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Pseudonyme küsst man nicht

von Vera Nentwich (Autor:in)
153 Seiten

Zusammenfassung

Du glaubst nicht an die Liebe? Dann rechne mit Überraschungen! »Rote Rosen für den Lord« »Ein Schloss für Violetta« – so heißen die Liebesromane, die die Autorin Abigail Madison ihrer schmachtenden Fangemeinde präsentiert. Eine begeisterte Leserin will ihre Lieblingsautorin – sozusagen die Expertin für die Liebe – zu ihrer Hochzeit einladen. Doch das geht nicht, denn Abigail Madison gibt es gar nicht. In Wahrheit produziert die mehr als abgeklärte Amanda Schneider die Schmonzetten unter Pseudonym, denn sie möchte ihre wahre Identität nicht preisgeben. Nur hat Amanda Schneider nicht mit dem Vater der Braut gerechnet, der seiner Tochter keinen Wunsch abschlagen kann. So sieht sich Amanda plötzlich gefesselt in einer Villa einem russischen Bodyguard gegenüber. Die Auseinandersetzungen mit dem verdammt gutaussehenden Bruder der Braut gestalten sich mehr als hitzig, bis sogar die wenig romantisch veranlagte Amanda einsehen muss: Die wahre Liebe gibt es doch.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


I

Dimitrij spielte mit seinem Messer und grinste mich an. Sein Goldzahn links blinkte so sehr, dass ich erwartete, wie in einem Comic gleich einen weißen Stern aufleuchten zu sehen. An seinen Armen und Händen waren Tätowierungen zu erkennen. Anders als die Rose, die ich schon mal auf dem Oberarm einer Bekannten bewundert hatte, sahen diese Kreuze und anderen Zeichen eher wie dahingekrakelte Kinderzeichnungen aus. Ich vermutete, dass es sich um Gefängnistattoos handelte. Darüber hatte ich mal eine Sendung im Fernsehen gesehen. Dass ich so etwas mal im echten Leben zu Gesicht bekommen würde, hatte ich nicht erwartet. Ehrlich gesagt, hätte ich dies auch gerne vermieden.

»Das ist Entführung!«, protestierte ich und zerrte an dem Klebeband, mit dem meine Arme und Beine an dem Stuhl befestigt waren. Dimitrij unterbrach die Reinigungsarbeiten an seinen Fingernägeln. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen und sein Grinsen war verschwunden. »Schnauze halten!«, zischte er zwischen den Zähnen hervor. Sein eindeutig russischer Zungenschlag machte das Ganze noch bedrohlicher und ich bereute umgehend, dass ich es auch nur gewagt hatte zu atmen. Anscheinend war Dimitrij die Wirkung seiner Worte unangenehm, denn er fügte in einem weitaus weniger bedrohlichen Ton hinzu: »Boss kommt gleich.«

Dimitrijs Chef war Boris Kolesnikow. Ein Mann, den man in Medienberichten gerne als russischen Oligarchen beschrieb. Dies wiederum war eine zu harmlos klingende Umschreibung für den skrupellosen, geldgierigen Gangsterboss. Und ich hatte es gewagt, diesem kaltblütigen Killer eine Bitte abzuschlagen. Jetzt bekam ich die Quittung.

Begonnen hatte es mit einer E-Mail. Sie hatte ausgesehen wie Spam und ich war nur einen Klick davon entfernt, die Nachricht zu löschen. Das ist wahre Liebe lautete der Titel. Absender war eine Vanessa Kolesnikow. Ich erwartete darin den Hinweis auf eine günstige Bezugsquelle von Viagra oder das geheime Rezept, um binnen Wochen Millionärin zu werden. E-Mails mit osteuropäisch klingenden Absendern verhießen selten Gutes. Es war ein Versehen, dass ich die Nachricht dennoch öffnete. Ich hatte mich einfach beim Aufräumen meines Posteingangs verklickt.

Der Inhalt der E-Mail erschien vor mir und ich las ihn. Liebe Abigail stand dort. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich heiße nicht Abigail. Mein Name ist Amanda Schneider, aber das wussten meine Leser nicht. Eigentlich muss ich Leserinnen sagen, denn mein Publikum war fast ausschließlich weiblich. Für diese Menschen war ich Abigail Madison, die Autorin so bahnbrechender Werke, wie Rote Rosen für den Lord oder Ein Schloss für Violetta. Zu Tausenden wurden diese Romane als E-Book von einer stetig wachsenden und mittlerweile schwindelerregende Zahlen erreichenden Leserschaft in den Online-Shops heruntergeladen. Mit den 2,99 Euro, die sie dafür entrichteten, bereiteten sie mir ein gutes Auskommen, und so saß ich Tag für Tag an meinem Computer, um ihnen einen ständigen Strom neuen Lesematerials darzubieten.

Doch es genügte nicht, nur alle paar Monate einen neuen Roman auf die Internetplattformen zu setzen. Ich musste mit den Fans kommunizieren. Abigail konnte das richtig gut. Sie war der Inbegriff einer Macherin. Erfolgreich als Unternehmensberaterin, hatte sie begonnen, nach einem langen Arbeitstag zur Entspannung Geschichten über die Liebe zu schreiben. Weil sie nie halbe Sachen machte, wollte sie ihre Werke nicht nur auf ihrer Festplatte schlummern lassen, sondern hatte sie begonnen, diese per Self-Publishing zu veröffentlichen. Ihre Werke fanden binnen kürzester Zeit reißenden Absatz. Als Resultat konnte sie ihren Job aufgeben und sich ganz dem Schreiben widmen. Sie lebte glücklich mit ihrem Mann Martin, den zwei Kindern Jonas und Anna und dem Golden Retriever Balko in einem Landhaus an der Mosel mit Blick auf Weinberge und Natur.

Dies war jedenfalls das, was die Leserinnen glaubten. Es kam nicht von ungefähr, denn ich hatte es ihnen so erzählt. Auf der Webseite von Abigail konnte man es nachlesen. Dort gab es auch ein Foto von Abigail. Sie war schlank, sportlich und die Dynamik strahlte aus allen Poren. Sie war so, wie ich nie sein würde.

Amanda Schneider ist alles andere als schlank und sportlich. Ich gelte gemeinhin auch nicht als dynamisch. Eher als etwas verträumt und schwerfällig. Würde ich mein wahres Ich als Autorin all dieser Romane zeigen, würden die Verkäufe schlagartig einbrechen. Meine Lebensgeschichte liest sich wie eine Aneinanderreihung von Niederlagen. Ich bin fünfunddreißig Jahre alt und kein nennenswerter Erfolg konnte bisher verbucht werden. Man könnte einwenden, dass ich immerhin unzähligen Leserinnen schöne Stunden bereitete und es geschafft hatte, vom Schreiben zu leben, was nicht vielen gelang. Aber das ging eben nur mit Abigail. Amanda hätte dies nie geschafft.

Schon in der Schule war ich das Pummelchen gewesen, das in allem hinterherhinkte. Meine Noten genügten gerade, um nicht sitzenzubleiben. Frau Jansen, unsere Lehrerin in der Grundschule, hatte immer wieder Gespräche mit meinen Eltern, nach denen mein Vater stets zu mir kam und auf mich einredete. »Amanda, deine Lehrerin hat gesagt, dass du es nicht auf das Gymnasium schaffen wirst, wenn du dich nicht mehr anstrengst.« Sein Gesicht zu diesen Worten machte deutlich, dass es keine größere Katastrophe gäbe. Wenn ich nicht auf das Gymnasium käme, wäre mein Leben vorbei. Ich schluckte und konnte nur ein leises »Ja, Papa« herausbringen. Fortan strengte ich mich an, so gut ich konnte, aber es genügte nicht. Mein Vater musste seine Kontakte zum Direktor des Gymnasiums intensivieren, um mir den Weg dorthin zu ebnen.

Überhaupt mein Vater. »Schneider Elektronik« ist der größte Arbeitgeber an meinem Heimatort. Als Tochter von Herrn Dr. Schneider – den Doktor hatte er von einer kleinen Universität in Polen verliehen bekommen, weil er dort eine Produktion für Lichtschalter aufgebaut hatte – hatte ich gefälligst unschlagbar und erfolgreich zu sein. Nur war ich das nie. Sehr zum Leidwesen meiner Eltern.

Nicht dass sie es nicht versucht hätten, mich auf Erfolg zu trimmen. Ich bekam die reinsten Koryphäen als Nachhilfelehrer, wurde zum Ballettunterricht gekarrt, zum Klavierspielen gezwungen. Aber nach kürzester Zeit scheiterte alles. Als dickes Mädchen im Ballett sah ich nicht nur dämlich aus. Ich verzweifelte bereits an den grundlegenden Figuren, denn ich war einfach nicht gelenkig. Irgendwann intervenierte die russischstämmige Ballettlehrerin Frau Scherznakowa bei meiner Mutter, sie möge aufhören, mich und vor allem sie mit meiner Anwesenheit im Ballett zu quälen. »Dieses Kind ist gänzlich ungeeignet«, hatte sie meiner Mutter entgegengeschleudert, als sie mich nach einer besonders katastrophalen Übungseinheit abholte. Frau Scherznakowas russische Seele schäumte. Die Konsonanten sprach sie noch härter aus, als sie es sonst tat, und ihr Blick schien geradezu nach einem Wodka zu schreien, um ihr kochendes Inneres zu beruhigen. Schon damals hatte ich ein gespaltenes Verhältnis zu allem Russischem. Ähnlich äußerte sich mein Klavierlehrer und sprach mir jedes musikalische Talent ab. Als ob ich das nicht schon längst gewusst hätte. Meine Eltern schien diese Erkenntnis dennoch unerwartet zu treffen. So sehr sie eine angemessene Tochter für die führende Unternehmerfamilie des Ortes aus mir machen wollten, es scheiterte stets.

Der einzige Freund, den ich über die ganzen Jahre hatte, war Georg. Er war der Sohn unseres Hausmeisters, und wir kannten uns von Kindesbeinen an. Schon in der Grundschule waren wir unzertrennlich. Es verband uns nicht nur, dass wir zusammen aufwuchsen. Wir waren beide unsportlich und eher gemütlich, und bei Georg kamen noch Sommersprossen und eine dicke Brille dazu, um ihn vollends in der Kaste der Unberührbaren zu verankern. Wir bildeten das Außenseiterduo. Wir waren die zwei Dicken in der letzten Reihe. Er stand mir zur Seite, wenn es mal ganz schlimm wurde, und ich schmiss gelegentlich meine ganze Körperfülle in die Waagschale, um ihm zu helfen. Ohne ihn hätte ich die Schulzeit nicht überlebt. Hilfreich war auch, dass er sich in einem von mir unterschied. Er war gut in der Schule. Er las ständig irgendwelche Bücher, und es bestand nie ein Zweifel daran, dass er es auf das Gymnasium schaffen würde. Später haben wir dann geheiratet, aber das ist eine andere Geschichte.

Ich rutschte einfach so durch die Schulzeit. Dass die angesagten Mädchen um Nadine Hausmann mich nur gelegentlich malträtierten, hatte ich neben Georgs Mut nur dem Umstand zu verdanken, dass meine Familie einfach zu bedeutend war, um sich mit mir auf Dauer anzulegen. Auch die Lehrer schienen dieser Ansicht zu sein, und so genügte Georgs Hilfe, um einen mittelprächtigen Abschluss zu machen, der von vorneherein jede größere Berufskarriere ausschloss. Doch mein Vater wollte nicht aufgeben, und so bekam ich gleich nach Entgegennahme meines Abiturzeugnisses einen Studienplatz in Betriebswirtschaftslehre kredenzt, zu dem ich mich nie beworben hatte. Das hatte mein Vater organisiert, und wie immer fügte ich mich.

Ich war es also gewohnt, von Bossen unterdrückt zu werden. Allerdings war auf einen Stuhl gefesselt einen Auftragskiller bei der groben Maniküre zu beobachten, auch für mich eine neue Erfahrung. Dies durfte ich nun erleben, weil ich die E-Mail von Vanessa abschlägig beantwortet hatte. Sie hatte in ihrem Schreiben berichtet, dass sie heiraten würde und ein großer Fan meiner Bücher sei. Daher sei es ihr sehnlichster Wunsch, dass Abigail Madison ihre Trauzeugin sein sollte. Sie unterstrich ihre Bitte mit einem erheblichen finanziellen Betrag, um meine Kosten zu decken, wie sie es beschrieb. Ich muss zugeben, dass mich ein Betrag mit fünf Nullen mächtig ins Schwanken gebracht hatte, aber letztlich siegte die Vernunft. Denn ich war nun mal nicht Abigail. Abigail gab es gar nicht, und daher konnte sie auch nicht auf diese Hochzeit gehen. Ich antwortete also sehr freundlich und bedauerte zutiefst, dass ich dieser Bitte nicht nachkommen könnte.

Doch ich hatte meine Rechnung ohne den Vater gemacht. Dabei hätte ich es wissen müssen. Mein Vater duldete schließlich auch keinen Widerspruch. Ob er sich allerdings auch so für das Wohl seiner einzigen Tochter einsetzen würde, wie es Boris Kolesnikow tat, wagte ich zu bezweifeln. Der Oligarch schickte eine ganze Armada von Spürhunden aus, die Abigail Madison finden sollten. Dabei kam es, wie es kommen musste: Sie landeten bei mir. Das war zwei Wochen, bevor ich mich mit Dimitrij in diesem Keller wiederfand. Dimitrij hatte ich zu dieser Zeit ebenfalls kennengelernt. Er fuhr den schwarzen Mercedes mit verdunkelten Scheiben, der neben mir hielt, als ich gerade einem abendlichen Impuls gefolgt und mit Jogginghose und Mantel bekleidet kurz zum Supermarkt gehuscht war, um dieses Gelüste mit einem Liter feinstem, cremigen Eis zu befriedigen. Es war ein Moment, in dem eine Frau niemals angesprochen werden wollte. Alleine die Erkenntnis, dass einen jemand in diesem Aufzug beim Nachgeben einer unverzeihlichen Schwäche überhaupt bemerkte, war erschreckend. Um ein Vielfaches schockierender war es jedoch für mich, als dieser Mercedes langsam neben mir fuhr, dann einige Meter weiter zum Stehen kam und Dimitrij ausstieg. Er trug wie heute einen exzellenten Anzug, blank polierte Lederschuhe und ein Pistolenhalfter. Das Messer, mit dem er sich heute die ganze Zeit beschäftigte, war mir damals nicht aufgefallen. Aber seine Erscheinung genügte, um mich in meiner Bewegung innehalten und mein Eis fest umarmen zu lassen. Für diese cremige Versuchung würde ich kämpfen, und wenn es das Letzte wäre, was ich täte. Doch der finale Kampf war nicht nötig. Stattdessen glitt die hintere Seitenscheibe mit einem leisen Surren nach unten und gab den Blick frei auf einen Mann, dem man seine osteuropäische Herkunft ebenfalls deutlich ansah. »Dimitrij, du erschreckst die Dame«, sagte der Mann. Dimitrij ging zurück zur Fahrerseite und stieg wieder ein. »Entschuldigen Sie, Frau Madison«, fuhr der Mann im Wagen fort. »Mein Name ist Boris Kolesnikow. Sie haben von meiner Tochter gehört, denke ich.«
Ich befand mich in einer Zwickmühle. Bestätigte ich, dass ich von seiner Tochter bereits gehört hatte, gab ich automatisch zu, dass ich Abigail Madison war. Ich konnte also nur heftig mit dem Kopf schütteln und sagen: »Es tut mir leid, aber Sie scheinen mich zu verwechseln.« Ich hängte ein Lächeln an, zog mein Eis fester an meine Brust und machte erste Schritte in Richtung meiner Wohnung. Ich rechnete damit, dass Dimitrij meinen Fluchtversuch unterbinden würde, aber er tat es nicht. Ich beschleunigte meine Schritte, bog um die Straßenecke und stellte erleichtert fest, dass mir der Mercedes nicht folgte. Nun rannte ich fast und war froh, als sich meine Wohnungstür hinter mir schließen und auch beim Kontrollblick auf die Straße nichts Verdächtiges feststellen konnte.

Dass diese Erleichterung nur von kurzer Dauer sein sollte, wurde mir bereits am nächsten Mittag klar. Ich ging zum Mittagessen in das kleine Bistro, nur zwei Ecken von meiner Wohnung entfernt. Dies tat ich regelmäßig. Ich genoss es, meinen Computer zu verlassen, mir die Tageszeitung zu schnappen und dann in diesem gemütlichen Lokal für ein oder zwei Stunden auf andere Gedanken zu kommen, bis ich an meinem Schreibtisch wieder darüber grübelte, wie Lady Daphne die Heirat ihrer Nichte zu verhindern suchte. Die Bedienung im Bistro hieß Melanie, und wir duzten uns mittlerweile. Sie studierte Germanistik, jobbte, um über die Runden zu kommen, und betrieb viel Sport, was man ihrer Figur deutlich ansah. Manchmal, wenn nicht so viel los war, plauderten wir über unser Leben. Ich war fasziniert von ihrem wechselhaften Lebensweg, der sie schon in so jungen Jahren hatte mehr Erfahrungen sammeln lassen, als ich mit meinen Mitte Dreißig vorzuweisen hatte. Auch ihr Elan beeindruckte mich. Sie war das glatte Gegenteil von mir. Wenn sie so erzählte, bedauerte ich immer mehr, dass meine Figuren immer auf englischen Schlössern lebten und sich im Regelfall keine Sorgen um Geld machen mussten. Wie gerne würde ich eine solche Protagonistin erschaffen, deren Leben so widersprüchlich, bunt und abwechslungsreich wäre, wie ich Melanies Leben empfand.

»Hallo, Amanda«, empfing sie mich. »Wir haben heute wieder Karotten-Ingwer-Suppe. Eine große Portion?«
»Ja, gerne. Und eine Rhabarberschorle.«
Melanie nickte. Ich ging durch das kleine Lokal, setzte mich an meinen Stammplatz im hinteren Bereich, breitete meine Tageszeitung vor mir aus und sog tief Luft ein. Ich liebte diese Pause. Doch das Glück war an diesem Tag nur von kurzer Dauer. Gerade, als Melanie mit der Rhabarberschorle zu mir kam, öffnete sich die Tür zum Lokal und zwei mir mittlerweile bekannte Männer traten ein. Boris Kolesnikow, gefolgt von Dimitrij, blickte suchend umher, bis er mich gefunden hatte und zielstrebig auf mich zusteuerte. Melanie musterte die beiden schwarzgekleideten Männer, von denen einer ohne weiteres als Profikiller durchgehen würde und wahrscheinlich auch einer war, und sah dann ängstlich zu mir. Ich nickte ihr beruhigend zu, obwohl ich nicht sicher war, ob ich nicht besser flüchten sollte. Aber vor zwei Wochen hatte ich noch an die Macht des Gesprächs geglaubt. Melanie stellte die Schorle vor mir ab und ging zögerlich zurück zur Theke.
»Liebe Frau Madison, entschuldigen Sie, dass ich Sie hier überfalle, aber unser letztes Gespräch endete so abrupt. Ich hatte das Gefühl, Sie haben die Dringlichkeit meines Anliegens nicht verstanden.« Boris Kolesnikow stand vor mir und beobachtete, wie ich, um Ruhe bemüht, das Glas mit der Schorle ergriff, zum Mund führte und so gelassen wie möglich daran nippte. Überraschend wenig zitternd stellte ich es wieder ab, wandte mich mit einem Lächeln dem Russen zu und säuselte: »Ich habe Ihnen doch gestern schon gesagt, dass Sie sich irren. Ich bin nicht die Frau, die Sie suchen.« Ich drehte das Glas in meinen Händen und spürte der Kühle nach. »Es ist mir sehr unangenehm, dass Sie mich bis hierher verfolgen. Bitte verlassen Sie das Lokal.« Mir war nicht klar, woher ich diese Chuzpe nahm. Es musste etwas mit diesem Effekt zu tun haben, der in angespannten Situationen auftrat und Menschen über sich hinauswachsen ließ. Wenn ich aber gehofft hatte, mein Gegenüber dadurch zu beeindrucken, konnte ich nicht enttäuschter sein. Boris Kolesnikow nickte seinem Bodyguard zu, worauf der einen Stuhl an meinen Tisch schob, auf dem sich sein Boss niederließ. Er lächelte mich an und hätte eine weiße Katze auf seinem Schoß gesessen, so wäre das Bild vollends stimmig gewesen. »Frau Madison, es tut mir weh, dass Sie mich für so dumm halten.«
Ich wollte etwas erwidern, aber er hob die Hand, und ich hielt es für besser, meinen Gedanken nicht auszusprechen. »Frau Madison, ich weiß genau, wer Sie sind. Hören Sie auf mit diesen Spielchen. Meine Tochter ist ein sehr großer Fan von Ihnen und möchte, dass Sie bei ihrer Hochzeit dabei sind. Und was meine Prinzessin möchte, das bekommt sie von ihrem Papa.«
Melanie kam an unseren Tisch und stellte die Karottensuppe vor mir hin. Ich lächelte ihr zu. Ihr Blick wirkte aber keineswegs beruhigt. Ich nickte ihr deutlicher zu, und sie ging zögerlich zurück zur Theke. Dann wandte ich mich dem Russen zu. Ich musste meine Taktik wohl ändern. Ehrlichkeit war angesagt. »Lieber Herr Kolesnikow, Abigail Madison gibt es nicht. Es ist ein Pseudonym, eine Kunstfigur, die ich geschaffen habe, um meinen Leserinnen das zu geben, was sie sich wünschen. Niemand wünscht sich Amanda Schneider. Also, verstehen Sie, wenn ich zur Hochzeit Ihrer Tochter erschiene, würde sie das nicht freuen, sondern eher in Verzweiflung stürzen. Seien Sie ein liebender Papa und bewahren Sie Ihre Tochter davor. Sie können ihr doch sagen, Sie hätten Abigail Madison nicht gefunden.«
Das Gesicht des liebenden Papas zeigte, dass er nachdachte. Währenddessen bemerkte ich, dass sich die Tür zum Lokal öffnete und ein Mann in blauer Uniform eintrat. Melanie ging auf ihn zu, flüsterte ihm etwas ins Ohr und wies auf mich. Dimitrij hatte dies ebenfalls bemerkt und tippte seinem Chef auf die Schulter. Der sah kurz zur Tür und dann wieder zu mir. »Unsere Unterhaltung wird leider unterbrochen. Bitte denken Sie noch einmal über mein Anliegen nach, liebe Frau Madison. Wir unterhalten uns später.« Er stand auf und folgte Dimitrij, der an dem Polizisten vorbei ging und die Tür öffnete. Boris Kolesnikow nickte mir noch kurz zu, grüßte den Polizisten mit einer kurzen Bewegung der Hand zum Kopf und folgte seinem Bodyguard hinaus. Ich hatte damals schon das Gefühl gehabt, es würde nicht unser letztes Zusammentreffen sein.

II

Die Tür öffnete sich knarzend. Dimitrij stellte die Reinigungsarbeiten an seinen Nägeln ein, steckte sein Messer weg und stand auf. »Guten Tag, Frau Madison.« Ich hatte Boris Kolesnikow erwartet, aber vor mir erschien ein jüngerer Mann und ließ sich von Dimitrij einen Stuhl heranschieben. Dann nahm er Platz. »Es tut mir leid, dass wir uns unter solchen Umständen kennenlernen, Frau Madison.«
Ich konnte ihn nur wortlos anstarren. Zum einen, weil ich keine Ahnung hatte, wer dieser Typ war, und zum anderen, weil er so verdammt gut aussah.
»Mein Name ist Sascha Kolesnikow. Meinen Vater haben Sie ja bereits kennengelernt.« Ich musste kurz die Augen schließen, um wieder zu mir zu kommen und mir die aktuelle Situation bewusst zu machen. »Das ist Freiheitsberaubung!«, platzte es aus mir heraus und ich war überrascht von dem Anteil Verzweiflung, der in meiner Stimme lag.
»Ich bedauere, dass Sie es so sehen. Ich würde es lieber als nachdrückliche, aber wohlgemeinte Einladung betrachten.«
»Und das?« Ich rüttelte mit meinen an der Stuhllehne befestigten Händen.
»Das ist nur zu Ihrer Sicherheit. Wir wollten nicht, dass Sie sich in völliger Missdeutung der Situation zu unbedachten Handlungen hinreißen lassen, die Ihnen schaden könnten.« Er nickte Dimitrij zu. Der zückte erneut sein sehr großes Messer. Ich wollte etwas sagen. Ich untertreibe, ich wollte eher panisch schreien, aber mir blieb die Stimme im Hals kleben. So konnte ich nur beobachten, wie sich der Killer mit dem Messer näherte. Statt es aber in Richtung meiner Kehle zu bewegen, machte er sich am Klebeband zu schaffen und erlöste mich mit einer kurzen Bewegung von meinen Fesseln. Ich rieb mir die Handgelenke und bewegte meine Füße.
»Noch einmal, ich bedauere die Umstände, Frau Madison, und hoffe, Sie können mir irgendwann verzeihen.« Der Juniormafiaboss sah mich an, und ich wandte meinen Blick von meinen Handgelenken ihm zu. »Wie können Sie denken, Sie könnten mich entführen, mich in einem dunklen Verlies festhalten mit diesem, diesem …« Ich wedelte mit meiner Hand in Richtung Dimitrij. »Egal, wie können Sie denken, ich würde das einfach hinnehmen? Sie gehören hinter Gitter! Ihr Vater, Sie, alle.«
Sascha Kolesnikow seufzte und nickte Dimitrij zu. Der nickte zurück.
»Was ist?«, fragte ich. »Sie denken doch nicht im Ernst, ich würde das einfach alles auf sich beruhen lassen?«
Der Sohn des Hauses schüttelte sanft den Kopf. »Frau Madison, das ist wirklich sehr bedauerlich. Meine Schwester liebt Ihre Bücher so sehr. Sie wäre unendlich traurig, wenn es keine weiteren Werke ihrer Lieblingsschriftstellerin geben würde. Und wenn Vanessa traurig ist, dann ist auch mein Vater traurig. Und wenn er traurig ist … Bitte überdenken Sie Ihre Haltung noch einmal.« Seine Stimme war ruhig und klang fast freundschaftlich. Daher verstand ich zuerst nicht, was er gesagt hatte. Gerade, als ich nachfragen wollte, was er wohl gemeint hatte, wurde es mir klar. Die Erkenntnis ließ mein Blut in den Magen sacken und mir wurde schwindelig. »Oh.« Mehr konnte ich nicht artikulieren. Dann begann ich zu wimmern. Es ist mir peinlich, aber ich war es nicht gewohnt, dass man mir drohte, mein Leben jäh zu beenden. Die einzige Reaktion, die mir in diesem Moment in den Sinn kam, war Wimmern. Wäre ich Thrillerautorin gewesen, hätte ich mich zuvor vielleicht zumindest theoretisch einmal mit einer solchen Situation auseinandergesetzt. Aber meine Helden kamen niemals in solche Situationen. Sie verstauchten sich höchstens mal den Knöchel, wenn sie nach einem langen Ausritt von ihrem Pferd abstiegen. Sie saßen niemals in kalten, muffigen Verliesen, die merkwürdigerweise nach Wein rochen, und sahen sich einem Killer und dem Sohn eines fiesen Mafiabosses gegenüber, die ihnen das Ende ihres Lebens ankündigten. »Frau Madison, es wird nicht soweit kommen.« Sascha Kolesnikow tätschelte meine Hand und ich zuckte erschrocken zurück. »Ich bin mir sicher, Sie haben den Ernst der Situation verstanden, nicht wahr?«, hängte er an. Ich nickte. »Gut«, fuhr er fort. »Fühlen Sie sich in der Lage, mit mir die Details unseres Arrangements zu besprechen?«
Details? Was meinte er mit Details? Die waren doch klar. Ich machte, was er wollte, und er ließ mich dafür am Leben. »Welche Details?« Ich war überrascht, dass meine Stimme wieder funktionierte.
»Wenn Sie mir versprechen, nichts Unbedachtes zu tun, können wir diesen unwirtlichen Ort verlassen, und ich zeige Ihnen Ihr Zimmer. Meinen Sie, das ginge?« Sascha erhob sich. Ich tat es ihm vorsichtig nach und spürte, wie meine Gelenke jubelten, dass sie wieder genutzt wurden.
»Sehr schön. Kommen Sie«, befahl er, und ich machte einen ersten Schritt in seine Richtung, streng beäugt von Dimitrij. Rechnete er damit, ich würde über seinen Schützling herfallen und ihn überwältigen? Hätte er mich je bei einer Bauch-Beine-Po-Übung im Fitness-Studio gesehen, wüsste er, dass ich niemals zu einer schnellen, sportlichen Bewegung fähig war. Ich konnte nur langsam dem Kerl folgen und hinter ihm durch die Tür hinaus gehen. Nun wurde mir klar, warum ich ständig den Geruch von Wein um die Nase hatte. Mein Verlies war ein Seitenraum des Weinkellers, in dem wir nun standen. Ich musterte die imposante Anzahl von Weinflaschen, die dort lagerten. Dimitrij gab mir einen kleinen Schubs, weil ich kurz stehengeblieben war. Ich zuckte zusammen und machte einen größeren Schritt, um wieder zum Sohn des Hauses aufzuschließen. Der öffnete eine weitere Tür, hinter der eine Treppe nach oben führte. Nur wenige Stufen trennten mich vom Tageslicht. Der Gedanke löste immense Glücksgefühle in mir aus. Es war beachtlich, wie sich Relationen verschieben konnten, wenn man nur einmal um sein Leben hatte fürchten müssen. Sascha Kolesnikow öffnete die Tür am Ende der Treppe und tatsächlich umfing uns strahlender Sonnenschein. Ich musste meine Augen zusammenkneifen, um sie langsam an das Licht zu gewöhnen. Als ich sie wieder öffnete, entstanden vor mir die Umrisse einer Statue. Die wiederum schmückte das untere Ende einer imposanten, geschwungenen Treppe. Ich blickte mich um und sah mich im Eingangsbereich einer großen Villa oder gar eines Schlosses, wie es die Figuren in meinen Romanen bewohnten.
»Kommt es Ihnen bekannt vor?« Sascha Kolesnikow grinste mich an. Ich runzelte die Stirn. Was meinte er?
»Kommen Sie. Sie müssen es doch erkennen, Frau Madison.«
Ich verstand nicht und blickte mich ratlos um. Zwei weiße Statuen schmückten den Treppenaufgang. An den Wänden hingen Gemälde von diversen Herren aus verschiedenen Epochen. Am oberen Ende des Treppenaufgangs konnte ich ein Geländer und einen Rundgang erkennen, von dem verschiedene Türen abgingen. Er hatte recht. Es kam mir bekannt vor, obwohl ich mir sicher war, nie vorher in einem solchen Schloss, oder was immer es war, gewesen zu sein. Aber dann blitzte ein Name in meinem Hirn auf. »Hillsborough Castle«, stieß ich hervor.
Sascha Kolesnikow grinste. »Sie hätten nicht gedacht, dass wir es finden würden, nicht wahr?«
Ich starrte ihn an. Natürlich hätte ich nicht gedacht, dass jemand das Schloss finden würde, in dem Adriana, die Heldin aus Rote Rosen für den Lord lebte. Denn dieses Schloss gab es gar nicht. Ich hatte mir alles ausgedacht. Ich drehte mich um die eigene Achse, um die Eingangshalle in allen Einzelheiten zu betrachten. Es war Hillsborough Castle. Wie konnte das sein? Und würde als Nächstes Lord Huddleston die Treppe hinunter kommen?

Mein Mund musste offengestanden haben, denn der Mafiaboss lachte. »Sie haben es uns nicht leicht gemacht. Sie haben in Ihren Geschichten alles ganz schön verändert. Künstlerische Freiheit, nicht wahr?« Wieder lachte er auf. »Aber schließlich haben Vaters Leute diesen Ort gefunden. Ist das nicht hervorragend?«
Mir war nicht klar, wie ich reagieren sollte. Plan A: Ich lachte ebenfalls laut auf, klopfte ihm jovial auf die Schulter und sagte: »Sascha, da habe ich euch aber mächtig verarscht. Ich habe doch alles nur erfunden. Ihr könnt mich mal.« Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass die Familie dies nicht einfach so hinnehmen würde, sondern dass Dimitrij unmittelbar nach Ausführung von Plan A zur Tat schreiten würde, um mein erbärmliches Leben abrupt zu beenden. Dann schon lieber Plan B: Ich spielte diese Posse mit und wartete auf meine Chance, hier irgendwie rauszukommen. Plan B erschien mir im Moment auf jeden Fall ratsamer und so setzte ich ihn sogleich in die Tat um.
»Das ist wirklich beeindruckend«, säuselte ich daher meinem Entführer zu und zauberte ihm ein zufriedenes Lächeln auf das markante Gesicht.
»Hier wird Vanessa ihren Paul heiraten. Genau so, wie Adriana ihren Lord geheiratet hat. Nur dass Paul dummerweise kein Lord ist. Aber was mein Schwesterchen möchte …«
»… das bekommt es auch«, beendete ich den Satz und erschrak über meine eigenen Worte. Sascha lachte laut auf. »Genau. Hat Ihnen das mein Vater bereits deutlich gemacht?« Er winkte Dimitrij heran. »Zeig der Dame ihr Zimmer.« Dimitrij nickte und gab mir das Signal, ihm zu folgen.
»Ach, Frau Madison, verzeihen Sie, dass Dimitrij ihr Zimmer verriegeln wird. Wir möchten nicht, dass Sie sich auf dem Gelände verirren. Wir holen Sie dann zum Abendessen ab. Sie haben genügend Gelegenheit, sich zu entspannen und zum Abendessen umzuziehen.«
Ich wollte protestieren, aber dann dachte ich an Plan B und folgte stattdessen Dimitrij. Auch fragte ich mich, wie ich mich wohl umziehen sollte, wenn ich doch ohne Gepäck angereist war – sozusagen –, doch ich hatte eine Ahnung.

Die Ahnung bestätigte sich. Das Zimmer war nicht nur außerordentlich geräumig und geschmackvoll eingerichtet, auch der begehbare Kleiderschrank war umfassend bestückt. Ich musste mir eingestehen, dass ich normalerweise jubeln würde beim Anblick dieser tollen Kleider, wenn die Umstände anders gewesen wären. Waren sie aber nicht. Also rannte ich durch die Räume meines Gefängnisses und rüttelte an Türen und Fenstern. Nur, um festzustellen, dass alle fest verschlossen waren. Ein altmodisches Telefon stand neben dem Bett. Der weiße, geschwungene Hörer lag auf einer goldenen Gabel, aber ich suchte vergebens eine Tatstatur oder zumindest eine Wählscheibe. Ich nahm vorsichtig den Hörer ab und horchte, ob es ein Amt gab. Stattdessen erklang nach kurzer Zeit die Stimme eines Mannes. »Guten Tag, Madame. Was kann ich für Sie tun?« Erschrocken ließ ich den Hörer wieder auf die Gabel fallen. Es gab kein Entkommen. Zumindest jetzt noch nicht. Diese Erkenntnis drückte mich auf das riesige Bett. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und weinte. Ich war von einem skrupellosen Mafiaboss in meine eigene Fantasiewelt entführt worden. Mein Leben würde womöglich auf einem Schloss sein Ende finden, das ich selbst erfunden hatte. Es war tragisch. Und irgendwie auch komisch. Zumindest war es skurril. Eigentlich sogar der passende Abgang für mein überaus skurriles Leben. Allerdings noch mindestens fünfzig Jahre zu früh. Der Gedanke versetzte mir einen Stich und ich schluchzte auf. Ich hatte doch noch so viel vor. Ich stockte in meinem Heulanfall. Was hatte ich eigentlich vor? Das Thema Mann und Kinderchen hatte ich längst ad acta gelegt. Mich würde nie ein Mann lieben. Dazu war ich einfach zu merkwürdig. Ich konnte mir mich als Ehefrau oder gar als Mutter auch überhaupt nicht vorstellen. Ich hatte jahrelang versucht, mir eine solche Zukunft für mich auszumalen. Und obwohl ich in der Lage war, komplexe Fantasiewelten für meine Leserinnen zu erschaffen, für meine eigene Zukunft als Ehefrau und Mutter reichte meine Fantasie nicht aus. Es kam mir einfach zu absurd vor, denn selbst die fantasievollsten Geschichten benötigten eine realistische Basis. Dass ich noch einen Mann finden würde, der sein Leben mit mir teilen wollte, war dagegen absolut unrealistisch. Das hatten alle bisherigen Erfahrungen gezeigt. Bei mir hatte es nur zu einer Ehe mit Georg gereicht und das war nur pro forma gewesen. Schließlich hatten mir meine Eltern auch immer klargemacht, dass ich nicht ihren Vorstellungen entsprach. Doch wenn Mann und Kinderchen nicht als Lebensziele infrage kamen, was dann? Der Gedanke beschäftigte mich so sehr, dass ich das Weinen völlig vergaß.

Ich weiß nicht, wie lange ich über meine hoffnungslose Zukunft sinniert hatte, als das Telefon klingelte. Ich zuckte zusammen und hob vorsichtig den Hörer ab. »Ja?«
»Entschuldigen Sie, Madame. Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass das Abendessen in einer Stunde serviert wird. Ich soll Ihnen ausrichten, dass angemessene Garderobe gewünscht wird.«
Ich starrte den Hörer an. Dann klackte es und die Leitung war tot. Ich legte den Hörer zurück und versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Die erwarteten tatsächlich, dass ich mich irgendwie nett anzog und strahlend zum Abendessen erscheinen würde. Das war irre. Doch wenn ich je herausbekommen wollte, was ich in meinem Leben noch erreichen wollte, dann blieb mir wohl nichts anderes übrig. Ich erhob mich ächzend vom Bett, rieb mir die verheulten Augen, atmete tief ein und betrat den Kleiderschrank. Wann hatte ich zuletzt ein Kleid getragen? Kleider waren etwas für schlanke, schöne Frauen. Für mich waren eher Hänger und weite Shirts geeignet. Doch gab es davon nichts in diesem Sortiment. Ich entschied mich letztlich für ein Kleid, das nicht all zu eng aussah und legte es auf das Bett. Dann ging ich in das Bad, das größer zu sein schien als meine ganze Wohnung. Natürlich war auch das Bad mit allem ausgestattet, was ich benötigte. Ich fragte mich, woher sie wohl meine bevorzugten Marken kannten. Die Antwort wollte ich mir lieber nicht vorstellen.

Als ich mich frisch gemacht und das Kleid übergezogen hatte, sah ich mich im Spiegel an und erstarrte. Verdammt, dieses Kleid stand mir. Okay, es war etwas sehr verspielt. Überhaupt nicht der eher schlichte Stil, den ich sonst pflegte. Nur passten meine lose herunterhängenden Haare irgendwie nicht zu Abigail, und ich entschloss mich, sie hochzustecken. Wann hatte ich das zuletzt gemacht? Mit vierzehn? Irgendwie kriegte ich es aber hin, und der erneute Blick in den Spiegel zeigte, dass es mir ganz gut gelungen war.

Komplettiert mit den passenden Schuhen, Strümpfen und sogar mit einer farblich abgestimmten Handtasche bestückt stand ich bereit und wartete darauf, dass die Gefängnistür geöffnet wurde. Ich verspürte tatsächlich so etwas wie gespannte Vorfreude, als es zaghaft klopfte und eine Männerstimme fragte, ob ich soweit sei. Mich hätte nicht überrascht, wenn der smarte Lord Huddleston aus meinem Roman vor der Tür stünde und mich in Empfang nähme.

III

Der Sohn des Hauses stand vor mir und lächelte mich an. In seinem auf Maß gearbeiteten Anzug sah er erschreckend gut aus. Er setzte ein Lächeln auf, das seine Augen noch mehr zum Leuchten brachte, und ich konnte mich nicht davon lösen. Es war, als ob mich ein geheimnisvoller Energiestrahl in seinen Bann gezogen hätte. Sascha hielt mir seinen Arm hin. Ich hakte mich wie ferngelenkt ein und schritt neben ihm, ohne das Gefühl zu haben, irgendetwas aktiv dafür zu tun.
»Die ganze Familie ist bereits sehr gespannt und freut sich, dass Sie sich bereiterklärt haben, die Hochzeit meiner Schwester zu beehren.«
Ich sah zu ihm auf, während wir weiter den Flur entlang schritten. Mein Gehirn übernahm langsam wieder die Initiative und formte eigene Gedanken. Ich stoppte, und mein Begleiter sah mich irritiert an. »Haben Sie etwas vergessen?«
»Was haben Sie gerade gesagt?«, purzelte es aus mir heraus.
»Ich meinte, ob Sie etwas vergessen haben.«
»Nein, nicht das. Davor.«
»Das sich alle freuen, dass Sie hier sind?«
Ich schüttelte den Kopf und löste mich von seinem Arm. »Nein, Sie sagten, Sie freuten sich, dass ich mich bereiterklärt hätte.«
Er nickte. »Ja, ist doch das Gleiche.«
»Oh, nein.« Ich hob beschwörend die Hände. »Das ist ganz und gar nicht das Gleiche. Ich bin zwar hier, aber ich habe mich mitnichten dazu bereit erklärt.«
»Wie meinen Sie das?«
»Jetzt stellen Sie sich nicht so dumm. Sie wissen genau, was ich meine.«
»Ach das. Sie sollten die Umstände nicht überbewerten. Es wird Ihnen hier gefallen« Er verzog die Mundwinkel zu einem entschuldigenden Lächeln, was an ihm sehr überzeugend wirkte. Ich musste kurz die Augen schließen und den Kopf schütteln, um meine Gedanken auf das Wesentliche zu fokussieren.
»Ich soll die Umstände vergessen, meinen Sie? Haben Sie sie noch alle? Sie und dieser Profikiller Dimitrij haben mich entführt!« Ich verschränkte die Arme vor die Brust. Ich wollte sehen, was er dazu sagen würde.
»Es mag ja auf Sie so gewirkt haben …« Ich blitzte ihn an.
»Wie bitte? Ich saß da unten neben dem Weinkeller in einem Verlies. Gefesselt an einem Stuhl, und Dimitrij drohte mir mit einem riesigen Messer.«
Nun schüttelte er den Kopf. »Ich kann Ihnen versichern, Mitja würde keiner Fliege was zuleide tun. Er ist schon seit Ewigkeiten unser Fahrer und Mädchen für alles.«
»Pah, Mädchen für alles. Das kann ich mir vorstellen. Ich weiß genau, was Ihre Familie so tut.«
Nun war es an Sascha, böse zu gucken. »Ach ja, woher wollen Sie das denn wissen?«
»Ich lese Zeitungen.«
Er machte eine abfällige Handbewegung. »Sie sollten nicht alles glauben, was in der Zeitung steht.«
»Jetzt kommen Sie mir nicht mit Lügenpresse. Das mag in Ihrem Land so sein. Bei uns gibt es noch seriöse Blätter.«
Mittlerweile war mir Plan B egal. Ich wurde gegen meinen Willen festgehalten, und das verlangte nach Protest und zivilem Ungehorsam. Ich richtete mich so hoch auf, wie es nur ging, und sandte meinem Gegenüber den vernichtendsten Blick, den ich zustandebringen konnte. Es schien zu wirken. Er lächelte sanft. »Frau Madison, die Umstände Ihres Erscheinens tun mir sehr leid. Aber es liegt an Ihnen, es sich angenehm zu gestalten. Glauben Sie mir, es freuen sich wirklich alle sehr, dass Sie hier sind. Genießen Sie doch einfach den Aufenthalt.«
»Sie können mich mal!« Ich drehte mich um und schritt erhobenen Hauptes zurück in mein Zimmer. »Sie können wieder abschließen«, forderte ich ihn auf und schlug die Tür vor ihm zu. Er öffnete sie wieder und lugte herein. »Frau Madison, bitte überlegen Sie es sich noch einmal.«
Ich drehte mich um und trat gegen die Tür. Fast wäre sein Kopf eingeklemmt worden, aber er konnte ihn noch schnell zurückziehen. »Wenn Sie es so wollen«, hörte ich ihn noch sagen, und dann drehte sich der Schlüssel im Schloss.

Ich stand in meinem Zimmer und atmete heftig. Im Spiegel erblickte ich mich in dem Kleid und mit den hochgesteckten Haaren. Ich schleuderte die Handtasche und die Schuhe gegen die Wand. Hastig riss ich mir die Klammern aus dem Haar und ließ es herunterfallen. Dann zog ich mir das Kleid über den Kopf, so dass es ein Geräusch von reißenden Nähten gab und schmiss es zu den Schuhen. Plan B war grandios gescheitert. Wahrscheinlich war mein Leben gescheitert. Einfach alles. Ich ließ mich auf das Bett fallen und schluchzte so heftig, wie ich nur konnte.

Es war dunkel, als ich die Augen wieder öffnete. Ich rieb die Tränenreste aus den Augenwinkeln und drehte mich auf den Rücken. Ich starrte an die Decke und beobachtete, wie sich das schwache Mondlicht im Kristall des Kronleuchters spiegelte. Ein lautes Knurren erinnerte mich daran, dass ich seit Ewigkeiten nicht gegessen hatte. »Mist«, schimpfte ich. »Du hättest doch zum Abendessen gehen sollen.« Aber dann wurde mir bewusst, dass ich über kurz oder lang sowieso von Dimitrij um die Ecke gebracht würde. Warum sollte ich dann noch essen? Vielleicht wäre ich ja dann wenigstens im Tod mal schlank. Bilder kamen mir in den Sinn, wie meine Eltern an meinem Sarg stünden und meine Mutter meinen Vater anstupsen würde. »Bernd«, würde sie sagen. »Sieh mal, sie hat endlich abgenommen.« Mein Vater würde sich dann kurz zu meiner Leiche drehen und erwidern: »Aber ein paar Kilo hätte sie noch schaffen können.«

Dumm nur, dass der Hunger mich daran hinderte, einfach einzuschlafen und den Dingen seinen Lauf zu lassen. Ich erhob mich vom Bett und schaltete das Licht an. Eine Kommode schmückte die Seite, an der sich auch der begehbare Kleiderschrank befand. Ich öffnete die verschiedenen Schubladen und Türen in der Hoffnung, irgendetwas Interessantes zu entdecken. Aber es war alles einfach nur leer. Auch sonst war nichts zu finden, was mir mein tristes Ende hätte aufpeppen können. Ich durchwühlte die Utensilien im Bad. Es war alles da, um sich umfassend zu reinigen und zu stylen. Wäre ich MacGyver hätte ich womöglich aus all dem Krempel ein geschicktes Fluchtwerkzeug basteln können. Aber Amanda Schneider war auch dazu nicht fähig. Frustriert ließ ich mich wieder auf das Bett fallen, um gleich darauf festzustellen, dass ich nur meine Unterwäsche trug und das Bett nicht einmal ordentlich aufgedeckt hatte. Ich stand wieder auf und ging in den Kleiderschrank. Tatsächlich fand ich auch eine Auswahl an Nachthemden und ebenso eine ganze Sammlung himmlischer Dessous. Wow, die teuersten Marken waren vorhanden, und ich musste mich kurz schütteln und mir in Erinnerung rufen, dass ich eine Gefangene war. Ich schmiss alles zurück, griff das unscheinbarste Nachthemd, das ich finden konnte, und stapfte ins Bad.

Es klingelte. Immer wieder. Ich versuchte, das Geräusch einzuordnen, aber es klang überhaupt nicht wie mein Wecker oder sonst irgendetwas, das mir bekannt vorkam. Ich musste die Augen öffnen, um die Quelle dieses nervigen Geräuschs näher zu sondieren. Das hätte ich nicht tun sollen. Mit einem Schlag fiel mir wieder ein, wo ich war und unter welchen Umständen. Dabei hatte ich mich so schön weggeträumt. Nun ergab auch das Klingeln einen Sinn. Das magische Telefon war der Urheber des Geräuschs. Ich überlegte, ob ich den Hörer abheben oder einfach in den vollständigen Streik treten sollte. Allerdings verspürte ich sehr deutlich, dass es meinen Magen nach Essbarem gelüstete. Der Gedanke an ein Frühstück ließ mich automatisch zum Hörer greifen. Es meldete sich wieder die bekannte Männerstimme. »Guten Morgen, Madame. Ich soll Sie davon in Kenntnis setzen, dass der Frühstückstisch bereitsteht und man Sie in dreißig Minuten abholen wird.«
»Hören Sie mal. Sagen Sie Ihrem Chef, er kann mich mal. Bringen Sie mir mein Frühstück gefälligst …« Es machte nur klack, und die Leitung war tot. Ich schmiss den Hörer auf die Gabel. Wenn die dachten, ich würde jetzt einfach bereitstehen und machen, was sie von mir wollten, dann hatten sie sich geschnitten. Wütend zog ich mir die Decke über den Kopf und drehte mich zur Seite. Ich würde schlank sterben. Punkt.

Es dauerte nicht lange, und mein Magen machte mir eindringlich klar, dass dem Tod mit Traumfigur eine sehr qualvolle Zeit vorausgehen würde. Ich konnte mich noch nie gut selbst quälen. Nicht im Ballett, nicht in der Schule und hier auch nicht. Ich drehte mich auf den Rücken, verschränkte die Hände hinter den Kopf und starrte auf die Stuckverzierungen an der Deckenumrandung. Es war zu erwarten, dass ich die Qualen sowieso nicht aushalten würde. Es wäre also eine dumme Strategie, es darauf ankommen zu lassen. Viel besser wäre es, mich zu stärken und mir neue Möglichkeiten zur Flucht zu erarbeiten. Aber ich dürfte dabei nicht zu willfährig wirken. Meine Entführer sollten meinen Widerstand jederzeit zu spüren bekommen. Dies erschien mir ein viel besserer Weg, als hier zu sterben. Ich entschloss mich, aufzustehen und mich zum Frühstück abholen zu lassen. Nach ein oder zwei Tee und einem guten Frühstück würden mir schon hilfreiche Ideen kommen. Schließlich war ich Schriftstellerin. Morgendliche Ideen waren quasi meine Kernkompetenz.

Ich stieg aus dem Bett und ging ins Bad. Auf keinen Fall würde ich mich schminken. Es gab nur die grundlegende Morgentoilette. Dann zog ich mir die Klamotten an, in denen ich entführt worden war. Ihnen haftete immer noch der Duft von Verlies mit leichtem Weinaroma an. So würde ich ein stetes Mahnmal für meine Entführer sein.

Ich stand bereit, als sich der Schlüssel im Schloss drehte und sich die Tür öffnete. Hatte ich erwartet, dass mich wieder der Sohn des Haues abholen würde, wurde ich enttäuscht. Ich blickte in Dimitrijs mürrisches Gesicht. »Morgen, Dimitrij«, flötete ich übertrieben höflich und hoffte, er würde meinen Sarkasmus erkennen. Er sagte nur: »Mitkommen.« Ich trottete hinaus auf den Flur. Dimitrij nickte mit dem Kopf in die Richtung, in die ich gehen sollte, und ich setzte mich in Bewegung. Mal sehen, was mich erwartete.

Ich brauchte nicht lange zu warten. Ein blondes Etwas stürmte auf mich zu und fiel mir um den Hals, als Dimitrij und ich die Küche betraten. Ich hatte erwartet, die Familie würde gestylt und aufgetakelt an einer langen Tafel im Esssaal des Anwesens sitzen und wortlos an Croissants knabbern. Doch der recht imposante Speisesaal war verwaist, als Dimitrij und ich ihn durchquerten. Stattdessen gingen wir in die Küche, wo diese Frau sich an mich hängte. »Oh, Frau Madison, es ist so toll, dass Sie gekommen sind.« Sie drückte mich noch fester, und ich befürchtete, erdrückt zu werden. Vorsichtig versuchte ich, mich aus der Umklammerung zu lösen. Sie bemerkte meine Bemühungen und ließ von mir ab. »Oh, entschuldigen Sie«, stammelte sie. Ich konnte sie nun näher betrachten. Sie entsprach voll und ganz dem Klischee einer verwöhnten Millionärstochter, und daher vermutete ich, dass es sich um Vanessa handeln musste. Der Frau, der ich dieses Schlamassel zu verdanken hatte. Ich hasste sie sofort. Daher gönnte ich ihr auch lediglich einen kurzen, vernichtenden Blick, schob sie noch etwas weiter von mir weg und machte einen Schritt weiter in die Küche. Neben dem blonden Etwas, Dimitrij und mir befanden sich drei Männer in der Küche. Ein etwas unscheinbarer, junger Mann saß am Frühstückstisch und sah unsicher in meine Richtung. Er gehörte definitiv nicht zu der Familie. Vermutlich handelte es sich um den Bräutigam. Ein sehr distinguiert wirkender älterer Herr schenkte Kaffee nach. Das musste der Butler sein. Wahrscheinlich war es seine Stimme, die ich immer aus dem Telefon gehört hatte. Zu guter Letzt grinste mich Sascha an und zeigte auf einen Stuhl ihm gegenüber. »Schön, dass Sie sich doch zu uns gesellen. Setzen Sie sich«, forderte er mich auf, und ich überlegte kurz, eine Kehrtwendung zu machen und mich wieder im Zimmer einzukerkern. Doch die Croissants sahen so köstlich aus und der Kaffeeduft, der mir um die Nase wehte, benebelte meine Sinne. Zudem gab mir Dimitrij einen leichten Schubs in Richtung des Tisches. Ich ging zum angebotenen Platz und setzte mich. Dimitrij verließ die Küche.

»Kaffee, Madame?« Der Butler tauchte neben mir auf und hielt mir die Kaffeekanne entgegen.
»Haben Sie auch schwarzen Tee?«
»Selbstverständlich, Madame. Welchen hätten Sie denn gerne?«
»Einen Assam vielleicht?«
»Selbstverständlich.« Der Butler wandte sich ab. Sascha hielt mir den Korb mit den goldbraunen Croissants entgegen. »Die müssen Sie probieren. Frisch gebacken.«
Wortlos griff ich eines der Gebäckstücke und legte es mir auf den Teller. Vanessa nahm auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches Platz, gleich neben dem unscheinbaren jungen Mann. Nun fiel sie ihm um den Hals. »Das ist Paul. Mein Liebster«, sagte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Paul lächelte gequält und ergänzte dies mit einem kurzen Nicken. Er tat mir jetzt schon leid. Womöglich war er, genau wie ich, gar nicht freiwillig hier. Sein Gesichtsausdruck ließ dies durchaus im Bereich des Möglichen erscheinen. Es würde ratsam sein, sich einmal in einem unbeobachteten Moment mit ihm auszutauschen.
»Frau Madison, Sie ahnen gar nicht, welche Freude Sie uns machen, dass Sie zu unserer Hochzeit gekommen sind. Nicht wahr, Schatz?« Vanessa tippte Paul an den Arm, und er reagierte prompt mit einem gehauchten Ja. Seine Braut quittierte dies mit einem weiteren Kuss auf die Wange, um dann gleich weiterzureden. »Mein Papa hat erzählt, wie schwierig es für Sie war, den Termin freizuschaufeln.«
Ich starrte sie mit großen Augen an. Sie wusste es nicht. Sie hatte keine Ahnung. Ich könnte Ihre Illusion mit ein paar Worten zerstören. Ich würde Sie womöglich völlig erschüttern. Gewiss wäre die Hochzeit dadurch gefährdet. Definitiv würde es ein Durcheinander geben, und dies könnte ich nutzen, um hier wegzukommen. Es war eine gute Entscheidung gewesen, zum Frühstück zu gehen. Ich spürte, wie die Macht in mir wuchs, und war mir sicher, dass ein diabolisches Grinsen auf meinem Gesicht erschien. Ich atmete ein und öffnete den Mund, um meine vernichtenden Worte abzuschießen.
»Butter?« Sascha hielt mir einen Teller mit sorgsam ausgestochenen Butterkügelchen entgegen. Sein Blick sandte eine deutliche Botschaft: Wenn du etwas sagst, bist du tot. Ich musste die bereits vorgeformten Worte zurückziehen und verschluckte mich. Ich musste husten. Der Butler stellte ein Kännchen mit Wasser und einem Teenetz vor mir ab, und ich pickte mit einem Gäbelchen eines der Butterkügelchen auf, um es auf den Teller vor mir abzulegen. »Danke«, murmelte ich, und Sascha setzte den Butterteller wieder ab. Ich sandte ihm einen Blick, der sagen sollte, dass ich verstanden hätte. Er lächelte. Ich zog das Teenetz aus dem Wasser, füllte etwas Tee in meine Tasse, träufelte ein paar Tropfen der Sahne hinein und nahm einen Schluck. Dann biss ich ein Stück vom Croissant ab. Mein Magen jubilierte, und ich musste dagegen ankämpfen, nicht glücklich aufzujauchzen. Es kostete mich große Anstrengung, meinen mürrischen Gesichtsausdruck zu bewahren, um weiterhin den inneren Protest auszudrücken. Es half mir, Pläne zu schmieden, während ich Butter auf mein Croissant schmierte und Stück für Stück abbiss. Ich beobachtete das Brautpaar und wie Vanessa mich beobachtete. Meine Strategie war klar. Ich musste auf die passende Gelegenheit warten, um diesem Theater ein Ende zu setzen.

IV

Die Tür zur Küche wurde schwungvoll geöffnet und eine Stimme erschallte, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Guten Morgen, Kinderchen!« Ich wandte mich der Quelle dieses Sirenenklanges zu und erschrak ein zweites Mal. Eine extrem aufgedonnerte Dame kam in unsere Richtung geschwankt. Die Menge an Schmuck, die an ihr baumelte, hätte sicherlich genügt, um ein mittleres afrikanisches Land durch die Hungersnot zu bringen. Sie trug einen weißen Hosenanzug und Highheels, die niemals dafür gedacht gewesen sein konnten, sich darin fortzubewegen. Dennoch lief sie mehr oder weniger gerade auf mich zu. »Oh, das muss die berühmte Schriftstellerin sein.« Die Erscheinung blieb vor mir stehen und musterte mich von oben bis unten. »Ich habe Sie mir glanzvoller vorgestellt. Und schlanker.«
»Stephanie, sei nicht so unhöflich zu unserem Gast«, mischte sich Sascha ein. Er sprang auf und ging um den Tisch herum auf die Frau zu. Die stieß ihn mit einer Hand weg und drehte sich stattdessen zu Vanessa und Paul. »Ah, die Turteltäubchen sind auch da. Sind sie nicht süß?«, fragte sie, wieder zu mir gewandt. Ich konnte aber nicht antworten, denn Sascha packte diese aufgetakelte Fregatte und schob sie in Richtung Tür. Die öffnete sich und Dimitrij erschien. »Kannst du dich um sie kümmern, Mitja?«, fragte der Sohn des Hauses. Das sogenannte Mädchen für alles nickte nur, packte die Frau und zog sie aus der Küche, begleitet von ohrenbetäubendem Geschimpfe. »Lass mich los, du abgefuckter Hurensohn«, klang es noch in die Küche, dann wurde es wieder ruhig. Alle schwiegen. Vanessa hatte Tränen in den Augen. »Weine nicht, mein Liebling«, wandte sich Paul ihr zu und zog sie zu sich. So saßen die beiden dort Arm in Arm mir gegenüber. Ich versuchte immer noch, meinen Mund wieder zu schließen, und dieses kurze Gewitter einzuordnen.
»Tut mir leid, dass Sie das mit ansehen mussten.« Sascha hatte sich wieder mir gegenüber an den Tisch gesetzt.
»Ihre Mutter?«, fragte ich.
»Stiefmutter. Die dritte Frau unseres Vaters.«
»Oh.« Ich fischte ein paar Croissantkrümel von meinem Teller. »Kommt denn Ihre richtige Mutter auch zur Hochzeit?«
Vanessa schluchzte hörbar auf, und Paul zog sie fester an sich. Sascha schüttelte den Kopf. »Nein, sie ist gestorben.«
»Oh, tut mir leid.« Wahrscheinlich keines natürlichen Todes, fügte ich innerlich hinzu und nahm meine Teetasse, um festzustellen, dass sie leer war. Ich suchte James’ Blick. Er verstand sofort und begann, Teeutensilien zusammenzustellen. Alle schwiegen und hingen ihren Gedanken nach. James stellte mir den Tee hin und ich führte das Teenetz ins Wasser. Ich hasste solche Pausen, in denen niemand etwas sagte. Konnte ich noch nie leiden.
»Wie sind denn die Planungen zur Hochzeit?«, versuchte ich, die Gedanken abzulenken. »Man hat mir noch gar nicht erzählt, wie der Ablauf ist.«
Vanessas Gesicht hellte sich auf, und sie löste sich aus Pauls Umarmung.
»Es gibt noch so viel zu tun«, begann sie und suchte Pauls bestätigenden Blick, den er ihr auch prompt schenkte. »Heute Abend gibt es eine kleine Gartenparty für die engsten Freunde und Verwandten. Morgen ist dann der große Tag.«
Zwei Tage, das war ja überschaubar. Vanessa fuhr fort: »Nachher muss ich mein Kleid abholen. Möchten Sie mich nicht begleiten?« Sie sah mich auffordernd an.
»Äh …« Würde man mich so einfach aus meinem Gefängnis entlassen? Ich suchte Saschas Blick, und der nickte unmerklich. Das wurde ja einfacher als gedacht. Ich lächelte Vanessa zu. »Ich komme sehr gerne mit.«
»Wie schön.« Sie stand auf und tippte Paul auf die Schulter. »Kommst du?« Er erhob sich sofort und beide verließen die Küche. Vanessa winkte mir noch kurz zu, als sie in der Tür stand. »Ich komme Sie dann abholen.« Dann waren sie verschwunden und die Küche gehörte Sascha und mir. Und James, aber der war quasi unsichtbar.
»Ihre Schwester weiß nichts«, stellte ich fest.
Sascha nickte. »Ja, und das soll auch so bleiben.«
»Ich bin nachher mit Vanessa unterwegs.« Ich setzte ein geheimnisvolles Lächeln auf, aber das schien Sascha nicht sehr zu beeindrucken. Er lächelte zurück. »Denken Sie daran, wer sie fahren wird.«
Mist, das Mädchen für alles, der Profikiller des Hauses.
»Macht es Ihnen Spaß, so mit den Menschen zu spielen?«, schimpfte ich.
»Nein, aber ich tue alles für meine Schwester.«
»Pah, was würde Ihre Schwester denn tun, wenn Sie die Umstände meines Erscheinens kennen würde? Meinen Sie, sie wäre Ihnen dankbar?«
»Hören Sie, mir ist klar, dass Sie mich und meine Familie verachten. Dass Sie uns allesamt für Verbrecher halten. Aber das ist mir egal. Meine Schwester und ich, wir hatten immer nur uns beide. Mein Vater war nie da, unsere Mutter ist früh gestorben, und unsere Stiefmütter …« Er machte eine gedankenschwere Pause. »Sie haben es ja gesehen. Glauben Sie mir, wenn Sie meiner Schwester die Hochzeit verderben, werden Sie das bereuen. Haben wir uns verstanden?« Er hatte sich etwas aufgerichtet und sich über den Tisch in meine Richtung gebeugt. Sein kantiges Gesicht schwebte direkt vor mir. Seine Augen blitzten heftig, und ich konnte die dunklen Bartstoppeln erkennen. Sein dunkelblondes Haar hatte er leicht gestylt, was seinen verwegenen Eindruck unterstrich. Er trug ein einfaches T-Shirt, unter dem ich die muskulöse Brust erkennen konnte. Ich wollte eine schnippische und möglichst vernichtende Antwort geben, aber mir fiel nichts ein. Ich konnte mich nicht von diesem Körper lösen. Verdammt, war das dieses Stockholm-Syndrom, bei dem man sich in seinen Entführer verguckt? Ich griff zu meiner Teetasse, um mich abzulenken und irgendwie aus dieser Situation herauszukommen. »Ist ja schon gut«, sagte ich und nippte am Tee. »Bringen Sie mich wieder auf mein …« Ich holte tief Luft. «… Zimmer, damit ich mich für Ihre Schwester fertig machen kann?«
Sascha sah mir tief in die Augen. Ich konnte dem Blick nicht lange standhalten und musste ausweichen. Er lächelte. »Wenn Sie mir versprechen, keinen Ärger zu machen, verzichte ich auf das Absperren der Tür, und Sie können sich frei im Haus bewegen.«
Ich sah wieder auf und in sein Gesicht. Dann hob ich die Finger zum Schwur. »Indianerehrenwort.«
Er ließ sich in seinen Stuhl fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Okay. Dann können Sie gehen. Durch das Esszimmer und dann rechts. Sie werden es schon finden.«
Zur Sicherheit musterte ich nochmal seinen Blick, ob er es wirklich ernst meinte. Es sah so aus. Ich trank meinen Tee aus und stand auf. Es fühlte sich an, als ob ich die ersten Schritte meines Lebens tun würde. Langsam ging ich zur Tür und drehte mich noch einmal zu ihm. Er saß immer noch regungslos am Tisch. Dann öffnete ich die Tür, ging hindurch und schloss sie hinter mir. Ich war frei. Na ja, zumindest ein bisschen. Ich ging durch das Esszimmer, dann nach rechts und überlegte, ob ich meine neugewonnene Freiheit nicht nutzen sollte, um ein wenig herumzuspionieren. Dann entschied ich mich aber, es erst einmal nicht gleich auszureizen. Es hieß, Vertrauen aufzubauen. Meine Chance zur Flucht würde schon kommen.

Als es an der Tür klopfte, stand ich bereit. Ich hatte mich entschlossen, mich umzuziehen. Es gab glücklicherweise in meiner Kleiderauswahl auch ein paar Jeans und dazu weite Blusen. Ich wirkte also nicht aufgetakelt, aber dennoch ordentlich gekleidet. Ich öffnete die Tür und Vanessa strahlte mich an. »Sind Sie soweit?«
Ich nickte.
»Schön. Dann los.« Sie schritt voran, und ich folgte ihr. Wir kamen wieder durch die Eingangshalle und verließen das Haus. Dimitrij stand vor einem Auto und beobachtete uns. Als wir bei ihm angekommen waren, drehte ich mich um und betrachtete das Haus. Es wirkte von hier aus kleiner, als ich es von innen empfunden hatte. Es war wirklich kein Schloss. Man könnte es als herrschaftliche Villa bezeichnen. Dimitrij öffnete die hintere Tür am Wagen und sah mich an. »Danke«, flötete ich übertrieben höflich. Vanessa stieg auf der anderen Seite ein. Dimitrij nahm vor mir auf dem Fahrersitz Platz und ich betrachtete seinen ausrasierten Nacken. Dann startete er den Wagen und fuhr los.
»Es ist so schön, dass Sie mich begleiten. Es ist überhaupt toll, dass Sie gekommen sind.« Vanessa strahlte mich an und ich bemühte mich, ebenfalls ein Lächeln auf meinem Gesicht hinzukriegen. »Ich habe alle Ihre Bücher gelesen«, fuhr sie fort. »Niemand kennt sich so gut mit der Liebe aus wie Sie.«
Was sollte ich dazu sagen? Ich schwieg, doch Sie schien eine Antwort oder irgendeine Äußerung zu erwarten. »Hm.« Mehr ging nicht.
»Das hören Sie bestimmt ständig von Ihren Fans, nicht wahr?« Wieder erwartete Sie eine Antwort.
»Hm.«
»Ist es Ihnen unangenehm, wenn ich so etwas sage?« Sie sah irritiert und etwas enttäuscht aus. Aber enttäuschen durfte ich das von allen umsorgte Töchterchen und Schwesterchen nicht. Also musste ich mich zusammenreißen und tiefer in meine Rolle als nette Schriftstellerin eintauchen.
»Nein, nein«, stammelte ich. »Es ist eher ungewohnt. Ich komme nur selten mit Fans in Kontakt. Von Angesicht zu Angesicht, meine ich.«
»Ja, mein Vater hat schon erzählt, dass Sie sehr zurückgezogen leben und dass er Mühe hatte, Sie zu finden.« Sie stockte. »Auf Ihrer Webseite sehen Sie auch irgendwie anders aus.«
»Photoshop«, murmelte ich.
»Finde ich schade. In natura sehen Sie irgendwie nahbarer aus.« Sie machte eine Pause, um dann fortzufahren. »Ich hoffe, Ihr Mann hat nichts dagegen, dass Sie hier sind. Sie hätten ihn auch ruhig mitbringen können.«
»Ach, äh, er macht sich nichts aus solchen Sachen und musste sowieso arbeiten.«
»Sie wirken auf den Fotos so glücklich. So möchte ich mit Paul auch mal aussehen.«
Ich drehte mich zu ihr. »Ich finde, dass tun Sie schon.«
Sie lächelte dankbar. »Finden Sie? Ich liebe ihn auch wirklich. Er ist für mich da und sieht mich so, wie ich bin. Ist es nicht einzigartig, wenn es einen Menschen gibt, der einen einfach versteht? Ganz egal, was ich tue, ich weiß, er versteht mich. Bei Ihnen und Ihrem Mann ist es gewiss auch so, nicht wahr?«
Ich konnte nur nicken und die Lippen zusammenpressen.
»Es war nicht leicht für Paul, von meiner Familie angenommen zu werden, aber er hat das alles auf sich genommen. Für mich.« Sie seufzte.
»Kann ich mir denken, dass das nicht leicht war«, rutschte es mir heraus. Vanessa drehte sich zu mir und sah mich fragend an. Ich erschrak. »Ich meine, Ihr Vater und Ihr Bruder sind schon sehr bestimmend und kümmern sich rührend um Sie.«
»Ja, das tun sie schon, irgendwie. Aber sie würden mich am liebsten in eine Vitrine packen und ausstellen. Nur an mich herankommen dürfte niemand. Seit Mutters Tod fühlen sich beide für mich verantwortlich. Keinen Schritt haben sie mich alleine machen lassen. Wenn sich mir in der Schule mal ein Junge näherte, hat Sascha ihn gleich aufs Korn genommen.«
»Wie haben Sie dann Paul kennengelernt?«, hakte ich nach.
»Beim Shoppen.« Sie lachte auf. »Es war so romantisch.« Sie ließ sich in den Sitz fallen und drehte sich wieder zu mir. »Ich war mit Freundinnen im Shopping-Center. Und da stand er mit seinem Eiswagen. Er sah so süß aus mit seinem bunten Käppchen. Seine Augen wurden ganz groß, als ich zu ihm kam, um ein Eis zu bestellen. Stracciatella und Erdbeer. Seine Hand zitterte, als er mir das Hörnchen reichte.« Sie gluckste auf. »Ich habe mich gleich in seine sanften Augen verliebt und ihn gefragt, wann er Feierabend hätte. Er war so herrlich schüchtern. Na ja, dann habe ich auf ihn gewartet.«
Ein Eisverkäufer, da werden Vater und Bruder aber glücklich gewesen sein. »Was haben denn Ihr Vater und Ihr Bruder dazu gesagt?«
Sie verzog das Gesicht. »Sie waren natürlich total dagegen. Aber ich habe ihnen klargemacht, dass ich ihn will oder sonst keinen. Da haben sie schließlich klein beigegeben.«
Was das Töchterchen will, das kriegt es auch, kam mir in den Sinn.

Während unseres Gesprächs versuchte ich, die Landschaft zu betrachten und herauszubekommen, wo ich war. Die Entführung war so schnell verlaufen, dass ich nichts mitbekommen hatte. Ich war aus dem Haus getreten, jemand hatte mir einen Sack über den Kopf gestülpt, und gerade, als ich erschrocken aufschreien wollte, war die Welt um mich herum versunken. Als ich aufgewacht war, hatte ich im Keller von Weinduft umhüllt einem Killer gegenüber gesessen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange es gedauert hatte, bis ich in meinem Gefängnis angekommen war. Ich konnte überall sein. Zuerst hatte ich befürchtet, sie hätten mich tatsächlich irgendwo nach England transportiert, aber ich hatte mit Beruhigung festgestellt, dass das Auto Linkssteuerung und ein deutsches Nummernschild hatte. Die Gegend, durch die wir fuhren, kam mir bekannt vor. Es waren Weinberge zu sehen. Und einmal, als sich die Straße um einen Berg schlängelte, sah ich im Tal einen größeren Fluss und ein Städtchen. Die Straße führte uns in dieses Städtchen und das Ortsschild zeigte mir, dass meine Vermutung richtig war. Wir waren an der Mosel. Nicht weit von dem Ort entfernt, an dem ich Abigails Domizil positioniert hatte. Sollte Vanessa auf die Idee kommen, einfach mal zu mir fahren zu wollen, käme ich in ziemliche Schwierigkeiten. Doch dies war nicht mein dringendstes Problem. Ich musste sehen, ob es Chancen zur Flucht geben würde.

Der Wagen hielt in einer grob gepflasterten Seitengasse vor einem unscheinbar wirkenden Geschäft für Brautmode. Lediglich ein Fenster, hinter dem ein entzückendes, weißes Kleid ausgestellt war, vermittelte einen Eindruck davon, was man in diesem Geschäft bekommen konnte. Wir stiegen aus, und Vanessa ging voran. »Ich bin so gespannt, wie Ihnen mein Kleid gefallen wird«, sagte sie in meine Richtung, als sie die Tür zum Laden öffnete und das Bimmeln eines Glöckchens erklang. Dimitrij blieb am Wagen stehen und musterte mich ausdruckslos. Ich folgte Vanessa in das Lädchen.

Eine Frau erschien aus dem durch einen Vorhang abgetrennten hinteren Teil des Ladenlokals und steuerte mit einem Lächeln auf Vanessa zu. »Ach, Vanessa, schön, dass du so pünktlich erscheinst. Alles ist bereit für dich.« Vanessa und die Dame begrüßten sich mit Wangenküssen. Vanessa fasste die Frau an die Hand »Ich bin schon sehr gespannt, meine liebe Eva.« Sie drehte sich zu mir. »Darf ich dir die berühmte Schriftstellerin Abigail Madison vorstellen?« Die Frau löste sich von Vanessa und kam auf mich zu. Sie reichte mir die Hand. »Es ist mir eine Ehre, Sie in meinem kleinen Lädchen begrüßen zu dürfen.«
Ich nickte und ergriff ihre Hand. »Ein sehr schönes Geschäft haben Sie.«
Eva lächelte. »Es freut mich, dass es Ihnen gefällt. Wenn Sie mögen, zeige ich Ihnen einige Modelle, die Ihnen sicherlich wunderbar stehen werden.«
Vanessa schaltete sich ein. »Frau Madison ist bereits verheiratet. Da kannst du leider kein Geschäft mehr machen.«
»Wie schade«, erwiderte Eva lächelnd, und ich versuchte, ebenfalls ein Lächeln auf meinem Gesicht hinzubekommen.
»Sie können dort Platz nehmen«, forderte die Ladenbesitzerin mich auf. »Möchten Sie vielleicht einen Prosecco?« Ich nickte. »Kommt sofort«, bestätigte sie und wandte sich dann Vanessa zu. »Dann komm mal mit.«

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739411262
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Februar)
Schlagworte
Liebesroman Schriftsteller Entführung Humor

Autor

  • Vera Nentwich (Autor:in)

Vera Nentwich ist lustig und irgendwie ungewöhnlich. Die Autorin ist Entertainerin durch und durch; sie eroberte die Theaterbühne, macht Musik und schreibt seit Jahren erfolgreich humorvolle Krimis und Romane. Lesungen können da schon mal zu einer wahren Bühnenshow ausarten und Gästen zahlreiche neue Lachfalten bescheren. Vera Nentwich lebt intensiv. Mit ihren Büchern will sie inspirieren, Hoffnung geben und Traumschlösser bauen.
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Titel: Pseudonyme küsst man nicht