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Eine Biographie des Hasses

Wer trägt die Schuld?

von Paul Marnou (Autor:in)
133 Seiten

Zusammenfassung

Cleo war das jüngste Kind von Olga und Paul Pichnick. Sie erlebte ihren Vater nur als brutalen Säufer, der die ganze Familie terrorisierte. Nach der schweren Erkrankung ihrer Mutter wuchs sie in einer betreuten Wohngruppe auf. Mit sechzehn Jahren zog sie mit einem gleichaltrigen Mädchen in eine kleine gemütliche Wohnung, in der sie weiterhin mehrmals täglich Besuch von Betreuern bekam. Die neue Unterkunft bot den Mädchen Freiheiten, die sie vorher nicht hatten. Diese Freiheiten missbrauchten sie leider. Cleo wurde schwanger. Die Betreuer erfuhren zu spät von der Schwangerschaft. Für einen Schwangerschaftsabbruch war es schon zu spät. In Cleo wuchs ein Baby, das sie schon im Mutterleibe hasste. Als ihr Sohn geboren wurde, gab sie ihm abfällig den Vornamen ihres verabscheuten Vaters, Paul. Vergeblich bemühten sich ihre Sozialpädagogen, dass Cleo eine mütterliche Beziehung zu ihrem Neugeboren aufbaute. Mit beängstigender Gefühlskälte lehnte sie Paul ab. Sie ahnte nicht, dass sie durch ihr ablehnendes Verhalten eine Lawine unvorstellbaren Hasses auslösen wird. Paul entwickelte sich zu einem Teufel, der in sich einen gewaltigen Hass gegen Frauen aufbaute und diesen Hass auf grausamste Art und Weise zur Schau stellte.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

Eine Biographie des Hasses

Wer trägt die Schuld?

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von

Paul Marnou

 

Der Autor

Horst Rasch alias Paul Marnou ist im Mai 1947 geboren, verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Er war 42 Jahre mit Leib und Seele als Hauptschullehrer tätig, davon fast 40 Jahre an der Hermann-Claudius-Hauptschule in Marl. 2012 ging er mit 65 Jahren in den Ruhestand. Kurz nach seiner Pensionierung studierte er die Hunderassen im Verband deutscher Hundezüchter und entdeckte eine Hunderasse, die ihm bisher unbekannt war, den Eurasier. Er besuchte mit seiner Familie Hundeausstellungen und Züchter. Schon bald gehörte Eurasiermädchen B-Mila vom Jagdschloss Stutensee zur Familie, die seitdem stets an seiner Seite bleibt. Auf den ausgiebigen Spaziergängen mit Mila lässt er nicht nur die Seele baumeln. Dort entwickeln sich auch die Ideen zu seinen Büchern.

 

Impressum

Copyright: Paul Marnou

Adresse:

Horst Rasch alias Paul Marnou

Emslandstraße 5, 45770 Marl

E-Mail:

horst-rasch@unitybox.de

paul-marnou@unity-mail.de

Website des Autors:

http://www.autor-paul-marnou.de

Lektorat/Korrektorat:

Paul Marnou und Maren Rasch

Covergestaltung:

Paul Marnou

Verlag:

Selbstverlag

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig.

Inhaltsverzeichnis

  1. Eine Familie zerfällt                         
  2. Die Geburt des Teufels                  
  3. Pauls fünfter Geburtstag                  
  4. Cleos Lustleben                        
  5. Eine erschreckende Entwicklung            
  6. Cleos ungewisse Zukunft                  
  7. Ein Hoffnungsschimmer                  
  8. Die Lebensweise zehrt            
  9. Der erste Mord                        
  10. Todesgeflüster                        
  11. Der zweite Mord                        
  12. Wo ist Paul?                              
  13. Verlauf der Ermittlungen                  
  14. Ortswechsel                              
  15. Gedanken eines Wahnsinnigen            
  16. Das nächste Opfer                              
  17. Ein erster Hinweis                        
  18. Keine Fortschritte                        
  19. Wo ist Herr Tausch                        
  20. Cleos Lebensführung                  
  21. Die Arbeit der Polizei                  
  22. Durch die Augen der Bestie                  
  23. Ein Wettlauf mit der Zeit                  
  24. Der Weg zum Schafott                  
  25. Cleo wird vermisst                        
  26. Die Befürchtungen des Dr. Tarmes            
  27. Die Schlinge zieht sich zu                  
  28. Die Treibjagd                              
  29. Wer trägt die Schuld?                  

 

Eine Familie zerfällt.

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Cleo kam als viertes Kind von Paul und Olga Pichnick zur Welt. Als Sie zehn Jahre alt wurde, wohnte mit ihr nur noch ein älterer Bruder zuhause bei den Eltern.

Alle Jungen konnten sich noch an Zeiten mit liebevollen Eltern erinnern. Damals wurde in der Familie noch viel gemeinsam unternommen und gelacht.

Das änderte sich, als Vater Paul seine Arbeit verlor. Er wusste nicht, was er mit seiner unfreiwillig gewonnenen freien Zeit anfangen sollte. Da er keine abgeschlossene Ausbildung vorweisen konnte und aufgrund seines fortgeschrittenen Alters, war er auf dem immer enger werdenden Arbeitsmarkt schlecht zu vermitteln.

Die Söhne erinnerten sich nicht genau, ab wann ihr Vater regelmäßig zu viel Alkohol trank und begann, die Familie ganz allmählich zu zerstören.

Anfangs trank Paul im Laufe des Tages regelmäßig Bier. Zum Bier gesellten sich nach einiger Zeit billige Schnäpse.

Bald fiel das Frühstück aus und wurde durch Bier und Fusel ersetzt. Parallel dazu beachtete Paul seine Kinder nur noch, wenn sie für ihn alkoholischen Nachschub holen mussten.

Mutter Olga versuchte lange Zeit, ihre Kinder zu schützen, und bekam dafür von ihrem Mann regelmäßig Schläge.

Es gab auch Momente, in denen Paul wieder Vater war. Dann weinte er bitterlich, entschuldigte sich bei seiner Frau und den Kindern für sein Verhalten. Aber diese Momente wurden immer seltener.

Sohn Karl schloss seine Schullaufbahn mit einem ordentlichen mittleren Bildungsabschluss ab und beendete eine Ausbildung zum Chemielaboranten mit Auszeichnung. Die ausbildende Firma übernahm ihn nach der Ausbildung sofort in ein festes Arbeitsverhältnis.

Er lernte einige Monate nach seiner Ausbildungszeit eine junge Frau kennen, die alleine in ihrer eigenen Wohnung lebte. Da sich zu Hause der unerträgliche Zustand nicht änderte, zog Karl wenige Wochen später zu ihr, obwohl er das nur schweren Herzens und mit einem sehr schlechten Gewissen tat.

Er erinnert sich heute noch genau, wie er an einem Freitag nach der Arbeit zu Hause vorbeifuhr und seine Mutter mit blutverschmiertem Gesicht auf dem Boden liegend vorfand. Paul wütete in der Küche und kam wenig später schnaufend ins Wohnzimmer zurück, in der Hand eine Flasche Bier.

Weil weder die Kinder noch seine Frau ihm diese Flasche Bier holen wollten, rastete er völlig aus und schlug seiner Frau vor Wut mit der Faust ins Gesicht. Als er auch die Kinder bedrohte, flüchten sie ins Kinderzimmer und schlossen sich ein.

Als Karl plötzlich in der Wohnung stand, wollte Paul auch auf seinen Sohn losgehen. Doch bevor er seinen Sohn schlagen konnte, versetzte dieser ihm vier bis fünf deftige Ohrfeigen.

Karl bemerkte, dass sein Vater sichtlich beeindruckt und geschockt war. Mit eindeutigen Worten drohte Karl seinem Vater.:

„Solltest du Mama oder meinen Geschwistern auch nur noch ein einziges Mal wehtun, werde ich dir gleiches doppelt und dreifach zurückzahlen, du verdammter Säufer. Du bist nicht der Einzige, der seine Arbeit verloren hat. Du sorgst allmählich durch deine Trinkerei dafür, dass du auch deine Familie verlierst. Lass dir endlich von professioneller Seite helfen und gehe in eine Klinik.“

Karl half anschließend seiner an der Oberlippe verletzten Mutter auf und versorgte liebevoll ihre Wunde. Diese bat ihren Sohn, sie nicht zum Arzt zu bringen, weil sie befürchtete, dass der Arzt die Polizei einschalten würde. Von Karls drastischer Ansprache beeindruckt zog sich Paul schweigend ins Wohnzimmer zurück. Karls Drohungen gegen den Vater hörten auch seine Geschwister im Kinderzimmer. Vorsichtig schlossen sie ängstlich die Zimmertür auf. Sie schlichen zitternd an ihrem betrunkenen Vater vorbei zu ihrem Bruder und ihrer verletzten Mutter in die Küche.

„Du musst Papa verlassen und Heinz, Peter und Cleo mitnehmen. Beim Amt wird man euch helfen. Wenn ihr hierbleibt, wird das noch böse enden“, flehte Karl seine Mutter an.

„Wenn wir ihn verlassen, ist er total verloren. Vor seiner Arbeitslosigkeit war er für euch stets ein treu sorgender Vater“, versuchte Olga ihren Ältesten zu beruhigen.

„Ich weiß das alles Mama. Für euch darf aber nur das hier und heute zählen. Schau dir deine drei Kinder einmal an. Was ist aus den ehemals glücklichen Kindern geworden. Sie sind verängstigt. Sie schlafen schlecht und ihre Leistungen in der Schule haben stark nachgelassen. Du musst auch an sie denken, besonders an unsere kleine Cleo. Sie war noch zu klein, als hier eine heile Welt herrschte und eine glückliche Familie zu sehen war. Sie kennt ihren Vater nur alkoholisiert. Was soll aus ihr und ihren Brüdern werden? Ich hatte großes Glück“, entgegnete Karl sehr aufgewühlt, „aber ich werde euch nicht jeden Tag besuchen können.“

Seine Arbeit und sein Privatleben ließen Karl nur noch selten seine Mutter und seine Geschwister zu besuchen, die ohne ihn dem Vater schutzlos ausgesetzt waren.

Olga war stets bemüht, sich schützend vor ihre Kinder zu stellen, wenn Paul wieder die Kontrolle verlor und seine Kinder bedrohte. Die blauen Flecken und Wunden konnten gar nicht so schnell heilen, wie neue Verletzungen hinzukamen. Doch sie gab nicht auf, trotz ihrer körperlichen Qualen.

Das änderte sich, als ihr jüngster Sohn Peter nicht mehr von der Schule nach Hause kam.

Ein Klassenkamerad berichtete später, dass er mit Peter wie immer von der Schule nach Hause gegangen sei. Peter musste das letzte Stück des Weges alleine gehen. Als er sich verabschiedete, sagte er mit einem traurigen Blick:

„Dann werde ich mir mal wieder Prügel abholen, wie immer.“

Wohin Peter danach gegangen ist, konnte nie festgestellt werden. Alle Aufrufe in den Medien halfen nichts. Polizeistaffel suchten mit Hunden die umliegenden Wälder und Wiesen ab. Peter und sein Schulranzen wurden nie wieder gesehen.

Mutter Olga zerbrach an dem Verlust ihres Kindes. Nicht zu wissen, wie es ihrem Kind geht, wo es sich aufhält und ob es noch lebt, raubten der tapferen Frau die letzten Kräfte. Nach langem Aufenthalt in einer Klinik war sie nicht mehr in der Lage, sich um Cleo und Heinz zu kümmern, und lebte seitdem in einem Pflegeheim.

Heinz hatte das große Glück, in die Familie eines Schul-kameraden aufgenommen zu werden. Das alles geschah mit Erlaubnis des Jugendamtes und nach Absprache mit Bruder Karl. In der gleichen Familie durfte auch Cleo während des Klinikaufenthaltes ihrer Mutter wohnen.

Karl war schon lange vor dem Verschwinden von Peter mehrfach beim Jugendamt vorstellig geworden und hatte die Mitarbeiter auf die unmenschlichen Zustände in seinem ehemaligen Elternhaus hingewiesen. Er erhielt stets die gleiche Auskunft:

„Wir verstehen ihre Ängste und werden uns sobald wie möglich um ihre Mutter und ihre Geschwister kümmern.

Aber wir haben leider viele ähnliche Schicksale um die wir uns bemühen müssen. Bedauerlicherweise müssen wir aufgrund unserer personellen Unterbesetzung chronologisch vorgehen.“

„Ich schaue bei meiner Mutter und meinen Geschwistern so häufig wie ich es ermöglichen kann vorbei und stelle bei jedem Besuch eine Verschlechterung der häuslichen Situation fest. Zum Glück verschläft Paul in seinem Suff fast den ganzen Tag. Aber wenn er aufwacht, geraten alle in Panik. Ich kann ihn nicht jedes Mal, wenn er wieder auf unsere Mutter und meine Geschwister einprügelt, ebenfalls schlagen. Meine Schläge vergisst er schnell. Die Schuld sucht er dann bei den anderen. Und das Elend geht von Neuem los. Mein Vater müsste zu seiner eigenen Sicherheit und zum Schutz unserer Mutter und meiner Geschwister weggesperrt werden. Die ganze Familie wird von ihm tyrannisiert und misshandelt“, entgegnet Karl.

Auch die Klassenlehrerin Cleos wählte mehrfach die Nummer des Jugendamtes, um auf den besorgniserregenden Zustand Cleos hinzuweisen. Entweder wurde im Amt nicht abgenommen oder sie bekam eine ähnliche Antwort wie Karl.

Der hätte seine Geschwister gerne bei sich aufgenommen.

Aber die kleine Wohnung sowie seine und die Berufstätigkeit seiner Lebensgefährtin ließen das nicht zu.

Als die kranke Mutter nach dem Krankenhausaufenthalt direkt in ein Pflegeheim verlegt wurde, war die Zukunft für Heinz in der Familie seines Freundes geklärt. Nur Cleo konnte nicht auf Dauer in der Familie des Freundes bleiben. Das einzige Kinderzimmer bot nur Platz für die zwei Jungen.

Vater Paul überlebte das Alleinsein in seiner herunter-gekommenen Wohnung ohne seine Familie nur wenige Monate. Nachdem er seinen täglichen Alkoholkonsum zu sich genommen hatte, stolperte er über einen gewellten Teppich und schlug mit der Stirn auf die Kante des Wohnzimmertisches, bei dem er sich, wie später festgestellt wurde, schwere Hirnblutungen zuzog. Er lag mehrere Tage in seinem Blut tot in der Wohnung. Ein seltsamer Geruch veranlasste die Nachbarn, die Polizei zu rufen. Sie fanden die schon leicht verwesende Leiche Pauls. Die gleichen Nachbarn hörten über Jahre den Lärm, die Schreie und das Weinen aus der Wohnung der Pichnicks. Aber niemand fühlte sich veranlasst, das Ordnungsamt oder die Polizei einzuschalten.

Für die arme Cleo fand das Jugendamt leider keine Pflegefamilie. Sie kam in eine betreute Wohngruppe, in der Kinder mit einem ähnlichen Schicksal wohnten. Wenn ihre älteren Brüder zu Besuch kamen, erhellte sich anfangs ihr trauriges Gesicht. Aber wenn an den Besuchstagen ihre Brüder wieder gehen mussten, flossen ihr dicke Tränen an den Wangen herunter. Aus ihr wurde in den Jahren ein trauriges und verbittertes Mädchen, das sich immer mehr zurückzog. Die betreuenden Pädagogen der Wohngruppe, in die Cleo kam, schafften es auch mit viel Liebe nur ganz langsam, einen Kontakt zu ihr aufzubauen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Cleo besuchte zwar regelmäßig die Schule, aber ihre Leistungen waren gleich null. Die Lehrer, die stets bemüht waren, ihr zu helfen, konnten dem traurigen Mädchen ebenfalls nur in winzigen Schritten näherkommen. Glücklicherweise zeigten Cleos Mitschülerinnen, Mitschüler und die Elternschaft Verständnis für die Vorgehensweise des Lehrpersonals. Auf dem Schulhof stand Cleo regelmäßig alleine in einer Ecke. Wenn sich ihr Mitschüler vorsichtig nähern wollten, um ihr beizustehen, wechselte sie sofort ihren Ort, um wieder alleine zu sein.

Nach der Schule holte eine Betreuerin der Wohngruppe Cleo von der Schule ab. Sie war nicht in der Lage, ihre Hausaufgaben zu erledigen, weil sie seit Langem ihre Zeit in der Schule nur absaß und ins Leere starrte. Es fehlten ihr die Grundlagen zum Lernen.

Nach Beendigung ihrer Schulpflicht waren sich Lehrer und Betreuer einig, dass Cleo nicht durch eine Schulpflichtverlängerung einem qualifizierten Schulabschluss nähergebracht werden kann.

Als sie die Schule ohne Abschluss verließ, wechselte sie auch wegen ihres Alters in das betreute Wohnen einer sozialen Einrichtung.

Von dort wurde Cleo mit einigen Mitbewohnern morgens in eine Großwäscherei gefahren, in der sie leichte Arbeiten verrichten musste. Sie sprach inzwischen einige Worte mit Mitarbeitern und den Bewohnern ihrer Wohngruppe.

Alle Betreuer der Wohngruppe sahen mit Erleichterung, wie Cleo Schritt für Schritt Vertrauen zu ihren Mitmenschen schöpfte.

Als sie siebzehn Jahre alt wurde, zog sie mit Swenja, einer gleichaltrigen Mitbewohnerin aus der betreuten Wohngruppe, in eine kleine gemütliche Wohnung, die vom Jugendamt gestellt wurde. Täglich schauten vormittags, nach der Arbeit und abends Sozialpädagogen vorbei, um sich ein Bild über die Selbstständigkeit der jungen Frauen zu machen.

Die Betreuer stellten mit Erleichterung fest, dass Cleo und Swenja Verantwortung übernahmen und alleine zurechtkamen. Deshalb fanden die Kontrollen der beiden jungen Frauen nur noch jeden zweiten Tag statt.

Die Geburt des Teufels

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Swenja lernte in der Großwäscherei einen jungen Mann kennen, der ihr gefiel. Nach einigen gemeinsamen Spaziergängen in der nahen Umgebung der Wohnung, drängte der junge Mann, die Wohnung sehen zu dürfen.

„Wie dürfen Besuch nur mit Erlaubnis unserer Betreuer empfangen“, erklärte ihm Swenja.

„Stell dich nicht so an, nur für einige Minuten“, hakte der junge Mann nach.

„Ich habe eine Mitbewohnerin. Der wird dein Besuch nicht recht sein“, entgegnete Swenja.

„Die kennt mich doch auch aus der Wäscherei. Sie wird bestimmt nichts dagegen haben. Stell dich nicht so an“, ließ der junge Mann nicht locker.

Und die junge Frau gab nach. Cloe war von dem Besuch allerdings anfangs wenig erfreut.

„Uns ist ausdrücklich verboten worden, ohne vorherige Absprache Fremde in die Wohnung zu lassen“, schimpfte sie.

„Bleib cool“, entgegnete der Besucher arrogant,

„wir könnten gemeinsam viel Spaß haben.“

„Viel Spaß haben, was meinst du damit?“, fragte Cleo.

„Bist du wirklich so naiv und weißt nicht, was ich meine?“, lachte der junge Mann abfällig.

„Er will ein bisschen Sex mit uns“, mischte sich Swenja plötzlich ein, „ich hätte Lust daran. Komm mach mit. Das wird dir auch gefallen. Stell dich nicht so an.“

Cleo ließ sich nach anfänglichem Zögern leider Über-Reden und machte mit. An diesem Abend waren nur die Hände im Spiel und Küsse wurden getauscht.

Cleo fand Gefallen an den Sexspielchen. Und der Besuch des Mannes fand häufiger und bald regelmäßig statt. Cleo konnte von den Körperberührungen nicht genug bekommen. Sie bestimmte allmählich den Ablauf Sexpraktiken.

Wenn die Betreuer vorbeischauten, wurde denen eine heile Welt vorgeschwindelten.

Es blieb nicht bei den Küssen und den Handspielchen. Bald kam es zu regelmäßigem Geschlechtsverkehr. Cleo verlangte bald für ihre Befriedigung einen zweiten Mann, weil für beide einer nicht ausreichte. Der Zweite und ein dritter Liebesdiener wurden schnell gefunden. Zunächst tobten sich die jungen Frauen und Männer mit Kondomen aus.

Obwohl an einem Liebesabend vergessen wurde, den Kondome-Vorrat aufzufrischen, wollte keiner auf den Geschlechtsverkehr verzichten. Die Lust war stärker als die Vernunft. Besonders Cleo drängte zu immer ausgefalleneren Praktiken. Die jungen Männer befriedigten bei jedem Besuch die Frauen, wie die es wünschten. Weder Cleo noch Swenja sahen die Gefahr einer Schwangerschaft.

Es kam, wie es kommen musste. Swenja hatte Glück. Der Frauenarzt, zu dem Cleo aus Angst viel zu spät ging, stellte fest, dass sie schwanger war. Für einen Schwangerschaftsabbruch war es leider schon zu spät.

Auf die wenigen Vorwürfe, die sie sich wegen der Schwangerschaft anhören musste, entgegnete sie stets:

„Ich spürte das erste Mal in meinem Leben ein schönes Gefühl.“

Swenja musste die Wohngemeinschaft verlassen und zog in ein kleineres Appartement.

Cleo wurde von sozialer Seite während der Schwangerschaft betreut und beraten. Sie lehnte das in ihrem Bauch heranwachsende Kind von Anfang an vehement ab. Das sagte sie auch immer sehr deutlich zu den helfenden Menschen, die daraufhin schon alles für eine Adoption wenige Wochen nach der Geburt von Cleos Baby vorbereiteten.

Die jungen Männer weigerten sich ebenfalls, Verantwortung für das Kind zu übernehmen, bevor festgestellt wurde, wer der drei Männer der Erzeuger war. Eine finanzielle Unterstützung durch den biologischen Vater war nicht zu erwarten, da er nahezu mittellos war. Von dem geringen Verdienst in der Wäscherei konnte er sich nur das Notwendigste zum Lebenserhalt leisten. Eine Adoption schien für das Kind die beste Zukunfts-perspektive zu sein.

Bei einem weiteren Frauenarztbesuch teilte ihr die Ärztin mit:

„Sie bekommen einen Jungen. Habe sie sich überlegt, wie ihr Baby heißen soll?“

„Nein, das ist mir auch völlig egal. Meinetwegen soll der Bastard genau so heißen wie mein versoffener Vater. Möge er in der Hölle schmoren“, antwortete Cloe verbittert.

Die Ärztin war schockiert.

Während der Schwangerschaft wurde Cleo vierundzwanzig Stunden am Tag betreut, weil befürchtet wurde, dass sie sich und dem ungeborenen Kind Schaden zufügen könnte. Eine Sozialarbeiterin schlief in der Wohnung und wurde am Tage abgelöst. Diese Betreuung wurde auch fortgesetzt, als der kleine Paul zur Welt kam.

Die ersten Wochen sollte das Baby bei seiner Mutter bleiben, in der Hoffnung, dass Cleo Liebe für ihr Kind entwickelt.

Die Betreuerinnen mussten leider schnell feststellen, dass die Mutter eine Beziehung zu ihrem fortwährend schreienden Kind ablehnte. Deshalb waren alle Beteiligten bemüht, zum Schutz des Babys und der Mutter eine Pflegefamilie oder Adoptiveltern zu finden.

In den folgenden Wochen erhielt Cloe regelmäßig Besuch von jungen Ehepaaren, die von einer Mitarbeiterin des Jugendamtes begleitet wurden. Diese Ehepaare wünschten sich gerne ein eigenes Kind. Leider blieb ihnen dieser Wunsch unerfüllt. Sie entschlossen sich deshalb, ein Kind zu adoptieren. Die meisten Besucher reagierten schockiert, als sie das blasse und ununterbrochen schreiende Kind sahen.

Der kleine Paul spürte, dass seine Mutter ihm keine Liebe und Fürsorge schenken wollte.

Nur ein Paar, das Ehepaar Dirk und Anne Andres, ließ sich nicht vom Aussehen und Plärren Pauls beeinflussen. Sie hofften, dass sich alles ändert, wenn sie das Kind in Liebe aufziehen würden.

Nachdem in den nächsten Tagen Mitarbeiter des Jugendamtes die räumliche Umgebung und die finanziellen Verhältnisse des Paares begutachtet hatten, konnten alle Formalitäten für die Adoption Pauls erledigt werden.

Cleo vergoss für ihr Baby keine Träne, als sie es mit abfälliger Gestik und Mimik abgab. Sie zeigte sehr deutlich, wie erleichtert sie sich fühlte.

„Endlich bin ich dieses lästige Wesen los und habe meine Ruhe!“

Zur Freude der neuen Eltern entwickelte sich Paul prächtig. Nach wenigen Wochen hielten die Eltern einen gesunden Jungen in ihren Armen, der nicht mehr schrie oder weinte wie jedes andere Kind in dem Alter. Diese positive Entwicklung Pauls setzte sich auch in den folgenden Monaten fort.

Die ersten Zähne kamen, begleitet von den üblichen Problemen beim Zahnen. Die Kinderärztin war sehr zufrieden mit dem kleinen Burschen.

Paul lernte schnell nach dem Krabbeln das Laufen. Die Andres waren überglücklich.

Leider wandelte sich das Glück der jungen Familie mit einem plötzlichen Alarmsignal.

Paul fühlte sich auf den Armen seiner Mutter stets wohl. Er schmuste mit ihr und legte seinen Kopf sanft an Annes Hals.

Das tat er auch an dem Tag, als sich alles ändern sollte. Paul biss seiner Mutter plötzlich mit seinen kleinen Zähnchen, so kräftig er konnte, in den Hals. Zunächst reagierte seine Mutter entsetzt, um wenig später nach einer beruhigenden Erklärung zu suchen.

Als Dirk aus dem Büro nach Hause kam, erzählte sie ihm natürlich äußerst aufgewühlt, was vorgefallen war:

„Paul schmuste wie immer mit mir und legte sein Köpfchen an meinen Hals. Ich genoss das wie immer. Plötzlich biss er in meinen Hals. Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, versuchte ich eine Erklärung für Pauls Verhalten zu finden und dachte zunächst an den häufig erwähnten „Liebesbiss“. Als ich ihn anschaute, sah ich in seinem kleinen Gesicht ein Lächeln. Aber das Lächeln war nicht das Lächeln, mit dem er uns sonst immer seine unbändige Freude zeigte. Aus seinem Gesicht strahlte eine beängstigende Kälte. Es wirkte auf mich fremd und unheimlich.“

Dirk versuchte, seine Frau zu beruhigen:

„Schatz, du bist verständlicherweise noch erregt. Der Biss wird eine einmalige und ungewollte Aktion unseres Sohnes gewesen sein. Du solltest aber vorsichtshalber mit der Bisswunde zu unserem Hausarzt gehen. Der hat bis 18.00 Uhr geöffnet. Die Wunde könnte sich entzünden.“

In den folgenden Tagen vermied Anne, ihren Sohn auf den Arm zu nehmen, wenn Dirk nicht in der Nähe war. Nach einigen Wochen war alles vergessen.

„Es war wohl doch ein Liebesbiss“, tröstete sich Anne.

Wie schnell die Zeit verging. Paul freute sich auf den Kindergarten „Die Pusteblume“, in den er mit vier Jahren gehen durfte. Anne brachte ihren Sohn morgens dorthin, hielt sich beim ersten Besuch etwas länger im Raum der Gruppe auf, in die Paul eingeteilt wurde. Die Kindergärtnerin stellte Paul den anderen Kindern vor, die den neuen Jungen herzlich begrüßten. Beruhigt verließ Anne den Kindergarten, um noch einige Erledigungen zu machen.

Als sie wieder nach Hause kam, bemerkte sie sofort das Blinken des Anrufbeantworters.

„Hoffentlich ist nichts mit Paul passiert“, fuhr es durch ihren Kopf.

„Frau Andres, kommen sie bitte so schnell wie möglich in den Kindergarten. Ihr Sohn ist schon nach wenige Minuten, nachdem sie uns verlassen hatten, durch sein aggressives Verhalten auffällig geworden“, wurde ihr über den Anrufbeantworter mitgeteilt.

Von der Kindergärtnerin erfuhr Anne wenig später, was Paul angestellt hatte:

„Die Kinder hielten sich an den Händen und bildeten einen Kreis. Paul hielt zu seiner Linken und Rechten zwei Mädchen fest. Bevor ich erklären konnte, was wir gemeinsam spielen wollten, ließ er die Mädchen los und trat ohne Grund zuerst dem Mädchen zu seiner Linken feste gegen das Schienbein und bevor ich eingreifen konnte dem zweiten Mädchen. Es ist normal, dass sich Kinder hin und wieder aus nichtigen Gründen streiten und wieder vertragen. Aber die Tritte kamen plötzlich wie aus heiterem Himmel. Was mich aber am meisten schockierte, war das Lächeln ihres Sohnes. Es strahlte eine ungewöhnliche Kälte aus. Ich hatte den Eindruck, dass er das Weinen der Mädchen genoss. Nehmen sie ihren Sohn bitte mit nach Hause. Ich muss mich um die noch immer weinenden Mädchen kümmern. Die Eltern der Kinder wurden bereits angerufen.“

Anne versuchte zu Hause, von Paul den Grund für die Tritte zu erfahren. Sie erhielt anstelle einer Antwort wieder ein angsteinflößendes Lächeln.

Als Dirk von der Arbeit nach Hause kam, bemühte der sich, bei Paul eine Erklärung für das bösartige Verhalten zu erhalten.

Ganz leise vernahm er aus dem Mund seines Sohnes:

„Ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe. Ich will das auch nie wieder tun.“

Mit einem ängstlichen Gefühl brachte Anne Paul am nächsten Tag wieder in die „Pusteblume“. Dort warteten schon die Mütter der getretenen Kinder auf sie, um sich bei ihr zurecht über das gemeine Verhalten Pauls zu beschweren.

Anne entschuldigte sich bei den Müttern für das nicht zu duldende Benehmen ihres Sohnes.

In den folgenden Wochen hörten die Andres keine weiteren Klagen.

Pauls fünfter Geburtstag

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Paul durfte seinen fünften Geburtstag zusammen mit den Kindern seiner Gruppe in der Pusteblume feiern. Als Anne ihn vormittags in den Kindergarten brachte, überreichte sie den Kindergärtnerinnen einen großen Beutel mit leckeren Überraschungen.

Nach einem kurzen Geburtstagsständchen verteilte Paul mit seiner Gruppenleiterin die zahlreichen Leckereien an die anderen Kinder. Anschließend durfte die Gruppe zum gemeinsamen Spiele nach draußen, da die Sonne strahlte.

„Den blauen Himmel haben wir extra für deinen Geburtstag bestellt, Paul“, strahlte Frau Mölleck, seine Gruppenleiterin.

Paul freute sich anscheinend über die Worte seiner Betreuerin. Die Kinder tobten auf der Wiese, im Sandkasten, auf der Schaukel und der Rutsche. Frau Mölleck saß auf einer Bank und beobachtete aufmerksam das muntere Treiben ihrer Gruppe.

Oben auf der Rutsche stand fröhliche die kleine Maria und wartete, bis sie an der Reihe war.

Hinter ihr wartete Paul.

Als Frau Mölleck das eiskalte Lächeln in Pauls Gesicht bemerkte, war es leider schon zu spät, um einzugreifen. Kurz bevor sich Maria zum Rutschen setzen wollte, gab Paul ihr von hinten einen heftigen Stoß. Maria fiel nach vorne und prallte mit ihrem zarten Gesicht auf die metallene Rutschfläche der Rutschbahn. Paul nutzte diese Gelegenheit und rutschte in das arme Mädchen hinein. Der Aufruhr alarmierte auch die anderen Kindergärtnerinnen.

Alle waren um Maria bemüht, deren Lippen aufgeplatzt waren und kräftig bluteten. Drei kleine Schneidezähne lagen verteilt im Sandkasten und auf der Rutschfläche.

Währenddessen saß Paul am Ende des Sandkastens und schaute sich die Bemühungen des Aufsichtspersonals bösartig grinsend an.

Nachdem Maria so gut wie möglich versorgt war, wandte sich Frau Mölleck zu Paul. Als sie ihn vom Boden hochnehmen wollte, um mit ihm einige ernste Worte zu reden, schnitt ihr Paul blitzschnell mit einer Glasscherbe, die er vorher am Gartenzaun gefunden und in seine Hosentasche gesteckt hatte, über den Handrücken der rechten Hand. Eine mehrere Zentimeter lange offene Wunde entstand.

Die Mutter Marias und Anne eilten so schnell wie möglich zum Kindergarten, nachdem sie von den schlimmen Vorfällen unterrichtet wurden.

Die beiden Mütter erschienen gleichzeitig im Kindergarten. Zu einem Wortwechsel zwischen den beiden Müttern kam es nicht. Maria wurde von ihrer Mutter in die Arme genommen, abgeküsst und getröstet.

Die Kindergartenleiterin führte Anne sofort in ihr Büro, in dem Paul wartete.

Im Büro fand die Leiterin klare Worte:

„Ich muss ihnen leider mitteilen, dass ihr Sohn für unseren Kindergarten nicht mehr tragbar ist. Frau Reims, Marias Mutter, teilte mir schon am Telefon mit, dass sie ihre Tochter in einem anderen Kindergarten anmelden wird, falls Paul weiterhin in der Pusteblume bleibt. Wenn sich die Ereignisse herumsprechen, werden wir einen Ansturm von verängstigten Eltern erleben, die ihre Kinder abmelden wollen, wenn Paul bleibt. Die Gruppenleiterin, Frau Mölleck, eine sehr erfahrene, fähige und beliebte Mitarbeiterin, die die Wunde im Krankenhaus nähen lassen musste, ist ebenfalls nicht mehr bereit, Paul in ihrer Gruppe zu betreuen. Ich persönlich, das muss ich ihnen leider sagen, halte Paul für sehr gefährlich. Gehen sie mit ihrem Sohn zu einem Kinderpsychologen. Der kann ihnen vielleicht helfen.“

Anne nahm ihren Sohn wortlos an die Hand und zog ihn hinter sich her Richtung Ausgang.

„Nur raus hier“, arbeitete es in ihrem Kopf.

Ihr war klar, dass die Leiterin gar keine andere Wahl hatte. Sie musste die anderen Kinder und Betreuerinnen vor ihrem eigenen kleinen Monster schützen. Anne liefen Tränen an den Wangen herunter. Sie war verzweifelt und maßlos enttäuscht von ihrem Sohn. Die Angst vor Paul kehrte in ihren Körper zurück.

„Wie wird sich Paul entwickeln, wenn er älter und größer wird?“, grübelte sie zu Hause, nachdem sie Paul in sein Zimmer gebracht hatte.

Dirk, den sie sofort nach dem Vorfall im Kindergarten angerufen hatte, kam noch früher von der Arbeit nach Hause, als er sich sowieso schon wegen Pauls Geburtstag vorgenommen hatte, um seiner aufgelösten Frau zur Seite zu stehen.

Normalerweise begrüßte Dirk seinen Sohn mit einem dicken Schmatzer auf die Stirn und einer zärtlichen Umarmung, wenn er nach Hause kam. Das tat er heute, an Pauls Geburtstag, bewusst nicht.

„Eigentlich wollten wir heute Nachmittag mit dir ins Eiscafé gehen. Aber nach deinem hinterhältigen und bösartigen Verhalten im Kindergarten hast du das nicht verdient“, sagte Dirk mit ernster Miene.

Paul schaute seinen Vater ausdruckslos an, als wenn ihn das alles nicht interessiere.

In den nächsten Tagen bemühten sich Dirk und Anne um einen Termin bei einem Kinderpsychologen und um einen neuen Kindergartenplatz.

Alle Kindergärten in der weiteren Umgebung waren über die unglaublichen Ereignisse in der Pusteblume informiert und vorgewarnt. Sie verweigerten deshalb strikt eine Aufnahme Pauls, um ihre eigenen Kinder vor ihm zu schützen.

Auf einen Termin beim Psychologen mussten Anne und Dirk drei Wochen warten.

Anne verspürte bei dem Gedanken, mit Paul allein sein zu müssen, ein unbehagliches, ängstliches Gefühl. Im Haus versuchte sie, stets auf Distanz zu ihrem Sohn zu bleiben. Paul hielt sich überwiegend in seinem Zimmer auf. Sie war erleichtert, wenn die Sonne schien und das Spielen im eigenen Garten möglich machte. Eine Freundschaft zu Spielkameraden hatte er noch nicht aufbauen können, da der Straßenverkehr in der Umgebung ein Spielen auf der Straße nicht zuließ. Nur im Kindergarten oder auf einem zu entfernt liegenden Spielplatz hätte Paul Kontakte zu anderen Kindern aufnehmen können. Aber beide Möglichkeiten gab es nicht mehr.

So spielte Paul die nächsten Wochen alleine in seinem Zimmer oder, wenn das Wetter das ermöglichte, im eigenen Sandkasten vor dem kleinen Gartenhäuschen oder auf der kleinen Wiese mit seinen Outdoor-Spielgeräten.

Anne saß währenddessen auf der kleinen Terrasse. Sie beaufsichtigte Paul und versuchte gleichzeitig ein paar Seiten in dem Buch zu lesen, das sie vor Wochen begonnen hatte. Pauls Blicke richteten sich regelmäßig für wenige Sekunden auf Anne.

Ein Knall schreckte Anne auf. Ihre Blicke fielen sofort auf Paul:

„Was war das, Paul?“

„Ein Vogel ist vor die Scheibe des Gartenhäuschens geflogen. Aber es ist nichts passiert. Er ist schon wieder weg“, antwortete Paul.

Anne atmete erleichtert durch.

Kurz bevor Dirk von der Arbeit nach Hause kam,

wurden die Spielgeräte ins Gartenhäuschen gebracht.

„Was liegt dort in deinem kleinen Eimer?“, fragte Anne.

„Ein Vogel“, antwortete Paul.

„Was für ein Vogel?“, hakte Anne nach.

„Ja der, der gegen die Scheibe geflogen ist“, gab Paul zurück.

„Aber du sagtest doch, dass der wieder weggeflogen ist?“

„Nein, ist er nicht! Der ist benommen in den Sandkasten gefallen.“

„Und was hast du dann gemacht?“

„Ich habe ihn wieder zu sich kommen lassen.“

„Ist er dann nicht weggeflogen?“

„Wollte er, aber ich habe ihn nicht gelassen.“

„Warum nicht?“

„Ich wollte mit ihm spielen.“

„Wie spielen?“

„Zuerst wollte ich den Kopf abreißen. Aber das ging nicht. Dann habe ich die Flügel nach oben gebogen, bis sie knackten. Den Kopf konnte ich auch nicht nach hinten biegen. Deshalb habe ich meine Schüppe genommen und den Kopf abgehackt, ungefähr so.“

Anne sprang rechtzeitig zur Seite, bevor Paul an ihren Zehen demonstrieren konnte, wie er den Kopf des Vogels abgehackt hat.

Anna kämpfte mit ihren Gefühlen. Zu ihrem Glück betrat Dirk die Terrasse. Er sah sofort, wie es Anne ging. Minuten vergingen, bevor Anne ihm erzählen konnte, was sie gerade erlebt hat.

„Ich kann nicht mehr. Das ist nicht mein Kind. Und ich will es nicht mehr in meiner Nähe haben. Ich habe Angst. Paul macht mich krank. Bitte hilf mir!“, flehte sie ihren Mann an, „was wird er demnächst nachts anstellen, wenn wir schlafen? Paul ist bösartig, hinterhältig und brutal. Es tut mir sehr weh, das über meinen eigenen Sohn sagen zu müssen.“

Dirk versuchte, beruhigend auf Anne einzuwirken, obwohl er auch viel über Pauls Untaten nachdachte:

„Übermorgen haben wir den ersten Termin beim Kinderpsychologen. Vielleicht kann der uns und Paul helfen. Wenn es dich beruhigt, kannst du für ein paar Nächte im Gästezimmer schlafen und die Tür abschließen. Ich werde unsere Schlafzimmertür und die Tür zum Kinderzimmer auflassen. Wenn ich zwischendurch wach werde, gehe ich in Pauls Zimmer und schaue nach ihm, wie ich es immer mache. Wir warten das Gutachten des Arztes ab. Wenn der uns nicht helfen kann, werden wir uns an das Jugendamt wenden und um Hilfe bitten. Aber du musst endlich zur Ruhe kommen und besser schlafen.“

Dirks Worte konnten Anne nicht beruhigen. Sie vertrieben nicht Annes böse Gedanken.

„Und wenn er sich nachts zu dir ins Schlafzimmer schleicht und dir etwas antun?“, fragte Anne zitternd, „du weißt, was er mit der Hand der Kindergärtnerin getan hat.“

„Ich werde wachsam sein, das verspreche ich dir mein Schatz“, beschwichtigte Dirk seine Frau.

In der Nacht wurde Dirk von seinem unruhig schlafenden Sohn geweckt. Als er an Pauls Bett kam, beleuchteten die hellen Strahlen des klaren Mondes, die durch Schlitze im Rollo ins Kinderzimmer fielen, Pauls Gesicht. Paul träumte einen heftigen Traum, in dem er auffallend aktiv war. Er schien im Traum viel Freude zu haben, denn er lächelte. Endlich sah auch Dirk das Lächeln, das ihm Anne mehrfach mit zitternder Stimme beschrieben hatte. Er spürte, wie eine Gänsehaut seinen Körper überzog. Jetzt verstand er seine Frau.

Sechs Sitzungen waren beim Kinderpsychologen für Paul vorgesehen. Für alle Besuche nahm sich Dirk auf der Arbeit frei.

Beim ersten Besuch zeigte sich Paul von seiner besten Seite. Mit seinem Vater nahm er im Wartezimmer Platz. Die Sekretärin reichte Paul ein Malbuch mit Buntstiften. Als ein anderer Junge das Sprechzimmer des Psychologen verließ, legte Paul das Malbuch mit den Buntstiften auf den Schreibtisch der Sekretärin zurück und bedankte sich ganz brav. Paul zeigte nicht die Unruhe, die bei anderen Kindern in seinem Alter zu beobachten waren, wenn sie das erste Mal zu einem Arzt in die Praxis kamen. Er ging ohne Aufforderung seines Vaters auf den Kinderpsychologen zu, reichte dem seine Hand und schaute ihm dabei in die Augen.

Wenige Minuten später berichtete Dirk dem Psychologen Herrn Bach, aus welchem Grund sie zu ihm gekommen sind. Er schilderte alle Vorfälle im Kindergarten und zu Hause:

„Meine Frau ist am Ende. Sie kann nicht mehr und hat Angst vor Paul. Mit viel Liebe hat sie sich um ihn bemüht. Die ersten Monate machte er uns viel Freunde. Aus dem blassen und ewig schreienden Baby wurde ein fröhliches und aufgewecktes Kind, das sich in seiner neuen Umgebung anscheinend sehr wohl fühlte. Wir waren auch glücklich und stolz, dass sich unser Sohn so prächtig entwickelte, bis dann der Tag kam, an dem sich alles schlagartig änderte. Er biss meiner Frau, die ihn liebevoll auf ihren Armen trug, unerwartet mit seinen kleinen Zähnen in den Hals. Das eiskalte Lächeln ist uns anfangs gar nicht aufgefallen. Leider ereigneten sich weitere Vorfälle im Kindergarten und zu Hause, die uns veranlassten, zu ihnen zu kommen.“

Der erste Besuch war danach beendet.

Der zweite Besuch begann im Wartezimmer ähnlich wie der erste. Paul malte konzentriert in dem Malbuch, als sich die Sprechzimmertür öffnete und ein Mädchen das Zimmer verließ. Leider sah Dirk nicht das Lächeln in Pauls Gesicht. Da Paul wusste, dass er jetzt ins Sprechzimmer des Arztes gehen musste, lief er wie beim ersten Mal mit dem Malbuch und den Stiften zum Schreibtisch der Sekretärin. Die streckte ihre Hände aus, um Buch und Stifte entgegenzunehmen. Als sie das Buch und die Stifte schon in den Händen hielt, stach ihr Paul mit einem Buntstift, den er beim Überreichen des Etuis unter dem Etui verborgen hatte, so fest er nur konnte in den Innenbereich des rechten Unterarms und lachte dabei aus vollem Herzen. Da die verletzte Frau mit ihrem blutenden und schmerzenden Arm beschäftigt war, sah sie nicht die Kälte in Pauls Gesicht.

Dr. Bach, der Kinderpsychologe, lief sofort zu seiner Mitarbeiterin, nachdem er das aufgeschreckte Mädchen mit seinen Eltern verabschiedet hatte. Dirk entschuldigte sich bei der verletzten Frau und riss seinen Sohn sofort an sich, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Der schaute ihn nur wie ein Unbeteiligter an.

„Wegen dieser Gemeinheiten und Unberechenbarkeiten unseres Sohnes sind wir hier. Wir hoffen, dass sie uns helfen können, zunächst einmal das Verhalten Pauls zu verstehen, um dann die richtigen Maßnahmen ergreifen zu können“, schilderte Dirk mit einem verzweifelten Ton in seiner Stimme.

Die Mimik von Dr. Bach gab Dirk keine allzu großen Hoffnungen.

Nach dem letzten Besuch beim Psychologen erwarteten Pauls Adoptiveltern gespannt auf den abschließenden Bericht, in dem unter anderem stand:

„Paul ist körperlich weiterentwickelt als vergleichbare Kinder in seinem Alter. Überraschend hoch ist sein Intelligenzquotient. Besonders auffällig ist aber seine Abneigung gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Seine Angriffe auf Mädchen und Frauen, auch auf seine Mutter, sind dadurch zu erklären. Es ist nicht zu erwarten, dass sich diese feindliche Einstellung ändern wird. In einigen Situationen wirkt er abwesend und/oder gleichgültig. Diese Abwesenheit und Gleichgültigkeit werden nur noch von seiner Gefühlskälte übertroffen. Deshalb sollte Paul vorerst in einer Einrichtung für verhaltensauffällige Kinder untergebracht und betreut werden. Für seine Mutter birgt die Anwesenheit Pauls in der häuslichen Umgebung eine ständige Gefahr. Die Unterbringung in einer betreuten Einrichtung sollte von den zuständigen Ämtern so schnell wie möglich vollzogen werden.“

„Meinen Bericht sende ich, ihre Zustimmung vorausgesetzt, an die zuständige Stelle im Jugendamt zeitnah weiterleiten. Ich werde noch heute fernmündlich mit dem Amt Kontakt aufnehmen. Sie werden dort mit Paul noch in dieser Woche einen Termin erhalten, da ich ihre Lage als sehr dringlich bewerten werde“, teilte Dr. Bach Dirk mit.

Anne war erleichtert, als Dirk ihr zu Hause die nächsten Schritte mitteilte. Paul saß währenddessen gleichgültig in seinem Zimmer und warf hin und wieder Teile seines Spielzeuges durch den Raum.

 

 

Cleos Lustleben

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Pauls leibliche Mutter dachte in den vergangenen Jahren nicht ein einziges Mal an ihren Sohn. Sie erinnerte sich aber sehr gerne an ihre ersten lustvollen Sexerfahrungen vor der Geburt Pauls. Sie war inzwischen süchtig auf Sex in jeder nur möglichen Form. Da sie noch jung war und dazu äußerst attraktiv aussah, brauchte sie in der Kneipe auf der anderen Straßenseite gegenüber ihrer Wohnung nur mit den Fingern zu schnipsen und der von ihr ausgesuchte Mann folgte ihr in ihre Wohnung. Sie besuchte die Kneipe anfangs ein- bis zweimal die Woche und verließ die Gaststätte nie alleine. Stets zog sie einen Sexsklaven hinter sich her. Bald fanden die Besuche auf der anderen Straßenseite täglich statt. Je wilder der Sex, desto mehr Lust verspürte Cleo. Sie konnte nicht genug bekommen. Nicht selten kehrte sie nach dem wilden Sex wieder in die Kneipe zurück, um sich nach ein bis zwei spendierten Gläsern Wein oder Schnaps ein weiteres männliches Opfer auszusuchen. Über achtzig Prozent der männlichen Kneipengäste kam nur ihretwegen hierher, in der Hoffnung, von ihr ausgesucht zu werden.

Sie bereitete sich regelmäßig auf ihre Sexspielchen vor. Sie nahm die Pille und von den Männern forderte sie die Benutzung von Kondomen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752126853
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Dezember)
Schlagworte
Mord Satanskreuz Frauenhass Teufel Bestie Hilflosigkeit Grausamkeit Angst Qualen Horror

Autor

  • Paul Marnou (Autor:in)

Mein Name ist Horst Rasch. Ich bin 73 Jahre alt, verheiratet und habe eine Tochter. Über 40 Jahre war ich an einer multikulturellen Hauptschule tätig. Zu unserer Familie gehört seit einigen Jahren Eurasierhündin Mila. Auf den langen Spaziergängen mit Mila kann ich die Seele baumeln lassen. Auf den Spaziergängen mit meiner Hündin sammel ich fleißig Gedankenpuzzle, die ich langsam zu einer Geschichte zusammensetze. So entstehen meine Bücher. Horst Rasch alias Paul Marnou
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Titel: Eine Biographie des Hasses