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Per Postkutsche ins Glück

Love Shots 13

von Katherine Collins (Autor:in)
150 Seiten
Reihe: Love Shots, Band 13

Zusammenfassung

Georginas Nerven liegen blank. Ihre kleine Schwester Henrietta ist auf der Flucht nach Gretna Green, um sich mit einem schäbigen Soldaten zu verheiraten! Kurz entschlossen überredet sie deren trotteligen Verehrer Baron Halifax dazu, den Ausreißern zu folgen. Die Rettungsmission steht jedoch unter keinem guten Stern. Erst bricht ihnen ein Rad, dann ist nur noch ein Platz in der Postkutsche frei und zu guter letzt beunruhigt Georgina auch noch ein gewisser Gentleman. Mr Peregrine kommt ihr nicht nur aufgrund der beengten Platzverhältnisse mit jeder Stunde, die vergeht näher!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

Kings and Queens

Miss Georgina Glenwood stapfte über die schlecht befestigte Straße und strauchelte, als ihr feiner Damenschuh im Morast versank.

»Georgie!«, rief ihre Begleitung, der ehrbare Lord Nathaniel Hampton, 5. Baron Halifax, ihr nach. Er holte sie ein und verstellte ihr schwer atmend den Weg. Die Hände erhoben, bat er um einen Moment. Georgina stemmte ungeduldig die Hände in die Hüften. Sie wusste, welch inakzeptablen Eindruck sie machte, scherte sich aber nicht weiter darum.

»Georgie, so nimm doch Vernunft an«, brachte Nathaniel hervor, noch immer tiefrot im Gesicht durch die Anstrengung, hinter ihr herzulaufen.

»Es ist vernünftig.«

Ihr Widerspruch wurde auf der Stelle durch ein kräftiges Schütteln des Kopfes negiert.

»Wir sollten warten.« Der Baron keuchte, stemmte eine Hand in die Seite, mit der anderen wedelte er sich Luft zu.

Georgina reichte ihm ihren Fächer, den sie nur seinetwegen mit sich führte. Nathaniel klagte häufig über Atemprobleme.»Es wird jemand Hilfe schicken.« Bei jedem gezwungenen Atemzug knarzte es, ebenso bei jeder Bewegung, weil Nathaniel glaubte, seinen Leibesumfang mit Hilfe eines Korsetts in Zaum halten zu können.»Und wer sollte Hilfe schicken?« Georgina bedachte ihn mit einem kritischen Blick, denn obwohl der Baron gerade einmal fünf Jahre älter war als sie selbst, war ihre Konstitution nicht zu vergleichen. Auf seinen Wangen lag auch ohne Anstrengung ein roter Hauch, und die maßgeschneiderte Kleidung verbarg seine Bemühung, schlank zu erscheinen, nicht. Dabei war Halifax nicht unansehnlich zu nennen, nur stand er bedauerlicherweise nicht zu seinen Unzulänglichkeiten. Sprich, seiner Neigung zur Fülle und seiner Abneigung zur körperlichen Ertüchtigung.

Georgina erwartete keine Antwort auf ihre rhetorische Frage. »Nein, ich werde nicht in der Kälte sitzen und warten. Das Dorf kann nicht weit entfernt liegen und dein Kutscher hatte Anweisung, das nächste Gasthaus anzusteuern.« Sie streckte die Hand aus und deutete auf die Weggabelung, an der ein Schild auf das Kings and Queens verwies. »Dort ist es warm, wir können unser Morgenmahl einnehmen und wir finden sicherlich jemanden, der nach deiner Kutsche sehen kann.« Da alles Nötige gesagt und Nathaniel auch wieder zu Atem gekommen war, stapfte Georgina weiter.

»Aber unsere Schuhe«, klagte ihr Begleiter, als er sie erneut einholte. »Sie sind ruiniert!«

»Papperlapapp«, beschied sie, wobei sie nicht einmal einen Blick auf besagte Kleidungsstücke warf. Lediglich ihre Röcke hob sie ein Stückchen höher, damit der Saum nicht über den schlammigen Boden schabte.

»Eine Dame sollte zu jeder Zeit ein Paradebeispiel an Eleganz und Schicklichkeit …«

Georgina beschleunigte ihren Schritt, wodurch sie Nathaniel einmal mehr abhängte. Zumindest vergeudete er keinen Atem mehr an Vorhaltungen, bis sie sich dem ausgeschilderten Gasthaus näherten.

»Georgie, so halte ein«, bat er, wobei er nach ihrem Ellenbogen fischte. Sein Japsen klang erschreckend kurzatmig.

Georgina gab nach, um das Ungemach nicht zu vergrößern, indem sie Nathaniel die Besinnung kostete. Sicherlich wäre sein Aufheben immens, wenn nicht nur seine Seidenschuhe, sondern gleich sein gesamter Aufzug schlammverkrustet wäre.

»Herrje, Georgie, du bist wahrlich kein gewöhnliches Weibsbild.« Nathaniel sank gegen die Holzwand, stemmte sich aber sogleich wieder ab, um seinen Mantel nicht zu verdrecken. Der Fächer tanzte wie die Flügel eines Kolibris vor seinem Gesicht herum, und trotz der frischen Temperaturen perlte Schweiß über seine Stirn. Georgina wühlte in ihrem Reisetäschchen nach einem Taschentuch, das sie ihm mit einem Seufzen hinhielt.

»Hab Dank, Georgie.«

»Nathaniel, wir müssen unsere nächsten Schritte planen.« Mit wir war nicht gemeint, dass Georgina sich tatsächlich mit ihm absprechen musste, schließlich war der Herr alles andere als entschlussfreudig. »Ich wage nicht, mir zu viel Zeit zu lassen.«

»Aber die Kutsche …«, begann er. »Es wird Zeit …«

»Wir haben keine Zeit«, unterbrach sie ihn heftig. Sie stampfte mit dem Fuß auf und fasste ihn scharf ins Auge. »Henrietta steht kurz davor, den Fehler ihres Lebens zu begehen!«

Nathaniels Röte schwand, als er daran erinnert wurde, was tatsächlich auf dem Spiel stand.

»Sie wird diesen Hallodri ehelichen.« Georgina ballte die Hände. Sie fokussierte sich, um sich nicht in ihrer Angst zu verlieren. »Dieser schäbige Leutnant Killian …« Sie suchte in ihrem Gedächtnis nach dem Nachnamen besagten Mannes, ohne ihn auf die Schnelle finden zu können, also verwarf sie die Suche vollends mit einem Schnalzen. »Verflixt, er liegt mir auf der Zunge. Ach, es ist bedeutungslos, wie er nun heißt.« Sie richtete ihren Blick wieder auf ihr Gegenüber und fuhr ungebrochen sicher fort: »Nathaniel, wie kannst du da nicht getrieben sein, sie mit allen Mitteln aufzuhalten?« Dabei brannte dieses Begehr seit dem Augenblick in ihr, in dem sie die Schwester in die Kutsche des Leutnants hatte steigen sehen.

»Oh, dieser Halunke«, ereiferte sich nun Nathaniel. Seine Wangen begannen zu leuchten. »Dieser nichtsnutzige, dahergelaufene …«

»Sie haben bereits eine Stunde Vorsprung, und nun vergeuden wir hier kostbare Minuten, die ihnen nur noch mehr Zeit geben, diese Dummheit zu begehen!« Georgina griff nach seinen weiß behandschuhten Fingern und drückte sie fest. Die Streben ihres Fächers knackten, aber sie ignorierte es. »Wir dürfen nicht säumen!« Und koste es auch noch den Rest der Bequemlichkeit dieser Reise, die ohnehin maximal unentspannt war.

Georgina wickelte sich enger in ihren Umhang, der für die Witterungsverhältnisse nicht ausreichte, um bei längeren Reisen warmzuhalten. Schon gar nicht, wenn man darunter kein Ensemble trug, sondern ein Ballkleid mit langen Handschuhen.

»Die Kutsche …« Halifax seufzte bedauernd.

»Besorge einen Ersatz«, forderte Georgina streng. Nathaniel hatte seine guten Seiten, aber nicht selten kostete er sie einiges an Nerven. »Kommt die Postkutsche hier nicht durch?«

Der Vorschlag entsetzte ihn. Sein Mund klappte auf, seine Wangen waberten, als er ansetzte, etwas zu sagen, was schließlich in einem erstickten Schnaufen ihres Namens resultierte.

»Dieser Aufschneider wird meine Schwester nicht ins Unglück stürzen«, beschied sie hart. »Und koste es zehn Paar Schuhe und all meine guten Kleider obendrein!«

Nathaniel konnte nur weiter den Mund auf- und zuklappen.

»Ich werde hier nicht stranden, Nathaniel! Ich werde mich nicht aufhalten lassen, meine Schwester vor diesem … Abschaum zu beschützen.« Sie stampfte auf, schwang herum, dass sich ihr Umhang nur so aufplusterte, und stürmte ins Gasthaus, um sich selbst um die Fortsetzung ihrer Reise zu kümmern.

Peregrine Arthuros Gilroy Cuthbert Beaufleurs behielt die Dame im Auge, die soeben erst vor dem offenen Fenster zum privaten Salon des Gasthauses Kings and Queens, in dem er eine schnelle Tasse heißen Tees hatte einnehmen wollen, schäbig über einen ihm nur zu bekannten Leutnant hergezogen hatte. Sie diskutierte mit dem Wirt, lehnte sich dabei über den Tresen. Ihre behandschuhten Finger krümmten sich, während ihr Kinn sich vorschob. An ihrem Gelenk baumelte ein Täschchen aus zarter Seide, das mit Blümchen bestickt war.

»Mein Herr, das ist inakzeptabel.«

Obwohl ihre Verhandlung alles andere als erfolgreich verlief, hielt sie sich hervorragend. Anders als zuvor hob sie weder ihre Stimme noch stellte sie anders ihre Determination zur Schau. Erst, als ihre Begleitung zögerlich einschritt, verlor sie ihre Beherrschung.

»Herrgott, Nathaniel«, fuhr sie ihn leise an. »Dafür ist keine Zeit!«

»Gewiss, meine Liebe, aber …« Der Herr war ebenso unpraktisch gewandet wie die Dame, trug zumindest jedoch einen wärmenden Mantel und einen Zylinder nebst Gehstock.

»Ich nehme die Kutsche«, beschied sie. Ihre grünen Augen warnten den feisten Mann an ihrer Seite, zu widersprechen. Sie hob das Kinn. Eine vorwitzige Locke fiel ihr in die Stirn, und sie blies sie davon. »Regle dies!«

Sie ließ ihn stehen und kam auf Peregrine zugestampft, ohne ihn zu gewahren. Was sich erst änderte, als sie im dunklen Gang zusammenstießen.

»Oh!« Ihre Augen weiteten sich, als sie sich auf ihn richteten. Selbst in der Dunkelheit funkelten sie in einem kräftigen Smaragdgrün.

Peregrine zog die Hände fort. Er hatte die Dame an den Ellenbogen zurückgeschoben und schnell gemustert. Unter ihrem Umhang, der aus der Nähe betrachtet noch ungeeigneter für eine längere Reise im Februar erschien, blitzte ein weißes Abendkleid hervor. Perlenohrringe baumelten von ihren kleinen Ohren, die halb von roten Haaren versteckt wurden. Natürlichen Locken, auch wenn der Hauptteil ihrer Haare, die unter der Kapuze gerade noch zu sehen waren, mit einem Brenneisen in Engellöckchen gedreht worden war. Eine klassische Debütantinnen-Ausstattung, komplettiert mit einem weißen Säckchen, dem Retikül, und den feinen Seidenschühchen, die allerdings zurzeit in einem denkbar schlechten Zustand waren.

Sie starrte ihn immer noch an, das Oh auf den Lippen und lediglich blinzelnd, ohne weitere Regung.

Peregrine senkte andeutungsweise den Kopf. »Miss.«

Erneut schlossen sich ihre Lider, ihre langen, rötlichen Wimpern legten sich auf ihre sahneweißen Wangen, und als sie sich hoben, schimmerte Verwirrung in ihren Augen.

»Sir?« Ihre Stimme bebte leicht. »Verzeihung.«

»Georgie!« Ihre Begleitung trampelte heran und zog die junge Frau beschützend hinter sich. »Sir! Was belästigen Sie die Dame?« Er plusterte sich auf. Auch der Herr war eher für einen Ball gekleidet als für eine Reise. Seine ehedem glänzend schwarzen Schuhe, die altmodischen Pantalons kombiniert mit den ebenso verdreckten wadenlangen Socken, sprachen sehr dafür, auch wenn sein Mantel zumindest pelzverbrämt war.

»Die Lady lief in mich hinein, Sir. Ich habe lediglich verhindert, dass sie fällt.« Peregrine warf einen schnellen Blick zu besagter Dame, die sich noch immer nicht gefangen hatte. Sie schüttelte sacht den Kopf und murmelte etwas zu sich selbst.

»Wenn Sie mich nun entschuldigen?« Peregrine nickte dem Gentleman zu, der schnell zwischen ihn und die Dame getreten war und sie nun zurückschob, um ihm Platz zu machen.

Obwohl Peregrine zur Bar ging, hörte er ihr Gespräch.

»Georgie, bist du wohlauf?«

»Ich …«, wisperte das Mädchen.

Ein Blick zurück bezeugte, dass sie ebenso durcheinander war, wie sie klang.

»Ja. Es ist wohl die Anstrengung …« Ihre Stimme verklang.

»Du solltest auf mich hören, meine Liebe, wir sollten rasten, bis die Kutsche repariert ist.«

»Darf es noch etwas sein, Mylord?«, sprach der Wirt Peregrine an.

»Die Rechnung.« Für gewöhnlich ließ er seinen Kutscher dergleichen erledigen, aber er wollte hören, was das Paar vorhatte.

»Nein«, murmelte das Mädchen. Sie holte tief Atem, sah zu ihrem Begleiter auf und erhielt ihre Festigkeit zurück. Ihre Lippen verkniffen sich, und die Sanftheit, die auf ihren Zügen gelegen hatte, als sie mit ihm zusammengestoßen war, wich. »Hast du Karten für die Postkutsche erstanden?« Sie trat zurück. »Wann fährt sie?«

»Sie kommt zwar jeden Moment, aber gewöhnlich nimmt sie hier keine Passagiere auf.«

»Das ist inakzeptabel, Nathaniel.« Sie wickelte ihren Umhang um sich und streckte die Schultern. »Du erstehst besser Fahrkarten, andernfalls haben wir ein riesiges Problem!«

Der Wirt nannte Peregrine die ausstehende Summe, die er großzügig beglich.

»Bedenke, was deine Braut im Begriff steht zu tun«, flüsterte das Mädchen drängend. Sie trat auf den Gentleman zu und legte ihm kurz die Hand auf die Brust. »Die Konsequenzen, die es nach sich ziehen wird!«

»Wenn Henrietta ihre Wahl getroffen hat …« Die Schultern des Gentlemans sackten herab, während seine Worte zu leise wurden, als dass Peregrine sie verstehen konnte.

»Nathaniel«, beschwerte sich die Dame mit einem deutlichen Quietschen in der Stimme und machte einen Satz zurück. »Nein!«

»Ich bin kein schneidiger Leutnant, Georgie, wie soll ich Henriettas Herz erobern?«, jammerte der Berg von einem Mann, einem Häufchen Elend gleich. Die Dame rang die Hände. Ihr Blick flog umher, als suche sie fieberhaft nach den passenden Worten.

»Du bist äußerst beständig und durchaus liebenswert«, stieß sie hervor. »Und sie schätzt dich, das weiß ich genau!«

Ein Schwall eisiger Luft lenkte Peregrine ab, als die Tür geöffnet wurde. Pferde wieherten und einige Leute drängten in die Gaststätte.

»Dieser Scharlatan hat ihr das Blaue vom Himmel herunter versprochen, um sie zu überreden, mit ihm durchzubrennen«, flüsterte die junge Frau mit dem Jungennamen. »Du wirst sie erretten und sie wird dir auf ewig dankbar sein. Aber wir müssen uns eilen!«

Peregrine gab seinen Horchposten auf. Er wich den Passagieren der Postkutsche aus und trat aus der Gaststätte, nicht sicher, was ihm das Gespräch des Pärchens sagte. Offensichtlich waren die beiden mitten in der Nacht von einem Ball aufgebrochen. Man hätte auf ein verliebtes Paar kommen können, das nach Gretna Green durchbrannte, um sich gegen den Wunsch der Eltern trauen zu lassen, wenn es gewisse Hinweise nicht gäbe. Die Bezugnahme auf den Leutnant und Henrietta zum Beispiel. Wie es so wollte, hatte dies sein Interesse geweckt.

Der Kutscher der Postkutsche scheuchte seinen Reitknecht herum, damit er die Pferde verpflegte. Er spuckte aus, murmelte etwas von faulen Burschen und stapfte auf Peregrine zu.

»Verzeihung«, sprach er ihn an. »Ich bin mit der Kutsche verunglückt und muss dringend in den Norden. Wäre es möglich, noch zuzusteigen?«

Der Kutscher kratzte sich am Schädel. »Aye. Wir fahrn hoch nach Carlisle, Sir.«

»Sehr gut. Wie viele Plätze haben Sie noch frei?«

»Den einen.« Wieder kratzte er sich, bevor er die Kappe aufzog. »Kostn Schilling.«

»Ein Paar wird Sie ansprechen, sie brauchen ebenfalls eine Mitfahrgelegenheit. Es wäre äußerst wichtig, dass die Dame zusteigen kann.« Zwar wusste Peregrine noch nicht mit Sicherheit, ob seine Vermutung zutraf, aber womöglich gab es eine Verbindung zwischen dem Paar und ihm.

»Sir, der Wagen is voll.«

»Die Dame muss mitfahren. Ich gebe Ihnen zusätzliche zehn Schilling, wenn Sie das ermöglichen.« Peregrine sammelte die Münzen zusammen und drückte sie dem schwankenden Mann in die Hand. »Wann fahren Sie weiter?«

»In zehn Minuten, Sir. Danke, Sir.« Er verbeugte sich geflissentlich vor Peregrine, bevor er in der Gaststätte verschwand

Kapitel 2

Eine schweigsame Lady

Georgina schubste Nathaniel sacht an, damit er den Kutscher endlich ansprach.

»Werter Herr?«, plapperte er. »Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen.« Nathaniel räusperte sich und trat von einem Bein auf das andere. »Sie müssen uns mitnehmen.«

Da Georgina befürchtete, Nathaniel ruiniere noch ihre einzige Chance, nach Schottland zu kommen, schritt sie ein. Mit einem Lächeln trat sie vor.

»Verzeihen Sie. Unsere Kutsche verlor ein Rad und wir müssen eilig hoch nach Gretna Green. Ich bitte Sie inständig, uns mitzunehmen. Selbstverständlich bezahlen wir für unseren Platz.« Furcht verkrampfte ihre Eingeweide, denn sollte dieser Mann Nathaniel und sie nicht zusteigen lassen, war ihre Verfolgung gescheitert. Ihre Lippen zuckten vor Anstrengung.

»Es is nur ein Platz frei«, erklärte der Kutscher eifrig nickend. »Für die Lady.«

Ein Stein fiel ihr vom Herzen und sie schickte ein schnelles Dankesgebet gen Himmel.

»Auf keinem Fall«, beschied Nathaniel ungewohnt fest. »Du wirst nicht allein weiterreisen.« Er riss Georgina zurück und baute sich vor ihr auf. »Ich werde weiterfahren und du bleibst hier.« Er räusperte sich und drehte sich wieder dem Kutscher zu. »Ich nehme den Platz. Geben Sie mir Zeit, für die Bequemlichkeit der Dame zu sorgen.«

»Nathaniel«, zischte Georgina, nachdem sie sich ein Stück mitschleifen lassen hatte. »Ich werde nicht tatenlos hier herumsitzen, während meine Schwester den Fehler ihres Lebens begeht!« Sie befreite ihren Arm aus seiner Umklammerung. »Verhandle mit ihm. Vielleicht lässt sich noch ein Platz finden.«

»Du hast ihn gehört, Georgie. Es ist ohnehin kein Ort für eine Dame.« Er räusperte sich. »Mein Kutscher kümmert sich um die Reparatur und wird dich dann zurück nach London bringen.« Wieder räusperte er sich. »Ich kümmere mich um … meine Braut.«

Nicht einmal, wenn er es überzeugend vorgebracht hätte, ließe Georgina das Wohl der Schwester in den Händen eines Mannes. »Nathaniel, du kannst unmöglich allein mit ihr reisen.« Natürlich war ihr die Ironie bewusst, schließlich reiste auch sie allein mit einem Gentleman, mit dem sie nicht verwandt oder verheiratet war. »Ebenso wenig kann ich allein in deiner Kutsche zurückkehren!«

Nathaniel suchte sichtlich nach Worten, ohne sie zu finden. Georgina seufzte leise.

»Bedenke, wie schutzlos ich hier bin.« Sie sah sich um, als befürchte sie, tatsächlich angegriffen zu werden. »Versuch irgendetwas auszuhandeln.« Sie tätschelte seinen Arm. »Du schaffst das, dessen bin ich mir gewiss.« Ihr Lächeln bewirkte eine Auflockerung des Gentlemans. »Für eine gemeinsame Zukunft von Nathaniel und Henrietta.«

»Dein Wort in Gottes Ohr«, brummte der Baron, alles andere als überzeugt.

»Jawohl, Mylord.« Sterling, Peregrines getreuer Kutscher, tippte sich an die Kappe. Wenn ihm die Order, der Postkutsche mit etwas Abstand zu folgen, merkwürdig vorkam, so ließ er es sich nicht anmerken. Der Knecht hingegen gaffte ihn mit offenem Mund an, bis Sterling ihn anstieß.

»Geh, bring seiner Lordschaft seine Reisetasche.«

Der Bursche trollte sich, stieg auf die Achse und zerrte an der Verschnürung des Gepäcksacks, der am hinteren Ende der Barouche befestigt war, direkt neben dem Sitz, auf dem der Knecht mitfuhr.

Es dauerte, was Peregrine unruhig werden ließ. Die Postkutsche wartete sicher nicht auf ihn. Kurzerhand half er nach. Von der anderen Seite des Gepäckhalters, dem Sitz des Burschen, war es ein Kinderspiel, die Klappe zu öffnen und die kleinere der beiden Taschen herauszuziehen. Er sparte sich den Rüffel, sprang von der Sprosse und stapfte davon.

Die Postkutsche stand noch vor der Gaststätte, aber die Fahrgäste sammelten sich bereits darum. Das Paar war ebenfalls anwesend. Der Gentleman sprach auf einen anderen der Passagiere ein, der beständig den Kopf schüttelte. Als Peregrine näher kam, hörte er, worum es bei dem Gespräch ging.

»… nicht allein lassen.« Der ältere Herr in gediegenem Tweed verweigerte noch immer seine Zustimmung. »Meine Schwester braucht meinen Schutz, werter Herr.«

»Nay, Sir, ich kann Ihnen meinen Platz nicht überlassen.« Er hob abwehrend die Hände. »Dringen Sie nicht weiter in mich!« Er schlängelte sich, so schnell er konnte, durch die Menge, um als Erster in die Kutsche zu steigen.

Der Blick des Gentlemans huschte mit deutlicher Verzweiflung über Peregrine. Offenbar gingen ihm die Optionen aus. Drei weitere Herren bestiegen das Gefährt, wobei sie dem händeringenden Gentleman auswichen.

Peregrine erwartete, ebenfalls angesprochen zu werden, als er dem Kutscher seine Tasche reichte. Auf dem Dach saßen bereits zwei Frauen und drei Männer in einfacher Kleidung. So voll wie behauptet war die Kutsche demnach gar nicht.

»Sir«, haspelte der Gentleman, brach aber ab, nachdem Peregrine sich zu ihm umgewendet hatte. Er räusperte sich. »Haben Sie den Platz am Fenster?«

Peregrine hob die Brauen als wortlose Frage.

»Es wäre überaus freundlich von Ihnen, überließen Sie ihn der Dame.« Er nahm den Zylinder ab und drehte ihn vor seinem Bauch im Kreis. »Ich erbitte diesen Dienst als Gentleman von einem Gentleman.«

Die junge Frau trat vor, ebenso nervös wie ihr Begleiter. Sie konnte ihn nicht einmal ansehen, als sie wisperte: »Bitte.«

Peregrine ließ sich Zeit mit seiner Antwort, auch wenn sein Entschluss längst schon gefallen war. Als einzige Frau an Bord, als Dame obendrein, war die bloße Fahrt in einer Postkutsche bereits eine unfassbare Tortur. Diese auch noch eingequetscht zwischen Mannsbildern erdulden zu müssen, bescherte ihr sicherlich Alpträume.

»Selbstredend.« Peregrine reichte dem Mädchen die Hand, um ihm beim Einsteigen behilflich zu sein, bevor er folgte. Ihr Begleiter bedankte sich, obwohl er überaus unglücklich dreinsah.

Die Dame rutschte so weit wie nur möglich an das Fenster und sah hinaus. Ihre Finger flatterten leicht auf ihrem Schoß, aber sie ließ den Kopf hoch erhoben. Stoisch sah sie hinaus, selbst noch, als ihr Begleiter längst auf das Dach gestiegen war und die Kutsche losrumpelte. Ihr Rücken berührte die Polster ebenso wenig wie ihre Schulter die Seitenwand. Nur durch das Rütteln stieß sie an, auch gegen ihn.

»Verzeihung«, murmelte sie, ohne ihn anzusehen. Eine leichte Röte schoss in ihre Wangen und sie versuchte, sich noch kleiner zu machen.

»Wir werden eine Weile unterwegs sein, Miss. Gewöhnen Sie sich daran, anzuecken.«

Ein scheuer Blick traf ihn. Sie biss sich sekundenlang auf die Unterlippe, dann sah sie fort. »Ich weiß. Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung für all die Male an, die ich Sie vermutlich noch anstoßen werde.« Sie räusperte sich leise. »Sir.«

»Natürlich.«

Eine Weile blieb sie starr und bemüht, jedem Kontakt vorzubeugen, schließlich gab sie es auf. Die Federung der Postkutsche war mehr als kläglich und selbst bedacht, wie die junge Dame war, konnte man nicht jedem Ruckeln ausweichen.

»Ihre erste Reise mit der Postkutsche, Miss?«

Ihr erschrockener Blick sagte alles, aber ihm war es wesentlich wichtiger, hinter ihr Geheimnis zu kommen, als der Etikette zu huldigen. Eine junge Dame anzusprechen, die einem weder bekannt war noch in irgendeiner Form mit einem verwandt, war unangebracht. Die Dame musste ihn ignorieren, aber Peregrine hatte vor, sie aus der Reserve zu locken, bevor der nächste Stopp anstand. Sollte seine Vermutung, sie habe tatsächlich von einem ihm sehr bekannten Leutnant gesprochen, bewahrheiten, konnte sie ihm eine unschätzbare Hilfe sein. Allerdings war er nicht bereit, für eine vage Vermutung den Rest der Reise in einer Postkutsche zu verbringen.

»Verzeihen Sie mir die Anmaßung, aber die Reise wird nur noch länger, wenn man sie schweigend verbringen muss.« Er lächelte betont locker, in der Hoffnung, sie möge Vertrauen zu ihm schöpfen. Er brauchte sie redselig, denn die schlechte Federung machte auch ihm zu schaffen, ganz zu schweigen von dem beengten Raum und den ungewaschenen Mitreisenden. Noch immer starrte ihn das Mädchen mit erschrockenem Blick an.

»Unglücklicherweise musste ich umsteigen, da meine eigene Kutsche im Schlamm stecken blieb.« Er hoffte auf Mitgefühl, schließlich ähnelte es ihrem Schicksal. »Damit werde ich wohl doppelt so lange unterwegs sein.«

Peregrine nahm seinen Hut ab und fuhr sich durch das tiefschwarze Haar. Er hatte offenbar keine Chance bei der jungen Dame. Womöglich wäre es hilfreicher gewesen, ihren Reisegefährten auch in der Kutsche sitzen zu haben, damit sie sich unterhalten konnten. Schließlich besaßen die beiden eine Dynamik wie ein altes Ehepaar.

»Ich muss hoch nach Carlisle, um meinen Bruder zu sehen.« Es war wohl Zeit, diese Aktion als gescheitert anzusehen, dennoch redete er weiter. »Bitte halten Sie mich nicht für impertinent, weil ich Sie ansprach, Miss …« Auch dieses Mal ging sie nicht auf ihn ein und Peregrine seufzte leise. »Sie erschienen mir lediglich als passende Gesprächspartnerin.«

»Ich sollte nicht mit Fremden sprechen«, murmelte sie schließlich mit dünner Stimme. »Das schickt sich nicht.«

Peregrine lehnte sich leicht zu ihr. »Mit einem Galan durchzubrennen auch nicht.«

Sie zuckte zusammen und riss ihre entzückenden Augen auf. »Oh nein, nein!«, quiekte sie.

Durch ihr Kopfschütteln rutschte die Kapuze von ihrem Haar. Der satte Rotton fiel ihm dabei direkt auf.

»So ist das ganz und gar nicht!« Ihre Finger schlossen sich fest um ihr Täschchen. »Nathaniel …« Verwirrung huschte über ihre Miene und sie unterbrach sich. »Es ist komplizierter.«

»Wie kompliziert kann es sein? Ein Mann, ein hübsches Mädchen und eine Kutsche auf dem Weg zur schottischen Grenze …« Peregrine wisperte es, schließlich war seine Implikation rufschädigend.

»Meine Schwester …«, schlüpfte aus ihr heraus, bevor sie sich zurückhalten konnte. Röte stieg ihr in die Wangen und sie schlug die Lider nieder.

»Ihre Schwester?«, griff Peregrine sanft auf.

»Ich sollte nicht darüber sprechen.« Sie biss sich auf die Lippe, was ihn augenblicklich auf deren vollen Schwung aufmerksam machte. Schließlich senkte sie doch noch ihr Kinn, richtete ihren Blick in ihren Schoß, und Peregrines folgte. Ihre Finger nestelten an der Verschnürung ihres Retiküls.

»Vermutlich nicht, so es ein Frevel ist, den Sie verschweigen müssen.«

Erneut gruben sich ihre weißen Zähne in eine tiefrote Lippe. Wenn die Schwester nur halb so viel Liebreiz besaß wie dieses Mädchen, hatte Killian keine Chance gehabt. Er hatte ihr in seinem jugendlichen Leichtsinn verfallen müssen.

Selbst Peregrine, zehn Jahre weiser und durchaus erfahren in der Verlockung durch das Weib, musste schlucken, um sich zusammenzunehmen. Den Blick durch den dunklen Innenraum der Kutsche zu lenken, half dabei, schließlich waren die Mitinsassen alles andere als hübsch anzusehen.

»Nein«, wisperte das Mädchen mit schwankender Stimme. »Ich bete, dass jeder Frevel ausbleibt.«

Georgina klammerte sich an die Verschnürung ihres Täschchens, Frevel vor Augen, die ihre dumme, naive Schwester begehen konnte. Sie war bereits durchgebrannt mit nichts bei sich als ihrem Abendkleid und ihrer leichten Pelisse. Henrietta hatte lediglich ein besticktes Taschentüchlein und ein Fläschchen Hirschhornsalz in ihrem Retikül. Dies wusste Georgina genau, schließlich war es zu einer Verwechslung der Retiküle gekommen. Sie hatte bei einem Blick hinein augenblicklich festgestellt, dass Henrietta Dummheiten im Sinn hatte. Warum sonst hätte sie all ihre kostbaren Habseligkeiten, so dürftig sie auch waren, eingesteckt?

Georgie hatte sich direkt auf die Suche nach der kleinen Schwester begeben und verfolgt, wie sie in die Kutsche des Leutnants gestiegen war.

»Sie ist nicht …« Georgina konnte den Satz nicht beenden, zweifelte sie doch an der Wahrheit hinter diesen Worten. Henrietta war sicherlich gottesfürchtig, jedoch mangelte es ihr nicht selten an Vernunft. Konnte Georgina da ausschließen, dass sich die Schwester nicht doch zu weiteren Dummheiten hinreißen ließe? Wie eine Ehe zu vollziehen, die noch nicht geschlossen worden war?

Sie erschauerte und wickelte sich enger in ihren Umhang.

»Sie sind nicht für eine Reise gekleidet, demnach war Eile vonnöten«, drängte ihr Sitznachbar sanft. Er hatte sich ihr wieder zugewandt und lächelte sie an. Sein markantes Kinn wurde von einer tiefen Kerbe geteilt. Ein dunkler Schatten lag auf seinen Wangen und gab ihm eine Aura der Gefahr. Es machte sie nervös, ihn anzusehen, schon bei ihrer ersten Begegnung im Gasthof, und es wurde nicht besser, nun, da sie Stunden neben ihm ausharren musste.

Er senkte den Kopf, legte ihn dabei leicht zur Seite, wodurch er weniger bedrohlich wirkte. Seine Lippen verzogen sich verschwörerisch. »Ist eine weitere Dame unangebracht bekleidet unterwegs und Sie hoffen, sie aufzuhalten?«

Georgina stieß den Atem aus. Es klang wie ein Quieken, aber das war es nicht, was gelinden Horror in ihr weckte. Dieser Mann war offenkundig ein Gentleman und damit war es gefährlich, ihm zu viele Informationen über sich zu geben. Er konnte ihr wieder begegnen, auf einem sozialen Ereignis, und ihren Ruf unwiederbringlich ruinieren.

Georgina verschränkte die zittrigen Finger ineinander und packte fest zu.

»Wie kommen Sie nur darauf?« Sie rutschte von ihm fort, kam in der Beengtheit der Kutsche jedoch nicht weit.

»Vielleicht …« Ein Ruck ging durch das Gefährt und schleuderte Georgina nach vorn. Ein Arm schoss vor, rettete sie davor, auf dem Herrn ihr gegenüber zu landen, der im nächsten Augenblick selbst von seinem Platz geschleudert wurde. Es polterte auch über ihr und Schreie gellten innerhalb wie auch außerhalb der Kutsche. Georgina landete in ihrer Ecke, vom Körper des Gentlemans abgeschirmt, der sich über ihr an der Decke und der Seitenwand abstützte. Seine Miene verzog sich, die Lippen pressten sich zu einem schmalen Strich zusammen und ein unterdrückter Ton drang aus seiner Kehle hervor, als ein Ruck durch ihn ging. In dem Moment, in dem er die Lider hob und sie aus diesen bezwingenden blauen Augen ansah, verging ihr der Atem.

Henrietta schwärmte beständig von adretten Gentlemen, ihrer Galanterie, ihrem Lächeln oder dem schneidigen Sitz ihrer Kleidung. Georgina hatte nie nachvollziehen können, was die Schwester meinte, wenn sie sich an der Eleganz eines Herrn ergötzte oder über seine gütigen Augen sprach.

In diesem Augenblick, als die Kutsche zum Stehen kam und sie dabei ordentlich durchrüttelte, erkannte sie, dass Augen tatsächlich das Tor zur Seele waren. Dieser Gentleman, der sie mit seinem Leib vor Gefahr abschirmte, und seien es die Gliedmaßen der anderen Reisenden, war das Geschenk Gottes an sie.

Ihr Herz flatterte in der Enge ihrer Brust. Sie konnte nicht fortsehen. Es stand so viel geschrieben in diesen blauen Toren und sie wollte es verstehen.

Schweres Stöhnen durchdrang den Innenraum der Kutsche. Die anderen Herren rappelten sich auf, klagten dabei lauthals, während der Gentleman sich steif aufrichtete.

»Haben Sie sich verletzt, Miss?«

Georgina konnte nicht antworten.

Kühles Leder legte sich sanft auf ihre Wange. Der Gentleman hob ihr Gesicht an, während seine Augen in ihrem Antlitz nach etwas suchten. Hitze breitete sich in ihr aus und sie schüttelte schnell den Kopf.

»Bleiben Sie sitzen, ich erkundige mich, was diesen abrupten Halt zu verantworten hat.« Sein Daumen glitt ein letztes Mal über ihre Wange, dann wandte er sich ab.

Als er den Schlag öffnete, wurden die Rufe lauter. Unter all den Stimmen erkannte Georgina Nathaniels mühelos wieder. Er schrie wie am Spieß. Aufgeschreckt torkelte Georgina ebenfalls aus der Kutsche und verfehlte die Stufe. »Ah!«

Starke Arme schlossen sich um sie und heißer Atem prickelte auf ihrer Wange. »Sie sollten doch in der Kutsche bleiben«, wisperte er viel zu nah bei ihr.

»Aber Nathaniel«, hauchte sie zittrig. Sie hob den Blick, um seinem zu begegnen, und wurde sich bewusst, wie eng sie tatsächlich beieinanderstanden.

»… Liebster?«

Georgina riss die Augen auf, hörte sie doch nur den zweiten Teil.

»Gestehen Sie es ein.« Jedes seiner Worte huschte über ihre Haut und bewirkte ein Kribbeln an Stellen, die Georgina nicht einmal benennen konnte.

»Er ist unser Nachbar.« Sie bekam es kaum über die Lippen. »Und hofiert Henrietta.«

Sein Blick gewann an Intensität, als wöge er ihre Worte sorgsam ab. »Ihre Schwester? Dann muss er ein Narr sein.«

Siedende Hitze breitete sich in ihr aus.

»Bleiben Sie im Wagen, das ist kein Anblick für eine Dame.«

Georgina riss die Augen auf und löste sich aus ihrer süßen Starre. Nathaniel schrie noch immer und sie fragte sich mit wachsendem Entsetzen, wie sie es in den letzten Minuten hatte überhören können.

»Nathaniel«, hauchte sie und schüttelte den Kopf. »Ich muss ihm doch helfen.« Sie befreite sich aus dem Halt des unbekannten Gentlemans, raffte geschickt die Röcke und hastete los.

Nathaniel saß in der Rinne neben der Straße und hielt sich die Schulter. Sein Mantel schnitt ihm in den Hals, wodurch er bereits rot anlief, und dennoch schrie er. Georgina hockte sich zu ihm.

»Nathaniel, du hast dich verletzt?« Sie sah sich panisch um. Obwohl der Baron zu ihrer Seite nicht der Einzige gewesen war, der auf dem Dach reiste, war er der Einzige, der sich windend im Dreck wiederfand. »So helfen Sie uns doch!«

Der Kutscher kratzte sich den Schädel, als er zu ihnen trat. »Eiderdaus, Sir, Sie hättn sich haltn solln.«

»Scht, Nathaniel«, säuselte Georgina, wobei sie fieberhaft überlegte, was sie tun konnte. »Beruhige dich, alles wird sich finden.« Sie tappte hilflos auf seine Schulter.

»Lassen Sie mich sehen«, brummte der Gentleman, der mit ihr in der Kutsche gesessen hatte, und drängte sie dabei leicht zur Seite. Er kniete sich zu Nathaniel und lockerte den Mantel, bevor er den Frack anhob. »Können Sie den Arm bewegen?«

Nathaniel schrie auf, als er berührt wurde, und wedelte mit dem unverletzten Arm um sich, wobei er Georgina von sich stieß. Sie ging benebelt zu Boden. Kalte Nässe drang durch ihre wenigen Lagen Kleidung, noch bevor sie Halt in der Pfütze gefunden hatte, um sich aufzurichten.

Der Gentleman fischte sie heraus und setzte sie an den Straßenrand. Seine Augen glimmten verärgert, als er sie betrachtete. Dann riss er sich den eigenen Mantel vom Körper und wickelte ihn um sie. »In die Kutsche, Miss.«

»Georgina«, wisperte sie, verwirrt. Sie spürte die Wärme seines Körpers in dem Umhang, der nun um sie lag, und verspürte mehr als Dankbarkeit für seine ritterliche Geste. Eine immense Erleichterung erfasste sie, als er ihr aufhalf und sie in die Richtung der wartenden Postkutsche schob. Es war nicht an ihr, Herr der Lage zu sein. Nicht sie musste sich damit befassen, wie es weiterging. Mit auf den Boden gesenktem Blick trottete sie zurück und stieg mit zittrigen Gliedmaßen in den Fahrgastraum.

Von dort aus verfolgte sie, wie der Gentleman Nathaniel aufhalf, den Mund verbat und zur Kutsche eskortierte. Auf dem Tritt sank Nathaniel laut stöhnend nieder und ließ sich aus Mantel und Frack schälen.

»Nehmen Sie sich zusammen«, mahnte der Gentleman, weil Nathaniel lamentierte. Anscheinend brachten den Baron die Schmerzen in seiner Schulter um, was, so wurde dieser nicht müde zu betonen, allein an dem verheerenden Fahrstil des Postkutschers lag.

Der wiederum stand mit scharrenden Füßen daneben und beteuerte seine Unschuld.

»Der Baum, Sirs, er blockiert den Weg.«

Das erlangte sogleich des Gentlemans Aufmerksamkeit und Nathaniels obendrein. Er quiekte elendig hoch. »Eine Blockade! Diese Reise steht unter keinem guten Stern!«

Georgina sackte gegen die Rückwand und legte sich die Hände vor das Gesicht. Brackwasser kühlte ihre Stirn, als sie ihre Haut mit den durchweichten Handschuhen berührte. Sie bebten. Ihr Herz war so starr wie ihre Gedanken. Mit einer blockierten Straße fand ihre Verfolgung hier ihr Ende.

Tränen brannten plötzlich in ihren Augen und rollten ihr unerwünscht über die Wangen. Henrietta hatte bereits einen unglaublichen Vorsprung und nun war ihre Jagd urplötzlich beendet. Es war vorbei und sie musste hoffen, dass der Verführer Killian Wort hielt und Henrietta tatsächlich ehelichte.

Georgina heulte, ihr Schluchzen versackte in ihren auf den Mund gepressten Händen und niemand nahm Notiz davon. Erst, als Nathaniel unter Aufheben in die Kabine bugsiert wurde, fiel es auf.

»Miss? Leiden Sie Schmerzen?«

Die Kutsche wackelte, als Nathaniel auf die gegenüberliegende Bank verfrachtet wurde.

»Georgie, sind das Tränen?«, keuchte Nathaniel, wobei er leidend seinen Arm umfasste und mit schmerzverzerrter Miene zu ihr hinüberspähte.

»Miss Georgina?« Der Gentleman berührte sacht ihre Schulter. »Haben Sie sich bei Ihrem Sturz verletzt?«

Sie schniefte und schüttelte den Kopf. »Nein.« Es kratzte ganz fürchterlich in ihrem Hals. »Ich bin unversehrt.«

Nathaniel ächzte. »Mein gutes Mädchen«, brummte er, wobei er die Lider zuklappen ließ. »Dein Herz ist schlicht zu mitfühlend.«

Obwohl er falsch lag, wollte sie ihn nicht korrigieren. Der Gentleman drückte ihr ein Tüchlein in die Hand, in das sie sich sogleich verkroch. Es roch nicht nach Rose oder Lavendel wie die ihren, sondern herber, auf seine eigene Weise beruhigend. So drehte sie sich leicht zur Wand, um zumindest minimale Privatsphäre zu erlangen, während sie sich um Haltung bemühte. Zum Glück musste sie sich nur um Nathaniels Aufmerksamkeit sorgen, die ob seiner Verletzung ohnehin völlig auf sich gekehrt war. Der Gentleman war erneut ausgestiegen und hatte die anderen Reisenden gebeten, ihm zu helfen, das Hindernis zu beseitigen.

»Ich werde es überstehen, meine Liebe«, versicherte Nathaniel nach einer Weile. Georgina faltete das Taschentuch zum wiederholten Male und tupfte sich die Wangen ab.

»Das hoffe ich doch«, brachte sie nach einem Räuspern hervor. »Aber Henriettas Wohl sorgt mich ebenfalls.« Sie beugte sich vor und fasste nach seiner Hand. »Was machen wir denn nun?«

Wie bedeutend die Frage war, dämmerte dem Baron nun, denn er öffnete die Augen, um sie anzustarren. Es war kein Erschrecken, das sie in seinem Blick las, sondern Kalkulation.

»Nun, meine Liebe, so sehr mich Henriettas Verlust betrüben mag …«, er seufzte theatralisch, »… ist mir meine Verpflichtung bewusst.«

Georgina zog sich der Hals zu. Zu ihrem Bedauern konnte sie nicht einmal Arglosigkeit vortäuschen, denn sie wusste zu genau, wovon er sprach.

»Nathaniel, wir dürfen nicht aufgeben«, flehte sie tonlos. »Es wäre eine Katastrophe, müssten du und ich …« Der Schlag wurde aufgerissen und unterbrach Georgina damit mitten im Satz. Schnell klappte sie den Mund zu und rutschte tiefer in die Polster. Ihr Herz pochte unangenehm hart in ihrer Brust und sie konnte nicht anders, als inniglich zu wünschen, der Herr möge ein Wunder wirken. Die Insassen stiegen zu, drei Männer in abgenutzter Reisekleidung und der adrette Gentleman, der erneut neben ihr Platz nahm.

»Ich nehme an, wir werden einen Umweg einlegen?«, erkundigte sich Nathaniel einzig an besagten Mann gewandt.

»Nein, die Straße ist nun wieder frei.« Der Gentleman seufzte gedehnt und rollte die Schultern. »Die Pferde müssen erneut eingeschirrt werden, es wird also noch einen Augenblick dauern, aber es geht weiter.«

»Dabei sprach ich dem Kutscher bereits jegliches Können ab«, murrte Nathaniel. Er lehnte den Kopf an die Rückwand und schloss die Augen.

»Er wollte in der Tat umkehren.« Der Gentleman zuckte die Achseln. »Davon wollte ich jedoch nichts hören.«

»Wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet, Sir.« Georgina klammerte sich an sein Taschentuch. »Ohne Sie …« Ein Schauder ließ ihren Körper erschüttern. Nicht auszudenken, was immer noch in ihrer Zukunft geschrieben stehen konnte. So angenehm Nathaniel als Gesellschafter sein mochte - Lady Halifax blieb ein Titel, den sie nicht anstrebte, und genau das stand auf dem Spiel. Wenn sie Henrietta nicht rechtzeitig abfingen, damit sie sich zu Lady Halifax, Nathaniels Gattin, machen lassen konnte, stand dies Georgina bevor.

»Mein Anliegen ist ebenso drängend wie Ihres, Miss Georgina.«

»Sir!«, entrüstete sich Nathaniel, wobei er sich aufsetzte. Sein Stöhnen unterbrach ihn wieder und er umklammerte seine Schulter. »Ihre vertraute Anrede«, zischte er dennoch, »ist fehl am Platz.«

»Verzeihung, Sir, aber die Dame nur mit Miss anzusprechen, erscheint mir unhöflich«, bemerkte Peregrine. »Einer Dame sollte man stets Respekt zollen und solange mir der genaue Titel der Lady nicht bekannt ist, halte ich Miss Georgina für die passendste Art und Weise, die Dame anzusprechen.«

Nathaniel presste die Lippen aufeinander.

»Peregrine«, stellte der Gentleman sich vor und streckte seinem Gegenüber die Hand entgegen. Nathaniel beäugte ihn einen Augenblick lang skeptisch, dann seufzte er geschlagen.

»Halifax.« Er räusperte sich. »Sie verstehen, dass ich … meine Schwester schützen muss.«

»Selbstredend.« Er wandte sich Georgina leicht zu und neigte den Kopf. »Miss Halifax.«

Irritiert hob Georgina an, ihn zu korrigieren, denn Halifax war Nathaniels Titel, nicht sein Nachname. Wenn er dies nicht wusste, hatte sie ihn fälschlicherweise für einen Gentleman gehalten. Oder? Immerhin sprach sein Gebaren von nobler Abstammung. Allerdings schweiften ihre Gedanken sogleich ab. Nathaniel hatte sie als seine Schwester vorgestellt, dabei hatte sie ihm doch soeben erst von ihrer wahren Schwester erzählt und, dass ihr Begleiter diese hofierte! Was musste Mr Peregrine nun von ihr denken? Immerhin musste ihm die faustdicke Lüge aufgefallen sein! Schnell verwarf sie auch dieses Problem und besann sich auf die Vorstellung.

»Mr Peregrine.« Obwohl es ein Statusgefälle zwischen ihnen gab, neigte sie den Kopf, um ihn zur Kenntnis zu nehmen. Wäre er ein Lord oder der Sohn eines Lords, wäre ihre schlichte Begrüßung rüde zu nennen. Einem Adligen hätte sie zumindest die Hand überlassen müssen, obwohl ein Knicks eigentlich obligatorisch war. Aber einem gemeinen Mann brauchte sie als Tochter eines Lords nicht einmal zuzulächeln. Die Hand reichte sie ihm nur deswegen nicht, weil ihre Finger immer noch zitterten und sie das Taschentuch knetete. »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

Kapitel 3

Ganz nach ihrem Geschmack

Obwohl es ärgerlich war, dass die Reise unterbrochen werden musste, war die Blockade der Straße ein Glücksfall für Peregrine. Halifax machte die junge Dame tatsächlich redseliger und nach der Vorstellung schwand auch langsam ihre Vorsicht.

»Wie lange werden wir noch unterwegs sein?«, fragte sie, als sich der nächste Stopp näherte. Sie drückte den Rücken durch und unterdrückte dabei ein Stöhnen. Halifax schnarchte, wenn er nicht gerade jammerte. Ohne Frage war die Verletzung des Lords schmerzhaft, schließlich war er vom Dach der Kutsche geschleudert worden und konnte sich glücklich schätzen, sich nicht den Hals gebrochen zu haben. Dennoch war es enervierend, pausenlos seinem Leiden zu lauschen. Halifax gehörte nicht zu den ihm bekannten Herren ihrer Gesellschaftsschicht, was ihm in dieser Situation half, aber er war auch bei Weitem kein Unbekannter. Tatsächlich waren sie nicht nur beide Mitglieder in den selben Clubs, sie teilten auch eine Bank im Oberhaus. Formell, denn Peregrine konnte sich nicht entsinnen, den Baron dort schon einmal gesehen zu haben.

»Wir sollten in Bälde ein Gasthaus ansteuern«, versicherte Peregrine, selbst am Rande seiner Geduld und nicht gewillt, sich länger den Kopf über den anderen Mann zu zerbrechen.

»So Gott will«, murmelte Georgina. »Herrje, wenn ich nur gewusst hätte …« Mit einem gedehnten Seufzen brach sie ab.

»Wären Sie dann in London geblieben?« Peregrine fröstelte, hatte er seinen Mantel doch der Dame überlassen und brachte es nicht übers Herz, ihn zurückzufordern. Mit ihrem Abendkleid war sie weitaus bedürftiger als er selbst.

Georgina sah ihn direkt an. Verblüffung dominierte ihre sanften Züge. Ihre Lippen bildeten ein kleines O, während ihre hübschen grünen Augen ebenso rund wurden. Ein leichtes Knittern huschte über ihre Stirn, verdüsterte ihren lieblichen Ausdruck.

»Nein«, hauchte sie, wobei sie sowohl den Blick senkte als auch die Schultern fallen ließ. »So aussichtslos es sein mag, ich hätte niemals …« Sie biss sich auf die Lippe und wandte das Gesicht ab.

»Ihre Schwester im Stich gelassen?«, soufflierte Peregrine vorsichtig. Die Mauer brach, er merkte es am Zucken ihrer Schultern. Sie hob sein Taschentuch an die Lippen und schloss fest die Lider.

»Sie ist manchmal so unvernünftig«, flüsterte das Mädchen mit einem sachten Kopfschütteln. »Wenn sie sich nur mit mir besprochen hätte!«

»Sie hielt ihre Absicht geheim.« Was beim Durchbrennen an sich auch aus Peregrines Sicht sinnvoll war, aber er wollte Georgina zum Reden bringen. Die Beengtheit in der Postkutsche machte ihm zu schaffen, denn neben dem Schnarchen des Baron Halifax waren sowohl das beständige Gemurmel seines Sitznachbarn zu ertragen wie auch dessen Ausdünstungen.

»Sie ist sich ihrer Dummheit gewiss bewusst.« Ihre Hand krampfte sich um das Tuch, als sie sank und sacht auf ihren Schenkel aufschlug. »Sie ist lediglich so leicht zu beeindrucken und dieser …« Ihre Miene verdüsterte sich weiter, als sich ihre Augen verengten und ihre süßen Lippen bebten, auf der Suche nach einer angemessenen Bezeichnung. »… Nichtsnutz hat ihr einfach den Verstand verdreht.«

»Anders als Mr Halifax, nehme ich an.« Peregrine ging die Schmähung nicht nahe, war sie im Vergleich zu anderen, die er in Bezug auf Killian gehört hatte, doch recht harmlos gefasst.

»Nathaniel ist Baron, er ist gut situiert und in der Lage, meiner Schwester ein Auskommen zu liefern. Herrje!« Erneut landete ihre Faust auf ihrem Schenkel und sie wandte sich ihm zu. In ihrem herzförmigen Gesichtchen leuchtete ihre Not. »Den Gedanken in sich zu tragen, sich einem Soldaten anzuvermählen, ist doch sträflich leichtsinnig. Einem Leutnant!« Sie ereiferte sich für das Thema und kleine rote Punkte begannen, auf ihren Wangen zu leuchten. »Wissen Sie, welches Einkommen ein Leutnant einer Infanteriedivision besitzt?« Ihre Smaragdaugen glänzten. »Es ist zum Sterben zu viel, aber zum Leben zu wenig.«

Peregrine nickte bedächtig. So gesehen waren die Bedenken der jungen Dame gar nicht so fehlgeleitet.

»Demnach ist es das einzige Einkommen, das dem Paar zur Verfügung stünde?« Er wartete gespannt auf Georginas Antwort, die auch prompt kam. Sie nickte eifrig.

»Unser Vater wird ihre Mitgift einbehalten. Er wird sich von ihr lossagen. Oh, was macht sie nur für Dummheiten!« Sie brach in Tränen aus.

Peregrine wurde ungemütlich in seiner Haut. Sie weinen zu sehen, hatte einen unangenehmen Effekt auf seine eigene Gemütsverfassung. Er wischte die Hände an den Knien ab, rutschte auf seinem Platz hin und her und warf dem schnarchenden Baron einen hilfesuchenden Blick zu. Dann räusperte er sich und klopfte Georgina beruhigend auf den Arm.

»Sicherlich wird sich Ihr Vater erbarmen«, stellte er in Aussicht, obwohl er selbst an eine Einstellung der Unterstützung seines Bruders gedacht hatte.

Georgina schniefte. »Sie kennen unseren Vater nicht«, beschied sie. Auch ihr Blick machte einen Abstecher zu dem Schlafenden auf der gegenüberliegenden Bank.

»Was ist mit Ihnen?«, erkundigte sich Peregrine, wobei seine Unruhe nur noch zunahm. Wenn der Vater nicht nur die eine Schwester, sondern auch die andere verstieß? Was wurde aus der liebreizenden Georgina?

Sie entließ langsam den Atem. Ihre Finger zitterten in ihrem Schoß. »Ich muss hoffen, dass wir Henrietta noch rechtzeitig einholen werden, ansonsten …« Wieder schoss ihr Blick zu Halifax und sie schluckte schwer. »Werde ich die Konsequenz tragen müssen.«

Ihre Schultern sackten herab und aus der stolzen jungen Dame wurde ein Häufchen Elend. »Ich bin meiner Schwester offenkundig nicht so unähnlich. Meine Motive mögen anders geartet gewesen sein, aber mein Dilemma ist das gleiche.«

»Dann sind Sie ebenfalls durchgebrannt?« Peregrine beugte sich näher zu ihr, um ihr Gespräch noch vertrauter zu gestalten. Was sie ihm hier gestand, war eine ungeheure Gefährdung ihres Leumunds.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich habe nicht nachgedacht. Ich habe gehandelt, ohne an die Konsequenzen zu denken. Vielleicht bibbert Henrietta ebenfalls zusammengekauert in einer Kutsche und hadert mit ihrem schlechten Urteilsvermögen.«

»Sie haben verständlich reagiert«, versicherte er begütigend.

»Und alles noch viel schlimmer gemacht.« Sie seufzte leise. »Meine Mutter wird enttäuscht sein, sie hatte hochtrabende Wünsche, was unseren gesellschaftlichen Aufstieg anbelangte.« Sie lachte auf. »Sie wird sicherlich nie wieder ein Wort mit uns wechseln.«

»Was sind die Wünsche Ihrer Schwester?«

»Sie wollte sich verlieben«, flüsterte Georgina. Sie starrte hinaus, verloren in ihren Gedanken. »Und glücklich sein für ewig.«

»Halten Sie es nicht für möglich …« Peregrine unterbrach sich. Hatte er tatsächlich fragen wollen, ob sie es für möglich hielt, dass ihre Schwester sich verliebt hatte?

Er schüttelte für sich den Kopf, schließlich gehörte er nicht zu den sentimentalen Menschen, die an die immerwährende Liebe zwischen Mann und Frau glaubten.

»Sie hat offenkundig zu viel von Shelley, Keats und Coleridge gelesen.« Noch immer klang sie abwesend, auch wenn ein kleines Lächeln ihre Worte begleitete. »Mutter warnte uns eindringlich, nicht zu viel auf das geschriebene Wort zu geben, sofern es sich nicht um das Buch Gottes handelte.«

»Eine wahrlich weise Dame.«

Georginas Grinsen verblasste. »Nein, sie hätte die Werke nicht erstehen und uns lesen lassen dürfen.«

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739456553
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juni)
Schlagworte
Regency 1800 Lords und Ladys Romantik England Liebe Liebesroman

Autor

  • Katherine Collins (Autor:in)

Katherine Collins schreibt romantische Liebesgeschichten in unterschiedlichen Gewändern. Neben dem Historischen, liebt sie die raue Landschaft und das unbeschreibliche Flair Schottlands, aber auch heimatliche Gefilde liegen ihr am Herzen. Unter ihrem zweiten Pseudonym Kathrin Fuhrmann schreibt sie daher heimatgebundene Romantic Thrill, Romance und Erotik. Mit ihren zwei Kindern lebt sie im Vest und widmet sich ganz ihrer Passion.
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Titel: Per Postkutsche ins Glück