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Das mysteriöse Taschentuch

Panpepatos 3.Fall.

von Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)
100 Seiten
Reihe: Panpepato, Band 3

Zusammenfassung

Wie jeder normale Mensch geht auch der Detektiv Fausto Panpepato zur Fußpflege. Doch, was nicht normal ist (hoffentlich), dass die Fußpflegerin, die er morgens aufgesucht hat, abends tot ist. Sie soll sich die Pulsadern aufgeschnitten haben. Panpepato kann das nicht glauben und versucht die Hintergründe zu ermitteln. Eine spannende Detektivgeschichte für alle ab 12 Jahre.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte

Frau Wormwodel war an diesem Morgen besonders schlechter Laune. Ihr Mann, der seit seiner Berufsunfähigkeit im letzten Jahr den Haushalt führte, hatte an diesem Tag nichts zu lachen. An allem hatte seine Getreue etwas auszusetzen. Der Kaffee war zu stark, das Ei zu weich und die Servietten hielt sie für nicht ordentlich genug gestärkt.

Frau Wanda Wormwodel war von kräftiger Statur und hatte einen vorgeschobenen Unterkiefer, der ihrem Aussehen etwas Provozierendes gab. Herr Fritz Wormwodel sah seine Frau nachdenklich an und fragte sich, ob seine Gattin heute mal wieder mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden wäre.

Wanda Wormwodel murrte unterdessen fleißig weiter, knitterte dabei auffällig laut mit der Zeitung und beklagte sich über die Politiker, die vor der Wahl alles versprachen und hinterher nichts mehr davon wussten. So, als wären es nicht sie gewesen, die vor den Medien gesprochen hätten, sondern irgendwelche Doppelgänger.

Frau Wormwodel klatschte die Zeitung zusammen und sah angewidert auf ihre mit Druckerschwärze befleckten Hände.

„Nur Ärger. Überall wo man hinsieht Ärger. Selbst im eigenen Laden läuft nichts wie es soll.“

Fragend schaute Fritz Wormwodel seine Frau an. „Was ist denn los? Hast du etwa wieder Ärger mit einer deiner luxuriösen Kundinnen, der du die Nägel zu kurz geschnitten hast?“

„Rede doch keinen Quatsch! Heute kommen nur die alte Frau Pfurtzwankler, Frau Prutzler und sonst noch einige alte Damen. Glaub ich wenigstens. Und damit geht der Ärger auch schon los. Nein, es ist wegen Emil.“

„Wegen Emil? Was hat dir der junge Mann denn getan?“

„Getan hat er nichts. Das kommt ja auch noch hinzu. Ist faul wie nur was! Aber was kann man von der heutigen Jugend schon verlangen? Das Schlimmste ist, er hat mich regelrecht versetzt. Mich vor vollendete Tatsachen gestellt ruft er mich in aller Herrgottsfrühe auf mein Handy an und teilt mir, unverschämt wie er ist, mit, dass seine Cousine krank geworden sei, er deshalb nicht kommen könne, weil er auf deren Bälger aufpassen müsse.“

„Aber das ist doch sehr edel und familiär von ihm.“

Wanda Wormwodel rümpfte die Nase. „Von wegen. Als wenn Emil schon einmal edelmütig gewesen wäre. Nein. Ich glaube ihm kein Wort. Wahrscheinlich will er sich nur mit diesem Flittchen, das er seine neue Freundin nennt, einen schönen Tag machen.

„Aber, aber meine Liebe. Das kann ich nicht glauben, dass Emil das machen würde. Du gibt's doch sonst so große Stücke auf ihn.“

„Ja doch. Aber seit er mit diesem Mädchen, dieser Jeany geht, ist er oft ziemlich durcheinander und vergisst auch manchmal was.“

„Mein Gott Wanda. Der Junge ist verliebt. So ist das mit uns Männern nun mal.“

„Nun, wenn du es so siehst. Ich halte das Ganze für unverantwortliche Sorglosigkeit. Stell dir doch bloß vor, er verwechselt die Karteikarten der Kunden! Das ist unerhört! Da sind Pannen letztendlich vorprogrammiert. Und überhaupt, ich hoffe Emil hat alle Termine für heute richtig datiert. Hätte ich gestern schon gewusst, dass der Kerl heute wegbleiben will, hätte ich auch gestern noch selbst nachgesehen. So muss ich mich heute überraschen lassen und das ist mir sehr unangenehm.“ Frau Wormwodel machte ein unzufriedenes Gesicht. „Wenn ich mir recht überlege, kommt heute sogar eine Kundin mit einer Nagelbettentzündung. Oder war's ein Hühnerauge? Die hatte ja gestern Abend noch angerufen und so muss ich sie wohl oder übel heute auch noch dazwischen nehmen. Ich hatte ihr zwar angeboten, dass sie sich bei meinem Kollegen Ernst Frotz, der doch hier in der Nähe praktiziert, behandeln lässt, aber davon hat sie nichts wissen wollen.“

„Das kann ich mir vorstellen“, meinte Fritz Wormwodel.

„Wieso? So schlecht ist er wirklich nicht.“

„Er ist eitel. Jeder merkt, dass er eigentlich eine Brille bräuchte, denn er schneidet oftmals ins Fleisch. Das hab’ ich von unseren Nachbarn gehört.“

„Wieso, es gibt doch Kontaktlinsen. Die kann er doch tragen.“

„Nein, nein, die verträgt er nicht.“

„Was du alles weißt. Seitdem du unseren Haushalt schmeißt, weißt du wirklich alles. Wahrscheinlich haben unsere lieben Nachbarinnen mal wieder mit dir geschwatzt.“

Wanda Wormwodel verzog die schmalen Lippen zu einem Lächeln. „So schlimm ist es natürlich nicht, dass Frotz keinen guten Ruf hat. Dadurch läuft meine Praxis wie geschmiert.“ Sie lachte gut gelaunt. „Also, wie gehabt, Mittagessen um Eins.“

 

In einem Hotelzimmer im Dassborger Hof machte Frau Kaotis freudig einige Tanzschritte. Sie war gut aufgelegt. Sie hatte vor kurzem mit einer Dame gesprochen und dabei eine schier unglaubliche Information erhalten. Mein Gott, was so ein bisschen guter Zuspruch bei einer so einfältigen Person ausmachte. Es war wirklich erfolgversprechend. Sie machte wieder einige Steps zur Seite und blieb mit dem Absatz in einer Parkettfuge hängen. Das übte so einen Druck auf ihren mit einem roten runden Hühnerauge verzierten kleinen Zeh aus, dass sie einen Schmerzensschrei ausstieß. Sie setzte sich vorsichtig hin, zog ihren hochhackigen Pumps vom Fuß und rieb vorsichtig mit den Fingern über den seidenbestrumpften Zeh. Mittags hatte sie einen Termin bei der Pediküre. Das würde sie mit diesen Schmerzen auf jeden Fall nicht vergessen.

 

Im Foyer des Abschnitthotels in der Dassborger Innenstadt saß Frau Knechthild-Veronalis und unterhielt sich mit Frau Felsner. Sie hatte sie hier im Hotel kennen gelernt. Frau Knechthild-Veronalis drehte ihren Fuß ein bisschen und meinte: „Eigentlich spüre ich ja überhaupt nichts mehr. Ich denke ich werde anrufen und absagen.“

„Also davon würde ich Ihnen dringendst abraten! Nun haben Sie doch den Termin und was wollen Sie denn tun, wenn der Schmerz später wiederkommt? Bei der Fußpflegerin sind Sie doch extra dazwischen geschoben worden. Ich denke Sie werden trotzdem bezahlen müssen. Es ist immer unvernünftig, so kurzfristig abzusagen.“

Die Stimme Frau Felsners klang wie ein Reibeisen, klirrend und kratzig. Frau Felsner war groß und stämmig und konnte gut und gerne für eine Hammerwerferin durchgehen. Frau Knechthild-Veronalis war im besten Mittelalter. Sie hatte struppig rotblondes Haar und ein Kleid im grünen Flatterlook. Sie trug nur grün, denn sie schien zu glauben, dass diese Farbe sie am besten kleidete. Ihre quadratische grünumrandete Brille trug sie an einem grünen Band um den Hals. Außerdem zwitscherte sie wie ein Vogel. Oder vielmehr gurrte sie wie eine Taube. Sie rollte jedes R, das sie sprach, sodass die Rrrs sich aneinanderreihten. Und ihre E-Vokale hörten sich so ziemlich nach Ä an. Wenn Sie also sagte: „Eigentlich spüre ich ja überhaupt nichts mehr. Ich denke ich werde anrufen und absagen.“ Dann sagte sie es so: „Äigäntlich spürrrä ich ja übärrrhaupt nichts mährrr. Ich dänkä ich wärrrdä anrrrufän und absagän.“

Das hörte sich ziemlich eindrucksvoll an, wenn auch jetzt ihre Stimme recht kleinlaut wurde. „Abärrr, mäin Zäh tut mirrr übärrrhaupt nicht mährrr wäh.“

„Das ist doch Quatsch. Vor zwei Stunden meinten sie noch, dass Sie noch nicht einmal mehr die Bettdecke auf ihrem Zeh ertragen könnten.“

„Ja, das ist wahrrr, doch vielleicht ist ja därrr Nagäl ätwas gäwachsän und ärrr sticht nicht mährrr so in die Äckä.“

„Nun sehen Sie. Da haben Sie doch einen Grund mehr zur Pediküre zu gehen. Da werden ihre Fußnägel mal wieder so richtig auf Vordermann gebracht.“

Frau Knechthild-Veronalis gab nach. „Vielleicht habän Sie rrrächt. Dann habä ich’s hintärrr mirrr.“

 

Der Sonderparteitag der Freien Dassborger Wählergruppe, kurz FDW genannt war vorüber. Geschlossen hatte die Partei den designierten Wirtschaftsminister Heiner Schwesterle für sein Amt bestätigt. Der Parteivorsitzende Gildo Tresterkelle hielt eine Rede, bei der allgemeine Absichtserklärungen Raum für Interpretationen ließen, worauf der Regierungsakt billigend den Kompass der Bundesregierung folgte.

Die Delegierte Norma Remschlieper hatte eine außerordentlich emotional sachlich prädestinierte Rede gehalten, die allgemeinen Jubel hervorrief. Trotzdem hatten einige aufmerksame Beobachter das Gefühl, dass die Abgeordnete Norma Remschlieper unruhig von einem Bein aufs andere trat, wobei sie oftmals Schmerz gepeinigt das Gesicht verzog, so als hätte sie ein geheimes Leid zu erleiden. Jedoch klagte sie niemals öffentlich, sondern hielt immer streng auf Disziplin.

Eine Parteifreundin, die Norma Remschlieper mit dem Auto mitnehmen wollte, bekam eine freundliche Absage. „Tut mir leid, heute muss ich in eine andere Richtung als sie. Ich muss zur Pediküre."

 

Der Detektiv Fausto Panpepato entstieg humpelnden Fußes einem Taxi und ging auf die Fußpflegepraxis W. Wormwodel zu.

Panpepato hoffte sehnlichst, dass ihm hier Erleichterung für seine bösartige Dornschwiele unter dem rechten Fußballen widerführe. Allerdings war ihm auch ein wenig mulmig zumute, denn seine Füße brauchte er ja noch. Das hatte er jetzt erst wieder gemerkt als er durch die Dornschwiele so eingeschränkt wurde. Er hoffte allerdings, dass Frau Wormwodel ihr Handwerk beherrschte und nicht wie ihr Kollege in der Nähe die Leute ordentlich ins Fleisch schnitt. So begab sich Panpepato, also auf unsicheres Gebiet. Eben weil er nicht wusste, was ihn erwartete.

Zwei verdrießlich aussehende Damen saßen noch im Wartezimmer der Fußpflegepraxis. Dabei blätterten sie eifrig in den auf dem Tisch ausgestreuten Zeitschriften. Panpepato setzte sich ein wenig entfernt von den verdrießlichen Damen und schaute aus dem Fenster. Es kam noch eine Dame mit einem verzerrt freundlichen Gesichtsausdruck herein, den sie aber nach dem Platznehmen hinter einer der Frauenzeitschriften verbarg. Da erschien auch schon die Fußpflegerin an der Tür und forderte Fausto Panpepato auf ihr zu folgen und auf einem Zahnarztstuhl ähnlichen Gestell Platz zu nehmen.

Frau Wormwodel wusch sich an einem Waschbecken, das sich in der Ecke des Raumes befand, die Hände, streifte anschließend noch ein Paar Latexhandschuhe über und befestigte einen Mundschutz hinter ihren Ohren.

Interessiert, jedoch mit einem leicht beklemmenden Gefühl, harrte Panpepato der Dinge, die da kommen mochten.

Wanda Wormwodels graue Augen schauten auf Faustos riesigen entblößten Fuß.

„Was haben wir denn da Schönes? Sieht doch sehr gepflegt aus.“ Die Fußpflegerin schaute ihn über den Mundschutz scharf an.

Panpepato machte Frau Wormwodel klar, dass es weniger um seine Fußnägel als um seine, sich unter seinem Fußballen befindliche, Dornschwiele ging.

„Oho! Das sieht böse aus!“ Sie nickte mit gespitzten Lippen, die trotz des Mundschutzes deutlich aus Selbigen hervortraten und ihn ausbeulten. Dann spannte sie eine Hohlraumfräse in das Handstück des Fußpflegegerätes.

Nach Beendigung der Fräsarbeiten drückte sie fest auf Faustos Fußballen. „Geht's so?“

Panpepato hörte in sich hinein und tatsächlich, es ging. Wanda Wormwodel spannte einen feinen Schleifkegel in ihr Handstück und schliff eifrig die Fußsohle glatt. Der Staub, der dabei entstand, wurde mittels eines Absaugschlauches entfernt.

„Haben Sie sonst noch irgendwelche Beschwerden?“

Panpepato schüttelte den Kopf.

„Ich muss heute alles selber machen. Mein junger Mann hat mich heute im Stich gelassen.“

Fragend schaute der Detektiv auf.

„Mein Helfer, Emil Mergeld. Ach, Sie kennen ihn wohl nicht?“ Panpepato nickte, ohne nachzudenken.

„Er musste heute auf die Kinder seiner kranken Cousine aufpassen. Ausgerechnet heute, wo so viele Kunden kommen. Ich muss mich noch anständig sputen. Die meisten der Kunden kommen sowieso zu spät zum Termin. Denken vielleicht, ich warte nur auf sie und hätte nichts Besseres zu tun. Doch man wird es kaum glauben, auch ich habe zwischendurch mal ein paar menschliche Bedürfnisse. Doch wer nimmt darauf schon Rücksicht? Ich will Ihnen mal was sagen“, Frau Wormwodel sprach eindringlich auf Panpepato ein. Sie hielt dabei seinen Fuß noch immer fest im Latexgriff, so als hätte sie Angst, dass er sich auf und davon mache.

„Also, ich will Ihnen wirklich mal was sagen: Die Leute, auf die es mir wirklich ankommt, die sind auch pünktlich. So zum Beispiel auch unsere Politikerin Frau Norma Remschlieper.“

Panpepato nickte nicht besonders beeindruckt. Die Dame war ihm aus den Medien hinlänglich bekannt. Eine Politikerin der FDW. Sie schien von sich reden zu machen in letzter Zeit. Aber erst nachdem die FDW sich mit der CDQ zusammengetan hatte. Die Dame hatte wohl von Haus aus Geld. Sie stammte höchstwahrscheinlich aus einer ziemlich betuchten Familie, denn sie residierte in einer exklusiven Villa mit riesigem Grundstück, direkt am Dassborger Kaiserzwerg.

Frau Wormwodels Stimme schien vor Ehrfurcht zu erstarren. „Kommt immer pünktlich die Dame. Immer nett, still und anspruchslos. Und das, obwohl sie doch aus höheren Sphären stammt. Sie ist eben ein vornehmer Mensch. Selbst in ihrem Haus hat sie noch Dienstpersonal und sogar auch einen Gärtner. Also da hört man doch schon wirklich raus, dass da Geld hinter steckt. Viel Geld.“

Panpepato verzog den Mund und versuchte vorsichtig seinen behandelten Fuß zu bewegen, den Wanda Wormwodel noch immer wie ein Schraubstock umgriffen hatte. Das brachte die gedanklich abgeschweifte Wanda Wormwodel zur Besinnung. 

„Ich denke es ist jetzt alles in Ordnung mit Ihrer Schwiele. Falls Sie noch einmal Beschwerden haben, kommen Sie einfach in der nächsten Zeit wieder herein. Ich sende Ihnen meine Rechnung zu. Sie verstehen? Wegen Emil. Der macht ja sonst die Kasse und den Laden. Kann ich Sie noch mit einer pflegenden Fußcreme beglücken?“

Panpepato verneinte das und rollte geschmeidig seinen Riesenkörper aus dem Fußpflegestuhl. Er verließ grüßend den Behandlungsraum, schloss die Tür hinter sich und hörte das Rauschen des Wasserhahns. Zustimmend nickte er. Wanda Wormwodel ließ dem Fußpilz keine Chance in Erscheinung zu treten.

Panpepato ging zurück ins Wartezimmer, um seinen Mantel zu holen. Dort lief gerade die verzerrtgesichtige Dame nervös von einer Ecke in die andere. Mitleidig schaute er die Frau an. Er vermutete, dass Sie auch aufgeregt war. Vielleicht hatte sie Schmerzen. Sie würde ja nun auch bald an die Reihe kommen. In der Ecke saß hinter einer Dassborger Allgemeinen Zeitung noch eine Frau verborgen. Grüßend ging Fausto hinaus. Im selben Augenblick wurde die Tür zum Behandlungsraum geöffnet und Frau Wormwodel rief laut und deutlich: „Frau Remschlieper, bitte!“

Der Detektiv riskierte noch einen Blick. „Ecco, so sieht also eine vornehme, pünktliche, anspruchslose, reiche Politikerin aus höheren Sphären aus. Allora, Schmerzen wird sie genauso empfinden, wie unsereiner.“ Panpepato schaute noch einmal kurz zu der nervösen Frau und erschrak. Sie musste wirklich fatale Schmerzen an den Füßen haben.

Als Panpepato die Fußpflegepraxis verließ, kam im selben Augenblick ein Taxi vorgefahren und eine ganz in Grün gekleidete, stark geschminkte Dame stieg aus.

Molto verde la Signora.“ Für Panpepatos Geschmack kleidete sich die Dame doch in ein bisschen zu viel Grün und war zu stark geschminkt. Besonders das Grün um die Augen herum. Aber über Geschmack lässt sich nicht streiten, obwohl dieses Grün nahezu an Scheußlichkeit grenzte. Sie ließ ein ebenso grünes Spitzentaschentuch fallen. Panpepato bückte sich danach und bemerkte, dass sich viel Make-up an dem Taschentuch befand. Er überreichte es der Dame höflich. Die grüne Frau nickte dankbar und lief eilig in Wanda Wormwodels Fußpflegesalon.

Der Taxifahrer wartete noch und hoffte, dass Fausto einsteigen würde. Der winkte jedoch ab. „No grazie. Ich laufe.“

Die Verhöre

Fausto Panpepato lag gerade satt und zufrieden auf der Couch als sein Handy klingelte.

Pronto? Panpepato!“

„Hier ist Kommissarin Rosalie Schulz, Signor Panpepato.“

„Signora Schulz, welch eine Freude.“

„Signor Panpepato, Sie waren heute bei Ihrer Fußpflegerin?“

Verdutzt antwortete Fausto. „Si! Heute Vormittag! Aber, Sie finden mich überrascht. Woher wissen Sie davon?“

„Nun ja, also es stimmt. Bei Frau Wanda Wormwodel in der Dassborger Innenstadt?“

„Si, das ist richtig. Sie hatte bei mir eine schmerzende Dornschwiele zu behandeln.“ Panpepato wartete noch auf eine Antwort der Kommissarin.

Rosalie Schulz schien jedoch noch einige Fragen zu haben. „Wie hat sich Frau Wormwodel denn benommen? War sie nervös oder aufgeregt?“

„Ich glaube nicht. Jedenfalls machte es nicht den Eindruck. Aber warum fragen Sie mich das?“

„Frau Wormwodel hat sich die Pulsadern durchschnitten!“ 

Che cosa?“

„Ja, es ist wahr. Vielleicht wäre es Ihnen möglich hier vorbeizukommen?“

„Eh già! Wo sind Sie denn?“

„Noch in der Fußpflegepraxis.“

„Ich komme sofort!“

 

Die Tür der Fußpflegepraxis wurde Panpepato von einem Polizeibeamten geöffnet, dem der Detektiv bekannt war.

Zielstrebig ging Panpepato in den Behandlungsraum, in dem die Angestellten der Gerichtsmedizin gerade dabei waren die sterblichen Überreste der Fußpflegerin Wanda Wormwodel abzutransportieren.

Die Kommissarin reichte Panpepato die Hand. „Schön, dass Sie so schnell kommen konnten, Signor Panpepato.“

Panpepato schaute sich um. Eine riesige Blutlache befand sich neben dem Fußpflegestuhl.

„Sie haben wirklich nichts am Verhalten von Frau Wormwodel bemerkt, Signor Panpepato?“

Der Detektiv rieb sich die Stirn. „Signora Wormwodel schien normal zu sein.“

„Aber es ist doch verwunderlich, dass diese Frau Selbstmord begeht und das am helllichten Tage. Zwischen zwei Kunden sozusagen.“

„Wann ist es denn passiert?“

„Genau muss das natürlich noch festgestellt werden, aber so um halb zwei ist sie von einer Fußpflegekundin entdeckt worden. Die Frau war stinksauer, dass es nicht weiterging, obwohl sie schon eine halbe Stunde im Warteraum verbracht hatte.“

„Kann man denn nachvollziehen, welcher Kunde noch vor dieser Dame dran war?“

„Laut Terminplan eine“, die Kommissarin schaute in Frau Wormwodels Terminbuch. „Es handelte sich um eine Frau Kaotis. Wir haben herausgefunden, dass sie sich zurzeit im Dassborger Hof aufhält. Wir haben auch schon präzise Angaben von ihr erhalten. Sie behauptete, dass sie um zwanzig nach zwölf die Praxis verlassen hat. Sie hat nämlich auf die Uhr gesehen.“

„Allora, diese Dame hat auch nichts Besonderes bemerkt?“

„Nein, auf Frau Kaotis machte Frau Wormwodel auch einen normalen Eindruck. Jedoch steht fest, dass nach der letzten Behandlung etwas passiert ist. Sonst hätte sie ja wohl die nächste Kundin nicht solange warten lassen.“

„Signora Wormwodel wohnte doch hier im Haus über ihrer Praxis? Hatte sie keine Angehörigen?“

„Den Ehemann. Wir haben auch schon kurz mit ihm gesprochen. Er meinte, dass seine Frau keinesfalls Selbstmord verübt hätte. Und eines steht auch fest, so wie sie dalag, wäre es auch sehr ungewöhnlich. So auf ihrem eigenen Fußpflegestuhl … Das Hühneraugenmesser in der linken Hand …

Es ist aber auch ein Pech, dass just heute der Gehilfe nicht da war.“

Panpepato fuhr sich mit der Hand durch den Bart. „Das scheint mir auch ein Argument gegen den Selbstmord zu sein.“

Fragend schaute die kleine, dunkelhaarige Kommissarin auf den Privatdetektiv. „Sie meinen, man hätte den Gehilfen Emil Mergeld absichtlich fort gelockt?“ Kommissarin Rosalie Schulz schüttelte ratlos den Kopf. „Aber wenn dem so wäre, wer könnte es dann gewesen sein?“

Mah, da stehen einige zur Auswahl. Der Ehemann, die anderen Kundinnen oder sogar der Konkurrent Frau Wormwodels, der hier ganz in der Nähe seinen Fußpflegesalon hat.“

„Den Konkurrenten meinen Sie? Wer ist das?“

„Allora, lassen Sie mich mal überlegen!“ Panpepato fuhr sich mit der Hand durch das dichte graue Haar. „Sein Salon trägt sogar einen besonderen Namen. Ich glaube mich zu erinnern, dass der Laden sogar vor kurzer Zeit aufwendig modernisiert worden ist.“ Panpepato trommelte mit den Fingern auf die gläserne Ladentheke, unter der sich allerlei Fußcremes und Salben befanden. „Chi lo sa? Si, es heißt: Hammerzeh ade. Und der Inhaber des Salons ist ein gewisser Ernst Frotz.“

„Nun, den werden wir dann auch noch unter die Lupe nehmen.“

„Wahrscheinlich wäre auch, dass es Signora Kaotis getan hat“.

„Doch welchen Grund hätte sie haben können. Frau Kaotis ist ziemlich reich, wie hätte die Fußpflegerin ihr schaden können? Mit dem Motiv dürfte es ziemlich schwierig werden. 

„Allora, einer der Patienten hatte wohl einen Grund. Ich denke nicht, dass irgendein Außenstehender hier hereinspaziert ist, um der Signora das Leben zu nehmen. Da wäre es vermutlich einfacher das nicht während der Arbeitszeit zu tun.“

„Denken Sie doch noch einmal nach, Signor Panpepato. Ist Ihnen an den wartenden Kunden vielleicht etwas aufgefallen? Irgendetwas Ungewöhnliches?“

Panpepato verzog das Gesicht zu einem Lächeln. „Ich habe eine Dame gesehen, die die Zähne fletschte.“

„Die Zähne fletschte? Wie meinen Sie das?“

„Nun, ich weiß nicht, aber ich denke sie hatte wohl nur Schmerzen.“

„Das kann möglich sein. Ich hatte auch mal ein ziemlich böses Hühnerauge am kleinen Zeh, da hätte ich an die Decke gehen können. Trotzdem werden wir sowieso anhand des Terminkalenders und der gut sortierten Kundendatei noch alle Kunden von heute’ Vormittag überprüfen. Die Karteikarten sind nahezu unglaublich dokumentiert. Die Wormwodel hatte von jedem Zeh ihrer Kundschaft ein Foto gemacht und zusätzlich noch detailliert beschrieben. Faszinierend oder abstoßend ist das. Die ekligsten Fußnägel sind darauf zu sehen. Von Ihren Zehen habe ich keines gefunden, Signor Panpepato. Wie kommt’s?“

Panpepato meinte kopfschüttelnd: „Davon wusste ich nichts. Ich war zum ersten Mal hier. Vielleicht hatte sie ja keine Zeit ein Foto zu machen, denn ihr Assistent war doch nicht da.“

„Das ist schon möglich. Doch jetzt wollen wir erst mal mit dem Ehemann sprechen.“

 

Mit ernstem Gesicht hörte Fritz Wormwodel zu. Alle von der Kommissarin gestellten Fragen beantwortete er wie aus der Pistole geschossen. Betont meinte er dann: „Es ist schier ausgeschlossen, dass meine Frau Selbstmord verübt hat. Sie hatte überhaupt keinen Grund dafür.“

„Sie meinen also, Signor Wormwodel, dass Ihre Frau getötet wurde?“

„Selbst das erscheint mir so unglaublich. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wer meiner Frau so etwas antun sollte?“

Rosalie Schulz schaute Fritz Wormwodel an. „Aber doch muss es so gewesen sein. Eine andere Möglichkeit, als eine der beiden gibt es nicht.“

„Ich weiß nur, dass meine Frau für einen Selbstmord keinen Grund hatte. Sie war zwar ein wenig verärgert, dass Emil heute nicht kommen konnte, oder vielmehr, dass er ziemlich plötzlich abgesagt hatte. Er sollte auf die Kinder seiner Cousine aufpassen, weil sie krank geworden war.“

„Aha. Und was macht dieser Emil so? Ich meine, welche Funktion hat er?“

„Meist bedient er im Laden, wäscht Füße und zwischendurch gibt er auch schon mal eine Fußmassage. Und natürlich führt er die Kundendatei und macht Termine. Ach ja, er sterilisiert auch noch am Abend die Arbeitsgeräte meiner Frau.“

„Nun, da Ihre Frau ja immer gut zu tun hatte, ist das nicht wenig.“ Die Kommissarin nickte anerkennend. „Was ist mit dem Konkurrenten Ihrer Frau?“

„Sie meinen Ernst Frotz? Was soll mit dem sein?“

„Gab es zwischen den Beiden irgendwelche Differenzen oder sonstige Streitereien?“

„Nein. Meines Wissens nicht. Sonst hätte ich doch etwas darüber erfahren. Sie hatten zwar manche politische Auseinandersetzung, doch meine Güte, was soll das schon bedeuten? Einmal ist Frotz wohl ein wenig stinkig geworden, als Wanda ihm angedeutet hat, dass er selbst schuld wäre, dass er seine Kundschaft an sie verlöre. Er solle besser mal zum Augenarzt gehen. Ab da hat er dann auch erst mal kein Wort mehr mit ihr gesprochen. Meine Frau war aber darüber gar nicht so unzufrieden, dass Frotz nicht so beliebt war, denn so hatte sie mehr Kundschaft.“

Rosalie Schulz fragte weiter: „Um nochmal auf diesen Emil zurückzukommen. War das so seine Art einfach so auf Knall und Fall abzusagen? Ist er sonst zuverlässig?“

„Emil Mergeld ist ein äußerst gewissenhafter Mensch. Nur in der letzten Zeit …

Fragend schaute Rosalie Schulz Wormwodel ins Gesicht. „Was war in der letzten Zeit?“

„Mein Gott ja. Der Junge ist verliebt. So ist das nun mal.“

„Wie meinen Sie das?“

„Also, es ist so: Emil gibt sich zurzeit mit einer sehr unerfreulichen jungen Frau ab.“

„Inwiefern unerfreulich?

„Nun ja. Erst einmal sieht sie nicht gerade gepflegt aus. Sie verstehen schon! So Schmuddelkleider eben. Eben unanständig. Fand jedenfalls meine Frau. Nicht, dass mich das so sehr stören würde. Diese modernen Kleidchen enthüllen eben mehr als sie verdecken. Und geschminkt ist sie ziemlich gruselig. Das fand meine Frau. Doch ja, das ist auch meine Meinung. So mit viel schwarz um die Augen. Fast wie ein Vampir. Aber das Schlimmste ist wohl, dass dieses Mädchen, sie heißt Jeany Stein, also dass diese Jeany sich völlig von Emil aushalten lässt. Er bezahlt alles für sie. Dadurch ist er selbst neulich ziemlich in Schwierigkeit geraten. Er konnte im letzten Monat plötzlich seine Autorate nicht bezahlen. Das hätte ihm fast ordentliche Schwierigkeiten gemacht, wenn meine Frau nicht so kulant gewesen wäre und Emil mit einem Vorschuss auf sein Urlaubsgeld ausgeholfen hätte. Meine Frau hat Emil immer wieder zugeredet, dass er mit dem Mädchen Schluss machen solle.“

„Nun, da könnte diese Jeany auch sauer auf ihre Frau geworden sein.“

„Ach Quatsch! Emil würde sowieso niemals Schluss mit Jeany machen. Er hängt viel zu sehr an ihr. Lässt sich von ihr herumkommandieren wie ein Hündchen! Aber es gibt eben Männer die brauchen das.“

Rosalie Schulz hob die Brauen. „Aha. Was arbeitet denn diese Jeany Stein?“

„Ich glaub’ sie kellnert. Hat wahrscheinlich gar nichts gelernt. Hat sie ja auch wohl nicht nötig mit ihren Kurven.“

„Dürften wir denn jetzt noch etwas über die finanziellen Verhältnisse ihrer Frau erfahren?“

Fritz Wormwodel stieß das Kinn ein wenig vor. „Unsere Finanzen sind als sehr normal einzustufen. Wir haben jedenfalls keine Schulden. Die Praxiseinrichtung ist bezahlt. Das Haus hier ist allerdings noch mit einer kleinen Hypothek belastet, allerdings nicht der Rede wert. Geld haben wir nicht im großen Stil angelegt, was ja bei der jetzigen Bankkrise auch nicht unbedingt von Vorteil ist.“

„Hat Ihre Frau ein Testament gemacht? Entschuldigen Sie, dass wir so neugierig sind, aber es sind Routinefragen.“

„Nun fragen Sie was Sie müssen! Ja, meine Frau hat tatsächlich ein Testament gemacht. Natürlich auf gegenseitiges Beerben, denn Kinder haben wir keine. Deshalb hatte meine Frau sich ja auch so sehr Emil angeschlossen. Er war so etwas wie ein Sohnersatz für sie. Und tatsächlich hat sie ihm ihre gesamte Praxiseinrichtung vermacht. Wenn er jetzt eine Schulung machen würde, könnte er doch tatsächlich voll einsteigen.“

„Tja, also …

Es klingelte an der Haustür.

Fritz Wormwodel stutzte. „Kommt da einer von ihren Leuten, Frau Kommissarin?“

Er ging, um die Tür zu öffnen. Vor der Tür stand Emil Mergeld.

„Ich bin ganz verdattert, Herr Wormwodel. Der Polizeibeamte unten vor der Praxistür sagt, Frau Wormwodel wäre tot? Hatte sie einen Unfall?“

Wormwodel wollte gerade Auskunft erteilen, da fragte jedoch Rosalie Schulz dazwischen: „Herr Mergeld? Sie mussten heute die Kinder ihrer Cousine hüten.“

Der zweiunddreißigjährige Emil Mergeld erwiderte. „Ich denke da wollte mich jemand verarschen.“

Die Kommissarin hob die Brauen. „Inwiefern, Herr Mergeld?“

Emil Mergeld kniff die Lippen zusammen. „Meine Cousine hatte gar nicht angerufen. Als ich letztendlich bei ihr angekommen war, war sie munter wie ein Fisch im Wasser. Da muss jemand die Stimme von ihr nachgemacht haben, denn ich sehe‘ Gundel schließlich öfter, da kenne ich ihre Stimme. Ich hätte schwören können, dass sie es war, die mich angerufen hat.“

„Also, sie meinen, da hätte sich jemand einen Streich mit Ihnen erlaubt, Herr Mergeld? Könnte es vielleicht Ihre Freundin Frau Stein gewesen sein? Vielleicht wollte sie sich mit Ihnen einen Scherz erlauben.“

„Jeany! Warum sollte sie? Jeany ist ein anständiges Mädchen. Ich weiß ja nicht was man Ihnen über sie erzählt hat?“ Vorwurfsvoll schaute der schlaksige junge Mann Fritz Wormwodel an. Wormwodel machte jedoch ein unbeteiligtes Gesicht.

Emil Mergeld machte eine Miene, als wenn er jeden Moment explodieren wollte.

Beruhigend hob die Kommissarin die Hand. „Können sie uns Auskunft über die Kunden geben, die heute Morgen da waren?“

Emil Mergeld kam zu sich. „Soweit sie mir bekannt sind, sicher. Doch vielleicht könnten wir in die Praxis hinuntergehen, damit ich mir den Terminkalender anschauen kann!“

In der Fußpflegepraxis griff er zielstrebig nach dem Terminbuch. „Hier steht: Zehn Uhr Frau Pfurtzwankler, normale monatliche Fußpflegebehandlung, zehn Uhr dreißig Frau Prutzler, auch eine Stammkundin von uns. Wohnt hier gleich um die Ecke und ist ziemlich schwerhörig. Elf Uhr ein Herr Panpepato, der ist neu hier.“

„Si, das bin ich.“

Emil Mergeld schaute auf. „Ach so, das sind Sie.“ Er schaute wieder auf die Termine. Elf Uhr dreißig Frau Remschlieper. Das ist eine bekannte Politikerin der FDW. Hatte einen eingewachsenen Nagel glaub ich. Dann noch eine Frau Rosenduft. Die wollte aber nur zum Lackieren hereinkommen, kenne sie nicht weiter, kommt aus Huchhingen. Danach noch eine Dame mit einem eingewachsenen Nagel hatte sich einschieben lassen. Ich meine sie wollte dazwischen genommen werden. Eine Frau Knechthild-Veronalis. Sie wohnt zurzeit im Abschnittshotel. Wahrscheinlich auf Urlaub hier. War gestern schon mal hier, ging dann aber wieder, weil sie meinte, die Schmerzen im Zeh wären von alleine verschwunden. Doch scheinbar war das nicht mehr der Fall, denn etwas später rief sie wieder an und machte erneut einen Termin bei uns. Sie hat eine furchtbare Aussprache. Einfach scheußlich.“

Fragend schaute die Kommissarin auf. „Inwiefern?“

Emil Mergeld öffnete den Mund und rollte die Zunge. „Sie rollt die Ärrrs.“

„Aha!“

„Um zwölf Uhr eine Frau Kaotis. Über die weiß ich gar nix. Außer, dass sie aus dem Dassborger Hof anrief. Zwölf Uhr dreißig ein Herr Brösprutzer aus Dschungelsheim. Der geht normalerweise immer zu Herrn Frotz zur Pflege, aber der hatte ihn neulich so tierisch ins Fleisch geschnitten, dass der Brösprutzer nun endlich die Faxen dick hat.“

Rosalie Schulz nickte und nahm Fausto Panpepato zur Seite. „Nun, ich sehe wir müssen mit dem Konkurrenten auch noch ein Gespräch führen. Folglich war Frau Kaotis wohl die Letzte die Frau Wormwodel lebend gesehen hat.“

Schweigend nickte der Privatdetektiv, er machte sich so seine Gedanken. Rosalie Schulz schaute von ihren knapp ein Meter und sechzig auf das grübelnde Gesicht des über zwei Meter großen Riesen. „Was ist los Signor Panpepato? Schwirrt Ihnen was durch den Kopf?“

Mah, ich dachte gerade darüber nach, dass es doch wohl nicht viele Gründe gibt eine Fußpflegerin zu töten. Wobei es mit einer Politikerin doch schon eher anders aussieht. Nehmen wir doch zum Beispiel mal diese Norma Remschlieper. Die hat doch höchstwahrscheinlich wesentlich mehr Feinde.“

Die Kommissarin zog ihre dunklen Brauen zusammen. „Sie meinen, statt der Fußpflegerin wollte man eigentlich die Politikerin töten? Also ich weiß nicht. Da fehlt mir dann doch ein wenig der Zusammenhang.“

„Es war nur so eine kleine Idee von mir Signora. Sie wollten doch wissen, was mir so durch den Kopf schwirrt. Mein Gefühl sagt mir jedenfalls, dass es sich bei dieser Sache höchstwahrscheinlich mal wieder um viel Geld handelt. Und dies sehe ich nicht bei Signora Wormwodel, jedoch die Politikerin Sie stammt anscheinend aus ziemlich vermögendem Haus. Es kann auch sein, dass Signora Remschlieper der Fußpflegerin etwas anvertraut hat. Sie wissen doch: >Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über.< Oder man befürchtete vielleicht, dass sie ihr etwas erzählen wollte?“

„Tja, Signor Panpepato. Ich fürchte, ihre Gedankensprünge sind mir im Moment ein wenig zu hoch.“ Die Kommissarin wollte noch etwas sagen, brach aber ab, als Emil Mergeld in ihre Nähe kam. „Frau Kommissarin? Gerade hat eine Nachbarin hier angerufen. Sie wohnt hier direkt gegenüber und hätte Sie gerne einmal gesprochen.“

Kommissarin Schulz schaute auf die Uhr. „So? Na dann wollen wir uns mal schnell mit der Frau verständigen.“

Die Kommissarin und Panpepato gingen vor die Tür. Vis a vis winkte eine Frau durchs geöffnete Fenster. Rosalie Schulz schaute Panpepato an. „Haben Sie noch Lust mitzukommen?“ „Naturalmente. Dieses Gespräch würde ich mir nur ungern entgehen lassen.“

Rosalie Schulz lächelte. „Hoffentlich dauert es nicht allzu lange. Ich muss meiner neuen Chefin nämlich noch vor Feierabend Bericht erstatten.“

„Neue Chefin?“

„Ja, ist das nicht fatal? Ich dachte man würde mir, bis zu dem Eintreffen Ihres Freundes Uwe Feindt, das Kommando übertragen, aber Pustekuchen.“

„Allora, Uwe hat geschrieben, dass er sich mit seiner Familie noch etwas länger in Australien aufhalten müsse. Sie hätten Mühe gute Leute für die Beaufsichtigung der Opalminen zu finden.“

„Ah ja, ich hab davon gehört. Nun, ganz schlecht hab ich’s ja nicht getroffen. Diesmal nicht. Doch es ist ja auch nicht verwunderlich. Nach dem Rückzug Kommissar Pinschers konnte es ja auch nicht mehr schlimmer werden.“

Panpepato griente.

Mittlerweile waren sie bei einer am Fenster emsig winkenden Frau angekommen.

„Sind Sie die Dame, die mit uns sprechen wollte?“ Rosalie Schulz stellte Panpepato und sich ihr vor.

„Oh ja! Gleich als ich hörte, dass Frau Wormwodel sich umgebracht haben solle, rief ich sie an. Also, ich sag‘s Ihnen gleich: Frau Wormwodel hat sich nie und nimmer umgebracht.“

Die Kommissarin riss die Augen auf. „Wie haben Sie denn so schnell von dem Tod der Fußpflegerin erfahren?“

Schuldbewusst schaute die grauhaarige Frau mit den zart lila schimmernden Löckchen auf. „Nun ja, Herr Mergeld hat’s mir erzählt. Aber sein Sie ihm nicht böse, ich hab ihn dazu gezwungen.“

Rosalie Schulz machte ein verschlossenes Gesicht. „Aha.“

„Nun ja, ich habe gesehen, dass dort drüben so viel Polizei vor dem Haus herumsprang. Da habe ich angerufen und mich bei Herrn Mergeld erkundigt.“

Die Kommissarin nickte. „Sie wollten uns etwas mitteilen? Haben Sie etwas gesehen?“

„Natürlich, sonst müsste ich ja blind sein. Ich schau den ganzen Tag aus dem Fenster. Ich sitze im Rollstuhl müssen sie wissen, und da meine Pflegerin im Moment Urlaub hat, und ich so nicht rauskomme, schaue ich eben aus dem Fenster und guck was da so los ist. Ich kann Ihnen also genau sagen, wer da heute Morgen so ein und aus ging. Bis auf die Zeit wo ich mir mein Essen in die Mikrowelle geschoben hab. Ich bekomme Essen auf Rädern. Das ist zwar nicht gerade sehr lecker, aber kotzen muss ich davon auch nicht gerade. Und wenn die das Essen nicht zur Unzeit, ich meine schon gegen zehn, bringen würden, müsste ich’s mir noch nicht mal warm machen. Aber wer will schon um zehn Uhr zu Mittag speisen?“

Ein bisschen ungeduldig und einige Male auf ihre Uhr blickend hatte die Kommissarin zugehört. Sie fragte: „Haben Sie etwas Ungewöhnliches beobachtet?“

Die lila Löckchen wiegten einen Moment hin und her. „Das könnte ich nicht behaupten. War alles wie sonst auch.“

„Haben Sie die Kunden gesehen, die ins Haus gekommen sind?“

„Bis auf die Zeit, wo ich mit meinem Essen beschäftigt war, ja. Also, zwei alte Frauen, die kommen jeden Monat um die gleiche Zeit, und dann noch ein Riese, ziemlich dick glaube ich. War wahrscheinlich ein Ausländer. Hier bei uns haben wir nicht so große Leute.“ Die Frau sah plötzlich auf Panpepato und meinte: „Es könnte Ihr Zwillingsbruder gewesen sein, wenn Sie’s nicht selber waren. Dann so eine grün gekleidete Frau, ziemlich scheußlich dachte ich noch bei mir. Ach nein, vorher war ja noch diese grässliche Abgeordnete von den Freien Dassborger Wählern da. Immer scheißfreundlich die Dame. Wurde mit einem Wagen gefahren, ein dicker WWW. Wahrscheinlich Dienstwagen, man weiß ja, wie die Politiker unsere Steuergelder verschwenden. Und nach der Froschgrünen war noch eine Ausländerin da, die kam gleich nach dem Riesen, hatte ihm zuvor ihr Taschentuch vor die Füße geworfen. Aber nein, warten sie mal. Das Taschentuch hat doch die Grüne geworfen. Kann aber auch sein, dass es ihr heruntergefallen ist. Sie hat sich zuvor den Schweiß damit von der Stirn geputzt. Scheinbar war ihr schon der Angstschweiß ausgebrochen. Hinterher ist dann noch irgend eine unscheinbare Frau gekommen, kann mich nicht mehr genau erinnern wie sie aussah. Aber ich glaub, das waren dann alle. Nun ja, bis auf diese Schickse von Herrn Emil. Die trieb sich auch hier herum. Ich hab ihr dann zugerufen, dass Herr Mergeld nicht da ist. Sie hat nur dumm geguckt und hat sich weiter am Hauseingang herumgetrieben. Aber das war viel früher, da wo mein Essen gebracht wurde. Hinterher hab ich sie dann nicht mehr gesehen.“

Die Kommissarin schaute erstaunt auf. „Das haben Sie alles gesehen?“

Die lila Gelockte strahlte auf. „Ja! Und sehen Sie, die Frau Wormwodel kann sich nie und nimmer das Leben genommen haben.“ Sie schaute sich um und senkte die Stimme. „Ich sage Ihnen, die ist abgemurkst worden. Sie wusste einfach zu viel. Denn wo erzählt man sich alle Geheimnisse? Beim Friseur und bei der Fußpflege.“

Befriedigt verschränkte die Nachbarin die Arme ineinander und setzte sich gemütlich in ihrem Rollstuhl zurück.

 

Die Kommissarin und Panpepato gingen zu Fuß zum >Hammerzeh ade<. Rosalie Schulz schaute Panpepato an. „Was halten Sie davon Signor Panpepato? Was hat die Freundin von Emil Mergeld in Frau Wormwodels Fußpflegesalon gesucht?“

Der Detektiv passte sich den kleinen Schritten der Kommissarin an und fuhr sich dabei mit den Fingern durch sein Haar. „Allora, ich denke darauf werden wir bald eine Antwort erhalten.“

Vorm >Hammerzeh ade< angekommen wurden die Blicke der Kriminalisten auf die blankgeputzte Schaufensterscheibe gelockt, die jedermann Einblick auf die hellblau und rosa gestreifte Einrichtung bot.

Die Eingangsklingel rief Ernst Frotz persönlich auf die Bildfläche. „Nur immer rein! Ich habe Sie erwartet Herrschaften.“ Frotz hatte eine Stimme, die an eine gut geölte Sopransängerin erinnerte. Er betonte äußerst stark. „Sie werden sich bestimmt fragen, woher ich weiß, dass Sie mich hier aufsuchen?“

Frotz ließ die Beiden gar nicht erst zu Wort kommen.

„Dann gestehe ich gleich, dass Emil Mergeld mich angerufen hat.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739413037
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (März)
Schlagworte
Detektivroman Fausto Krimi Spannung Panpepato Humor

Autor

  • Ulrike Ina Schmitz (Autor:in)

Ulrike Ina Schmitz 1958 in Duisburg geboren, Seit 1976 verheiratet, 2 Kinder. Seit dem Jahr 2003 mit Mann und zwei Hunden im schönen Westerwald lebend.
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Titel: Das mysteriöse Taschentuch