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Hunters Liste Sammelband 1-3

Gehalten - Erzogen - Bezwungen

von Margaux Navara (Autor:in)
246 Seiten
Reihe: Hunters Liste Sammelband, Band 1

Zusammenfassung

„So viel Leidenschaft, Sex, Angst und Spannung.“
„Sowas habe ich noch nie erlebt“
„sowohl erregend, anregend und aufregend“

Eine Villa erben und nicht wissen, was sie damit anstellen soll?
Check!
Eine Idee haben, aber keine Ahnung von der Umsetzung?
Doppelcheck!
Alice läuft die Zeit davon. Innerhalb eines Jahres muss sie einen Plan vorlegen, was sie mit dem Erbe ihrer Tante anfangen will, sonst ist es für sie verloren.
Eine Idee hat sie: Einen Club wie der, den sie seit einer Weile besucht. Ein Ort, an dem man seine Kinks ausleben kann. Nur welches sind ihre Kinks? Um das zu erfahren, muss sie sich endlich auf all das einlassen, was sich bisher einzig in ihrer Fantasie abspielte.
Hunter erstellt für sie eine Liste. Jeden Monat ein anderer Kink bei einem ausgewählten Lehrer. Jeden Monat ein neuer Ort.
Aber ist der finstere, dominante Hunter wirklich so selbstlos oder verfolgt er eigene Ziele?

Gehalten Alice springt kopfüber ins Kaninchenloch. Jay, ein Experte mit Seilen, führt sie im ersten Monat ein in seine Welt, die sie in mehr als einer Hinsicht fesselt.
Explizit. Anregend. Einfühlsam.

Erzogen Alice arbeitet Hunters Liste ab, um endlich herauszufinden, ob sie in die Welt der Dominanz und Unterwerfung gehört oder nicht.
Erziehung steht auf dem Plan. Dazu gehört es, sich in Gehorsam zu üben. Doch Alice tut sich schwer. Sie ist doch kein Hund, der auf Kommando Männchen macht!
Sir Cecil und die anderen Herren aus dem Club in Orlando, Florida geben sich Mühe mit der aufsässigen Frau, die gerne Sub sein möchte und doch nicht mit dem Herzen dabei ist.
Vielleicht schafft Hunter, was die anderen nicht erzwingen können?

Bezwungen Hunter sendet Alice im April zu Sir Bruce, dem Veranstalter des Kinky Kollege in Chicago. Der ist Spezialist in Lust durch Schmerz und er kann weitaus mehr, als nur Schläge auszuteilen. Zum Glück weiß er auch die Grenzen einer Sub auszuloten und einzuhalten.
Alice unterwirft sich nur zu gerne dem dominanten und gut aussehenden Sir Bruce. Sogar den Schmerz lernt sie zu schätzen. Ihre Grenzen dehnen sich erheblich weiter als gedacht.
Stört es Hunter, dass Alice Sir Bruce so nahe kommt? War es wirklich seine Absicht, sie in die Arme eines anderen zu treiben?
348 Taschenbuchseiten

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Hunters Liste

Sammelband 1: Gehalten - Erzogen - Bezwungen

© 2020 Margaux Navara – alle Rechte vorbehalten.

Coverfoto ©Tamara_k; silva; Vilor - Depositphotos.com

Margaux Navara

c/o Papyrus Autoren-Club

Pettenkoferstr. 16-18

10247 Berlin

margaux.navara@web.de

margauxnavara.com

Danksagung Christiane und Isabell, zwei tollen Frauen, die auch mal alles liegenlassen, um mir zu sagen, dass ich auf dem richtigen Weg bin (und trotzdem Kritik üben), gebührt mein Dank für aufmunternde Worte und kluge Hinweise. Schön, dass es euch gibt!

Hunters Liste
Teil 1 - Gehalten

2

Alice hatte eine Führung durch die wenigen Räume erhalten, als sie das erste Mal gekommen war, aber damals war sie so fasziniert gewesen von den Menschen, dass sie kaum auf das Equipment geachtet hatte. Deshalb hatte sie nie in Ruhe den Inhalt des Schranks betrachtet.

„Hier hängen jede Menge Instrumente zum Schlagen, fürs Spanking, zur Flagellation, Paddeln, Floggen. So viele und noch weitaus mehr Bezeichnungen gibt es für diese Art von Spiel. Vor welchen davon hast du Angst?“

Hunter trat zur Seite, nachdem er die großen Türen bis zum Anschlag geöffnet hatte. Der Schrank war antik, was zu den Instrumenten passte, die darin lagen oder hingen.

Alices Wahl war schnell getroffen. „Die Bullwhip macht mir Angst.“

„Das ist verständlich. Sie ist kein Werkzeug für Anfänger. Weißt du, dass ich schon Kurse gegeben habe für die Verwendung von Peitschen aller Art? Auch der Bullwhip.“

„Nein, das wusste ich nicht. Aber ich glaube, ich brauche keinen Kurs.“

„Stimmt. Aber sollte jemals jemand eine Peitsche an dir verwenden wollen, kannst du deinen Partner fragen, ob er einen Kurs besucht hat. Gibt es noch mehr hier drin, was dir nicht zusagt?“

Alice sah sich alles in Ruhe an. Sie kannte Paddel und Flogger, auch Gerten, vorwiegend vom Zuschauen bei Szenen anderer. Bei ihrer ersten eigenen Szene hatte der Dom ein Paddel verwendet, das die Größe eines Tischtennisschlägers hatte. Es war … naja. Es hatte geschmerzt. Sie hatte pflichtgemäß gestöhnt, wie sie es bei anderen beobachtet hatte. Nach zehn Minuten hatte der Dom aufgehört und Alice weggeschickt mit der Auflage, sich lieber noch ein wenig umzuschauen. Was er damit sagen wollte, war klar. Sie gehörte hier nicht her.

Und was sollte sie Hunter jetzt antworten? „Nein, alles gut.“

„Da hätten wir also Punkt eins. Spanking oder geschlagen werden. Das gehört natürlich nicht zum Pflichtprogramm einer Sub, die nicht masochistisch veranlagt ist, aber ich dachte, du hättest das angekreuzt?“

Woher wusste er, was sie auf ihrem Bogen angekreuzt hatte? Ach ja, der war ja für alle Doms einsehbar. „Ich glaube schon.“

„Aber du hast es noch nicht ausprobiert. Ich weiß. Du solltest es tun. Schlagen ist unter den Doms sehr weit verbreitet. Es dient ihrer Lust, sofern sie sadistisch sind wie ich, aber es ist auch Teil von Erziehungsszenen oder in D/s-Beziehungen, zumindest in allen dauerhaften Beziehungen, die ich kenne.“

Hunter griff in den Schrank und zog ein langes Lederstück hervor, fast wie ein Gürtel. Erst als sich die Spitze nach unten bog, erkannte Alice, dass es in zwei Teile gespalten war. „Das hier hast du übersehen, weil du es nicht kennst. Es handelt sich um eine Tawse, die so ziemlich die schwersten Schmerzen hervorrufen kann, die du dir vorstellst.“

Alice schauderte es, doch sie hätte unmöglich sagen können, ob es Abscheu oder freudige Erwartung war. Moment. Freudige Erwartung? Wie kam sie auf diese Idee? Wie konnte sie das sagen? Sie mochte Klapse auf den Po, aber keine richtigen Schmerzen. Oder?

Sie gestand sich genau in diesem Moment ein, dass Hunter recht hatte. Sie musste erst selbst ausprobieren, was sie wollte. Danach erst konnte sie beurteilen, was andere brauchten oder wonach es sie verlangte. Sie würde also wohl oder übel für Szenen zur Verfügung stehen müssen, egal mit wem.

„Wir können es testen. Aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass ein einmaliger Test nichts über deinen Masochismus aussagen wird. Der hängt von viel zu vielen Faktoren ab, die nicht unter deinem oder meinem Einfluss stehen.“

Sie hatte es geahnt! Er wollte es an ihr ausprobieren! Dazu diente das alles.

Warum nur machte diese Idee sie so an, obwohl sie nicht auf Hunter stand, im Gegenteil, sogar von ihm abgeschreckt wurde?

„Such dir drei Teile aus, die wir nacheinander an dir testen werden.“ Er machte eine Pause. Ein Mundwinkel hob sich beinahe unmerklich. „Danach suche ich ein Teil aus.“

Sie beäugte ängstlich die Tawse in seinen Händen. Wählte er das? Wenn ja, sollte sie dann einfach flüchten?

„Es gilt das Club-Safeword ‚Mayday‘. Ich werde dich nicht fesseln. Du wirst dich für jedes Instrument an eine andere Stelle und in eine andere Stellung begeben, die ich dir zeigen werde.“

Alice schluckte schwer, doch dann nickte sie. Es war so weit. Sie war so weit. Oder?

Sie hasste sich für diesen Zweifel, der ihr jeden Spaß verdarb. Sie gehörte einfach nicht zu denen, die schon seit Kindheit von Schlägen oder Unterwerfung geträumt hatten, trotzdem fühlte sie sich unwiderstehlich zu der Szene hingezogen. Das Einzige, dessen sie sich sicher war, war ihre Einstellung, auf welcher Seite eines Paddels sie sich sah. Eindeutig nicht am Griff.

Natürlich überließ der Sadist ihr die Entscheidung, jedoch ohne die Tawse an ihren Platz zurückzulegen. Jede Sekunde, die verging, in der Alice seine Hände und das Leder darauf aus dem Augenwinkel beobachtete, als könne es zum Leben erwachen und sie anspringen, machte sie fickriger. Würde er das Ding benutzen? Sie konnte ihr Safeword sagen. Schreien wohl eher. Würde er aufhören? Ja.

Seltsam, dass sie sich dessen sicher war, obwohl sie ihn noch nie bei einer Szene mit einer der Subs beobachtet hatte.

Sie nahm sich ein Paddel aus schwarzem Leder, in das ein rotes Herz eingelassen war.

„Was noch?“ Keine Ungeduld, nur die Aufforderung, zu wählen.

Alice konzentrierte sich erneut auf die Sammlung. Hier empfand sie wieder das, was sie an jedem Tag vor der Tür des Clubs dachte. Was tue ich hier? Bin ich pervers? Bin ich krank? Das ist nicht normal. Aber sie war jedes Mal durch die Tür gegangen. Genauso streckte sie ihre Hand aus und griff nach einer Gerte. Noch nie hatte sie eine auf sich gespürt. Sie sah gar nicht so aus, als können sie Schmerzen erzeugen. Nur ein kleines Lederstück an einem langen Stab.

Und dann passierte das, was sie an sich nicht leiden konnte. Ihr Stolz oder eher ein gewisser Hochmut ließ sie nach dem langen Rohrstock greifen. Sie hatte einmal die Striemen gesehen, die er hinterließ. Rot. Nein, mehr als rot, blutunterlaufene Streifen auf der Haut.

Ein Zittern überlief sie. Warum hatte sie danach gegriffen? Warum nur? Am liebsten hätte sie das Ding zurückgelegt, doch der gleiche Stolz, die gleiche Überheblichkeit verhinderte das.

„Wie du meinst. Jetzt bin ich dran.“ Hunter legte die Tawse zurück an ihren Platz.

Alices Herz machte einen Satz. Gott sei Dank. Dann fiel ihr wieder der Stock ein, der von ihren inzwischen weißen Fingern umklammert wurde. Sollte sie das Spiel hier abbrechen?

„Komm mit.“ Hunter hielt ihr eine Hand hin, doch sie interessierte sich viel mehr für das, was er in der anderen hielt. Sie kannte den Begriff Flogger, ein Griff und viele Schnüre. Bei diesem Exemplar schienen sie aus Leder zu sein, relativ breit und lang. Das Teil sah echt fies aus. Sie hatte es doch geahnt. Ein Sadist würde die Gelegenheit nutzen, eine Sub zu schlagen.

Sie klammerte sich an die Macht des Safewords. Sobald sie ‚Mayday‘ sagte, musste er aufhören.

Wirst du es sagen? Auf einmal war sie gar nicht mehr so sicher wie eben noch. Immerhin würde sie damit zugeben, schwach zu sein. Zu schwach vielleicht?

„Hör auf zu denken und lass dich auf das Spiel ein. Beuge dich hier über den Bock. Halte dich an den Ringen fest. Und spreiz die Beine.“

Seine Hand in ihrem Rücken drückte Alice über die halbhohe Spankingbank. Das weiche Leder empfand sie überraschend angenehm am Bauch. Die Ringe, an die normalerweise die Handfesseln eingehakt wurden, waren groß genug, damit sie danach greifen konnte. Erst als sie über der Bank lag, fiel ihr ein, dass sie ja noch bekleidet war. Heute hatte sie sich für einen sehr kurzen Rock entschieden, darunter ein String, darüber ein Top mit einem BH, der ihre Brüste anhob, um diese größer erscheinen zu lassen.

Hunter schien sich nicht an ihrer Kleidung zu stören. Seine Hand machte kurzen Prozess mit dem Rock, schob ihn hoch, so dass ihr Hintern entblößt war.

„Hier kommt das, was du zuerst gewählt hast.“

Ehe sie sich versteifen oder überhaupt vorbereiten konnte, klatschte es auf ihrem Po. Nicht sehr stark, nicht sehr schmerzend. Ja, sie spürte es, aber eigentlich war es harmlos. Alice war stolz auf sich, dass sie nicht rein aus Versehen geschrien hatte.

Sie kam sich vor wie bei einer Mutprobe. Sie musste nur durchhalten, musste die Zähne zusammenbeißen, dann würde sie dazu gehören. Dann würden die anderen sie akzeptieren, sie in ihre Runde aufnehmen. Ob man sie danach in Ruhe zuschauen ließ?

„Hoch mit dir.“

Hunter packte ihren Oberarm und half ihr wieder auf die Beine. Sie schaute ihn prüfend an. Hatte sie alles richtig gemacht? Hätte sie lieber schreien sollen? Bevorzugte er das vielleicht? Oh Himmel, das war alles so schwierig!

Hunter schaute sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Alles klar?“

„Mhm.“

„Vergiss es. Ich erwarte eine richtige Antwort.“ Sein Ton war anders, härter, autoritärer.

„Ja, Sir.“ Eigentlich hasste sie diese Art von Bezeichnung, aber etwas Besseres war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen. Es hatte richtig geklungen. War es das nur, weil alle das sagten, oder weil sie es von sich aus als richtig empfand? Sie wusste, dass es das Letztere sein sollte, aber wie sollte sie ihre Wünsche von den Erwartungen trennen, von Konventionen, von nichtssagenden Formeln?

Er nickte und für einen Moment erschien er ihr sogar sympathisch. War das schon der Effekt, dass Stress eine emotionale Bindung hervorrief? Sie wollte aber keine Bindung an Hunter. Also rief sie sich wieder alles in Erinnerung, was sie von ihm wusste oder gehört hatte oder zu wissen glaubte.

„Hierher! Leg dich auf den Bauch.“

Alice kletterte auf die große Liege, beinahe wie eine Massageliege, ebenfalls mit Leder bezogen, wenn auch nicht so weich gepolstert wie die Bank von eben.

Wieder schob er ihren Rock nach oben, doch diesmal gab er keine Anweisungen, dass sie sich festhalten solle.

Der Schmerz kam tatsächlich überraschend. Ihre Hände flogen von alleine zu der Stelle, an der die Gerte aufgetroffen war. Für einen Schrei hatte es nicht gereicht, nur für ein lautes und erschrecktes Einatmen. Sie rieb über die Stelle, an der er sie getroffen hatte. Sie fühlte sich wärmer an als der Rest.

Ehe sie sich erheben konnte, drückte seine Hand sie fest auf die Liege. „Sag mir, wie sich das anfühlt.“

„Es hat wehgetan, aber nicht so arg, dass ich es nicht aushalten könnte.“

„Wie fühlst du dich dabei?“

Alice horchte in sich hinein. Seltsam. Nicht in einem positiven Sinn. Verwirrt, mit mehr Fragen als Antworten. Was sollte sie nur sagen? Was wollte er hören? Blödsinn, darum ging es doch nicht. Sie wollte ihn nicht beeindrucken. Warum auch? „Es hat mich nicht angemacht.“

„Weiter.“

„Ich … fühle mich nicht besonders gut oder schlecht dabei. Es hat wehgetan. Die Liege ist einigermaßen bequem.“

Er schnaubte leise. „Fühl in dich hinein. Reflektiere deine Gedanken und Gefühle.“

Sie verdrehte die Augen. „Es war nur ein Schlag. Da passiert halt nicht viel.“ Das Gefühl, ihn zu betrügen, unterdrückte sie.

„Hierher.“

Es hätte sie interessiert, was er von ihr dachte. War sie ein hoffnungsloser Fall? Würde er sie danach des Clubs verweisen? Oder ihr sein Halsband umlegen wollen, wie sie es aus Büchern kannte?

„Stell dich auf die Matte, Beine gespreizt. Ja, so. Nun beug dich nach vorne und umfasse deine Knöchel.“

Eine seltsame Haltung, aber Alice war schlank und sportlich genug, sie einzunehmen. Als ihr endlich einfiel, welches Gerät als Nächstes an ihr ausprobiert werden würde, zuckte sie nach oben. Der Schlag traf sie auf halber Höhe. Schmerz jagte durch ihren Körper, eine Vibration, die über die Nervenbahnen direkt in ihren Kopf schoss. Dieser entschied, es sei Zeit, abzuhauen. Was folgte, war ein Satz nach vorne.

Starke Hände packten sie um die Mitte und hielten sie gerade noch auf, ehe sie mit dem Kopf an die Wand krachte. „Wenn du abhauen willst, solltest du es mal mit deinem Safeword versuchen. Durch diese Wand schaffst du es nicht.“

Alice hörte das Lachen in seiner Stimme und hasste ihn augenblicklich dafür. Es war seine Schuld, dass ihr Körper so reagierte! Seine Schuld, dass sich sein Arm um ihren Bauch so gut anfühlte, als wäre sie bei ihm in Sicherheit, nur weil ihr blödes Hirn einfach nicht verstand, dass er den Stock geschwungen hatte. Er war schuld! Er hatte sie geschlagen!

„Du hast mich geschlagen!“ Im gleichen Moment, in dem ihr das aus dem Mund purzelte, hätte sie sich am liebsten geohrfeigt. Was für eine blöde Bemerkung!

„Mir scheint, du lernst gerade eine ganze Menge auf einmal, Alice.“

Wie er ihren Namen aussprach … Als wäre sie ein kleines Mädchen, ein Schulkind, das von nichts eine Ahnung hatte. Sie war siebenundzwanzig, zum Teufel! Schon lange kein Mädchen mehr.

Trotzdem blieb sie stumm. Er hatte schlussendlich recht. Sie lernte gerade eine Menge. Über sich. Über ihn. Über den Lifestyle.

„Hier entlang.“ Sie gingen in den Nachbarraum. Der gesamte Club bestand nur aus drei Räumen. Der Nebenraum war leer. Erst diese Tatsache brachte sie darauf, sich zu fragen, ob wohl andere das Ganze verfolgten. Aber sie hatte niemanden neben sich gesehen, hatte jedenfalls nicht das Gefühl, beobachtet zu werden.

Hier waren sie tatsächlich alleine.

„Jetzt kommt meine Wahl. Ein Flogger, wie du gesehen hast. Hast du schon einmal einen Flogger gespürt?“

„Ja. Aber einen anderen.“

„Vermutlich einen mit kürzeren Riemen. Waren sie auch schmäler?“

Sie nickte.

Hunter wiegte den Kopf bedächtig hin und her und betrachtete den Flogger in seiner Hand, als habe er Bedenken.

„Wie viele Schläge?“, wollte er wissen.

„Das weiß ich nicht mehr. Er ließ ihn kreiseln, da konnte ich nicht mitzählen. Vielleicht zehn?“

Wieder das Wiegen, dabei ließ er die Hand mit dem Schlagwerkzeug ein wenig sinken, als wolle er es weglegen.

Alices Herz klopfte heftig. Was wollte er ihr damit sagen? Glaubte er, der Flogger sei zu arg für sie? Bereute er seine Wahl? Aber sie war stark, kein Schwächling. Auf einmal war es ihr unglaublich wichtig, diesen Schlag aushalten zu können. Sie wollte es. Wollte das Spiel zu Ende spielen. Ihr war warm, wärmer als die Stelle auf ihrem Hintern, die er mit der Gerte geschaffen hatte. Ihr Atem ging flach und sie fühlte das Blut in ihren Ohren rauschen.

„Nur zehn?“ Hunter sah sie mit gerunzelter Stirn an. „Hm.“

„Ich schaffe das.“

„Ja, könnte sein. Aber wird es dir auch gefallen?“

„Bestimmt. Ich meine, quatsch, ich weiß es nicht, aber wir wollten es doch ausprobieren. Ich soll doch spüren, ob es mir gefällt.“ Warum wollte er auf einmal aufhören, wo er sie doch selbst zu dem Spiel angestachelt hatte?

„Dieser Flogger hier … Es wäre einfacher, wenn du erregt wärest. Bist du erregt?“

Alice schüttelte den Kopf. Nein, bestimmt nicht. Wieso auch? Bisher war nichts Erregendes passiert.

„Prüf es bitte. Bist du feucht? Haben sich deine Nippel aufgestellt? Ist dir warm?“

Ihre Nippel? Die waren hart, eindeutig. Das war doch gut zu sehen. Und klar war ihr warm. Aber feucht? Sie würde das nicht prüfen. Nicht vor ihm.

Außerdem genügte es, sich auf das Gefühl in ihrer Pussy zu konzentrieren. Erstaunlicherweise pulsierte ihr Unterleib und strahlte Wärme aus. Ja, sie war feucht, sie konnte spüren, dass das Band ihres Strings zwischen ihre Schamlippen gerutscht war. Sie waren also geschwollen. Eindeutig.

Aber wie sollte sie ihm das sagen? Einfach so? Ihre Muskeln krampften sich zusammen, was ihr weiter einheizte. Eine neue Welle an Wärme floss durch ihren Leib. Sie spannte den Beckenboden an und wurde sich dann bewusst, dass er das sehen konnte, so wie er sie beobachtete. Keine Reaktion von ihm. Steinklotz!

Das forderte sie heraus. „Ja, ich bin erregt. Feucht. Richtig feucht. Und meine Nippel sind hart.“

„Dann wollen wir es versuchen. Noch hast du die Möglichkeit, das Safeword zu verwenden.“

Alice zog die Schultern zurück und hob das Kinn an. „Was soll ich tun? Wie willst du mich haben?“

Oh fuck, das war eine ungünstige Formulierung gewesen. Er würde sie nicht haben, gewiss nicht. Wenngleich die Vorstellung, dass er sie schlagen und danach ficken würde, schon eine gewisse Faszination ausstrahlte. Wie hart wohl der Schlag werden würde? Nach seinem Verhalten zu schließen erheblich schlimmer als der Stockhieb. Sie stellte sich vor, wie die Welle des Schmerzes sie überrennen würde, gefolgt von einer Welle der Lust. Würde sie in den Subspace abtauchen, von dem sie oft hörte? Wie wäre es, genau in diesem Moment von ihm genommen zu werden? Oder von irgendeinem Mann?

Ihr Atem ging so schnell, dass ihr ganz leicht im Kopf wurde. Er sollte es tun, jetzt!

„Knie dich hin, Stirn auf den Boden, Arsch in die Luft. Balle die Hände zu Fäusten und strecke die Arme ganz aus.“

Oh ja, die perfekte Haltung für einen solchen Schlag. Alice biss die Zähne fest zusammen, machte sich bereit.

„Okay. Pass auf. Ich zähle bis drei, dann schlage ich.“

Oh Gott, ein Schauer durchlief sie. Kein Gedanke mehr, nur noch das Warten auf den Schmerz.

„Eins. Zwei.“ Eine etwas längere Pause. Wollte er doch zurück… „Drei!“

Der Schlag traf sie. Hitze schoss in ihre Pussy, ihr Arsch zuckte und Alice schrie. Ein spitzer Schrei, der ihr selbst durch Mark und Bein fuhr. Oh Gott, sie war beinahe gekommen. Für einen Moment nahm sie nichts anderes mehr wahr außer dem Rauschen in ihrem Körper, der sich kaum beruhigen wollte. Es war sonderbar still um sie herum. Sie spürte seine Anwesenheit hinter sich, doch er rührte sich nicht. Warum tat er nichts, sagte kein Wort?

Schwer atmend richtete sie sich auf, tastete nach ihrem Hintern. Da war der Striemen vom Stock, dort die noch warme Stelle der Gerte. Und wo …?

Es dauerte eine Weile, bis sie ahnte, was geschehen war. Sie drehte sich um, starrte Hunter an und klappte dann den Mund zu. Dieses Arschloch! „Du hast gesagt …“

„Nichts dergleichen habe ich gesagt. Hast du deine Lektion gelernt? Brauchst du Nachsorge?“

„Du Arsch!“

Mit einem Schritt stand er vor ihr und hielt ihr Kinn mit einer unnachgiebigen Hand. Sie musste ihn einfach anschauen. Seine Augen waren kalt und hart. „Ich gebe dir zwei Minuten, dann stehst du vor mir und entschuldigst dich. Zwei Minuten!“ Damit verließ er den Raum mitsamt seinem Flogger.

Einem völlig harmlosen Flogger, der vermutlich zum Streicheln gedacht war, aber garantiert keine Striemen hinterließ oder gar Schmerzen auslöste. Höchstens, wenn er stundenlang auf die gleiche Stelle traf.

Alice brauchte anderthalb Minuten, um die Unterhaltung zu rekapitulieren. Die zweite Hälfte der zweiten Minute brauchte sie, um aufzustehen und zur Bar zu gehen, wo Hunter gerade ein Glas Wasser in die Hand nahm.

Sie schnaufte ein weiteres Mal durch, dabei fiel ihr auf, dass sie immer noch erregt war und sich fühlte wie nach Sex ohne Höhepunkt. Geil, aber unbefriedigt. Aber auch das war nicht seine Schuld. Das hatte sie ganz alleine hinbekommen. „Entschuldige bitte, Hunter.“ Etwas verspätet schob sie noch ein „Sir“ nach.

„Hier, trink was. Und setz dich zu mir. Wir müssen reden.“

3

„Ich wiederhole mich ungern, aber ich frage dich noch einmal: Was suchst du?“ Diesmal war Hunters Ton nicht mehr so beiläufig wie vorhin.

Alice ließ den Kopf hängen. Hunter hatte sie mit ihrem Glas Wasser und einem Bier für sich zu einer der Couches geführt, wo sie in Ruhe reden konnten. Keine neugierigen Ohren in der Nähe. Keine Ablenkung. „Ich weiß es nicht. Ich habe viele Bücher gelesen, und jedes Mal, wenn ein Mann einer Frau etwas befiehlt, macht es mich an. Das will ich auch. Aber so vieles andere …“ Sie hob den Blick und umfasste den gesamten Club in ihrer Geste. „Das ist mir so fremd. Alleine der Gedanke, dass mich ein Mann einfach schlägt, weil ich ihm die Erlaubnis dazu gegeben habe, das … es ist so seltsam.“

Hunter sagte nichts dazu, aber sie spürte an seiner Haltung, dass er mehr erwartete.

Sie seufzte. Also dann. Zeit, den Elefanten auszupacken und ihn mitten auf den Tisch zu stellen. „Ich denke dann, dass ich verrückt bin. Durchgeknallt. Wie alle hier. Zugleich spreche ich mit Menschen wie Missi und stelle fest, dass sie eigentlich ganz normal sind. Außer eben in dem einen Punkt, in dem sie anders sind. Dann sind da all die Sachen, die mich total abschrecken, wie die Idee, dass ein Mann eine Frau haben möchte, die sich wie ein Kind verhält. Und dass eine Frau so kindisch sein kann und gleichzeitig so normal und vernünftig.“

Alice warf Hunter einen Blick zu. Er wirkte nicht mehr so finster, hörte aufmerksam zu und machte insgesamt den Eindruck, als interessiere er sich wirklich für ihre Nöte. „Selbst die nicht so extremen Sachen schrecken mich ab. Gefesselt zu sein, sich einem Mann, den man kaum kennt, komplett ausliefern zu müssen, das ist etwas, was mir Angst macht. Und mich doch auch anmacht. Irgendwie.“

„Wir kommen also zurück zu dem Punkt, den ich vorhin schon angesprochen habe. Du solltest mehr ausprobieren. Dich auf Dinge einlassen, ohne sie vorab zu verurteilen. Das gilt übrigens auch für Menschen. Du lässt sie nicht an dich heran, weil du Angst hast, dass du sie dann auch nett finden würdest, so wie Missi. Damit wären sie aber nicht mehr ‚diese Perversen‘.“

Er hatte vermutlich, möglicherweise recht. Hunter war das beste Beispiel. Auf Alice wirkte er pervers. Ein Mann, der mit Frauen spielte, vor anderen Männern, der sie manchmal mit anderen zusammen benutzte. Wenn das nicht pervers war, was dann? Aber das sagte Alice lieber nicht. Sie schätzte, dass Hunter ihre Meinung auch so erahnte. Er schien sie eh zu durchschauen, besser zu kennen als sie sich selbst.

„Ich probiere ja. Ich hatte schon drei Szenen mit anderen Doms.“

„Und du hast alle abgebrochen, ehe es richtig losging. Sag mir, warum.“

„Weil es sich nicht richtig angefühlt hat.“

„Welcher der Schläge eben hat sich für dich richtig angefühlt? Welcher war gut, welcher nicht?“

Ein kurzes Schnauben konnte sie nicht unterdrücken. Auch das wusste er längst. Und es fiel so schwer, es zuzugeben. „Der Letzte war gut. Er hat etwas mit mir gemacht.“

„Nicht der Schlag hat das mit dir gemacht.“

Alice schaute auf ihre Hände, die das Glas immer wieder ein Stück drehten und dann mit den Daumen die Kondenströpfchen abwischten. Sie sagte nichts dazu, wollte nichts sagen.

„Was hast du gelernt?“

„Dass es auch Spaß machen kann, geschlagen zu werden. Wenn ich im Kopf dabei bin.“

„Was noch?“

„Dass es nicht um das Schlagen an sich geht, sondern um das, was in meinem Kopf passiert.“

Hunter ließ diese Antwort eine Weile im Raum stehen, trank einen Schluck Bier und stellte das Glas wieder ab. „Es gibt D/s auch völlig ohne sexuelle Konnotation. Einige Subs wollen geführt werden, verlieren sich darin, zu dienen. Sie brauchen keinen Sex, keine Schläge, keine Fesseln. Doch ich glaube nicht, dass du zu diesen gehörst. Da ich dich alleine mit der Vorstellung erregen konnte, dass dich gleich ein harter Schlag treffen würde, dass ich dich überhaupt mit wenigen Worten in Erregung versetzen konnte, spricht dafür. Aber auch das solltest du ausprobieren. Warum willst du einen Club eröffnen?“

Die Frage kam überraschend. „Das ist nur eine vage Idee. Ich habe von meiner Tante ein Haus geerbt. Ein großes Haus.“ War es falsch, ihm das zu erzählen? Würde er versuchen, sie auszunutzen? Sie betrachtete seine gutsitzende lederne Hose und das schwarze Hemd. Wie stand er finanziell da? Unmöglich, das bei dem Licht abzuschätzen. Aber gut, dies war die Stunde der Wahrheit. „Das Haus wäre groß genug für einen Club. Dieser hier ist ja eindeutig zu klein. Ich möchte das, was ich in Büchern gefunden habe. Das muss doch keine Fantasie bleiben. Ein Platz, an dem sich eine Gruppe von Leuten trifft, von Hand ausgewählt, um dort eine gute Zeit zu haben. Doms und Dommes, die gegenseitig auf ihre Subs aufpassen. Von Zeit zu Zeit neue dazunehmen und ihnen zeigen, was richtig ist und was falsch. Vielleicht Kurse für Anfänger, Aufklärung über BDSM überhaupt und Gespräche für solche wie mich.“

„Ein löbliches Ziel. Meinst du nicht, dass es besser wäre, wenn du dafür mehr Erfahrung hättest? Wie willst du deine Gäste aussuchen? Wie willst du es einrichten? Du kannst deine Vorlieben als Ausgangspunkt nehmen, aber welches sind deine Vorlieben?“

„Ich weiß, eine blöde Idee …“

„Nein, gar nicht. Eine fantastische Idee. Aber es ist noch zu früh. Warum schaust du dich nicht erst in der Szene um? Warum besuchst du nicht einfach andere Clubs, testest deren Einrichtung, aber nicht als Zuschauer, sondern als Teilnehmer, aktiv?“

Das könnte sie tun. Mit dem Geld, das sie geerbt hatte, könnte sie ihren Job aufgeben und nach Belieben reisen. Einfach so. Ihre Tante hatte ihr im Testament für das Jahr bis zur Entscheidung einhunderttausend Dollar zur Verfügung gestellt.

„Kannst du dir das leisten? Hast du Zeit?“ Natürlich waren Hunter die gleichen Fragen gekommen.

„Könnte ich. Nach dieser Erbschaft …“ Für einen Moment schnürte ihr die Erinnerung an Tante Alberta den Hals zu. Sie hatte ihre Tante schon in ihrer Jugendzeit regelmäßig besucht, Einkäufe für sie erledigt und ihr einfach Gesellschaft geleistet. Diese hatte ihr dann das Studium der Gerontologie an der Brandeis University bezahlt, einer renommierten Universität. Seit einem halben Jahr war Alice fertig und arbeitete für einen Ausstatter von Altenheimen. Tante Alberta war vor drei Monaten gestorben, mit siebenundachtzig. Und hatte alles ihr hinterlassen. Das Haus, eine knappe Million Bares und noch so einiges andere, was sie noch gar nicht richtig erfasst hatte. Zumindest, wenn sie die Auflagen erfüllte.

„Wie wäre es, wenn wir eine Liste machen mit Dingen, die du unbedingt ausprobieren solltest? Dazu nehmen wir alle Kinks, die mir einfallen und du entscheidest, welche dich tatsächlich abstoßen. Über die reden wir später.“

Ihr fiel schon auf, dass er diese nicht einfach abtun wollte. Aber die Idee klang spannend. Immerhin war Hunter ein Fachmann. Oder? „Du kennst dich aus?“ Es schadete ja wohl nicht, zu fragen. Er wirkte etwas nahbarer, sofern man sich an einen Mann annähern konnte, der Dominanz ausstrahlte wie ein Reaktor atomare Strahlung.

„Ich bin seit mehr als 10 Jahren in der Szene und habe schon so ziemlich alles ausprobiert. Ich weiß, was ich will, ich nehme es mir und ab und an nehme ich mich Neulingen wie dir an.“

„Dann schieß mal los.“

Er hob eine Augenbraue. Aha! Daher also das schiefe Gesicht und die einseitige Falte auf der Nasenwurzel.

Oh! Sie hatte für eine Sekunde seinen Rang vergessen.

„Wir sollten mit deiner Erziehung beginnen.“

„Ich möchte aber nicht von dir erzogen werden.“ Alice biss sich auf die Zunge. Hatte sie das tatsächlich gesagt? Eine dieser typischen Reaktionen von ihr, spontan, vorlaut.

„Wir sollten das anderen überlassen, die sich damit auskennen und auch die nötige Zeit dafür haben. Ich kenne einen Ort, der sich perfekt für dich eignet.“

„Du meinst, so eine Art Erziehungsanstalt?“ Alice konnte das Entsetzen nicht aus ihrer Stimme halten.

„Ganz genau.“

„Aber … nein! Das ist nichts für mich.“

„Willst du dich darauf einlassen oder dich gleich sperren?“

Ach Mist. „Ich will mich darauf einlassen.“

„Dann mache ich einen Termin für dich aus. Einen Monat dauern diese Kurse in der Regel. Was noch? Bist du überhaupt masochistisch? Magst du Schmerzen?“

Die große Frage. Mochte sie das? „Irgendwie schon.“

Hunter zögerte nicht lange. „Das kommt auf die Liste. Hol mal ein Blatt, damit wir das notieren können.“

Alice ließ sich von dem Barmann Block und Stift geben. Ihr Herz klopfte schneller, zugleich lief ihr ein kalter Hauch über den Rücken. Was würde bei dieser Liste herauskommen? Hatte sie endlich die Chance, etwas über sich selbst zu lernen? Hunter hatte recht, sie würde nie Erfahrungen sammeln, solange sie nur als Beobachter in der Ecke hockte.

„Schreib auf: Erziehung und Masochismus. Kennst du PetPlay? Möchtest du eine Katze sein oder ein Hund?“

„Nicht wirklich.“ Darüber hatte sie sich noch nie Gedanken gemacht.

„Das ist eine weitere Lektion in Gehorsam und Unterwerfung. Schreib es dazu. Hattest du schon mal Analverkehr?“

Alice schüttelte stumm den Kopf.

„Dann sollten wir das voranstellen. Du sollst keine böse Überraschung erleben. Auch Analverkehr ist eine Lektion in Unterwerfung, die zudem noch Spaß macht. Aber nur, wenn du ausreichend vorbereitet wurdest. Ich brauche nicht erst zu fragen, ob du jemals Tease & Denial ausprobiert hast, oder? Schreib es auf die Liste.“

„Okay.“ Sie kannte den Begriff, aber die Vorstellung, sich immer wieder bis zum Rand eines Orgasmus bringen zu lassen, nur um dann davon abgehalten zu werden, klang nicht sehr verlockend.

„Als Gegenpart solltest du eine Zeitlang so viele Orgasmen erleben dürfen, wie irgend möglich. Hattest du schon …? Okay, vergiss es. Schreib Maschinensex auf.“

„Maschinensex? Was soll das denn sein?“

„Das erkläre ich dir, wenn es soweit ist. Sag nur, dass dir die Vorstellung nicht gefällt, so oft kommen zu dürfen, wie du magst?“ Ein kleines Anheben seines Mundwinkels deutete ein Lächeln an. Aber kein offenes, freundliches Lächeln, eher das Gegenteil. Sadistisch. Genau. Oh Mann, worauf hatte sie sich hier eingelassen? Ausgerechnet mit Hunter? Sie war ja völlig durchgeknallt. Aber wer sagte denn, dass sie das auch machen musste?

„Wie wäre es mit dem, was Missi macht? Das Spiel zwischen Little und Daddy? Du könntest wieder ein kleines Mädchen sein, das sich von Daddy mit Malbüchern versorgen lässt. Geht auch ohne Sex übrigens, wenn dir das nicht liegt.“

Warum nur hatte sie den Eindruck, dass er sehr wohl wusste, dass sie das ablehnen würde? „Kommt nicht in Frage. Ich mag Missi, aber das ist garantiert nichts für mich.“ Sie musste ihm ja nicht aufs Auge binden, dass sie sehr wohl Sex mochte. Guten Sex zumindest. Erst recht würde sie ihm nicht verraten, dass sie trotzdem kaum Erfahrung hatte, da normaler Sex sie immer unbefriedigt zurückließ.

„Gut. Ach ja, du solltest Spanking ausprobieren. Genauer gesagt, jede Art von Schlaginstrument. Es scheint mir wichtig, dass du dich damit auseinandersetzt.“

„Das hatten wir doch eben.“

Wieder die hochgezogene Augenbraue. „Das war der Finger in der Torte, aber kein Kuchenbuffet. Schreib es auf. Keine Diskussion. Magst du gefesselt werden? Schon mal ausprobiert?“

„Nein.“

„Latex? Gummi? Kinks, die einen Gegenstand oder Material beinhalten? Irgendwas in der Art? Dann schreib das dazu. Wie stehst du zum Thema Demütigung? Ohrfeigen ins Gesicht, Anspucken, verbale Herabsetzung, Bezeichnungen wie ‚Schlampe‘?“

Alice starrte ihn nur noch an. In ihrem Kopf rasten Bilder und Gedanken, Empörung lag ihr auf der Zunge und Hitze raste durch ihren Körper. Was für ein Mischmasch an Gefühlen! Es war zu viel. Niemand konnte das alles ausprobieren. „Wie soll das gehen? Ich bräuchte Jahre, um das alles durchzuspielen.“ Sie warf den Block auf die Couch. „Das ist unmöglich. Es muss einen anderen Weg geben.“

„Nun, erstens kann ich dir ein Programm zusammenstellen, das die Sache etwas verkürzt. Zum anderen scheint mir, als hättest du ein Ziel. Du kannst den Club natürlich auch erst in zehn Jahren aufmachen.“

„Aber … ich meine … klar kann ich so lange warten. Oder ich mache das in einer Art Schnelldurchlauf?“ Was für eine Frage! Schnelldurchlauf. Das hörte sich an wie die Touren, die ihre Landsleute gerne machten: Europa in zehn Tagen. Australien in einer Woche. Hinfliegen, fotografieren, zurück. Das passte so gar nicht zu ihr. Zugleich fiel ihr wieder die Frist ein. Ein Jahr, sonst wäre sie das Haus los. Und die Erbschaft.

„Eine gute Idee. Überlass das mir. Ich stelle dir einige Punkte zusammen. Einiges können wir hier erledigen, für anderes solltest du unbedingt reisen. Hast du etwas dagegen?“

„Nein, natürlich nicht.“ Sie war noch nie außerhalb der Staaten gewesen, aber jetzt, mit dieser Erbschaft, waren ihr schon so einige Ziele in den Sinn gekommen.

„Überlass das mir“, wiederholte Hunter. Er wirkte längst nicht mehr so unnahbar, eher wie ein Mann, der ein Projekt begonnen hatte. Eine Gartenhütte, die er reparieren wollte. Oder ein uraltes Auto, das es aufzupimpen galt.

Oh Mann. Auf was hatte sie sich eingelassen?

4

Hunter überreichte ihr die Liste beim nächsten Besuch im Club, eine Woche später, so wie sie es ausgemacht hatten.

Alice traute sich kaum, sie anzuschauen. Er hatte noch weitere Punkte hinzugefügt. „O? Was meinst du mit O?“

„Das Buch dazu habe ich hier. Du solltest es so schnell wie möglich lesen.“

Die Geschichte der O. Alice schaute ihn an. Noch immer umgab ihn diese Aura eines Mannes auf einer Mission.

„MMMF? Du meinst Gangbang?“

„Nein, ich meine Sex mit mehreren Männern gleichzeitig. Es wird dir gefallen, glaub mir.“

„Woher willst du das wissen?“

„Weil es dich letzte Woche nicht gestört hat, dass andere zugeschaut haben. Vorführung gehört auch dazu. Es steht weiter oben.“

„Hunter …“

„Ich bevorzuge ‚Sir‘ in dieser Umgebung.“

„Sir, das scheint mir etwas weit zu gehen. Ich kenne keine andere Sub, die eine solche Mammutaufgabe hinter sich gebracht hat.“

„Keine von denen möchte einen eigenen Club. Und keine hat mich gefragt.“

Hatte sie ihn gefragt? Sie wusste es nicht mehr. War nicht er mit dieser Idee auf sie zugekommen? Klar, sie verstand seine Intention. Ohne eine Idee von dem Konzept des BDSM war sie nicht in der Lage, einen Club zu eröffnen, der die Wünsche seiner Besucher berücksichtigte. Aber würden dafür nicht auch Gespräche genügen?

„Deine Erziehung müssen wir auf den nächsten Monat verschieben, also habe ich den Punkt Fixierung vorgezogen. Außerdem kann er in der Nähe stattfinden, so dass du die Planung für die weiteren Punkte in dieser Zeit machen kannst.“

„Moment!“ Auf sein Funkeln in den Augen setzte Alice noch einmal an. „Moment, Sir! Dieser Plan umfasst die nächsten zwölf Monate? Ein ganzes Jahr?“

„Bei unserem Gespräch warst du bei einer Schätzung von zehn Jahren gelandet. Das hier ist eindeutig kürzer. Da ich bei der Erstellung der Liste bei zwölf Punkten gelandet bin, schien mir die Aufteilung auf 12 Monate sinnvoll. Außerdem sind manche Punkte, die Erziehung zur O, nur in einem Kurs machbar, der zufällig einen Monat andauert. Dreißig Tage, um genau zu sein. Knie dich hin.“

„Aber … ein Jahr?“ In einem Jahr würde die Entscheidung fallen, ob sie das Haus behalten durfte. Das bedeutete, dass sie die Planung während dieser Erkundungsphase machen musste.

„Siehst du, kleine Alice, das ist das Problem. Ich habe dir einen Befehl gegeben. Du ignorierst ihn. Du bist nur auf dich konzentriert. Kein Anflug von Unterwerfung. Keine Idee von Demut. Kein Bedürfnis, es einem Dom recht zu machen. Ich gebe zu, dass ich nicht dein Dom bin, aber du missachtest sogar die Gesetze der Höflichkeit. Sprichst mich respektlos an. Schaust mir ständig in die Augen. Gibst mir Widerworte.“

Alice saß da wie vom Donner gerührt. Wie schaffte er es nur, ihr so klar den Spiegel vor Augen zu halten? Sie wollte eine Sub sein. Wollte demütig sein. Und doch schaffte sie es nicht. Warum nur?

Hatte er recht damit, dass sie es erst noch lernen musste? Oder war sie gar nicht submissiv? Sie ließ sich endlich auf die Knie nieder. Nein, sie wusste, dass sie nicht vor ihm knien musste, wenn sie es nicht wollte, aber in diesem Moment wollte sie es. Vor ihm? Auch vor anderen? Auch das konnte sie nicht sagen. Er wollte ihr helfen. Sonst niemand. Und wenn sie auf diese Sache einging, würde sie vermutlich mit mehr dominanten Männern zu tun haben, als sie es sich je erträumen konnte.

„Es tut mir leid, Sir.“ Sie fixierte seinen Bauch. „Vielen Dank für die Hilfe, Sir. Ich habe beschlossen, dass ich das Programm absolvieren werde, dass du für mich ausgesucht hast, Sir.“ Ihr blieb immer noch ihr eigener Wille. Sollte sie aussteigen wollen, konnte er sie nicht daran hindern.

„Du gehst zuerst nach Philadelphia. Ich habe mit dem Rigger JayB gesprochen. Er ist bereit, dich aufzunehmen. Er wird dir alles zeigen, was du über Bondage wissen willst und noch einiges mehr. Es geht darum, dir klarzuwerden, wie du auf Fixierung reagierst. Egal ob leicht oder fest oder so sehr, dass du ganz in dir gefangen bist. Er erwartet dich Anfang Februar.“ Hunters Tonfall änderte sich, jetzt sprach er einen Befehl aus, daran zweifelte Alice nicht. „Übrigens möchte ich, dass du mir über deine Fortschritte Bericht erstattest. Wie du dir denken kannst, kenne ich mich in diesen Bereichen selbst aus. Über deinen Bericht kann ich beurteilen, ob du tief genug in die Materie eingestiegen bist.“

5

Alice packte ihre Sachen. Immer noch zweifelte sie, ob sie das Richtige tat. Sie verstand ihre eigene Motivation, aber an Hunters Absichten zweifelte sie. Warum wollte er ihr helfen? Er hatte sie nie gefragt, ob sie mit ihm eine Session haben wollte. Hatte er überhaupt Interesse an ihr als Sub, als Frau, als irgendwas?

Könnte sie ihn doch nur durchschauen! Er war so zurückhaltend. Sie hatte inzwischen drei andere Subs aus dem Club nach ihm gefragt. Nein, er spielte nicht, half manchmal aus, wenn er darum gebeten wurde. Man erzählte, er besuche häufiger Events in anderen Städten. Was nicht verwunderlich war, Springfield war nicht gerade die Hauptstadt des Kink. Aber selbst das blieb reine Vermutung, da er so gut wie nie über sich sprach.

Auf jeden Fall konnte sie sich nicht gegen seine Hilfe sträuben. Wer sonst sollte ihr helfen?

Fürs erste hatte sie sich Urlaub genommen. Dazu hatte es ein paar kleiner Lügen bedurft und der Zusicherung, dass sie zumindest einige Berichte zu Ende bringen und online übermitteln würde. Ob sie in den Job zurückkehren wollte, musste sie noch entscheiden. Immerhin erwartete Hunter für den zweiten Monat eine Abwesenheit von 30 Tagen. Das war unmöglich als Urlaub machbar.

Sie würde noch heute nach Philly fahren, wo JayB sie erwartete. Telefonisch hatte sie mit dem Mann, den sie treffen sollte, vereinbart, zunächst für zwei Wochen alles ausprobieren zu wollen.

Die Art von Schatzsuche, wie sie Hunters Liste insgeheim bezeichnete, gefiel ihr ausnehmend gut, das musste sie sich eingestehen.

Sie würde mitmachen, so lange sie es durchhielt. Schaden konnte es nicht, oder?

Sie hatte sich ein Hotel in Philadelphia gesucht, von dem aus sie Sir JayBs Wohnung innerhalb von zehn Minuten erreichen konnte. Sie mochte Philly gerne, aber heute zeigte sich die Stadt in ihrem tristesten Winterkleid. Nass. Grau. Voll. Noch heute Abend sollte sie sich mit dem Mann treffen, der sie in die Geheimnisse des Bondage einweisen sollte.

Sie war noch nie gefesselt worden. Ja, einer der Doms hatte ihr einmal Handfesseln angelegt und sie an der Wand festgemacht, aber das hatte sie schon nach wenigen Minuten abgebrochen. Sie mochte es nicht, zumindest nicht in dieser Situation. Er hatte hinter ihr gestanden und sie musste sich verdrehen, um zu sehen, was er mit ihr vorhatte. Das hatte ihm nicht gefallen und er hatte sie angeschnauzt. Eine der unrühmlichen Szenen aus ihrem Club.

Grundsätzlich fand sie die Idee reizvoll. Sie hatte davon geträumt, auf einem Bett gefesselt zu sein, während ein Mann sie streichelte und endlich auch fickte. Aber genügte das, um zu behaupten, sie wolle gefesselt werden?

Für die Fahrt musste sie sich ganz auf ihr Navigationsgerät verlassen. Sie kannte sich nicht aus in dieser Gegend und es war bereits dunkel, außerdem nieselte es, was den Blick durch die Windschutzscheibe erschwerte. Sie fuhr nicht gerne bei Regen. Immerhin schneite es nicht. Aber Philly bekam garantiert weniger davon ab als Springfield.

Die Adresse, die sie von Hunter bekommen hatte, führte sie zu einem Industriegebäude in Callowhill, das einsam in einer etwas heruntergekommenen Straße stand. Es entpuppte sich als Loft, mit dem früheren Holzboden, hohen Decken mit massiven Holzbalken, das aus einem riesigen Raum bestand, aus dem zwei Türen vermutlich in ein Schlafzimmer und ein Bad führten. Alice staunte mehr über den Raum als über den Mann, der ihr die Tür geöffnet hatte und sie nun neugierig betrachtete.

Erst sein Räuspern lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Nur wenig größer als sie, ein bulliger, aber unproportionaler Körper, bei dem die Beine zu kurz geraten waren, während der Oberkörper besser zu einem Mann von zwei Metern gepasst hätte. Glatzköpfig, glatt rasiert, kaum merkliche Brauen. Ein rundes Gesicht auf einem kurzen Hals, der von Tattoos verziert wurde. Bauarbeiter, war ihr erster Gedanke. Aber ein Blick in seine Augen zeigte Intelligenz und scharfe Beobachtung. Ein Mann, den man leicht unterschätzen konnte.

Sollte sie ihn mit Sir ansprechen? Musste sie unterwürfig sein? Warum hatte sie Hunter nicht danach gefragt? „Hallo Sir. Ich bin Alice.“

„Im Wunderland, hm?“ Er grinste, was ihn vom Bauarbeiter zu einem der sieben Zwerge mutieren ließ. Ein breites Grinsen, das fast bis zu den Ohren reichte.

Klar hatte sie diesen Witz schon hundertmal gehört, aber hier passte er zu gut. Sie lächelte zurück. „Ja genau. Ein tolles Loft!“

„Dabei hast du noch gar nicht gesehen, was sich hier alles machen lässt. Hunter schickt dich.“

Sie nickte nur.

„Eine Empfehlung, die du hoffentlich zu schätzen weißt.“

„Nein, weiß ich nicht. Ich kenne ihn kaum.“

Sein zweifelnder Blick ließ sie wie eine Lügnerin erscheinen. „Wirklich, wir hatten … ah, wir haben nichts miteinander. Er berät mich nur.“ Die Miniszene konnte man wohl kaum als Beziehung auslegen. Auch die Gespräche nicht. Jedenfalls nicht nach Alices Maßstab.

„Gut, gut. Du hast keinerlei Erfahrung mit Bondage?“

„Nein. Ich weiß nicht einmal, ob es mir gefallen wird.“

„Wir werden es langsam angehen. Hunter meint, du solltest alles einmal ausprobieren.“ Er wandte sich ab und ging weiter in den Raum. „Soll mir recht sein. Hast du bequeme Kleidung dabei?“

„Nein. Brauche ich die?“

Sie sah sein Schulterzucken, als er eine Matte ein Stück von der Wand wegzog. „Wie du willst. Dann zieh dich aus.“

Alice blieb stocksteif stehen. Warum nur hatte sie mit Hunter nicht weiter über diese Sache gesprochen? Sie wollte keinen Sex mit diesem Mann, wollte nicht, dass er sie wehrlos machte und danach mit ihr tun konnte, was er wollte. Sie war so blöd! Das hätte ihr doch klar sein müssen.

Unversehens stand er wieder vor ihr. Ein Finger hob ihr Kinn an und es kostete sie alle Kraft, nicht zu fliehen, sich in ihr Auto zu werfen und wieder nach Hause zu fahren. Aber das wäre feige. Sie war nicht feige.

„Kleines, ich werde dich nicht anfassen. Nicht so, wie du es befürchtest. Ich soll dir die Seile zeigen, nicht das, was danach passiert. Kann sein, dass du mich irgendwann darum bittest. Dann stehe ich dir zur Verfügung. Aber ich nehme mir nichts, was mir nicht angeboten wird. Verstanden?“

Sie schluckte hart. Konnte sie ihm vertrauen? Vermutlich, denn Hunter hatte ihn empfohlen. Obwohl, Hunter hatte sie auch reingelegt mit dem Flogger. Aber doch nur, um ihr klarzumachen, dass es nicht auf die Gerätschaften ankam, sondern auf das, was man damit machte. Wer etwas damit machte. Also nickte sie.

„Du kannst von mir aus die Unterwäsche anlassen. Morgen kommst du mit einer kurzen Leggins und einem Top, als würdest du zum Sport gehen. Du musst die Seile auf der Haut spüren. Du solltest die Male sehen, die sie zurücklassen. Sie üben einen ganz eigenen Zauber aus. Aber das alles kannst du erst begreifen, wenn du es erfahren hast. An deinem Körper.“

„Ja, Sir.“

„Du musst mich nicht mit Sir ansprechen. Jay reicht völlig. Der Name ist nur für Außenstehende, damit mir nicht jeder die Bude einrennt.“ Sein Grinsen war unwiderstehlich und löste die Spannung in Alices Muskeln. „Na los. So eine Sitzung dauert recht lange. Ich muss irgendwann ins Bett. Morgen muss ich um sechs aufstehen.“

Das machte ihn endgültig menschlich. Normal. Kein Irrer. Alice legte die warme Kleidung ab. „Darf ich die Socken anbehalten?“ Der Raum war warm, aber sie bekam so schnell kalte Füße.

„Unbedingt. Sorry, hab ich vergessen zu sagen. Stell dich hier hin.“

Alice stellte sich auf die Matte und kam sich vor wie beim Gymnastikunterricht.

„Atme tief ein und aus. Entspann dich. Ich werde dir keine Schmerzen zufügen. Klar kann mal ein Seil einschneiden, aber das solltest du mir sagen. Genauso, wenn du mal Hände oder Füße nicht mehr spüren solltest, am besten schon, wenn es kribbelt.“

Unter weiteren Anweisungen ließ sie sich von ihm die Hände vor dem Körper an den Handgelenken zusammenbinden. Es fühlte sich an, als würde sie in ihre Kindheit zurückgeworfen, in der sie mit den Nachbarkindern Cowboy und Indianer gespielt hatte. Ihre Fesselungen waren nicht so akkurat gewesen, aber im Prinzip genauso.

„Alles gut bis hierher?“

„Klar.“

„Füße hüftbreit auseinander.“

Diese Fesseln dauerten länger, weil er die Seile weitaus mehr verknoten musste. Heraus kam ein Hobbel, eine Fesselung, die Alices Bewegungen einschränken würden, aber nicht verhindern konnten. Damit hatte sie nicht gerechnet.

„Bitte hole dir doch ein Glas Wasser in der Küche. Ich muss noch etwas vorbereiten.“

Sie traute sich kaum, den ersten Schritt zu machen. Schließlich schaffte sie es, mit kleinen schlurfenden Schritten vorwärtszukommen. Jay hatte an der nach innen gelegenen Wand eine riesige Küchenzeile, rechts einen doppeltürigen Kühlschrank. Sie würde mit einem Glas Leitungswasser vorliebnehmen, da sie die eiskalten Getränke, die meist angeboten wurden, nicht sehr mochte. Das Öffnen der Schranktüren fiel ähnlich unbeholfen aus. Auch stellte sie schnell fest, dass sie nur ohne Glas in der Hand den Hahn öffnen konnte, dann das Glas darunter halten und es wieder abstellen musste, um den Hahn zu schließen. Wie umständlich. Und wie seltsam.

Die langsame Art der Bewegung, das Überlegen jedes einzelnen Schrittes und Handgriffs machte etwas mit ihr. Oder war es das Gefühl des Hanfseils um ihre Hand- und Fußgelenke. Es war ein wenig rau, aber nicht unangenehm. Fest, aber ohne abzuschnüren. Sie fand es witzig, so zu laufen, zugleich irgendwie beunruhigend. Ihr blieb sicherlich die Möglichkeit, ihre Beine zu befreien, aber bei der Handfessel hatte sie keine Chance.

Beim Betrachten fiel ihr auf, dass diese Haltung auch ihre Brüste zusammenpresste, sofern sie nicht die Arme anhob. Aber das sah auch seltsam aus. Obwohl Jay vermutlich an den Anblick gewohnt war. Sonst konnte niemand in diese Räume hineinblicken.

„Bist du fertig?“, fragte Jay. Er lehnte entspannt an der Wand neben dem bodentiefen Fenster mit den kleinteiligen Glasflächen. Ein Blick auf die Matte bestätigte, was sie bei seinem Anblick vermutete. Er musste nichts vorbereiten. Er wollte, dass sie sich an die Fesselung gewöhnte, sich über die Wirkung klarwurde.

„Ja, ich bin soweit.“ Ohne auf seine Aufforderung zu warten, ging sie zurück zur Matte.

„Dann leg dich mal auf den Rücken.“

Er fasste ihre Handgelenke an. „Leg die Arme über den Kopf. Ja, so. Bleib so.“

Das fühlte sich seltsam an, außerdem konnte sie so nicht mehr sehen, was er tat. Sie spürte ihn an ihren Füßen, dann, nach einem Moment Pause, rasselte eine Kette. Eine Halterung schwebte von oben herab und schwang langsam über ihr hin und her. Was sollte das werden?

Als ihre Beine nach oben gezogen wurden, nachdem Jay ein Seil durch den Metallring gezogen hatte, wusste sie es. Innerhalb von Sekunden streckte sie gezwungenermaßen ihre Beine in die Luft.

„Wie geht es dir?“

„Gut?“ Sie konnte den fragenden Ton nicht unterdrücken. Wie ging es ihr? Irgendwie fand sie die Sache lustig bisher. Zugleich ahnte sie, dass sie sich der Wirkung erst noch bewusst werden musste. Sie analysierte ihre Lage. Sie lag auf dem Rücken wie ein Käfer. Klar, ihre Arme konnte sie ganz begrenzt bewegen. Mehr nicht. Wenn sie sich anstrengte, könnte sie sich noch strecken und die Fußfessel lösen.

Versuchsweise hob sie die Arme. Der Zug auf ihre Beine erhöhte sich und ihr Po hob von der Matte ab, bis sie nur noch mit den Schultern auflag. Schnell stützte sie sich mit den Händen ab, so gut es ging. Ein seltsames Gefühl, so dazuhängen. Unbequem, aber nicht schmerzhaft. Hilflos. Wehrlos.

Ein Schauder überlief sie. Wehrlos. Keine Chance, sich zu befreien.

Jays Gnade ausgeliefert.

„Jay?“

„Ja, Kleines?“

„Du machst mich los, wenn ich dich darum bitte?“

„Klar.“ Er rührte sich nicht.

Das Atmen fiel ihr schwer, da ihre Brust zusammengedrückt wurde. Noch kein Problem, würde es aber irgendwann werden. Wie das Blut, das in ihren Kopf floss, irgendwann zu einem Problem werden würde.

Trotzdem fühlte es sich nicht wirklich schlecht an. Aber es reichte. Viel wichtiger, als sich hier hängen zu lassen war die Frage, die sie beantwortet haben wollte. „Jay, machst du mich bitte los?“

Innerhalb von Sekunden lagen ihre Beine flach auf der Matte.

Sie atmete tief ein und aus und es hatte nichts mit ihrer Lunge zu tun.

„Und das ist Bondage?“ Sie erinnerte sich an Bilder kunstvoll verschnürter Frauen.

„Das ist nur der Geruch, der noch vor dem Amuse geule aus der Küche dringt. Kannst du aufstehen?“

Sie schaffte es ohne seine Hilfe.

JayB löste die Fußfessel und brachte sie neu an, diesmal mit beiden Füßen eng zusammen. „Jetzt kommt der Gruß aus der Küche.“

„Bist du Koch?“

„Mit irgendwas muss ich mir ja meinen Lebensunterhalt verdienen.“

Was für eine Überraschung! Jay entsprach überhaupt nicht dem Bild eines Kochs, das sie vor Augen hatte. „Was gibt es heute?“

„Kennst du Tortellini?“

„Klar.“

„Bei dieser Art Pasta werden die beiden Ärmchen zusammengebunden, bis sie sich berühren.“ Jay führte ihre Beine nach oben, bis sich die Oberschenkel an ihre Brust schmiegten. Dann öffnete er das Seil an ihren Handgelenken und knüpfte es mit flinken Bewegungen an die Fußgelenke. Wieder war Alice innerhalb einer Minute hilflos. Sie lag auf dem Rücken wie ein Käfer.

„Siehst du, so.“

Diese Fesselung brachte ein ganz anderes Gefühl als zuvor. Immerhin streckte sie auf diese Art und Weise Jay ihren Hintern entgegen. Nein, viel schlimmer. Ihre Vulva.

Als Jay aufstand, und sie langsam umrundete, fühlte sie sich seinen Blicken ausgeliefert. Was konnte er alles sehen? Das Höschen war in dieser Haltung strammgezogen, sie spürte, dass es auf einer Seite ihres Hinterns zur Spalte hin gerutscht war. Und erst recht zwischen ihren Beinen. War ihre Vulva überhaupt noch bedeckt? Zu ihrer Beschämung erkannte sie, dass sie längst feucht war. Der Stoff war bestimmt durchsichtig, zumindest würde er sie verraten. Was würde Jay dazu sagen, was tun?

Als er nach ihrem Bein griff, zuckte sie heftig zusammen. „Ruhig, Kleines. Nur eine kleine Steigerung.“

Sie spürte seine Finger, wie sie sich zwischen ihre Knöchel schoben, ein weiteres Seil, das über ihre Haut glitt. Gänsehaut war die Folge. Sie atmete schwer und wieder war sie unsicher, ob es tatsächlich allein der Stellung zu verdanken war.

Sie sah, wie er das Seil durch den Ring schob, es verknotete, dann hörte sie das Rasseln der Kette, die diesen Ring nach oben hob. Nur wenige Zoll, bis ihre Beine so weit gestreckt waren, wie die Arme es zuließen. Alice hob Kopf und Oberkörper an, um dem Zug zu entgehen, was Jay sofort dazu brachte, das Seil weiter anzuziehen.

So ließ er sie hängen.

Wärme. Auch Erregung. Ungewissheit. Etwas Angst.

Eine Hand in ihrem Nacken, der ihren Kopf abstützte. „Hey, wie geht es dir?“ Jays Stimme war erstaunlich sanft.

Alice schaute ihm in die Augen. Warme Augen. Keine fiesen Augen, die ihr etwas antun wollten. Ein Fremder, der innerhalb einer halben Stunde zu einem guten Bekannten geworden war. Zumindest fühlte es sich so an. Kein Freund, erst recht nicht mehr. Aber sie fühlte sich tatsächlich wohl in seiner Gegenwart.

„Alles gut, Jay. Aber … seltsam.“

„Das ist nur ein Vorgeschmack, kleine Tortelloni. Nur ein Häppchen. Du erinnerst dich, dass ich dich sofort befreie, wenn du es willst?“

„Stimmt. Noch ein bisschen. Ich soll ja …“

„Du sollst. Willst du es auch?“ Seine Augen verengten sich.

„Ja. Ich will es auch. Es fühlt sich trotz allem gut an. Ungewohnt, aber gut.“

„Es kann auch ganz anders sein. Wir werden es herausfinden. Für heute reicht es.“

6

Alice lag in der Wanne ihres Hotelzimmers. Heute war ihr danach. Nicht wegen der Kälte draußen, die sich in Grenzen hielt, eher wegen des unbestimmten Gefühls, Schutz zu brauchen, Wärme, Geborgenheit. Ob man das anders empfand, wenn man mit dem Mann, der einen band, auf sexuelle Weise verbunden war? Sie würde Jay fragen.

Nachdem Jay Tortellini für sie gekocht hatte – seine Art von Humor, schien ihr – hatten sie sich für morgen Abend verabredet. Sie durfte so oft sie wollte für die nächsten drei Wochen zu ihm kommen. Hunter hatte das mit ihm vereinbart und Jay daraufhin alle seine anderen Termine abgesagt. Lag es daran, dass Jay nichts anderes zu tun hatte oder an Hunters Einfluss? Sie war unsicher, ob Hunter irgendeinen Einfluss hatte. Auf sie wirkte er so, aber war es tatsächlich so? Was tat er überhaupt?

Von: Hunter

An: Alice

Gut angekommen?

Hatte Hunter gespürt, dass sie an ihn dachte?

Von: Alice

An: Hunter

Ja. Danke für die Vermittlung an Jay. Er ist sehr nett.

Von: Hunter

An: Alice

Nett? Sicher, das kann er auch sein.

Alice starrte verunsichert auf den Bildschirm. Er hielt also Jay nicht für nett? Was wusste Hunter, was sie nicht wusste?

Von: Alice

An: Hunter

Du meinst, er kann auch anders?

Von: Hunter

An: Alice

Was denkst du? Aber er wird dir nichts tun, was du nicht möchtest.

Von: Alice

An: Hunter

Und wenn ich Sex von ihm will?

Von: Hunter

An: Alice

Dann wirst du den bekommen.

Warum nur störte es sie, dass er dagegen nichts einzuwenden hatte? Blöd. Sie hatten keinerlei Verbindung. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte, wie er es zweifelsohne auch tat.

Von: Hunter

An: Alice

Was tust du gerade? Jedenfalls keinen Sex, so schnell wie du antwortest.

Von: Alice

An: Hunter

Ich mache es mir mit der anderen Hand. Sie konnte sehr wohl austeilen.

Von: Hunter

An: Alice

Sehr schön, aber auch sehr einsam. Dann frag lieber Jay. Das wird dir eindeutig mehr Spaß bringen. Bis morgen.

Sie ärgerte sich über ihn. Es ging ihn überhaupt nichts an, was sie tat und mit wem sie es tat.

Aber dann tat sie genau das, was sie eben geschrieben hatte. Sie streichelte sich und stellte sich vor, wie es wäre, wieder hilflos zu sein, von Seilen gehalten und dann von dem richtigen Mann gestreichelt zu werden. Nicht unbedingt von Jay. Aber auch nicht von Hunter.

„Wir steigern die Fesselung von gestern ein wenig. Übrigens eine tolle Idee mit dem Body.“

Alice hatte den Tag genutzt, um sich in Philly auszustatten. Dabei war ihr ein schwarzer Body mit kurzen Armen und Rundhals untergekommen, der sie perfekt bedeckte und genug Haut übrig ließ, um die Seile zu spüren.

„Heute benutze ich ein anderes Seil. Du sollst spüren, wie unterschiedlich es sich auf der Haut anfühlt.“

Das Seil war dicker, aber auch viel weicher als das von gestern. Außerdem roch es nicht so seltsam.

Sie saß auf der Matte, die Oberschenkel nah an den Oberkörper gezogen, die Unterschenkel in der Luft. Jay wickelte ein Seil um beides, so dass die Beine fest an ihre Brust gezogen wurden, die Arme blieben frei. Vorerst. Denn im nächsten Schritt band er ihre Handgelenke seitlich an die Fußgelenke. Die Fesselung war der gestrigen äußerst ähnlich, außer dass die Seile sie noch fester umschlossen.

Das fühlte sich gut an. Wie ein Sicherheitsgurt beim Klettern, als würde sie gehalten und es könne ihr nichts geschehen.

Ihr Eindruck änderte sich blitzschnell, als Jay sie an den Schultern fasste und sie auf den Rücken legte. Der Wechsel von Schutz zu Hilflosigkeit kam so überraschend, dass Alice heftig die Luft einsog. Jays Hand legte sich auf ihre Stirn. „Ruhig. Wie geht es dir damit?“

„Ich gebe zu, dass es mich überrascht hat, aber es ist gut.“ Sie gewöhnte sich an die Haltung.

Jay legte eine Hand auf ihre Wade, dann ließ er sie entlang ihres nackten Beins nach unten gleiten. Langsam. Provokant. Sie ahnte, was er ihr zeigen wollte. Dass sie sich weder gegen seine Finger noch seine Absichten wehren konnte. Ihr Schicksal lag in seiner Hand. Diese glitt jetzt über ihren Hintern, dann sogar zwischen ihre Beine, die Stelle, die sie ihm genauso präsentierte wie gestern.

Sie sagte nichts. Es fühlte sich keineswegs unangenehm an. Wärme breitete sich in ihr aus. Der Mann neben ihr war nicht unsympathisch, wenn seine Anwesenheit sie auch nicht erregte. Nur seine Handlung tat das. Seine Berührung.

„Dies ist eine Position, die zu vielen Dingen einlädt“, erklärte er ihr mit sanfter Stimme. Ich könnte deine Füße kitzeln, bis du nicht mehr kannst.“

Alice überlief ein Schauder.

„Ich könnte deinen Arsch versohlen mit was auch immer mir in die Hände kommt. Ich mag Bratenwender und Holzlöffel gerne.“

„Aber du wirst es nicht tun.“ Sie wollte keine Zweifel aufkommen lassen.

„Nein. Weil du noch nicht soweit bist. Aber ich könnte auch einfach in dich eindringen. In deine Pussy oder deinen Arsch.“

Feuchtigkeit flutete ihre Pussy und sie konnte rein gar nichts dagegen tun. Ihr Geruch stieg in ihre Nüstern. Mist.

„Siehst du, der Gedanke gefällt dir.“ Seine Hand strich erneut über den Stoff zwischen ihren Beinen. „Erinnerst du dich, dass ich sagte, du sollst mich darum bitten?“

Alice konnte nicht nicken, nicht in dieser Lage. Also musste sie es aussprechen. „Ich erinnere mich.“

„Okay. Du möchtest mich nicht darum bitten?“

Sie zögerte ganz kurz. „Nein.“

Er lachte leise. „Das wird sich noch ändern, meine Schöne.“

Überrascht über diese Ansprache schaute sie ihn an. Sie empfand sich nicht als schön. Hübsch ja. Ansehnlich. Aber nicht schön.

„Du bist schön, Kleines, auch wenn du es nicht zu glauben scheinst. Diese Haltung ist dir zuträglich.“ Seine Hand klatschte leicht auf ihre Flanke. „Aber wir haben zu tun. Schluss mit dem Faulenzen.“

Nach einer kurzen Pause und einem Glas Wasser band er sie in einer neuen Pose. Gleiche Ausgangsposition, auf dem Hintern sitzend, band er jede Hand an ein Fußgelenk, dann unterstützte er die Fesselung mit weiteren Seilen um Unterarme und Knie.

Wieder eine dieser Haltungen, die sich nicht unangenehm anfühlte. Aber diesmal ahnte Alice schon, was passierte. Tatsächlich legte er sie erneut auf den Rücken. Wieder war sie hilflos wie eine Schildkröte, dabei konnte sie nicht einmal mit Armen und Beinen rudern. Dass sie sogar die Beine spreizte, als wolle sie sich dem Mann anbieten, brachte sowohl Wärme als auch Feuchtigkeit zehnfach in ihren Unterleib. Verdammt! Sie würde ihn keinesfalls bitten, sie zu ficken, aber sie verstand, wieso er sich dessen so sicher sein konnte. Sie würde es irgendwann tun.

Wieder legte er die Hand auf ihre Beine, berührte sie, strich entlang der Innenseite herab, streifte kurz ihren Schritt und wanderte auf der anderen Seite herauf. Nicht drängend, nicht mit der Absicht, sie heißzumachen. Er schaffte es trotzdem. Ganz beiläufig nahm er sich ein Seil und fasste es so, dass ein Stück zwischen seinen Händen strammgezogen wurde.

„Das Seil hat viele besondere Eigenschaften. Es kann sanft sein und ist doch fest. Es ist hart und fühlt sich doch weich an. Es drückt und zwickt manchmal, aber es umarmt dich dabei auch. Es kann einschneiden“, dabei zog er das freie Stück so über ihre Scham, dass es sich zwischen ihre Lippen drängte, „es kann zärtlich sein. Es nimmt Geruch an.“ Er hob das Seil an seine Nase und schnupperte daran, dabei grinste er sein breites Zwergengrinsen. „Es ist intim wie Unterwäsche, und zugleich ein Luder, das unversehens Schmerzen bereiten kann.“ Das Seil glitt über ihr Bein, ein eigentümliches Streicheln. „Ich liebe meine Seile. Ich liebe, was sie mit einem Menschen tun können. Aber ich achte sie auch, denn die Liebe kann unversehens in Schmerz umschlagen.“ Er zog das Seil fest an, so dass es sich in das Fleisch ihres Oberschenkels einschnitt.

Alice fühlte sich wie hypnotisiert von seinen Worten. Er zauberte mit ihnen und seinem kleinen Stück roten Seils ein Netz um sie, in dem sie sich verfing.

„Morgen werde ich dir zeigen, was das Seil noch kann. Wie es sich anfühlt, wenn es sich in deine Haut einschneidet. Wenn es dir Schmerzen bereitet.“

Warum fühlte sich die Aussicht nicht erschreckend an, sondern verführerisch?

7

„Heute kommt es auf Kommunikation an. Nicht nur heute, um genau zu sein, aber bei dieser Art der Fesselung ganz besonders. Das Seil kann auch mal schmerzen, wie ich dir gestern schon sagte. Aber es gibt unterschiedliche Arten von Schmerz.“

Alice stand auf der Matte, die Hände vor der Brust überkreuz gelegt und hielt still, während Sir JayB sie umrundete und das festere, rauere Seil um sie schlang, es geduldig und äußerst akkurat verknotete.

„Es gibt Schmerzen, die kannst du aushalten. Sie werden dir unangenehm sein, aber dann gewöhnst du dich daran und sie werden das Gefühl des Gefesseltseins unterstützen. Bis hierher alles in Ordnung?“

„Ja, Sir.“ Heute war Jay anders, bestimmter, aber auch noch ruhiger als die Tage zuvor. In sich ruhend würde sie sagen. Seine Ruhe griff auf sie über, verlangsamte ihren Herzschlag, ihre Atmung. Obwohl er sie kaum berührte, höchsten mit den Fingern beim Greifen der Seile oder ein Streifen der Arme beim Umwickeln, fühlte sie sich umarmt. Es mussten die Seile sein, die dieses Gefühl erzeugten. Trotzdem war Alice auf der Hut. Wenn er von Schmerzen sprach, würden die unweigerlich kommen. Ob sie diese aushalten konnte?

„Dann gibt es Schmerzen, die tatsächlich auf einen möglichen Schaden hinweisen, der dir aus der Fesselung entstehen könnte. Diese Art von Schmerzen musst du unbedingt kommunizieren. Damit ich entscheiden kann, zu welcher Art sie gehören, meldest du mir bitte jede Art von Unbequemlichkeit. Auch wenn es sich am Anfang so anfühlt, als sei es nur wenig störend. Hast du das verstanden?“

„Ja, habe ich, Sir.“

„Sehr gut. Ich weiß, dass du noch nicht sehr viel Erfahrung gesammelt hast. Hunter meinte, du seist Anfängerin. Deshalb erkläre ich dir noch ein paar grundlegende Dinge.“ Seine Finger nestelten jetzt an dem Seil in ihrem Rücken auf Taillenhöhe, dann strichen sie außen an ihren Beinen nach unten. Es war keine speziell sexuelle Berührung, eher ein Tasten, um sich ihre Konturen einzuprägen.

„Du bist mit verantwortlich. Es mag zwar so scheinen, als läge alle Verantwortung bei mir, deinem Rigger. Aber das stimmt nicht. Und das gilt für alle Sessions im Bereich BDSM. Nein, tatsächlich gilt es für alles, was du im Leben tust. Auch wenn du gerne die Verantwortung abgeben möchtest, falls das dein Ziel im BDSM sein sollte, kannst du sie nicht völlig abschieben. Nicht, solange du noch zurechnungsfähig bist.“

„Zurechnungsfähig?“

„Es wird der Tag kommen oder die Stunde, in der du nicht mehr Herr über deinen Körper bist, in der du abtauchst, dich verlierst. Dann ist allein der Dom, der dich dorthin gebracht hat, zuständig. Aber so weit sind wir noch nicht.“

Alice spürte, wie er ein Seil, das noch von ihrer Fesselung im Rücken herabhing, nach oben zog und es um den Ring legte, der schon mehrfach im Einsatz gewesen war. Wollte er sie etwa hochziehen? Sie traute sich nicht, zu fragen. Immerhin tat ihr nichts weh.

„Alles gut bis hierher?“

Sie nickte, dabei merkte sie, dass sie tatsächlich nicht mehr als ihren Kopf bewegen konnte. Klar konnte sie Schritte tun, wenn sie es wollte, aber ihr Oberkörper war nun straff an dem Ring befestigt. Lag es an den überkreuzten Armen an ihrer Brust, dass sich das Gefühl einer Umarmung verstärkte? Oder an dem Wissen, dass sie nicht mehr wegkonnte?

„Ich bevorzuge verbale Kommunikation. Ab jetzt wirst du mit mir sprechen. Kein Nicken oder Kopfschütteln, sondern klares ja und nein.“

„Okay, ich habe verstanden.“

„Heb dein rechtes Bein. Stell den Fuß auf dein Knie. Dreh es weiter nach außen.“

Das nächste Seil verband Oberschenkel mit Wade. Das fühlte sich sehr eigenartig an. Und die Tatsache, dass sie nur noch auf einem Bein stand, sorgte für eine Welle an Unsicherheit. Was, wenn dieses Bein sie nicht mehr trug? Was, wenn sie umknickte, ihre Knie nachgaben?

Jays Hände strichen beruhigend über ihren Körper. „Das andere Bein bleibt auf dem Boden. Die ganze Zeit. Du hast Halt. Du kannst stehen. Du wirst es nicht anheben. So weit bist du noch nicht.“

„Ja, Sir.“ Alice war ganz auf sich konzentriert. Auf die widersprüchlichen Gefühle in sich. Gehaltenwerden und Unsicherheit im Stand. Sie fühlte sich sicher bei Jay, aber zugleich wusste sie, dass ihr Körper auch Schwächen hatte.

Zug an dem gefesselten Bein. Oh nein! Jay zog das Ende des Seils nach oben und befestigte es ebenfalls an dem Ring. Dabei straffte er es so weit, dass ihr Bein viel weiter nach oben und außen gezogen wurde, als sie es freiwillig getan hätte. Diese Haltung war so … obszön? Wieder lag ihre Scham frei, nur bedeckt von dem bisschen Stoff des Bodys, den sie am Tag gewaschen und getrocknet hatte. Immerhin war der Stoff noch nicht feucht.

Noch nicht? Warum dachte sie so etwas? Sie musste nicht feucht werden von einer derart unpersönlichen Fesselung. Nein, damit tat sie Jay unrecht. Er verhielt sich keineswegs unpersönlich. Auch die Tatsache, dass sie sich nun schon drei Tage hintereinander trafen, sorgte für eine Vertrautheit, die sie in den letzten Jahren kaum mit einem Mann empfunden hatte.

Deshalb musste sie gar keine Scham empfinden, dass sie ihm ihren Intimbereich so präsentierte. Bis auf die Sache mit dem Extraseil gestern hatte er keinerlei sexuelle Handlung an ihr vorgenommen.

Jay zog die Kette an, sie hörte das Sirren des Motors. Der Zug sorgte dafür, dass sie sich strecken musste. Versuchsweise stellte sie sich auf die Ballen.

„Ts, ts. Haben wir nicht eben darüber gesprochen?“ Jay stellte sich ganz nah vor sie, den Blick stählern. „Stell dich auf den Fuß. Sofort!“

Eingeschüchtert ließ Alice sich herab. Sie war nicht in der Position, sich gegen seine Autorität zu stellen. Ihre Abhängigkeit wurde ihr bewusst. Kontrollverlust. Die inzwischen schon gewohnten Schauer liefen über ihren Rücken.

„Was hältst du von dieser Position?“

„Ah …“ Alice musste sich räuspern, da ihre Stimme belegt klang. „Sehr … eng. Das Seil hält mich aufrecht. Und …“

Seine Mundwinkel zogen sich langsam nach außen. „Und?“

„Und offenherzig.“

„Ist dein Handy mit einer Sperre versehen?“

„Sicher.“ Nicht sicher war Alice über die plötzliche Wendung in ihrer Unterhaltung.

„Dann wirst du mir die PIN nennen. Du kannst sie später ändern, wenn du magst. Oder erst, wenn dieses Projekt abgeschlossen ist, wenn ich es mir recht überlege.“

Jay kramte ohne Scham in ihrer Tasche, wie sie aus dem Augenwinkel erkennen konnte.

Alice seufzte. Sie war eindeutig nicht in der Position, sich zu sperren, also konnte sie genauso gut ihr Handy entsperren.

„Ich mag diese Haltung. So gerade, sehr stolz. Zugleich offen und intim. Weißt du das zu schätzen?“ Sie hörte den Humor in seiner Stimme, den sie nicht wirklich nachvollziehen konnte.

„Noch nicht. Vielleicht weil ich keine Gelegenheit hatte, es zu genießen.“ Sie versuchte sich in Sarkasmus, doch sie war nicht sicher, ob es so ankam.

„Keine Sorge, diese Zeit werde ich dir gönnen. Aber zuerst schieße ich ein paar Fotos. Zur Erinnerung.“

Alice war nicht wirklich erbaut davon, aber immerhin würde sie die Macht über die Fotos haben. Sie konnte sie löschen oder behalten, wie es ihr beliebte.

Zuerst machte er mehrere Aufnahmen aus einiger Entfernung, vermutlich würde sie darauf ganz zu sehen sein. Der Blickwinkel, aus dem er genau auf ihren Unterleib hielt, war ihr unangenehm. Die würde sie auf jeden Fall löschen.

Dann kam er vier Schritte auf sie zu. Er fotografierte das Muster auf ihrer Brust, das ihre Hände verschnürte. Da sie es nicht selbst erkennen konnte, freute sie sich auf diese Aufnahmen. Ob der Anblick das Gefühl hervorrufen konnte?

Als er sich auf ein Knie herabließ, schräg rechts vor ihr, zerrte sie unwillkürlich am Seil. Das keinen Inch nachgab. Verdammt!

„Weißt du“, sein Konversationston machte sie sofort misstrauisch, „so ein Body ist äußerst praktisch. Diese Druckknöpfe sind sehr verführerisch.“

Oh nein. Das würde er nicht wagen. Oder doch?

Er legte ihr Handy weg. Stand auf. Trat näher.

Alice versteifte sich, trotzdem spürte sie Hitze in sich aufsteigen. Hitze bei dem Gedanken, dass dieser Mann sie gleich anfassen würde, sie anschauen würde. Sie riechen würde. Oh nein! Das konnte er vermutlich jetzt schon.

Er trat mehrere Schritte zurück, ging dann um sie herum in Richtung eines Regals, in dem sauber seine Seile nebeneinanderlagen. Was kam jetzt?

Er war schnell zurück und ließ mit der geübten Bewegung, die sie inzwischen kannte, das Seil entrollen. Diese Bewegung faszinierte sie, sie zeugte von viel Erfahrung und enormer Expertise. Mit überraschend schnellen Bewegungen wickelte er das Seil um ihre Hüfte, verknotete es, dann schlang er es zwischen ihren Beinen hindurch, bis es sie wie ein mittelalterlicher Keuschheitsgürtel umschloss. Er zog es an. Noch mehr.

Alice spürte, wie das Seil sich zwischen ihre Schamlippen drängte, wie es in ihre Spalte rutschte. Sie glaubte, die raue Oberfläche an ihrem Anus zu spüren, aber erst recht auf ihrer Klitoris.

Ihr Atem ging schneller, flacher, ihr Herz klopfte auf einmal sehr laut.

Ein wenig Erleichterung brachte es, als er wieder einen Schritt zurücktrat, doch dann legte das Rauschen ihres Blutes noch einen Zahn zu. Er hatte erneut ihr Handy in der Hand, richtete die Kameralinse auf sie. Nur auf ihren Unterleib.

„Meinst du, dass man auf den Fotos sehen kann, wie feucht du bist? Ich kann es erkennen, aber es hängt vermutlich an der Qualität der Kamera, ob es auf den Fotos zu sehen sein wird.“

Oh Gott! Scham. Hitze. Erregung. Eine faszinierende Mischung.

„Lass mich dir helfen.“

Sein Finger glitt am Bauch unter das Seil, dann streifte er damit nach unten. An ihrem Venushügel blieb er hängen, brauchte Kraft, um das Seil so weit zu dehnen, dass sein Finger darunter passte. Er rutschte tiefer, sein Knöchel streifte ihre Klit. Oh nein. Nicht nur der Knöchel. Einer der Druckknöpfe wurde auf ihre empfindlichste Stelle gepresst, die sich seltsam geschwollen anfühlte, ungewohnt dick, wo sie doch sonst kaum zu sehen war, gut geschützt durch ihre Schamlippen. Ihre Handflächen spürten sehr gut, wie sich die Nippel aufstellten, der Druck darauf eher zu schwach, so dass sie nachhalf, die Hände stärker auf ihre Brüste presste. Mehr konnte sie nicht tun, keinen Finger krümmen, nicht zwicken, streicheln oder zupfen, wie sie es liebend gerne getan hätte. Genauso wenig konnte sie dorthin fassen, wo sie es am nötigsten hatte.

Jay war weitergewandert, der Druck auf ihrer Klit entstand alleine durch den Zug des Seils.

„Etwas eng, oder? Der Knopf ist doch zu hart für diesen zarten Punkt. Komm, lass mich dir helfen.“

Sarkasmus, klar. Welche Wahl hatte sie? Hilflos. Gefangen. Wehrlos. Jedes dieser Worte ließ sie erregter werden, feuerte ihre Synapsen an, ließ ihr Kopfkino auf Hochtouren laufen.

Diesmal verwandte er mehrere Finger, zupfte die Teile auseinander, zog daran, bis die beiden seitlichen Druckknöpfe aufgingen. Das leise Klicken tönte wie Schüsse durch den stillen Raum. Noch einer. Nicht so einfach, wie sie seinen Bewegungen entnahm. Er war eindeutig eingeklemmt vom Seil, ließ sich nicht so einfach befreien. Mehr Finger unter dem Seil, an dem Stoff, darunter. Sie streiften sie nur, fassten nicht mit Absicht auf das Nervenbündel, streichelten nicht gezielt. Doch das war eher schlimmer.

Gott, in ihr krampfte sich alles zusammen. Das Herz schlug ihr inzwischen bis zum Hals, ihr Blick war unscharf, als schaute sie durch eine beschlagene Brille. Nur noch diese Stelle zählte, dieser Quadratzentimeter in ihrem Zentrum.

Endlich poppte der Knopf, öffnete sich, legte sie frei. Sie atmete aus, merkte erst jetzt, dass sie den Atem angehalten hatte. Zittriges Schnauben, flatternde Lider, bebende Nasenflügel.

Und er direkt vor ihr, nah, so nah.

Sie baumelte jetzt ganz im Seil, den Fuß noch auf dem Boden, aber keinesfalls mehr als Stütze. Sie überließ sich dem Halt der Seile, ließ sich tragen. So gut, so sicher.

Jay ließ ihr diesmal Zeit. Wie viel wusste sie nicht, aber sie ließ sich hängen, gefangen in ihrer eigenen Welt.

„Noch ein Foto. Oder zwei.“ Seine Stimme hörte sich an, als käme sie aus weiter Ferne. Nein, er stand keine zwei Yards entfernt. Sie konnte ihn wieder sehen, verstand langsam, was er wollte.

Und spürte den Luftzug an ihrer Vulva. Er hatte die Enden des Bodys ein Stück zurückgezogen, sie offengelegt. Ihre intimste Stelle bloßgelegt.

Sie hörte das Geräusch, das die Aufnahmen begleitete. Eine heiße Welle von Scham überlief sie. Dabei wusste sie zugleich, dass er auch durch die Kamera nicht mehr zu sehen bekam, als er ohnehin schon gesehen hatte. Dass sie die Aufnahmen anschauen konnte oder auch nicht.

Schwer atmend schaute sie ihn an, als er ein letztes Mal auf den Auslöser drückte, diesmal mit ihrem Gesicht im Fokus.

„Alles in Ordnung?“ Auch seine Stimme klang belegt. War er erregt? Sie konnte seinen Schritt nicht sehen, sie musste das später prüfen. Sie würde den Teufel tun und ihn danach fragen. Männer fassten das nach ihrer Erfahrung als Aufforderung auf.

„Ich denke schon. Am Bein tut es inzwischen weh, aber es geht noch.“

„Hatten wir nicht vereinbart, dass du mir das gleich sagen sollst?“

„Hatten wir nicht vereinbart, dass du mich nicht anfasst?“

„Hast du nein gesagt? Oder hör auf? Ich habe nichts dergleichen gehört.“

Alice blieb stumm. Natürlich hatte sie nichts gesagt. Sie war so gefangen … Bei diesem Gedanken musste sie einfach grinsen.

„Alles gut?“

„Ja. Glaub schon.“

„War es schlimm? Hat es dich gestört?“

„Klar hat es mich gestört. Ich habe mich geschämt.“

„Das ist wunderbar. Anscheinend nicht schlimm genug, als dass es dir zu viel geworden wäre. Siehst du, du hast heute wieder was gelernt.“

Bei der Verabschiedung drückte er ihr das Telefon in die Hand. „Hier, Material für dein abendliches Bad.“

8

„Du hast mit ihm gesprochen!“ Alices Stimme war voller Wut. Diesmal konnte sie es nicht bei Nachrichten belassen, sie musste mit Hunter telefonieren.

„Hast du vergessen, dass ich dich an ihn vermittelt habe? Wir kennen uns schon lange.“

„Aber du hast es ihm erzählt!“

„Dass du in der Wanne masturbiert hast? Ich glaube, das hätte er auch so vermutet. Weißt du, er geht nur auf dich ein. Könnte er dich nicht erregen, würden die Seile dich nicht erregen, hätte er dich nicht angefasst. Schon gar nicht so wie heute.“

„Das weißt du auch schon?“ Sie konnte das Entsetzen nicht zurückhalten. Sie hatte Jay vor einer halben Stunde verlassen, sich nur auf dem Weg ins Hotel Dumplings in Chinatown besorgt, das nur wenige Blocks entfernt lag.

„Schick mir ein Bild.“

„Soll das ein Befehl sein?“

„Wie du es auffasst.“

Alice schwieg. Sie hatte die Bilder noch nicht angeschaut. Das würde sie später tun. In der Wanne. Die Entspannung würde ihr guttun. Außerdem mochte sie es, in einer Wanne voller schaumigem Wasser zu masturbieren.

„Mal sehen.“ Sie legte auf. Keinen Nerv für ein weiteres Gespräch. Absolut nicht.

Oh Gott, die Fotos! Auch wenn die Beleuchtung suboptimal gewesen war, so strahlten sie doch eine unglaublich Intimität und Erotik aus. Nicht einmal so sehr die Letzten mit ihrer nackten, feuchten Scham unter dem Seil. Viel mehr die anderen, noch bedeckt von dem Stoff, dem man ansah, dass er von ihrer Nässe durchtränkt war.

Ihre Finger arbeiteten schnell und effektiv. Sie rieb sich, schloss die Augen, genoss den Orgasmus, der sie schnell und heftig überrollte. Nicht nur einmal, sondern dreimal.

Dann sandte sie eines der Fotos an Hunter.

„Wieso erzählst du Hunter alles, was wir hier tun?“

JayB schaute ehrlich verblüfft von seinen Knoten auf, mit denen er gerade eine Spreizstange zwischen ihren Füßen befestigte. „Wieso nicht? Hunter will wissen, wie du auf das reagierst, was wir hier machen.“

„Aber … Hunter ist nicht mein Dom. Das habe ich dir gesagt.“

„Du hast mir gesagt, dass ihr euch nicht lange kennt und nichts miteinander habt. Hunter hat mir gesagt, dass er wissen will, wie du dich verhältst und ob dir gefällt, was wir hier tun. Ich soll deine Neigung einschätzen. Soll ich das sein lassen?“

Hunter kontrollierte also ihre Fortschritte. Oder ihr Befinden. Beides. Ach verdammt, das war so irritierend. Der Gedanke an ihn hatte sie diese Nacht kaum schlafen lassen, trotz ihrer Müdigkeit und der Entspannung durch die drei Orgasmen.

Warum nur hatte sie ihm das Foto geschickt? Kaum hatte sie auf den Senden-Button geklickt, bereute sie es schon. Sie stellte da eine Verbindung zu einem Mann her, den sie nicht einmal leiden konnte. Nein, das stimmte nicht. Sie konnte ihn schon irgendwie leiden. Immerhin half er ihr. Aber er kontrollierte sie auch. War das nur Fürsorge oder schon mehr? Alice hatte von Doms gehört, die ihre Subs unter Kontrolle hielten, und das nicht auf gute Weise. Gehörte Hunter zu dieser Sorte?

„Ist er ein Kontrollfreak?“

„Nein. Er ist ein Top.“

„Was meinst du damit?“

Jay schaute sie irritiert an. „Weißt du das nicht?“

„Ich weiß, dass ein Dom bestimmt, was gemacht wird, dass er befiehlt, dass er stark sein sollte, dass er …“ Was noch? Sie sah die Frauen und Männer aus dem Club vor Augen. Sie kommandierten, sie fickten, sie schlugen. Eigenschaften? Sie konnte keine gemeinsamen erkennen. Sie zuckte mit den Achseln und hob die Brauen.

„Ein verantwortungsvoller Top, der seine Rolle ernst nimmt und sie lebt, bestimmt nicht einfach nur. Er übernimmt die Verantwortung. Für sich und seinen Bottom. Er führt ihn, leitet ihn an, stärkt ihm den Rücken, ist immer für ihn da, ist stark für beide. Vielleicht ist das ‚alte Schule‘, aber ich weiß, dass Hunter fest an diesen Ehrenkodex glaubt und ihn auch lebt. Ohne dieses Gefühl für Verantwortung hätte er sich vermutlich gar nicht eingemischt.“

Das tat weh. Weil es bedeutete, dass er sich nicht für sie interessierte, sondern nur für ihre Idee, einen Club zu eröffnen. Er fühlte sich also verantwortlich. Für alle Subs?

„Leg die Hände hinter dem Rücken zusammen. Na komm, enger. Du bist jung und beweglich, du schaffst das.“

Jung? Na ja. Sie war siebenundzwanzig. Sie seufzte. Sie hätte eigentlich schon viel erreicht haben müssen in ihrem Alter. Stattdessen hatte sie nach dem College herumgetrödelt, hatte zwei Studiengänge angefangen, ehe sie sich endlich für den richtigen entschieden hatte. Zum Glück war dann Tante Alberta eingesprungen und hatte ihr die Pistole vor die Brust gesetzt. „Ich zahle dir das Studium. An der besten Uni, wenn du magst. Aber nur, wenn du mir Stein und Bein schwörst, es auch durchzuziehen.“ Was sie getan hatte.

Das Seil, das sie zwang, ihre Schultern weit nach hinten zu ziehen, zerrte sie zurück in die Gegenwart. „Das ist aber ziemlich unangenehm.“

„Diese Fesselung soll nicht bequem sein. Zumindest nicht für dich.“

Was meinte er damit?

Mit jedem Umschlingen des Seils und jedem Knoten, den er hinzufügte, wurde ihr mehr bewusst, wie recht er hatte. Er verzierte ihren Oberkörper mit einem Muster, das ihre Brüste unter dem Shirt hervorhob und präsentierte.

Ja, heute trug sie nicht den verräterischen Body, sondern eine Leggins, die bis zur Mitte der Oberschenkel reichte und ein Top darüber. Den BH hatte sie auf Anraten von Jay ausgezogen, da er fürchtete, die Drähte des Körbchens würden sich sonst unangenehm in ihre Haut bohren. Dafür wollte er keine Verantwortung übernehmen. Da Alices Brüste nicht besonders groß waren, machte ihr das nichts aus. Sie trug BHs mehr aus Gewohnheit, weil man es eben tat. Außerdem hatte Tante Alberta immer wieder darauf hingewiesen, dass sie in ihrem Alter den Grundstein legte für eine gute Figur bis ins hohe Alter.

Außer ihrem Oberkörper band er allerdings auch ihre Arme mit ein, dabei zog er die Oberarme enger zusammen, als ihr lieb war. Es tat nicht weh, noch nicht, aber sie fühlte sich extrem eingeengt. Und doch … Wie konnte sie sich gut fühlen mit mehreren Metern Seil um sich herum?

Wie gestern führte er das Seil auch zwischen ihren Beinen hindurch und verknotete es um ihre Hüfte. Bei diesen Berührungen wurde ihr bewusst, wie hilflos sie wieder einmal war. Würde er sie heute auch anfassen? Wollte sie das? Nein, sonst hätte sie ja den Body wieder angezogen. Trotzdem erfasste sie eine Unruhe, eine Erwartung. Was würde er tun? Wie weit würde er gehen?

Halt, stopp. Richtig musste es heißen: Wie weit würde sie ihn gehen lassen? Es lag doch an ihr.

Er hob ihre Hände an, was sie dazu zwang, sich nach vorne zu beugen. Sie konnte ihre Arme nicht mehr anwinkeln oder überhaupt bewegen, nur noch ihren Oberkörper in gerader Linie absenken. „Was machst du?“

„Ich zeige dir, wie man eine aufsässige Sub unter Kontrolle hält. Eigentlich genügt dafür die Fessel um deine Handgelenke und das Seil nach oben. Das nennt sich Strappado. Es ist eine Foltermethode, aber nur, wenn man das Opfer hängen lässt. Solange du stehst, ist es sicher. Keine Angst.“

Gänsehaut spross auf Alices Haut. Foltermethode?

„Schon gut, Kleines, ich werde dich nicht foltern. Nicht einmal schlagen. Obwohl dein Arsch wahrlich dazu einlädt.“ Seine Hände strichen die Rundungen ihres Hinterns nach. „Wie gesagt: Das hier ist keine Fesselung, die zu deinem Wohlgefühl gedacht ist, sondern eine zur Strafe. Wäre ich dein Top, würde ich dich so festbinden, dann deinen Arsch rosa schlagen oder feuerrot, je nach Lust und Laune. Danach würde ich dich so ficken.“ Seine Finger glitten sanft, sehr sanft, über ihre Vulva.

Oh nein! Ein Schalter in Alices Kopf legte sich um und sie befand sich wie gestern an einem Ort, an dem sie ganz und gar auf ihren Körper konzentriert war.

„Weißt du auch, wofür ich dich bestrafen möchte?“

Was? Es war anstrengend, seine Frage aufzunehmen, sie zu verstehen.

„Du bist hereingekommen, hast mich nicht begrüßt, stattdessen hast du mich angepflaumt. Noch dazu wegen einer Sache, die du gar nicht mit mir ausmachen musst, sondern mit Hunter.“

Hunter. Genau. Sie musste das mit Hunter ausmachen. Damit er sie nicht bestrafen konnte.

Finger an ihrem Hintern, die durch den Spalt von oben nach unten glitten, leichten Druck auf ihren Anus ausübten, ihn umkreisten, dann weiterwanderten, tiefer, tiefer. Oh Gott. Ja bitte. Sie biss sich auf die Zunge, nicht so sehr, um die Worte zurückzuhalten, sondern weil sie noch eine Weile in diesem Traum verbleiben wollte. Diese Haltung. Das musste es sein. Sie machte etwas mit ihr. So demütig. So hilflos.

Ja, bitte, mach weiter, ging es in ihrem Kopf rund. Finger rieben zart über ihre Schamlippen, erst ganz leicht, dann fester. Nur äußerlich. Und mit Stoff dazwischen. Mh. Nur zu gern wäre sie den Stoff losgeworden. Er könnte ihn zerreißen. Das jagte einen Schauer über ihre Haut.

Eine leise Stimme, kaum mehr als ein Flüstern. „Diesen Gedanken wüsste ich gerne. Was hat dich so angemacht, Kleines? Was lässt dich so zittern? Die Vorstellung, ich könnte dich einfach so ficken? Oder dass ich dich schlagen könnte? Magst du deinen Arsch rosa und heiß?“

Alice schüttelte den Kopf. Nein, das war es nicht. Irgendwie schon, aber nicht jetzt. Nein, keine Schläge. Was sie viel mehr erregte, war das Ausgeliefertsein. Willenlos zu sein.

Erregt. Ja, sie gestand es sich ein, es erregte sie. Es machte sie heiß und feucht und geil. Hunter – nein, Jay hatte es ihr vorausgesagt, dass sie betteln würde. Ihn um Sex bitten würde. Aber das würde sie nicht tun. Die Vorstellung musste genügen. Die Vorstellung, wie er den Stoff mit beiden Händen packte, ihn zerriss, wie er ihren Slip zur Seite zerrte, wie sein harter Schwanz sich an ihre Lippen drängte, sich in ihrer Spalte befeuchtete, sich in sie drängte, sie ausfüllte bis zum Anschlag.

Schmerzen breiteten sich in ihren Schultern aus. Sie konnte sie nur verhindern, indem sie sich wieder auf ihre Fußsohlen herabließ, ihren Hintern absenkte.

Oh Gott! Sie hatte sich ihm angeboten, hatte ihm ihren Arsch entgegengereckt wie eine läufige Hündin. Voller Scham schloss sie die Augen. Jay rieb sie mit seinen Fingern, mit kundigen Fingern fuhr er seitwärts an ihrer Klitoris vorbei, bezog ihre Schamlippen mit ein, übte genau die richtige Menge Druck aus. Der Stoff der Leggins hatte sich in ihre Spalte geschoben, trug zur Reibung bei. Eine Barriere, die kaum als solche diente, weil der Stoff so feucht war.

„Hör auf.“ Ein Flüstern, eine Bitte, kein Befehl. Eher ein Flehen.

Sofort verschwanden die Finger. Alices Unterleib krampfte. Sie hätte ihn beinahe angeschrien, fortzufahren, nur noch ein Rest ihres Willens hielt sie davon ab. Sie wollte keinen Sex mit Jay. Oder? Er war ihr nicht mehr fremd. Kein Mann, den sie sich auf der Straße ausgesucht hätte, aber durch diese Treffen war sein Aussehen immer weiter in den Hintergrund gerückt. Sie waren verbunden durch die Intimität der Fesselungen, durch zarte Berührungen, durch das Vertrauen, das sich zwischen ihnen aufgebaut hatte.

Vertrauen, das verstärkt wurde durch seine Reaktion auf ihre Bitte. Er senkte schon das Seil, das sie in diese Lage zwang, herab, half ihr mit den Händen an ihren Oberarmen dabei, sich wieder aufzurichten.

Sie spürte den Nachhall der unbequemen Lage, verstand seinen Hinweis auf Foltermethoden. Ja, das konnte auf Dauer extrem schmerzhaft werden. Oder wenn man in eine Haltung mit noch tieferem Oberkörper gezwungen wurde. Aber sie war freiwillig tiefer gegangen, als ihre Schultergelenke es für gut befanden. Sie hatte sich freiwillig dargeboten. Das also konnten die Seile auslösen. In Verbindung mit Stimulation jedenfalls.

Sie fühlte sich erhitzt, verschwitzt gar, als hätte sie sich angestrengt, was definitiv nicht der Fall gewesen war. Nachdem Jay die Fesselung ihrer Hände gelöst hatte, holte er einen Hocker und drückte sie auf die Sitzfläche. „Setz dich. Du bist ganz zittrig.“

Ja, es stimmte. Sie fühlte sich schwach, eine Art Beben, das tief aus ihrem Unterleib kam. Woher kam das?

Als hätte er ihre ungestellte Frage gehört, antwortete Jay. „Manchmal kann das Zittern nach einer Session auftreten. Ein Weg deines Körpers, mit Stress umzugehen. Eine Art Befreiung von der erzwungenen Haltung bei Fesselungen, in denen du dich nicht wirklich bewegen kannst. Das vergeht gleich wieder.“

Noch immer löste er die Fesseln, zuletzt die Spreizstange. „Ich hole dir ein Glas Wasser. Bleib hocken.“

Das Wasser tat gut. Mehr noch das, was Jay dann mit ihr tat. Er hob sie hoch, trug sie zu seinem riesigen Sofa und ließ sich dort mit ihr auf dem Schoß nieder. Im Sitzen wirkte Jay riesig, sie konnte bequem ihren Kopf an seine Brust legen, sein Kinn ruhte auf ihrem Scheitel.

Seine Arme umfingen sie, hielten sie fest. Keiner sagte etwas, aber es war auch unnötig. In Alices Kopf ging es rund. Sie musste die Emotionen verarbeiten, die sie eben empfunden hatte. So viele auf einmal, gänzlich gegensätzliche, verwirrende Gefühle. Und dann noch das Wissen, dass sie tatsächlich an Hunter gedacht hatte. Als wäre er anwesend.

Warum? Sie hatte ihn nie in Betracht gezogen. Nicht als Dom, weder dauerhaft noch temporär. Er war viel zu unnahbar, hatte zu scharfe Augen, einen zwar schön geschwungenen, aber zugleich harten Mund. Sein Dreitagebart ließ ihn verwegen aussehen, die leicht zerzausten Haare ihn wirken, als käme er gerade vom Segeln oder von einem Rennen, bei dem ihm der Wind die Frisur weggeblasen hatte.

Kein Mann, von dem man träumte. Kein Mann, von dem sie träumte, korrigierte Alice sich. Ach verdammt. Das musste sie getrennt von dem eben Erlebten betrachten. Unbedingt, sonst verband sich das Gefühl der Fesselung am Ende noch mit Hunter. Erneut lief ein Schauer über ihren Rücken, was Jay mit einer noch festeren Umarmung beantwortete. „Willst du reden?“

Sie schüttelte den Kopf. Nein. Lieber nicht. Auch Jay schien zu den Männern zu gehören, die schon viel zu weit in ihren Kopf schauen konnten. Da musste sie nicht auch noch Geständnisse ablegen oder ihre Sehnsüchte ausplaudern, was in diesem Zustand allzu leicht passieren würde.

Ihre Sehnsucht nach dem perfekten Mann, der all diese konfusen Wünsche in ihrem Kopf ordnen und befriedigen konnte. Ein Traum. Keine Frage.

9

„Heute machen wir eine Pause vom Fesseln. Ich werde dir noch eine weitere Methode der Fixierung zeigen. Dafür müssen wir zu einem Freund, der ein nettes kleines Studio hat.“

Noch ehe Alice ihre Kleidung ablegen konnte, hielt Jay sie mit dieser Ankündigung auf. Er führte sie zu seinem Wagen, einem schwarzen Sportwagen, der in einer Garage im Gebäude geparkt war. Bei der Nachbarschaft unverzichtbar. Außerdem war das Fahrzeug nicht so kalt wie ihres, als sie vorhin eingestiegen war. Immerhin regnete es heute nicht.

Sie fuhren ein Stück nach Norden in eine industriell geprägte Gegend. Als sie vor einem Laden ausstiegen, hörte Alice Züge fahren, aber vor allem lautes Bremsengekreische. „Ein Eisenbahndepot.“ Jay zuckte mit den Schultern. „Drin ist es ruhiger, keine Angst.“

‚Passionate‘ stand in großen Lettern über dem Eingang. Ein Sexshop?

Ein seltsamer Geruch begrüßte sie beim Eintreten. Kein Raumduft, sondern der Geruch der Kleidung, die einen Großteil des Ladens ausfüllte. Seltsam gummiartige Gewänder jeglicher Farbe und Form.

Alice hatte im Club schon so manches Latexoutfit gesehen, zumindest bei der Party, die vor Weihnachten veranstaltet worden war. Normalerweise machten sich die Besucher nicht groß zurecht, aber das war die Gelegenheit gewesen, mal die besonderen Klamotten auszupacken.

„Hi Randy. Das ist Alice.“

Randy und Jay begrüßten sich mit Handschlag. Sie kannten sich offensichtlich gut. Randy nickte Alice nur zu, was sie ebenso erwiderte. Ein Dom. Sie spürte es ohne Zweifel. Und er hatte in ihr die Sub erkannt. Oder war von Jay vorab informiert worden. Dass es so war, merkte sie daran, wie Randy sie ohne Zögern nach hinten führte in einen abgetrennten Raum.

„Bitte. Lasst euch Zeit. Das Bett ist nur für euch gebucht.“

Das Bett? Alice wäre beinahe in der Tür stehengeblieben. Zumindest lief sie nicht davon wie ein verschrecktes Huhn. Aber Jay hatte es wohl kaum nötig, ein Bett in einem Sexshop zu mieten, wo er in seiner Wohnung nicht nur eine riesige Couch stehen hatte, sondern sicher auch ein Kingsizebett.

Randys wissendes Grinsen machte klar, dass er ihr Zögern genau so verstanden hatte. Als Beweis ihrer Unsicherheit und vor allem Unwissenheit. Also ging sie tapfer tiefer in den Raum. Tatsächlich stand dort kein übliches Bett. Vielmehr lag auf dem Boden ein Rahmen mit einem roten Gummibezug, darunter eine Matte, ähnlich der, die Jay benutzte.

„Bett?“ Sie konnte sich nicht zurückhalten. Sie hätte am liebsten tausend Fragen gestellt, aber sie ahnte, dass Jay sie einweisen würde.

„Ein Vakuumbett aus Latex. Hast du schon mal was aus Latex getragen?“

„Nein.“ Ihre Antwort hörte sich misstrauisch an. Er erwartete doch nicht etwa, dass sie sich in Latex einschweißen ließ?

„Latex ist für manche ein Kink. Man sagt, wer es einmal ausprobiert hat, wird das Gefühl nicht mehr missen wollen. Nicht mein Kink, aber da ein Vakuumbett eine Art von Fixierung ist, möchte ich dir das nicht vorenthalten.“

Du oder Hunter, lag ihr auf der Zunge, aber sie stellte die Frage nicht.

„Wir beginnen mit einem Latexanzug. Dabei kannst du das Material spüren, seine Auswirkungen auf deinen Körper studieren und einfach schauen, ob du es magst oder nicht. Dieser hier dürfte dir passen. Nur zur Info: Natürlich ist er desinfiziert und vorbereitet. Am besten, du ziehst dich ganz aus.“

Sie atmete langsam und tief ein und aus. Ihr war klar, dass er damit meinte, sie sollte sich nackt zeigen. Also gut. Jay hatte eh schon fast alles von ihr gesehen. Er hielt ihr eine Flasche hin. „Reib dich damit ein. Überall. Nur eine dünne Schicht, aber nichts auslassen.“

„Auch meine Haare?“ Sie schaute Jay entsetzt an.

„Nein. Ich gebe dir ein Haarband, mit denen du sie aus dem Gesicht halten kannst.“

Alice hatte schulterlange blonde Haare, die sie nun mit dem Band, ebenfalls aus Latex, nach hinten legte.

„Weil du das noch nie gemacht hast, gibt es für dich eine Maske, die dein Gesicht freilässt. Aber zuerst ziehst du den Anzug an.“

Das entwickelte sich zu einer langwierigen Prozedur. Erst ein Bein. Das klappte noch ganz gut. Es fühlte sich an, als würde sie sehr enge Strümpfe überziehen. Das Material dehnte sich sogar sehr gut, die Schwierigkeit bestand darin, die Fersen dorthin zu dirigieren, wo sie hingehörten, es weder zu stark zu ziehen noch faltig zu lassen. Das zweite Bein wurde schon schwieriger, da dies eng neben dem anderen stehen musste. Die Öffnung oben war überraschend klein, konnte aber weit gedehnt werden, doch das Latex schmiegte sich immer wieder an ihren Körper. Ohne Jays Hilfe hätte sie das nie geschafft.

Er zog ihr auch das Oberteil an, da sie nur begrenzt helfen konnte. Es war unmöglich, an allen Stellen gleichzeitig zu ziehen mit nur zwei Händen. Bei den Armen zeigte sich das Hauptproblem. Ein Arm ging relativ problemlos in den Ärmel, für den zweiten musste sie sich hin und her drehen. Endlich war es geschafft. Erst als sich der Anzug um ihren Hals legte, vermochte sie dem Gefühl nachzuspüren.

Wie eine zweite Haut. Glatt, schlüpfrig durch das Gleitmittel, vielleicht auch durch Schweiß, denn das Ankleiden hatte sie ins Schwitzen gebracht.

„Jetzt die Maske. Lass mich das machen.“

Jay dehnte mit beiden Händen die Halsöffnung, dann zog er das Ding über Alices Kopf, rückte die Gesichtsöffnung noch ein wenig zurecht und zog zuletzt die obere Öffnung des Anzugs am Hals über die Maske. Jetzt war sie bis auf wenige Quadratzoll von Latex umschlossen. Den Geruch, ein wenig gummiartig, empfand sie jetzt nicht mehr so schlimm, sie hatte sich bereits daran gewöhnt.

„Wie geht es dir damit?“

„Genügt das nicht schon als Fixierung? Es fühlt sich so an. So … gefangen.“

Jay brummte. „Aber du kannst dich ganz normal bewegen. Versuch es nur.“

Nach einigen zögerlichen Bewegungen musste sie ihm zustimmen. Tatsächlich konnte sie sich bewegen, auch strecken und recken oder sich zusammenkauern. Das Material dehnte sich, glitt über ihre Haut, schmiegte sich an absolut alle Stellen an und ließ alles mit sich machen. Sogar ihren Bauchnabel zeichnete es nach. Erst recht ihren Venushügel und die Brüste, zeigte ihre ungeliebten knubbeligen Knie und die Fußknöchel.

„Schau dich im Spiegel an.“

Jay schien zu ahnen, was sie dachte. Machte er das öfter? Immerhin kannte er sich damit aus.

Im Spiegel stand ihr eine schwarze Figur gegenüber, deren Gesicht in der kleinen Öffnung fremd erschien. Aber viel faszinierender war der Körper darunter. Ihre Figur war gar nicht so schlecht, fand Alice. Ein bisschen wie Catwoman. Elegant, schlank, mit Rundungen an den richtigen Stellen. Sie drehte sich und bewunderte ihren glatten, wohlgeformten Hintern, an dem sie üblicherweise etwas auszusetzen hatte. Sie fand ihn zu rund, zu weit herausstehend. Schlecht in Jeans zu verpacken. Aber so? Sexy. Tatsächlich. Sogar ihre Brüste gefielen ihr auf diese Weise. Nicht zu groß. Nicht hängend. Sie grinste.

„So, nachdem du dich ausführlich bewundert hast – zu recht übrigens – kommt der zweite Teil. Ich erkläre, was wir tun werden. Vor allem, dass du alles jederzeit abbrechen kannst. Du musst nur wissen, dass es eine oder zwei Minuten dauern wird, bis ich dich befreit habe. Das liegt in der Natur der Sache. Auch hier haben wir eine Sonderform gewählt, die für Anfänger geeignet ist. Dein Kopf wird freibleiben und nicht mit eingeschweißt. Du sollst das Gefühl spüren, dass dein Körper völlig fixiert ist, aber nicht gleich die volle Ladung. Über den Rest reden wir später.“

Auf Jays Anweisung hin krabbelte sie zwischen zwei Latexlagen, die in ein Gestell gespannt waren. Jay half ihr, ihren Kopf durch die einzige Öffnung zu stecken, die diesmal ihren Hals sehr viel enger umschloss.

Während sie dalag und Jay über ihrem Kopf hantierte, testete sie die Dehnbarkeit des Materials. Wie Gummi. Aber nicht wie irgendetwas, das sie schon jemals gespürt hatte. Ein bisschen wie unter einem zu straff gespannten Laken. Sie kannte das aus Hotels, in denen die Laken straff an den Seiten untergeschlagen wurden. Wenn man sie nicht vor dem Zubettgehen löste, fand man sich in einer ähnlichen Situation.

„Ich werde jetzt den Sauger anschließen. Er ist sehr laut, weshalb ich in dieser Zeit möglicherweise deine Worte nicht verstehen kann. Solltest du befreit werden wollen, wirst du den Kopf deutlich auf und ab bewegen. Klar?“

Sie nickte, angespannt und voller Erwartung. Das Material auf ihrem Körper war inzwischen ganz glitschig, aber es konnte nicht abrutschen. Sie spürte, dass sich Schweiß unter der Schicht befand, aber dieser umgab sie überall, konnte nicht ablaufen oder verdunsten. Gehörte das zu dem Erlebnis dazu?

Das Brummen setzte ein, wie von einem Staubsauger. Vermutlich handelte es sich sogar um einen, denn die Luft wurde aus der Schicht zwischen den Laken gesogen, bis Alice fest von beiden Schichten umschlossen war. Jay stellte das Gerät ab. Jetzt war nur noch ganz leise das Bremsquietschen der Lokomotiven zu hören.

Eindeutig fixierend. Keine Frage. Aber außer der Tatsache, dass sie sich nicht bewegen konnte, empfand sie … nichts.

„Alles gut? Willst du noch einen Schritt weitergehen?“

„Klar, wenn ich schon mal hier rumliege.“ Da sie keine Ahnung hatte, was auf sie zukam, versuchte sie es mit Galgenhumor.

„Ich ziehe dir eine weitere Maske über. Diese hat nur einen Schlauch zum Atmen. Du hast nur noch eine Möglichkeit, dich zu verständigen, indem du laut brummst. Sagst du ‚lass mich raus‘ in den Schlauch, kann ich das verstehen. Dann werde ich dich befreien. Nur dann. Verstanden?“

„Ja, Jay.“

Er steckte ihr ein Stück Schlauch zwischen die Zähne. „Atme da durch. Immer ein und aus. Ruhig bleiben. Keine Panik. Du bekommst genug Luft. Auch so atmest du immer nur aus und ein. Mach es weiter wie immer.“ Er wartete einen Moment ab, bis sie sich an den Schlauch gewöhnt hatte. „Versuch dein Safeword zu sagen.“

„Lass mich raus!“ Es hörte sich nur in ihrem Kopf so an, aus ihrem Mund drang unverständliches Gebrabbel. Doch Jay nickte, als habe er es verstanden.

„Achtung!“ Mit einem Zug zerrte er den Rest des schwarzen Latexstücks über ihren Kopf.

Für einen winzigen Moment spürte sie Angst, aber sie beruhigte sich schnell wieder. Einatmen, ausatmen. Alles gut. Ihre Brust war zwar eingeschnürt, wie zuvor, aber sie konnte sie ausdehnen. Kein Problem.

Nach wenigen Atemzügen spürte sie, wie sie sich entspannte. Ja, so war es besser. Wie seltsam, so eingesperrt, blind. Nicht einmal die Züge hörte sie mehr.

„Geht es dir gut?“

Jays Stimme war nah an ihrem Ohr, nur wenig gedämpft. Sie nickte.

„Ich werde jetzt ein wenig mit dir spielen. Du sollst erfahren, wie es sich anfühlt, wenn man das Latex mit sexueller Stimulation verbindet. Nur ein bisschen Spaß. Du kennst dein Safeword. Benutze es, wenn du nicht mehr kannst. Ich werde nur auf diese drei Worte hören, alles andere ignoriere ich.“

Okay … Was sollte das werden? Würde er sie wieder reiben? Diesmal vielleicht etwas weiter als gestern, bis zum Höhepunkt? Ihr Atem ging schneller, aber auch das war kein Problem durch den Schlauch. Immerhin konnte Jay nicht in sie eindringen.

Das Summen kam überraschend. Leiser als der Sauger, aber auch näher.

Dann bäumte sie sich die wenigen Zoll auf, die das Vakuumbett zuließ. Das Summen lag jetzt auf ihrer Klit. Nein, nicht das Summen, sondern ein Vibrieren.

Oh Gott. Oh fuck. Oh Himmel.

Ehe sie wusste, was ihr geschah, rauschte ein Orgasmus heran und überspülte sie in einer Monsterwelle.

Der schrille Schrei hallte in ihrem Kopf, die Vibration in ihrem ganzen Körper bis hinab in die Zehenspitzen, bis hinauf in die Haarwurzeln. Sie zitterte und bebte mit, und spürte selbst dann noch Wellen durch sich hindurchrasen, als das Gerät längst weg war.

Luft, oh Gott, Luft! Wie konnte sie an Luft kommen?

Dann war sie befreit, der Schlauch weg, Licht um sie und Luft. Sie saugte wie eine Ertrinkende den Atem in ihre Lunge.

„Warum hast du das Safeword nicht gesagt?“

Sie starrte Jay an wie einen Alien.

Dann verdrehte sie die Augen und schnaubte nur noch empört. Was für ein Hammerorgasmus.

Zeit, aus diesem Gummizeug herauszukommen.

10

Von: Hunter

An: Alice

Wie war es?

Von: Alice

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752134469
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Februar)
Schlagworte
Liebesroman Erziehung BDSM Leidenschaft Sex Spannung SM-Roman Liebe Erotik Bondage Erotischer Liebesroman

Autor

  • Margaux Navara (Autor:in)

Du magst dominante Männer, die ihre Partnerinnen auf Händen tragen? Die ihnen geben, was sie brauchen? Du magst Frauen, die glücklich sind, wenn sie die Kontrolle abgeben können? Die so stark sind, dass sie sich freiwillig hinknien? Dann bist du bei mir richtig. Ich mag starke Männer UND starke Frauen, ich schreibe über Paare, bei denen Unterwerfung nicht Unterdrückung bedeutet, die Vertrauen, Respekt und Einvernehmen für wichtig halten. Dazu ein Happy End, Spannung und eine Menge heißer Szenen.
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Titel: Hunters Liste Sammelband 1-3