hoch. Wo war ich? Hatte Jason nun ernst gemacht und mich entführt? Einen Augenblick lang war ich völlig orientierungslos. Weder erkannte ich das Sofa, auf dem ich lag, noch den Rest des Zimmers. Hektisch sah ich mich um, ob ich Jason irgendwo entdecken konnte. Doch zum Glück gab es keine Spur von ihm, doch leider auch nicht von Nick. Wo war mein Baby? Hatte Jason ihm etwas angetan? Mein Albtraum durfte doch nicht wahr werden.

»Mommy, ich habe Hunger«, rief Nick in diesem Moment und holte mich damit endgültig in die Wirklichkeit zurück. Er war da und alles gut. Jason hatte ihm nichts angetan. Nun wusste ich auch wieder, wo ich war. Solana Beach, weit weg von Columbus und auch von ihm.

Ich atmete einmal tief ein, um mich ein für alle Mal zu beruhigen, bevor ich aufstand. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich höchstens eine halbe Stunde geschlafen hatte. Wie hatte ich in der kurzen Zeit nur in einen Albtraum fallen können?

»Wir sind zum Essen eingeladen und sollten Granny Fisher nicht zu lange warten lassen. Komm, wir gehen in den Garten, Nick.« Er lief aufgeregt voraus und ich folgte ihm. Im Vorbeigehen nahm ich noch seinen Lieblingsball mit den Autos darauf mit. Nick war ein Autonarr und deshalb hatte ich auch dieses Teil und seine Parkgarage mitgenommen, obwohl die im Koffer jede Menge Platz benötigten und dieser dadurch allein schon halb voll war. Sein restliches Spielzeug war noch in unserer alten Wohnung. Mary, die nette Mitarbeiterin von Stopp–Stalking hatte mir angeboten, mir einen Teil meiner Sachen hinterherzuschicken. Doch das Risiko erschien mir zu hoch.

Durch so eine Aktion wollte ich Jason nicht auf unsere Spur bringen. Die Polizisten hatten mich auch davor gewarnt, jemand wie er würde nicht so leicht aufgeben.

Warum er nicht im Gefängnis saß, verstand ich sowieso nicht. Freispruch aufgrund eines Formfehlers. Das war doch ein schlechter Scherz. Nach allem, was er mir und Nick angetan hatte, gehörte er hinter Gitter. Und nur, weil ein Polizist einen Fehler während der Verhaftung gemacht hatte, war er auf freiem Fuß.

Nie werde ich den Tag vergessen, an dem er die Grenze des Erträglichen endgültig überschritten hatte. Es war am 12.07.2015 gewesen.

Wie jeden Tag nach der Arbeit hatte ich mich beeilen müssen, um rechtzeitig im Kindergarten zu sein. Schon am Vortag war ich fast zu spät gekommen und nun war ich wieder kurz vor Toreschluss an der Tür. Mein armer Nick war zu diesem Zeitpunkt erst zweieinhalb und fast immer das letzte Kind, das abgeholt wurde.

Gerade noch pünktlich kam ich endlich an und klingelte an der Tür des Kindergartens. Normalerweise dauerte es nie lange, bis jemand kam, um zu öffnen. Doch heute erschien niemand. Ich klingelte noch einmal und immer wieder. Doch das Ergebnis blieb dasselbe. Kein Mensch kam, um die Tür zu öffnen. Das konnte doch nicht wahr sein. Nachdem ich minutenlang wie wild gegen die Tür gehämmert und mehrere Male vergeblich versucht hatte, jemanden telefonisch zu erreichen, kam der Hausmeister.

»Es ist keiner mehr da, Missy. Was machen Sie für ein Theater?«

»Mein Sohn.« Ich musste tief Luft holen, um die Tränen zurückzudrängen. »Mein Sohn muss noch dort drin sein.«

»Tut mir leid, aber Mrs Clark ist vor fünfzehn Minuten gegangen und hat mir noch freudestrahlend erzählt, dass sie heute früher heimkäme, da schon alle Kinder abgeholt worden sind.«

Ich konnte und wollte es nicht glauben. Aber ein Anruf bei Mrs Clark, deren Handynummer der Hausmeister zum Glück hatte, bestätigte diesen Albtraum.

»Mrs O’Sullivan, ich hatte doch ihre schriftliche Einverständniserklärung, dass ihr Bruder Nick abholen dürfte«, entschuldigte sie sich bei mir. Mein Bruder? Ich hatte gar keinen Bruder. Wo war mein Sohn? Mrs Clark kam zurück zum Kindergarten und gemeinsam warteten wir auf die Polizei.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Mrs Clark und ich alles erzählt hatten, was wir wussten, wurden wir gebeten, mit aufs Revier zu kommen. Dort wurde anhand der Personenbeschreibung ein Phantombild angefertigt. Normalerweise hätte mich die Arbeit mit diesem Computerprogramm fasziniert. Aber heute war ich viel zu verzweifelt, um mir über so etwas Gedanken zu machen. Die Personenbeschreibung von Nick und einige Fotos, die ich den Beamten gegeben hatte, waren an alle Streifenpolizisten geschickt worden. Nun sollte ich hier warten, während das Phantombild des Entführers immer genauere Züge annahm. Plötzlich stutzte ich, das Bild auf dem Computer kannte ich doch.

»Jason«, flüsterte ich fast. »Das ist Jason Hunter. Ein ehemaliger Freund von mir. Was will der mit meinem Sohn?«

Jason war schon seit einiger Zeit in mich verliebt. Wir waren uns auf einer Party begegnet und seitdem verfolgte er mich immer öfter, obwohl ich ihm schon einige Male gesagt hatte, dass ich nichts von ihm wollte. Doch damit wollte er sich nicht abfinden. Fast täglich bekam ich Liebesbriefe oder Blumen von ihm. Davon war ich so genervt, dass ich ihn aufgefordert hatte, dies zu unterlassen, ansonsten würde ich ihn anzeigen. Hatte er deshalb jetzt meinen Sohn entführt?

Ich schüttelte den Kopf, um diese Erinnerung zu vertreiben. Es war der bisher schlimmste Tag meines Lebens gewesen, und die zwei Stunden, bis ich Nick wieder in den Arm schließen konnte, waren die längsten. Jason hatte ihm zum Glück nichts angetan. Nick war es sogar richtig gut bei ihm gegangen, aber mein Vertrauen hatte er damit endgültig verwirkt. Zumal das nur der Auftakt des Terrors war.

 

Im Laufe der letzten Monate war er dreimal in meine Wohnung eingebrochen, hatte eine Verlobungsanzeige aufgegeben. Mein Auto völlig zerkratzt, Nachrichten an Wände gesprüht … Ich hatte mich zum Schluss kaum noch vor die Tür getraut, hatte Nick aus dem Kindergarten genommen und zu einer Freundin gegeben, auf die ich mich verlassen konnte. Doch alles hatte nichts genutzt. Jasons Übergriffe nahmen kein Ende, und obwohl ich ihn mehrfach angezeigt hatte, blieb er auf freiem Fuß und wurde am Ende auch noch wegen eines Formfehlers vor Gericht freigesprochen. Genau deshalb hatte ich Columbus und mein altes Leben hinter mir gelassen. In seiner Nähe würde ich nie mehr Frieden finden. In dieser Angst konnte Nick nicht aufwachsen. Er sollte frei und unbeschwert groß werden. Deshalb würde ich jetzt auch allen Mut zusammennehmen und etwas tun, was ich in den letzten Monaten vernachlässigt hatte. Ich würde soziale Kontakte aufbauen müssen und Granny Fisher war da ein guter Anfang.

Doch als wir in den Garten kamen, war sie nicht allein. Neben der Hollywoodschaukel, auf der sie saß, stand der Mann, mit dem ich am Bahnhof zusammengeprallt war. Was hatte der hier zu suchen? Hatte er mich etwa verfolgt? Schnell griff ich nach der Hand meines Sohnes und zog ihn etwas näher zu mir.

»Da seid ihr ja endlich, Lyanne«, begrüßte Mrs Fisher uns freundlich. »Darf ich dir meinen Enkel Connor vorstellen? Er wird mit uns essen.« Konnte das wirklich ein Zufall sein? Irgendwie wollte ich das nicht wirklich glauben, aber ich schalt mich selbst, nicht immer so misstrauisch zu sein. Wir gaben uns kurz die Hand zur Begrüßung, ehe ich mich wieder an Susi wandte.

»Wir danken noch einmal für die Einladung. Darf Nick bis zum Essen hier im Garten mit dem Ball spielen? Er braucht dringend etwas Bewegung nach der langen Reise heute.« Außerdem wollte ich ihn so weit wie möglich von diesem Connor weghalten. Er sah zwar ganz sympathisch aus, aber auch Jason hatte anfangs nicht sein wahres Gesicht gezeigt. Ob ich wohl je wieder einem Mann vertrauen konnte?

»Natürlich darf er hier spielen. Der Garten und der Pool stehen euch jederzeit zur Verfügung«, antwortete Susi, die mich bat, sie Granny Fisher zu nennen. Ihr Enkel schien davon nicht ganz so begeistert zu sein, aber das war nicht mein Problem. Er würde sich ja hoffentlich nicht täglich hier aufhalten.

Als Nick auf der großen Rasenfläche spielte, konnte ich etwas aufatmen. So einen tollen Garten hatte ich wirklich nicht erwartet. Gerade hier in Kalifornien war es doch eher ungewöhnlich, aber ich freute mich für den Kleinen sehr drüber.

Während Mrs Fishers Enkel den Grill in Gang brachte, half ich ihr, den Tisch zu decken, nebenbei plauderten wir, um uns kennenzulernen. Da die Vermittlung der Wohnung über den Verein lief, wusste sie sehr wahrscheinlich, warum ich umgezogen war, aber zum Glück war sie taktvoll genug, nicht danach zu fragen. Wenn wir uns besser kannten, würde ich ihr sicher alles erzählen. Aber das war kein Thema, welches ich vor meinem Sohn erörtern wollte. Er hatte sowieso schon viel zu viel von allem mitbekommen. Schließlich hatte ich ihn nach der Entführung aus dem Kindergarten genommen und ihn dadurch seiner Freunde beraubt.

Nun musste er sich schon wieder umgewöhnen, und zwar hier an den Kindergarten. Außerdem hatte ich für die Eingewöhnung nicht viel Zeit. Heute war schon Dienstag, morgen früh würde ich ihn zum ersten Mal hinbringen und ab Montag musste ich arbeiten. Zur Not würde der Verein mir zwar auch eine Tagesmutter vermitteln, aber auch an die würde Nick sich ja erst gewöhnen müssen.

Als wir wenig später zu viert am Tisch saßen, war die Stimmung etwas angespannt. Nick plauderte zwar mit Granny, aber ich war ziemlich steif und beäugte Connor heimlich, der mir immer wieder Blicke zuwarf. Er sah fast genauso misstrauisch aus, wie ich es war. Er sah gut aus, das musste man ihm lassen, aber das wusste er selbst. Selbstbewusst war er auf jeden Fall und ein Sunnyboy. Wahrscheinlich hatte er noch nie in seinem Leben für etwas kämpfen müssen oder finanzielle Schwierigkeiten kennengelernt.

»Hattest du denn Zeit zum Surfen bei deiner Reise«, fragte Granny ihn gerade. Surfen – das passte zu ihm.

»Nein, wir haben von morgens bis abends an dem Konzept gearbeitet. Aber jetzt steht alles.« Okay, er arbeitete wohl doch. »Eigentlich hatte ich gehofft, heute noch aufs Brett steigen zu können. Aber im Geschäft war zu viel zu tun. Jodie ist ja weg und nun geht alles drunter und drüber.« Nachdenklich sah er mich an.

»Ich hoffe, Sie haben nicht nur Ahnung von Kunst, sondern auch vom Verkauf und der Buchführung. Jetzt, da mein Bruder unsere Jodie vertrieben hat, brauche ich dringend Unterstützung bei der Abrechnung, ehe Dan alles durcheinanderbringt und wir unseren Laden verlieren.« Völlig verblüfft starrte ich ihn an. Deshalb kam er mir so bekannt vor. Er sah dem Mann unheimlich ähnlich, mit dem ich das Vorstellungsgespräch über Skype geführt hatte. Aber sie waren ja auch Zwillinge, wenn ich Susi richtig verstanden hatte. Also war Connor einer meiner zukünftigen Chefs. Natürlich hatte ich gewusst, dass die Bosse Fisher hießen, aber so selten war der Name ja nicht. Hoffentlich würde ich es nicht versauen, sonst wäre ich nicht nur meinen Job, sondern auch gleich meine Wohnung los.

 

 

6. Lyanne – Strandtag

Es dauerte ein paar Minuten, bis ich den Schock verdaut hatte. Zum Glück hatte Nick kurz darauf aufgegessen und ich konnte mich mit der Ausrede entschuldigen, er müsse nun wirklich schlafen. Dabei war er, ganz im Gegensatz zu mir, noch ziemlich munter. Trotzdem machte ich ihn bettfertig und kuschelte mich dann mit ihm aufs Sofa vor den Fernseher.

Ich wollte noch den Timer zum Aufstehen in meinem Handy stellen, als mir auffiel, dass ich ja gar keines mehr hatte. Warum vergaß ich das nur immer wieder? Am besten wäre es wohl, eine Liste mit allen Dingen zu erstellen, die zu besorgen waren. In Nicks Zimmer hatte ich vorhin einen Wecker entdeckt, den holte ich mir, damit wir am Morgen rechtzeitig im Kindergarten sein konnten.

 

Der Rest der Woche verlief besser, als ich gehofft hatte. Die Tage vergingen wie im Flug und ehe ich mich versah, war auch schon Freitag. Nick liebte den Kindergarten und wurde morgens immer schon von seinem neuen Freund Jack sehnsüchtig erwartet. Zum Glück hatten wir dorthin nur einen Fußweg von fünf Minuten, so brauchte ich dafür kein Auto. Auch zur Arbeit würde ich zu Fuß gehen können, bis ich mir wieder eins leisten konnte. Nur bei größeren Einkäufen musste ich sehen, wie ich die nach Hause bekommen würde.

Ein Auto stand aber auch erst ziemlich weit hinten auf der immer länger werdenden Liste der Dinge, die ich anschaffen wollte, beziehungsweise musste. Wichtiger war mir ein Handy, damit der Kindergarten mich jederzeit erreichen konnte. Doch als ich meinen Laptop auspackte, um im Internet nach einem Laden zu suchen, da ging er nicht mehr.

»So ein Scheiß! Das kann doch nicht wahr sein«, fluchte ich laut. In Columbus hatte er doch noch funktioniert, aber nun sagte er keinen Ton mehr. Dann erinnerte ich mich, dass der Rucksack am Flughafen heruntergefallen war. Konnte der Rechner dabei kaputtgegangen sein? Äußerlich sah er aber ganz normal aus. Eine Reparatur konnte ich mir im Moment aber auch nicht leisten, also legte ich ihn zur Seite.

Ein paar Minuten später klopfte es an der Tür und Granny – inzwischen nannte ich sie wirklich so – erkundigte sich, ob alles in Ordnung war. Ich erzählte ihr von meinem Problem mit der Technik und sie hatte sofort eine Lösung für mich.

»Komm mit, Lynn. Du kannst doch einfach meinen Computer benutzen, meine Enkelkinder haben mir den eingerichtet und ich nutze ihn nur, um mir Bilder von Dave anzusehen. Der schickt mir ab und zu eine E–Mail. Ansonsten steht der meistens sinnlos herum.«

»Vielleicht kannst du mir auch einfach so helfen. Weißt du, wo ich hier in Solana günstig ein Handy kaufen kann? Im Center gibt es keinen Handyladen.« Dort hatte ich nämlich schon gesucht, als ich mir den Weg zu meinem zukünftigen Arbeitsplatz angesehen hatte.

»Ich habe sogar noch ein altes Mobilfunkgerät im Schrank. Möchtest du das für den Übergang haben?« Erst wollte ich das nicht annehmen, aber sie bestand darauf und schließlich gab ich nach und folgte ihr hinüber, um es mir zumindest einmal anzusehen. Dort war ich bisher noch nicht gewesen und so sah ich mich neugierig um. Grannys Zuhause war ein gemütlicher Mix aus alten und neuen Sachen, in dem ich mich sofort wohlfühlte. Aber das sie Geschmack hatte, sah man ja schon an meiner Wohnung.

Während sie in der Schublade kramte, fing Granny Fisher ein Gespräch an.

»Nick scheint es hier ja richtig gut zu gefallen. Aber was ist mit dir? Hast du dich schon etwas eingelebt?« Das war eine gute Frage. So richtig Zeit dazu hatte ich noch gar nicht gehabt. Die meiste Zeit war ich am Planen und Organisieren und stand ziemlich unter Strom.

»Nicht so wirklich. Es muss sich halt erst einmal alles einspielen, damit ich ankommen kann. Aber das wird schon.« Für heute Nachmittag hatte ich mir vorgenommen, mit Nick an den Strand zu gehen. Es waren zwar nur fünfzehn Grad draußen, aber um im Sand zu spielen, und mal die Füße ins Wasser zu halten, war es ideal. Ich erzählte ihr von meinen Plänen, während sie weiter nach dem Handy suchte. Entgegen meiner Erwartung war es kein uraltes Modell, sondern eines vom Vorjahr.

»Das kann ich doch nicht annehmen, Granny.« Doch sie lachte nur.

»Warum nicht? Hier liegt es nur in der Schublade und du kannst es gebrauchen. Dave besteht darauf, immer das neueste Modell mit mir kaufen zu gehen. Normalerweise bekommt er dann mein altes, aber dieses Mal hat er von seinem Stiefvater eines bekommen und dieses ist übrig.« Ihre Augen leuchteten richtig, als sie von ihrem Urenkel sprach. Sie würde sicher alles für den Jungen tun. Ob er wusste, was für ein Glück er hatte?

Ich wünschte mir eine große Familie für Nick, in der ihn jeder lieben und verwöhnen würde, aber er hatte nur mich. Meine Eltern hatten ihn nicht einmal gesehen. Sein Erzeuger war abgehauen und sonst hatte ich keine Verwandtschaft. Jason hatte mir dann den Rest gegeben und nicht nur mein Vertrauen in Männer vollständig zerstört, sondern auch fast alle Freunde vergrault mit seinen Aktionen. Lieber blieb ich mit meinem Sohn allein, als noch einmal einen Kerl in mein Leben zu lassen.

»Wie kann ich das nur je wieder gutmachen?«, fragte ich, als ich das Handy schließlich doch annahm. In ihrer Schuld zu stehen gefiel mir gar nicht. Sie tat schon so viel für uns.

»Du hast doch einen Führerschein.« Was für eine Frage, natürlich hatte ich den. Kaum ein Amerikaner über sechzehn hatte keinen.

»Könntest du mich ein– oder zweimal die Woche mit zum Einkaufen nehmen? Ich fahre nicht mehr gern und die Schlepperei fällt mir auch schwer. Wenn du mir dabei hilfst, kannst du das Auto auch sonst jederzeit nutzen.« Sie sah mich so bittend an, da musste ich einfach zusagen. Obwohl ich nicht wusste, ob sie wirklich Hilfe brauchte, oder mir in Wahrheit wieder einen Gefallen tun wollte. Ich nahm mir vor, ihr Angebot nicht auszunutzen und den Wagen nur im Notfall für mich zu nutzen. Da konnte ich dann auch damit leben, dass sie mir ihre Ersatzschlüssel gab. Kurz darauf verabschiedete ich mich von Granny, um Nick heute etwas eher vom Kindergarten abzuholen. Auch wenn mein Geldbeutel das eigentlich nicht hergab, wollte ich ihn heute mal so richtig verwöhnen und nicht selbst kochen, sondern ihm unterwegs etwas holen. Dann konnten wir den Nachmittag am Wasser verbringen.

Den ganzen Weg vom Kindergarten zum Strand redete Nick ununterbrochen. Es tat gut, ihn so froh und entspannt zu sehen. In Columbus hatte ich zwar alles versucht, damit er nicht allzu viel von Jasons Aktionen mitbekam, aber trotzdem war er im Laufe der letzten Wochen immer ruhiger geworden. Nun war er endlich wieder so, wie ich ihn kannte. Wir liefen gerade an der Strandpromenade entlang, als Nick einen kleinen Souvenirshop entdeckte, in dem es Strandspielzeug gab.

»Mommy, was ist das?« Interessiert musterte er ein Kindersurfbrett. Ich erklärte ihm das Wenige, was ich über Surfen wusste.

»Kann ich das haben?«, fragte er und sah mich mit seinen blauen Augen so bittend an, dass ich ihm kaum widerstehen konnte. Aber dreißig Dollar hatte ich im Moment wirklich nicht übrig. Außerdem erschien es mir auch zu gefährlich.

»Wenn du größer bist und schwimmen kannst, dann bekommst du ein Surfbrett«, versprach ich deshalb, in der Hoffnung, er würde es bis dahin vergessen. »Heute reicht vielleicht eine große Schaufel.« Der Ablenkungsversuch funktionierte zum Glück und wenig später verließen wir den Laden mit einem ganzen Eimer voller Sandspielsachen. Nick lächelte glücklich und wäre die Treppen hinunter am liebsten gerannt, aber da bremste ich ihn vorsichtshalber. Schließlich wollten wir einen schönen Nachmittag haben und nicht das Krankenhaus kennenlernen. Für nächstes Mal würde ich wohl einen anderen Zugang zum Strand aussuchen und nicht ausgerechnet diesen, bei dem man eine Eisentreppe hinabsteigen musste. Die Klippen waren ja überall unterschiedlich hoch und an manchen Stellen kam man direkt vom Weg.

Allerdings war der Strandabschnitt, an dem wir jetzt landeten, wirklich wunderschön und ziemlich leer. Im Wasser sah man nur zwei Surfer und im Sand hielten sich nur wenige Personen auf.

»Mommy, guck da. Das lerne ich auch mal.« Nick zerrte mich direkt an die Wasserkante und konnte den Blick nicht von den Männern auf ihren Brettern lassen. Jede einzelne Bewegung verfolgte er ganz genau und als der eine es schaffte, mehrere Minuten auf einer Welle zu surfen, jubelte er laut.

»Möchtest du eine Sandburg bauen?«, fragte ich ihn, doch er wollte nicht. Deshalb breitete ich ein Handtuch aus und machte es mir bequem, während Nick die Surfer weiterhin nicht aus den Augen ließ. Solange er nicht ins Wasser ging, sollte es mir recht sein.

Nach einer ganzen Weile hatten die Männer wohl genug und paddelten Richtung Ufer. Nick hüpfte aufgeregt am Wasserrand hin und her.

»Komm, lass uns jetzt etwas bauen«, versuchte ich noch einmal, ihn abzulenken. Doch mein Sohn schüttelte nur seinen kleinen Dickkopf und beobachtete weiter die beiden, die das Ufer nun schon fast erreicht hatten. Auch ich sah nun zu ihnen. Der eine hörte auf zu paddeln und stellte sich hin. Dabei schüttelte er sich das Wasser aus den langen blonden Haaren, sodass die Tropfen nur so flogen. Mit dem Körper, der sich unter dem engen Neoprenanzug verbarg, hätte er sicher auch als Model arbeiten können.

Der andere, der trotz der Temperaturen nur eine Badehose trug, war optisch noch ansprechender. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, da er schräg hinter dem anderen war. Am liebsten wäre ich ein paar Meter zur Seite gegangen, um eine noch bessere Sicht auf die gut definierten Bauchmuskeln zu haben, doch das erlaubte ich mir nicht. Erstens wollte ich mich nicht lächerlich machen und zweitens hatte ich mir geschworen, in Zukunft keine Männer mehr zu wollen. Okay, angucken durfte ich mir wohl noch erlauben, außerdem kannten die Typen mich ja nicht.

Erst als die beiden aus dem Wasser kamen und Nick den einen freudig begrüßte, erkannte ich, wer der eine Surfer war.

Connor!

Ausgerechnet einen meiner zukünftigen Chefs musste ich so anstarren, konnte es noch peinlicher werden? Ja, weil auch er mich sah und lächelnd begrüßte. Wo war das Loch im Boden, wenn man es brauchte?

 

 

7. Connor – Begegnungen

Das laute Piepsen des Handyweckers riss mich aus meinen Träumen. Dabei war ich doch gerade erst eingeschlafen. Zumindest empfand ich es so. Vier Stunden Schlaf reichten einfach nicht aus. Doch ich war gestern noch mit Matt versackt und nun würde ich dafür büßen, während er den halben Tag verschlief. Warum nur ließ ich mich immer wieder darauf ein, am Sonntag mit ihm auszugehen? Ich verfluchte ihn lautstark, auch wenn er das natürlich nicht hören konnte, da er sicher tief und fest in seinem Bett schlief. Als Surflehrer konnte er sich seine Arbeitszeit frei einteilen und montagmorgens wollte wohl auch niemand surfen lernen.

Selbst nach einer ausgiebigen Dusche und zwei Tassen Kaffee fühlte ich mich nicht viel wacher. Aber es nutzte nichts, ich musste zum Laden und unsere neue Mitarbeiterin einweisen, die heute anfangen würde.

Noch immer wusste ich nicht, wie ich diese Lyanne einschätzen sollte. War sie wirklich das Stalking–Opfer und hierher geflüchtet, oder war sie nur auf Mitleid aus und versuchte, ihre Vorteile aus der Geschichte zu ziehen?

Granny hatte jedenfalls jetzt schon einen Narren an ihr gefressen. Wahrscheinlich würde sie das irgendwann bereuen, auch wenn ich für sie hoffte, dass ich mich irrte. Aber ich kannte Granny, wenn ich ohne Beweise etwas gegen ihre Mieterin vorbrachte, dann wäre ich derjenige, der Probleme bekäme. Sie war da absolut stur und hatte eigentlich auch eine sehr gute Menschenkenntnis. Vielleicht hatte sie ja auch dieses Mal recht. Ich würde sie auf jeden Fall im Laden ganz genau beobachten.

Am Freitag hatten wir uns zufällig getroffen, als ich mit Matt Surfen war. Sie hatte mich sehr genau abgecheckt, zumindest bis sie erkannt hatte, wen sie da beobachtete. Dann wollte sie wohl am liebsten abhauen, aber das ließ ihr Sohn nicht zu. Nick war echt ein niedliches Kerlchen und restlos begeistert vom Wellenreiten. Er hatte Matt und mich mit Fragen gelöchert, die ich so einem kleinen Kerl gar nicht zugetraut hätte. Aber gerade als ich ihm anbieten wollte, mal mit mir aufs Brett zu klettern, hatte Lyanne sich eingemischt und ihren Sohn mit der Aussicht auf Pommes und Nuggets weggelockt.

Pünktlich gegen halb sieben war ich am Artists und betrat das Lager durch den Hintereingang. Wie immer am Montag war ich der Erste hier. Dan und ich hatten uns das schon lange so eingeteilt, ich öffnete morgens das Geschäft und er schloss es abends. Da wir täglich, außer am Sonntag, dreizehn Stunden geöffnet hatten, war das so am sinnvollsten. Man brauchte ja auch vor und nach dem Öffnen Zeit, um alles fertig zu machen, und niemand konnte auf Dauer vierzehn oder mehr Stunden an sechs Tagen pro Woche arbeiten. Durch Jodie hatten wir jeder wenigstens einen Tag pro Woche freimachen können, aber nun war sie nicht mehr da. Bis wir wussten, ob wir Lyanne die Verantwortung für unser Geschäft und vor allem die Einnahmen allein anvertrauen konnten, würde es dauern. Jim und Mike waren ja nur Aushilfen, die stundenweise im Verkauf oder bei Ausstellungen halfen, aber allein ließen wir sie höchstens mal ein paar Minuten im Laden.

Erst einmal mussten wir uns kennenlernen und sehen, was sie überhaupt konnte. Während ich darüber nachdachte, spulte ich die allmorgendliche Routine ab. Zuerst schaltete ich den Kaffeevollautomaten an, dann holte ich das Wechselgeld aus dem Tresor und räumte die Kasse ein.

Pünktlich um sieben Uhr hatte ich die Körbe mit den Angeboten vor der Tür stehen und wartete auf die Kunden und unsere neue Angestellte. Die würde allerdings erst in eineinhalb Stunden kommen. Das hatte Dan so mit ihr vereinbart, damit sie ihren Sohn zuerst in Ruhe in den Kindergarten bringen konnte. Wie das auf Dauer gehen sollte, wusste ich auch noch nicht. Sollte ich etwa täglich den Laden öffnen, weil sie gar nicht so früh arbeiten konnte? Darüber würden wir noch reden müssen. Mit Jodie was das viel einfacher gewesen, da sie ungebunden und kinderlos war. Daher konnte sie immer dort einspringen, wo es gerade brannte. Ich vermisste sie und ihre Flexibilität schon jetzt.

Während ich auf die ersten Käufer wartete, trank ich in Ruhe meinen Kaffee und sah Lillian vom Blumengeschäft dabei zu, wie sie die Sonnenschirme über ihren Eimern mit Blumen aufstellte. Auch wenn wir Januar hatten, ging sie kein Risiko ein und schützte ihre Ware vor der prallen Sonne. Die meisten anderen taten das nicht um diese Jahreszeit. Wir hatten allerdings auch unsere Markise, die wir zum Schutz der Waren jeden Tag ausfuhren. Vorsicht war die Mutter der Porzellankiste, und kein Mensch wollte ausgetrocknete Farben oder verblasste Bilder kaufen. Ich mochte diese Sorgfältigkeit an Lilli, wenn wir uns sonst auch oft nicht grün waren, weil sie immer wieder versuchte, draußen mehr Platz für ihre Waren einzunehmen, als ihr zustand.

 

In der ersten halben Stunde hatte ich nur zwei Kunden und nutzte die Zeit, um einige Regale aufzufüllen. Viel fehlte aber zum Glück nicht, da sorgte Dan schon immer für. Auch im Galerieteil des Ladens war nicht wirklich etwas zu tun. Alles war sauber, alle Kunstwerke ordentlich aufgestellt und mit Preisen sowie einigen Fakten über den Künstler ausgezeichnet.

Da heute Morgen weiterhin nicht viel los war, rief ich das Buchhaltungsprogramm auf dem Rechner auf und begann mich mit den Daten darin zu befassen. Wie so oft wirkte das wie ein Magnet auf Kunden und mit einem Mal bekam ich richtig gut zu tun. Zwei Damen wollten eine Beratung für Farben, eine wollte ein Bild gerahmt haben und bei den Kunstgegenständen sah sich auch jemand um. Jetzt hätte ich tatsächlich etwas Hilfe brauchen können.

Ich war mit der Farbberatung noch nicht fertig, als schon wieder jemand hereinkam. Ein junges Pärchen betrat fast zeitgleich mit Lyanne den Laden. Nun hatte ich nicht einmal Zeit, um sie einzuweisen.

Zum Glück wussten die Kunden endlich, welche Farben sie wollten und ich konnte an die Kasse gehen und das Bild zum Rahmen annehmen.

»Sieh dich erst einmal etwas um, bis ich Zeit für dich habe«, bat ich Lyanne im Vorbeigehen.

»Kein Problem«, antwortete sie und sah sich kurz um, ehe sie in den Galerieteil ging. Natürlich, das war es, was sie konnte und wenn sie dort darauf achtete, dass der Kunde nichts beschädigte, war mir auch schon geholfen.

Wieder betraten neue Interessenten den Laden und ich war die nächsten Minuten voll beschäftigt. Trotzdem überlegte ich zwischendurch, was Lyanne wohl tat? Ich sah sie zwar mit dem Kunden reden, aber auf die Entfernung verstand ich naturgemäß nicht, was sie sagte. Hoffentlich erzählte sie keinen Mist. Schließlich kannte sie weder die ausgestellten Werke noch unsere Künstler. Endlich wurde es etwas ruhiger und ich konnte zu ihr und dem Kunden hinübergehen.

»Kann ich Ihnen helfen?«, sprach ich den Kunden an.

»Danke, aber ich hatte schon eine fantastische Hilfe.« Er lächelte Lyanne an. »Ihre Verkäuferin hat mich beraten und nun weiß ich genau, was ich meiner Frau zum Hochzeitstag schenken möchte.« Er zeigte auf eine der ungewöhnlichen Skulpturen von Steve Barker – einem Künstler, der immer beliebter wurde und der seit ein paar Tagen zwei seiner Werke bei uns ausstellte. Da er sich nicht sicher war, ob wir die richtige Kundschaft für seine Kunst hatten, wollte er uns bisher nicht mehr anvertrauen. Dieser Verkauf könnte das ändern und vielleicht sogar den angestrebten Exklusivvertrag für unsere Gegend sichern.

Nachdem der Kunde die dreitausend Dollar, ohne mit der Wimper zu zucken, bezahlt hatte, hätte ich Lyanne am liebsten umarmt. Das waren sechshundert Dollar Provision für den Laden und das an ihrem ersten Tag und ohne Einarbeitung.

»Sehr gut, das war eines unserer teuersten Stücke. Weiter so.« Ich lächelte ihr zu, statt sie zu drücken.

»Steve Barker ist einfach einmalig, ich liebe seine Werke und bin davon überzeugt, dass sie im Wert noch um einiges steigen werden.«

»Du kennst ihn?« Das überraschte mich sehr, denn ich hatte bisher nicht gewusst, dass er außerhalb Kaliforniens schon so bekannt war.

»Ja«, bestätigte sie und ihr ganzes Gesicht schien vor Begeisterung zu glühen, »er hatte letztes Jahr eine Ausstellung in der Galerie, in der ich gearbeitet habe. Selbst wenn ich die Schilder nicht gelesen hätte – den Stil würde ich überall erkennen. Ich …« Auf einmal brach sie ab und auch das Funkeln in ihren Augen verschwand und wich einem melancholischen Ausdruck. Zumindest sah es kurz so aus, dann schüttelte sie den Kopf, schloss die Augen und danach waren ihre Gefühle aus ihrer Mimik wie weggewischt. Was wollte sie nur verbergen? Doch ehe ich sie das fragen konnte, betrat wieder ein Kunde den Laden und ich forderte sie auf, mir an die Kasse zu folgen, um sie dort einzuarbeiten. Wir kamen kaum zum Luftholen, bis Jim um elf Uhr kam.

»Lyanne, das ist Jim – eine unserer zwei Aushilfen. Er studiert und arbeitet einige Stunden pro Woche hier. Jim, das ist Lyanne, der Ersatz für Jodie«, stellte ich sie einander vor, ehe ich zum nächsten Kunden eilte. Jim übernahm die Kasse und Lyanne gesellte sich nun zu ihm, sie unterhielten sich leise miteinander. Leider konnte ich nicht verstehen, worüber, bisher hatte ich von Lyanne noch nicht ein persönliches Wort gehört und ich war gespannt, ob Jim sie etwas aus der Reserve locken konnte.

Der Kunde hatte gefunden, was er suchte und wollte sich noch etwas umsehen. Daher schloss ich mich den beiden an.

»… nein, bitte nicht Anne«, bat Lyanne gerade und wieder war da kurz eine Traurigkeit in ihren Augen, die mich berührte.

»Lee? Das ist kurz und knackig«, schlug Jim vor. Er hasste lange Namen und hatte auch Dan für meinen Bruder und Con für mich eingeführt. Mittlerweile nannte ich Daniel ja selbst oft so, obwohl wir unsere Namen früher nie abgekürzt hatten.

»Okay, dann halt Lee, auch wenn Lynn mir lieber wäre«, stimmte sie nun wieder lächelnd zu. »Hoffentlich reagiere ich auch darauf.«

»Mommy«, rief in diesem Moment ein kleiner Junge vor dem Geschäft und sofort flog ihr Kopf hoch. Dabei handelte es sich bei dem Kind nicht um ihren Sohn. Der kleine Lockenkopf zerrte seine Mutter nämlich ungeduldig in unseren Laden.

»Du wolltest mir eine Leinwand kaufen«, forderte der junge Mann energisch. »Hast du Leinwände? Ich werde nämlich Maler, wie Onkel Jake.« Er war vor Lyanne stehen geblieben und sah sie erwartungsvoll an.

»Natürlich haben wir welche«, antwortete sie lächelnd und bat die Mutter des Jungen, ihr zu folgen. Obwohl sie bisher nicht viel mit Malerbedarf zu tun gehabt hatte, konnte sie den beiden doch das Richtige für das Alter des Jungen empfehlen. Wenig später verließen die Kunden zufrieden das Haus. Wenn Lyanne sich überall so schnell einarbeiten würde, wäre sie ein echter Glücksgriff für uns. Wenn sie Granny so hilfreich war, wie uns hier im Laden, sollte ich vielleicht meine Vorbehalte ihr gegenüber noch einmal überdenken.

»Lyanne, kommst du mit ins Büro? Dann zeige ich dir dort alles und wir können einen Kaffee trinken.«

Sie sah erst mich unsicher an und dann zu Jim, der die einzige Kundin bediente, die im Moment im Geschäft war.

»Wenn er Hilfe braucht, ruft er uns oder wir sehen es auf dem Monitor«, beruhigte ich sie.

»Okay«, antwortete sie irgendwie gehemmt, folgte mir aber nach hinten. Ihre Anspannung war nicht zu übersehen. Was hatte sie nur auf einmal? Ich hatte schließlich nicht vor, im Lager oder Büro über sie herzufallen, sondern wollte ihr nur alles zeigen. Das gehörte nun einmal auch zu unserer Arbeit. Sie würde schon noch bemerken, dass ich ihr nichts tun wollte.

 

8. Lyanne – Bewährungsprobe

Lachend winkte Nick mir nach, als ich die Gruppe verließ. Noch ehe ich ganz aus dem Raum war, spielte er schon mit zwei Jungen in seinem Alter. Heute fing die dritte Kindergartenwoche an und ich war sehr erleichtert, wie gern er hinterherging. Der Umgang mit den anderen Kindern tat ihm wirklich gut. Im Gegensatz zu mir schien er in Solana schon richtig angekommen zu sein.

Für mich war das alles nicht so leicht. Dabei hatte ich solches Glück mit Granny und auch mit dem Job, aber heimisch fühlte ich mich trotzdem noch nicht. Wahrscheinlich war auch die Wohnung daran schuld. So schön sie auch war, die Möbel gehörten nun einmal nicht mir. Ich hatte zwar einige Fotos aufgehängt, aber so viele waren es nicht, die ich mitgenommen hatte. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, hier alle Bilder einfach neu ausdrucken zu lassen, deswegen hatte ich ja alle auf dem Laptop gespeichert. Doch nun war der kaputt und somit wohl auch die Fotos für immer verloren. Ein einziges Baby–Foto von Nick war mir geblieben. Noch konnte ich mich nicht dazu entschließen, das lädierte Notebook zu entsorgen. Irgendwie hatte ich immer noch die Hoffnung, ich würde irgendwann genug Geld für eine Reparatur oder zumindest für die Datenrettung haben.

Doch jetzt war nicht die Zeit, über Unrettbares nachzugrübeln, ich musste zur Arbeit und wenn ich weiter hier stehen blieb, um zu träumen, käme ich nicht mehr pünktlich dort an. Das wollte ich auf keinen Fall riskieren. Dan und Con – wie ich sie inzwischen nannte, waren schon so entgegenkommend mit den Zeiten. Solange kein Notfall vorlag, arbeitete ich nur die Frühschicht von Montag bis Freitag, damit ich keine Probleme mit der Kinderbetreuung hatte. Welcher Arbeitgeber berücksichtigte so etwas? Zumal es für die Kollegen veränderte Arbeitszeiten bedeutete.

Wie immer hatte Connor den Laden schon geöffnet, als ich ankam. Ob er das übernahm, weil er mir nicht genug vertraute, um mir den Schlüssel anzuvertrauen, oder weil er Rücksicht auf die Kindergartenzeiten nahm, wusste ich nicht. Ich versuchte, mir einzureden, es wäre das Zweite. Schließlich gab ich mein Bestes und hatte auch schon drei größere Stücke verkauft. Der Schnitt war für gerade einmal zwei Arbeitswochen doch wirklich gut. Ebenso in den anderen Abteilungen, auch wenn der Verkauf von Kleinartikeln etwas ganz Neues für mich war und einige Käufer mich sehr in Erstaunen versetzten.

Aus der Galerie war ich zwar auch unhöfliches Verhalten gewöhnt, aber was manche Menschen sich hier für ihren Fünfzig–Cent–Einkauf erlaubten, war noch eine ganz andere Hausnummer. Aber der Kunde war König. Egal ob er fünfzig Cent oder fünftausend Dollar ausgab, da durften wir uns keinen Unterschied erlauben.

»Guten Morgen, Lyanne. Könntest du bitte gleich die Kasse übernehmen und den Laden, bis Mike kommt, allein betreuen? Ich muss so schnell wie möglich zu Mr. Ryder.« Connor sah mich etwas unsicher an, traute er mir die Arbeit etwa nicht zu? Ich würde ihm schon beweisen, dass er sich auf mich verlassen konnte.

»Kein Problem, Connor. Viel Erfolg bei Mr. Ryder.« Das Glück würde er brauchen. Schon zweimal hatte der exzentrische Künstler den Termin mit ihm kurzfristig abgesagt oder verschoben. Beziehungsweise jetzt wohl schon dreimal, denn eigentlich wäre dieser doch erst am Nachmittag gewesen.

»Ich habe versucht, Dan anzurufen, aber er ist unterwegs und kann nicht eher kommen«, erklärte er noch. »Wenn es Probleme gibt, ruf mich an. Ich versuche, so schnell es geht, zurückzukommen.« Ich musste wirklich an mich halten, um nicht loszuschreien. Traute er mir denn wirklich nichts zu? Es war Montagmorgen, da würden uns die Kunden schon nicht überrennen.

Nachdem er noch einige unnütze Dinge gesagt hatte, warf Connor einen Blick auf seine Uhr und verschwand endlich. Ich atmete erleichtert auf und fing an, einige Produkte aufzufüllen bis Kundschaft ins Geschäft kam. Wenn er zurückkam, würde er schon sehen, dass es auch ohne ihn lief. Es waren ja auch nur zwei Stunden, bis Mike kommen würde.

Die erste Stunde lief es auch wirklich gut, ich hatte einige Kunden, kam aber gut zurecht. Doch dann klingelte das Telefon und gleichzeitig hatte ich drei Personen im Laden. Ich beschloss, das Telefon erst einmal zu ignorieren. Für wichtige Sachen gab es einen Anrufbeantworter und die Interessenten vor Ort gingen vor.

»Guten Tag«, begrüßte ich eine Frau, die gerade das Artists betrat, lächelnd, während ich meinem Kunden zeigte, wo er die Aquarellfarben fand. »Ich bin gleich für Sie da.« Sie winkte freundlich ab und ich konnte zur Kasse eilen, um den anderen Kunden abzukassieren.

Wieder betraten mehrere Personen das Geschäft, die ich begrüßte und gleichzeitig versuchte ich, die Frau im Auge zu behalten, die sich irgendwie auffällig an der Tür zum Lager umsah. Während ich mich um die Kasse kümmerte, bemühte ich mich, sie unauffällig zu beobachten. Zum ersten Mal fühlte ich mich doch etwas damit überfordert, den Laden allein zu betreuen. Ob sie wohl versuchen würde, die Situation zum Stehlen zu nutzen? Endlich hatte ich alle Kunden, die Schlange standen, abkassiert und konnte den Bereich verlassen, um der Frau zu folgen, die nun an der angelehnten Lagertür lehnte.

»Kann ich Ihnen doch helfen?«, sprach ich sie noch einmal an, was sie dazu brachte, zusammenzuzucken. Fast wäre sie sogar ins Lager gefallen, da sich die Tür weiter öffnete. Schnell griff ich nach ihrem Arm, um sie am Fallen zu hindern.

»Entschuldigen Sie. Ich suche Connor. Ist er nicht da?« Ein Blick in ihre Augen zeigte mir, dass sie nicht stehlen wollte, sondern völlig verzweifelt war.

»Tut mir leid, ich bin ganz allein im Moment. Er musste zu einem Künstler, kann ich Ihnen vielleicht helfen?« Traurig schüttelte sie den Kopf.

»Nein, ich wollte ihn um etwas bitten. Aber er hat ja schon Ersatz für mich gefunden, damit hat es sich erledigt.« Schnell drehte sie sich um und verließ den Laden wieder. Ich sah ihr nach und hatte Mitleid mit ihr. Wahrscheinlich war sie seine Ex und er hatte sich schon getröstet. Ob ich solche Szenen hier wohl öfter erleben würde? Gegebenenfalls war mein Chef ja ein Frauenheld und wechselte öfter die Freundinnen. Bisher hatte ich ihn zwar nicht mit einer Frau gesehen, aber das hieß ja nichts. Ein Mann mit seinem Körper und seiner Ausstrahlung hatte sicher kein Problem damit, Frauen kennenzulernen. Ich fand ihn ja auch sehr attraktiv. Allein sein Anblick, als er mit dem Surfbrett aus dem Wasser gekommen war …

Schnell verdrängte ich diese Gedanken wieder. Er war mein Boss und mehr wollte und durfte ich nicht in ihm sehen. Hier im Geschäft verhielt er sich professionell und was er in seiner Freizeit tat, ging mich in keinerlei Hinsicht etwas an. Ein Mann war das Letzte, was ich im Moment brauchte, und die Komplikationen, etwas für den Chef zu empfinden, konnte ich mir schon gar nicht erlauben. Mein Leben war auch ohne solche Verwicklungen schwer genug. Für ein paar Stunden oder wenn es gut lief, vielleicht Wochen Spaß, konnte ich nicht meinen Job riskieren. Egal wie verführerisch Connor auch auf mich wirkte.

Zum Glück kamen nun wieder Kunden in den Laden und ich hatte gut zu tun. Da blieb mir gar keine Zeit mehr, mir darüber Gedanken zu machen. Erst als mein Magen gegen Mittag knurrte, fiel mir auf, dass Mike schon längst überfällig war. Eigentlich war es sogar bereits Zeit für meine Pause. Kurz überlegte ich, ob ich Daniel anrufen sollte, aber dann entschied ich mich dagegen. Laut Connor konnte er ja sowieso nicht herkommen, warum sollte ich ihn also damit behelligen? Außerdem wollte ich Mike nicht in die Pfanne hauen. Er war ein angenehmer Kollege und ich mochte ihn und seine Scherze. Mit ihm wurde es nie langweilig. Bisher hatte ich ihn auch immer für sehr zuverlässig gehalten und wenn er nicht zur Arbeit kam, hatte er dafür sicher einen guten Grund. Vielleicht war er es ja vorhin auch am Telefon gewesen, doch das konnte ich jetzt nicht nachvollziehen, da ich das Geschäft nicht allein lassen wollte, um ins Büro zu gehen.

Nun kamen auch wieder Kunden und die nächsten anderthalb Stunden hatte ich so viel zu tun, dass ich kaum wusste, wo mir der Kopf stand. Eigentlich war das Artists auch nicht dazu geeignet, hier den ganzen Tag allein zu bedienen. Ich kam kaum von der Kasse weg und konnte kaum jemanden wirklich ausführlich beraten, obwohl ich es versuchte und sogar einem Kaufinteressenten zwei der teuersten Kunstwerke des Ladens zeigte.

»Kleinen Moment, ich komme sofort«, rief ich einer Frau zu, die sich mit Pinseln an der Kasse angestellt hatte. Gleichzeitig bemühte ich mich, den potenziellen Käufer zu einer Entscheidung zu bewegen.

»Stellen Sie sich die Stelle genau vor, für die Sie das Stück haben wollen. Was würde dort eher hinpassen?«

»Ich bin mir unsicher. Was würden Sie denn in eine Nische im Eingangsbereich stellen?«, fragte er mich. Wenn ich ganz ehrlich war, würde ich mir weder einen Teufel, der einem Engel die Flügel abreißt noch die abstrakte Figur dort hinstellen. Aber persönlicher Geschmack war immer sehr individuell, es musste nicht mir, sondern meinen Kunden gefallen. Trotzdem wollte ich niemanden etwas aufschwatzen, mit dem er hinterher nicht glücklich war. Schließlich sollte er zufrieden sein und damit gern wieder zu uns kommen. Leider hatte sich in der Zwischenzeit schon eine Schlange an der Kasse gebildet und ich musste unbedingt dort hin.

»Entschuldigen Sie, ich bin im Moment allein im Geschäft und muss eben kurz kassieren. Am besten stellen Sie sich beide Stücke einmal an der gewünschten Stelle vor und auch die Reaktionen ihrer Besucher darauf, vielleicht fällt Ihnen die Wahl dann leichter.« Zum Glück hatte der Herr Verständnis und ich konnte die Waren der anderen Kunden schnell abziehen.

Es dauerte eine gute Viertelstunde, bis ich wieder zu meinem Kunstinteressenten konnte. Allerdings hatte die Zeit nicht ausgereicht, um ihn von einem der Werke zu überzeugen.

»Könnte ich nicht probeweise beide Stücke mitnehmen und einmal an der Stelle aufstellen? Es würde mir die Entscheidung bedeutend erleichtern.« In meiner alten Galerie wäre das unter bestimmten Umständen bei Stammkunden gegangen, aber ich wusste auch, wie kompliziert das wegen der Versicherung war. Deshalb konnte ich darauf jetzt auf keinen Fall eine Zusage geben, sondern musste das zuerst mit Connor oder Daniel besprechen.

»Das müsste ich mit dem Chef besprechen. Ich weiß nicht, ob so etwas möglich ist«, versuchte ich zu erklären. Doch der Kunde fiel mir gleich ins Wort.

»Erlaubnis? Trauen Sie mir etwa nicht? Ich brauche höchstens eine Stunde dafür, oder wollen Sie hier nichts verkaufen?« Er kam zwei Schritte auf mich zu und auf einmal hatte ich ein ganz komisches Gefühl. Auf keinen Fall würde ich jetzt zustimmen.

»Ich bin erst seit Kurzem hier angestellt und habe keinerlei Entscheidungsrecht, das tut mir leid.« Das tat es zwar gerade gar nicht, aber ich wollte ihn nicht noch mehr gegen mich aufbringen, denn seine Augen funkelten gefährlich und er kam noch einen Schritt näher.

»Ich kann gern versuchen, meinen Chef zu erreichen«, bot ich ihm an. Doch darauf wollte er sich nicht einlassen. Er wollte jetzt eine Entscheidung von mir und bedrängte mich immer mehr. Langsam bekam ich wirklich Angst vor ihm. Als er mich am Oberarm packte, reichte es mir endgültig. Bedrängen musste ich mich nicht lassen, das ging zu weit.

»Lassen Sie mich sofort los oder ich muss den Alarm betätigen und die Polizei rufen«, drohte ich ihm. Leider ließ er sich davon überhaupt nicht beeindrucken. Warum nur kam niemand rein? Den ganzen Tag über war doch so viel los gewesen? Sein Griff wurde fester und ich überlegte gerade, ob ich laut um Hilfe rufen sollte, als Daniel den Laden betrat. Sofort ließ der Herr mich los und ging zwei Schritte zurück. Dabei warf er mir aber einen Blick zu, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Hilfesuchend sah ich meinen Boss an und der kam sofort zu uns herüber.

»Alles in Ordnung?«, fragte er mich besorgt, ehe er den Kunden wütend musterte. Fast hatte ich das Gefühl, er würde ihn kennen.

»Alles bestens«, behauptete der Mann frech und machte sich daran zu gehen, doch Dan hielt ihn auf. »Sie haben Hausverbot, Mr. Bennett. Ich lasse nicht zu, dass sie meine Angestellten belästigen.«

»Ich mache doch nur meinen Job.«

»Ihr Job ist es nicht, Menschen zu nötigen, sondern zu kontrollieren, ob wir die Versicherungsbedingungen erfüllen. Sie sind zu weit gegangen. Wenn ich Sie hier noch einmal sehe, kündige ich sämtliche Verträge mit Ihrer Gesellschaft.«

Vor sich hin grummelnd verließ dieser Mr. Bennett endlich das Geschäft und ich konnte etwas aufatmen.

»Du hast deine Bewährungsprobe mit Bravour gemeistert, auch wenn das so ganz sicher nicht geplant war.« Seine Worte beruhigten mich ein wenig. Aber diese ganze Situation hatte mich getriggert und eigentlich wollte ich nur noch Nick vom Kindergarten abholen und mich mit ihm in unserer Wohnung einschließen. Aber das durfte ich nicht, wenn ich hier wieder so anfing, hätte ich auch in Columbus bleiben können. Auf keinen Fall durfte ich mich von solchen Verrückten unterkriegen lassen. Wir waren freie Menschen, in einem freien Land und diese Freiheit ließ ich mir von niemanden je wieder nehmen.

 

9. Connor – Ein miserabler Tag

Wütend schlug ich die Autotür zu, nahm mir gerade noch die Zeit, den Gurt zu schließen, dann gab ich Vollgas. Nur weg hier von diesem Volltrottel. So gut ich Ryders Kunst auch fand, mit diesem Mann würde ich keine Geschäfte machen, selbst dann nicht, wenn er mich auf Knien darum bat. Was aber sowieso ausgeschlossen war. Nicht etwa Mr. Ryder ging auf die Knie, sondern er erwartete, dass andere das taten und ihm dabei sexuell zu Diensten waren. Aber nicht mit mir! Da konnte er lange warten und sich seine Kunstwerke von mir aus in den Hintern schieben, in meinen kam jedenfalls nichts hinein. Noch immer schüttelte es mich, wenn ich an sein Angebot dachte.

Ein Blick in den Rückspiegel zeigte mir, wie der Idiot lachend vor seiner Eingangstür stand und mir nachsah. Am liebsten würde ich ihm dafür noch den Stinkefinger zeigen, aber ich verbot es mir und versuchte, lieber etwas langsamer zu fahren, um niemanden zu gefährden. Sonst war ich wirklich kein Raser, aber dieser Kerl hatte mich so aufgeregt, dass ich mich zusammenreißen musste.

Manche Künstler schufen hervorragende Kunstwerke, nagten dabei aber am Hungertuch oder rieben sich in einem Vollzeitjob auf. Meist waren diese sehr bescheiden, stellten kaum Ansprüche und waren froh, wenn man ihnen half, ihre Kunst an den Mann zu bringen. Aber andere, wie dieser arrogante Mistkerl Ryder, bildeten sich ein, sie wären Götter, nur weil sich ihre Werke gut verkaufen ließen. Aber das konnte er zukünftig woanders tun. Auch wenn wir das Geld gut gebrauchen konnten, so war ich doch nicht bereit, mich dafür so zu erniedrigen. Lieber würde ich noch für ein paar andere Läden die Buchführung übernehmen, wenn es mal wieder knapp war. Im Moment lief es zum Glück sehr gut, obwohl jetzt im Januar lange nicht so viele Touristen in Solana waren wie im Sommer.

Über die Freisprecheinrichtung hörte ich meine Mobilbox ab und was darauf war, trug auch nicht gerade dazu bei, meine Laune zu heben. Zuerst war dort eine Nachricht von Mike, der versucht hatte, mich auf dem Handy zu erreichen, um sich krankzumelden. Lyanne war also seit Stunden allein im Laden, hoffentlich war da alles gut gegangen. Auch wenn sie sich bisher wirklich als fähige Mitarbeiterin gezeigt hatte, sie war erst zwei Wochen da. Dadurch kannte sie bisher weder alle Waren genau, noch die Stammkunden und da gab es einige, die großen Wert auf persönliche Bedienung legten. Außerdem war es nie gut, wenn einer lange allein war. Schließlich wusste man nie, wie viele Kunden kamen. Es war einfach besser, wenn einer an der Kasse bleiben konnte, während der andere sich um die potenziellen Käufer kümmerte, die Beratung brauchten.

Ich überlegte gerade, ob ich Dan anrufen sollte, damit er nach dem Rechten sah, als mein Handy klingelte und er dran war. Das war einer dieser Momente, bei denen Granny von Zwillingsantennen sprach. Es passierte uns wirklich oft, dass einer an den anderen dachte und der sich dann innerhalb von Sekunden meldete.

»Hey, Dan.«

»Hey, Con, ich habe Bennett nun endgültig Hausverbot erteilt.« Ich fluchte laut, was hatte dieser Scheißkerl von der Versicherungsgesellschaft jetzt wieder getan. Seit es vor sechs Monaten einen Unfall mit einem der Ausstellungsstücke gegeben hatte und dieses von unserer Putzfrau beschädigt worden war, hatte er uns auf dem Kieker. Ständig kam er herein, um die Sicherheit der Exponate zu kontrollieren, wie er es ausdrückte. Dabei hatte er sogar schon einmal einen Testdieb angeheuert. Was hatte er wohl dieses Mal wieder versucht?

»Lyanne hat richtig blaue Flecke, wo dieser Kerl sie angepackt hat, außerdem hat er sie massiv bedrängt. Ich versuche, sie dazu zu bewegen, dass sie ihn anzeigt.«

Nun war der Kerl eindeutig zu weit gegangen, hatten denn heute alle eine Macke? Vielleicht hatte jemand etwas ins Wasser gemischt oder so. Ich war froh über das Hausverbot, das Dan ausgesprochen hatte. Wenn uns die Versicherungsgesellschaft deshalb kündigen würde, fände sich auch eine andere.

»Ich komme, so schnell es geht«, versprach ich und legte auf. Trotzdem dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich auf meinem Parkplatz hinter dem Artists hielt. In der Zwischenzeit hatte ich nur darüber nachgedacht, wie wir Bennett loswerden konnten, ohne die Versicherung zu verlieren.

Im Laden stand Jim an der Kasse, während Lyanne gerade einen Kunden bei den Ausstellungsstücken beriet. Sie hatte da wirklich ein Händchen für und in den zwei Wochen schon mehr Stücke verkauft als die Aushilfen in den letzten drei Monaten. Aber sie hatte ja auch Kunst studiert, wenn auch ohne Abschluss und zuvor in einer Galerie gearbeitet. Ich beobachtete sie, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Aber falls es nicht so sein sollte, ließ sie es sich nicht anmerken.

»Ist Dan noch da?«, fragte ich Jim, als er an der Kasse eine kurze Verschnaufpause hatte. Er nickte schnell, ehe auch schon der nächste Käufer kam, und zeigte mit dem Kinn nach hinten.

Ich dankte ihm und ging durch die Tür ins Lager und weiter ins Büro. Dort saß mein Bruder und sah sich die Aufzeichnungen der Überwachungskamera an.

»Hier, siehst du, wie Bennett sie bedrängt?« Das war nicht zu übersehen. Sie ging rückwärts und er folgte ihr sofort. Jetzt griff er ihr auch noch an den Arm und so, wie sie ihr Gesicht verzog, musste es wehgetan haben. Aller Voraussicht nach kam daher der blaue Fleck. Meine Fäuste ballten sich wie von selbst. Warum hatte ich den Kerl nicht erwischt? Wahrscheinlich hätte ich ihm gleich eine geknallt.

»Warum hast du nicht direkt die Polizei gerufen?« Dan sah mich kurz an und dann beschämt wieder weg.

»Erst habe ich nur daran gedacht, ihn hier rauszubekommen, und dann wollte sie nicht.« Das war auch eine Sache, die ich nicht verstand. Angeblich war sie doch gerade vor einem Stalker geflohen – zumindest hatte mein Bruder mir das erzählt, nun wurde sie belästigt und will nicht zur Polizei? Vielleicht hatte sie etwas zu verbergen.

»Ich löse sie jetzt ab, damit sie Pause macht. Vielleicht kannst du noch einmal mit ihr darüber sprechen.« Dan stand auf und ging nach vorn in den Laden. Er machte es sich leicht, bisher waren Lyanne und ich nicht gerade die besten Freunde geworden. Um sie nicht gleich zu verärgern, schaltete ich vorerst die Aufzeichnungen der Kamera ab. Sie sollte nicht denken, ich würde ihr nachspionieren.

»Hallo, Connor. Ich hoffe, du bist nicht wegen mir so schnell zurückgekommen. Das wäre absolut nicht nötig gewesen.« Lyannes Begrüßung war übertrieben fröhlich und ich nahm ihr nicht ab, dass es ihr gut ging. Der Ausdruck ihrer Augen sagte nämlich etwas ganz anderes. Man konnte ihre Angst buchstäblich darin sehen. Doch wovor fürchtete sie sich, vor Bennett oder hatte sie etwas vor den Ermittlungsbehörden zu verstecken?

»Nicht nur, aber auch.« Ich entschied mich dazu, sie nicht anzulügen. Wahrscheinlich würde sie mir sowieso nicht glauben, wenn ich etwas anderes gesagt hätte. Ihr Gesichtsausdruck war trotzdem skeptisch.

»Sag bitte nicht, dass du wegen mir den Termin bei Mr. Ryder abgebrochen hast.« Ich lachte bitter auf.

»Keine Angst, der hatte sich schon vorher erledigt. Mit diesem Mann werde ich keine Geschäfte machen.«

»So schlimm?«

»Noch schlimmer. Lass uns gemeinsam bei Franko etwas essen«, schlug ich vor. »Dann erzählst du mir, was hier los war und ich dir, was Ryder sich einbildet. Du hast doch jetzt sowieso Pause.« Unsicher sah sie mich an, nickte dann aber. Hoffentlich würde ich die richtigen Worte finden, damit sie mir alles mitteilen konnte und dann würde ich sie schon dazu bringen, diesen Kerl anzuzeigen.

 

 

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752118193
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Oktober)
Schlagworte
Neuanfang Kalifornien Romance Alleinerziehend Liebe Surfer Stalker Strand

Autor

  • Alina Jipp (Autor:in)

Alina Jipp wurde 1981 in einem kleinen Ort im Harz geboren und lebt, nach einigen Jahren an der Nordsee, nun mit ihren Kindern wieder dort. Sie liebt beides, die See und die Berge und würde am liebsten ständig pendeln. Das Schreiben ist ihr Ausgleich vom oft sehr stressigen Alltag, auch wenn sie erst 2013 damit angefangen hat, nun kann sie nicht mehr damit aufhören.