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Unbekannte Helden

Auf gefährlicher Mission

von Oliver C. Bonzol (Autor:in)
384 Seiten

Zusammenfassung

Wer auf fesselnde Geschichten mit Action und ein wenig Liebe steht, der ist bei dem Thriller genau richtig. Fulminant und rasant rast die Handlung auf mehreren Kontinenten voran. Eine hohe Taktung und Action, mit einer mörderischen Geheimgesellschaft, einer vergessenen speziellen Sonderermittlungseinheit mit Namen Government Control 4 (GC4), dem MAD, dem DPSD und zwei Normalos, wie es einem flott geschnittenen Agentenfilm entspricht, lässt einem das Buch cineastisch anmuten. Arthur William Humb, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, gibt den Befehl für einen Giftgasanschlag auf die internationale Friedenskonferenz in Kinshasa. Damit fällt er das Todesurteil für unzählige Menschen. Mit allen Mitteln kämpfen eine Taskforce des Senats und die in Vergessenheit geratene Sonderermittlungseinheit Government Control 4 gegen diese, über Leichen gehende, Verschwörung. Lorenz Douglas Sinclaire ist ein sportlicher, durchtrainierter Mann von 28 Jahren. Er wohnt in einer alten Tankstelle im Ruhrgebiet und betreibt eine kleine Firma gegen Cyberkriminalität. Sinclaire erlangt verstörende Informationen zu einem geplanten Anschlag und zusammen mit der bezaubernden Lara, begibt er sich auf eine abenteuerliche Reise. Auch der militärische Abschirmdienst (MAD) bekommt Hinweise zum geplanten Anschlag. Zusammen mit dem französischen DPSD versuchen sie, den Fall zu knacken. Die Ereignisse in den USA und Europa überschlagen sich und schließlich laufen alle Fäden in Afrika zusammen. Ein komplexer Thriller, der Sie mit auf eine atemberaubende Verfolgungsjagd nimmt. Begleiten Sie die unbekannten Helden im Kampf gegen Verschwörung, Mord und einem schrecklichen Attentat.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Prolog

1651 Hafen von New York

Nach einer gut geplanten Flucht aus dem alten Europa trafen sich 12 langhaarige, unrasierte und heruntergekommene Männer im O’Reilly’s Pub. Die Hafenkneipe sah noch schäbiger aus, als alle ihre Besucher. Schon in Europa hatten sie eine geheime Gesellschaft Namens Scientia gegründet, um ihre gemeinsamen Ziele zu verfolgen.

Scientia potential est. Wissen ist Macht, Wissenschaft steht vor Staatsmacht, dies waren ihre Leitsprüche.

Diese 12 Immigranten aus vier Ländern bildeten die Basis der uralten Geheimgesellschaft: die Scientia. Brach irgendwo auf der Welt ein Krieg aus, lieferten sie die Waffen. Gab es auf der Welt irgendwo eine größere Krankheitswelle, brachten die Firmen der Familie, die zufällig gerade rechtzeitig fertiggestellten Medikamente auf den Markt. In anderen Fällen gab es Testreihen mit biologischen Kampfstoffen in der freien Natur, wie erst vor einiger Zeit in Deutschland. Dort waren viele Menschen an einem bis dato relativ harmlosen Keim, der auf Obst und Gemüse zu Hause war, erkrankt. Zu ihren Leitsprüchen gehörte auch: »Wirtschaft lebt vom Wachstum. Wenn das Wachstum stagniert, muss man es düngen.« Des Weiteren musste man den Ölmarkt immer wieder durch verschiedene Aktionen anheizen. Damit konnte man die Gewinne maximieren. Größere Kriege wurden von langer Hand gut vorbereitet. Erfundene Beweise für irgendwelche Gräueltaten oder Massenvernichtungswaffen wurden über ihre Nachrichtenkanäle forciert. Die Kontaktleute der Familie gaben diese falschen Informationen an diverse Geheimdienste weiter. Dadurch kam es dann in den entsprechenden Ländern zum Krieg, auf diese Weise wurden Milliarden verdient. Erst durch die Zerstörung, dann durch den Wiederaufbau.

Oktober 1974 Government Control 4 Zentrale, Washington, USA

Der Rücktritt von Richard Nixon lag zwei Monate zurück. Aufgrund seines Machtmissbrauchs und dem seines Stabes, blieb ihm keine andere Wahl. Die Beweislast unzähliger Enthüllungen, im Rahmen der Watergate Affäre, war zu groß. Durch das Fehlverhalten des Präsidenten wuchs der Einfluss des United States House Committee on the Judiciary. Die Mitglieder des Komitees sollten das Land vor allem schützen, was die innere Sicherheit bedroht. Ein Großteil der Aufgabe war die Überwachung der ordnungsgemäßen Ausübung der Ämter von gewählten Mandatsträgern. Im Jahre 1975 schufen sie eine streng geheime Sonderermittlereinheit mit Namen Government Control 4 (GC4). Diese Einheit setzte sich aus unparteilichen Überwachungsspezialisten zusammen. Ihre einzige Aufgabe lag darin, die Regierungsmitarbeiter auf Verfassungstreue zu überwachen. Keine Regierungsinstanz, nicht einmal der Präsident der Vereinigten Staaten, hatte die Befugnis, auf diese Ermittler einzuwirken. Im Rahmen ihrer Ermittlungen haben sie Zugriff auf alle Überwachungseinrichtungen des Landes. Sie sind keine Polizeieinheit, sondern ermitteln nur. Dann geben sie ihre Beweise weiter an die zuständigen Behörden.

Wie der Zufall der Geschichte es wollte, wurde das United States House Committee on the Judiciary häufig neu besetzt. Das geschah so oft und so schnell, dass im Jahre 1991 kein Mitglied des ehrenwerten Komitees mehr von der Existenz der Government Control 4 wusste. Die Aufgaben der GC4 Einheit waren klar festgelegt, auch wenn sich alle paar Jahre die zu überwachenden Personen änderten. Damit ist bis heute sichergestellt, dass diese geheime Einheit unabhängig agieren konnte. Die Ermittlungsergebnisse und Berichte wurden seit jeher einfach in den Behörden-Posteingang eingeschleust und so dem Komitee als Basis seiner Arbeit zugeführt. Der Sitz der 80-köpfigen Einheit lag mitten in Washington, unter dem Informationszentrum des Smithsonian Institution. Dieser Gebäudekomplex gehörte zum ältesten Teil des Museums. Bei den Angestellten wurde es als "The Castle" bezeichnet.

13. Juni 2018

Friedenskonferenz, Kinshasa, Kongo

Strahlend blauer Himmel, 28 Grad, ein leichter Wind weht durch die Straßen der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo.

Sicherheitskräfte aus Frankreich und Deutschland haben das Gebäude, in dem die internationale Friedenskonferenz für den Kongo tagt, weiträumig abgesperrt. Auf den umliegenden Dächern sind Scharfschützen postiert. In den Straßen patrouillieren Soldaten mit blauen Helmen der EU-Friedenstruppe in gepanzerten Fahrzeugen. Vor den Absperrungen drängen sich Journalisten und Fernsehteams aus der ganzen Welt. Begeisterte Einheimische feiern die Friedenskonferenz, als wenn diese allein schon das Ende aller Unruhen und Massaker im Lande brächte.

Danyo Ababudo ist mit 18 Jahren einer der jüngsten Soldaten seiner Einheit. Er ist als Sicherheitsbeamter mit der Überwachung des Luftraumes über dem Kongresszentrum betraut. Schon seit zähen fünf Minuten versucht er jemanden im Lagezentrum, das für die Sicherheit der Friedenskonferenz verantwortlich ist, zu erreichen. Die Verbindung schweigt beharrlich, nur das nervtötende Knarzen aus dem Gerät treibt ihm die Schweißperlen auf die Stirn.

›Was soll ich jetzt machen?‹, fragt er sich immer und immer wieder. ›Ich darf meinen Posten nicht verlassen. Mein Kommandant hat mir diese wichtige Aufgabe anvertraut.‹

Auf dem Dach wird es immer heißer. Die Ziegel verstärken die Hitze wie in einem glühenden Backofen. Er nimmt seine schweißgetränkte Kappe ab und versucht, sich mit seinem Uniformhemd das Gesicht abzutrocknen. Wie Salzsäure brennt das von der Gluthitze ausgewaschene Salz auf seiner Haut und in seinen Augen.

»Zentrale bitte kommen. Hallo, hört mich keiner?«

Seine Stimme bebt vor Verzweiflung. ›Was soll ich machen? Gegen den Befehl meinen Posten verlassen und mir ein neues Funkgerät holen oder auf dem Dach bleiben, aber im Ernstfall keine Meldung machen können?‹ Er leert seine Wasserflasche in einem Zug. Dann verlässt er die Backofenhitze seines Beobachtungspostens. »Zentrale bitte kommen, Zentrale bitte kommen!« Auf dem Weg zum Lagezentrum versucht er weiter, über Funk Kontakt aufzunehmen. Sein Funkgerät lässt ihn weiter im Stich. Es straft ihn mit Schweigen. Im Lagezentrum angekommen, läuft er ausgerechnet seinem Kommandanten direkt in die Arme.

»Ja sind Sie denn wahnsinnig, Ihren Beobachtungsposten zu verlassen?«, schreit sein Vorgesetzter. Der baut seine massige Gestalt von zwei Meter Höhe, und einem Kampfgewicht von 150 Kilo vor dem fünfunddreißig Zentimeter kleineren Danyo Ababudo zu voller Größe auf. Alle anderen auf dem gut klimatisierten Flur suchen sofort das Weite. Keiner will etwas von der hitzigen Moralpredigt des Kolosses abbekommen.

»Mein Funkgerät ist defekt. Ich kann keine Meldung absetzen, Sir«, erklärt der aufgebrachte Ababudo. Nachdem er die Standpauke des Vorgesetzten erduldet hat, bekommt er das, wofür er alles aufs Spiel gesetzt hat. Er hält sein neues Funkgerät stolz in der Hand und geht in Richtung Ausgang. Danyo Ababudo tritt aus dem kühlen, dunklen Gebäude auf die Straße. Dort wird er von der blendenden Gluthitze erwartet. Er versucht, mit seiner Hand seine immer noch brennenden Augen vor der Sonne zu schützen.

Plötzlich bremst vor ihm ein großer, ehemals weißer, staubbedeckter Kastenwagen scharf. Reflexartig springt er zur Seite.

Bob Braddock tritt mit voller Kraft auf die Bremse. Er weicht dem Soldaten geschickt aus. Der Übertragungswagen von News of the World TV kommt in der einzigen freien Lücke zwischen all den anderen Fahrzeugen zum Stehen. Wie auf einer Kette aufgereiht, stehen viele verschiedene Transporter mit großen Satellitenschüsseln auf den Dächern. Hier vereinen sich Berichterstatter aus der ganzen Welt vor einer Absperrung. Dahinter ist ein 50 Meter breiter Korridor für die feiernden Menschen. Eine mit schweren Betonklötzen befestigte Schutzzone gegen Autobomben sichert das Areal zum Konferenzzentrum. Braddock zieht energisch die Handbremse an.

»So, bis hierher und keinen Meter weiter, ich hätte schon Dutzende Menschen plattfahren können. Jetzt springt mir auch noch so ein Vollpfosten direkt vor die Karre. Es reicht.«

Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, springt er aus dem Führerhaus. Zurück bleibt nur ein verschwitzter Abdruck auf dem Fahrersitz. Seine Kollegen im hinteren Teil des Wagens sind durch das Bremsmanöver von ihren Sitzplätzen katapultiert worden. Sie finden sich auf dem verstaubten Boden wieder. Andrew Webber, der Reporter des kleinen Teams, schaut den Kameramann Chris Houston entgeistert an. Der gähnt nur verschlafen.

»Bist du jetzt endlich wach?«

»Nö, nicht wirklich, aber ihr hättet mich sanfter wecken können.«

»Sag das Bob. Der ist gefahren oder wie immer man das nennt, was der hinter dem Lenkrad treibt.«

»Ist die Hitze. Die macht hier alle bekloppt.«

Chris zuckt mit den Achseln. Beide verlassen schweigend das Fahrzeug. Sie strecken sich, um ihre müden Knochen und ihren Kreislauf zu beleben. Da hören sie die laute Stimme von Bob, dem Fahrer und Übertragungstechniker, der heftig mit einem aufgebrachten Soldaten streitet. Webber nimmt drei Flaschen aus der Kühlbox, die im hinteren Teil des Fahrzeuges steht.

»Entschuldigen Sie bitte«, versuchte Webber die Situation zu retten. Er reicht den Streithähnen je eine eiskalte Cola.

»So bitte, zur Abkühlung der heißen Gemüter.«

Ababudo blickt den Mann misstrauisch an.

»Ja, nehmen Sie ruhig, als Entschädigung für den Schreck und gegen die Hitze.«

Braddock und Webber nehmen die Flasche und prosten dem Soldaten zu. Sie trinken einen großen Schluck. Nach kurzem Zögern prostet Ababudo mit seiner Flasche zurück und sagt:

»Danke!«

»Bei der Affenhitze kann das ja schnell passieren. Es geht doch nichts über eine kalte Cola, oder?«

Alle grinsen sich an. Ababudo winkt zum Abschied und geht dann energisch weiter auf das gegenüberliegende Haus zu.

»Hat mich auch sehr gefreut, Sie kennenzulernen«, entfährt es Braddock mit einem sarkastischen Unterton, obwohl der Soldat schon auf der anderen Straßenseite verschwunden ist.

»Ist immer schön, wie schnell du Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung bekommst«, frotzelt Webber, der erfahrene Reporter.

»Ach – leck mich!« Braddock dreht sich um und geht wieder zum Fahrzeug, fährt die Satellitenschüssel aus und macht alles für die TV-Übertragung startklar.

Als Ababudo wieder auf seinem Dach-Backofen ankommt, macht er ordnungsgemäß Meldung.

»Hier Luftbeobachtungsposten zwei. Bin auf Position.«

»Wird auch Zeit«, schallt eine energische Stimme aus seinem Funkgerät.

Ababudo schneidet eine Grimasse zum Gerät, steckt dem Unsichtbaren die Zunge raus. Trotzdem ist er froh, dass es keiner sieht. ›Soll der Arsch sich mal hier oben hinstellen und schwitzen‹, denkt er. Im gleichen Moment fegt ein kühler Luftzug über seine von Schweißperlen übersäte Haut. Der leichte Wind weht die näher kommenden Geräusche eines Flugzeuges an seine Ohren. Pflichtbewusst blickt Luftbeobachter Ababudo auf seine Armbanduhr. Die Zeiger stehen auf 6 Minuten vor 11 Uhr. Er blinzelt mehrmals, weil seine Augen immer noch brennen. Schließlich findet er auf seiner Liste mit allen genehmigten Flugbewegungen den entsprechenden Eintrag. Das Flugzeug transportiert Pflanzenschutzmittel von Malanje nach Djambala. Nach Berechnung des Lagezentrums ist es für ungefähr 11 Uhr angekündigt.

›Also keine Bedrohung‹, denkt er. Ababudo drückt den Sendeknopf an seinem Funkgerät.

»Hier Luftbeobachtungsposten zwei. Hier Luftbeobachtungsposten zwei, Lagezentrum bitte kommen!«

»Hier Lagezentrum, bitte sprechen Sie.«

»Der angekündigte Flug für 11 Uhr ist planmäßig über der Stadt. Keine Bedrohung.«

»Habe verstanden. Keine Bedrohung, over and out.«

Pflichtbewusst, wie es ihm seit Jahren eingehämmert worden war, verfolgt er mit dem Fernglas dennoch genau die Flugbahn des Luftgefährtes. Das Flugzeug verändert weder seine Richtung noch die Flughöhe. Es ist schon fast direkt über ihm, als plötzlich ein lautes, unnatürliches Geräusch seine Aufmerksamkeit durchbricht. Es dauert mehrere Sekunden, bis er das Geräusch unterhalb des Daches, als laute Vuvuzela-Töne der feiernden Menschenmassen identifiziert. Ababudos Augen folgen dem Mann mit der Vuvuzela, der sich bis zur Absperrung an das Konferenzzentrum vorgekämpft hat. ›Ich würde auch lieber da unten sein und mit den anderen feiern. Aber ich bin auch stolz, dass der Kommandant solch ein Vertrauen in mich setzt.‹

Plötzlich erfüllt ein lauter Knall die Luft. So laut, als hätte ein Flugzeug die Schallmauer durchbrochen. Ruckartig dreht sich Ababudo wild um seine eigene Achse und versucht, den Grund für diesen ohrenbetäubenden Knall zu orten. Dann besinnt er sich seiner eigentlichen Aufgabe und seine Augen wandern zum Himmel. Was er dort sieht, lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren. Es dauert einige Sekunden nach dem Knall, bis auch einige der Feiernden auf der Straße merken, dass dieses Geräusch nicht zu den Partyklängen gehört. Sie blicken sich entsetzt um. Ein kleiner Junge zeigt schreiend nach oben. Dann folgen nach und nach alle Augen in Richtung Himmel. Das Entsetzen verzerrt ihre Gesichter. Wo eben das Frachtflugzeug am Himmel flog, zeigen sich jetzt nur noch brennende Metallstücke, die in Richtung Erde streben. Die Explosion direkt im Cockpit tötet die beiden Piloten auf der Stelle. Sie haben keine Chance. Durch die enorme Hitze- und Druckwelle, die über sie hereinbricht, löst sich der ganze vordere Teil des Flugzeuges förmlich in Luft auf. Sie wissen nicht, dass weder von ihnen, noch von der Blackbox jemals wieder etwas Verwertbares gefunden werden wird.

Andrew Webber steht vor der geöffneten Seitentür des Senderfahrzeuges. Er diskutiert mit Chris Houston über ihren Einsatz.

»Wenn du auf dem Wagen stehst, dann mach erst einen Schwenk über das Zentrum, dann auf mich. Ich sülze dann die allgemeinen Fakten zur Friedenskonferenz runter.«

»Jepp. Mache ich.«

Hektisch spricht Ababudo in sein Funkgerät.

»Hier Luftbeobachter zwei. Alarm an alle. Ich wiederhole, Alarm an alle!«

Ohne Luft zu holen, schreit er weiter in sein Funkgerät: »Das Frachtflugzeug ist über der Stadt explodiert! Ich wiederhole. Alarm an alle!«

»Hier Lagezentrum, habe verstanden. Frachtflugzeug über Schutzzone explodiert«, kommt eine sonore Stimme aus dem Gerät.

Im selben Moment schlagen ungefähr 300 Meter neben dem Gebäude, in dem die Konferenz tagt, die ersten Teile der brennenden Maschine ein. Webber, der in jungen Jahren Kriegsberichterstatter war, kennt solche Situationen.

»Los, schnell, halt die Kamera drauf!«, schreit er.

Houston weiß nicht, wo er zuerst anfangen soll, überall schreien Menschen.

»Da, am Himmel!« Houston folgt mit der Kamera dem Zeigefinger von Andrew zum Himmel. Webber verflucht innerlich seine Trägheit und seinen dicken Bauch, als er zu seinem Mikrofon ins Fahrzeug springt.

»Los, mach eine Direktleitung zum Sender auf. Ein Flugzeugabsturz. Wir senden live vom Unglücksort über dem Kongresszentrum!«, schreit Webber seinen verschlafenen Techniker Bob an. Mit seinem Mikro bewaffnet, springt er mit einem beherzten Satz wieder auf die Straße. Nachdem er in seinem Funkohrhörer das Go von seinem Techniker vernommen hat, lächelt er zufrieden.

»Andrew Webber für News of the World TV live aus Kinshasa«, beginnt er.

Der Kameramann zoomt auf und es zeigt sich immer mehr von der Umgebung. Houstons Blickfeld ist durch das Kameraobjektiv sehr eingeschränkt. Was er sieht, verschlägt ihm den Atem. Er schwenkt mit der surrenden Kamera einmal von links nach rechts. Bei jedem Aufschlag der brennenden Trümmer gibt es einen wahren Funkenregen aus zerberstendem Metall. Dieser bohrt sich wie kleine Pfeilspitzen in die Menschen, die zufällig in der Nähe sind.

»So, Chris. Jetzt mal die Kamera wieder auf mich«, ruft Webber.

Der Reporter steht mit seinem Mikrofon in der Hand vor der Absperrung für die Fahrzeuge, als Chris ihn mit dem Objektiv einfängt.

»Gerade ist direkt über der Friedenskonferenz in Kinshasa, der Hauptstadt des Kongo, ein Flugzeug explodiert.«

In diesem Moment bricht ein Gebäude, keine 20 Meter von ihnen entfernt, zusammen. Es begräbt unzählige Menschen unter Steinen. Eine große, ziegelrote Staubwolke zieht durch die Straße und verschleiert die Sicht auf den Reporter.

»Äche, äche äh, über dem Konferenzzentrum ist etwas explodiert«, spricht er hustend in sein Mikrofon.

»Überall schlagen Trümmer ein. Es breiten sich immer mehr Brände aus.«

Um dies zu untermalen, schwenkt die Kamera über die Flammennester. Sie verharrt bei den Menschen, die versuchen, mit bloßen Händen die Steine des eingestürzten Hauses von den Verschütteten wegzuräumen. Webber spricht seinen Kommentar weiter.

»Zurzeit weiß keiner, was genau passiert ist, ob es sich um einen Anschlag oder einen Unfall handelt. Überall herrscht Chaos.«

Der ganze Spuk dauert nur wenige Sekunden. Schon hört man aus der Ferne die Sirenen der Rettungskräfte, die langsam näher kommen. Die Kamera fängt alle Bilder ein. In wilder Panik flüchten die Menschenmassen in alle Richtungen. Die Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge bleiben in der Flut von panisch schreienden Menschen stecken. Die Feuer breiten sich durch die brennenden Wrackteile immer weiter aus. Die Zeit läuft den Rettungskräften davon. Tausende Menschen versuchen, verzweifelt zu flüchten, während sich die Helfer zum Aufschlagsgebiet des Flugzeuges vorkämpfen. Es gibt kein Vorankommen.

Auf den Gesichtern der Retter, die tatenlos warten müssen, prangt die Frage:

›Kommen wir noch rechtzeitig? Können wir noch etwas retten?‹

Chris Houston ist auf das Dach des Übertragungswagens geklettert, um von dort einen besseren Überblick zu erhalten. Es zeigt sich ein Bild des Grauens. Die rechte Tragfläche des Flugzeuges ist in das Dach eines Einkaufcenters eingeschlagen und hat dort sofort ein verheerendes Großfeuer ausgelöst. Laut schreiend rennen Verletzte aus dem Gebäude, quer über die Straße. Im Übertragungswagen vernimmt Bob Braddock die Stimme des Aufnahmeleiters aus dem entfernten Sendezentrum in Boston.

»Was ist mit den Konferenzteilnehmern? Zeig uns Bilder von denen. Was machen die? Ist das ein Anschlag auf die Friedenskonferenz?«, sprudelt es aus dem auf Lautsprecher geschalteten Satellitentelefon. Bob gibt die Befehle des Sendeleiters an Andrew über Funk weiter.

»Hey Andy. Die Zentrale will wissen, was mit der Konferenz ist. Wie geht es den Teilnehmern? Schwenkt mal um.«

Andrew Webber drängt sich mit aller Kraft den davonlaufenden Menschenmassen entgegen. Immer wieder wird er zurückgedrängt. Er ist mittlerweile klatschnass vom Schweiß. Die Flut, die ihm entgegenkommt, berührt ihn mit ihren durchschwitzen Leibern. Nur sein Selbsterhaltungstrieb und sein Ehrgeiz für eine gute Story lassen ihn den Ekel überwinden. Nachdem klar ist, dass die Teilnehmer außerhalb der Gefahrengrenze sind, zeigen die ersten Erkenntnisse der Sicherheitskräfte, dass die Konferenz nicht Ziel eines Anschlages war. Davon beruhigt, laufen die Konferenzteilnehmer neugierig ins Freie. Als Webber an der vordersten Absperrung angekommen ist, ruft er seinen Kameramann.

»Chris. Hier bin ich. Hallo Chris. Hier vorne!«

Dabei springt er wie ein Hampelmann, mit beiden Armen winkend, immer hoch und runter, trotz der unbarmherzigen Hitze.

›Aber nasser als nass kann man ja nicht werden‹, denkt er.

Jetzt endlich registriert Chris die sportliche Einlage seines Chefs. Er richtet seine Kamera auf ihn aus und hebt die Hand als Signal seiner Bereitschaft.

»Hab dich«, murmelt er vor sich hin.

»Andrew Webber, live von der Friedenskonferenz aus Kinshasa der Hauptstadt des Kongo. Ein Flugzeug ist aus ungeklärten Gründen in der Luft explodiert.«

Dann zeigt er hinter sich. Chris schwenkt die Kamera. »Hier sehen Sie, dass einige Teilnehmer sich auf die Erde fallen lassen und Allah dafür danken, dass sie verschont wurden, andere danken Gott. Den Teilnehmern der Friedenskonferenz geht es gut, keiner ist verletzt. Sie sind alle mit einem großen Schrecken davon gekommen und hatten verdammt viel Glück«, spricht er in einem Plauderton, der das Chaos hinter der Kamera nicht wirklich widerspiegelt. Aber zu diesem Zeitpunkt weiß noch keiner, dass der Absturz der mit Pflanzenschutzmitteln beladenen Frachtmaschine, weder durch die Hand Gottes, noch durch den Willen Allahs, noch durch viel Glück verhindert worden wäre.

Auf dem gegenüberliegenden Dach steht Danyo Ababudo. Er beobachtet nicht mehr den jetzt leeren Luftraum, sondern das Chaos, das um ihn herum herrscht.

»Hallo Lagezentrum. Hier Luftbeobachter zwei. Hallo Lagezentrum, hier Luftbeobachter zwei.«

»Hier Lagezentrum. Bitte sprechen Sie.«

»Von hier oben kann ich einen Großteil der Lage einsehen. Die Trümmer des Frachtflugzeuges sind auf diversen Dächern und Straßen rechts vom Konferenzzentrum eingeschlagen. Sie verursachen große und auch kleinere Brände.« Er muss schlucken. Seine Kehle ist ausgetrocknet und schnürt sich immer weiter zu. In Anbetracht des sich ausweitenden Elends berichtet er weiter: »Zerstörte Dächer. Verschüttete Menschen unter herabstürzenden Trümmern. Überall brennt es. Dazwischen beherzte Helfer und Menschen, die in Panik fliehen«.

»Roger. Haben wir verstanden. Zusätzliche Rettungskräfte sind angefordert. Bleiben Sie unbedingt auf Ihrem Posten.«

Nachdem die erste Panik direkt am Unglücksort etwas abebbt, beruhigt sich die verbliebende Menge langsam. Die Menschen strömen zusammen. Jeder versucht, sich nützlich zu machen. Sie helfen bei der Brandbekämpfung oder der Trümmerbeseitigung. Nach einer gefühlten Ewigkeit sind die ersten Krankenwagen, die sich einen Weg durch die Flüchtenden gebahnt haben, zur Stelle. Sofort beginnen die Sanitäter mit der Versorgung der Verletzten. Für die Pressemeute, die vor dem Kongresszentrum wartet, ist dies eine willkommene Abwechslung. Ein glücklicher Zufall, genau zu diesem Zeitpunkt direkt an dem Ort des Geschehens dabei zu sein. Die Übertragungsfahrzeuge sind von Menschenmassen eingekreist. Die Kameraleute stehen auf den Fahrzeugdächern oder schauen aus den Fenstern und wissen gar nicht, was sie zuerst filmen sollen. Nachdem ein Großteil des Menschenstroms abgezogen ist, eilen sie ihren Kommentatoren, die sofort die Fahrzeuge verlassen, hinterher. Jeder von ihnen stellt sich vor einen anderen spektakulären Trümmereinschlag oder Hausbrand, um die ersten Kommentare live von dem Unglücksort der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Ausgebrannte Häuser, die qualmen, und das Leid der Bevölkerung sind der Stoff, mit dem die Reporter ihr Geld verdienen. Die Bilder gehen um die ganze Welt. So bekommt die Friedenskonferenz für den Kongo mehr Publicity, als alle Beteiligten gedacht hatten.

Leider bringt das zur Schau stellen von Feuer, Toten und menschlichem Leid, viel mehr Aufmerksamkeit, als Debatten um Frieden hinter geschlossenen Türen. Somit gibt es gute Einschaltquoten für die Fernsehsender, viel mehr als mit einer Konferenz über Frieden in einem Land, das so weit weg ist. Da das Flugzeug ja schon in der Luft explodiert ist, verwerfen die Sicherheitskräfte die Theorie eines geplanten Anschlages. Einzelne Teilnehmer geben diese Information gegen gutes Geld an lauernde Pressevertreter weiter. Es zeigt sich an vielen Stellen ein anderes, entsetzliches und grausames Bild.

Andrew Webber streift mit seinem Kameramann durch die Straßen rund um das Kongresszentrum.

Er berichtet im Gehen weiter.

»Hier sehen wir das Gebäude, in das eine der Tragflächen eingeschlagen ist.«

Houston schwenkt über ein total ausgebranntes Gebäude, aus dem Reste eines Flügels herausragen. Webber hält seine Hand an eine von Feuer geschwärzte Wand. Zieht sie dann aber sofort wieder zurück. Er verzieht kurz das Gesicht vor Schmerz und erinnert sich dann daran, dass er ja live auf Sendung ist.

»Hier können Sie die Hitze des wütenden Feuers immer noch spüren. Es gleicht einem Lavasteingrill.«

Nur der Geruch von verbranntem Menschenfleisch, der durch die Straßen wabert, passt nicht zu dem schönen Bild der Barbecue-Idylle. Sie gehen weiter. Lassen die ausgebrannten Ruinen hinter sich. Immer mehr Helfer klagen über Sehstörungen, Atembeschwerden und pochende Kopfschmerzen. Immer mehr Menschen leiden an Fieber, ohne dass es weiter auffällt, da die Helfer aufgrund extremer Anstrengung sowieso schweißgebadet sind. Hinter der nächsten Häuserzeile ist ein kleiner Platz mit einem Brunnen. Viele Menschen haben sich um das kühle Nass mit dem Wasserspiel versammelt.

»Schwenk doch mal hier rüber, Chris!« Andrew Webber zeigt mit der Hand auf die friedliche Szenerie. Plötzlich sacken immer mehr Menschen ohne erkennbare Verletzungen in sich zusammen.

»Hey, die Leute da brauchen Hilfe!«, schreit Andrew zu den vorbei rennenden Sanitätern.

»Denen geht es allen gut, sie sind nur erschöpft.«

Andrew bleibt hartnäckig.

»Warum fallen die dann auf einmal alle um wie die Fliegen?« Die Rettungskräfte halten an. Sie schauen sich um. Langsam realisieren sie das Geschehen. »Au backe! Was haben die denn?«

Und schon rennen sie los, sie können jedoch bei den Menschen, die am Boden liegen, nur noch den Tod feststellen. Die Sanitäter laufen von einem Toten zum nächsten. Immer mehr Menschen brechen zusammen. Das wachsende Entsetzen und ihre Ratlosigkeit über das Massensterben, sieht man den Helfern an. Sie beugen sich über die Körper, schütteln den Kopf, gehen zum nächsten Opfer. Chris folgt ihnen mit seiner Kamera. Er nimmt ihre fassungslosen und ratlosen Gesichter auf. Abgehetzt kommt Andrew am Brunnen an, nimmt sein Mikrofon und beginnt zu sprechen.

»Wir stehen hier unweit von der Absturzstelle des Flugzeuges inmitten«, er blickte sich um, muss schlucken, »äh, inmitten von, ähäm, inmitten von Toten.«

Wie ein Kornfeld, das mit einer überdimensionalen Sense gemäht worden ist, liegen mittlerweile alle Menschen, die sich um den Brunnen versammelt haben, am Boden. Nur sind das keine geknickten oder geschnittenen Halme, sondern Menschen. Menschen, die von einer Minute zu anderen umfallen und tot sind. Selbst die unerschrockenen Sanitäter liegen zusammengekrümmt über den Opfern, denen sie helfen wollten. Nach dem Absturz sind jetzt gerade mal 49 Minuten vergangen. Immer mehr Menschen sterben aus unerklärlichen Gründen. Was ist der Grund dafür? Wie eine unsichtbare Welle breitet sich das Unheil immer weiter aus. Die Menschen sterben wie die Fliegen, überall auf den Straßen liegen Tote herum. Die Angehörigen stehen erst fassungslos dabei, bevor sie selbst neben ihren Verwandten liegen. Auch unter den Reportern, Fotografen, Kameramännern und den Sicherheitskräften geht der Sensenmann umher. Er erntet auch hier reichlich. Selbst die Teilnehmer des extrem gut bewachten Kongresszentrums haben keine Chance zu überleben.

Bevor die Mitarbeiter des Sicherheitszentrums sich ein Bild der Lage machen können, ist schon alles zu spät. Die vermeintlichen Überlebenden verfallen in Panik und versuchen, den Ort des Schreckens zu verlassen. Chris Houston ist schweißnass und kreidebleich. Er saugt mit seiner Kamera das pure Entsetzen und Schrecken ein.

»Andrew!«, keucht er an der nächsten Kreuzung, »ich brauche eine Pause.«

Andrew Webber bleibt stehen, während Chris auf ihn zustolpert. Der Kameramann fällt ihm quasi in die Arme. Webber kann die Kamera auffangen, als der leblose Körper von Chris Houston auf dem Asphalt aufschlägt.

»Chris, Chris!«, schreit Webber.

Als hätte ein Luftzug eine Kerze ausgeblasen, so schnell ist das Leben aus dem Körper von Chris Houston gewichen. Andrew Webber steht total unter Schock. Er schultert die Kamera und verabschiedet sich von seinem toten Kollegen. Mit gebrochener Stimme berichtet er weiter über das, was er sieht. Er klingt total mechanisch und ringt nach Atem. Immer mehr Schweiß bricht aus ihm heraus, sein ganzer Körper glüht. In der linken Hand hält er das Mikro und mit der rechten Hand bedient er die Kamera.

»Die Menschen brechen zusammen. Sie zittern am ganzen Körper und schnappen nach Luft, bis sie dann nach kurzer Zeit sterben.«

Er unterbricht seinen Bericht und übergibt sich bei laufender Kamera. Trotz seiner zunehmenden Atemnot, seiner immer stärker werdende Krämpfe, berichtet er roboterähnlich weiter.

»Keiner weiß, warum alle sterben. Überall liegen Leichen rum, es werden immer mehr.«

Die aufkommende Panik und der nach seinem Leben greifende unbekannte Tod, lassen seine Stimme zittern.

»Immer mehr und mehr Tote,« er schwenkt die Kamera durch die mit Leichen übersäten Straßen.

Abrupt senkt die Kamera sich zu Boden. Das Bild beginnt zu trudeln. An den Bildschirmen können die Zuschauer live das Zusammenbrechen und das Dahinsiechen des Reporters miterleben. Die Kamera bleibt auf der linken Seite liegen. Aus dieser Position sendet sie weiter Bilder einer verwüsteten Straße, in der sich nichts mehr bewegt. Nur der aufkommende Wind zerrt leicht an der Kleidung der unzähligen Leichen und treibt den Tod immer weiter vor sich her.

»Susanne, ich liebe dich«.

Das Herz des unerschrockenen Berichterstatters bleibt stehen. Aber die Kamera läuft weiter, obwohl sich die gezeigte Szene nicht mehr verändert.

Bob Braddock kann sich kaum aufrecht halten. Er liegt beinahe auf dem Mischpult in seinem Übertragungswagen, als er sieht, wie sein Kollege Andrew Webber bei laufender Kamera stirbt. Entfernt nimmt er menschliche Schreie wahr. Obwohl schon vor mehreren Minuten draußen der letzte Laut verstummte. Er zittert, kann kaum Luft in seine Lunge bekommen, als ihm bewusst wird, woher die Schreie kommen. Das Satellitentelefon ist die Quelle des Lärms.

»Hey, hört mich denn keiner? Ihr sollt endlich die verdammte Kamera ausmachen. Haaaaalllo keiner zuhause?«

Unter normalen Umständen wäre es lustig. Er fühlt, dass jetzt und hier alles ein Ende hat. Bob schiebt seine Hand in Richtung Telefon. Millimeter für Millimeter nähert sich sein Finger dem Knopf, um zu antworten. Plötzlich richtet sich sein Körper auf, als hätte er einen Starkstromschlag bekommen. Nur um gleich wieder in sich zusammenzufallen und sich nie wieder zu bewegen. Es gibt im Umkreis von 20 Kilometern keine Menschen mehr, die diese unnötigen Kommentare des Anrufers witzig finden könnten.

Was ist geschehen? Was ist der Grund für dieses plötzliche Massensterben? Hunderttausende Tote liegen auf den Straßen, Wegen und Plätzen rund um das Kongresszentrum. Kinshasa ist übersät von Leichen. Die Feuer sind außer Kontrolle geraten. Alle Feuerwehrmänner sind mittlerweile gestorben oder geflohen. Die Flucht hat aber keinem geholfen. Jeder, der von der Katastrophe erfährt, folgt dem Überbringer in den Tod.

Keiner, der sich zum Zeitpunkt des Flugzeugabsturzes in der Umgebung des Kongresszentrums aufhielt, hat den Hauch einer Chance zu überleben. Durch die außer Kontrolle geratenen Feuer wird die gesamte Stadt Kinshasa in Schutt und Asche gelegt. Zurück bleibt nichts, außer brandgeschwärzter Ruinen. Alles Leben stirbt und die Leichen werden dann ein Opfer der Flammen. Die Beweise für das Attentat gehen ebenfalls in Rauch auf.

Danyo Ababudo ist achtzehn Jahre alt und ist Luftbeobachter bei der Friedenskonferenz in Kinshasa. Er ist einer der ersten Zeugen des Flugzeugabsturzes. Er ist ein pflichtbewusster Soldat, der sich geschworen hat, nie mehr seinen Posten zu verlassen, egal was kommen mag. Diesmal folgt er dem Befehl seines Vorgesetzten. Er hält auch seinen Schwur, nie mehr seinen Posten zu verlassen. Zumindest so lange, bis irgendwann einmal jemand kommt und seine sterblichen Überreste wegschafft.

28 Grad, ein leichter Wind weht durch die Straßen der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo in Kinshasa. Die Sonne geht unter und mit ihr geht alles Leben.

Ein Jahr zuvor, 8. Juli 2017

Washington, USA

William Barney Stanton war seit sechs Monaten Präsident der Vereinigen Staaten von Amerika. Sein Wahlsieg, mit nur einem Prozent Vorsprung vor seinem Rivalen Horatio Cal Cramer, verursachte einen großen Medienrummel. Trotz aller Proteste und Aufrufe zu Neuwahlen, wurde Stanton Präsident der USA. Er hatte mit seiner Frau Ann-Melissa drei Mädchen im Alter von 12, 14 und 16 Jahren. Sie repräsentierten eine amerikanische Bilderbuchfamilie. Der treu sorgende Familienvater war schon im Wahlkampf mit seiner Familie ständig auf Titelbildern von diversen Illustrierten zu sehen.

Nach der Wahl dauerte es drei Monate, bis sich der Medienrummel um die Vorzeigefamilie legte. Die Weltöffentlichkeit und die Medien schauten wieder auf Alltägliches wie Terroranschläge, Finanzkrisen, den Vormarsch des IS oder den Aufstieg von Despoten in verschiedenen Ländern. Von den Eskapaden ihres Präsidenten, mit immer jünger werdenden Gespielinnen, erfuhr das amerikanische Volk hingegen nichts. Gut geschützt, behütet und gedeckt vom Secret Service, konnte der Präsident im ganzen Land auf eine große Anzahl von jungen Frauen zurückgreifen. Die Kandidatinnen rekrutierte er aus dem Kreis seiner Wahlhelferinnen. Viele der jungen Dinger waren naiv genug, sich für Versprechungen auf gute Jobs, auf alle noch so obszönen Spielchen einzulassen. Wenn der Präsident eine Gespielin satthatte, wurde ihr von seinem Sicherheitsberater ein Job angeboten. Mit ihren Einverständniserklärungen mussten sie ihr Stillschweigen versprechen.

Die Government Control 4 überwachte fast alle Kommunikationskanäle des Präsidenten. Auch alle Räumlichkeiten, in denen er sich aufhielt, standen unter ihrer Kontrolle. Der Secret Service war zwar für die Sicherheit des Präsidenten zuständig, aber manchmal musste das Land vor dem Staatsoberhaupt geschützt werden. Dafür gab es die GC4. Deshalb überwachte diese spezielle Sondereinheit im Geheimen den Präsidenten. Die Kleinigkeit war in den letzten Jahren aber, aus welchen Gründen auch immer, in Vergessenheit geraten. Dieser Umstand führte dazu, dass heute keiner mehr von der Existenz und den Aufgaben der Sondereinheit Government Control 4 wusste.

Für die Hauptstadt und die umliegenden Gebiete, hatte der nationale Wetterdienst am Montag einen Sturzflut-Notstand ausgerufen. Sturm und Regen lösten ein Chaos in der Hauptstadt des Landes aus. Viele Straßen und U-Bahn-Stationen standen unter Wasser. Es regnete durchgehend bei Werten von 29 bis zu 34°C den ganzen Tag. Die GC4 war, trotz des Unwetters, in einem Penthouse live dabei. Der Präsident ging aufgewühlt, nur mit einem Morgenmantel bekleidet, durch das Wohnzimmer. Erst gestern Abend war er von einer einwöchigen Europa-Reise zurückgekehrt. Wie ein Raubtier, das auf seine Fütterung wartete, durchstreifte er die leere Wohnung. Auf dem Esstisch stand eine Flasche Champagner, eine Schale mit Kaviar und ein Tablett mit kleinen Häppchen. Immer wieder blickte er auf die große Uhr auf dem Highboard, gegenüber dem Kamin. Die alte Uhr ließ sich dadurch nicht beeindrucken. Der große Zeiger zog gemächlich seine Runde. Sein Gast, wenn man es mal so nennen wollte, war schon 43 Minuten zu spät. Stanton hasste Unpünktlichkeit. Vor allem, wenn er so ausgehungert und geil war. Normalerweise traf er sich mit seinen Gespielinnen an einem anderen Ort, aber das Wetter und seine Bewacher ließen keine weiteren Ausflüge zu. Leider konnte er keine der jungen Dinger zum Zeitvertreib mit auf Dienstreisen nehmen, dementsprechend war er zurzeit unberechenbar. Außer in den Schlafgemächern, den Badezimmern und den Toiletten, hatte die GC4 in allen Gebäuden und Räumlichkeiten, in denen sich der Präsident aufhalten konnte, vor langer Zeit eine Videoüberwachung installiert.

Frederik Hauser der Dritte, saß vor dem Monitor der GC4 und beobachtete den fast vor Ungeduld platzenden Präsidenten. Es hatte den Eindruck, dass Stanton von einem Kamerabild zum nächsten sprang. So stellte er sich zumindest für den Betrachter der Überwachungsbildschirme der einzelnen Räume und Abschnitte dar. Es klingelte an der Tür. Stanton eilte mit großen Schritten zum Eingang. Eine junge Frau von höchstens 18 Jahren betrat den vom Feuerschein erhellten Raum. Barsch begrüßte Stanton den Neuzugang.

»Das wurde aber auch Zeit, dass du endlich kommst«, blaffte er sie an.

»Entschuldige, aber das Wetter ...«, begann sie eingeschüchtert.

»Ach, höre auf mit den Entschuldigungen. Ich bin ja auch pünktlich gewesen. So, jetzt zieh dich aus!«

Hauser glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Bevor er sich weitere Gedanken zu der Äußerung von Stanton machen konnte, legte der Präsident die junge Frau über seine Knie. Er versohlte ihr mit der flachen Hand den nackten Po. Unbeeindruckt von ihren Schreien schnauzte er sie an: »So, damit du es lernst: Den Präsidenten von Amerika lässt keiner ungestraft warten.«

Der GC4-Überwacher sprach sofort mit seinem Vorgesetzten, bat um Unterstützung und einen weiteren Kollegen als Zeugen.

»Clark, das, was sich hier abspielt, glaubt mir kein Mensch.«

Clark Decker war der Direktor der GC4 und erwiderte fassungslos: »Du hast doch sicherlich alles auf Band, oder?«

»Ja klar, aber der Typ verhaut ihr den Po. Jetzt liegt sie bäuchlings auf dem Esstisch. Das Schwein nimmt sie unter Schmerzensschreien von hinten. Das geht gar nicht. Präsident hin oder her. Dieses gemeine Schwein! Können wir denn nichts für die arme Frau machen?«

Decker versuchte, seinen aufgebrachten Kollegen zu beruhigen: »Das Schwein, wie du ihn nennst, ist immerhin der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.«

»Ich habe den Arsch nicht gewählt«, fällt er ihm ins Wort.

»Ich auch nicht. Trotzdem ist er Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wir können nicht einfach dort eindringen und den Kerl verhaften. Dafür sind wir nicht da, wir dürfen nur aufdecken und dokumentieren. Da muss man subtiler vorgehen«, fuhr Decker gelassen fort. Sein schelmisches Grinsen sah sein Kollege ja nicht. Auch dass sein Chef mit dem Computer die Steuereinrichtung des Gebäudes aufrief, blieb ihm verborgen. Hauser wollte etwas erwidern, als er überall auf den Monitoren Regen sah. Die Feuersirenen schrillten aus seinen Lautsprechern und übertönten die Schreie der jungen Frau.

Der Präsident ließ von seinem Opfer ab. Die Eingangstür sprang auf. Vier Agenten des Secret Services stürmten den Raum. Sie erfassten Stanton, warfen ihm eine Brandschutzdecke über, schleppten ihn mit herabgelassener Hose nach draußen. Um das geschundene Mädchen auf dem Tisch kümmerte sich keiner. Hauser sagte anerkennend: »Das hast du ja prima hinbekommen.«

»Ja, so erledigt die GC4 etwas auf die sensible Weise. Zumindest, wenn wir keine Zeit für eine geplante Aktion haben.«

Einige Zeit tat sich auf den Bildschirmen nichts. Die junge Frau lag regungslos vor Angst unter dem Tisch. Nach 10 Minuten sah Hauser auf den Überwachungsbildschirmen, wie zwei Rettungssanitäter die Räume durchsuchten. Sie fanden eine auf dem Boden liegende verkrümmte Frau. Nach 30 Sekunden wurde sie auf einer Trage nach draußen gebracht. Die Monitore zeigten keinerlei Bewegungen mehr. Über geheime Kanäle der GC4 wurde der Notarzt instruiert. Er sollte das junge Opfer genauestens untersuchen, Fotos machen und DNA und ähnliche Spuren sichern und dokumentieren. Anschließend gelangte dieses Material zur GC4. Hier wurden alle diese Vorfälle, in denen der Präsident gewalttätig handelte, von der GC4 gesammelt. Allerdings waren bisher alle Aufnahmen nicht zu 100 Prozent vor Gericht verwertbar. Sie hatten zwar viele Aufnahmen, aber darauf war der Präsident nie zweifelsfrei zu identifizieren. Das lag daran, dass bei solchen Gelegenheiten immer eine romantische Stimmung mit sogenannter Schummerbeleuchtung herrschte.

10. Juli 2017

GC4 Zentrale, Washington, USA

»Es wird langsam Zeit, dass wir etwas mehr machen, als den Paparazzi die Orte für die Entgleisungen des Präsidenten vorab zu nennen. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, damit wir dieses Schwein so kompromittieren können, dass er gezwungen ist, zurückzutreten«, begann Decker die Sitzung.

»Wir haben doch genug Material, das wir an die Presse oder den Senat geben können, oder?«, fragte Jim Lewis.

»Das Material ist für uns eindeutig, da wir wissen, wen wir überwachen. Ich habe mir alle Videos mehrfach angeschaut, auf keinem ist der Dreckskerl klar und deutlich als Stanton zu identifizieren. Die Aufnahmen sind alle bei geringem Licht und schlechten Blickwinkeln gemacht worden. Das reicht so vor Gericht nicht aus.«

»Was sollen wir dann tun, einfach den Raum stürmen, wenn er wieder ein Mädchen vergewaltigt, oder was?«

»Ich verstehe dich, Jim, aber es muss leider rechtskonform ablaufen, dafür ist die GC4 halt da.«

Decker beruhigte den aufkommenden Unmut. Er hob beschwichtigend die Arme hoch. Das lauter werdende Gemurmel seiner Kollegen verstummte.

»Wir müssen dem Tier eine Falle stellen, aus der er nicht mehr raus kommt.«

»Frank, wir brauchen Zwillinge, die als Prostituierte arbeiten oder zwei, die zumindest als solche durchgehen könnten. Außerdem müssen die beiden zwar volljährig sein, aber auch als Teenie-Zwillinge durchgehen.«

»Ah, ich verstehe«, sagte Frank Davenport und alle anderen Anwesenden nickten zustimmend.

Clark Decker vervollständigte den Plan. »Wir müssen ein Hotel und ein anstehendes Ereignis finden, zu dem der Präsident eingeladen werden kann. Dann verkabeln wir alle in Frage kommenden Räumlichkeiten komplett. Wir setzen die modernste Videoüberwachung ein, die es überhaupt gibt. Ich will, dass man alle Räume aus verschiedenen Blickwinkeln sehen kann.«

Dennis Weaver meldete sich zu Wort.

»Ja, Dennis, was sagt der Herr unserer Technik dazu?«

»Das trifft sich hervorragend. Wir haben gerade eine Menge neuer Spielzeuge aus Europa erstanden. Alles vom Feinsten und perfekt für diese Aufgabe geeignet. Das Beste an den neuen Geräten ist, dass sie extrem klein und praktisch nicht auffindbar sind.«

»Gut, dann eruieren wir mal, was es für Veranstaltungen gibt, an denen der Präsident anwesend sein müsste und wo er dabei übernachten könnte. Spätestens in drei Tagen treffen wir uns wieder. Dann müssen wir alles klar machen.«

12. Juli 2017

GC4 Zentrale, Washington, USA

Nur zwei Tage später war die nächste Sitzung der GC4 anberaumt. Clark Decker eröffnete die Sitzung und richtete sofort das Wort an Frank Davenport.

»So, Frank. Von deinem zufriedenen Grinsen, das wir die letzten Tage sehen konnten, leite ich mal ab, dass dir deine Aufgabe besonders viel Freude bereitete.«

»Genau, Clark. Es war eine, sagen wir mal interessante Aufgabe. Ich habe unzählige Akten gesichtet.«

»Klar, du meinst AKTE, nicht Akten. Ich habe auf deinem Monitor ständig nur entblößte Damen gesehen.« Dabei boxte Dennis ihm spielerisch in die Seite.

»Meine Herren und natürlich Damen, schön, dass ihr alle, trotz der heiklen Situation, in der sich unser Land befindet, so viel Spaß an der Arbeit habt.«

Kurze Pause. Stille trat ein.

»Falls es denn dann doch jemand interessiert: Ich habe passende Zwillinge gefunden. Sie kommen aus New Mexico, haben keine Familie und sind nicht blöd. Das Beste: Die beiden gehen locker als 16-Jährige durch.«

Frank zeigte große Fotos auf dem riesigen Monitor des Besprechungsraumes. Die Bilder wechselten ständig. Einmal waren Zwillinge als Schulmädchen zu sehen. Dann wieder als Cheerleader gekleidet.

»Wie alt sind die wirklich?«, fragte Clark skeptisch.

»Seit gestern 21 Jahre, ob du es glaubst oder nicht.«

»Ich hätte die auch noch auf unter 16 geschätzt.«

»Das ist sehr gut. Dann benötigen wir einen wasserdichten Lebenslauf von den beiden. Wir machen sie zu 15-Jährige, dann ist das Strafmaß für den Präsidenten höher.«

»Jetzt erlösen wir auch noch Joe, bevor der uns vor Aufregung platzt. Spucks aus, Joe. Was hast du Schönes für uns?«

»Im August ist die Great Rifle, eine der größten Waffenmessen des Landes, in Tulsa. Der Präsident schläft dann immer im Rock Inn Hotel.«

»Spitze, da haben wir noch vier Wochen für die Anbringung der Technik und die restlichen Vorbereitungen.«

Es wurde ein Lebenslauf für die Zwillinge verfasst. Dieser wurde auf dem Computer-Server der Schule in Tulsa eingespeist. Die beiden Mädels wurden in Schuluniformen gesteckt und in ein paar Klassenfotos eingebaut. Ein anderes Team, bestehend aus weiblichen Agenten der GC4, hatte die Zwillinge kontaktiert und einen Vertrag mit ihnen ausgehandelt.

»Was haben die Zwillinge eigentlich als Entlohnung gefordert?«, fragte Clark Decker.

Kathrine Tummler schmunzelte: »Die sind clever, verdammt clever. Sie wollten nicht nur 200.000 Dollar, sondern auch noch Studienplätze an einer Universität. Dazu für jeden eine Doppelhaushälfte. Nachdem ich dann gesagt habe, dass das Geld als Stiftungsgelder monatlich ausbezahlt würde, damit das bei Banken nicht auffällt, verlangten sie für ihre Reise mit dem Luxuswohnmobil je 5.000 Dollar Urlaubsgeld. Für Lebensmittel und Klamotten und so.«

»Tja, die wissen genau, dass es nicht so viele Zwillinge für den Job gibt. Deshalb pokern sie natürlich hoch.«

»Stimmt, sie sind die Einzigen. Beim Unterschreiben der Stillschweigevereinbarung wurde ihnen dann doch etwas mulmig.« Sie grinste noch breiter. »Ich hatte ihnen gesagt, dass sie bei Zuwiderhandlung von uns, "der CIA", wegen Landesverrat in Guantanamo einsitzen dürften.«

»Komisch, der CIA trauen sie alles zu. Gut, dass uns keiner kennt.«

14. August 2017

Great Rifle, Tulsa, USA

Pünktlich um 10 Uhr begann die große Waffenmesse in Tulsa. Präsident Stanton eröffnete sie persönlich. Anschließend gab es einen Empfang der Waffenlobby im Rock Inn Hotel.

»Dennis, steht alles?«

»Klar doch. Die Technik wurde, trotz dreimaliger Überprüfung des Secret Services, nicht entdeckt.«

»Kathrine, was ist mit der Frau des Präsidenten?«

»Gestern Abend war sie wie geplant auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung für notleidende Kinder. Heute Morgen ist sie unserer Einladung gefolgt. Sie eröffnet in wenigen Minuten eine Krebsstation für Kinder im Washington Hospital. Ich habe sie genau im Blick.«

»Perfekt. Was machen die Zwillinge, Frank?«

Frank Davenport und Steve Wayne standen getarnt als Secret Service Agenten in der Bar und beobachteten die Szenerie vor Ort.

»Clark, die Damen sind auf Position und gleich an der Reihe, um sich vom Präsidenten eine Widmung in ihr Fotoalbum mit berühmten Persönlichkeiten geben zu lassen.«

»Die sehen ja niedlich aus und bezirzen den Arsch richtig«, sagte Clark in sein Headset-Mikrofon, als er das Geschehen auf einem der vielen Überwachungsmonitore verfolgte. »Schade, dass man das Getuschel nicht hören kann. Mich würde brennend interessieren, was die beiden dem Präsidenten ins Ohr flüstern.« Dabei blickte er Dennis fragend an.

»Männer richtig heißzumachen, war bis vor ein paar Wochen ihr Geschäft. Da drin sind sie Profis. Da sie von uns gebrieft worden sind, wissen sie, dass der Präsident auf kleine Schulmädchen steht. Dadurch konnten sie sich gut auf ihre Rolle vorbereiten«, berichtete Dennis stolz.

Auf einem Monitor sah man die Zwillinge und den Präsidenten an der Bar stehen. Die Unterhaltung schien ausgelassen zu sein. Die Mädels tranken einen roten Cocktail, natürlich ohne Alkohol. Der Präsident schlürfte sein Lieblingsgetränk, Gin auf Eis. Stanton signalisierte dem Barkeeper eine neue Runde auszuschenken.

»Guter Mann, noch mal das Gleiche für die Damen und einen Gin für mich.«

Der Barkeeper nickte nur und begann mit der Zubereitung der Cocktails. Nachdem auch diese Getränke, zwischen eindeutigen Anspielungen und Gelächter, geleert wurden, steckte Stanton Lisa eine Zimmerkarte zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Der Präsident verschwand in Richtung der Toiletten, zwei Secret Service Agenten begleiteten ihn. Lisa und Mona gingen in die andere Richtung und nahmen den Aufzug zur Penthouse-Suite. Die Aufzugtür öffnete sich nach kurzer Fahrt. Die Zwillinge prallten gegen eine schwarze Wand aus Stoff.

»Guten Abend. Dieser Bereich ist für Gäste gesperrt«, sagte der rechte Teil der Wand, die sich als riesige Secret Service Agenten in Schrank-Format entpuppte.

»Wir sind auf Einladung des Präsidenten hier«, erwiderte Lisa keck und wedelte mit der Schlüsselkarte.

Der linke Teil der Schrankwand sprach kurz mit seinem Hemdsärmel.

»Hier ist Jones. An der Suite sind zwei Besucherinnen für die Nr. 1.«

»Geht in Ordnung«, erklang es in seinem Ohrstöpsel, »Dolfin hat die Schulmädchen eingeladen.« Durch den abfälligen Tonfall war unüberhörbar, dass dies nicht seine Zustimmung fand. Nur gut, dass der Präsident nicht den wahren Grund seines Decknamens kannte.

Clark Decker wusste genau, warum der jetzige Präsident den Decknamen Dolphin hatte. Der Delphin galt bei den Griechen als Sinnbild der Aphrodite, der Göttin der sinnlichen Liebe. Bei den Ägyptern stand das Tier für die Liebesgöttin Ischtar. Das Verhalten von Stanton hatte aber weder etwas Sinnliches, noch etwas mit Liebe zu tun. Eher mit Machtmissbrauch und Brutalität, aber ihm fiel dafür kein passender Begriff ein. Außerdem wurde der Deckname des Präsidenten vom Secret Service ausgesucht.

»Jo, verstanden«, sprach Jones ins Mikrofon an seinem Handgelenk.

Er trat zur Seite. Auch die rechte Seite der menschlichen Schrankwand gab den Blick auf den Flur zur Suite des Präsidenten frei. Als Mona und Lisa in Richtung der Eingangstür schlenderten, sah es so aus, als wollten sie einen Preis im Hüftschwingen bekommen. Die Agenten schauten ihnen nach und schüttelten nur verständnislos die Köpfe. Clark Decker schüttelte mit Blick auf den Monitor ebenfalls den Kopf.

»Hätte nicht gedacht, dass es so einfach sein würde, die beiden da rein zu bringen.«

»Stimmt, ich hätte auch mindestens mit einer Leibesvisitation gerechnet. Zumindest aber hätten sie mit einem Metalldetektor untersucht werden müssen. Die einfach so durchzulassen ist aber sehr leichtsinnig.«

»Kann man wohl sagen. Das geht gar nicht. Vielleicht wollen die beiden ja, dass dem Idioten von Präsident etwas passiert, damit sie ihn los sind. Denen gefällt das Verhalten mit Sicherheit auch nicht. Sie können nichts gegen die Art und Weise, wie der Präsident mit Frauen, beziehungsweise Teenagern umging, machen und müssen den Kerl trotzdem schützen.« Clark schüttelte weiter gedankenverloren seinen Kopf.

»Wir können doch froh sein. Mit einem Metalldetektor hätten sie das Messer gefunden. Ist ein Scheißjob, wenn du dein Leben für einen geben sollst, von dem du weißt, dass er ein Schwein ist und du ihn nicht leiden kannst.«

Die Zwillinge hatten es sich in der Zwischenzeit auf dem Sofa gemütlich gemacht. Sie lutschten beide lasziv an einem Lollipop, als der Präsident den Raum betrat. Die Bodyguards blieben draußen bei ihren Kollegen. Zwei unschuldig wirkende Schulmädchen in adretten Uniformen saßen auf dem Sofa. Sie zogen ihre kurzen, karierten Röcke in Form und blickten den Präsidenten erwartungsvoll an.

»Die Nummer mit den Lollipopps haben die aber voll drauf. Ich habe noch nie jemanden so offensichtlich unanständig einen Lutscher lecken gesehen«, sagte Decker und blickte angetan auf die Bildschirme.

»Mona und Lisa sind halt Profis. Sie haben voll Spaß in ihrer am besten bezahltesten Rolle, die sie je gespielt haben.«

»Möchten die Damen Champagner?« Ohne ihre Antworten abzuwarten, hörte man ein lautes Plopp-Geräusch, als der Korken quer durch das Zimmer schoss. Stanton füllte drei Gläser mit dem prickelnden Zeug. Mona und Lisa setzten sich auf die Kante des Sofas und schauten ihn unschuldig an.

»Wir dürfen noch keinen Alkohol trinken. Wir sind doch erst 15 Jahre alt, Mister Präsident.«

»Ach, scheiß auf das Gesetz! Ich bin das Gesetz! Wenn ich, der Präsident, sage, ihr zwei Süßen dürft Champagner trinken, dann dürft ihr das auch.« Mit diesen Worten reichte er jedem der Schulmädchen ein volles Glas und prostete ihnen zu.

»Cheers, die Damen, auf einen lehrreichen Abend.«

Clark räusperte sich. »Damen zu zwei vermeidlichen Teenies zu sagen, die kurz davor geäußert haben, dass sie erst 15 Jahre sind, ist sehr dreist, oder?«

»Da hast du recht. Wir haben dafür alles schön auf Video. Läuft doch wie geplant.«

»Da fällt mir was ein.« Er nahm sein Funkgerät und rief den Videotechniker der GC4 an.

»Hank, bekommen wir die Videos von allen sechs Kameras auf eine Speicherkarte? Wir wollen den Pressevertretern ja nur eine Karte unterschieben.«

Voller Stolz über seine neuste Technik im Überwachungswagen vor dem Hotel antwortete er: »Klar, die Speicherkapazität reicht für 55 Minuten von jeder der Kameras aus. Wenn es länger dauert, müssen wir jeweils zwei Karten an die Damen und Herren der Presse verteilen. Ich bin auf alles vorbereitet.«

»Gut, Hank. Dann brauchen wir uns deswegen keine Sorgen zu machen.«

Auf den Bildschirmen sah man, wie Stanton die beiden Teenies ins Schlafgemach drängte. Die Zwillinge spielten mit.

»Aber Mister Präsident, warum sollen wir denn ins Schlafzimmer gehen?«

»Da habe ich eine ganz besondere Überraschung für euch.« In der Stimme des Präsidenten konnte man seine Geilheit hören.

»Als wenn der unser Drehbuch kennt. Hank, hast du die Stelle markiert?«, fragte Clark Decker den Techniker.

»Klar, Clark.« Er wusste genau, dass er seinen Chef mit den Worten ärgern konnte und schmunzelte. »Genau hier blende ich um auf die Störgeräusche und dann wird das Ganze ein Stummfilm, bis er unserem Drehbuch folgt. Dann gibt es wieder den Ton, den wir hoffentlich nutzen können. Zumindest auf der Aufnahme für die Presse. Wir hören die ganze Zeit den Originalton weiter.«

Trotz des von ihm verhassten Wortspiels, lobte er Hank. »Super, dann hoffe ich, dass er auf unser Spiel eingeht.«

»Mister Präsident, was halten Sie von Rollenspielen?«, fragte Mona forsch.

»Was für ein Spiel schwebt euch denn vor?«, dabei leckte er sich aufgeregt über die Lippen.

»Das ist simpel und wir haben uns das so vorgestellt. Sie überraschen uns, wie wir Ihr Schlafzimmer nach Beute absuchen und bedrohen uns mit einem Messer, welches da hinten auf dem Schrank liegt.« Beim Betreten des Raumes hatte Lisa das Stilett auf das High-Board rechts neben der Tür gelegt. Stanton nahm das Messer und ließ die Klinge hervorschießen. Man sah förmlich die Veränderung in seinen Augen. Ab hier verselbstständigte sich das Drehbuch, das sich die Leute von der GC4 ausgedacht hatten.

»Und Ton ab«, sagte Hank.

»Hey, ihr Gören, ihr könnt doch nicht versuchen, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu beklauen.«

Mona und Lisa setzten ihr Unschuldslächeln auf und warfen sich vor ihm auf die Knie.

»Bitte tun Sie uns nichts! Wir machen alles, was Sie wollen.«

Ohne ein Wort zu sagen, öffnete er seine Hose, ließ sie ein wenig runterrutschen und holte seinen Schwanz hervor.

»Hier ist doch ein schönerer und größerer Lutscher für euch, als eure Lollis, oder?« Dann presste er ihn Mona ins Gesicht. Sie nahm den harten Penis in den Mund und lutschte daran.

»So, und du kannst dich schon mal langsam ausziehen«, befahl er Lisa, die das in gespielter Schüchternheit meisterhaft in Szene setzte. Mit der Nummer könnte sie auch in jeder Bar auftreten. Die Mundmusik von Mona ließ ihn schon keuchen, aber der erzwungene Striptease erregte ihn so sehr, dass er das einzige Teil vom Präsidenten, das wirklich aufrichtig war, nicht mehr zurückhalten konnte. Im letzten Moment konnte Mona sein Ding aus dem Mund ziehen und die gesamte Ladung des präsidialen Spermas ergoss sich auf ihre Schuluniformjacke. Das war der Moment, in dem von der GC4 die präparierten Rauchmelder in der Suite ausgelöst wurden. Mit einem ohrenbetäubenden Geräusch gingen alle Rauchmelder gleichzeitig los. Keine fünf Sekunden später stürmten vier Agenten die Suite. Die Männer versuchten, sich einen Überblick der Lage zu verschaffen. Sie sahen den verdutzten Präsidenten mit heruntergelassener Hose und entblößten Geschlechtsteil. Die Agenten nahmen Stanton in die Mitte und zerrten ihn aus der Suite. Abgeschirmt von den Secret Service Agenten, verließ die Nummer "Eins" protokollgemäß über das Nottreppenhaus das Hotel. Keiner achtete auf die Zwillinge. Diese nutzten die Gelegenheit, durch die Tür zu entkommen. Blitzschnell rannten sie zum Aufzug.

»Hank, jetzt schnell die Videos zusammenkopieren und an die Pressevertreter verteilen.«

»Dirk, nimm die Zwillinge in Empfang und sieh zu, dass ihr da wegkommt. Denkt daran, dass die Schülerausweise zwischen den Pressevertretern verloren gehen müssen.«

»Geht klar, bin schon da.« Im gleichen Moment öffneten sich die Aufzugtüren vor Mona und Lisa.

Da der Feueralarm von der GC4 nur in der Präsidenten-Suite ausgelöst wurde, bekam kein anderer Gast den Alarm und den Tumult mit. Alle drei fuhren mit dem Aufzug bis in die Hotellobby. Die frühzeitig durch anonyme Anrufer herbeigelockten Journalisten, warteten in der Eingangshalle des Hotels. Die Aufzugtür öffnete sich. Zwei Teenager in Schuluniform traten aus der Kabine. Sofort begannen Lisa und Mona zu schreien.

»Hilfe, der Präsident hat uns zum Sex gezwungen. Wir konnten gerade noch entkommen.«

Sofort flammten alle Scheinwerfer der Kameras auf. Sie tauchten die Szene in gleißend helles Licht. Alle Reporter stellten ihre Fragen gleichzeitig. Es gab ein heilloses Durcheinander.

Irgendjemand rief: »Ruhe!«

Mit einem Schlag war es still, so als hätte jemand den Ton abgestellt. Lisa erzählte vor laufender Kamera ihre Story.

»Der Präsident wollte uns seine Suite für unsere Schülerzeitung zeigen. Wir mussten Champagner trinken, obwohl wir ihm gesagt haben, dass wir erst 15 Jahre alt sind. Er hat uns mit einem großen Messer bedroht und ...«

Dann stockte ihre Stimme. Sie brach in Tränen aus. Lisa hätte damit locker einen Oskar gewinnen können.

Mona machte jetzt weiter. Sie gab der Presse das Futter, das sie brauchte. »Dem Präsidenten war es egal, dass wir erst 15 sind. Er sagte, er sei das Gesetz und wenn er das sagt, dann dürften wir Champagner trinken. Meine Schwester wurde mit vorgehaltenem Messer gezwungen, sein Glied in den Mund zu nehmen, und ich musste mich langsam ausziehen und ...«

Jetzt kamen Frank Davenport und Steve Wayne zum Einsatz. Zwei Herren in schwarzen Anzügen und mit dunklen Sonnenbrillen unterbrachen Monas Ausführungen. Sie hielten ihre Marken vom Secret Service hoch. Unter Protest der Journalisten schoben sie die Zwillinge zum Ausgang. Mona entwischte einem der Beamten scheinbar und sprang auf einen Mann von CNN zu. Sie drückte ihm ihre Schuluniformjacke in die Hand. »Hier, mit einem klebrigen Geschenk vom Präsidenten!«

Zu mehr kam sie nicht, dann wurde sie von einem der Beamten wieder eingefangen. Ein schwarzer Lieferwagen wartete mit laufendem Motor und geöffneter Seitentür vor dem Hotel. Die Zwillinge sprangen mit den Männern in den Lieferwagen. Der Van fuhr an, die verdutzten Reporter blieben zurück.

Einer der Schülerausweise wurde von einem Reporter der Washington Post gefunden. Der andere Ausweis von einem Kameramann der BBC. Hank verteilte seine USB-Speicherkarten mit allen Videos vom Präsidenten und den Zwillingen. Stanton war schon längst in Sicherheit gebracht worden und hatte von dem gesamten Presserummel nicht das Geringste mitbekommen. Noch nicht.

Am nächsten Morgen gab es in Washington nur ein Thema. Dieses prangte förmlich von allen Zeitungen.

»Präsident missbraucht Teenager!«

»Präsident stellt sich über das Gesetz!«

Solche und ähnliche Schlagzeilen, mit großen Fotos von den Zwillingen aus der Hotellobby, waren zu lesen.

»Hank, warum hat kein TV-Sender darüber berichtet? Wir haben doch so schöne Videos gemacht«, fragte Clark Decker von der GC4 seinen Videoexperten.

»Ich gehe mal davon aus, dass zur Zeit Unmengen an Rechtsanwälten unsere Aufnahmen auf Echtheit prüfen. Außerdem prüfen die bestimmt auch, ob sie das Material veröffentlichen dürfen. Wir können es aber über die bekannten Kanäle ins Internet einspeisen, wenn du möchtest.«

»Ja, mach das. Dort interessiert sich kaum einer für die Rechte anderer und ob etwas rechtssicher ist.«

Beide Männer grinsten sich an und verstanden sich auch ohne viele Worte. Die Gründerväter der GC4 wären überrascht, wie leicht man heutzutage belastendes Material über das Internet verbreiten konnte. Dadurch wurde die Arbeit der GC4 manchmal erleichtert. Sicherlich gab es viele Fakenews und Unmengen an Verschwörungstheorien im Netz, aber in den meisten Geschichten steckte ein Fünkchen Wahrheit.

Nur einen Tag später hatten die meisten Rechtsanwälte grünes Licht gegeben. CNN und KBTC TV berichteten ausführlich darüber und zeigten Ausschnitte aus den Videos.

»Ganz besonders gefällt mir der Teil, den sie überall zeigen, in der der Präsident sagte, er sei das Gesetz und wenn er sagte, dass 15-Jährige Alkohol trinken dürfen, dann wäre das in Ordnung.«

Dabei schaute Clark Hank belustigt an. Der erwiderte: »Schade, dass sie nicht zeigen, wie er mit heruntergelassenen Hosen da stand und auf eins der Mädels spritzte.«

Beide lachten und tranken danach stumm aber zufrieden ihren Kaffee. Unterdessen waren Lisa und Mona mit ihrem Luxuswohnmobil schon einige Hundert Kilometer entfernt auf dem Weg in ihr neues Leben.

Nachdem die Beweise von allen Untaten des Präsidenten von der GC4 an das FBI weitergeleitet wurden, kam die ganze Sache ins Rollen. Das Repräsentantenhaus leitete umgehend ein Untersuchungsverfahren gegen den Präsidenten ein. Die Beweislast war erdrückend. Diesmal konnte Stanton seinen Kopf nicht mehr aus der Schlinge ziehen. Das Impeachment Verfahren zur Amtsenthebung des Präsidenten stand kurz vor dem Abschluss, da trat Stanton von seinem Amt zurück. Damit machte er den Weg frei für Neuwahlen. Das FBI übernahm die weiteren Ermittlungen gegen Stanton. Die Anklagepunkte lauteten Missbrauch von Minderjährigen und Schutzbefohlenen, Missbrauch der Amtsgewalt.

1. November 2017

Wahlkampfbüro Ambrell, Washington, USA

Nach mehrmonatigem, harten Wahlkampf war die Zahl der Präsidentschaftskandidaten dezimiert worden. Bei den bevorstehenden Wahlen am 7. November gab es nur noch zwei Kandidaten. Peter Ambrell von den Konservativen und Arthur William Humb von den Republikanern. Im Wahlkampfbüro von Peter Ambrell war der Teufel los. Die neuesten Umfrageergebnisse waren gerade reingekommen. Ambrell lag demnach mit 21 % vor seinem Kontrahenten Humb. Sektkorken knallten, Jubelschreie, Partystimmung, als hätten sie die Präsidentschaftswahl schon gewonnen. Susan Smeets brachte Ambrell ein volles Sektglas.

»Prost, Peter. 21 Punkte Vorsprung, das ist der Hammer. Auch kein Arthur William Humb kann das mehr aufholen.«

Sie stießen an.

»Liebe Susan, da magst du recht haben, aber noch ist die Wahl nicht gewonnen. Das sind nur Umfrageergebnisse. Die echte Wahl wird erst am Siebten entschieden und ich will erst dann feiern, wenn mein Sieg bestätigt ist.«

Ambrell drehte sich um und ließ Susan mit enttäuschtem Gesicht stehen. Er ging zur Toilette. Das Stechen in seiner linken Brusthälfte wurde immer stärker. Zwei Stunden später fand man seinen Leichnam auf der Herrentoilette. Der Notarzt stellte den Tod fest. Nach der Autopsie stand fest, dass Peter Ambrell an einem Herzinfarkt ohne Fremdeinwirkung verstorben war. Dadurch gab es nur noch einen Kandidaten und einen Gewinner. Arthur William Humb wurde der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

3. Kapitel

 

18. Mai 2018

Kinshasa, Kongo

Seitdem der Engländer Henry Morton Stanley als erster Europäer den Kongo bereist hatte, war das drittgrößte Land Afrikas noch nie zur Ruhe gekommen. Jeder Herrscher unterdrückte die Bevölkerung, beutete die reichen und seltenen Bodenschätze aus und bereicherte sich und seine Familie.

Am 30. Juni 1960 wurde von Joseph Kasavubu, dem neuen Staatspräsidenten, die "Demokratische Republik Kongo" ausgerufen. Nur 18 Monate dauerte die Unabhängigkeit. Dann kam, mit Unterstützung der USA, Belgien und dem Scientia-Familien-Konzern, Joseph Mobutu an die Macht. Er errichtete in den folgenden Jahrzehnten eine der längsten und grausamsten Diktaturen Afrikas. Im Jahre 1971 wurde das Land in Zaire umbenannt. Erst viele Jahre der Schreckensherrschaft später, wurde Mobutu 1997 durch eine Rebellen-Streitmacht, die Laurent-Désiré Kabila anführte, entmachtet. Der Staat wurde ab diesem Zeitpunkt erneut in Demokratische Republik Kongo umbenannt. Aber auch er konnte die zerrüttete Nation nicht stabilisieren. Die Ausbeutung der wertvollen Bodenschätze durch ausländische Mächte, insbesondere der USA, ging weiter. Die Kriege und Unruhen ebenfalls. Kabilas Sohn Joseph übernahm die Amtsgeschäfte, als Laurent-Désiré Kabila durch ein Attentat im Januar 2001 starb. Unzählige Menschen mussten in diesem großen Land wegen der reichhaltigen Vorkommen an kostbaren Bodenschätzen sterben. Der eigentliche Reichtum des Landes entpuppte sich eher als Fluch, als ein Segen für die Menschen. Viele hatten die Hoffnung auf ein besseres Leben schon aufgegeben. Der Rest setzte die letzte Hoffnung auf die internationale Friedenskonferenz. Sie fieberten dem 13.06.2018 entgegen. Auch der strahlend blaue Himmel konnte all das Unrecht nicht verschönern. Alle warteten gespannt auf das, was dann kommen sollte.

Tankstelle Sinclaire, Oberhausen, Deutschland

Strahlend blauer Himmel. 18 Grad. Ein leichter Wind wehte durch Oberhausen. Die Stadt mit 210.000 Einwohnern lag im Herzen des Ruhrgebietes, im Westen Deutschlands. Lorenz Douglas Sinclaire war ein sportlicher, durchtrainierter und kräftiger Mann von 28 Jahren. Er hatte seine Kindheit oft bei seinem Großvater in Dorset, einer Grafschaft in Südengland, verbracht. Sein Opa hatte einen Narren an dem Jungen gefressen. Jede freie Minute verbrachte er in den Ferien mit "dem kleinen Lord". Er holte das nach, was er leider bei seinem Sohn versäumt hatte. So machte der junge Lorenz Douglas schon früh mit der Leidenschaft des alten Lords Bekanntschaft. Sein Großvater sammelte Oldtimer und Waffen aller Art. Die hatte er in seiner Zeit als hoher Offizier der britschen Armee aus der ganzen Welt zusammengetragen. Als er in den Augen seines Großvaters alt genug war, immerhin war er da schon 12 Jahre, lernte er den Umgang mit leichten Pistolen und diverse Arten der Selbstverteidigung. Der kleine Lord fand dies natürlich ausgesprochen cool.

Zu Hause in Oberhausen wurde der Deutsche mit englischem Wurzeln ständig mit seinen Namen aufgezogen. Erst im Kindergarten und danach in der Schule. Alle Kinder lästerten und veralberten ihn wegen seines englischen Namens. Lorenz Douglas Sinclaire. Wie er den Namen hasste. Eines Tages bildete ein Freund das Wort LORD aus seinem Namen. Da er ja einen englischen Vater hatte, der auch noch nach etlichen Jahren in Deutschland mit starkem englischem Akzent sprach, fanden es alle gut und passend. Von da an wurde er überall nur noch Lord genannt. Das gefiel ihm erheblich besser als sein richtiger Name.

Nach dem Abitur waren seine Eltern der Meinung, er müsste jetzt erst einmal mit seinen "Händen arbeiten", um ein Gefühl zu selbst verdientem Geld zu bekommen. Mit der Vollendung seines 21. Lebensjahres hatte er Zugang zu dem, von seinem Großvater eingerichteten, Treuhandfond. Durch das Erbe seines Opas brauchte er eigentlich keiner besonderen Arbeit mehr nachzugehen. Es lag aber nicht in der Mentalität des Lords, nichts zu tun. Geschweige denn das Geld, das andere verdient hatten, nur zu verprassen. Während seiner Ausbildung zum Sicherheitselektroniker lag er ständig mit seinem Meister über diverse Ungerechtigkeiten in der Firma im Clinch. Das hielt den Lord aber nicht davon ab, seine Ausbildung als Jahrgangsbester abzuschließen. Danach kündigte er.

Dass ihm die Obrigkeit zuwider war, setzte sich in seinem ganzen Leben fort. Beim Grundwehrdienst bei der Bundeswehr, im Studium, immer stieß er mit seinen Vorgesetzten zusammen. Eigentlich war er nur ein Gerechtigkeitsfanatiker. Er versuchte überall, wo ihm Ungerechtigkeiten auffielen, sofort einzugreifen. Er stellte sich immer auf die Seite der "Unterdrückten", auch wenn er dafür das eine oder andere Mal ein "Blaues Auge" davon trug. Das war schon in seiner Kindheit so. Sein Großvater sagte immer dazu: »In ihm steckte der Geist und das Blut von Robin Hood.« Das war der Hauptgrund, warum er immer und überall mit seinen Lehrern, Vorgesetzten und der Obrigkeit als solches, in Konflikt geriet. Der Lord sagte dazu: »Es gibt halt zu viel Ungerechtigkeit auf dieser Welt. Wenn jeder nur ein wenig dagegen unternehmen würde, könnte es für alle nur besser werden.«

Zwei Jahre nach seiner überstürzten Abreise aus München lebte er wieder in seinem Oberhausen im Ruhrgebiet. Der Lord hatte sein Studium abgebrochen, weil sein Professor ihn um das, von ihm entwickelte, Firewall-Programm "Major Oak" betrogen hatte. Das lag jetzt aber lange hinter ihm. Er blickte wie immer optimistisch in die Zukunft. Die Umbauarbeiten seines neuen Zuhauses waren Gott sei Dank abgeschlossen. Seinem zweiten Umzug innerhalb von Oberhausen stand nichts mehr im Wege.

Lafayette County, Missouri, USA

Das Anwesen der Geheimgesellschaft Scientia hatte eine Fläche von über 20 Quadratkilometern. Es umfasste vier Berge und einen See. Das Haupthaus und die Gästehäuser lagen quasi am Ende eines Kessels, der durch die vier Berge gebildet wurde. Am Eingang lagen die Gebäude der Sicherheitsleute. Das dreistöckige, imposante Haupthaus thronte am Fuße des Mount Arthur. Zwölf Säulen, eine für jede Gründerfamilie, stützten das Vordach und verliehen dem Gebäude ein imposantes Aussehen, das vor Geld und Macht strotzte. Am Giebel stand in Stein gemeißelt: Scientia potentia est. Da die Gründerväter aus vier Nationen bestanden, und alle Herren der Wissenschaft waren, war die einzige Sprache, in der sie sich verständigen konnten: Latein. In dieser Sprache waren alle wichtigen Grundsätze verfasst und die Inschrift am Gebäude bedeutete nichts anderes als "Wissen ist Macht". Bewacht wurde das ganze Anwesen von einer Privatarmee. Achtzig ausgesuchte ehemalige Soldaten taten hier Dienst. Mit modernster Sicherungstechnik beschützen sie das gesamte Areal. Für Unbefugte war es praktisch unmöglich, das Gelände zu betreten.

Einmal im Quartal traf sich hier der Familienrat. Bei diesen Sitzungen wurden alle bedeutsamen laufenden Geschäfte, neue Aktionen und die Zukunft des Familienunternehmens besprochen. Hier war schon der eine oder andere Staatsstreich und Krieg geplant worden. Kleinigkeiten, wie Firmenübernahmen, kamen bei so wichtigen Treffen erst gar nicht auf die Tagesordnung. Hier wurden nur globale Ziele besprochen, um das Wachstum und den Erhalt des Imperiums zu sichern. Dieses Gremium setzte sich aus den zwölf Ursprungsfamilien zusammen. Das Komitee wachte über die Geschäfte des Imperiums der Scientia.

»So, meine Herren«, versuchte Tom Mayer, als diesjähriger Vorsitzender der Scientia Brüder, seine Mitstreiter zur Ruhe zu bringen. Nachdem es in dem Saal ruhig geworden war, begann Tom Mayer von Neuem.

»Wie ihr ja alle aus den Unterlagen, die vor euch liegen, ersehen habt, sind die Preise für die wichtigsten Minerale, die unsere Wirtschaft zum Wachsen dringend benötigt, in den falschen Händen. All unsere Versuche, im Kongo Fuß zu fassen, sind kläglich gescheitert.«

»Die können ja da auch nur Krieg führen und ihre eigenen Leute umbringen«, rief Manuel Alvarez dazwischen, der für den Raum Afrika zuständig war.

»Da gebe ich dir recht, lieber Manuel, daran haben wir uns ja schon eine goldene Nase verdient, aber«, dabei hob Tom Mayer seine Hände, um die nächsten Einwürfe abzuwehren, »aber«, wiederholte er jetzt lauter, »die Situation ändert sich gerade. Die Menschen wollen Frieden. Ihr neuer Präsident will das auch und deshalb gibt es eine Friedenskonferenz«.

»Unser neuer Präsident will doch auch mit jedem Frieden machen«, rief jetzt Pedro Cafissi dazwischen. Er verdrehte die Augen und spielte damit auf das Fiasko bei der letzten Präsidentenwahl an. Die Scientia hatte Unsummen an Geld in den Wahlkampf von Peter Ambrell investiert. Bei allen Umfragen lag ihr Kandidat mindestens zwanzig Prozent über dem jetzigen Präsidenten. Alles lief genau nach Plan und die Scientia war voller Hoffnung, dass sie ihren ersten Präsidenten ins Weiße Haus pflanzen konnte. Bisher hatte sie nur Einfluss auf dessen Berater und einen Großteil der Senatoren und den hohen Militärs. Das Schicksal wollte aber nicht, dass ein so großes und mächtiges Land wie die Vereinigten Staaten von Amerika, durch eine Marionette der Scientia regiert wurde. Am entscheidenden Tag vor der Wahl bekam Peter Ambrell einen unerklärlichen Herzinfarkt. Dadurch kam es zu einer Wahl ohne Gegenkandidaten und brachte den jetzigen Präsidenten an die Macht.

»Deshalb müssen wir ja eine extremere Gangart einschlagen«, verkündete Tom Mayer und erteilte Manual Alvarez mit einem Handzeichen das Wort.

»Im Kongo gibt es atemberaubende Mengen an Gold, Diamanten, Kobalt und Uran. Nicht zu vergessen die anderen seltenen Mineralien, die strategisch wichtig sind. Wie zum Beispiel Coltan, Tantalit und Columbit.«

»Und wofür brauchen wir so komisches Zeug wie Tantalit und Coltan?«, fragte Miguel Pollina.

»Dabei handelt es sich um sehr seltene Erze. Sie werden bei der Herstellung von Mobiltelefonen und Nachtsichtgeräten benötigt. Außerdem werden sie bei Satelliten, Kernreaktoren und bei diversen Hightech Waffen eingesetzt«, belehrte ihn Manuel Alvarez.

»Schön, schön, dann auf zum Kongo«, rief Miguel Pollina witzelnd.

»Genau darum geht es«, fuhr Tom Mayer fort, ohne auf den Spott näher einzugehen.

»Wir werden versuchen, eine geheime Operation einzufädeln, bei der der Präsident uns quasi behilflich sein wird.«

»Wie soll das denn funktionieren? Der neue Präsident ist doch ein Sparfuchs und hat nur noch Geld für das Militär übrig«, beteiligte sich jetzt Baptiste Delacroix.

»Warum beschwerst du dich dann? Wir sind doch die größten Waffenhändler«, sagte Raphaël Mounton als Leiter aller Waffenfirmen der Scientia.

»Meine Herren, so kommen wir doch nicht weiter«, ging Tom Mayer zwischen die Streithähne. Er erklärte den Plan weiter.

»Wir werden den Präsidenten dazu bringen, genau wie wir es damals im Irak geschafft haben.«

Alle lächelten über ihren gelungenen Schachzug. Sie hatten der damaligen Regierung falsche Informationen über Giftgas zugespielt und die war darauf reingefallen.

»Wenn unser Mann Bob Dupont alles richtig macht, wird der Präsident, wie damals, das Militär in den Kongo entsenden. Nachdem dort mit unserer Hilfe die gesamte Ordnung zusammengebrochen ist. Dafür lassen wir Dupont einen Attentäter anheuern. Der soll nur ein Frachtflugzeug abschießen. Was keiner weiß, ist, dass wir einen tödlichen Cocktail mit dem Flugzeug transportieren werden.«

»Was ist denn das für ein Cocktail und wo bekommen wir den her?«

»Wir kontrollieren ein Chemiewerk in Malanje. Dort wird normalerweise Dünger hergestellt. Außerdem nutzen wir das noch zur Genforschung. Dort werden sie den Giftcocktail herstellen. So genau interessiert mich Chemie dann doch nicht. Was wir wissen müssen ist, dass dieses Zeug mit einem ganz besonderen Virus ausgestattet wird. Das bringt eine Seuche über die ganze Stadt.« Tom Mayer grinste fragend in die Runde.

»Wenn dann die ganze Stadt verseucht ist, wie sollen unsere Jungs dann dort einmarschieren?«

»Auf diese Frage habe ich gewartet. Dieser Virus ist für alle Lebewesen zu 100 Prozent tödlich. Noch nicht einmal Feuer kann den Viren etwas anhaben. Sind sie einmal freigesetzt, gibt es kein Entrinnen. Allerdings hielten sich die Viren an der Luft höchstens 24 Stunden, danach lösen sie sich auf. Damit ist das Zeug auch nicht mehr nachweisbar.«

Alle Anwesenden klatschten stehend Beifall und diskutierten wild untereinander.

Tankstelle Sinclaire, Oberhausen, Deutschland

Die Tankstelle, die aus den Fünfzigerjahren stammte, hatten ihm seine Eltern überlassen, bevor sie nach England auswanderten. In der letzten Zeit war das Gebäude etwas heruntergekommen. Der Lord ließ es aber wieder in neuem Glanz erstrahlen. Alles wurde auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Neue Elektrik, wärmeisolierende Kunststofffenster, Nutzung der Sonnenenergie zur Strom- und Warmwassererzeugung. Im rechten Teil des Gebäudes befanden sich zwei große Werkstatthallen. Auf die Gruben kamen zum Schutz Bleche aus Aluminium. Der Lord war ein leidenschaftlicher Bastler. So konnte er bequem an seinem Jaguar E-Type schrauben. Eine kleine Elektronikwerkstatt fand ihren Platz in dem Raum, der von der Halle im hinteren Teil abgemauert wurde. Hier war alles vorhanden, um an Computern oder elektronischen Geräten zu arbeiten. Im linken Teil der Tankstelle befanden sich früher Verkaufsraum, Lager und Umkleideraum. Jetzt gab es dort einen Empfangsraum mit Schreibtisch und Theke. Dahinter lag ein Raum, den er wie ein Wohn-Schlafraum gestaltete, sowie einem angrenzenden, modernen Badezimmer. Dies sollte als Gästezimmer genutzt werden. Falls er denn mal Besuch bekommen sollte. In den letzten Jahren hatte er zwar ein paar Mädels kennengelernt, aber keine war die Eine, auf die sein Herz wartete. Länger als ein paar Wochen hatte er es mit keiner ausgehalten. Hinter dem ehemaligen großen Verkaufsraum gelangte man in einen Flur. Der Umzug und der Einbau der neuen Einbauküche waren innerhalb von zwei Tagen geschafft. Der Lord war ein Freund von Spielereien jeder Art. Das Treppenhaus lag versteckt hinter einem Bücherregal. Der einzige Zugang war ebenfalls als Regal getarnt. Alle seine Außen- und Geheimtüren konnte er über seine Smartwatch öffnen.

Nördlicher Flügel des Kapitols in Washington D.C, USA

Im nördlichen Flügel des Capitols in Washington tagte der Senat der Vereinigten Staaten von Amerika. Zurzeit gab es diverse öffentliche und nicht öffentliche Ausschüsse. Da der vorherige Präsident aufgrund von diverser Frauengeschichten letztendlich zurückgetreten war, kam es zu Neuwahlen. Diese Wahl galt aber als umstritten. Der in den Umfragen führende Kandidat verstarb einen Tag vor der Wahl. Deshalb hatte der US-Senat eine geheime Kommission gebildet. Es sollte eine Sicherheitsüberprüfung aller engsten Regierungsmitarbeiter des Präsidenten durchgeführt werden. Senator Peter Carpenter aus Nevada war der Chairman. Damit war er der Vorsitzende des geheimen Ausschusses. Zu diesem Zweck hatte er eine Taskforce aus erfahrenen Sonderermittlern zusammengestellt. Die Türen für die erste Sitzung wurden verschlossen.

»So, meine Damen und Herren«, begann der Senator, »es wird Zeit, dass wir die Herrschaften im Weißen Haus mal richtig unter die Lupe nehmen.«

Er hielt inne und schaute jeden der sechs Teilnehmer dieser Besprechung genau an. Carpenter achtete auf ihre Reaktionen.

»Ja, George?«. Er erteilte mittels einer Handbewegung George Baker das Wort.

»Die sind doch schon vom Secret Service durchleuchtet worden.«

»Stimmt, aber nicht von uns. Ich darf alle daran erinnern«, fuhr er fort, »dass diese besondere Taskforce zur Untersuchung von Bestechungen und Nachrichtenübermittlungen an Außenstehende bei Regierungsmitgliedern ins Leben gerufen worden ist.«

Er räusperte sich.

»Das heißt für uns, dass wir diese Herrschaften regelmäßig auf ihre Verfassungstreue überprüfen müssen.«

Da es keine weiteren Einwände gab, erläuterte der Senator seine Pläne.

Oval Office, Weißes Haus, Washington, USA

Bei der heutigen Debatte des kleinen US-Sicherheitsrates im Oval-Office waren nur eine Handvoll hochrangiger Vertreter der Regierung und des Militärs anwesend. Bei dem einzigen Punkt auf der Tagesordnung ging es um die Zukunft des Kongos im entfernten Afrika. Nachdem der Außenminister seinen öden Vortrag zur Lage im Kongo beendet hatte, begann der Wirtschaftsminister langweilig Zahlen und Fakten zu den einzelnen Bodenschätzen und ihrer Nutzung zu präsentieren. Er quälte damit weiterhin alle Anwesenden. Sie mussten sich zwanghaft wach halten. Die Informationen über die anstehende Friedenskonferenz, die ohne Vertreter der Amerikaner stattfand, war ebenfalls ernüchternd. Der Präsident Arthur William Humb hörte bei allem nur mit einem halben Ohr hin. Er war in Gedanken mehr bei seiner neuen Geliebten, als beim Thema Afrika. Einig war man sich nur über den Unmut darüber, dass Frankreich und Deutschland die Führung der Friedenskonferenz übernommen hatten. Dadurch hatten sie die USA aus dem Prozess der Befriedung gedrängt. Der Stabschef des Weißen Hauses sprach im verächtlichen Ton: »Es kann nicht sein, dass die Franzmänner und die Krauts uns unserer Vormachtstellung im Kongo berauben wollen. Erst kommt Amerika. Danach kommen erst die deutsche Mutti und ihr neuer französischer Freund.«

Zustimmender Applaus brandete auf.

»Ruhe bitte! Meine Herren, es geht ja in erster Linie um den Frieden im Kongo«, versuchte der Außenminister zu beschwichtigen.

Der Wirtschaftsminister gab zu bedenken: »Erst schaffen die Deutschen und Franzosen es dem Land, den lang ersehnten Frieden zu bringen. Als Dank dafür erhalten sie die Rechte, die Bodenschätze abzubauen.«

»Gibt es in dem verdammten Land Öl?«, warf der Präsident gelangweilt und eher beiläufig ein.

»Nein, Öl haben die keins, aber ...«

Ohne den Außenminister aussprechen zu lassen, fuhr der Präsident fort: »Dann ist das für mich uninteressant! Lassen Sie sich etwas einfallen, wie wir den Frieden im Kongo schaffen können. Irgendetwas, damit zumindest so viel Stabilität geschaffen wird, dass unsere Interessen und unser Ansehen gewahrt werden.«

Mit diesen Abschlussworten war die zweistündige Debatte über die Friedenskonferenz im Kongo beendet. Nach der Debatte trafen sich der Präsident Arthur William Humb und sein Sicherheitsberater Bob Dupont im Oval-Office.

»Nur faules Gelaber über die armen Afrikaner. Das interessiert keinen meiner Wähler hier in Amerika. Über diese ganze Seuche, die sich Friedenskonferenz schimpft, kann man ein Ei schlagen«, begann der Präsident erbost das Gespräch mit seinem Sicherheitsberater Bob Dupont. Arthur William Humb war für seine Ausbrüche und spontanen Reaktionen berüchtigt.

»Das ist eine wirklich brillante Idee, Mr. Präsident.«

»Wie meinen Sie das schon wieder? Ich verstehe Sie nicht«, fragte Humb erbost. Seine Gesichtsfarbe war kurz vor Dunkelrot und es schien, als würde er gleich vor Wut platzen.

»Ganz einfach. Man müsste über die Konferenz ein Ei schlagen, das die Seuche bringt. Dadurch treffen wir gleich mehrere Fliegen auf einen Streich. Wir zerstören zum einen die verhasste Armee von General Madibo, alle Sicherheitsberater von Präsident Kabila, alle Guerilla-Führer und alle Möchtegern-Friedensexperten aus Frankreich und Deutschland auf der Konferenz.«

»Jetzt verstehe ich Sie langsam. Was machen wir dann?«

»In das so entstehende Machtvakuum entsenden wir dann sofort unsere Truppen. Die stationieren wir vorher zum Schutz der Konferenz an der westlichen Küste. Damit sorgen wir dann dort für Recht und Ordnung. So wie wir es bereits im Irak durchgezogen haben. Nur wir führen im Kongo keinen offiziellen Krieg gegen eine Partei, den wir uns im Senat genehmigen lassen müssen, sondern wir helfen nur spontan als Weltpolizei dem geschwächten Volk im Kongo.«

»Super Idee. Wir bauen dort das Land und die Wirtschaft mit unseren starken und guten alten Freunden wieder auf.« Die Hautfarbe und der Blutdruck des Präsidenten normalisierten sich langsam.

»Ja genau. Damit erhalten wir auch einen direkten Zugriff auf einer der atemberaubendsten Mengen Gold, Diamanten, Kupfer, Kobalt, Silber, Uran und andere seltene Mineralien. Diese sind strategisch wichtig. Zum Beispiel Coltan, Europium, Thorium«, führte Dupont aus. Seine Gedanken gingen schon weiter. ›Und die »Familie« verdient sich eine goldene Nase‹.

»Sind Sie jetzt unter die Mineralogen gegangen? Haben Sie in der Schule nur gut aufgepasst und darauf gewartet, den Präsidenten zu belehren?«

»Nein, Sir. Ich habe gestern das neueste Dossier vom CIA über den Kongo studiert. Da fand das spezielle Erwähnung.«

»Wieso können Erze strategisch wichtig sein? Was bitte schön ist Coltan?«

Dupont holte eine Kladde aus seinem Aktenkoffer.

»In dem Dossier steht, ich zitiere: Dabei handelt es sich um ein auf unserem Planeten sehr seltenes Erz, das aus Columbit und Tantalit besteht.« Dupont erläuterte die einzelnen Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten dieses Erzes. Er hielt kurz inne und überzeugte sich mit einem Seitenblick, ob der Präsident ihm noch zuhörte.

»Des Weiteren steht hier noch: Darüber hinaus ist die zentrale Lage der Demokratische Republik Kongo auf dem afrikanischen Kontinent von großer strategischer Bedeutung. Abgesehen von seiner territorialen Ausdehnung. Es ist zum Beispiel dreizehnmal so groß wie Washington.« Dupont unterbrach seinen Monolog, holte tief Luft und referierte weiter. »Es hat mit neun anderen Ländern eine gemeinsame Grenze. Somit ist die Kontrolle über die Demokratische Republik Kongo der Schlüssel zu ganz Afrika. Damit haben wir im doppelten Sinne eine lukrative Basis, um gegen alle Terroristen der Welt zu kämpfen. Außerdem können wir so das Aufkaufen des ganzen Kontinentes durch die Chinesen verhindern.«

»Ja, das macht Sinn«, nickte der Präsident zustimmend, ohne sich auch nur einen Gedanken über die dafür zu opfernden Menschenleben zu machen. »Ich weiß von nichts. Leiten Sie die notwendigen Schritte ein ohne, sagen wir es mal so, "inländische" Kontakte zu nutzen«, er grinste dabei verschmitzt. Mit seinen Gedanken war er allerdings schon dabei, die Vorteile für sich selber zu überlegen.

Etwas zögerlich sagte der Sicherheitsberater. »Ja, Sir. Wird erledigt. Wie finanzieren wir die Operation?«

Fragend zog der Präsident die Stirn in Falten.

»Welche Operation? Ich gehe davon aus, dass Sie im Rahmen Ihrer Funktion als Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten von Amerika Ihren Job verstehen. Leiten Sie alles in Ihrer Macht Stehende in die Wege, um von ihrem Land Schaden abzuhalten. Sorgen Sie dafür, dass wir auch in der Zukunft für die Bekämpfung unserer Feinde in jeder Form ausreichende Möglichkeiten haben«, sagte der Präsident mit einem autoritären Ton, der jeglichen Widerspruch unterband.

›Ja sicher doch und die Familie wird mir helfen, unsere Ziele zu erreichen‹, und laut sagte er nur. »Jawohl, Mr. Präsident«.

GC4 Zentrale, Washington, USA

Clark schaute sich die letzten Überwachungsprotokolle von Senator Hicks an, als es auf einmal klopfte. Schon wurde die Bürotür aufgerissen.

»Das glaubst du nicht, was ich gerade bei der Überwachung vom Oval Office gehört habe.«

»Beruhig dich erst mal, lieber Dirk. Tief durchatmen. Jetzt erzähl mal, was es Spannendes vom Präsidenten gibt.«

»Das glaubst du nicht.«

»So weit waren wir schon. Fang endlich an. Ganz vom Anfang bitte.«

»Der Präsident hatte erst eine Besprechung über die Friedenskonferenz im Kongo. Die war sehr, ich formuliere es mal freundlich, sehr langweilig. Danach hatte er mit Dupont ein Einzelgespräch. So wie ich diese Aussage deute, hat der Präsident mal eben aus reiner Unkenntnis den Todesbefehl für 10 Millionen Menschen gegeben.«

»Dirk, bitte. Wir sollen nicht deuten, nur dokumentieren. Unsere Aufgabe ist es, Erkenntnisse und vor allem Beweise an die Strafverfolgungsbehörden und den Kongress weiterzuleiten.«

»Dann sieh dir die Aufzeichnung an. Dann wirst du mir zustimmen.«

Die beiden Männer sahen sich gespannt die Videoaufnahme des Gesprächs zwischen Humb und Dupont an.

»Ganz einfach. Man müsste über die Konferenz ein Ei schlagen, das die Seuche bringt.«

 

Kam die etwas blechern klingende Stimme von Dupont aus dem Lautsprecher neben dem Monitor mit den passenden Bildern zu dem Gespräch. Dupont fuhr fort.

»Dadurch treffen wir gleich mehrere Fliegen auf einen Streich. Wir zerstören zum einen die verhasste Armee von General Madibo, alle Sicherheitsberater von Präsident Kabila, alle Guerilla-Führer und alle Möchtegern-Friedensexperten aus Frankreich und Deutschland auf der Konferenz.«

 

Schweigend folgten die beiden GC4-Agenten dem Rest des Gesprächs. Als sich die beiden Männer auf dem Monitor verabschiedeten, drückte Dirk auf Pause. Das Video hielt an. Die Stimme des Präsidenten verstummte.

 

»Da sagt aber keiner etwas vom Töten von 10 Millionen Menschen«, begann Clark.

»Ich habe vorgestern einen Bericht über die Friedenskonferenz gesehen. Da haben sie unter anderem gesagt, dass in Kinshasa, der Hauptstadt des Kongos, ungefähr 10 Millionen Menschen leben. Damit man die Teilnehmer der Konferenz auch alle töten kann, muss man eine aggressive Seuche einsetzen. Welche Seuche kennst du, die nur die auf einer Liste des Präsidenten stehenden und keine Zivilisten tötet?«

Überwachungsteam vor dem Weißen Haus, Washington, USA

Greg Lewis und Paul Muller, zwei Ermittler der Taskforce des Senats, saßen gelangweilt in ihrem grauen Überwachungswagen. Sie warteten auf den Sicherheitschef Bob Dupont und sprachen über ihren Auftrag.

»Total verlorene Zeit, hier zu sitzen und den Kerl zu überwachen«, maulte Muller.

»Stimmt. Der wäre ja nicht Sicherheitsberater des Präsidenten geworden, wenn er zu al-Kaida gehören würde, oder?«

»Die Jungs vom Secret Service haben doch alle schon auf den Kopf gestellt, dabei dreimal geröntgt. Warum müssen wir das denn auch noch mal tun?«

»Mein lieber Paul. Wenn Peter Carpenter, seines Zeichens Senator der Vereinigten Staaten von Amerika, das befiehlt, dann müssen wir nicht lange überlegen, sondern einfach handeln«, maßregelte Greg Lewis seinen Kollegen mit einem gespielten Oberlehrertonfall.

In diesem Moment verließ der Sicherheitsberater das Gelände des Weißen Hauses. Greg Lewis stupste seinen Kollegen Muller an. »Da kommt Dupont.«

Paul startete den Wagen und folgte dem Sicherheitschef. Dupont fuhr ohne Begleitung seiner Secret Service Agenten. Der Weg führte ihn in den Norden von Washington, zum Scott Circle. Etwas abseits der 17th Street fand Dupont einen Parkplatz. Aus seinem Handschuhfach nahm er eine alte Brille mit dickem Horngestell und Fensterglas sowie zwei kleine Verbandsrollen. Die steckte er in den Mund. Durch dickere Wangen entfremdete er sein Gesicht. Dann noch die Brille. Schon war er kaum wieder zu erkennen. So getarnt machte er sich gut gelaunt auf den kurzen Weg zum cyberTOPP Café, einer der bekanntesten und gut besuchtesten Internetcafés in Washington.

»Wie sieht der denn aus?«, prustete Paul heraus, während Greg das Überwachungsfahrzeug etwas abseits parkte. Sie standen noch nicht ganz, da schoss Paul auch schon auf den Sicherheitschef, aber nur mit einer Kamera mit extrem starkem Teleobjektiv. Greg Lewis stieg aus dem Überwachungswagen und folgte dem Sicherheitsberater unauffällig in das Internet-Café. In dem Café war es sehr laut. Viele Menschen saßen vor ihren Bildschirmen, tranken Kaffee und surften im Internet oder chatteten mit anderen Internetnutzern. Lewis setzte sich rechts an einen freien Platz, von dem er das gesamte Café im Blick hatte. Er verfolgte aufmerksam alle Bewegungen von Bob Dupont. Der ging zu einem der Internetnutzer. Der Sicherheitsberater diskutierte mit einem jungen Mann, der vielleicht Anfang zwanzig war. Leider konnte Lewis das Gespräch nicht hören, sonst hätte er mitbekommen, das Dupont fragte, ob er mal eine kurze E-Mail von dem Terminal des jungen Mannes senden dürfte. Er hätte wenig Zeit, sein Mail-Passwort vergessen und würde ihn für seine Hilfe mit fünf Dollar entschädigen. Der junge Mann überlegte nur kurz und überließ ihm dann seinen Platz. Dupont vergewisserte sich, dass ihm keiner zuschaute, startete dann das Mail-Programm. Die E-Mail war schnell getippt:

An: Stradivari96@aol.com

Können Sie immer noch so gut mit der Violine spielen, wie früher? Dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf, ich brauche Sie für ein großes Benefiz-Konzert für notleidende Menschen in Afrika.

Gruß

Ein guter Freund

Danach verließ er das Café. Auf dem Weg zurück zu seinem Wagen nahm er einen Umweg. Nachdem der Sicherheitsberater das Lokal verlassen hatte, ging Lewis auf den Tresen zu. Der junge Mann dahinter schaute ihn fragend an. Lewis hielt ihm seinen Dienstausweis vor die Nase und sprach ihn mit bestimmendem und keinen Widerspruch zulassendem Tonfall an.

»Guten Tag. Lewis, Sonderermittler des Senats. Sie haben gerade einem Terrorverdächtigen Zugriff auf Ihr Computernetzwerk gewährt?«

Der junge Mann zuckte zusammen und erschrak. Die Farbe entwich aus seinem, von schwerer Akne gezeichneten, Gesicht. Er stammelte: »Wie, Terror? Ich nie, auf keinen Fall.«

Lewis legte sofort mit seinen Einschüchterungen nach. »Wenn Sie leugnen, wird es noch schlimmer und erhöht Ihr Strafmaß in Guantanamo erheblich.«

»Ich. Ich leugne nicht. Ich weiß ja gar nicht, was Sie von mir wollen!«

»Dort hat gerade ein Mann gesessen.« Lewis zeigte dabei auf den Platz, an dem jetzt wieder ein junger Mann saß.

»Äh ja, kann sein.«

»Ich benötige eine Kopie der Überwachungsbänder und das Browser-Protokoll, auf dem seine aufgerufenen Seiten ersichtlich sind«, blaffte Lewis den immer weiter hinter der Theke versinkenden Mann an.

»Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Sir.«

Der jetzt eingeschüchterte, pickelige Mann stand auf. Er beeilte sich und verschwand hinter dem Tresen durch eine Tür, wobei er darauf achtete, dass Lewis ihm folgte. Er zeigte ihm die entsprechenden Aufnahmen der Sicherheitskameras. Gleichzeitig fertigte er davon Kopien an und fügte das Browserverlaufsprotokoll des entsprechenden Computers dazu.

»Sie dürfen über den Vorfall mit keinem Menschen sprechen. Das betrifft die nationale Sicherheit. Außerdem dürfen Sie sich nichts anmerken lassen, wenn der Typ hier noch mal auftaucht.«

Der junge Mann nickte nur. Seine zugeschnürte Kehle ließ keinen Laut durch.

»Ja, und wenn der Typ Sie noch mal besucht«, Lewis schob ihm seine Visitenkarte zu, »rufen Sie mich umgehend an. Ist das klar?«

Lewis drehte sich um und ließ den sprachlosen, total verängstigten Mann zurück.

Avenue du Mont-Blanc 12, Lausanne, Schweiz

Seit seinem dreißigsten Geburtstag wohnte René Sambago schon in Lausanne. In den letzten 12 Jahren hatte er alle Eigentumswohnungen des Hauses Avenue du Mont-Blanc 12 durch Strohfirmen und Mittelsmänner aufgekauft. Offiziell gehörte ihm aber nur eine Wohnung im obersten Stockwerk. Das Haus war in die Jahre gekommen und bedurfte einer kompletten Sanierung. Nach und nach waren alle Mieter ausgezogen und die Wohnungen wurden nicht neu vermietet. Bei der Renovierung hatte er sich diverse elektrische Spielereien und Sicherheitseinrichtungen einbauen lassen. Von seiner Wohnung hatte er einen schönen Blick auf die Stadt. Trotz seiner Luxuswohnung mit 190 Quadratmetern, wohnte er hier seit jeher allein. Mit seinem gut trainierten Körper, seinem sportlichen Aussehen und seiner Größe von 195 Zentimetern, galt er bei den Damen als attraktiv. Bisher hatte er leider noch nicht die Richtige gefunden. In seinem Job war er häufig rund um den Globus auf Reisen. Er erledigte überall auf der Welt seine diversen Aufträge. Sambago übernahm nur Spezialaufträge. Er war halt immer schon der Mann für das "Spezielle". Seine guten Sprachkenntnisse in Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch halfen ihm, sich fast überall auf der Welt schnell zurechtzufinden.

Nur damit er in Ruhe leben konnte, übernahm Sambago keine Aufträge in der Schweiz. Ansonsten hatte der ehemalige Fremdenlegionär und Scharfschütze schon unzählige geheime Aufträge erledigt. Der Raum, der gleich neben dem Wohnzimmer lag, war sein Büro. Hier thronte er hinter seinem riesigen Schreibtisch. Er verpackte seinen Laptop für einen Ausflug. Eigentlich hatte er von Computern keine Ahnung. Er wusste gerade einmal, wie man eine E-Mail sendete, wie man im Internet etwas suchte oder wie man sich bei iBuy zurechtfand. Von Viren hatte er schon mal gehört. Er lud sich alle paar Monate den aktuellen Virenschutz aus dem Internet auf seinen Computer mit dem angebissenen Apfel. Von Angreifern oder Spionen aus dem Netz der Netze, hatte er nie etwas gehört. Das war absolut nicht seine Welt. In seiner Welt musste man alles sehen und anfassen können, sonst interessierte ihn das nicht weiter und war nur Mittel zum Zweck. Vor der Planung seiner speziellen Aufträge suchte er erst einmal tiefe Entspannung beim Spielen seiner Meistergeige. Dadurch bekam er den nötigen Abstand und es reinigte seiner Meinung nach Geist und Seele. Mit seinem Geigenspiel konnte er ja keine anderen Mieter stören. Die Nachbarwohnung stand genauso leer, wie das gesamte Haus während der Renovierung. Die kleine Wohnung mit den übrigen 50 Quadratmetern auf seiner Etage war durch eine als Spiegel getarnte Sicherheitstür mit dem Ankleidezimmer verbunden. Dieser Raum beherbergte nicht nur die große Auswahl an noblen Anzügen für jede Gelegenheit, sondern war auch sein Panikraum. Durch seine mit massiv gepanzerten Verbundplatten verstärkten Wände und entsprechender Panzertür, konnte man hier auch vor größeren Angriffen sicher sein. Die Tür war, genauso wie seine Wohnungseingangstür, schussfest. Sein Sicherheitsraum war luftdicht und wurde durch eine separate Belüftung vom Dach her mit dem notwendigen Sauerstoff versorgt. Der Panikraum war in einem Brandfall oder bei einem Gasangriff der richtige Aufenthaltsort. Deshalb waren hier die Alarmanlage und die umfängliche Videoüberwachungsanlage sicher untergebracht. Durch die Spiegel-Geheimtür konnte Sambago jederzeit unerkannt seine Wohnung betreten. Der kleine Aufzug wurde ebenfalls generalüberholt. Alle Zugänge zu dem alten Dienstbotentreppenhaus aus längst vergangenen Zeiten wurden zugemauert. Nur nicht die Eingänge, die der Eigentümer des Hauses nutzte. Es gab nur einen Zugang in der kleinen, nicht genutzten Wohnung im vierten Stock und einen versteckten Ausgang im Keller, der als Heizraum getarnt war.

In diesem Kellerraum war auch eine weitere Leidenschaft von ihm versteckt. Eine BMW R 1200 GS Enduro. Wenn man der Firma aus Bayern glauben schenken konnte, war dies das beste Geländemotorrad der Welt. Wenn nicht, war es Sambago auch egal. Es war sein Traum-Motorrad, mit dem er schon oft alleine über Stock und Stein durch die Alpen und einmal durch die Sahara gefahren war.

Im Erdgeschoss wohnte seit letzter Woche wieder ein altes Ehepaar: Elvira und Hugo Baum. Hugo bezeichnete sich selber immer als Haustechniker. Er war zu vornehm für einen Hausmeister. Hugo kümmerte sich um alle Belange, die so anfielen. Schneedienst, Gartenarbeiten und alles, was ein Hausmeister halt so tat. Elvira hingegen achtete peinlichst genau darauf, dass die Reinigungskräfte das gesamte Haus von oben bis unten immer gründlichst putzten. Sie war der gute Geist, der bei Sambago die Wäsche machte, putzte, Blumen goss und nach dem Rechten schaute, wenn er mal wieder auf einer seiner vielen Reisen war. Sie waren froh, nach dem Umbau endlich wieder hier einzuziehen.

Tankstelle Sinclaire, Oberhausen, Deutschland

Der Lord entwickelte schon seit vielen Jahren ein Computersystem mit künstlicher Intelligenz. Ein Computer mit einem gewissen Eigenleben, wie er es nannte. In den letzten zwei Jahren hatten sein Freund Marc-Oliver und er täglich an seinem Supercomputer programmiert. Er nannte diese Maschine liebevoll Lady Marian. Sie bestand im Grunde genommen aus verschiedenen großen Computern, die in Firmen als Netzwerkserver genutzt wurden und jetzt als eine Einheit funktionierten. Lady Marian hieß nicht nur wie eine Frau, auch ihr Sprachmodul hatte die leicht rauchige Stimme einer Frau. In jedem Raum der Tankstelle waren Mikrofone, Lautsprecher, Video-Kameras und Flachbild-Monitore, die wie Bilder aussahen, angebracht worden. Der Computer, diese Bezeichnung mochte Lady Marian von sich selber aber gar nicht gerne hören, konnte damit von jedem Standort im Hause kommunizieren. Mittlerweile war die Leistungsfähigkeit von ihr so weit ausgebaut worden, dass sie auf alle Sprachbefehle reagierte. Sie konnte aufgrund der vielen Kameras erkennen, wie viele Personen sich im Hause aufhielten. In den meisten Fällen klappte es ebenfalls mit der Erkennung der Geschlechter.

Da der Lord die modernste Art der Hauselektrik eingebaut hatte, war es das geringste Problem, die komplette Steuerung der Haustechnik an Lady Marian zu übertragen. Jetzt konnte man per Sprachbefehl die Rollläden, das Licht, die Heizung, Musik und die Klimaanlage steuern. Manchmal kam es allerdings noch vor, dass mitten in der Nacht in seinem Schlafzimmer das Licht anging. Der Lord war sich nicht sicher, ob es sich dabei um einen Programm-Fehler handelte oder ob Lady Marian ihn nur ärgern wollte, weil ihr langweilig war. Das war aber noch nicht das Besondere an diesem System. Aufgrund der Zusammenarbeit mit seinem Freund MOS, hatte seine Lady spezielle Fähigkeiten zur Informationsbeschaffung bekommen, die jedem Hacker alle Ehre machen würden. Halterabfragen von Autos, Führerschein- oder Personalausweis-Daten gehörten zu ihren Meisterstücken. Der Lord missbrauchte diese Daten nicht. Es machte ihn nur stolz, dass er die Leistungsfähigkeit seiner von ihm geschaffenen Künstlichen Intelligenz gesteigert hatte. Die Privatsphäre von jedem Menschen war für ihn ansonsten heilig. Er versuchte durch seine Arbeiten und sein Forschen, den Computernutzern zum einen mehr Sicherheit zu verschaffen und zum anderen über die Gefahren aufzuklären. Dafür gab er bei der Volkshochschule regelmäßig Seminare.

Da seine Mutter ihn nach dem bestandenen Abitur zu einer Lehre in einem handwerklichen Beruf mütterlich überredet hatte, machte er eine Ausbildung als Elektroniker für Informations- und Telekommunikationstechnik. Dadurch konnte er alle Arbeiten, die für sein spezielles Sicherheitssystem notwendig waren, alleine durchführen.

Im oberen Teil der Tankstelle befand sich seine eigentliche Wohnung. In den ehemaligen Geschäftsräumen der Tankstelle hatte er sein Büro. Das schön eingerichtete Vorzimmer war aus rein wirtschaftlichen Gründen verwaist. Trotz seines, kurz vor dem Diplom abgebrochenen Informatik-Studiums, besaß er genug Selbstvertrauen, sich vor zwei Jahren selbstständig zu machen. Er gründete eine Firma mit Namen Anti-Cyber-Crime-Agency kurz ACCA.

Da auf dem Markt der Softwareprogrammierung das große Geschäft nur durch Unternehmen mit riesigem Kapital und Marketingbudget gemacht wurde, suchte er eine besondere Nische. Er spezialisierte sich auf Sicherheitsanwendungen und Netzwerkabsicherung für Apple-Computer, obwohl er nicht zu den eingefleischten Apple-Computer-Fans gehörte. Er war sich sicher, die von ihm gesuchte Marktlücke gefunden zu haben. Da er im Studium diverse Softwareprodukte programmiert hatte, die sich alle mit dem Thema Sicherheit von Computern und Internet befassten, baute er dieses Wissen weiter aus und bot seine Dienste verschiedenen kleinen Unternehmen an.

Café im Hotel Mövenpick, Lausanne, Schweiz

Am frühen Nachmittag in einem Café im Hotel Mövenpick in Lausanne. »Sie haben Post«, tönte die Stimme aus den Lautsprechern eines Apple-Laptops. Vier Newsletter von diversen Fluggesellschaften, eine von einem Handy-Versandhandel und eine E-Mail von jemandem, den der Benutzer gar nicht kannte. Glaubte man der Meinung des Laptopbesitzers, waren dies immer die Interessantesten. Es hätte ja ein neuer lukrativer Auftrag sein können. Vor einiger Zeit hatte dem Benutzer mal jemand in New York an der Hotelbar gesagt, dass der beste Schutz vor Viren und so, ein Apple-Computer sei. Diese Geräte waren verhältnismäßig teuer und deshalb nicht so stark verbreitet. Außerdem wurden sie, von den meist jungen und finanziell nicht so gut gestellten Hackern, nicht als Angriffsziele genutzt. Des Weiteren kannten sich Polizei und andere Sicherheitsorgane nicht so gut mit der Apple-Technik aus. Das war für ihn der ausschlaggebende Grund, sich einen Computer dieser Firma zu kaufen. Was er zu diesem Zeitpunkt nicht wusste war, dass die E-Mail aus einem Internet-Café aus Washington stammte und der Absender ihn wohl kannte.

 

An: Stradivari96@aol.com

Können Sie immer noch so gut mit der Violine spielen, wie früher?

Dann nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf, ich brauche Sie für ein großes Benefiz-Konzert für notleidende Menschen in Afrika.

Gruß

Ein guter Freund

Der Text war für einen Außenstehenden ganz normal, aber für ihn war die Bedeutung eine andere. Der erste Teil der E-Mail war die Frage, ob er noch im Geschäft war. Der zweite Abschnitt mit dem Benefiz Konzert sagte ihm, dass der Auftrag in Afrika zu erledigen war. Er war schon des Öfteren auf diesem Kontinent tätig gewesen. Nur eins drosselte seine Begeisterung für einen neuen Auftrag. Aufgrund der Tatsache, dass er an übermäßiger Schweißbildung litt, musste er in dem Klima wieder Unmengen an Mineralwasser zu sich nehmen. Sonst bekam er wieder Schwindelanfälle.

Kurzerhand loggte er sich unter falschem Namen bei der Washington University ein und veröffentlichte dort eine Anzeige mit folgendem Text:

Benefiz-Konzert für notleidende Menschen in Afrika gesponsert by iBuy. Wir suchen noch nähere Informationen über dieses Konzert. Haben schon bei iBuy nach Karten geschaut, aber bisher nichts gefunden, aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Ein Fan von Stradivari

Damit hatte er sein Interesse an diesem Auftrag bekundet. Nun hieß es warten, dass sein zukünftiger Auftraggeber wieder mit ihm Kontakt aufnahm. Gleichzeitig hatte er somit klargemacht, dass die Preisverhandlungen über iBuy abgewickelt würden. Das hatte er in letzter Zeit schon öfter gemacht. Er fand es faszinierend, so etwas absolut öffentlich zu verhandeln.

20. Mai 2018

CyberTOPP Café, Washington, USA

Über Washington zog ein kleines Regengebiet und tauchte die Stadt in ein tristes Grau. Die Menschen eilten durch die Straßen, um so wenig wie nötig von diesem leichten, aber doch recht feuchten, Regen abzubekommen. Niemand achtete auf seine Mitmenschen. Keiner nahm den Mann, der immerhin Sicherheitsberater des Präsidenten war und zielstrebig das cyberTOPP Café ansteuerte, wahr. Bis auf zwei Agenten vom Senat, die ihn überwachten. Sie dokumentierten alle seine Schritte und nahmen unzählige Fotos von ihm auf.

Wieder einmal stieg Greg Lewis aus dem Überwachungswagen. Er folgte unauffällig dem Sicherheitsberater in das Internet-Café. Diesmal erkannte der junge Mann hinter dem Tresen Lewis sofort. Mit einem Kopfnicken gab er ein Zeichen, dass Lewis ihm in den hinteren Raum folgen sollte. Von dort verfolgten beide jede Bewegung von Dupont auf dem Videoüberwachungsmonitor.

Bob Dupont setzte sich an einen freien Platz. Wie immer, wenn es um geheime Aufträge ging, besuchte er die Internetseite der Washington University. Dort rief er die Seite mit dem Schwarzen Brett für diverse Ankündigungen, Fragen und Wohnungsgesuchen auf. Er gab als Suchbegriff „Benefiz-Konzert“ ein und erhielt eine Liste mit fünf Einträgen.

1 AIDS-Benefiz-Konzert von der Washington-Post

2 Benefiz-Konzert für Kriegsveteranen Arlington-Gelände

3 Benefiz-Konzert für notleidende Menschen in Afrika gesponsert by iBuy

4 "One World, One Future", eine Welt Benefiz-Konzert

5 Wir gehören dazu – Integration 2018 Benefiz-Konzert für behinderte Menschen!

Unter Punkt drei war genau das, was er suchte. Vor Begeisterung schlug sein Herz bis zum Hals, als er die Zeile mit der Maus anklickte. Es freute ihn, dass dieser Mann, trotz seines relativ hohen Alters, im Vergleich zu seinen Konkurrenten, noch aktiv war. Viel mehr freute es ihn, dass er den Auftrag bei entsprechender Bezahlung übernehmen wollte. Er arbeitete immer lieber mit Leuten zusammen, die er von früheren Aufträgen her kannte. Neulinge und junge Schnösel wollten sich profilieren, weil sie meinten, sich in der Branche einen Namen machen zu müssen. In diesem Metier überlebte man nur, wenn man viele Namen trug und ansonsten unerkannt, aber verlässlich blieb. Früher gestalteten sich solche Verhandlungen viel aufwendiger. Es dauerte recht lange, bis man auf den gleichen Nenner kam. Dabei hinterließ man eine Menge Spuren, auf die irgendwer durch Zufall stoßen konnte. Dank des Internets, seiner Vielfältigkeit und seiner Unübersichtlichkeit an Informationen, blieb man relativ anonym. Die Wahrscheinlichkeit, dass man unabsichtlich entdeckt wurde, war verschwindend gering. Aber konnte er sich wirklich sicher sein?

Um sicherzugehen, dass er nicht überwacht wurde, wartete er, bis ein fremdes Terminal gerade unbeaufsichtigt war. Er ging eilig an den Platz und lud von einem USB-Stick schnell den folgenden vorbereiteten Text hoch:

An: Stradivari96@aol.com

Leider werde ich an dem Benefiz - Konzert für notleidende Menschen in Afrika nicht teilnehmen können. Ich muss erst einmal das Problem lösen, dass die Transportmaschine der Angola Transport Services - ATS am 13.06.2018 um 09.45 Uhr a.m. von Malanje in Angola starten kann und auf dem Weg nach Djambala im Kongo einen Zwischenstopp einlegen muss. Ich hoffe, dass das Problem gelöst wird, damit ich rechtzeitig fertig bin, um mir das Feuerwerk um 11.00 Uhr a.m., zum Abschluss des Konzertes in Kinshasa ansehen zu können. Bis dahin gibt es noch viel zu erledigen, damit es ein spektakuläres Schauspiel, direkt über dem Konferenzzentrum wird. Man weiß ja nie, welche Guerilla Gruppe einem in diesem Land dazwischenfunkt und alles zerstört. Sie sind der Einzige, der dies fachgerecht und zielgenau in Szene setzen kann.

Gruß

Ein guter Freund

So, jetzt kurz auf Senden geklickt und schnell die gesendete E-Mail aus dem Verlauf löschen, um alle Spuren auf dem Computer zu beseitigen. Bevor der eigentliche Benutzer des Terminals wieder an seinem Platz war, stand er auf. Dupont holte sich erst einmal einen Kaffee. Nachdem er den ersten Schluck von der schwarzen Brühe genommen hatte, ging er wieder zu seinem eigenen Internet-Platz.

Hotel Terrasse Mövenpick, Lausanne, Schweiz

›Es war doch ein Segen der Technik, dass ich hier, auf einer Terrasse am Genfersee, in der Sonne sitzend, mit meinem Laptop im Internet surfen konnte.‹ Er startete den Safaribrowser und schaute erst einmal nach dem Wetterbericht. Das Hotel Mövenpick bot seinen Kunden freies WLAN an. Nach der dritten Tasse Schümli Kaffee loggte er sich bei iBuy unter einer falschen Kennung ein. Er bot unter der Rubrik Tickets, Konzerte & Festivals, weltweit, eine Karte für ein Benefiz-Konzert für notleidende Menschen in Afrika an. Startpreis einen Dollar, damit das Bieten ein wenig Spaß machte. Wie wahrscheinlich schon tausend Mal auf seinem und auf jedem anderen Computer, erinnerte eine nette Frauenstimme: "Sie haben Post". Wieder eine E-Mail von einem unbekannten Absender. Diesmal beschrieb "der Freund", die näheren Umstände seines Auftrages.

Es ging um eine Frachtmaschine, die ihr jähes Ende direkt über dem Konferenz-Zentrum in Kinshasa am 13.06.2018 finden sollte. So ein Flugzeug wird normalerweise mit nur zwei Mann Besatzung in keiner besonderen Höhe geflogen. Ein leichtes Ziel. Mit entsprechender Ausrüstung stellte dieser Abschuss über besiedeltem Gebiet kein Problem dar. Für die Lösung eventueller Schwierigkeiten brauchte man genug Geld und gute Kontakte. Letzteres hatte er schon aufgrund seiner früheren Aufträge in Afrika. Für das nötige Kleingeld musste sein Auftraggeber sorgen. Die Ausrüstung, der Transport, die ganzen Bestechungsgelder und seine nicht unerhebliche Prämie für den Abschuss, das würde nicht billig werden. Er bestellte sich zu einem neuen Schümli-Kaffee einen guten alten Cognac, um seine grauen Zellen zu motivieren. Ja, und um seinen neuen Deal zu feiern. Das ist genau so ein Auftrag, wie er ihn zum Abschluss seiner Laufbahn brauchte, um sich dann zur Ruhe zu setzen.

Er beendete seine iBuy Sitzung. Dann loggte er sich unter einer anderen, aber ebenfalls falschen Kennung, wieder bei iBuy ein. Er suchte unter der Rubrik Tickets seine eben selbst zur Versteigerung eingestellte Karte. Da war sie schon. Jetzt wurde erst einmal ein richtiges Gebot abgegeben. Das ging bei iBuy einfach, wenn man den Gegenstand seiner Träume gefunden hatte, konnte man mit einem Computerprogramm von iBuy, mit dem sogenannten Bietmanager das Höchstgebot festlegen. Dieser Manager überbot automatisch jedes Gebot um 50 Cent, bis zum eingegebenen Wert. Wenn man überboten wurde, bekam man eine E-Mail von iBuy. Zum Schluss erhielt der Höchstbietende das Angebot und die Versteigerung wurde beendet.

Auf einer Serviette kalkulierte er den Preis, den er für diesen Auftrag erhalten musste. Als Erstes brauchte er eine 9K38 IGLA, in westlichen Kreisen nannte man sie SA-18 Grouse. Ein schultergestütztes Kurzstrecken-Boden-Luft-Lenkwaffensystem zur Bekämpfung von Hubschraubern und Kampfflugzeugen in niedriger Flughöhe. Eine entsprechende Rakete, besser zwei, falls aus welchem Grund auch immer, die erste vorbei ging oder nicht funktionierte. Man wusste ja nie, sicher war sicher. Dann benötigte er eine Pistole, besser zwei und ein Sturmgewehr AK 74 zur Selbstverteidigung im Notfall. Trinkwasserflasche, Messer, Tarnkleidung, Stiefel, Kartenmaterial, diverse Pässe und Einreisedokumente. Für den Transport seiner Geräte musste ein Fahrzeug besorgt werden. Eine Menge an Schmiergeld war ebenfalls erforderlich. Alles zusammen kam er grob geschätzt auf 300.000 Dollar. Jetzt noch seine großzügige Provision von bescheidenen 200.000 Dollar. Inklusive einer Summe X für eventuelle Unwägbarkeiten. Machte unterm Strich 600.000 Dollar.

›Davon waren vorab zu überweisen, sagen wir 300.000 Dollar auf mein Konto auf den Philippinen.‹ In Santa Ana hatte er vor fünf Jahren ein großes Steinhaus auf einem Hügel in einem Villen-Viertel gekauft. Die Stadt lag im äußersten Nordosten der philippinischen Provinz Cagayan. Auf den Philippinen wollte er gerne seinen Lebensabend, wie man so schön sagte, verbringen. Mit seinem Geld hatte er sich dort eine zweite Existenz aufgebaut. Einen Unterschlupf, in dem er sich absolut sicher fühlte. So weit ab, konnte er in Ruhe leben, ohne ständig Angst um sein Leben zu haben. Wenn er an die Philippinen dachte, kam er sofort ins Schwärmen. Das Hupen eines vorbeifahrenden Autos holte ihn in die Gegenwart zurück. Er überlegte kurz, was er überhaupt machen wollte. Ach ja, bei iBuy sein Gebot für seinen Auftrag eingeben, damit sein Auftraggeber wusste, was er bezahlen musste für diesen gefährlichen Job. Er tippte sein Gebot für die Konzertkarte ein: 599,50 Dollar. Wenn er den richtigen Wert eingeben hätte, würde die Versteigerung auffallen. Er bestellte sich zur Belohnung einen alten Cognac und wartete darauf, dass sich etwas bei iBuy tat.

cyberTOPP Café, Washington, USA

Bob Dupont saß heute schon zum zweiten Mal vor einem Bildschirm im cyberTOPP Café und sagte zu sich selber: ›So, schauen wir doch mal nach, ob sich bei iBuy mittlerweile etwas getan hat. Vielleicht wurden die Konzertkarten zum Kauf angeboten.‹

Diesmal loggte er sich als ein anderer Teilnehmer ein, um an der Versteigerung der Karten mitzubieten. Nach kurzer, aber erfolgreicher Suche, fand er die gewünschten Karten für das Konzert in Afrika. Sofort klickte er mit der Maus auf den Button "Bieten" und gab dann erst einmal 250 Dollar ein. Dupont wartete darauf, was passieren würde.

Bei dieser Versteigerung bedeutete der Wert einen Betrag als Tausender, hieß, er bot im Klartext 250.000 Dollar. Das war ja nicht gerade wenig. Innerhalb weniger Sekunden kletterte der Wert, erhöht um 50 Cent, auf 250,50 Dollar. ›Schade, das war nicht genug‹, dachte der Sicherheitsberater. Er klickte wieder mit der Maus auf den Button "Bieten" und versuchte es mit 300 Dollar. Ehe er sich versah, war er wieder überboten worden. Die Marke lag nun bei 300,50 Dollar.

Das gab es doch gar nicht. Aber was sollte er machen. Dupont erhöhte den Wert ein drittes Mal auf 400 Dollar. Auch dieser Wert wurde in Sekunden durch das automatische Höherbieten überboten. Er überlegte, was der Präsident zu ihm gesagt hatte, ›...im Rahmen Ihrer Funktion als Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten von Amerika Ihren Job verstehen. Leiten Sie alles in Ihrer Macht Stehende in die Wege, um von Ihrem Land Schaden abzuhalten ...‹.

Das war vom Prinzip her ein Freibrief. Er wollte ja, dass der Auftrag vernünftig ausgeführt wurde und er mit dem Ergebnis beim Präsidenten glänzen konnte. Auf dem geheimen Konto für spezielle Operationen war genug Geld. Also tippte er diesmal die für ihn absolute Obergrenze von 600 Dollar ein. Dupont war der Meinung, das müsste für den Abschuss eines blöden Transportflugzeuges ja wohl reichen. Er hämmerte grantig mit seinem Finger auf die Return-Taste, um das neue Gebot abzugeben.

Sein Herz schlug bis zum Hals, als der Wert für die Konzertkarte wieder weiter stieg: 450, 500, 550 Dollar jetzt wurde es ganz spannend, 590, 599, 599,50 Dollar und nichts passierte mehr. Die Zahlen waren stehen geblieben. Plötzlich und ganz unverhofft bei 599,50 Dollar. Das war der Endwert.

Seine Atmung setzte wieder ein. Der Pulsschlag ging langsam runter. Dann verharrte er erneut. Anscheinend nur um ihn zu ärgern, sprang die Zahl einen Augenaufschlag später, wie von Geisterhand gesteuert, doch noch weiter auf 600 Dollar.

Der Sicherheitsberater Bob Dupont schaute sich erst einmal um. Hier im Internet-Café hatte keiner seinen vor Aufregung erröteten Kopf bemerkt. Seinen Herzschlag hätten alle hören müssen. Der kam ihm so laut vor, als hätte ein Dampfhammer eine Betonmauer bearbeitet. Jeder war mit sich selber beschäftigt und nahm keine Notiz von seinen Tischnachbarn. So, das war erledigt. Der Auftrag für die unplanmäßige und unsanfte Landung der Transportmaschine über Kinshasa war erteilt. Das Finanzielle war hiermit erledigt.

»Nicht ganz, jetzt müssen wir uns noch über die Zahlungsmodalitäten einig werden«, sagte der Sicherheitsberater leise vor sich hin. Vor lauter Aufregung vergaß er alle Vorsichtsmaßnahmen und sendete direkt von der iBuy-Seite eine E-Mail an den Verkäufer.

 

An: Stradivari96@aol.com

 

Hallo Stradi.

Ich habe gerade die Konzertkarte ersteigert. Bitte teilen Sie mir Ihre Bankverbindung mit. Ich werde Ihnen umgehend 50 % des Kaufpreises überweisen, den Rest bekommen Sie nach erfolgreicher Lieferung.

 

Ein wirklich guter Freund

Der Blick auf seine Armbanduhr zeigte ihm, dass er bis zu nächsten Sitzung mit dem Präsidenten etwas Zeit hatte. Er ging noch einmal zum Tresen des Internet-Cafés. Dort bestellte er sich bei der freundlichen Bedienung eine Tasse Kaffee. Das Koffein putschte ihn zwar noch mehr auf, aber manchmal brauchte man halt eine richtig schöne, heiße Tasse Kaffee. Ob das jetzt gut oder schlecht für ihn war, spielte in diesem Moment keine Rolle. Er wartete auf die Antwort, die ihn bei dieser Aktion einen großen Schritt nach vorne brachte.

Nachdem Lewis heute schon zum zweiten Mal das Internet-Café betrat, ging er direkt in den Raum mit der Überwachung. Auch diesmal kam er mit einer DVD mit dem Überwachungsvideo und dem Browser-Verlaufsprotokoll zurück.

»Kannst du nicht mal ein vernünftiges Video besorgen und nicht immer so ein langweiliges?«, maulte Muller wieder einmal.

»Klappe, und fahr hinter her«, erwiderte Lewis.

»Keine Panik, so wie der fährt, kann der nicht einmal meine Oma abhängen.« Dann drückte Muller aber doch das Gaspedal runter.

Café im Hotel Mövenpick, Lausanne, Schweiz

Aufgeregt über die Aussicht, 600.000 Dollar für den Auftrag zu erhalten, startete er sogleich sein Mail-Programm. Er überlegte kurz, holte aus seinem Portemonnaie seine Bankkarte von der BSP Bank auf den Philippinen und verfasste folgende E-Mail.

An: Stradivari96@aol.com

 

Hallo guter Freund,

 

bitte die Zahlungen für die Konzertkarten auf folgendes Konto überweisen:

BSP Bangko Sentral ng Pilipinas

BIC SWIFT PHCBPHMCXXX

IBAN ANZBVUVX99573924489209

 

Ihr Auftrag wird wie vereinbart ausgeführt.

 

Vielen Dank

Und schon drückte er auf „senden“.

Danach beendete er alle Programme und schaltete den Laptop aus. Der weiß leuchtende Apfel auf dem Laptopdeckel verblasste.

25. Mai 2018

Tankstelle Sinclaire, Oberhausen, Deutschland

Nachdem der Lord sich eine zweite Tasse Cappuccino gegönnt hatte, setzte er sich an seinen Schreibtisch. Heute war der Tag, an dem er seine neueste Sicherheitssoftware testen wollte. Dazu nutzte er das sogenannte Backdoor-Surfen. Dabei amüsierte er sich immer über die Schusseligkeit und Sorglosigkeit vieler Internetbenutzer, die nicht einmal eine kostenlose Firewall auf ihrem Computer nutzten.

Er konnte seinen Spaß mit etwas Nützlichem verbinden. Außerdem konnte der Lord dabei seine Sicherheits- und Crack-Programme ausprobieren und verfeinern. Backdoor-Surfen war ähnlich wie das allgemein bekannte "Surfen" im Internet. Die Idee stammte von einer Racheaktion an seinem Professor. Bis auf die Tatsache, dass es illegal war, sprang man nicht von einer Internetseite über einen Link zur nächsten Seite, sondern man "surfte" über zufällig eingegebene TCP/IP-Adressen im World-Wide-Web (www.) auf den Computern der Web-Nutzer zu Hause.

Jeder Internetnutzer bekam von seinem Provider eine einzigartige Nummer, ähnlich wie ein Auto-Kennzeichen. Solange man mit seinem Auto durch das Internet fuhr, behielt man diese TCP/IP-Nummer. Loggte man sich aus und verkaufte man damit sein Auto, wurde diese Nummer für einen anderen Benutzer freigegeben. Die Chance war verschwindend gering, dass man mehrmals das gleiche Auto-Kennzeichen bekam. Somit war man für einen anderen Nutzer über die, einmal bekannte TCP/IP-Nummer, nie wieder erreichbar. Das machte das Backdoor-Surfen ja so spannend, man wusste nie, auf welchem PC man landete, wem er gehörte, in welcher Stadt oder in welchem Land man sich gerade befand.

Ab und zu wurden seine Bemühungen durch amüsante Texte oder Bilder belohnt. Es machte Spaß, in die meistens anonymen Leben verschiedener Menschen einzudringen. Außerdem sendete er immer eine E-Mail mit einer Warnung zum bestehenden Sicherheitsleck. Dabei gab er den Betroffenen gleich noch Tipps und Hinweise, was sie dagegen tun konnten. Er nutzte die gewonnenen "Informationen" aber nicht für kriminelle Dinge. Das widersprach allen seinen Prinzipien. Gerade gegen solche Kriminelle entwickelte der Lord ja seine Sicherheitssoftware.

Heute war es anders als sonst. Der Lord wollte sein neues, speziell für Computer mit Apfel programmiertes Blitz-Festplatten-Rettungs-Programm in "freier Wildbahn" ausprobieren. Das Programm war eigentlich für die Rettung von Daten auf einer Festplatte eines PCs innerhalb eines großen Computer-Netzwerkes konzipiert. Manchmal ging es um wenige Minuten, bevor eine Festplatte völlig den Betrieb einstellte. Dann hatte man nur wenig Zeit, um die Daten zu sichern. Genau für diese Fälle hatte sich der Lord das Programm ausgedacht. Da er als Ein-Mann-Unternehmen nicht über ein wirklich großes Netzwerk verfügte, nahm er halt das größte Computer-Netzwerk der Welt, das World-Wide-Web, für seinen Test. Der Lord wusste genau, dass sein Handeln komplett illegal war. Aber es war am Ende für einen guten Zweck, um andere Internetnutzer zu schützen. Er beruhigte sein Gewissen damit, dass er es nicht zu kriminellen Zwecken machte und die kopierten Daten wieder löschte.

Hierzu nutzte er seine eigene Software, mit der er Zugriff auf Computer über frei wählbare TCP/IP-Nummernbereiche erhielt. Da er zu der kleinen Gemeinde der eingeschworenen Apple Computernutzer gehörte, zeigte das Programm nicht nur die TCP/IP-Nummer, sondern auch das auf dem Computer verwandte Betriebssystem an. Er nahm die erstbeste Adresse und griff so über das Internet auf einen entfernten fremden Computer zu, ohne zu wissen, was ihn erwartete.

Avenue de Cour, Lausanne, Schweiz

Sein Büro lag im ersten Stockwerk, in der Avenue de Cour, einer Parallelstraße zur Avenue de Rhodanie. Diese Straße führte direkt am Genfersee entlang, an der er gerade noch im Café gesessen hatte. Die Räumlichkeiten waren sehr spartanisch ausgestattet. Rechts neben der Tür stand ein großer, alter Aktenschrank, gegenüber stand vor dem Fenster ein einfacher Schreibtisch. Diese Büroräume nutzte er zur Tarnung. Hier konnte er in Ruhe über gewisse Dinge nachdenken. Wenn es notwendig war auch, mittels eines Zerhackers, der seine Telefonstimme in elektronische Daten umwandelte und verschlüsselte, ungestört telefonieren.

Tankstelle Sinclaire, Oberhausen, Deutschland

Das Blitz-Festplatten-Rettungs-Programm hatte innerhalb von drei Minuten die gesamte fremde Festplatte stark komprimiert. Dann wurde der komprimierte Festplatteninhalt auf die eigene Festplatte seines Hightech-Computers kopiert. Das System vom Lord verfügte über einen Festplattenverbund von acht ultraschnellen 4 Terrabyte (32.000 Gigabyte) Festplatten. Dadurch hatte der Lord ausreichend Platz für 99 Prozent aller Festplattenkonfigurationen in normalen PCs. Die Anzeige über den Fortschritt des Kopiervorganges und des transferierten Datenvolumens wuchs stetig, 70, 80, 100 Prozent, Vorgang beendet. Hundertvierundfünfzig Sekunden, das war doch was. Dies war der erste Streich. Jetzt musste noch kontrolliert werden, ob die fremden Daten lesbar waren oder ob nur Datenmüll durch dieses spezielle Kopierverfahren produziert wurde. Da der komplette Inhalt der Festplatte kopiert wurde, erhielt er Unmengen an Daten, die er nicht immer sofort identifizieren konnte. Darunter waren viele schon gelöschte Informationen, die für den eigentlichen User unsichtbar auf dem Computer lagerten. Außer dem kompletten Betriebssystem fand er Daten, E-Mails, Fotos und Dokumente im PDF-Format. Sowie viele andere Daten, die er im Moment nicht weiter zuordnen konnte. Zur Überprüfung der kopierten Daten öffnete der Lord eins der Dokumente im PDF-Format. Er staunte nicht schlecht über das, was er da sah.

Taskforce des US-Senats, Washington, USA

»Willkommen zu unserer wöchentlichen Besprechung«. Mit einer einladenden Geste bat Senator Peter Carpenter, die Anwesenden Platz zu nehmen. Alle Mitarbeiter saßen verteilt um den großen ovalen Tisch und blickten den Senator gespannt an. »Rose, würden Sie bitte das Protokoll vom letzten Treffen vorlesen? Die zuständigen Agenten ergänzen dann bitte den neuesten Stand zu den einzelnen Punkten.«

Rose Bates war die Stellvertreterin des Senators und koordinierte alle Untersuchungen des Senatsausschusses. Zurzeit war die Liste nicht besonders lang, die ersten 15 Punkte waren schnell erledigt.

»Punkt 16. Überwachung von Bob Dupont, Sicherheitsberater des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika«. Die Betonung die Rose Bates wählte, zeigte allen im Raum die Wichtigkeit und Sensibilität des Themas an. Greg Lewis ergriff das Wort und Paul Muller verteilte ihren zehnseitigen schriftlichen Bericht.

»Nach unseren Erkenntnissen und bei der jetzigen Beweislage kommen wir zu dem Schluss, dass Bob Dupont in zwielichtige Aktivitäten verstrickt ist«, begann Lewis seine Ausführungen. »Dupont hat mehrfach in einem Internet-Café fragwürdige, nennen wir es mal Aktionen, getätigt.«

Frank Moosberg warf belustigt ein: »Haben wir nicht schon alle mal fragwürdige Internetseiten angesehen?«

Alle, bis auf vier Leute, lachten. Der Senator schüttelte ärgerlich den Kopf. Lewis und Muller sahen sich nur fragend an. Rose mahnte zur Ordnung, »Greg, fahren Sie bitte fort.«

»Vielleicht würde es Ihnen, Frank, einen besonderen Kick geben, wenn Sie in ein Internetcafé gehen und sich mittels Einlagen das Gesicht verbreitern. Zusätzlich versuchen Sie, mit einer dicken Hornbrille Ihr Aussehen zu verbessern?«

Die Gesichtsfarbe von Frank Moosberg wurde schlagartig dunkelrot. Seine Erwiderung blieb ihm im Halse stecken. Um den erhitzten Gemütern ein wenig Zeit zur Abkühlung zu geben, warf Muller ein:

»Die Fotos, die Browser-Verlaufsprotokolle und den E-Mail-Verkehr finden Sie in den Unterlagen.« Nachdem Greg Lewis ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, fuhr er fort.

»Dupont hat, wie Sie sehen werden, einen Attentäter beauftragt. Der soll ein Flugzeug über Kinshasa abschießen«.

Seine Worte trafen die nicht Eingeweihten wie Hammerschläge. Sie schüttelten ungläubig ihre Köpfe. Dabei durchsuchten sie ihre Unterlagen nach Beweisen oder Unstimmigkeiten, die das Gehörte widerlegten. Der Senator musterte jeden Zweifler und machte sich zu jeder Person Notizen. Außer Moosberg fiel ihm ein zweiter seiner Mitarbeiter besonders auf oder besser gesagt eine Mitarbeiterin.

Susan Smeets blätterte als Einzige nicht in den Unterlagen und beteiligte sich auch nicht an der lebhaften Diskussion über Schuld, Unschuld oder falsche Auslegung der Beweise. Carpenter überlegte kurz und erinnerte sich an die erste Begegnung mit ihr. Es war schon ein paar Jahre her, er war noch kein Senator und sie war …

Es fiel ihm nicht ein, so stark er sich auch anstrengte.

Tankstelle Sinclaire, Oberhausen, Deutschland

Das Dokument, das er öffnete, war eine Betriebsanleitung und was für eine. Hier wurde eine russische BODEN-LUFT-RAKETE vom Typ SA-18 und deren Anwendung beschrieben. Der Lord verzog gedankenverloren das Gesicht. ›Wofür bitte schön benötigte ein Privatmann eine Boden-Luft-Rakete? Und wichtiger, wofür wollte der Typ das Teil einsetzen?‹

Nachdem der Lord dreimal tief Luft geholt hatte, überlegte er weiter. Viele Fragen und die Antworten lagen irgendwo auf einem Computer, weit entfernt oder vielleicht gleich nebenan? Zuerst notierte er sich die TCP/IP-Adresse und die Uhrzeit, um darüber später eventuell Informationen über den Nutzer zu erlangen. Danach sortierte er Daten nach Wichtigkeit aus. Wem gehörte dieser PC und wie konnte er mehr über dessen Besitzer erfahren?

Ohne sich ablenken zu lassen, vertiefte er sich wieder in die Datenstruktur des fremden Computers, der irgendwo auf der Welt stand und in diesem Moment mit dem Internet verbunden war. Mittels eines anderen Hilfsprogramms selektierte er alle Seriennummern, die es auf dem Computer zu finden gab. Er notierte sich als erstes die Größe der Festplatte und die vorhandenen Laufwerke. In der Menge an Daten fand er einen verschlüsselten Kalender. Er machte sich mittels eines Crackprogrammes daran, sich Zugriff auf die Termine und Kontakte des mysteriösen Eigentümers zu verschaffen. 337 Eintragungen in Kontakten, der Unbekannte hatte anscheinend einen recht großen Bekanntenkreis. Wie sollte man da nur Klarheit reinbringen und so Rückschlüsse auf den Eigentümer des fremden Computers erlangen? Die Unmengen an Namen sagten ihm nichts und halfen ihm nicht weiter. Deshalb versuchte er es bei den Eintragungen in dem fremden Kalender.

Für den 03.06.2018 gab es eine Eintragung:

Jacht klarmachen lassen.

Dieser Eintrag aber brachte ihn ebenfalls nicht weiter. Es zeigte nur, dass der Besitzer des weit entfernten Computers eine Jacht besaß. Er gehörte demnach nicht zu den armen Menschen auf dieser Welt. Dann gab es eine Eintragung im Juni, die etwas mit der Übernahme von Ausrüstung zu tun hatte. Er blätterte in dem virtuellen Kalender weiter bis zum 13. Juni 2018. Dort stieß er endlich auf einen selbsterklärenden Termin:

ATG-Transportmaschine

Start 9:45 Uhr a.m.

Von Malanje in Angola nach Djambala im Kongo

11:00 Uhr a.m. Feuerwerk über Kinshasa

Anscheinend würde der Fremde mit dieser Transportmaschine um 9:45 Uhr a. m. in Malanje starten, um nach Djambala im Kongo zu fliegen. Weshalb auch immer. Nur was hatte es mit dem Feuerwerk in Kinshasa auf sich?

Der Lord suchte sich eine Karte von Afrika heraus, um sich ein Bild von der Lage der genannten Städte zu machen. Leider ging aus den Angaben nicht hervor, wann das Flugzeug in Kinshasa oder in Djambala landete. Das Eigenwilligste an dem Eintrag mit dem Feuerwerk war allerdings die Uhrzeit. Er hatte ja schon viele Feuerwerke in verschiedensten Ländern und Städten gesehen, aber sie hatten alle etwas gemeinsam. Wann und wo immer sie auch stattfanden, der Zeitpunkt lag auf alle Fälle zu einer Uhrzeit, an der es dunkel war. Auf diesem Kalender war aber die Zeitangabe für das Feuerwerk in Kinshasa auf 11:00 Uhr a. m. Ortszeit festgelegt. Er wusste das "a. m." frei übersetzt, am Morgen hieß. Diese Eselsbrücke kannte er noch aus seiner Schulzeit. Demnach war dieser Termin definitiv vormittags (ante meridiem von 0 – 12 Uhr). Da war es taghell und kein vernünftiger Mensch würde um diese Uhrzeit ein solches Spektakel mit Lichteffekten veranstalten.

Avenue de Cour, Lausanne, Schweiz

Es war ein kurzes Gespräch, in dem er Anweisungen gab, seine Hochsee-Jacht für einen längeren Ausflug herzurichten. Das Telefon verband ihn mit einem Anschluss in Savona, einem Ort, der an der italienischen Küste lag. Dort ankerte sein 25 Meter langes Schiff und wurde regelmäßig gewartet und gereinigt. Ein altes Ehepaar kümmerte sich um alle Belange rund um die Jacht. Die beiden waren schon über 65 Jahre alt und durch diese und andere Dienste für ihn, besserten sie ihre finanzielle Lage auf. Er teilte ihnen mit, dass sie seine Jacht für eine weite Reise bereit machen sollten. »Buongiorno Antonio«, sagte er mit leichtem Akzent. »Na, wie geht es dir und deiner Frau?«

»Soweit ganz gut, Maria hat etwas Probleme mit dem Herzen. Bei mir ist es immer das Gleiche mit dem Rücken, aber wir wollen nicht klagen. Wir werden halt alle älter. Was kann ich für dich tun?«, fragte Antonio.

»Ich möchte mal wieder für eine längere Zeit in See stechen. Dafür könntet ihr bitte die Jacht einsatzfähig machen. Bitte alles einmal warten, Öl, Wasser, Diesel und was mein Schiff sonst noch alles benötigt. Da kennst du alter Seebär dich doch bestens aus. Ach ja und das Übliche, Proviant für ca. acht Wochen auf See.«

»Aber sicher doch, wird alles erledigt. Wann benötigst du dein Schiff denn?«

»Am 3. Juni komme ich so gegen Mittag an«.

»Bis dahin haben wir längst alles fertig und für deine Abreise vorbereitet«.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752134445
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Februar)
Schlagworte
Cyberkriminalität Politik Agenten Verschwörung Abenteuer Geheimdienste Attentat action

Autor

  • Oliver C. Bonzol (Autor:in)

Im ereignisreichen Jahr 1963 war John F. Kennedy ein Berliner und Martin Luther King hatte einen Traum, der die Welt verändern sollte. Von der Welt weitgehend unbeachtet erblickte ich das Licht der Welt im Ruhrgebiet. Nach meiner Lehre als Installateur in einem Chemiekonzern, entschied ich mich für einen anderen Weg. Ich holte mein Fachabitur nach, absolvierte meinen Wehrdienst und schloss erfolgreich mein Studium der Versorgungstechnik ab. Seitdem arbeite ich im Bereich Vertrieb und Marketing.