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Pelle & Piggy

Acht Pfoten für die Liebe

von Cara Berger (Autor:in)
212 Seiten

Zusammenfassung

Svea liebt ihre Französische Bulldogge Pelle über alles. Ihr Freund Christian hasst den Welpen. Er ist eifersüchtig auf den Hund und fühlt sich von Svea vernachlässigt. Christian behandelt Pelle schlecht. Als die Bulldogge ausbüxt, ist Christian froh und tut alles dafür, dass Svea den Hund nicht wiederbekommt. Svea leidet sehr unter dem Verlust, aber je länger Pelle verschwunden bleibt, desto näher kommt sie Christian wieder. Doch dann tritt der Ergotherapeut Jörg in ihr Leben. Er bringt ihr nicht nur ihren geliebten Pelle zurück, sondern motiviert sie auch, sich in ihrem Beruf mit einer eigenen Personalagentur selbständig zu machen. Sveas Leben gerät völlig aus den Fugen und sie ist plötzlich zwischen Christian und Jörg hin und her gerissen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Pelle & Piggy

Acht Pfoten für die Liebe

 

von

 

Cara Berger

 

1


„Hol das Bällchen, Pelle!“, rief Svea völlig verzückt, während sie auf dem Wohnzimmerboden herumkrabbelte, als würde sie einem Kleinkind hinterher kriechen.

Der kleine Französische Bulldoggen Rüde lief mit seinem kleinen grünen Gummiball im Maul vor seinem Frauchen davon. Vergnügt hüpfte der Welpe über den Teppich und bellte leise vor sich hin. Immer, wenn Svea ihm hinterher kroch, wich er ein paar Schritte vor ihr zurück, dann bellte er wieder, um sie zum Spiel aufzufordern und legte sich auf seine Vorderpfoten, während er sein breites Hinterteil in die Höhe streckte und mit seinem Stummelschwänzchen wedelte. Svea kicherte vergnügt, als ihr bewusst wurde, dass der Ball in Pelles kleiner Schnauze wie ein Schalldämpfer wirkte, während er herausfordernd bellte.

„Ist er nicht einfach süß?“

„Mhhh.“

„Du hast ja nicht einmal hingesehen.“

„Svea, ich möchte diesen Film endlich in Ruhe sehen!“

Christian griff nach der Fernbedienung und stellte den Ton der DVD noch lauter ein, als er sowieso schon war. Im nächsten Moment war ein lauter Knall über das Surroundsystem zu hören, als ein Auto in dem Actionstreifen explodierte. Pelle zuckte erschrocken zusammen, ließ seinen Ball fallen und lief winselnd zu Svea herüber. Er drückte seine platte Schnauze schutzsuchend in ihren Schoß.

„Oh mein armes Baby. Hast du dich erschreckt? Das ist hier auch viel zu laut für dich.“ Svea drückte den schwarz-weißen Welpen fest an sich. „Kannst du den Film nicht wenigstens etwas leiser machen? Der Krach tut Pelle in seinen empfindlichen Ohren weh“, sagte sie verärgert über seine Rücksichtslosigkeit an ihren Freund gerichtet.

„Nein, nicht, wenn ihr so laut seid.“

„Warum musst du überhaupt an einem Sonntagnachmittag eine DVD schauen? Wir könnten doch mal zusammen etwas unternehmen.“

„Mhh. In ner halben Stunde ist der Film vorbei.“

„Stell doch so lange auf Pause und schau nachher weiter.“ Christian seufzte genervt. „Dann können wir erstmal mit Pelle ins Feld. Da kann er mit seinem Ball spielen und sich austoben.“

„Ach so. Du willst diesen Kläffer wieder mitnehmen.“

„Nenn ihn nicht so! Du weißt ganz genau, dass ich das nicht mag“, sagte sie gekränkt und gab Pelle einen liebevollen Kuss auf die faltige Stirn.

„Mich hast du schon ewig nicht mehr so in den Arm genommen, geschweige denn geküsst.“

Svea setzte Pelle auf dem Teppich ab und ließ seinen Ball vor ihm entlang kullern. Der Welpe tapste sofort wieder freudig hinter seinem Spielzeug her.

„Du bist doch nicht etwa eifersüchtig auf diesen süßen Hund!?“, fragte sie Christian mit einem Grinsen und kuschelte sich zu ihm aufs Sofa. „Soll ich dir auch einen Kuss auf deine faltige Stirn geben?“, neckte sie ihn. „Zeig mal her, du hast ja gar nicht so schöne flauschige Falten auf der Stirn wie Pelle …“

„Haha, mach dich ruhig lustig über mich. Das war ernst gemeint, du hast seit Wochen nur noch diesen blöden Köter im Kopf!“, beschwerte Christian sich noch einmal, ohne seinen Blick vom Fernseher abzuwenden.

„Ich habe doch nur Spaß gemacht. Komm her und lass dich umarmen.“

Svea schlang ihre Arme um Christians Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Jetzt nicht, Svea. Der Film wird gleich richtig spannend.“

Christian schob sie von sich weg.

„Also kommst du auch nicht mit ins Feld?“, fragte sie etwas angesäuert.

„Vielleicht nachher. Das habe ich dir doch eben schon gesagt.“

„Du müsstest diesen Streifen doch eigentlich schon auswendig können, so oft, wie du den schon gesehen hast.“

„Na und!?“

„Alles klar, dann gehen wir eben alleine.“ Svea stand demonstrativ vom Sofa auf und stellte sich vor Christian. Er schob sie abermals beiseite, damit sie sein Sichtfeld auf den großen Flachbildfernseher nicht weiter versperrte. „Komm, Pelle!“, rief sie und ging voran in den Flur. Die kleine Französische Bulldogge ließ ihren Ball fallen und tapste neugierig hinter ihrem Frauchen her. Keine zehn Minuten später jagte Pelle seinem Lieblingsball auf dem nahegelegenen Feldweg hinterher. Er bellte und grunzte jedes Mal vor Freude, wenn Svea den Ball wieder mit Schwung über den Asphalt kullerte. Pelle rannte hinter seinem Spielzeug her und stoppte den Ball aus vollem Lauf mit seiner platten Schnauze. Meistens hatte er dabei so viel Tempo drauf, dass er einen Handstand machte, wenn er abbremste und den Ball zwischen seine Zähne nahm. Svea lachte vor Glück und vergaß den Streit mit Christian. Sie genoss den sonnigen Abend mit ihrem Welpen. Als Pelle vor Erschöpfung nur noch schnaufte, setzte Svea sich mit ihm auf eine bereits abgemähte Wiese und ließ sich den lauen Sommerwind um die Nase wehen. Pelle verschlang ein Leckerli und ließ sich von seinem Frauchen schnurrend den Bauch kraulen.

„Dein dummes Herrchen weiß gar nicht, was er verpasst. Der sitzt im stickigen Wohnzimmer und zieht sein Schlechtwetterprogramm durch, obwohl er so schön bei uns in der Sonne sein könnte. Aber was soll's, wir genießen das Wetter immerhin, nicht wahr, mein Süßer!?“

Sie gab Pelle einen liebevollen Kuss auf sein flauschiges Köpfchen. Der Welpe interessierte sich in diesem Moment kein bisschen für sein Frauchen, denn ein Schmetterling, der von einer der lilafarbenen Disteln am Rand der Wiese herüber geflogen kam, erregte seine Aufmerksamkeit. Svea beobachtete Pelle dabei, wie er dem bunten Falter neugierig hinterher sprang.

 

Svea balancierte die vollgestopften Einkaufstaschen durch die Wohnungstür. Ihren Schlüsselbund zwischen die Zähne geklemmt, schob sie die Tür mit ihrem linken Fuß hinter sich zu. Sie legte den Schlüssel in die kleine Schale auf der Flurgarderobe, zog ihre schwarzen Businesspumps aus, ohne die Taschen abzusetzen, und schob die Schuhe unter das Schuhregal.

„Bin zu Hause!“, rief sie, während sie die Einkäufe in die Küche schleppte. Aus dem Wohnzimmer drangen mal wieder Explosionsgeräusche aus irgendeinem Actionfilm herüber. „Wo ist Pelle?“, rief Svea, während sie die Einkaufstaschen auf die Arbeitsplatte wuchtete. Als sie keine Antwort bekam, lehnte sie sich aus der hinteren Küchentür, die zum Wohnzimmer führte und sah zur Couch herüber. „Christian!?“, rief sie noch etwas lauter.

„Ja, was ist denn? Du siehst doch, dass ich einen Film schaue oder es zumindest versuche. Du machst einen Höllen krach, seitdem du die Wohnung betreten hast.“

„Ich habe ja auch dein Essen für die nächsten Tage bis hier hoch gewuchtet, um es dir dann auch noch direkt in die Küche zu liefern.“

„Vorbildlich“, sagte er mit einem breiten Grinsen und warf einen Blick über seine Schulter.

„Also, wo ist Pelle?“

„Pelle? Keine Ahnung. Ich habe das Vieh seit Stunden nicht gesehen?“

„Das heißt, du hast ihn auch nicht gefüttert?“

„Nein, natürlich nicht, er hat sich ja nicht blicken lassen. Ich dachte, dann hat er auch keinen Hunger. Jetzt bist du ja da, dann kannst du ihn auch gleich füttern. Und sei bitte etwas leiser, ich verstehe sonst kein Wort.“

„Ist doch sowieso nur krach. Eine Explosion nach der anderen. Anspruchsvolle Dialoge kommen in deinen Filmen doch nicht vor.“

Ärgerlich stapfte Svea durch das Wohnzimmer. Sie drehte noch eine Runde um den Couchtisch, obwohl sie wusste, dass sie Pelle nicht in Christians Nähe finden würde. Diese Extratour brachte Christian wie gewünscht auf die Palme, genervt ging er auf seiner DVD ein Kapitel zurück, um sich die letzten Minuten noch einmal anzusehen. Zurück in Richtung Flur fiel Sveas Blick auf den Wohnzimmertisch und sie musste sich beherrschen, nicht auszuflippen. Christian hatte mal wieder seine Füße auf der Glasplatte liegen, daneben eine Schüssel, in der sich noch eine Pfütze aus geschmolzenem Vanilleeis befand, das allerdings auch um die Schale herum auf der Tischplatte verschmiert war. Svea schnaufte entnervt.

Es hat sowieso keinen Sinn etwas dazu zu sagen, außerdem muss ich Pelle unbedingt finden. Wer weiß, was der kleine Kerl schon wieder angestellt hat, wenn er so lange unbeaufsichtigt war.

„Pelle? Wo bist du mein Süßer? Kommt zu Mami!“

Svea tastete sich in den Flur vor, sah kurz ins Bad, dann ins Schlafzimmer. Sie legte sich bäuchlings vor das Bett und spähte darunter, doch von Pelle war nichts zu sehen. Er meldete sich auch nicht. Also ging Svea weiter den Flur hinunter in Richtung Wohnungstür. Sie öffnete die Tür zur Abstellkammer. Drinnen war alles dunkel. Sie schaltete das Licht ein. In diesem Moment zuckte Pelle ängstlich zusammen. Zitternd saß er in der hintersten Ecke des fensterlosen Raumes. Seine Fledermausohren, die für gewöhnlich aufrecht standen, hingen zur Seite. Sveas Blick fiel auf das Malheur, das der kleine Hund hinterlassen hatte, doch sie ignorierte den stinkenden Haufen und die Pfütze direkt daneben.

„Oh, mein armer Schatz. Was hat das böse Herrchen nur mit dir gemacht?“ Svea nahm Pelle auf ihren Arm und drückte ihn fest an sich. Der Welpe dankte es ihr mit einem warmen Kuss. Er schleckte ihr mit seiner weichen Zunge vor Freude durch das Gesicht. „Mami macht dir erstmal dein Futterchen. Du bist bestimmt ganz hungrig.“

Svea trug den Welpen in die Küche und stellte sein bereits vorbereitetes Futter an seinen Platz. Pelle stürzte sich geradezu auf den Napf. Svea baute sich derweil direkt vor dem Fernseher auf.

„Kannst du mir mal verraten, wie Pelle in die Abstellkammer gekommen ist?“

„In die Abstellkammer? Nö keine Ahnung“, sagte Christian, während er auf der Couch hin und her rutschte, um an Svea vorbei auf den Fernseher zu spähen. Dann nahm er die Fernbedienung und versuchte, seine Freundin damit zur Seite zu schieben, doch Svea blieb standhaft. „Wahrscheinlich ist die blöde Töle hinter mir hergekommen, als ich mein Eis aus dem Gefrierschrank geholt habe. Zufrieden?“

„Nein, absolut nicht. Du weißt, dass Pelle neugierig ist und dir überallhin nachläuft. Du musst besser aufpassen. Und zufrieden bin ich erst, wenn du seinen Haufen aus dem Abstellraum entfernt hast.“

„Ja ja, ist ja schon gut. Wenn du zu beschäftigt bist, um selber hinter deinem Köter sauber zu machen, dann mache ich das nachher. Mach nur die Tür zu, damit dieser bestialische Gestank nicht weiter durch die ganze Wohnung zieht.“

Entnervt gab Svea vorerst auf. Sie ging zurück zu Pelle, der den leeren Futternapf mittlerweile quer durch die Küche geschoben hatte und immer noch ausleckte, in der Hoffnung noch einen Krümel Futter zu erhaschen.

„Was gibt es denn heute zu essen?“, rief Christian aus dem Wohnzimmer herüber, währen Svea sich daran machte, Pelles Notdurft aus der Abstellkammer zu entfernen.

„Weißt du was? Mach dir dein Essen gefälligst alleine. Meinst du, ich bin dein Dienstmädchen, oder was? Es reicht schon, dass ich dich hier seit Monaten mit durchfüttere. Hast du heute auch nur eine Bewerbung geschrieben? Oder zumindest nach einer Stelle gesucht?“

„Ja, natürlich. Aber im Moment ist es schwierig. IT-Experten werden eben aktuell kaum gesucht.“

„Dann mach dich eben selbständig.“

„Fang nicht wieder damit an, das steht für mich nicht zur Debatte und das weißt du.“

Svea nahm den Wischeimer und ging auf dem Weg ins Bad im Wohnzimmer vorbei.

„Dann such dir eben irgendeinen anderen Job. Es geht so nicht mehr weiter. Du kannst nicht den ganzen Tag auf der Couch rumhängen, dich um nichts kümmern und erwarten, dass ich das noch länger mitmache.“ Christian sah von seinem Film auf, doch er sagte kein Wort zu ihrem Wutausbruch. Svea ging daher kopfschüttelnd ins Badezimmer, leerte den Wischeimer in die Toilette. Die sauberen Putzsachen verstaute sie wieder in der Abstellkammer. „Ich gehe jetzt eine Runde mit Pelle und wenn ich wieder komme, hast du hoffentlich die Einkäufe weggeräumt und ein Abendessen auf den Tisch gezaubert“, rief sie aus dem Bad herüber, während sie sich die Hände wusch. Doch auch diesmal bekam sie keine Antwort von ihrem Freund. Als Svea Pelles Hundeleine aus der Schublade der Flurgarderobe nahm, kam der Welpe schon freudig angewackelt. Sofort besserte sich Sveas Laune. Sie legte der Bulldogge das grüne Halsband aus Elchleder um, dass sie für ein kleines Vermögen in einer Edelboutique für Hunde gekauft hatte. Normalerweise gab sie nicht so viel Geld für Alltagsgegenstände aus, aber das erste Halsband für Pelle sollte etwas Besonderes sein. Svea streichelte Pelle noch über die riesigen Fledermausohren, dann verließen sie zusammen die Wohnung.

Als Svea nach einer guten Stunde mit Pelle zurück nach Hause kam, schlug ihr schon im Treppenhaus der Geruch von frischer Pizza entgegen.

Na immerhin scheint er zumindest etwas zu essen organisiert zu haben. Dann habe ich für heute Abend wenigstens eine Sorge weniger, dachte sie und schloss die Wohnungstür hinter sich. Sie nahm Pelle Leine und Halsband ab. Kaum, dass er diese Fessel los war, stürmte er ins Wohnzimmer, sprang zu Christian auf die Couch und schnappte sich ein Stückchen Pizza von seinem Teller.

„Hey, gib das sofort wieder her, du Mistvieh!“, wetterte er und nahm seine Füße vom Couchtisch, nachdem Pelle ihn völlig überrascht hatte. Er schlug noch mit der Fernbedienung nach dem Rüden, doch der sprang bereits eilig mit seiner Beute im Maul vom Sofa herunter. Laut schmatzend verschlang er das Stück Pizza auf dem Teppich.

„Du sollst ihm doch nichts zu essen abgeben“, sagte Svea streng, als sie das Wohnzimmer betrat.

„Habe ich doch gar nicht. Er hat mich beklaut.“

Svea schlenderte in die Küche, wo sie sich einen Teller aus dem Schrank nahm. Sie öffnete die Pizzaschachtel auf dem Esstisch, doch es war nur noch ein Viertel darin.

„Wo ist denn meine Pizza?“, fragte sie erstaunt.

„Mein Geld hat nur für eine Große gereicht. Den Rest in der Schachtel kannst du aber gerne haben.“

Geizkragen. Ich füttere den Herrn seit Monaten von meinem Gehalt durch und dann ist er auch noch zu geizig mal für einen Abend das Essen zu bezahlen. Na toll. Und dann auch noch mit Peperoni. Er weiß ganz genau, dass ich diese scharfen Dinger nicht vertrage.

Missmutig kratzte sie die Peperonischeiben von der Pizza herunter. Sie nahm den Teller und verkroch sich in ihr Arbeitszimmer. Vor dem Computer begann Svea ihren mageren Anteil der Pizza zu essen. Eigentlich war sie sowieso viel zu müde zum Essen und Arbeit hatte sie auch noch zu erledigen. Seit Pelle bei ihr eingezogen war, nahm sie sich öfter noch Arbeit mit nach Hause, damit sie früher am Nachmittag aus dem Büro wegkam und Pelle nicht jeden Tag so lange ohne sie auskommen musste. Svea begann die Daten von einigen neuen Mitarbeitern zu erfassen, die sie in den Pool der Personalvermittlung, für die sie als Personaldienstleistungskauffrau arbeitete, aufgenommen hatte. Danach schickte sie die Profile noch an Auftraggeber, die ihr passend erschienen und machte sich Notizen für den nächsten Tag. Es dauerte nicht lange, bis Pelle mit seinem Lieblingsspielzeug, einer kleinen Stoffmaus, in der Tür stand. Er legte die graue Maus vor ihren Füßen ab und wartete aufgeregt, dass Svea das Kuscheltier quer durch den Raum schmiss. Sie tat ihm den Gefallen und beobachtete mit einem Lächeln, wie Pelle der Maus hinterherjagte. Er visierte das Kuscheltier an, sprang einige Zentimeter in die Höhe und fing es auf, bevor es auf dem Teppich landete. Dann nahm er seine Maus, legte sich zu Sveas Füßen und nuckelte noch einige Minuten an seinem Spielzeug, ehe er einschlief. Als Svea mit ihrer Arbeit fertig war, zog sie ihre Füße vorsichtig unter dem schlafenden Pelle weg. Sie schlich sich aus dem Raum und setzte sich zu Christian auf die Couch.

„Du bist doch nicht wirklich eifersüchtig auf Pelle, oder?“, fragte sie, während sie in die Schüssel mit Chips griff, die auf Christians Schoß stand.

Er legte seinen Arm um sie und zog sie nah an sich. Svea legte ihren Kopf an seine Schulter.

„Du musst schon zugeben, dass du mich in letzter Zeit ganz schön vernachlässigt hast.“ Svea setzte sich auf und wollte gerade protestieren, als Christian weitersprach. „Aber du kannst natürlich auch alles wieder gutmachen“, sagte er mit einem breiten Grinsen.

„Du hast Glück, dass ich gerade ein bisschen Zeit habe. Meine Arbeit ist erledigt und Pelle schläft tief und fest im Arbeitszimmer“, antwortete sie und gab ihm einen innigen Kuss. Christian stellte die Schüssel mit den Chips auf den Couchtisch und zog Svea zu sich herunter. Sie genoss seine zärtlichen Berührungen auf ihrer Haut und vergaß allen Ärger der letzten Wochen und allen Trubel um Pelle. Für Svea gab es nur noch Christian. Sie ließ ihre Hände unter sein T-Shirt gleiten und war überrascht, dass er in den letzten Monaten, seit er arbeitslos war, tatsächlich einen kleinen Bauch bekommen hatte. Es störte sie in diesem Moment nicht weiter, aber sie musste amüsiert lächeln.

„Was ist los?“, flüsterte Christian erstaunt.

„Nichts weiter. Ich habe nur gerade gemerkt, dass du etwas Speck angesetzt hast“, antwortete sie mit einem Kichern. Sie fuhr mit ihren Fingern durch seine halblangen dunkelblonden Haare und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht. „Aber keine Sorge, ich liebe dich trotzdem!“, gestand sie ihm und küsste ihn.

„Dann habe ich ja nochmal Glück gehabt.“

Christian erwiderte ihre Küsse.

„Umso wichtiger, dass du dich auch mal wieder um mich kümmerst, flüsterte er noch, bevor seine Worte unter Sveas Küssen untergingen.

2


„Geh endlich von mir runter, Pelle!“, schimpfte Christian, während er auf dem Fußboden im Arbeitszimmer kniete und versuchte, seine Bewerbungsunterlagen zu ordnen.

Seit einer halben Stunde unternahm Pelle immer wieder verzweifelte Versuche, Christians Aufmerksamkeit zu gewinnen. Und wieder sprang Pelle an Christian hoch und legte seine weißen Pfötchen auf seinem Rücken ab.

„Hau endlich ab!“, schrie Christian den Welpen nun an und stieß ihn von sich. „Wie soll ich denn jemals mit diesem Scheiß hier fertigwerden, wenn du an mir hängst wie eine Klette? Und wenn ich nicht wenigstens so tue, als würde ich ernsthaft nach einem neuen Job suchen, dann lässt mich Svea so schnell nicht mehr ran.“ Pelle stand betreten neben Christian. Er sah ihn von unten herauf mit seinen braunen Kulleraugen an und ließ seine schwarzen Fledermausohren traurig zur Seite hängen. „Ich fasse es nicht, jetzt unterhalte ich mich schon mit einem Hund. Vielleicht hat Svea gar nicht so unrecht und es wird wirklich langsam Zeit, dass ich wieder einen Job bekomme. Im Büro kann ich mich immerhin mit Menschen unterhalten. Nicht, dass ich noch anfange Selbstgespräche zu führen. Oder zählt es schon als Selbstgespräch, wenn man mit einem Hund redet?“

Christian begann seine Bewerbungsunterlagen zu ordnen. Er sortierte seine Zeugnisse, heftete den Lebenslauf darauf und zu guter Letzt noch ein standardisiertes Anschreiben. Er bemerkte nicht, dass Pelle plötzlich verschwunden war. Eine Bewerbungsmappe nach der anderen schob Christian in einen Briefumschlag, klebte eine Briefmarke aus Sveas Bestand auf und legte den Umschlag zu den anderen auf den Stapel. Er zählte noch einmal durch und befand, dass sechs Bewerbungen erst einmal ausreichen sollten. Christian raffte seine Unterlagen grob zusammen und legte sie in eine der Schubladen des Büroschranks, dann schnappte er sich den Stapel fertiger Bewerbungen und legte ihn auf die Flurgarderobe.

Die kann Svea dann morgen direkt mitnehmen, wenn sie zur Arbeit fährt, dann muss ich nicht extra bis zum Briefkasten latschen, dachte er zufrieden

„Verdammte Scheiße!“, brüllte Christian im nächsten Moment, als er etwas weiches unter seinem Pantoffel fühlte. Er schloss kurz die Augen, in der Hoffnung, gar nicht erst hinsehen zu müssen, was für eine Sauerei er dort im Flur verursacht hatte, denn schon am Geruch erkannte er, wo er da gerade hineingetreten war. „Pelle! Wo bist du, du Mistvieh?“, schrie er weiter, während er seinen linken Pantoffel auszog und auf einem Bein ins Badezimmer hüpfte. Er warf den völlig verschmierten Pantoffel in die Badewanne und stellte das Wasser an, dann goss er eine große Portion von Sveas Lieblingsbadeschaum darauf und wartete ab, bis die Wanne mit Schaum bedeckt war. Fluchend ging Christian zurück in den Flur. Er hatte Pelles Haufen ordentlich breitgetreten und kam nicht drumherum, sich daran zu machen, den Flur zu wischen. Gerade als er mit dem Wassereimer und dem Mopp ungeschickt über die verdreckten Stellen wischte, kam Pelle neugierig um die Ecke. Er legte den Kopf von einer Seite zur anderen und beobachtete Christian dabei, wie er den Mopp hin und her schleuderte. Zum Spielen animiert kam Pelle angetapst und biss direkt in den Wischmopp hinein.

„Lass los, Pelle! Lass sofort los!“

Christian gab dem Welpen einen Stoß mit dem Mopp. Pelle ließ von seinem aktuellen Spielzeug ab und tänzelte ein paar Schritte rückwärts. Doch als Christian versuchte, den Flur weiter zu reinigen, lief er erneut auf den Mopp zu. Christian zog verärgert seinen zweiten Pantoffel aus und warf ihn nach Pelle. Der duckte sich ängstlich. Im nächsten Moment drehte er sich jedoch um und sah dem Wurfgeschoss neugierig hinterher. Sogleich trollte sich der Welpe und nahm Christians Pantoffel mit ins Wohnzimmer.

„Dämliche Töle. Ich wünschte, Svea hätte dieses Vieh niemals angeschleppt. Nur Ärger bringt der mir.“

Christian schimpfte weiter vor sich hin, während er den Putzeimer säuberte und wieder in die Abstellkammer brachte. Als er dann zurück ins Wohnzimmer ging, um sich eine DVD anzuschalten, hatte er sich wieder einigermaßen beruhigt. Doch vor der Couch traf er auf Pelle. Der grunzte zufrieden vor sich hin, während er Christians Pantoffel im Maul hatte. Rund um die französische Bulldogge herum lagen Stofffetzen, die Pelle aus dem Schuh herausgerissen hatte. Er kaute gerade auf der Gummisohle herum, die schon zahlreiche Bissspuren aufwies, als ihn ein Tritt hart in die Rippen traf. Der Welpe kullerte auf den Rücken und blieb für einige Sekunden steif liegen. Dann jaulte er erbärmlich auf und verkroch sich in die Ecke hinter dem Fernseher.

„Geschieht dir ganz recht!“, rief Christian dem kleinen Hund hinterher.

Er sammelte die Überreste seines Pantoffels zusammen, holten den zweiten Schuh aus der Badewanne und brachte beide direkt nach unten in den Müllcontainer des Wohnblocks. Wo er schon einmal draußen war, nutzte Christian die Gelegenheit und ging die Straße hinunter zum Kiosk.

„Hallo, Walter!“, begrüßte er den Kioskbesitzer.

„Na, Christian. Lange nicht gesehen.“

„Na ja, weißt ja wie das ist, als IT-Experte ist man ja nur am arbeiten.“

„Ja ja, wem sagst du das. Hast du deine Schuhe vergessen?“, fragte der Mann mit dem Dreitagebart und deutete auf Christians Füße.

„Ähm, ja. Sieht so aus“, antwortete Christian und fuhr sich verlegen durch seine halblangen Haare. Erst jetzt bemerkte er, dass er die 200 Meter bis zum Kiosk auf Socken zurückgelegt hatte. „Gib mir drei Bier. Wie immer. Und eine große bunte Tüte.“

„Mit Lakritz oder ohne?“

„Mit. Svea liebt Lakritz. Nur von den sauren Dingern nichts.“

Mit den Bierflaschen und den Süßigkeiten für Svea unter dem Arm kam Christian zurück in ihre gemeinsame Wohnung. Er ging direkt ins Wohnzimmer, machte es sich in der Ecke der Couch gemütlich und legte seine Füße auf dem Couchtisch ab. Er schaltete den Actionfilm ein und öffnete sich die erste Flasche Bier. Genüsslich nahm er einen ersten großen Schluck und leerte die Flasche damit fast zur Hälfte und vollendete seinen Genuss mit einem lauten Rülpser. Von Pelle war keine Spur zu sehen, aber das störte Christian auch nicht. Er genoss es im Gegenteil, seinen Film in Ruhe schauen zu können und verschwendete keinen Gedanken an den Hund. Als Pelle sich jedoch auch nach einer guten Stunde noch nicht blicken ließ, wurde auch Christian langsam misstrauisch. Er leerte die letzte Flasche Bier und stellte sie zu den anderen beiden unter den Couchtisch. Dann erhob er sich und schob den Fernsehschrank ein kleines Stück beiseite. Er blickte direkt auf Pelle herunter. Der Welpe atmete schwer und fiepte leise vor sich hin. Christian streckte seine Hand aus und hob den Hund hoch. Sofort jaulte er laut auf und strampelte wild. Christian hatte Mühe, die kräftige Bulldogge zu halten. Obwohl Pelle erst fünf Monate alt war, hatte er schon ordentlich Kraft in seinem muskulösen Körper. Christian konnte ihn geradeso noch festhalten, bevor er ihm wieder hinter den Schrank gefallen wäre. Er streichelte Pelle vorsichtig über den Kopf. Langsam entspannte sich der Welpe auf seinem Arm. Christian sah auf seine Armbanduhr. Svea musste jeden Moment nach Hause kommen, wenn sie nicht noch einen Außentermin hatte. Das wusste er nicht. Sie hatte es ihm sicher gesagt, aber er hatte ihr nicht zugehört. Kaum hatte Christian sich mit Pelle auf die Couch gesetzt, hörte er auch schon, wie Svea den Schlüssel im Schloss drehte. Er lehnte sich entspannt zurück, legte seine Füße zurück auf den Couchtisch und legte Pelle behutsam auf seinen Schoß. Christian hatte schon befürchtet, dass er wieder jaulen würde, aber Pelle bliebt still. Christian seufzte erleichtert.

„Oh ist das süß!“, rief Svea verzückt, als sie hinter dem Sofa stand und über die Rückenlehne auf Pelle blickte.

Sie gab Christian einen zärtlichen Kuss auf die Wange und umarmte ihn. Dann lehnte sie sich über die Sofalehne und griff nach Pelle. Als sie ihn am Brustkorb berührte, jaulte er laut auf. Vor Schreck ließ Svea ihn sofort los und er fiel zurück auf Christian Schoß. Dort fiepte er vor Schmerzen und legte seine Ohren an.

„Was ist mit ihm?“, rief Svea hysterisch und rannte um die Couch herum. Sie kniete sich vor Christian und streichelte Pelle ganz sanft über den Kopf.

„Keine Ahnung. Er hat vorhin schon mal gejault.“

„Ist ihm etwas passiert? Ist er irgendwo steckengeblieben? Unterm Küchenschrank vielleicht?“

„Nein. Es ist nichts passiert.“

„Wirklich? Oder hast du es nur nicht gesehen?“

„Wirklich. Ich war die ganze Zeit hier bei ihm.“

„Und wo kommt das Bier her?“

„Da war ich nur kurz beim Kiosk. Ich habe dir übrigens was Süßes mitgebracht.“

„Oh, danke.“ Svea war überrascht, dass Christian mal ausnahmsweise nicht nur an sich gedacht hatte, allerdings stand ihr jetzt nicht der Sinn nach Süßigkeiten. „Das ist lieb von dir. Kann er sich etwas getan haben, während du nicht da warst?“

„Eigentlich nicht. Es hat ja auch nicht mal Viertelstunde gedauert. Außerdem hat er schon vorher gejault, aber wie gesagt, nur einmal.“

„Was hast du bloß, mein armes Baby?“, flüsterte Svea Pelle zu und legte ihre Stirn auf seinen weichen Kopf.

Die Bulldogge grunzte vor sich hin. Svea versuchte, ihn noch einmal hochzunehmen. Diesmal ganz vorsichtig und ohne ihn an den Rippen zu berühren. Sie spürte, wie sich der Körper des Welpen anspannte, als sie ihn berührte. Pelle jaulte diesmal nicht auf, aber Svea konnte ein leises Fiepen von ihm vernehmen.

„Ich fahre lieber mit ihm zum Tierarzt. Doktor Lasowski hat noch eine Stunde auf.“

„Mach das. Kannst du dann noch gleich die Briefe draußen auf der Kommode mitnehmen? Ich hätte sie ja selber zum Kasten gebracht, aber nachdem Pelle so gejault hat, wollte ich ihn nicht noch einmal alleine lassen.“

„Kommst du nicht mit?“

„Lieber nicht.“

Keine zwanzig Minuten später hielt Svea vor dem Blumeneck. Sie vergewisserte sich mit einem kurzen Blick über die Schulter, dass es Pelle gut ging. Er lag auf der Rückbank in seinem Körbchen und schlief friedlich. Normalerweise wäre er mit einem Geschirr angeschnallt gewesen, aber Svea hatte diesmal darauf verzichtet. Zu sehr fürchtete sie sich davor, ihrem kleinen Liebling wehzutun. Sie sprang aus dem Wagen und klopfte gegen die Glastür des Blumenladens. Ihre beste Freundin Suse sah vom Tresen auf, wo sie gerade die Kassenabrechnung des Tages machte. Sie kam nach vorne geeilt und schloss die Tür auf.

„Was ist denn los? Ist etwas passiert? Komm rein.“

Svea betrat den kleinen Laden, aus dem ihr sofort der süße schwere Duft verschiedenster Blumen entgegenschlug.

„Pelle. Er hat starke Schmerzen“, sagte Svea und unterdrückte ein Schluchzen, während Suse die Ladentür wieder verschloss.

„Warum denn?“

„Keine Ahnung. Er war den ganzen Tag bei Christian. Er sagt, dass nichts passiert ist, aber Pelle fiept, sobald ich ihn am Brustkorb anfasse. Ich will ihn noch schnell zu Doktor Lasowski bringen. Kannst du vielleicht mitkommen? Nur für den Fall, dass es etwas Schlimmes ist?“

„Klar, kein Problem. Ich muss nur noch kurz bei der Bank vorbei, das Geld in den Nachttresor legen.“

„Super. Das liegt ja quasi auf dem Weg.“

Suse legte ihre Tageseinnahmen in eine silberne Geldbombe der Bank, verschloss die Kassette und schmiss sie zusammen mit ihrem Handy und ihrer Geldbörse in die überdimensionierte Handtasche. Ihre kurzen dunklen Locken wippten bei jeder Bewegung wild hin und her.

„Du kommst doch oben über der Tür an den Schalter für die Alarmanlage. Schaltest du sie bitte kurz ein? Dann muss ich mir nicht extra den Hocker holen.“

Svea griff nach oben und legte den kleinen schwarzen Schalter über der Ladentür um. Sie war nicht übermäßig groß, aber Suse war wesentlich kleiner als sie und stämmiger. Sie war nicht dick, eigentlich sogar ziemlich durchtrainiert, aber eben trotzdem von kräftiger Statur. Im Gegensatz zu Svea, die immer aussah, als hätte sie es mit ihrer Diät übertrieben. Aber sie konnte machen, was sie wollte, selbst mit ihrem regelmäßigen Training im Fitnessstudio sah sie immer noch knochig aus.

„Ich setze mich nach hinten zu Pelle, dann ist er nicht so alleine, der arme Kerl“, sagte Suse, nachdem sie ihre Tageseinnahmen sicher im Nachttresor der Bank verstaut hatte.

„Danke, das ist echt lieb von dir. Ich hatte ja gehofft, dass Christian als Unterstützung mitkommen würde, aber er wollte mal wieder nicht.“

„Ich verstehe nicht, warum du diesen Kerl so lange erträgst.“

„Fang bitte nicht ausgerechnet jetzt wieder damit an. Außerdem hatten wir gestern einen sehr schönen Abend zu zweit.“

„Oh, das hört sich nach einer Versöhnung an.“

Svea konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Doch schon mit ihrem nächsten Blick in den Rückspiegel, und damit zu Pelle, verging ihr das Lächeln sofort.

„Ja, so kann man das sagen.“

Schweigend fuhren sie die restlichen Kilometer durch die Stadt. Svea hielt direkt vor der Praxis von Doktor Lasowski. Sie trug Pelle direkt in seinem kleinen Bettchen aus dem Auto. Suse hielt ihr die Tür zur Praxis auf. Als Doktor Lasowski die beiden Frauen sah, stellte er sofort seinen Kaffeebecher auf dem Tresen ab und kam auf sie zu.

„Ist das nicht der süße Pelle? Was ist denn passiert?“

„Er jault immer wieder vor Schmerzen. Ich weiß nicht warum. Alles war wie immer.“

„Dann gehen sie mal gleich durch in Zimmer 2. Ich bin sofort bei ihnen.“

Jetzt, da sie in der Tierarztpraxis angekommen waren, wurde Svea noch nervöser. Sie spürte, dass mit ihrem Pelle etwas ganz und gar nicht stimmte. Aufgeregt wippte sie mit ihrem linken Fuß, während sie im Behandlungszimmer auf den Arzt warteten.

„Sitz doch endlich mal still. Du machst Pelle noch ganz nervös mit deinem Gezappel. Der spürt das doch.“

„Ich kann aber nicht anders. Ich mache mir solche Sorgen um mein Baby.“

Suse schüttelte verständnislos mit dem Kopf.

„Dann gib mir Pelle wenigstens rüber.“

Svea zögerte. Daher griff Suse nach dem Bettchen und zog Pelle zu sich auf den Schoß. Sie saß ganz besonnen da und streichelte de kleinen Bulldoggenrüden sanft über den Kopf.

„So, dann wollen wir uns Pelle mal anschauen“, sagte der Tierarzt mit einem Lächeln und schloss die Tür hinter sich. „Legen sie ihn mal auf den Tisch. Wo tut es ihm denn weh?“

Svea nahm Pelle, so vorsichtig sie konnte, aus seinem Bettchen. Sofort jaulte er auf vor Schmerz. Vor Schreck wäre er ihr beinahe aus den Händen geglitten, doch Doktor Lasowski griff beherzt zu und setzte den wimmernden Bulldoggenrüden auf dem Untersuchungstisch ab.

„Ich seh schon. Hier an der Seite.“ Der Arzt tastete vorsichtig Pelles Brustkorb ab. „Er scheint Schmerzen an den Rippen zu haben.“ Behutsam strich der Tierarzt entgegen dem Strich durch das kurze Fell an Pelles Brustkorb. „Wie ich vermutet habe. Hier haben wir ein großes Hämatom. Ist er gestürzt?“

„Nein!“, antwortete Svea entsetzt.

„Mhh. Sind sie sicher? Oder hat er beim Spielen mit einem anderen Hund einen mitgekriegt?“

Svea schüttelte mit dem Kopf.

„Irgendetwas muss aber passiert sein, denn so ein großes Hämatom kommt nicht von alleine“, sagte der Tierarzt nun in strengem Ton und warf Svea einen zweifelnden Blick zu.

„Es war nichts. Er war den ganzen Tag unter Aufsicht in der Wohnung. Da ist nichts passiert. Und draußen beim Spaziergang war er alleine, er hat mit keinem anderen Hund gespielt.“

„Darf ich ehrlich zu ihnen sein?“

Svea nickte.

„Wenn sie sagen, dass er nicht gestürzt ist, dann sieht es für mich nach den Folgen eines Trittes oder Schlages aus. Es muss eine große Kraft gegen seinen Brustkorb gewirkt haben. Ich kann nicht ausschließen, dass eine oder mehrere Rippen gebrochen sind. Und da hört bei mir der Spaß auf. Das ist Tierquälerei und so etwas dulde ich nicht!“

Svea brach in Tränen aus. Sie schluchzte laut und zitterte am ganzen Körper.

„So etwas würde ich meinem Baby doch niemals antun“, rief sie mit tränenerstickter Stimme.

Suse nahm ihre Freundin in den Arm und versuchte sie zu trösten.

„Ich nehme ihn erstmal mit zum Röntgen. Wir müssen Sicherheit haben, ob er wirklich einen Rippenbruch hat oder nicht.“

Doktor Lasowski verließ den Raum ohne noch ein Wort mit Svea zu wechseln.

„Das kann doch nicht sein Ernst sein!?“, schluchzte Svea in Suses Armen.

„Beruhig dich erstmal. Wir werden das schon klären. Setz dich hier hin und versuch an Pelle zu denken. Ich bin gleich wieder da.“

Svea kramte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und schnäuzte sich, während ihr weiter lautlos Tränen über die Wangen rannen. Ihr Make-up war mittlerweile völlig ruiniert. Sie versuchte, zumindest die gröbsten Spuren ihrer zerlaufenen Wimperntusche von ihren Wangen zu wischen.

„Herr Doktor, warten sie!“, rief Suse über den Flur und eilte zu dem Tierarzt herüber, der gerade mit einer seiner Angestellten den Röntgenraum betreten wollte. Er hielt inne und sah Suse erwartungsvoll an. „Kann ich kurz mit ihnen sprechen?“

„Kommen sie mit rein, wenn es sie nicht stört.“ Suse folgte Doktor Lasowski in den Röntgenraum. „Katrin, geben sie der Dame bitte eine Bleischürze.“ Suse ließ sich die schwere Schürze bereitwillig von der jungen Assistentin umlegen. „Also, was wollen sie besprechen?“

„Meinen sie das ernst mit der Tierquälerei?“

„Sehr ernst“, sagte der Tierarzt mit einem strengen Blick. „Katrin, halten sie den Welpen bitte gut fest, nicht, dass er uns entwischt oder wir ihm noch mehr Schmerzen zufügen.“

Pelle lag mit weit aufgerissenen Augen auf dem Tisch unter dem Röntgenapparat. Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell mit jedem Atemzug und er hechelte aufgeregt. Die Tierarzthelferin redete beruhigend auf ihn ein, während Doktor Lasowski die erste Röntgenaufnahme von Pelles Oberkörper machte.

„Hören sie zu, Svea würde diesem Tier niemals etwas antun. Das versichere ich ihnen. Sie liebt diesen Hund, als wäre er ihr eigenes Baby. Verstehen sie? Sie ist völlig aufgelöst.“
„Katrin, drehen sie ihn bitte einmal auf die andere Seite. Frau …?“

„Dörner, Suse Dörner.“

„Frau Dörner, ich kann nur sagen, was ich gesehen habe. Und wenn Frau Papendorf sagt, dass nichts vorgefallen ist, dann kann ich das so nicht glauben. Sie scheint die Wahrheit verschweigen zu wollen. Ich kann bei so einem Fall aber nicht einfach wegsehen.“

„Das verstehe ich, aber ich kann ihnen versichern, dass Svea ihrem Pelle niemals mutwillig etwas antun würde. Ihr Freund hat heute auf den Kleinen aufgepasst, während sie im Büro war. Ich kann mir nur vorstellen, dass da etwas vorgefallen ist. Vermutlich hat ihr Freund einfach nicht den Mut gehabt, ihr zu gestehen, dass er nicht richtig auf ihren Welpen aufgepasst hat. Verstehen sie?“

„Es ist unerheblich, wer dem Tier diese Schmerzen zugefügt hat. Wenn es wirklich ein Unfall war, dann werde ich nichts weiter unternehmen, aber falls Pelle noch einmal mit einer ähnlichen Verletzung bei mir vorgestellt wird, dann muss und werde ich handeln.“

„Das verstehe ich. Ich will ja auch nicht, dass ein Tier leidet. Aber sie werden Pelle doch jetzt nicht hierbehalten?“

„Nein, ich denke nicht, aber ihre Freundin muss sich darüber im Klaren sein, dass ich sie im Auge behalten werde.“

Suse nickte verständnisvoll. Doktor Lasowski gab ihr den zitternden Pelle auf den Arm.

„Gehen sie schon zurück zu Frau Papendorf. Ich werte die Röntgenbilder aus und dann komme ich zu ihnen.“

Suse war noch nicht ganz im Behandlungszimmer, da brach Svea wieder lautstark in Tränen aus. Sie nahm Pelle von Suse entgegen und drückte ihn an sich. Der Welpe leckte ihr mit seiner warmen Zunge über die Augen. Obwohl Svea weiter weinte, lachte sie kurz. Doch ihre Mine verfinsterte sich sofort wieder, als Doktor Lasowski den Raum betrat.

„Und?“, fragte sie gespannt.

„Ich kann Entwarnung geben. Es ist nichts gebrochen, aber er hat eine schwere Rippenprellung.“

„Gott sei Dank!“

„Überlegen sie bitte noch einmal, ob sie mir nicht doch die Wahrheit sagen wollen!“, drängte der Tierarzt.

„Ich habe ihnen die Wahrheit gesagt!“, rief Svea empört und drückte Pelle fester an sich.

„Nun gut. Ich muss das wohl erst einmal so hinnehmen. Aber ich möchte Pelle in einer Woche noch einmal sehen. Wenn sein Zustand sich verschlechtern sollte, dann kommen sie bitte sofort in die Praxis.“ Svea nickte. „Er bekommt jetzt noch ein Schmerzmittel gespritzt und einen Entzündungshemmer. Es kann sein, dass er dadurch etwas schläfrig wird, aber das ist ganz normal und Ruhe tut ihm gut. Er sollte in den nächsten Tagen gut überwacht werden und nicht spielen. Ich weiß, dass das bei einem Welpen schwierig ist, aber es ist besser für ihn.“

„Ich werde ihn nicht aus den Augen lassen, versprochen.“

Pelle ließ die Spritzen ohne großen Protest über sich ergehen. Erschöpft kuschelte er sich nach der Behandlung in sein Körbchen und schnarchte die gesamte Autofahrt über laut vor sich hin.

„Du glaubst Christian doch nicht, oder?!“, fragte Suse schließlich.

„Was soll ich ihm nicht glauben?“

„Na, dass er Pelle nichts getan hat.“

„Wieso nicht?“

„Du bist manchmal sowas von naiv, weißt du das?“ Svea warf ihrer besten Freundin einen erstaunten Blick zu, bevor sie ihre Augen wieder auf die Straße richtete. „Du hast den Tierarzt doch gehört, Pelle hat eine schwere Rippenprellung. So etwas passiert nicht einfach so. Er muss schwer gestürzt oder heftig getreten worden sein und dafür kommt nur einer infrage.“

„Christian war aber heute so lieb zu ihm. Er hat Pelle sogar auf seinem Schoß schlafen lassen. Und zu mir war er auch total süß. Er hat mir sogar Süßigkeiten vom Kiosk mitgebracht.“

„Das hört sich aber schwer nach einem Schuldeingeständnis an. Wann hat Christian bitte das letzte Mal etwas für dich getan?“

„Vielleicht ist er endlich aufgewacht und hat begriffen, dass es so nicht weitergeht. Er hat sogar einen ganzen Stapel Bewerbungen geschrieben. Ich habe sie selber vorhin auf dem Weg zu dir in den Briefkasten geworfen.“

„Du bist krank vor Angst um Pelle und er hat nichts Besseres zu tun, als dich auch noch am Briefkasten vorbeizujagen? Das ist mal wieder so typisch für diesen faulen Sack. Der wird sich nie ändern.“

Svea hielt mit ihrem Kleinwagen direkt vor Suses Laden. Suse umarmte sie zum Abschied.

„Danke, dass du mich heute begleitet hast.“

„Gerne. Du weißt, dass ich immer für dich da bin. Aber tu mir einen Gefallen und denk mal über Christian nach.“

Svea nickte. Suse schloss die Autotür und winkte Svea zum Abschied. Dann ging sie zu ihrem Hollandrad herüber, dass sie vor dem Laden angeschlossen hatte.

 

Svea hatte die Wohnungstür noch nicht hinter sich geschlossen, da kam Christian schon aus dem Wohnzimmer auf sie zu gestürmt.

„Und, was hat der Tierarzt gesagt? Geht es ihm gut? Was hat er?“

„Nun mach mal langsam. Lass uns erstmal reinkommen. Pelle braucht jetzt viel Ruhe.“

Svea wollte mit Pelle auf dem Arm an Christian vorbeigehen, doch er nahm ihr das Bettchen mit dem Welpen ab. Verwundert folgte sie ihm ins Wohnzimmer, wo er das Bett behutsam neben die Couch stellte und den schlafenden Pelle hinter dem Ohr kraulte.

„Darf er etwas fressen?“

„Doktor Lasowski hat nichts dagegen gesagt.“

„Ich habe ihm sein Abendessen schon vorbereitet. Und für dich habe ich eine Pizza im Ofen.“

„Du bist so süß!“, stellte Svea mit einem Lächeln fest und küsste ihren Freund.

Christian grinste sie breit an. Dann ging er voran in die Küche.

„Setz dich einfach hin, ich serviere dir dein Essen gleich.“

Überrascht nahm Svea am Küchentisch Platz. Langsam kam ihr Christians zuvorkommendes Verhalten doch etwas merkwürdig vor und Suses Worte hallte in ihrem Kopf wider.

Was, wenn er wirklich etwas mit Pelles Verletzung zu tun hat und es zu vertuschen versucht? Es wäre zumindest eine Erklärung für das ganze Theater, was er hier heute veranstaltet. Wenn er mir mal eine Pizza in den Ofen geschoben hat, dann war mit dieser Geste aber auch schon Schluss, sobald er den Ofen eingeschaltet hatte. Den Rest musste ich dann schon alleine machen. Und heute bedient er mich von vorne bis hinten. Oder hat er endlich gemerkt, wie wichtig Pelle mir ist?

In diesem Moment stellte Christian den Teller mit der dampfenden Pizza vor Svea ab. Auch ein Glas Rotwein schenkte er ihr ein. Svea lächelte ihren Freund an und vergaß sofort wieder alle Zweifel, die sie in den letzten Minuten an seinem Handeln gehabt hatte. Sie war sich sicher, dass Suse sich getäuscht hatte. Christian war zwar faul, ließ sich seit Monaten von ihr durchfüttern, seit die IT-Firma, für die er seit dem Ende seines Studiums gearbeitet hatte, von heute auf morgen Pleite gegangen war, aber er war kein boshafter Mensch und er würde einem kleinen unschuldigen Welpen niemals so etwas grausames antun. Svea genoss ihre Pizza Stück für Stück und beobachtete, wie Christian sich derweil um Pelle kümmerte. Er brachte ihm sein Fressen und wartete bis der Rüde jeden Krümel aus dem Napf geleckt hatte. Svea nahm ihr Weinglas und ging damit zur Couch herüber. Erschöpft ließ sie sich in die Polster fallen. Ausnahmsweise legte sie ihre Füße auf dem Couchtisch ab. Eigentlich rügte sie Christian immer, wenn er das tat, aber heute war ihr selber mal danach. Sie nippte an dem Wein. Er war ihr zwar etwas zu lieblich, aber sie sagte nichts. Die Geste zählte für sie.

„Er hat alles aufgefressen. Ist das ein gutes Zeichen?“

„Ich glaube schon. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass man sich um eine Bulldogge erst richtig Sorgen machen muss, wenn sie nicht mehr frisst.“

„Puuh. Dann haben wir wohl nochmal Glück gehabt.“

Er sagt wir. Zum ersten Mal sieht er Pelle als einen Teil von unserem gemeinsamen Leben an.

Christian schien sichtlich erleichtert zu sein. Er streichelte Pelle noch einmal über den Kopf. Der Rüde rollte sich direkt wieder in seinem Körbchen zusammen und schloss die Augen. Christian räumte noch die Küche auf, dann ließ er sich neben Svea auf das Sofa fallen. Er legte seinen Arm um sie.

„Auch eine Maus?“, fragte sie und hielt ihm eine von den weißen Speckmäusen aus ihrer Süßigkeitentüte hin.

Ohne ein Wort zu sagen, biss Christian der Maus den Kopf ab und kaute genüsslich, dann nahm er sich den Rest aus Sveas Hand.

„Hey!“, rief Svea übertrieben empört und gab Christian lachend einen Klaps auf den Oberarm. Über den Rest der Tüte machte Svea sich alleine her. Christian hielt nicht sonderlich viel von Gummitierchen, Schaumzucker und Lakritz. Er öffnete sich noch eine Flasche Bier und trank sie fast in einem Zug aus.

„Du, darf ich dich mal was fragen?“

„Was denn?“

„Was ist heute wirklich passiert? Ich meine mit Pelle.“

Christian setzte sich sofort auf und sah sie erstaunt an.

„Nichts. Das habe ich dir doch gesagt. Wie kommst du darauf, dass doch etwas passiert ist?“

Christian senkte seinen Blick und spielte mit dem Bügelverschluss seiner Bierflasche.

„Weil der Tierarzt gesagt hat, dass so ein Bluterguss nicht einfach so entsteht. Pelle muss entweder gestürzt sein oder …“ Sie machte eine Pause und schluchzte. „Oder er ist getreten worden, und zwar ziemlich heftig.“

„Vielleicht ist er vom Tisch gefallen, als ich am Kiosk war? Er hat schon öfter versucht, auf den Küchentisch zu klettern und ich hatte da noch die Reste vom Mittagessen stehen.“

„Mhh. Dann muss er aber sehr ungünstig gefallen sein. Aber es wäre eine Erklärung.“

Svea gab sich mit Christians Aussage zufrieden. Auch, wenn sie noch einmal kurz an ihm gezweifelt hatte, sie wollte es ihm einfach glauben.

Immer wieder versuchte Pelle in dieser Nacht, aus seinem Körbchen zu Svea ins Bett zu klettern. Und immer wieder schob sie ihn mit aller Vorsicht, aber gleichzeitig sehr bestimmt, zurück in sein kuscheliges Körbchen, das direkt neben ihrem Bett stand. Normalerweise schlief Pelle draußen im Flur, aber da Doktor Lasowski ihr ausdrücklich gesagt hatte, dass Pelle unter Beobachtung bleiben musste, hatte Svea ihn in dieser Nacht mit ins Schlafzimmer genommen. Christian hatte ihr Handeln stillschweigend hingenommen, aber Svea wusste, dass es ihm unglaublich schwergefallen war. Wieder legte Pelle seine Vorderpfoten auf die Bettkante und stupste Svea mit seiner feuchten kalten Nase an. Sie versuchte, ihn zu ignorieren, aber Pelle hatte längst gemerkt, dass sein Frauchen nicht schlief. Er fiepte leise vor sich hin, dann stupste er sie wieder an.

„Was ist denn? Warum schläft er denn nicht endlich?“, fragte Christian gequält und drehte sich auf seiner Seite des Bettes um.

„Er hat sicher wieder Schmerzen und sucht deshalb Schutz bei mir. Meine Nähe gibt ihm Sicherheit. Ich bin schließlich im Moment noch so eine Art Mutterersatz für ihn.“

„Dann sei eine gute Mutter und mach, dass er endlich schläft. Ich brauche auch Ruhe!“, sagte Christian mit einem genervten Seufzer und vergrub sein Gesicht im Kopfkissen.

Svea legte ihre Hand wieder auf Pelles Brust und gab ihm einen sanften Schubs. Widerwillig legte er sich zurück in sein Bettchen. Diesmal ließ Svea ihre Hand von ihrem Bett herunterhängen und legte sie direkt an Pelles Brustkorb. Sie spürte, wie sich die Atmung des Welpen unter ihrer Berührung langsam beruhigte. Nach einer Viertelstunde schlief die Französische Bulldogge tief und fest. Selig schnarchte Pelle vor sich hin. Weder Svea noch Christian bekamen allerdings ein Auge zu.

„Kannst du das nicht abstellen?“, grummelte Christian.

„Sei doch froh, dass er endlich schläft.“

„Na toll. Ich kann bei dem Krach aber nicht schlafen.“

Svea verdrehte die Augen.

So schnell ist es mit seinem Verständnis und seiner Fürsorge also schon wieder vorbei. Wer von uns beiden muss denn morgen wieder früh im Büro sein? Als wenn er in den vergangenen Wochen jemals vor 9 Uhr aufgestanden wäre.

Svea öffnete langsam ihre Augen, als sie merkte, dass Christian aus dem Bett kroch. Er stand in Boxershorts vor dem Bett und raffte gerade seine Decke zusammen. Sein Kopfkissen hatte er sich bereits unter den Arm geklemmt.

„Was wird das denn jetzt?“, fragte Svea müde.

„Ich schlafe auf der Couch. Dieses Geschnarche kann sich ja niemand mit anhören.“

„Dann weißt du ja endlich, wie es mir geht, wenn du nach einigen Bier von deinen Kumpels nach Hause kommst, dann hörst du dich genauso an.“

Ohne darauf zu antworten, verließ Christian das Schlafzimmer. Gerade, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, hörte Pelle auf zu schnarchen. Svea drehte sich um und sah zu ihm herunter. Er sah sie mit seinen tiefbraunen Kulleraugen flehend an.

„Ist ja schon gut.“

Svea gab auf und hob den Welpen zu sich ins Bett. Er wühlte mit seiner platten Schnauze an der Kante von Sveas Bettdecke herum, bis er es geschafft hatte, die Decke etwas anzuheben. Schnell kroch er darunter und kuschelte sich an Sveas Beine. Pelle grunzte noch zweimal zufrieden, dann schlief er wieder ein.

3


„Oh, ist der süüüüß!“, quietschten Sveas Kolleginnen schon minutenlang im Chor.

Pelle saß in seinem Körbchen und schnurrte wie eine Katze, während ihn drei von Sveas Kolleginnen abwechselnd streichelten. Er reckte sein Köpfchen in die Höhe, als eine der jungen Frauen ihn unter seiner Schnauze kraulte, was sofort wieder zu Verzückungsrufen bei den Anderen führte.

„Was soll denn dieser Auflauf hier? Haben sie alle keine Arbeit?“, hallte plötzlich die Stimme von Frau Bredemeyer-Kastning, ihrer Chefin, über den Flur.

Und schon lehnte sie im nächsten Moment mit vor der Brust verschränkten Armen in der Tür zu Sveas Büro.

„Guten Morgen!“, rief Svea mit einem Lächeln.

Keiner sagte mehr einen Ton, alle standen nur da und warteten, was passieren würde. Pelle sah sich verdutzt um. Er stupste Lea, die ihn zuletzt gestreichelt hatte, an die Hand und grunzte dabei.

„Was ist das denn?“, rief Frau Bredemeyer-Kastning entsetzt.

„Er gehört mir“, sagte Lea und kniete sich neben Pelle. „Er heißt Pelle und ist eine Französische Bulldogge.“

„Und was zur Hölle macht dieses Vieh hier im Büro?“

Sveas Kolleginnen warfen ihr mitleidige Blicke zu, lächelten verkniffen und verließen schnell ihr Büro.

„Er hatte einen kleinen Unfall und muss die nächsten Tage rund um die Uhr beobachtet werden, daher habe ich ihn mitgebracht. Ich kann mir doch jetzt keinen Urlaub nehmen, wo so viel zu tun ist.“ Frau Bredemeyer-Kastning verzog ihren faltigen Mund, während sie offensichtlich darüber nachdachte, was sie zu dieser eigenmächtigen Handlung sagen sollte. „Und dann noch unser neuer Großkunde. Ich bin froh, dass ich ihn überhaupt an Land ziehen konnte.“

„Ja, sie haben Recht. Urlaub ist aktuell nicht drin. Wie lange dauert es, bis er wieder gesund ist?“

„Ein paar Tage, vielleicht eine Woche.“

„Nun gut. Dann behalten sie ihn meinetwegen hier. Aber ich möchte ihn nicht außerhalb von ihrem Büro sehen und wenn er auch nur einen Kunden anspringt, dann fliegen sie alle beide sofort hier raus.“ Svea nickte. Ihre Chefin drehte sich um und verließ ihr Büro. Im nächsten Moment lehnte sich aber noch einmal durch die Tür. „Und wenn ich mitkriege, dass sich die anderen Damen wegen diesem Tier nicht mehr um ihre Arbeit kümmern, dann ist er auch sofort verschwunden.“

Svea zog Pelle in seinem Bett unter ihren Schreibtisch. So hatte er seine Ruhe und es konnte ihn niemand von der Tür aus sehen. Erleichtert atmete Svea durch. Sie hatte sich die Sache schwieriger vorgestellt. Umso erleichterter ging sie zurück an ihre Arbeit, während Pelle sich unter dem Tisch mit einem Kauknochen beschäftigte.

 

Svea nahm Pelle nun jeden Tag mit ins Büro. Es ging ihm von Tag zu Tag besser und er begann im Büro herumzutollen. Hier und da entwischte er Svea auch mal auf den Gang oder sie fand ihn im Büro einer Kollegin wieder, aber bisher hatte ihre Chefin davon anscheinend nichts mitbekommen. Alle Kollegen hatten sich schnell an die zauberhafte Bulldogge mit dem knautschigen Gesichtchen und der platten Nase gewöhnt.

„Klopf klopf!“

Svea sah von ihrem Schreibtisch aus. Lea stand in der Tür. Es war schon kurz vor Feierabend.

„Komm rein. Ist etwas?“

„Ich wollte den süßen Kerl hier nochmal sehen, bevor ich ins Wochenende gehe. Jetzt, wo er wieder gesund ist, werde ich ihn ja so schnell nicht wiedersehen.“

Svea lächelte, während sie Lea beobachtete. Die junge Frau kniete sich in ihrem engen Businessrock auf den Boden und kraulte Pelles Ohren mit beiden Händen. Pelle schnurrte vor Wohlgefallen und leckte ihr einmal quer über das Gesicht. Lea lachte auf und gab dem kleinen Hund einen Kuss auf die flauschige Stirn.

„Er ist so süüüß!“

„Ich weiß.“

„Er wird mir fehlen.“

„Mir wird es extrem schwerfallen, ihn wieder alleine zu Hause zu lassen.“

„Aber dein Freund kann doch auf ihn aufpassen.“

„Der mag ihn aber nicht sonderlich. Außerdem habe ich ihn lieber den ganzen Tag um mich. Ich überlege schon, ob ich ihn nicht einfach weiterhin mitbringe.“

„Na klar. Er sorgt hier immer für gute Laune. Und wenn ich Stress habe, dann komme ich einfach vorbei, knuddle diese Flauschbacke einmal durch und schon geht es mir besser.“

„So geht es uns wohl allen.“

„Hat die Alte denn schon etwas gesagt?“

„Sie meinte nur, dass er nicht mehr mitkommen darf, wenn er wieder gesund ist, aber so lange sie nichts merkt. So oft ist sie ja nun auch nicht hier unten.“

„Dann bring ihn doch einfach weiter mit.“

„Das werde ich.“

In den nächsten Wochen wurde Pelle ein fester Bestandteil der Bürogemeinschaft. Svea wunderte sich, dass ihre Chefin sich das Treiben so lange stillschweigend mit ansah, aber anscheinend hatte sie bemerkt, dass Pelle dafür sorgte, dass sich das Betriebsklima enorm verbesserte.

„Ich werde ihnen sofort fünf Profile von Bewerbern rüberschicken, die für ihre Stelle infrage kommen. Wenn ihnen ein Bewerber geeignet erscheint, dann geben sie mir einfach Bescheid und wir klären alles weitere …“, sprach Svea in den Telefonhörer, während ihr Blick auf die Tür fiel, wo ihre Chefin mit strengem Blick lehnte. Sie zeigte mit dem Finger nach oben, dann verschwand sie. Svea wusste sofort, was diese Geste zu bedeuten hatte.

„Sind sie noch da, Frau Papendorf?“, fragte ihr Gesprächspartner.

Svea hatte Mühe, sich weiter auf ihr Telefonat zu konzentrieren.

„Oh ja, entschuldigen sie. Hier war gerade eine Störung in der Leitung. Was sagten sie doch eben gerade?“

Während ihr Kunde wiederholte, was er ihr schon einmal gesagt hatte, notierte Svea sich alles und bestätigte jeden Satz mit einem ,Ja‘.

Puh, gerade nochmal gut gegangen. Wenn ich es mir mit dem neuen Kunden verscherze, geht mir ein Haufen Provision durch die Lappen, dachte Svea und legte auf. Und jetzt schnell nach oben, wer weiß, was die alte Hexe wieder will.

Svea betrat mit einem gezwungenen Lächeln das Büro ihrer Chefin. Sie blieb einige Meter vor dem riesigen Schreibtisch stehen und wartete darauf, dass Frau Bredemeyer-Kastning ihr einen der Stühle direkt vor dem Tisch anbot, doch die dachte gar nicht daran. So blieb Svea völlig verloren in dem übergroßen Büro stehen.

„Ich hatte ihnen doch gesagt, dass ihre Töle wieder weg muss, sobald sie gesund ist.“

„Ja“, sagte Svea vorsichtig.

„Und ist es wieder gesund?“

„Nun ja … Im Prinzip schon, aber er hat sich so gut eingelebt und er stört ja auch niemanden.“

„Doch, er stört ihre Arbeit.“

Svea trat nervös von einem Bein auf das andere, während ihre Chefin sich langsam mit ihrem Sessel hin und her drehte.

„Aber ich mache meine Arbeit doch.“

„Sie gehen aber mehrmals während der Arbeitszeit mit ihrem Hund vor die Tür. Das sind zusätzliche Pausen.“

„Die Raucher gehen doch aber auch mehrmals am Tag vor die Tür und die sind viel länger draußen als Pelle und ich. Sobald er sein Beinchen am nächsten Baum gehoben hat, gehen wir wieder zurück und ich arbeite weiter“, versuchte Svea, sich zu verteidigen.

„Sie können eine Raucherpause ja wohl kaum mit einer Gassipause gleichsetzen. Gassipausen sind in meiner Firma nicht vorgesehen und damit Ende der Diskussion. Wenn sie damit nicht einverstanden sind, dann steht es ihnen natürlich frei, sich nach einem anderen Arbeitsplatz umzusehen.“ Frau Bredemeyer-Kastning nahm die Unterschriftenmappe, die direkt vor ihr auf dem Schreibtisch lag, zur Hand und schlug sie auf. Dann griff sie nach einem Kugelschreiber und drückte die Mine heraus. „Ist noch was?“, fragte sie, als sie bemerkte, dass Svea immer noch vor ihr stand.

„Ich würde gerne im Homeoffice arbeiten. Also, nur vorübergehend.“

„Homeoffice? Nein, auf keinen Fall. Das werde ich nicht genehmigen. Entweder, sie arbeiten hier im Haus, wie alle anderen auch oder sie können sich ihre Papiere in der Personalabteilung abholen. Haben wir uns jetzt verstanden.“

Svea nickte und machte auf dem Absatz kehrt. Zurück in ihrem Büro quetschte sie diverse Bewerbungsmappen und Kundenbriefe in ihre Aktentasche, nahm Pelle in seinem Bettchen und stöckelte wutentbrannt über den Flur.

„Wo willst du denn hin?“, rief Lea ihr hinterher.

„Pelle nach Hause bringen. Er ist hier unerwünscht!“, brüllte sie über den Flur, sodass sie jede ihrer Kolleginnen hören musste. Prompt kamen einige von ihnen aus ihren Büros gerannt, um sich von Pelle zu verabschieden. Eine nach der anderen kraulte ihn hinter dem Ohr, gab ihm ein Küsschen auf die faltige Stirn oder streichelte über seinen Rücken. Dem Welpen gefiel diese überraschende Zuwendung und er grunzte zufrieden vor sich hin.

„Mach dir nichts draus“, sagte Lea, während sie Pelle noch einmal in den Arm nahm. „Gegen die Alte kommen wir leider nicht an, das weißt du ja selber.“

„Ja, ich hatte nur gerade gehofft, dass sie ihn dulden würde. Sie hat die ganzen letzten Wochen kein Wort gegen ihn gesagt und jetzt mit einem Mal muss er weg.“

„Wer weiß, vielleicht hat sie gerade wieder private Probleme, die sie mal wieder an dir auslässt.“

„Wahrscheinlich. Ich weiß zwar nicht, warum es ausgerechnet mich immer trifft, aber so wird es sein.“

„Keine Sorge, das geht vorbei. Warte ein paar Monate, dann krallt sie sich die nächste hier.“

Christian schreckte auf dem Sofa hoch, als er hörte, dass Svea die Wohnungstür öffnete. Er sah auf seine Uhr und runzelte die Stirn. Gähnend stand er von der Couch auf, zog seine Jogginghose zurecht und trat neugierig in den Flur.

„Was machst du denn schon hier?“, fragte er Svea, die mit Pelle auf dem einen Arm im Flur stand und einem Stapel Bewerbungsunterlagen und anderen Mappen unter dem anderen, im Flur stand und gerade mit dem Absatz ihres Stilettos die Wohnungstür hinter sich zu schob.

„Sollte die Frage nicht eher sein, was du noch hier machst? Ich dachte, du hast ein Vorstellungsgespräch.“

„Ja, aber das wurde verschoben.“

„Das dritte Bewerbungsgespräch bei dir, das sich diesen Monat verschoben hat“, stellte Svea misstrauisch fest.

„Ist gerade eine schwierige Zeit für einen neuen Job.“

„Kann ich nicht gerade behaupten. Wir kriegen jeden Tag einen Haufen neuer Anfragen von Unternehmen“, versuchte Svea, Christian aus der Reserve zu locken.

Sie beobachtete seine Gesichtszüge ganz genau, während sie Pelle absetzte, ihre Pumps auszog und im Schuhschrank verstaute. Christian verzog wie immer keine Mine. Nur seine Augen verrieten, dass er unsicher war. Sein Blick wanderte unsicher zwischen Svea, Pelle und der Wand hin und her.

„In meinem Job aber nicht.“

„Auch, wenn du es nicht glauben willst, aber wir haben sogar einige offene Stellen im IT-Bereich.“

„Ich arbeite nirgendwo über eine Zeitarbeitsfirma.“

„Wäre aber besser als gar keinen Job zu haben, meinst du nicht?“

„Ich werde in den nächsten Wochen schon etwas finden, mach dir da mal keine Sorgen. Und so lange kommen wir doch mit deinem Geld aus.“

„Wer weiß wie lange noch.“

Von einem Moment auf den anderen war Christian hellwach.

„Was soll das heißen?“ Svea ging schweigend in ihr Arbeitszimmer und legte die Akten auf ihrem Schreibtisch ab. Dann schaltete sie ihren Computer ein, drängte sich an Christian vorbei, der mitten in der Tür stand, und machte sich in der Küche einen Kaffee. „Svea, ich habe dich etwas gefragt. Was willst du damit sagen?“

„Dass meine Chefin mich vor die Wahl gestellt hat – entweder ich lasse Pelle ab sofort wieder zu Hause oder ich kann mir einen neuen Job suchen. Das heißt es.“

„Oh. Das ist nicht gut.“

„Ja, da gebe ich dir recht, das ist ganz und gar nicht gut. Solange du aber noch keinen neuen Job hast, musst du wieder auf Pelle aufpassen.“

„Ich? Nein, das kommt nicht infrage!“

„Warum nicht?“

„Weil ich das nicht kann und auch nicht will. Der kackt mir wieder hier rein, dann muss ich alles sauber machen. Das Vieh macht nur Ärger. Und außerdem ist er dein Hund!“

„Es ist ja auch mein Geld, von dem du nun schon fast ein halbes Jahr lang lebst!“

Svea knallte die Zuckerdose mit so viel Kraft auf die Arbeitsplatte, dass sich die weißen Kristalle überallhin verteilten. Begeistert leckte Pelle den Zucker zu ihren Füßen auf.

„Das ist ja wohl etwas anderes. Außerdem ist das ja nur vorübergehend.“

„Du nennst ein halbes Jahr vorübergehend? Geh wenigstens kellnern oder such dir nen Job als Kurierfahrer, solange du noch nichts Vernünftiges hast. Dann würde ich wenigstens den Willen bei dir erkennen, dass du überhaupt wieder arbeiten willst. Du hängst den ganzen Tag nur auf der Couch rum und kümmerst dich nicht im Geringsten um den Haushalt, einen neuen Job oder um Pelle. Ich nehme das nicht weiter hin. Du kannst dir auch gerne eine eigene Wohnung suchen.“

„Du weißt, das das nicht geht. Außerdem gefällt es mir hier bei dir.“

„Ich habe keine Zeit solche dämlichen Diskussionen mit dir zu führen. Ich habe noch einen Haufen Arbeit. Komm Pelle!“

Svea nahm ihren Kaffee, sammelte auf dem Weg durch das Wohnzimmer zwei von Pelles Spielzeugen auf und ging mit ihrem Hund ins Arbeitszimmer. Sie schloss die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen und atmete einmal tief durch. Nach wenigen Minuten hörte sie aus dem Wohnzimmer wieder die Geräuschkulisse irgendeines Actionfilms. Sie hätte platzen können vor Wut.

Es ist bestimmt nur so eine Phase von Christian. Früher oder später muss er doch wieder aufwachen. Ich hoffe es zumindest, denn ich weiß nicht, wie lange ich diese Phase noch ertragen kann, ohne dass ich ausraste.

Während Pelle unter ihrem Schreibtisch an einem Plüscheichhörnchen herum nuckelte, machte Svea sich an ihre Arbeit. Sie stellte einen ersten Kontakt zu potentiellen neuen Kunden her, rief ein paar Bewerber an, für die sie Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch in einem Betrieb hatte und plante ihre anstehende Kundenbesuche.

Wenn ich doch bloß immer von Zuhause aus arbeiten könnte. Für diese ganzen Sachen brauche ich nun wirklich nicht ins Büro fahren, das geht von hier aus mindestens genauso gut. Und ruhiger ist es hier auch. Zumindest, sobald Christian wieder regelmäßig weg ist.

„Die Tante Bredemeyer-Kastning ist richtig gemein, nicht wahr, Pelle?“, Svea streichelte dem Welpen über den Kopf und er hörte für einen Moment auf, sich mit seinem Eichhörnchen zu beschäftigen. Stattdessen warf er ihr einen treuen Blick zu. „Na komm, wir machen unsere Abendrunde und dann ist Schluss für heute.“

 

Völlig in Gedanken versunken stand Svea seit einiger Zeit am Kaffeeautomaten in der Teeküche.

„Hey, träumst du?“, hörte sie plötzlich Leas Stimme neben sich.

„Ich fürchte, ich bin heute nicht ganz da.“

„Das denke ich auch. Du weißt schon, dass da gerade ein Schokocappuccino in deine Tasse gelaufen ist!?“

„Was, echt? Oh nein. Ich mag das Zeug doch nicht.“

„Gib her, ich nehme ihn dir ab.“

Svea griff nach oben und holte sich eine neue Tasse aus dem Schrank. Diesmal konzentrierte sie sich und drückte die Taste für einen großen Kaffee mit Milch und Zucker.

„Ist es wegen Pelle?“

„Ja. Ich habe ihn bei Christian gelassen und habe schon den ganzen Tag so ein mieses Gefühl.“

„Ach, der schafft das schon. Pelle ist doch so eine süße Fellkugel. Den muss man doch einfach lieb haben.“

„Da kennst du meinen Freund aber schlecht.“

„Ruf ihn doch einfach an, dann hörst du ja, ob alles gut ist.“

„Nein, lieber nicht. Dann denkt er sofort, dass ich ihn kontrollieren will. Wir haben so schon genug Stress miteinander.“

„Mein Lars war auch schwierig, als er arbeitslos war. Das ist so ein Männerproblem. Es kratzt an ihrem Ego, wenn sie kein eigenes Geld nach Hause bringen. Das erledigt sich wie von selbst, sobald er einen neuen Job hat“, versuchte Lea, sie zu beruhigen.

Svea rang sich ein Lächeln ab.

„Danke. Wahrscheinlich wird es so sein. Ich gehe dann mal wieder an meine Arbeit, nicht, dass die Alte mich gleich wieder zu sich ins Büro bestellt.“

Dein Lars hat sich wenigstens ernsthaft um eine neue Arbeitsstelle bemüht. Mein Christian kriegt ja kaum seinen mittlerweile ziemlich breiten Hintern vom Sofa hoch, um zum Klo zu kommen, dachte Svea verbittert, während sie sich zurück an ihren Schreibtisch setzte und den Rest des Tages zumindest so tat, als würde sie arbeiten. Sie löschte alte Emails, legte verschiedene Ordner für einzelne Kunden an und sortierte die Emails entsprechend ein. Um Punkt 17 Uhr fuhr sie ihren Computer herunter und beeilte sich, zu ihrem Auto zu kommen. Kaum hatte sie den Hausflur betreten, schlug ihr ein strenger Geruch entgegen. Sie rümpfte die Nase, während sie ihren Briefkasten leerte.

„Da sind sie ja endlich!“

„Frau Becker, ihnen auch einen guten Tag!“

„Frau Papendorf, das geht so nicht! Seit Stunden jault ihr Hund nun schon. Dazwischen läuft er durch die ganze Wohnung und bellt. Ich habe ja Verständnis dafür, dass das Tier auch lernen muss, alleine zu bleiben, aber doch nicht den ganzen Tag!“

„Er jault?“

„Und bellt. Und das immer im Wechsel. Seit heute Morgen um 10.“

„Das kann aber gar nicht sein. Mein Freund ist doch bei ihm. Sind sie sich sicher?“

„Na hören sie doch!“

Svea lauschte, während Frau Becker sie erwartungsvoll ansah. Und tatsächlich konnte sie Pelles jämmerliches Jaulen hören.

„Oh mein Gott! Da muss etwas passiert sein.“ Svea raffte die Post zusammen und knallte die Tür des Briefkastens zu. „Hoffentlich geht es Pelle gut. Und Christian natürlich“, fügte sie mit einem gequälten Lächeln hinzu. „Ich verspreche ihnen, dass ich mich darum kümmern werde, dass das nicht wieder vorkommt“, sagte sie noch zu Frau Becker, bevor sie die Treppe hinaufeilte.

„Christian?“, rief Svea, kaum, dass sie die Wohnungstür geöffnet hatte. Ihr Blick fiel sofort auf die beiden Haufen, die Pelle im Flur hinterlassen hatte. Direkt dahinter erstreckte sich ein großer See. Svea machte einen großen Schritt darüber. „Christian! Was zur Hölle soll das?“

Von Christian war kein Ton zu hören, aber Pelle kam aus der Küche angerannt. Er wackelte freudig mit seinem ganzen Hinterteil, als er Svea sah. Sie setzte sich in die Hocke und schloss ihren Pelle in die Arme.

„Wo ist denn dein Herrchen?“

Pelle gab ihr einen liebevollen Stups mit seiner nassen Nase, dann leckte er ihr die Wangen und Ohren ab. Svea kicherte vergnügt und nahm ihre Bulldogge auf den Arm. Sie ging ins Wohnzimmer, doch auch dort war nichts von Christian zu sehen. Sie warf noch einen Blick ins Schlafzimmer und Bad, doch alles lag verlassen da. In der Küche fand sie lediglich Pelles leeren Wassernapf und seinen Futternapf. Beide standen nicht mehr an ihrem Platz auf der Antirutschmatte unter dem Fenster, sondern lagen mitten in der Küche.

Das darf doch nicht wahr sein! Der Kerl überlässt einen unschuldigen und hilflosen Welpen einfach sich selbst und verschwindet. Wenn Frau Becker nicht übertreibt, ist er schon den ganzen Tag alleine und das ganz ohne Wasser und Futter. Kein Wunder, dass er jault und bellt. Er hat um Hilfe gerufen.

„Mein armer kleiner Pelle. Mama macht dir erstmal dein Futterchen. Und dein Herrchen kann sich was anhören, wenn er sich hier blicken lässt!“

Pelle stürzte sich geradezu auf sein Futter. Svea hörte das Klappern der Metallschüssel bis in den Flur, wo sie damit beschäftigt war, Pelles Missgeschicke vom Tag zu entfernen. Nachdem er jeden auch noch so kleinen Krümel aus der Schüssel geleckt hatte, leerte er auch seinen Wassernapf in einem Zug. Und schon im nächsten Moment sprintete er zur Wohnungstür. Svea legte hastig den Wischmopp beiseite, griff nach ihrem Schlüsselbund auf der Kommode und klemmte sich Pelle unter den Arm. Im Rausgehen schnappte sie sich noch seine Leine. Als Svea mit Pelle im Feld angekommen war, entspannte sie sich langsam. Lächelnd sah sie der schwarz-weißen Bulldogge zu, wie sie ausgelassen über die Wiesen lief, ein Stöckchen apportierte und sichtlich Spaß hatte. Svea genoss den kühlen Wind, der ihre langen Haare durcheinander wehte. Sie atmete den Duft der frisch gemähten Wiesen und der abgeernteten Getreidefelder ein und spürte, wie all der Ärger über Christian von ihr abfiel. Nur noch Pelle und sie waren wichtig. Sonst nichts.

 

„Hast du gar kein Essen gekocht?“

Christian stand in der Küchentür und sah Svea erwartungsvoll an. Sie kniete neben Pelle und nahm ihm sein Halsband und die Leine ab.

„Kein Essen gekocht? Ist das dein Ernst?“ Und schon war ihre gute Laune wieder dahin. „Wo warst du den ganzen Tag?“

„Hier, wieso? Ich war nur heute Nachmittag zu einem Vorstellungsgespräch in der Stadt.“

„Und wo da?“

„Ist das hier ein Verhör oder was? Ist doch scheißegal, ich habe den Job sowieso nicht gekriegt.“

„Das weißt du schon? Haben sie dir das sofort gesagt?“

„Ja, vor mir waren auch schon drei Typen da und den einen haben sie dann direkt genommen.“

Kopfschüttelnd ging Svea in die Küche und füllte Pelles Napf mit frischem Wasser.

„Und der Nachmittag fängt bei dir also schon vor 10 am Morgen an, ja?“ Christian wollte gerade antworten, als Svea ganz dicht an ihn herantrat und ihm direkt in die Augen blickte. „Wag es nicht, mich anzulügen. Frau Becker hat mir erzählt, dass Pelle schon seit 10 Uhr heute Morgen gejault und gebellt hat. Als ich nach Hause gekommen bin, hatte er weder Futter noch Wasser und ist nicht mal draußen gewesen, um sein Geschäft zu erledigen, da ist es doch nur fair, wenn du heute auch kein Abendessen bekommst. Und wenn du das nächste Mal versuchst, ein Vorstellungsgespräch zu erfinden, dann gib dir mehr Mühe. Es ist schon fast eine Beleidigung für mich, dass du wirklich glaubst, mich mit so einer billigen Geschichte abspeisen zu können. Immerhin habe ich jeden Tag mit einem Haufen Bewerbern zu tun, die ich vermitteln soll.“

„Jetzt spiel dich doch nicht so auf!“ Pelle sprang an Christians Beinen hoch. „Was will er denn jetzt schon wieder?“

„Dass du ihn streichelst, mehr nicht. Du bist sowas von unsensibel, kein Wunder, dass du keine Kinder willst.“

„Wir brauchen ja auch keine. Schließlich hast du jetzt ja diesen Köter. Und gib endlich zu, dass du ihn nur gekauft hast, damit ich sehe, wie toll du dich um ihn kümmerst und damit ich meine Meinung, was Kinder angeht, doch noch ändere. Aber daraus wird nichts. Ich will keine dämlichen Blaken und damit basta. Und diesen blöden Köter will ich auch nicht. Sieh zu, dass der so schnell wie möglich wieder wegkommt.“

Svea nahm sich einen Fertigsalat aus dem Kühlschrank, dazu eine angefangene Flasche Wein und stapfte in Richtung Schlafzimmer. Während Christian in der Küche stehenblieb, tapste Pelle ihr sofort hinterher. Pelle schlängelte sich noch durch die Schlafzimmertür, ehe Svea sie hinter ihm zuwarf und den Schlüssel herumdrehte.

Soll er doch auf dem Sofa schlafen. Wie man nur so ein Arsch sein kann. Mit jedem Tag, den seine Arbeitslosigkeit länger dauert, wird er unausstehlicher und egoistischer. Der Mann hat auch gar keine Kinder verdient.

Svea kuschelte sich in ihre Decke, goss sich ein erstes Glas Wein ein und leerte es in einem Zug. Dann begann sie ihren Salat zu essen, während Pelle neben dem Bett saß und jeden Bissen, den sie zum Mund führte, ganz genau mit seinen Kulleraugen verfolgte. Svea stellte den kleinen Fernseher an, der gegenüber des Bettes an der Wand hing und sah sich halbherzig irgendeine Liebeskomödie an. Nach dem zweiten Glas Wein vergaß sie Christians Worte langsam. Sie dämmerte während des Films vor sich hin. Pelle hatte sie inzwischen zu sich heraufgeholt. Der Rüde lag direkt neben ihr und grunzte leise im Schlaf. Irgendwann schlief auch Svea ein.

4


„Suse, du musst mir unbedingt aus der Klemme helfen!“, flehte Svea ihre beste Freundin an.

Suse war gerade dabei einen Strauß lachsfarbener Rosen zu binden. Sie sah nicht einmal von ihrer Arbeit auf.

„Was ist es? Schieß los!“

„Du musst auf Pelle aufpassen. Ich weiß nicht, wo ich ihn lassen soll.“

Suse legte den halbfertigen Strauß beiseite und beugte sich über den Tresen.

„Wo ist er?“, fragte sie enttäuscht.

„Im Auto.“

„Worauf wartest du noch, hol ihn rein. Du weißt doch, dass ich mich direkt in diesen kleinen Tollpatsch verliebt habe.“

„Heißt das, er darf bei dir bleiben?“

„Ja, klar. Wir werden sicher viel Spaß haben.“

Svea holte Pelle aus dem Auto, der sofort auf Suse zulief und sie freudig begrüßte. Suse nahm den Welpen auf ihren Arm und drückte ihn an sich. Pelle nutzte die Gelegenheit, um Suse quer durch das Gesicht zu lecken. Sie lachte hell auf und knuddelte den Bulldoggenrüden.

„Ich sehe schon, ihr versteht euch blendend.“

„Mach dir keine Sorgen.“

„Ich weiß gar nicht, wie ich dir das danken soll.“

„Ist doch Ehrensache. Bei Christian kannst du ihn ja schließlich nicht mehr lassen. Ich verstehe gar nicht, dass du den Typen nicht direkt rausgeschmissen hast.“

Svea seufzte.

„Ich bin einfach zu gutmütig.“

„Das sage ich dir ja schon ewig. Immerhin siehst du es langsam ein.“

„Machs gut, Pelle. Sei schön brav!“

Svea streichelte Pelle noch einmal über den Kopf.

„Ich stelle seine Tasche hinter den Tresen. Da ist sein Futter drin und alles, was du brauchst. Ich hole ihn dann direkt nach Feierabend ab.“

Svea umarmte Suse, bevor sie den Laden verließ. Sie war beruhigt, dass Pelle endlich gut untergebracht war, denn bei Suse brauchte sie sich nicht fürchten, dass ihr Hund schlecht behandelt werden könnte. Die Arbeit ging ihr in den nächsten Tagen entsprechend leicht von der Hand, bis sie die ersten Fotos von Suse auf ihr Handy bekam. Svea telefonierte gerade mit einem Kunden, als hier Handy piepste. Sie klemmte sich den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr und öffnete neben ihrem Telefonat Suses Nachricht. Sie hatte Mühe, nicht sofort laut loszulachen, als sie das Foto von Pelle sah, der inmitten von zerpflückten Steckschwämmen saß. Eigentlich nutzte Suse diese Dinger, um Gestecke zu arrangieren, aber anscheinend hatte Pelle sich über ihren Vorrat hergemacht. Am nächsten Tag bekam sie ein Foto von Pelle, dem ein Rosenblatt aus dem Maul ragte. Und noch eines, auf dem die Bulldogge inmitten von dunkelroten Rosenblättern und dornenbesetzten Stielen saß.

Oh, ist das süß, dachte Svea bei seinem Anblick, doch ihr war auch klar, dass Suse diese Szene wohl eher weniger süß finden musste.

 

„Du nimmst ihn morgen sicher nicht mehr, habe ich recht?“, fragte Svea am Abend, als sie Pelle in ihre Arme schloss.

„Zumindest wird es langsam ein teures Vergnügen. Die Rosen, die er heute zerpflückt hat, gehören zu den teuersten Blumen, die ich im Laden habe.“

„Es tut mir so leid. Ich werde sie dir natürlich alle bezahlen. Was kriegst du?“

„Lass nur. Ich will dir damit nur sagen, dass er nicht ewig hierbleiben kann. Ich nehme ihn gerne mal für einen Tag oder zwei, wenn es gar nicht anders geht, aber nicht jeden Tag. Ich bin ja auch selber Schuld, dass er hier so ein Chaos anrichtet. Ich kann einfach nicht genug auf ihn aufpassen, wenn ich Kundschaft habe.“

„Ich verstehe. Ich werde mich um eine Lösung kümmern. Und als Entschädigung lade ich dich morgen Abend zum Essen ein, was hältst du davon?“

„Mädelsabend?“

„Mädelsabend!“

„Das klingt gut. Und mach dir keine Sorgen, Pelle kann solange bei mir bleiben, bis du eine dauerhafte Lösung gefunden hast.“

Svea umarmte ihre beste Freundin. Bevor sie ging, legte sie ihr noch einen Hunderteuroschein auf den Tresen. Suse sah sie irritiert an.

„Für die Rosen. Oder ist das zu wenig?“

„Nein. Ich habe doch gesagt, dass du dir darum keine Gedanken machen sollst.“

„Mache ich aber und nun ist Schluss. Ich nehme das Geld sowieso nicht wieder mit und du kennst mich, in Gelddingen verstehe ich keinen Spaß!“

Suse protestierte zwar weiter, aber Svea ignorierte sie einfach, schnappte sich Pelle und fuhr erleichtert, aber dennoch nachdenklich nach Hause.

Doch Homeoffice? Aber wie soll ich das bei der Alten durchkriegen? Vielleicht kann ich Pelle tagsüber bei einem Hundesitter lassen oder in einer Hundetagesstätte? Nur, solange Christian noch keine Arbeit hat, werde ich mir das wohl kaum leisten können. Allerdings könnte das ein Ansporn für ihn sein, sich endlich ernsthaft um einen Job zu bemühen.

Kaum, dass Svea das Treppenhaus betreten hatte, schlug ihr schon ein verführerischer Essensduft entgegen. Sie spürte, wie ihr leerer Magen ein Knurren von sich gab und wünschte sich sehnlichst, dass sie nur noch die Wohnungstür öffnen und ihre Sachen in die Ecke schmeißen musste, ehe Christian ihr ein leckeres Abendessen servierte. Zu ihrer Überraschung kam der Duft wirklich aus ihrer Wohnung.

„Christian?“, fragte Svea neugierig, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Sie setzte Pelle auf dem Boden ab. Die Französische Bulldogge lief sofort dem Essensduft entgegen. Svea folgte ihrem Hund in die Küche, nachdem sie ihre Stöckelschuhe gegen ein paar bequeme Hausschuhe und ihr Businesskostüm gegen ein T-Shirt und Leggins getauscht hatte.

„Was machst du denn hier?“, fragte Svea erstaunt und sah in die offenen Töpfe, die auf dem Herd standen.

„Es sollte eine Überraschung werden.“

„Die ist dir gelungen.“

Svea küsste Christian und schlang ihre Arme um seinen Hals. Sie sah ihm über die Schulter, während er weiter in den Töpfen rührte. Svea erkannte Paprika und Champignons in einer Sahnesoße, in einem anderen Topf kochte Basmati Reis vor sich hin und eine Pfanne stand bereit. Christian legte den Kochlöffel beiseite und drehte sich zu Svea um. Er zog sie an sich und gab ihr einen innigen Kuss.

„Sag mal, warst du beim Friseur?“ Svea begutachtete Christians Frisur. Seine dunkelblonden Haare waren etwas kürzer, obwohl sie immer noch etwas fusselig bis über seine Ohren reichten, aber immerhin waren sie mit etwas Gel in Form gezupft. So hatte sie ihren Freund seit Monaten nicht mehr gesehen.

„Ja, beim Friseur, unter der Dusche und meine Wäsche habe ich auch gewaschen.“

„Hat das einen besonderen Grund?“

„Nein“, sagte Christian betont beiläufig. „Jetzt hör auf mich zu löchern und setz dich einfach ins Wohnzimmer. Entspann dich ein bisschen. Ich sage dir Bescheid, wenn meine Überraschung wirklich fertig ist“, flüsterte er ihr zu und knabberte an ihrem Ohr.

Svea kicherte kurz, dann gab sie ihm noch einen Kuss und ging ins Wohnzimmer, wo sie sich mit einem Lifestylemagazin aufs Sofa legte. Während sie in ihrem Magazin blätterte und den ein oder anderen Artikel zumindest anlas, spähte sie immer wieder in die Küche zu Christian herüber. Der Herd sah mittlerweile wie ein Schlachtfeld aus, jeder Topf war mindestens einmal übergekocht und auch in der Pfanne schien ihm irgendetwas angebrannt zu sein. Svea lächelte und versteckte sich hinter ihrer Lektüre. Normal würde sie beim Anblick des Chaos in der Küche aus der Haut fahren, aber wenn er sich schon mal so bemühte, dann wollte sie heute gerne darüber hinwegsehen. Sie überlegte, ob es einen besonderen Grund gab, dass Christian sie bekochte oder es zumindest versuchte.

„Es ist angerichtet!“, rief Christian mir ironischen Unterton.

Svea schmiss das Magazin beiseite und lief in die Küche herüber. Sogar Servietten lagen auf dem Tisch. So engagiert wie heute, hatte sie ihren Freund lange nicht erlebt. Sie konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wann er das letzte Mal für sie gekocht hatte.

Das muss irgendwann gewesen sein, als wir noch nicht mal zusammen waren. Also vor einer halben Ewigkeit. Er hat bestimmt einen guten Grund, warum er sich so ins Zeug legt.

„Ich mache Pelle nur noch schnell sein Futter.“

„Brauchst du nicht. Das ist schon fertig. Du musst es ihm nur noch hinstellen.“

„Du wirst ja doch noch ein brauchbarer Hundepapa!“, witzelte Svea und schon war das Lächeln auf Christians Gesicht verschwunden.

Ups, das war dann wohl doch etwas zu optimistisch gedacht.

Schweigend setzte Svea sich an den Tisch. Christian stellte einen Teller mit leicht angebranntem Steak und dem Paprika-Champignongemüse auf Reis vor ihr ab. Sie sog den Duft des Essens ein und lächelte.

„Wenn es so gut schmeckt, wie es aussieht, dann musst du in Zukunft wohl öfter kochen.“

„Wenn ich dann überhaupt noch Zeit habe zum Kochen“, sagte Christian, während er sich ihr gegenübersetzte und nach seinem Besteck griff.

„Sag bloß, du hast einen Job!?“, rief Svea erfreut und verschluckte sich prompt an ihrem Reis.

„Noch nicht ganz“, gab Christian zu. „Aber ich habe nächste Woche gleich drei Vorstellungsgespräche.“

Er holte die zerknitterten Briefe aus seiner Hosentasche und schob sie Svea über den Tisch zu.

„Dafür, dass du immer behauptest, dass du nicht kochen kannst, schmeckt das Grillgemüse übrigens gar nicht schlecht.“

„Das ist nicht gegrillt“, antwortete Christian grimmig.

„Oh. Schmeckt trotzdem.“

Svea griff nach den Briefen und begann sie zu überfliegen. Er hatte tatsächlich Vorstellungsgespräche bei vielversprechenden Arbeitgebern. Svea war erleichtert.

„Das hört sich doch gut an. Hast du einen Favoriten?“

„Nein, eigentlich nicht. Hauptsache ich kriege ein eigenes Büro und sie zahlen mehr, als die Loser, für dich ich vorher gearbeitet habe.“

„Ich bezweifle, dass du zu sehr nach dem Gehalt gehen kannst. Alles wäre für den Anfang besser als das bisschen Arbeitslosengeld, das du im Moment bekommst, meinst du nicht?“

„Ja, klar“, lenkte Christian ein.

Er wollte nicht den nächsten Streit mit Svea vom Zaun brechen. Nicht heute Abend.

„Aber dann haben wir immerhin eine Lösung für Pelle.“

„Für Pelle? Wieso? Ich denke, er bleibt bei Suse. Sag mir nicht, dass er wieder zurückkommt. Es läuft doch gerade so gut zwischen uns beiden, seitdem er den ganzen Tag bei ihr ist.“

„Sie kann ihn aber nicht ewig nehmen. Immerhin führt Suse einen Laden und da kann sie nicht den ganzen Tag auf Pelle aufpassen.“

„Aber das macht sie doch schon.“

„Ja, aber ich habe ihr heute einen Hunderter für ihre ruinierten Edelrosen bezahlt, die Pelle zerfleddert und zum Teil gefressen hat.“

„Er kann aber nicht den ganzen Tag hierbleiben.“

„Jetzt reg dich doch nicht gleich so auf. Hör doch erstmal zu. Ich denke, dass ich eine Lösung gefunden habe, mit der wir beide leben können.“

„Ich höre …“, sagte Christian mit bockigem Unterton.

„Ich bringe Pelle jeden Morgen zu einem Hundesitter oder in die Hundetagesstätte in der Innenstadt und hole ihn nach Feierabend wieder ab. Dann brauchst du ihn nur nach Feierabend und an den Wochenenden ertragen. Wie hört sich das an?“

„Nach einem Anfang.“ Christian schmatzte, während er auf einem Stück Fleisch herumkaute. Svea sah ihn mit finsterer Mine an. „Nein, so habe ich das nicht gemeint“, fügte er schnell hinzu. Er schluckte sein Essen herunter und räusperte sich kurz. „Ich denke, dass es ein guter Anfang ist, um mich an Pelle zu gewöhnen. So kann ich mich ganz langsam mit ihm anfreunden.“

Das hörte sich für Svea schon besser an und sie lächelte ihn an.

„Hast du eigentlich auch an einen Nachtisch gedacht?“, fragte sie erwartungsvoll.

„Natürlich, aber ich dachte den nehmen wir lieber im Schlafzimmer.“

„Aber zuerst muss ich nochmal mit Pelle raus.“

Svea befürchtete schon, dass Christian sofort wieder ausrasten würde, weil sie sich nur um ihren Hund kümmerte, doch wider erwarten gab er sich sehr verständnisvoll. Als Svea mit Pelle zurückkam, hatte Christian es sich bereits im Bett gemütlich gemacht. Er hatte das Licht gedimmt, eine romantische Musik aufgelegt und hielt zwei Gläser Rotwein bereit. Svea bugsierte Pelle ins Wohnzimmer. Sie gab ihm einen Kauknochen und lotste ihn zu seinem Bettchen neben der Couch. Dann ging sie zu Christian ins Schlafzimmer. Sie lehnte die Tür nur an, damit sie Pelle hörte, falls er sie brauchte. Aber als sie in Christians Augen sah, vergaß sie ihren Hund und sah nur noch der Zweisamkeit mit ihrem Freund entgegen.

„Du machst richtig was her, wenn du dir ein bisschen Mühe gibst, weißt du das?“

„Das mache ich nur für dich.“ Er hielt ihr ein Glas Wein hin. Svea legte sich zu Christian aufs Bett und stieß mit ihm an. „Auf uns beide. Ich bin froh, dass wir endlich mal wieder Zeit nur für uns beide haben. Das muss doch auch mal sein, meinst du nicht?“

„Du hast ja recht. Vielleicht habe ich mich in letzter Zeit wirklich etwas viel um Pelle gekümmert. Aber du musst auch zugeben, dass du dich ganz schön hast gehen lassen und …“

„Schschsch! Jetzt nicht!“

Christian legte ihr seinen rechten Zeigefinger auf die Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen. Svea lächelte, dann nahm sie einen Schluck Rotwein. Sie stellte das Glas auf dem Nachttisch und kuschelte sich eng an Christian. Er beugte sich über sie und küsste sie leidenschaftlich. Zum ersten Mal seit Wochen spürte Svea, wie sehr sie seine Nähe vermisst hatte. Die ganzen Streitereien fielen in diesem Moment von ihr ab und sie genoss nur noch Christians Nähe und seine Zärtlichkeiten. Svea hörte Pelles Krallen nicht, die leise über das Laminat im Flur klapperten. Christian öffnete seine Augen und schielte zur Tür, als diese sich einige Zentimeter öffnete und Pelle seinen Kopf hindurch steckte. Svea zog Christian wieder an sich und küsste ihn fordernd. Langsam tauchten die Spitzen von Pelles Fledermausohren an der Bettkante auf. Er legte seine Vorderpfoten auf die Bettdecke und zog sich daran hoch. Christian stieß Svea unsanft von sich, bevor er nach seinem Hausschuh griff und in Richtung Pelle schleuderte. Er streifte ihn an einem Ohr, woraufhin der Rüde aufjaulte und vom Bett heruntersprang. Er rannte aus dem Zimmer und flüchtete sich in sein Bettchen im Wohnzimmer.

„Sag mal, hast du einen Knall?“, schrie Svea und stieß Christian unsanft von sich. Er verlor das Gleichgewicht und landete mit einem Poltern vor dem Bett. „Du kannst Pelle doch nicht schlagen! Vor einer Stunde gaukelst du mir noch vor, dass du dich an ihn gewöhnen willst und jetzt bewirfst du ihn mit deinem Schlappen? Das tut ihm doch weh und Angst hat er auch!“ Christian rappelte sich auf und streckte seine Arme nach Svea aus. Er setzte sich auf die Bettkante und versuchte, seine Freundin wieder an sich zu ziehen, aber sie stieß ihn erneut mit aller Kraft von sich. „Hau ab! Du schläfst heute auf der Couch!“

Sie nahm sein Bettzeug und schmiss es im Wohnzimmer auf die Couch. Pelle saß mit hängenden Ohren und zitternd in seinem Bettchen. Als Svea auf ihn zukam, duckte er sich schützend in sein Kissen.

„Mein armer Pelle, was hat Herrchen dir da nur wieder angetan? Komm her, Mami nimmt dich mit.“

Svea nahm Pelles Bettchen hoch und trug den Welpen ins Schlafzimmer. Christian warf sie einen mordlüsternen Blick zu und schob ihn die letzten Zentimeter aus der Schlafzimmertür bis auf den Flur. Dann knallte sie die Tür hinter ihm zu und drehte den Schlüssel im Schloss.

So ein Arsch. Und ich falle auch noch auf seine Romantiktour rein. Das hätte ich mir vorher denken können, dass er alles für Sex tun würde. Wie kann ich immer nur wieder an ihn glauben? Wie es aussieht, wird er sich wohl nie ändern.

Svea stellte Pelles Bettchen auf Christians Seite und kroch unter ihre Decke. Kaum, dass sie das Licht gelöscht hatte, spürte sie, wie Pelle neben sie kroch. Er legte seine Schnauze auf ihr Bein und schlief grunzend ein.

5


„Das hat er nicht ernsthaft getan?“, fragte Suse entrüstet und stellte zwei Gläser mit Erdbeersekt auf den Wohnzimmertisch.

„Doch. Hat er. Er hat allen Ernstes mit seinem Hausschuh nach Pelle geworfen.“ Suse schüttelte mit dem Kopf. „Und dann hat er sich auch noch gewundert, dass ich ihn aus dem Schlafzimmer geworfen habe.“

„Du solltest den Kerl wirklich abschießen. Er tut weder dir noch unserem süßen Pelle gut.“ Svea tätschelte Pelles Kopf und gab ihm eine Brotstange aus dem Glas, das sie neben den anderen Knabbereien bereitgestellt hatte. „Hier, Pelle, dein Frauchen und ich schaffen die Snacks wahrscheinlich eh nicht mehr, nach dem üppigen Abendessen, das ihr mitgebracht habt.“

Der Rüde schlang die knusprige Stange herunter und wartete vor dem Couchtisch auf Nachschub.

„Du weißt, dass ich nicht so einfach mit ihm Schluss machen kann. Er hat ja ein Stück weit auch recht.“

„Christian? Recht? Womit?“

„Er ist davon überzeugt, dass ich Pelle nur gekauft habe, weil er keine Kinder will und ich hoffe, ihn durch Pelle umzustimmen.“

„Und das ist so?“

Suse prostete Svea zu. Svea nahm ihr Glas und stieß mit Suse an, dann leerte sie den süßen Sekt in einem Zug. Svea goss sofort nach, dann startete sie die DVD mit einem ihrer Lieblingsliebesfilme.

„Ja, also nein, ich meine zum Teil. Ich gebe zu, dass Pelle für mich ein kleines Bisschen Ersatz für ein Baby ist, aber ich weiß auch, dass ich Christians Meinung durch einen Hund niemals ändern könnte und das will ich auch nicht. Wir haben uns zu Beginn unserer Beziehung darauf geeinigt, dass wir keine Kinder bekommen und dabei bleibt es.“

„Aber, wenn du deine Meinung doch offensichtlich geändert hast, dann kannst du doch nicht ernsthaft bei ihm bleiben wollen.“

„Soll ich nur deshalb meine Beziehung aufgeben?“

„Es wäre doch nicht nur deshalb. Bei euch ist doch noch einiges mehr im Argen. Alleine seine Faulheit bei der Suche nach einem neuen Job.“

„Er bemüht sich. Christian hat nächste Woche drei Vorstellungsgespräche.“

„Er lässt sich auch sonst ziemlich gehen. In den letzten Jahren hat er mindestens zwanzig Kilo zugenommen, er ist jedes Mal, wenn ich bei euch bin, unrasiert, riecht nach Schweiß und hat lumpige Klamotten an. Das passt so gar nicht zu dir. Sieh dich doch an, du bist immer top gestylt und achtest auf deine Gesundheit. War er schon ein einziges Mal mit dir joggen?“

„Er geht nicht gerne joggen.“

„Dann soll er mit dem Fahrrad neben dir herfahren. Hauptsache ihr macht mal etwas zusammen.“

„Wir schauen uns zusammen Filme an – manchmal.“

„Und lass mich raten, es sind immer Actionstreifen, die Christian ausgesucht hat.“

Svea nickte nachdenklich. Wenn sie ernsthaft darüber nachdachte, dann hatte Suse recht. Sie hatten nicht mehr viel gemeinsam.

„Denk mal drüber nach, Süße. Aber lass dir nicht zu lange Zeit. Wenn du wirklich mal Kinder haben willst, dann musst du ihn rechtzeitig verlassen, du bist immerhin auch keine Zwanzig mehr.“

„Hey!“ Svea verpasste ihrer besten Freundin eins mit dem Sofakissen. „Ich habe jawohl noch locker zehn Jahre Zeit.“

„Glaub mir, die braucht man heutzutage schon, um einen vernünftigen Mann zu finden, der auch noch passabel aussieht und einen geregelten Job hat. Guck mich an, ich bin immer noch alleine.“

„Du bist ja auch zu wählerisch“, sagte Svea mit einem Lachen und trank noch etwas Erdbeersekt.

„Hallo – ein bisschen Anspruch muss man jawohl haben.“

Beide lachten zusammen und quatschten weiter, während der Film vor sich hinlief. Pelle lag mit ausgestreckten Vorder- und Hinterbeinen auf dem Teppich und schnarchte lauf vor sich hin. Es war schon weit nach Mitternacht, als Svea vor Müdigkeit fast von der Couch fiel.

„Kann ich heute Nacht bei dir bleiben? Ich habe keine Lust nach Hause zu gehen. Es war ein so schöner Abend, den möchte ich mir nicht mit Christians übler Laune verderben, wenn ich Pelle mit ins Schlafzimmer bringe.“

„Ja, klar. Du weißt ja, wo alles ist. Mach es dir auf dem Sofa bequem. Ich hau mich schon hin. Bis morgen früh.“

„Bis später.“

Svea schlief mit Pelle zusammen auf Suses großzügiger Couch. Es war draußen noch nicht einmal richtig hell, als sie schon wieder wach war. Svea grübelte über Suses Worte.

Hat sie vielleicht doch recht? Was, wenn ich es irgendwann bereue, für Christian auf Kinder verzichtet zu haben? Und wie er Pelle behandelt, ist richtig gemein. Der arme Kerl leidet schrecklich darunter. Und wer weiß, ob sie sich je aneinander gewöhnen? Aber vielleicht braucht es auch einfach nur Zeit.

Svea nahm Pelle an die Leine und nutzte seinen Morgenspaziergang, um beim Bäcker zwei Straßen weiter Brötchen zu besorgen. Als sie zurück waren, schlief Suse noch und Svea bereitete das Frühstück zu. Der Duft nach frischem Kaffee holte schließlich auch Suse aus dem Bett.

„Oh man, dieser Erdbeersekt macht aber einen ganz schönen Brummschädel.“ Suse rieb sich die Stirn und griff direkt nach ihrer Kaffeetasse. „Du machst immer noch den stärksten Kaffee“, sagte sie nach dem ersten Schluck mit einem zufriedenen Lächeln.

„Ich muss jetzt aber unbedingt los, sonst komme ich zu spät zur Arbeit. Ich nehme Pelle mit, er muss noch sein Frühstück kriegen. Ich ziehe mich nur schnell zu Hause um und dann bringe ich dir Pelle direkt in den Laden.“

„Alles klar. Aber nimm dir wenigsten noch ein Hörnchen für den Weg mit. Du kannst es dir nicht leisten, auf dein Frühstück zu verzichten!“

Suse warf Svea ein Hörnchen zu. Sie wusste ganz genau, dass Svea nie etwas vor zehn Uhr aß, aber Svea protestierte nicht. Sie biss ein Stück von dem süßen Hörnchen ab. Als sie aus der Tür war, verfütterte sie den Rest an Pelle. Dann trieb sie den kleinen Hund zur Eile an, doch Pelle hatte nur das Blumenbeet gegenüber vom Haus im Sinn. Er schnüffelte jede Tulpe einzeln ab, hob sein Bein und ging weiter zu einem Ahornbaum, der im nächsten Beet stand. Pelle wanderte mit seiner Nase den Baumstamm hoch und wieder hinunter, ging einmal um den Baum herum und hob abermals sein Bein.

„Komm jetzt, Pelle. Wir müssen los. Mami hat keine Zeit.“

Svea schnappte sich die Bulldogge und klemmte sie unter den Arm. Sie öffnete die hintere Tür ihres Wagens und setzte Pelle auf die Rückbank. Sie löste die Leine vom Halsband und versuchte Pelle eilig sein Autogeschirr anzulegen, doch der Welpe wollte seine Beine nicht durch die Schlaufen stecken, sondern lieber mit dem Geschirr spielen. Er biss mit seinen kleinen scharfen Zähnen in das Gurtzeug.

„Pelle, jetzt nicht. Lass los!“

Pelle hielt das Geschirr fest in seinem Maul und schüttelte im Spiel seinen kräftigen Kopf hin und her. Je mehr Svea dagegen hielt, desto mehr steigerte der Rüde sich in sein Spiel hinein. Von hinten kam ein Rettungswagen die Straße hinaufgerast. Er drohte im dichten Berufsverkehr vor der Kreuzung stecken zu bleiben. Als der Wagen auf Höhe von Sveas Auto war, schaltete der Fahrer das Martinshorn ein. Pelle zuckte zusammen und ließ sofort sein Geschirr los. In seiner Panik sprang er aus dem Auto. Svea griff sofort nach ihm, doch der Welpe war schneller und so griff sie ins Leere. Sie sah noch, wie Pelle um das Heck ihres Wagens herumlief und auf die Straße jagte. Svea schlug sich die Hände vor das Gesicht und schrie laut Pelles Namen, doch er hörte sie nicht. Sie fürchtete schon das Schlimmste, als sie das Quietschen von Autoreifen begleitet von einem Hupkonzert hörte. Sie nahm die Hände vom Gesicht und sah gerade noch, wie Pelle in einem Gebüsch auf der anderen Straßenseite verschwand. Svea ließ alles stehen und liegen und rannte ihm nach. Sie interessierte sich nicht dafür, dass ihre Handtasche auf dem Beifahrersitz lag, während die Tür dahinter offenstand. Sie rannte blind vor Angst auf die Straße und überquerte die ersten drei Spuren. Auf der Abbiegespur blieb sie schließlich stehen, nachdem sie mehrere Autofahrer auf der Gegenfahrbahn angehupt hatten. Sie wartete notgedrungen, bis die Ampel das nächste Mal schaltete und passte den kurzen Moment ab, ehe der nächste Tross an Pendlern über die drei Spuren donnerte, um auf die andere Seite zu kommen. Die ganze Zeit behielt sie dabei die Stelle im Auge, an der Pelle im Gebüsch verschwunden war. Sie folgte ihm. Als sie auf der anderen Seite aus den Büschen heraustrat, stand sie mitten im Stadtpark, doch von Pelle war keine Spur zu finden. Der Park war an diesem Morgen noch recht leer. Ein paar Jogger sah sie in der Ferne und einen älteren Mann, der auf seinen Rollator gestützt von ihr wegging. Dann hörte sie die helle Klingel eines Fahrrads. Svea blickte nach rechts und konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite springen, bevor sie der Mountainbiker touchiert hätte.

„Das ist ein Radweg, du dumme Pute!“, schrie der junge Mann ihr entgegen.

Svea reagierte nicht. Sie scannte die Wiesen nach einem Zeichen von Pelle ab, doch sie konnte ihn nirgends entdecken. Immer wieder rief sie seinen Namen, aber er blieb verschwunden. Svea griff in ihre Jackentasche und holte ihr Handy heraus. Sie drückte die Kurzwahl 1. Es erschien ihr endlos, bis Suse sich schließlich meldete.

„Du musst mir helfen, Pelle ist verschwunden!“, schrie Svea in ihr Smartphone. In diesem Moment schossen ihr die Tränen in die Augen. „Er ist weggelaufen!“

„Wie, er ist weggelaufen? Wo ist er denn hin? Wo bist du überhaupt?“

Svea antwortete, doch vor lauter schluchzen, verstand Suse kein Wort.

„Jetzt beruhig dich mal. Ich bin sofort bei dir. Dafür muss ich aber wissen wo du bist!“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739488141
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (März)
Schlagworte
Hund Liebesroman Französische Bulldogge Bulldogge Liebe Schicksal

Autor

  • Cara Berger (Autor:in)

Cara Berger hat bisher im Hintergrund für Autoren gearbeitet. Mit ihrem Roman "Pelle & Piggy - Acht Pfoten für die Liebe" veröffentlicht sie erstmals einen eigenen Roman.
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Titel: Pelle & Piggy