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Grenzenlos

Ich weiß, was du denkst.

von Lena Viajera (Autor:in)
130 Seiten

Zusammenfassung

Julia ist einundzwanzig Jahre alt und etwas Besonderes: Sie liest Gedanken. Als ob das nicht genug wäre, wird ihre Welt auf den Kopf gestellt, als Frederik in ihr Leben tritt. Plötzlich geschehen Dinge, die zunächst außerhalb von Julias Vorstellungskraft liegen. Sie erkennt, dass sie die Konsequenzen für jede Entscheidung, die sie trifft, tragen muss und wächst dabei über sich hinaus.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

 

Grenzenlos.

Ich weiß, was du denkst.

 

Von Lena Viajera

 

 

Prolog

Vor 21 Jahren

 

Es war kalt. Und es war dunkel. Stockfinster, um genau zu sein. Eine einsame Gestalt saß am Ufer. Der Wind zerrte an ihrer Kleidung und ihren Haaren. Die junge Frau weinte lautlos. Sie schaute sich um. So viele Jahre war dies ihr Zuhause gewesen. Hier hatte sie sich geborgen gefühlt. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass sie diesen Ort eines Tages als abstoßend empfinden würde – dass sie sie abstoßend finden würde. Sie hatten sie aufgezogen, ihr alles beigebracht, was sie wusste. Sie zu dem gefördert, was sie jetzt und hier war. Sie hatte ihnen vertraut, war sich sicher gewesen, dass es eine Lösung gäbe. So, wie in der Vergangenheit jedes Problem gelöst worden war. Aber was sie jetzt von ihr verlangten, war ausgeschlossen.

Noch einmal rief sie sich das Gespräch in Erinnerung. Ging erneut Satz für Satz durch. Nie würde sie es vergessen. Die Enttäuschung, die sie empfunden hatte, als sie feststellte, dass alles eine Lüge war. Dass sie unbarmherzig und ausschließlich ihre eigenen Interessen verfolgten. Und dass nichts an ihnen gut oder großzügig war, sondern einzig ein Ziel hinter jeder ihrer Handlungen stand: Macht. Und mehr Macht. Schier größenwahnsinnig kamen sie ihr jetzt vor.

Es gab keine andere Lösung. Sicherlich ahnten sie, dass sie ab sofort ein Problem darstellte. Dass sie sich nicht damit abfinden würde. Und dass sie nicht ihre Anweisungen befolgen würde. Deshalb musste es hier und jetzt geschehen. Sie hatte keine Zeit, Vorbereitungen zu treffen. Sie würden es merken. Und sie würden es unterbinden. 'Und das wäre mein Ende.', dachte die junge Frau verbittert.

Sie stand auf und zog sich aus. Ihre Kleidung stopfte sie in eine Plastiktüte, die sie, so gut es ging, mit Klebeband verschloss. Sie befestigte eine kleine Kordel an der Tüte, deren Ende sie sich um den Unterarm band. Der eisige Wind überzog ihren Körper mit einer Gänsehaut. Als sie die ersten Schritte in das kalte Wasser unternahm, rauschte das Adrenalin wie wild durch ihren Körper. Sie blickte sich noch einmal um. War da eine Bewegung am Haus? Hatten sie es bemerkt? Panik machte sich in ihr breit. Ihr gesamter Organismus verfolgte jetzt nur noch ein Ziel: Flucht.

Sie atmete tief ein und schwamm los. Mit kräftigen, gleichmäßigen Zügen schwamm sie fort von dem Ort, der ihr einmal alles bedeutet hatte. Das kalte Wasser schmerzte. Sie merkte schnell, dass es viel schlimmer war, als sie es sich vorgestellt hatte. Aber es gab kein Zurück. Entweder, sie schaffte es, oder dies war ihr Ende.

Kapitel 1 – Begegnung

Heute

 

Julia erinnerte sich gut an den Moment, in dem sie das erste Mal die Gedanken anderer Menschen gelesen hatte. Es war der Moment unmittelbar nach ihrer Geburt: Sie lag in den Armen ihrer erschöpften Mutter und ihre Eltern blickten ihr direkt ins Gesicht. Ihre Gedanken überfluteten sie wie eine riesige Welle. Sie konnte die Welle förmlich sehen, sie war riesig und rollte mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit direkt auf sie zu. Sie brach mit unglaublicher Wucht über sie herein und einen Moment lang geriet sie in Panik. Sie schrie aus Leibeskräften. Aber dann las sie, spürte sie die Gedanken ihrer Eltern, die in dieser Welle direkt zu ihr transportiert worden waren. Sie spürte eine schier überwältigend starke Liebe, sie spürte den Stolz und das Glück das ihre Eltern empfanden und deren einzige Quelle sie war. Ihre bloße Existenz.

Damals beherrschte sie noch keine Sprache. Sie verstand die gesprochenen Worte der Menschen um sie herum nicht und sie verließ sich ausschließlich auf die Gedanken der anderen. Viele Gedanken fühlten sich seltsam an, drehten sich um Dinge, die sie nicht verstand und die sie sich auch nicht vorstellen konnte. Aber die Gedanken der anderen zu lesen vermittelte ihr Sicherheit und das gute Gefühl, zu wissen, ob ihr jemand wohlgesonnen war oder nicht.

Während sie sich an diese Zeit erinnerte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Ihr Bruder Simon bemerkte es und trat ihr unter dem Tisch leicht gegen das Schienbein. „Na, an wen denkst du?“, fragte er und schmunzelte dabei. „Ach, an niemanden. Eher an etwas…“, antwortete Julia. Ihr Bruder sah sie nachdenklich an.

Simon war gerade neunzehn Jahre alt geworden und damit knapp zwei Jahre jünger als Julia. Solange sie sich zurückerinnern konnte, war er immer ihr Vertrauter gewesen. Er war der einzige Mensch auf der Welt, der wusste, dass sie Gedanken lesen konnte.

Julia und Simon saßen im Zug und fuhren Richtung Insel. Dort wollten sie ihre Eltern und ihren jüngeren Bruder Lukas treffen und mit ihnen zwei Wochen in einem Ferienhaus verbringen. Die drei waren schon seit zwei Tagen dort und wenn man ihren Nachrichten und Fotos glauben konnte, war das Ferienhaus fantastisch! Die beiden älteren Geschwister waren noch das Wochenende über zuhause geblieben, um DIE Party des Sommers mitzuerleben. Simons Clique hatte wochenlang organisiert und geplant und es war tatsächlich ein gelungenes Fest geworden. Es war eine Art Abschiedsparty gewesen. Simon hatte dieses Jahr sein Abitur gemacht und seine Clique, die überwiegend aus seinen Klassenkameraden bestand, würde sich in diesem Sommer weit über den Erdball verteilen.

Simon musste an das Gespräch mit Kerstin auf der Party denken. 'Wobei Gespräch es nicht richtig trifft', dachte Simon unwillkürlich. Eigentlich hatte nur Kerstin geredet. Sie war etwas beschwipst gewesen und hatte wieder angefangen, über ihre gemeinsame Zukunft zu sprechen. In ihrem Kopf war schon alles vorherbestimmt: Welche Ausbildung sie beide machen würden – Simon würde natürlich Jura studieren, wohingegen Kerstin Grundschullehrerin werden wollte – und wann sie Kinder bekommen würden. Nach Simons Rückkehr von der Insel wollte sie unbedingt Wohnungen mit ihm besichtigen. Bei dem Gedanken an ihre Worte hatte Simon das Gefühl, erwürgt zu werden. Ihm lastete ein tonnenschweres Gewicht auf der Brust und das Atmen fiel schwer. Er war verliebt in Kerstin – keine Frage. Aber weder war er sicher, dass er Jurist werden wollte, noch war er sicher, dass er Kinder haben wollte und erst recht war er sich nicht sicher, ob Kerstin die Frau fürs Leben war. Ihre Planung, ihre durchstrukturierte Zukunft, das alles überforderte ihn maßlos. 'Hoffentlich weiß ich nach diesem Urlaub, wie ich mich verhalten soll', dachte er und freute sich auf zwei Wochen Seeluft und seine Familie. Es würde ihm sicher guttun, Kerstin zwei Wochen nicht zu sehen.

Über den Rand ihres Buches hinweg beobachtete Julia ihren Bruder. Zu gerne hätte sie gewusst, was ihn beschäftigte. Aber sie hatte es ihm versprochen. Sie hatte ihm versprochen, nie seine Gedanken zu lesen. Es wäre so leicht… Aber versprochen ist versprochen. Außerdem merkte er immer sofort, wenn sie die Gedanken anderer gelesen hatte. Er war in dieser Hinsicht unglaublich aufmerksam.

Draußen wurde die Landschaft immer flacher. „Nächster Halt: Hafen!“, tönte eine Stimme aus dem Zuglautsprecher. Wie auf Kommando ging ein Strahlen über die Gesichter der Geschwister. Sie standen auf und packten ihre Sachen zusammen. Kurz darauf stiegen sie aus und gingen das kurze Stück zum Anleger. Die Fähre wartete schon und sie gingen direkt an Bord.

Während die Fähre anlegte, hielt Julia Ausschau nach dem Rest der Familie – und entdeckte alle drei am Anleger. Lukas hielt ein Schild mit der Aufschrift Julia & Simon – VIPs! in den Händen und grinste breit. „Echt jetzt?!“, Simon verdrehte die Augen und auch Julia war dieses Schild mehr als peinlich. Schließlich bekamen auch jede Menge andere Passagiere und Abholende das Schild zu Gesicht. Die beiden älteren Geschwister verließen die Fähre und liefen auf ihre Familie zu. Mittlerweile hatte Lukas seine Geschwister entdeckt und hielt das peinliche Schild hoch über seinen Kopf.

„Musst du uns so blamieren?“, fragte Simon seinen Bruder. „Er meint es doch nur gut, schließlich hat er sich schon riesig auf euch gefreut.“, schaltete sich seine Mutter ein. „Ich dachte, du bist jetzt erwachsen und die Zeiten, als dir alles peinlich war, wären vorbei…?“, lachte auch sein Vater. Simon kapitulierte und nahm seinen Bruder fest in die Arme. Nachdem die Familie sich ausgiebig begrüßt hatte, machte sie sich auf den Weg zum Ferienhaus.

Der Weg war nicht weit – dieses Jahr hatte die Familie ein Ferienhaus an der Südspitze der Insel gemietet. Neugierig betraten Julia und Simon das Haus. Ihre Mutter Doreen ging ihnen hinterher. Erwartungsvoll blickte sie in die Gesichter ihrer beiden Ältesten. „Wow!“ „Ist ja der Hammer, man kann tatsächlich direkt auf den Strand und das Meer schauen!“ „Und jeder hat ein eigenes Zimmer!“ „Und schau dir mal diesen riesigen Fernseher an!“ Die Stimmen der Kinder überschlugen sich. Doreen lachte und freute sich. Sie hatte das Gefühl, bei der Wahl des Ferienhauses alles richtig gemacht zu haben. Wie gewohnt war die Organisation des Familienurlaubs an ihr hängen geblieben. Sie hatte sich so sehr den Kopf darüber zerbrochen, wie sie die Bedürfnisse aller Familienmitglieder unter einen Hut bekommen sollte. Umso mehr freute sie sich, dass offenbar alle zufrieden mit dem Domizil waren.

„Was sagt Kerstin eigentlich dazu, dass du jetzt zwei Wochen ohne sie Urlaub machst?“, fragte Simons Vater. Die Familie saß um den großen Holztisch im Wohnzimmer verteilt und ließ sich Spaghetti schmecken. Draußen war es mittlerweile stockdunkel und leise war das Rauschen des Meeres zu hören. Vater Jan hatte ein Feuer im Kamin angezündet und die Wärme des Kamins und das Essen färbten die Wangen der Familienmitglieder rot. „Ach, ich glaube, das nimmt sie mir nicht übel. Sie hat noch `ne Menge zu organisieren.“, antwortete Simon und beeilte sich, das Thema zu wechseln.

Doreen schaute in die Gesichter ihrer Lieben. Wie immer, wenn alle zusammen waren, glücklich und gesund, war sie so unbeschreiblich froh, dass sie laut hätte singen können. All die dunklen Gedanken, die sie früher regelmäßig überfallen hatten, und über die sie niemals mit jemandem gesprochen hatte, waren weit weg.

Julia beobachtete ihre Mutter. Oft hatte sie schon die Gedanken ihrer Mutter gelesen; Julia war wahrscheinlich die Einzige, die von den dunklen Gedanken ihrer Mutter wusste. Für Julia war es selbstverständlich, dass sie die Gedanken anderer Menschen las. Sie empfand dies nicht als Verletzung ihrer Privatsphäre. Oder vielleicht, wenn sie ganz ehrlich war, doch. Aber sie hatte eines Tages entschieden, dass sie, wenn sie schon mit dieser Fähigkeit belastet war, sie auch nutzen wollte. Simon hatte mal zu ihr gesagt: „Ich verstehe nicht, warum du das als Belastung siehst. Ich wäre froh, wenn ich immer wüsste, was in den anderen wirklich vorgeht. Keiner könnte mich mehr verarschen!“ Aber Julia wusste: Das war nur die halbe Wahrheit. Zu viel Ehrlichkeit und zu viel Wissen um die wahren Gefühle und Gedanken der anderen konnte auch schrecklich weh tun. Bis heute hatte Julia keine beste Freundin. Zu häufig war sie von dem versteckten Neid und der Missgunst der anderen Mädchen abgeschreckt worden. Ihre Freundschaften waren oberflächlich, sie blieb viel für sich allein und las gerne oder dachte sich Geschichten aus. Einsam fühlte sie sich trotzdem nicht. Ihre Familie gab ihr Halt und Geborgenheit.

 

***

 

Am nächsten Morgen wachte Julia davon auf, dass die gleißende Sonne sie so sehr in der Nase kitzelte, dass sie niesen musste. Sie warf einen Blick auf ihr Handydisplay und stellte fest, dass es schon halb elf war. Nun merkte sie auch, wie sehr die Sonne das Dachgeschosszimmer, in dem sie geschlafen hatte, aufgeheizt hatte. Sie streckte sich noch einmal ausgiebig und lief nach unten. Ihre Mutter war in der Küche damit beschäftigt, einen Apfelkuchen zu backen. „Na, Langschläferin? Möchtest du frühstücken? Ich konnte noch zwei Brötchen vor den Vielfraßen retten.“, lachte sie. „Oh ja!“, antwortete Julia. Sie schmierte sich beide Brötchen mit Butter und der leckeren bitteren Orangenmarmelade, die sie so mochte und sah beim Essen ihren Brüdern und ihrem Vater zu. Sie spielten am Strand Schweinchen in der Mitte, aber der Wind wehte den Ball immer wieder unvorhersehbar zur Seite, so dass es das Schweinchen mitunter sehr leicht hatte. „Kommst du gleich mit, etwas einkaufen? Ich könnte Hilfe beim Tragen gebrauchen.“, fragte Doreen. „Ok. Aber lass mich vorher bitte noch duschen.“ „Na, dann mach schnell!“

 

***

 

Während ihre Mutter in einer Schlange für frischen Fisch stand, warf Julia einen Blick auf die Zeitschriften an einem Kiosk. Sie hielt Ausschau nach einem richtigen Buchladen. Zwar hatte sie sich für den Urlaub bevorratet, aber man konnte ja nie wissen. „Na, ist etwas für VIPs dabei?“, fragte eine Stimme neben ihr. Julia drehte sich erschrocken zu Seite. Neben ihr stand ein junger Mann und grinste sie an. Er musste etwa in ihrem Alter sein und seine Haut war sonnengebräunt. Sie drehte sich um, aber da war keiner. Er hatte also mit ihr gesprochen. Reflexartig las sie in seinen Gedanken. Sie sah, wie er an eine Szene dachte, in der ein etwa dreizehnjähriger Junge ein Schild über seinen Kopf reckte. Auf dem Schild stand: Julia & Simon – VIPs! „Oh, mein peinlicher Bruder!“, entfuhr es ihr. Der Junge neben ihr lachte: „Keine Sorge, ich habe eine kleine Schwester, da ist man vor Peinlichkeiten auch nicht sicher.“ Julia musterte ihren Gesprächspartner. Er hatte sie einfach so angesprochen. Sie würde sich nie trauen, einfach so jemanden anzusprechen. Er ignorierte, dass sie ihn mehr oder weniger anstarrte, und fuhr fort zu reden: „Wir haben gestern meinen Vater von der Fähre abgeholt. Wir sind schon seit einer Woche hier und gestern hat es Mr. Super-Busy dann auch endlich geschafft, zu seiner Family in den Urlaub zu kommen. Meine Mam ist schon megasauer gewesen.“ Julia fiel nichts Cooles ein, was sie darauf hätte antworten können. Gerne hätte sie jetzt irgendeinen lässigen Kommentar abgegeben, aber ihr fiel beim besten Willen nichts ein.

„Oh, ich sehe, ihr habt euch schon bekannt gemacht.“, sagte eine weitere, Julia unbekannte Stimme neben ihr. Eine Frau lächelte sie freundlich an. Sie war in Begleitung von Julias Mutter. Die spürte, dass ihre Tochter überrumpelt war und sagte: „Darf ich vorstellen? Hanne und ihr Sohn Frederik. Sie bewohnen unser Nachbarferienhaus. Wir haben uns in den letzten Tagen schon einmal getroffen.“

 

***

 

Jan hatte mit Simon zusammen die Fische auf der Terrasse gegrillt und die Familie hatte lange zusammen gesessen, gegessen und geredet. Lukas nörgelte. Er verabscheute es, einen ganzen Fisch auf seinem Teller zu haben. „Der guckt mich ja noch an… Und die ganzen Gräten muss ich auch noch raus pulen. Bis ich damit fertig bin, ist doch alles kalt…“, maulte er. Aber die anderen lachten ihn nur kurz aus. Es war ein gemütlicher Abend gewesen und die Kinder merkten, wie ihre Eltern allmählich auch mit dem Kopf im Urlaub ankamen und sich entspannten.

Jetzt saß Julia allein in den Strandkorb gekuschelt und las. Dies war eine ihrer absoluten Lieblingsbeschäftigungen. In Geschichten eintauchen, Zeit und Raum vergessen und stundenlang lesen… Der Strandkorb war ein wenig abseits der Terrasse in Richtung Strand aufgestellt und sie hatte einen herrlichen Blick auf Dünen, Strand und das Meer. Es wurde dunkel und sie überlegte gerade, ob sie sich eine Taschenlampe holen und den Abend mit dem Buch und der Taschenlampe im Strandkorb verbringen sollte. Der Wind trug Geräusche in ihre Richtung. Gesprächsfetzen drangen an ihr Ohr. Zwei Menschen stritten lauthals. Sie konnte die gesprochenen Worte nicht verstehen, aber der Tonfall war eindeutig. Julia stand auf und ging ein Stück Richtung Strand, um festzustellen, woher die Geräusche kamen. Innerhalb kürzester Zeit waren ihre Schuhe voller Sand.

Am Strand angekommen konnte sie keinen Streit mehr hören, vermutlich waren die Geräusche aus der Richtung der anderen Ferienhäuser und nicht vom Strand gekommen. Julia blickte auf das Meer. Die Wassermassen erschienen ihr schier unendlich und sie blickte minutenlang nur auf die Wellen. Sah ihnen zu, wie sie sich langsam aufbauten, um dann zu brechen und Sand und manchmal auch kleine Tierchen Richtung Strand zu spülen. Sie fühlte sich unglaublich frei und entspannt. Es war noch angenehm warm und ihre Füße hatten mit all dem Sand in ihren Schuhen kaum noch Platz. Sie beschloss, sich im trockenen Sand hinzusetzen und die Schuhe ganz auszuziehen. Sie drehte sich um und erschrak heftig. Am Fuß der Dünen hinter ihr saß ein Mensch. Er schien sie zu beobachten. Wie lange saß er schon dort? Hatte er sie die ganze Zeit beobachtet?

„Hab ich dich erschreckt? Entschuldige, das wollte ich nicht.“, sagte eine Stimme vom Fuß der Dünen aus in ihre Richtung. Julia erkannte Frederiks Stimme und beruhigte sich ein wenig. Sie näherte sich ihm. „Im ersten Moment schon. Ich dachte, ich hätte einen Streit gehört.“ Sie blickte sich um, aber es war keine weitere Person, mit der Frederik vielleicht gestritten haben könnte, zu sehen. „Setz dich doch.“, sagte Frederik. Julia zögerte nur kurz, setzte sich dann aber neben ihn und begann, ihre Schuhe auszuziehen und den Sand auszukippen. „Ich schätze, du hast einen Streit zwischen meinen Eltern gehört.“, sagte Frederik. „Unser Ferienhaus ist direkt neben eurem und meine Eltern streiten in letzter Zeit ständig. Ich bin auch deswegen hierhergekommen. Ich kann da nicht ständig zuhören.“ „Das tut mir leid.“, antwortete Julia und musterte Frederiks Profil. Er war jetzt gar nicht mehr so cool wie vorhin am Kiosk, er wirkte bedrückt. Eine Weile schwiegen die beiden. Julia war froh, dass es zwischen ihren Eltern weitgehend harmonisch lief. Zwar waren die sich auch nicht immer einig, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, dass jemals so lautstark die Fetzen geflogen waren, dass eines der Kinder die Flucht ergriffen hatte. Allerdings lenkte ihre Mutter auch immer schnell ein; man könnte auch sagen, sie versuchte stets, Meinungsverschiedenheiten im Voraus zu vermeiden.

Frederik ließ sich rückwärts in den Sand fallen. Er schaute in Julias Gesicht und lächelte sie aufmunternd an: „Perfekt sind Eltern nie, oder?“ „Sind halt auch nur Menschen.“, antwortete Julia und ließ sich neben ihm in den Sand fallen. Sie guckte in den Himmel und sah all die Sterne. Der Himmel erschien ihr hier immer viel größer, viel weiter als in der Stadt. Irgendwie unendlich. „Da fühlt man sich selbst ganz klein, nicht wahr?“, sagte Frederik. Julia blickte ihn überrascht an und nickte nach einer Weile. Sie spürte, wie er sie von der Seite ansah und aus Gewohnheit las sie in seinen Gedanken. Sie spürte verschwommene Bilder. Es waren schöne Bilder, Bilder von Möwen, die frühmorgens neben einem Fischkutter im Hafen entlang flogen, Bilder vom Meer und dem Strand, an dem sie sich gerade befanden. Und plötzlich tauchte ganz klar und überhaupt nicht mehr verschwommen ein Bild von einem Gesicht auf. Es sah aus wie ein Foto von ihrem Gesicht, auf dem sie Frederik anlächelte. Es konnte nur ein paar Minuten her sein, seit sie ihn so angesehen hatte und das Bild quasi entstanden war. Frederik hatte sich jetzt zu ihr gedreht. Er stützte sich auf einen Arm und sah ihr direkt ins Gesicht.

„Frederik, bist du hier irgendwo?“, rief eine Frauenstimme. Sie hörte sich verweint an und Julia hatte sie heute schon einmal gehört. Es war die Stimme von Frederiks Mutter. Er drehte sich um und blickte in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Noch war niemand zu sehen. Er drehte sich wieder zu Julia und fragte: „Sehen wir uns morgen?“ Sie konnte spüren, dass er nervös war, als er fragte. „Gerne.“, antwortete sie, ohne nachzudenken. Und wunderte sich anschließend über sich selbst. Ein Lächeln huschte über Frederiks Gesicht. Er stand auf und sagte bedauernd: „Ich werde mal nach meiner Mutter schauen müssen.“ Schon hatte er sich umgedreht und war hinter den Dünen verschwunden.

 

***

 

„Warum soll ich in ein Schwimmbad gehen, wenn ich das Meer direkt vor der Tür habe?!“, ereiferte sich Julias Vater gerade. „Weil du im Meer nicht die Temperatur hochdrehen kannst!“, antwortete Simon und Lukas nickte heftig. „Es soll dort auch eine schöne Sauna geben...“, warf Julias Mutter ein.

Die Familie saß am Frühstückstisch und schmiedete Pläne für den Tag. Julia hielt sich zurück. Morgens war sie nie so richtig ansprechbar, die anderen nannten sie gerne scherzhaft Morgenmuffel und waren daran gewöhnt.

Ein Klingeln an der Tür unterbrach die Debatte am Frühstückstisch. Wie zuhause sprang Lukas als Erster auf und lief zur Tür. Er kam mit Frederik im Schlepptau zurück.

„Guten Morgen“, grüßte dieser in die Runde und blickte dann erwartungsvoll Julia an: „Kann es losgehen?“. Schlagartig war Julia hellwach. Und sie hoffte, dass sie nicht rot wurde. Sie nickte schnell, stand auf und ging in den Flur, um ihre Schuhe zu holen.

Sie band gerade die zweite Schleife, als sie ihre Mutter neben sich wahrnahm. „Also kommst du heute nicht mit uns mit?“, fragte sie. Julia schüttelte nur stumm den Kopf. Ihre Mutter zögerte kurz, dann lächelte sie zunächst in Frederiks und dann in Julias Richtung und wünschte beiden einen schönen Tag.

Sie liefen nebeneinander her und ein leichter Wind wehte ihnen entgegen. Die Sonne schien schon eine Weile und es war angenehm warm. Überall waren Familien mit gepackten Strandtaschen zu sehen, die auf dem Weg zum Meer waren. Ein kleiner Junge trug ein riesiges, grünes Plastikkrokodil unter dem Arm. Das Krokodil war etwas größer als der Junge und wenn der Wind das Krokodil erfasste, musste der Junge sich immer mit seinem ganzen Gewicht dagegen stemmen. Es sah so lustig aus – fast so, als würde er mit dem Krokodil ringen, dass Frederik und Julia beide wie auf Kommando anfingen, zu lachen.

Julia beobachtete Frederik aus dem Augenwinkel. Sie hatte gar nicht gefragt, wo er mit ihr hinwollte. Jetzt war sie doch neugierig. Aber es wäre ihr blöd vorgekommen, jetzt noch zu fragen. Frederik wandte sein Gesicht direkt zu ihr: „Ich möchte dir etwas zeigen, was ich in den letzten Tagen auf meinen Streifzügen hier schon entdeckt habe. Da hat jemand am Strand eine Art Höhle gebaut. Muss aber schon eine Weile her sein; man sieht, dass das Ganze schon öfter Regen und Wind abbekommen hat. Vielleicht waren es Urlauber im letzten Sommer, die dieses Jahr nicht wiedergekommen sind. Ich habe dort jedenfalls schon einige Zeit verbracht und es ist nie jemand aufgetaucht.“

Sie bogen in einen kleinen Strandweg zwischen den Dünen und gingen parallel zum Meer am Fuß der Dünen entlang. Frederiks Schritte beschleunigten plötzlich und er lief ein kleines Stückchen vor. Dann hielt er an und verbeugte sich wie ein Diener und wies auf einen kleinen Pfad zu seinen Füßen. Julia folgte der von ihm angegebenen Richtung und stand plötzlich auf einer Art Dünenveranda. Jemand hatte aus Strandgut eine Art Windfang um eine kleine Sandfläche gebaut, ähnlich den von den Urlaubern häufig genutzten Strandsegeln. Hier hatte sich aber jemand etwas mehr Mühe gegeben und alles ordentlich befestigt und sogar ein kleines Dach gebaut. Julia wusste sofort, was Frederik gemeint hatte, als er sagte, das Ganze müsse schon eine Weile stehen. Der Wind hatte mit der Zeit den Dünensand verteilt und die Dünen schienen sich jetzt um die Konstruktion herum zu schmiegen. Es sah richtig gemütlich aus. Man konnte wind- und sonnengeschützt in den Dünen sitzen, das Meer und den Strand beobachten, wurde aber selbst nicht sofort gesehen.

„Das ist ja ein toller Platz!“, rief Julia. „Ja, mir hat es auch sofort hier gefallen. Ich hab schon gedacht, vielleicht wollte hier letztes Jahr jemand die Strandkorbmiete sparen und sich trotzdem ein exklusives Plätzchen sichern.“, antwortete Frederik. „Hier kannst Du bestimmt auch schön lesen.“, ergänzte er etwas leiser. Julia blickte ihn überrascht an, aber Frederik lächelte nur verschmitzt.

Er ließ sich in den Sand fallen und streckte Arme und Beine aus. Julia setzte sich neben ihn in den Sand. Nach einer Weile stützte Frederik sich auf seine Unterarme und richtete so seinen Oberkörper halb auf. Julia entspannte sich ein wenig und tat es ihm nach. Beide lagen mit aufgerichtetem Oberkörper im Sand und beobachteten die Wellen, die unaufhörlich brachen und Wasser an den Strand spülten, welches anschließend sofort wieder ins Meer zurückfloss. Keiner der beiden sagte etwas.

Julia hatte die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen mit Schweigen nicht gut umgehen konnten. Sie unterbrachen Phasen der Stille gewöhnlich schnell und sagten lieber irgendetwas Belangloses. Frederik schien anders zu sein. Er hatte jetzt schon eine ganze Weile nichts gesagt und schaute einfach den Wellen zu. Ihr Schweigen schien ihm nicht unangenehm zu sein. Sie spürte seine Gedanken auf. Wieder kamen sie ihr verschwommen vor. Er war ausgeglichen, glücklich und Julia stellte belustigt fest, dass ihm gerade Bilder von Eiskugeln in einer knusprigen Waffel durch den Kopf gingen.

Sie war es, die die Stille durchbrach: „Wollen wir uns ein Eis holen? Auf dem Weg hierher habe ich eine Eisdiele gesehen. Wir könnten uns Kugeln in einer Waffel holen und hierher zurück kommen.“ Frederik freute sich: „Na klar, komm!“

Sie liefen zu der Eisdiele und stellten sich in die Schlange. Julia wählte Zitrone und Erdbeere, Frederik entschied sich für Zitrone und Heidelbeere. Auf dem Rückweg zu ihrer Dünenveranda gingen sie etwas langsamer. Sie konzentrierten sich darauf, das Eis aufzuschlecken, bevor es ihnen auf die Füße tropfte. Frederik war nicht schnell genug und ein dicker Tropfen klebrigen Zitroneneises tropfte mitten auf seine Zehen, die in Flip Flops steckten. Er grunzte leicht und lachte.

Sein Blick glitt an Julia vorbei und sein Lachen erstarb abrupt. Julia war so erschrocken über seinen Gesichtsausdruck, dass sie seinem Blick folgte. In einiger Entfernung sah sie einen Mann mit einer jüngeren Frau. Beide standen dicht zusammen und die Frau lachte gerade laut über irgendetwas, was der Mann gesagt hatte. Julia guckte wieder zu Frederik. Bevor sie ihn fragen konnte, ob er die beiden kannte, nahm er ihre Hand und zog sie fort, Richtung Dünenveranda. „Komm, ich habe jetzt keine Lust auf meinen Vater.“

Damit war ihre unausgesprochene Frage beantwortet. Die Frau, das hatte Julia erkannt, war allerdings nicht Frederiks Mutter gewesen. Wahrscheinlich hatte Frederik deshalb die Flucht ergriffen. Julia wusste nicht, wie sie in so einer Situation reagieren würde. Aber was war es überhaupt für eine Situation gewesen? Ein Mann und eine Frau hatten sich unterhalten. Sie hatte gelacht. Eigentlich eine alltägliche Szene. Aber Julia spürte, dass etwas an dieser Szene unangenehm gewesen war. Vielleicht lag es an Frederiks Reaktion darauf.

Julias Grübeleien wurden durch ihre Ankunft auf der Dünenveranda unterbrochen. Frederik hatte den ganzen Weg über ihre Hand weiter festgehalten und Julia stellte überrascht fest, dass sie sich darüber freute.

„Wollen wir schwimmen?“, fragte Frederik und lächelte sie an. „Schließlich muss ich noch klebriges Zitroneneis von meinen Zehen spülen!“ Julia lachte. In Erwartung eines Badeausfluges mit ihrer Familie hatte sie sich zum Glück am Morgen ihren Bikini untergezogen. Mittlerweile war es richtig heiß geworden, eine Abkühlung im Meer wäre jetzt genau das Richtige! Sie nickte.

In null Komma nichts hatte Frederik seine Flip Flops weggekickt, sein T-Shirt und seine kurze Hose ausgezogen. Darunter trug er eine Badehose. Julia war etwas langsamer. Während sie T-Shirt und kurze Hose auszog, rannte Frederik schon über den heißen Sand in Richtung Meer.

Das Wasser war herrlich. Julia fühlte sich gleichzeitig winzig klein in dem riesigen Meer und wunderbar frei, während sie mit kräftigen Zügen schwamm. Frederik neben ihr schien sich ebenso zu fühlen. Sie wanderte wieder zu seinen Gedanken und erkannte verschwommene Bilder vom Strand, vom Meer und von sich selbst wie sie ihn ansah. Sie fühlte sich wohl in Frederiks Gedanken. Er mochte sie, das konnte sie spüren. Obwohl sie seine Gedanken immer nur verschwommen wahrnahm. 'Eigentlich merkwürdig', dachte sie. Normalerweise, wenn sie es darauf anlegte, waren die Gedanken anderer Menschen ein offenes Buch für sie. Wenn sie sich stark konzentrierte, konnte sie jeden Gedanken eines anderen glasklar wahrnehmen. Frederiks Gedanken jedoch waren immer leicht verschwommen.

Ihr wurde langsam kalt und sie sah, dass auch Frederik sich wieder Richtung Strand orientierte. Gemeinsam stiegen sie aus dem Wasser. Der heiße Sand war jetzt nicht mehr unangenehm, sondern wärmte schön. Beide legten sich in der Dünenveranda auf den Boden und ließen sich von dem warmen Sand trocknen.

 

***

 

„Hallo Schwesterchen,“, begrüßte Simon sie, „hast du einen schönen Tag gehabt?“ Simon saß in dem Strandkorb, in dem Julia am Abend zuvor gelesen hatte. Sie setzte sich neben ihn und er rückte bereitwillig ein Stückchen zur Seite. „Ja, Frederik hat eine Art Dünenveranda entdeckt, dort ist es richtig gemütlich!“, sprudelte es aus ihr heraus. Simon sah sie interessiert an. „Du magst ihn, oder?“ , fragte er ganz direkt. „Ja.“, antwortete Julia ebenso direkt.

Simon wusste, dass Julia oft und viel allein war. Er kannte auch den Grund dafür. Gerade deshalb interessierte ihn der Mensch, den Julia mochte und mit dem sie freiwillig und offenbar gerne einen ganzen Tag verbracht hatte. „Was habt ihr denn unternommen?“, fragte er seine Schwester. Julia berichtete in knappen Worten, wie ihr Tag verlaufen war. Nur die kurze Szene mit Frederiks Vater ließ sie aus. „Und habt ihr euch gut unterhalten?“, fragte Simon weiter. Er kannte die Kommunikationsdefizite seiner Schwester, wie er ihren Hang zum langen Schweigen oft heimlich nannte. „Wir haben gar nicht so viel geredet.“, sagte Julia langsam und merkte, wie Simon sie überrascht anguckte. „Und das war Frederik gar nicht so unangenehm.“, lachte sie. „Man muss halt nicht ständig plappern und ich bin wohl doch nicht die Einzige, die das so sieht!“

Julia sah Simons Smartphone, das auf dem ausgeklappten Strandkorbtischchen mit dem Display nach unten lag. Sie wechselte das Thema: „Hat Kerstin sich gemeldet?“ „Ja, offenbar verreist sie jetzt doch noch. Wollte sie ja eigentlich nicht.“, sagte Simon. Kerstins Eltern verreisten diesen Sommer nicht und Kerstin hatte ursprünglich kein Geld für eine Urlaubsreise ausgeben wollen, sondern alles für eine Mietkaution sparen wollen. Umso überraschter war Simon gewesen, als er vorhin ihre Nachricht gelesen hatte: Hallo Simonschätzchen, es hat sich eine einmalige Gelegenheit für einen Südfrankreichurlaub für mich ergeben, da habe ich zugeschlagen! Du bist ja auch noch ein paar Tage weg. Wir sehen uns zuhause... Küsschen, Kerstin

 

***

 

Sirenen durchbrachen die Stille der Nacht. Im ersten Moment dachte Julia, sie sei zuhause in der Stadt und drehte sich einfach wieder um. Nächtliche Polizei- oder Feuerwehrsirenen waren in der Stadt keine Seltenheit. Die Erkenntnis, dass sie auf der Insel und Sirenengeheul hier eine absolute Seltenheit war, durchfuhr Julia wie ein Blitz. Schlagartig setzte sie sich im Bett auf. Ihr Herz klopfte wild. Sie hatte beim Zubettgehen vergessen, das Rollo herunterzuziehen und jetzt ließ der Schein der Blaulichter das Zimmer hektisch flackern. Die mussten ganz nah sein.

Julia zog sich ihre Hausschuhe an und ging hinunter ins Erdgeschoss. Der Rest der Familie schien einfach weiterzuschlafen. 'Vermutlich haben die auch nicht realisiert, dass wir auf der Insel sind', dachte Julia. Die Sirenen hatten aufgehört, aber die Blaulichter flackerten unaufhörlich. Der Einsatz musste in unmittelbarer Nähe sein. Julia war neugierig und ängstlich zugleich.

Sie nahm all ihren Mut zusammen und öffnete die Haustür. Die Luft war von Rauchschwaden durchzogen und es stank ganz erbärmlich. 'Feuer', dachte Julia, 'hier brennt es!'. Jetzt konnte sie auch einen Lichtschein sehen. Mit vor Schreck geweiteten Augen näherte sie sich der Lichtquelle.

Das Feuer schien vom Feriengrundstück von Frederiks Familie zu kommen. Julia ging schneller. 'Hoffentlich ist ihnen nichts passiert!' Die letzten Meter rannte sie fast. Sie konzentrierte sich auf den Feuerschein und lief einfach weiter darauf zu. Die dunklen Schatten der Bäume und Sträucher um sie herum und die Geräusche der Nacht, die sie normalerweise fürchtete, wurden nebensächlich. So kam es, dass sie die Bewegung unmittelbar neben ihr erst viel zu spät sah. Eine starke Hand packte sie unsanft an der Schulter, hielt sie fest und stoppte so ihren Lauf abrupt. Julia schrie auf. „Keine Schaulustigen! Zieh Leine, wir können hier niemanden gebrauchen, der nur im Weg steht!“, herrschte eine kräftige, tiefe Stimme sie an. Vor ihr stand ein Helfer der freiwilligen Feuerwehr in voller Montur und guckte sie grimmig an. Julia nahm all ihren Mut zusammen: „Ich möchte nur wissen, ob es Frederik – also ob es unseren Nachbarn gut geht.“ Sie versuchte, mit fester Stimme zu sprechen. Der Feuerwehrmann ging zunächst nicht auf ihre Frage ein, sondern fragte plötzlich interessiert: „Du wohnst direkt nebenan?“ Julia nickte stumm. „Hast Du irgendetwas gesehen? Ist dir etwas aufgefallen, das anders war als sonst?“, fragte er. „Ich bin durch die Sirenen wach geworden und dann hierher gelaufen, um zu sehen, ob es allen gut geht“, antwortete Julia. Der Feuerwehrmann verlor schlagartig das Interesse, als er erkannte, dass Julia bis zum Ausbruch des Feuers geschlafen hatte. „Es geht soweit allen gut. War nur der Schuppen.“, brummte er und ging wieder Richtung Feuer. Er drehte sich noch einmal um und forderte Julia wieder auf, nach Hause zu gehen.

Julia stand noch eine Weile da. Sie zögerte. Sie wollte sich zu gerne selbst davon überzeugen, dass es allen gut ging. Aber die Angst, dem bärbeißigen Feuerwehrmann wieder zu begegnen und dann womöglich vor Frederik und seiner Familie als Schaulustige dargestellt zu werden, überwog. 'Er wird schon nicht gelogen haben', dachte sie und drehte sich langsam wieder in Richtung ihres eigenen Ferienhauses um.

Julia erreichte die Haustür und stellte verärgert fest, dass sie in der Aufregung die Tür einfach zugezogen hatte ohne einen Schlüssel von dem Brettchen neben der Tür mitzunehmen. Sie überlegte. Lust, ihre Familie durch ein Klingeln aufzuwecken, hatte sie nicht. Sie beschloss, einen Versuch über die Terrasse zu unternehmen. Viel Hoffnung hatte sie nicht, da ihre Mutter vor dem Zubettgehen eigentlich immer noch eine Runde durchs Haus drehte und prüfte, ob alle Türen und Fenster im Erdgeschoss fest verschlossen waren. Julias Vater hatte seine Frau damit sogar schon aufgezogen und ihr gesagt, dass ihre Vorsichtsmaßnahmen hier auf der Insel nicht nötig seien. „Hier klaut doch keiner was. Die Insulaner schließen garantiert nicht mal ihre Haustüren ab.“, hatte er gesagt. 'Klauen tut vielleicht keiner was, aber brennen tut es offenbar durchaus...', überlegte Julia. Sie umrundete das Haus und betrat die Terrasse. Wie erwartet war die Terrassentür zu. 'Also muss ich wohl doch klingeln', dachte sie resigniert und wollte umdrehen.

Da sah sie es. Die Terrassentür war zwar zu, der Griff zeigte jedoch nicht nach unten, sondern zur Seite! Das konnte nur bedeuten, dass die Tür zwar zugezogen, jedoch nicht richtig verschlossen worden war. Sie drückte sanft gegen die Tür. Und tatsächlich ließ sie sich leicht öffnen. Vor lauter Glück über die offene Tür vergaß Julia völlig, sich Gedanken über den Grund dafür zu machen. Schnell betrat sie das Wohnzimmer und bückte sich, um ihre dreckigen Schuhe auszuziehen. Dabei kehrte sie der Terrasse den Rücken zu. Als sie sich wieder aufrichten wollte, nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung im Garten wahr. Das Herzklopfen von vorhin war sofort wieder da. Adrenalin durchflutete ihren Körper. War da jemand im Garten? Hatte derjenige sie etwa verfolgt?

Blitzschnell drückte sie den Hebel der Terrassentür nach unten. Ihr wurde bewusst, dass die Person im Garten sie immer noch beobachten könnte. Eilig verließ sie das Wohnzimmer mit den vielen Fenstern und rannte beinahe hinauf in ihr Dachgeschosszimmer. Sie machte die Zimmertür zu und sank auf den Boden. Eine ganze Weile hockte sie so zusammengekauert mit dem Rücken zur Tür und lauschte ihrem pochenden Herzen. Ihre Gedanken rasten. 'Wer kann das gewesen sein?' 'Warum schleicht jemand durch unseren Garten?' Julia erinnerte sich plötzlich, wie der Feuerwehrmann sie gefragt hatte, ob sie etwas Ungewöhnliches gesehen habe. 'Ermittelte er etwa wegen Brandstiftung?'

 

***

 

Julias Augen suchten den Strand ab. Ihr Blick wanderte von dem Strandweg über die Dünen bis zu dem Turm der Rettungsschwimmer. Keine Spur von Frederik. Heute Morgen hatte sie sich nur ein Brötchen vom Frühstückstisch geschnappt und war sofort zu der Strandhöhle aufgebrochen. In der vergangenen Nacht war an Schlaf nicht zu denken gewesen. Unmengen von Adrenalin überfluteten ihren Körper und selbst heute, bei Tageslicht und Sonnenschein und einer absolut friedlich anmutenden Atmosphäre am Strand, lief ihr wieder ein kalter Schauer über den Rücken, wenn sie an die letzte Nacht dachte. Mittlerweile war sie sicher, dass da jemand im Garten gewesen war. Bei dem Gedanken daran, dass sich letzte Nacht ein Brandstifter in unmittelbarer Nähe zu ihr in der Dunkelheit versteckt hatte, beschleunigte sich ihr Herzschlag gleich wieder. Wo steckte bloß Frederik? Sie wusste immer noch nicht, ob es ihm gut ging. Als sie heute Morgen das Ferienhaus der Nachbarn passierte, war noch alles still und kein Mensch in Sicht. Sie hatte sich nicht getraut, zu klingeln. Stattdessen war sie zu der Strandhöhle gegangen und hoffte jetzt, dass Frederik bald auftauchen würde.

 

***

 

„Wir reisen ab!“, entschied Wilhelm. „Du hast wohl vergessen, weshalb wir hier sind?! Wir können auf keinen Fall abreisen!“, antwortete Hanne ihrem Mann. „Jemand hat versucht, uns umzubringen! Aus welchem Grund sollten wir also hierbleiben und ihm die Chance geben, es noch einmal zu versuchen?“ „Du übertreibst. Kein Mensch weiß, ob es ein Anschlag oder nur ein schiefgegangenes Abenteuer von Jugendlichen war. Der Schuppen ist abgebrannt – nicht das Haus!“ „Du bist doch sonst so vorsichtig. Warum riskierst du jetzt alles? Du willst dich doch bloß vor denen profilieren! Einmal bekommst du selbst einen Auftrag und schon überschreitest du alle Grenzen.“ „Schwachsinn! Es ist unser gemeinsamer Auftrag – und wir waren mal richtig gut darin, gemeinsam Aufträge auszuführen. Falls du dich noch erinnerst. Oder hast du dich schon so an das Spießerleben gewöhnt, dass du dir beim ersten kleinen echten Auftrag vor Angst in die Hosen machst – nur weil mal eine Kleinigkeit nicht nach Plan verläuft? Du weißt, wie lange wir auf einen echten Auftrag gewartet haben und wie wichtig es für uns ist, von den anderen wieder ernst genommen zu werden! Also reiß dich zusammen! Tu es für Frederik. Er braucht den Rückhalt der anderen mehr als wir.“

Bei der Erwähnung seines Sohnes veränderte sich Wilhelms Gesichtsausdruck. Er dreht den Kopf und atmete einmal tief ein und aus. Er schloss kurz die Augen und blickte Frederik dann direkt an. „Möchtest du, dass wir weitermachen?“, fragte er ihn direkt. „Unbedingt.“, antwortete Frederik ernst und ohne zu zögern.

 

***

 

Julia stocherte lustlos auf ihrem Teller herum. Frederik war nicht in die Strandhöhle gekommen. Sie hatte stundenlang gewartet. Als die Sonne langsam unterging, entschied sie, dass es Zeit sei, zurückzugehen. Jetzt saß sie am Abendbrottisch mit ihrer Familie und alle Gespräche drehten sich um den Brand letzte Nacht. Lukas größte Sorge war, dass so etwas auch bei ihnen passieren könnte. Simon und sein Vater bemühten sich nach Kräften, Lukas zu beruhigen. Julia fiel auf, dass sich ihre Mutter überhaupt nicht an dem Gespräch beteiligte. Überhaupt sah sie total mitgenommen aus. Dunkle Ringe unter ihren Augen deuteten darauf hin, dass sie in der letzten Nacht auch kaum geschlafen haben konnte. 'Ob sie mitgekriegt hat, dass ich draußen war?', fragte sich Julia. 'Kann sie diejenige gewesen sein, die mir die Terrassentür aufgemacht hat?', überlegte sie weiter. Den Gedanken verwarf sie allerdings ganz schnell. Wenn ihre Mutter tatsächlich gemerkt hätte, dass Julia nachts bei einem Brand einfach alleine raus gegangen wäre, hätte sie mit ihr darüber gesprochen. Sie hätte sie ganz sicher zur Rede gestellt! Und vor allem: Sie hätte ihr einfach die Haustür aufgemacht statt die Terrassentür nur anzulehnen und sich dann zu verstecken.

„Weiß man denn jetzt schon mehr?“, erkundigte sich Julia. „Ich meine, weiß man, warum der Schuppen angefangen hat, zu brennen?“, konkretisierte sie ihre Frage. „Hat Frederik dir nichts erzählt?“, erkundigte sich ihre Mutter und sagte damit zum ersten Mal an diesem Abend etwas. „Ich habe ihn heute nicht gesehen.“, antwortete Julia knapp. Ihre Mutter schien ehrlich überrascht, sagte aber nichts weiter. „Ich habe mich mit einem Mann der Freiwilligen Feuerwehr unterhalten. Er wollte mir zunächst nichts sagen, aber nachdem ich ihm erklärte, dass wir die unmittelbaren Nachbarn sind, beruhigte er mich und sagte, es habe sich wohl um einen aus dem Ruder gelaufenen Streich von Jugendlichen gehandelt.“, antwortete Julias Vater. Mit einem Seitenblick auf Lukas fügte er noch an: „Ich bin sicher, die haben sich auch furchtbar erschrocken und werden nie wieder kokeln!“

 

***

 

Julia steuerte mit einem Buch und einer eiskalten Flasche Limonade in der Hand auf den Strandkorb zu. Gestern hatte sie noch lange wach gelegen. Sie grübelte, weshalb Frederik sich nicht mehr blicken ließ. Zwar waren ihr viele Erklärungen eingefallen. Immerhin hatte es auf deren Feriengrundstück gebrannt! Da kam bestimmt die Polizei und stellte Fragen und es mussten Formulare ausgefüllt werden. Aber wenn Julia ehrlich war, war sie enttäuscht. Als sie den Brand bemerkte, hatte sie sofort an Frederik gedacht und automatisch angenommen, er denke auch an sie. Irgendwo hatte sie mal den Satz gelesen Je dunkler die Nacht, desto schwärzer die Gedanken. Wie zutreffend das war, wurde ihr klar, als sie die Gedanken der letzten Nacht noch einmal Revue passieren ließ. 'Meine Güte! In was habe ich mich da bloß 'rein gesteigert.', dachte sie stirnrunzelnd. Sie beschloss, ab sofort den Urlaub wie geplant, nämlich lesend und faulenzend, zu verbringen. 'Und alleine.', fügte sie gedanklich hinzu. 'Damit bin ich noch immer am besten gefahren.'

 

***

 

Zu ihrer Überraschung war der Strandkorb bereits besetzt. Simon hatte sich dort breitgemacht und starrte mit leerem Blick auf das Meer. Als er Julia sah, rückte er bereitwillig ein Stück zur Seite. „Ist alles in Ordnung, Bruderherz?“, fragte sie. Simon antwortete nicht. Julia kannte das. Wenn ihr Bruder nichts sagen wollte, dann sagte er auch nichts. Und zwar wirklich kein einziges Wort. Andere Leute hätten vielleicht geantwortet: „Darüber möchte ich jetzt nicht reden.“. Nicht so Simon. Er schwieg einfach. 'Soll mir recht sein.', dachte Julia, streckte ihre Beine aus und begann, in ihrem Buch zu lesen.

 

***

 

„Ich kann nicht mehr!“, rief Lukas erschöpft und ließ sich einfach in den Sand fallen. Julia hatte mit ihm Strand-Ping-Pong gespielt und das Hin- und Herlaufen durch den Sand war auf die Dauer ganz schön anstrengend. „Soll ich uns ein Eis holen?“, bot Julia an. „Oh ja! Ich nehme Schoko!“, freute sich Lukas. Julia lachte und machte sich auf den kurzen Weg zur Eisdiele.

Es hatte sich eine lange Schlange gebildet. Der Eisverkäufer platzierte gerade fünf große Behälter mit frisch hergestelltem Eis in der Auslage und brachte damit die Eisverteilung an die Wartenden zum Erliegen. Die Urlauber nahmen es entspannt und inspizierten derweil die neue Auswahl an leckeren Sorten. Julia schlenderte zu dem nahegelegenen Anleger. Statt in der Schlange zu stehen, wollte sie lieber ein bisschen auf das Meer schauen. Sie stützte sich mit den Armen auf die Absperrung und beobachtete ein paar Möwen dabei, wie sie pfeilschnell ins Wasser schossen, um dort Beute zu machen.

„Nicht erschrecken.“, sagte eine bekannte Stimme dicht an ihrem rechten Ohr und zwei Hände legten sich sanft auf ihre Hüften. 'Frederik!', dachte Julia und registrierte ein Kribbeln in ihrem Bauch. Sie konnte seine Nähe spüren und seinen Atem hören. Er stand ganz dicht hinter ihr und nahm seine Hände nicht von ihren Hüften. Julia hätte ewig so stehen bleiben können. „Ich habe dich vermisst.“, sagte Frederik. Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: „Bei uns war ganz schön was los. Irgendwelche Deppen haben den Geräteschuppen im Garten angezündet. Dann kam die Polizei und dann der Eigentümer des Ferienhauses und wollte alles für die Versicherung aufnehmen und so weiter... Ich kann dir sagen, meine Eltern waren total durch den Wind.“ „Das kann ich mir vorstellen,“, antwortete Julia und drehte sich jetzt herum, „ich hoffe, euch ist nichts passiert?“ „Nein, keiner verletzt oder so,“, sagte Frederik und lächelte, „aber einen gehörigen Schreck haben wir bekommen! Meine Eltern haben ernsthaft überlegt, abzureisen. Aber zum Glück haben sie sich dann doch dazu entschlossen, zu bleiben.“ Julia nickte stumm. Sie ärgerte sich, dass ihr nichts Passendes dazu einfiel. 'Stumm wie ein Fisch stehe ich hier, statt einfach etwas Nettes zu sagen.' „Hast Du Lust, morgen mit mir einen kleinen Ausflug zu machen?“, durchbrach Frederik die Stille, „Wir könnten einen Picknickkorb mitnehmen...?“ „Sehr gerne.“, antwortete Julia heiser. „Schön, dann hole ich dich morgen nach dem Frühstück ab!“, sagte Frederik und strich ihr einmal kurz sanft über den Arm. „Ich muss jetzt los, mein Paps wartet bestimmt schon. Bis morgen!“, verabschiedete er sich.

Julia war völlig neben der Spur. Sie freute sich tierisch auf den Ausflug mit Frederik. Und über seine Berührungen gerade eben. Bei dem Gedanken daran schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen. 'Ich habe dich vermisst' hatte er gesagt. Das war doch eindeutig! Er mochte sie auch. 'Echt blöd, dass ich zur Salzsäule erstarrt bin und kaum ein Wort herausbekommen habe.', ärgerte sich Julia. Sie beschloss, jetzt endlich das Eis für Lukas und sich zu holen und zum Strand zurückzukehren. Und morgen wollte sie unbedingt etwas lockerer sein!

 

***

 

Julia und Frederik radelten den Dünenradweg entlang zur Nordspitze der Insel. Wie bei fast allen Ferienhäusern auf der Insel gehörten auch zu ihren je ein Satz Leihräder mit dazu. Es waren Hollandräder mit gemütlichen breiten Sätteln und einfachen Drei-Gang-Schaltungen, auf denen die beiden ihre Radtour unternahmen. Die Körbe auf den Gepäckträgern waren randvoll mit Leckereien – Julia und Frederik hatten lachend festgestellt, dass sie beide einen kompletten Picknickkorb gepackt hatten! „Dann können wir ja zwei Tage wegbleiben!“, hatte Frederik lachend gesagt, was Julias Mutter unkommentiert ließ. Sie hatte nur kurz die Augen zusammengekniffen.

Der Fahrtwind war angenehm und die Landschaft herrlich. Julia genoss den Ausflug in vollen Zügen. Wie von selbst wanderte sie zu Frederiks Gedanken. Sie nahm verschwommene Bilder von sich selbst und ihrem Gesicht am Anleger gestern war. 'Frederik denkt an gestern', stellte sie fest und fühlte sich geschmeichelt. 'Aber wie merkwürdig, dass ich seine Gedanken immer nur so verschwommen wahrnehme...' Sie hatte allerdings auch schon eine Theorie dazu entwickelt. Möglicherweise konnte sie ja die Gedanken von Personen, die sie sehr – sehr besonders – mochte, nicht klar lesen? Sie wusste es nicht. Und es gab ja schließlich niemanden, den sie fragen konnte – und erst recht kein Handbuch für Gedankenleser oder Ähnliches. Bei dem Gedanken, wie es wohl wäre, in einer Bibliothek nach so einem Buch zu fragen, musste sie schmunzeln.

Frederik hatte das Tempo reduziert und schien nach einem geeigneten Picknickplatz Ausschau zu halten. Das war Julia nur recht. Sie hatte vor lauter Aufregung zum Frühstück fast nichts herunter bekommen und langsam machte sich ein ausgewachsener Hunger bei ihr bemerkbar. Ein Plätzchen war schnell gefunden und die beiden breiteten eine Decke aus und machten sich über die mitgebrachten Leckereien her.

Julia begann, Frederik nach seinem Leben außerhalb des Urlaubs auszufragen. Sie erfuhr, dass er genau wie sie die Schule bereits abgeschlossen hatte, aber noch nicht genau wusste, was er jetzt machen wollte. Und sie erfuhr, dass sein Vater Kunsthändler und seine Mutter Hausfrau war.

Die Zeit verging wie im Flug und die Sonne begann langsam unterzugehen. Julia und Frederik saßen nebeneinander und sahen zu, wie die Sonne langsam aber sicher in das Meer eintauchte. 'Kitschig – aber schön', dachte Julia und musste schmunzeln. „Stimmt.“, sagte Frederik und blickte ihr direkt in die Augen. Julia erschrak! Sie hatte das doch nur gedacht – aber nicht laut gesagt!? Frederik begann zu lachen: „Deine Gedanken standen dir quasi auf die Stirn geschrieben!“ Julia stimmte in sein Lachen ein. 'Ich bin echt so langsam paranoid.', dachte sie. Frederik legte seinen Arm um Julia und sie legte nach kurzem Zögern ihren Kopf auf seine Schulter. Nach und nach wurde sie lockerer in Frederiks Gegenwart und traute sich auch mal etwas.

Schließlich war es fast dunkel. Frederik sagte leise: „Ich glaube, wir müssen langsam umkehren.“ Nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: „Ich möchte dich unbedingt wiedersehen Julia.“ Frederiks direkte Worte ließen Julias Herz kurz hüpfen. Ihr wurde kurz schlecht vor Aufregung, als sie antwortete: „Ich dich auch.“

 

***

 

„So geht das nicht. Wir können das nicht tolerieren!“, ereiferte sich Doreen. „Lass uns morgen mit ihm sprechen. Wir haben doch noch gar keine Ahnung, warum er sich so abgeschossen hat.“, versuchte Jan, seine Frau zu beruhigen. „Ich weiß es durchaus. Ich habe es im Internet gesehen.“ „Spionierst du unseren Kindern immer noch in den sozialen Netzwerken hinterher? Simon ist schon volljährig...“ „Wenn ich es nicht täte, müssten wir jetzt rätseln, weshalb Simon heute stramm wie eine Natter hier aufgetaucht ist!“ „Hmm. Also spann mich nicht länger auf die Folter!“ „Kerstin hat Bilder von ihrem Südfrankreichurlaub ins Netz gestellt. Sie ist darauf aber nicht alleine, sondern zusammen mit einem braun gebrannten Franzosen zu sehen.“ Jan schwieg betroffen. Er ahnte zwar, dass sein Sohn die Beziehung zu Kerstin früher oder später beendet hätte, aber so ein Ende seiner ersten großen Liebe wünschte er seinem Sohn natürlich nicht. Irgendwie konnte er jetzt sogar verstehen, dass sich Simon heute die Kante gegeben hatte. Klar, Alkohol war keine Lösung und es war auch seine Aufgabe als Vater, Simon das zu vermitteln. Dennoch fand er Doreens Reaktion übertrieben. Schließlich tauchte Simon keinesfalls regelmäßig betrunken zuhause auf.

Julia hatte das Gespräch ihrer Eltern belauscht. Zunächst hatte sie befürchtet, die beiden wären sauer auf sie – schließlich war sie erst jetzt in das Ferienhaus zurückgekommen. Aber sie hatte schnell gemerkt, dass es um Simon ging. Der war offenbar völlig blau. Wie gewohnt forschte sie in den Gedanken ihrer Eltern. Sie musste schmunzeln, als sie bemerkte, dass ihr Vater insgeheim Verständnis für seinen Sohn hatte. Umso schockierter war sie, als sie merkte, dass die Gedanken ihrer Mutter in eine völlig andere Richtung gingen: Doreen war wütend! Sie war wütend auf ihren Mann, der sein Verständnis für Simon offenbar nicht so gut verstecken konnte, wie er dachte, denn sie wusste davon. Und Doreen war enttäuscht über Simons Verhalten. Julia konnte spüren, wie die dunklen Gedanken, die sie schon so lange nicht mehr wahrgenommen hatte, wieder zum Vorschein kamen. Sie sah es fast bildlich vor sich, wie die dunklen Wolken aus den Ecken des Zimmers langsam in Richtung ihrer Mutter waberten, als wollten sie sie umschließen.

Jan bemerkte von dieser dramatischen Entwicklung gar nichts. Er wusste weder von den dunklen Gedanken, die Doreen früher gequält hatten, noch von der unmittelbaren Gefahr. Er ahnte nicht, dass sie sich früher manchmal leise neben ihm in den Schlaf geweint hatte. Er empfand ihr gemeinsames Leben als glücklich und weitestgehend unkompliziert. Sicher, ihre Kinder hatten ihnen die eine oder andere Sorge beschert – aber im Großen und Ganzen waren sie doch gut gelungen.

Julia schlich sich in das Zimmer von Simon. Unwillkürlich musste sie grinsen. Der lag doch tatsächlich vollständig bekleidet auf seinem Bett und hatte dabei einen Fuß fest auf den Boden gestellt. Dazu schnarchte er – und er sabberte. Julia beschloss, ins Bett zu gehen und morgen mit Simon zu reden. Heute dürfte er kein geeigneter Gesprächspartner mehr sein.

 

***

 

Simon steckte vorsichtig seinen Kopf in die Strandkorböffnung und setzte sich neben Julia. Beim Frühstück hatte er gefehlt. Jetzt trug er seine Sonnenbrille und sah blass aus. Er hatte eine Flasche Mineralwasser unter dem Arm. „Moin.“, grinste Julia ihn an. „Moin.“, brummte Simon zurück. Er seufzte tief und lehnte sich im Strandkorb zurück. „Hast du schon mit Mama geredet?“, erkundigte sich Julia. „Hm. Hab versucht, mich zu entschuldigen. Aber sie redet nicht mit mir.“, antwortete Simon. Julia war überrascht. Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, als vom Nachbarferienhaus ein schriller Schrei ertönte.

Julia und Simon sprangen wie von der Tarantel gestochen auf und liefen zu den Nachbarn. Das Bild, das sich ihnen dort bot, war scheußlich. Auf der Terrasse lag eine Möwe. Dem großen Tier war der Kopf abgetrennt worden – und das offenbar an Ort und Stelle, denn eine große Menge Blut hatte sich über die Terrasse verteilt. Die Wärme hatte schon eine große Menge Fliegen angelockt, die, von einem lauten Brummen begleitet, überall zu sein schienen. Die sommerliche Wärme hatte dazu beigetragen, dass über allem ein ekelhafter Gestank lag.

Simon, dem der Spurt in seinem verkaterten Zustand sowieso nicht gut bekommen war, wurde sehr schnell sehr blass. Er musste sich an einem kleinen Baum festhalten und erbrach sich dann ausgiebig und geräuschvoll. Der Gestank seines Erbrochenen vermischte sich mit dem Verwesungsgeruch der toten Möwe und ließ Julia nach Luft schnappen.

Wilhelm kam – dicht gefolgt von Frederik – aus dem Haus gespurtet. Beide bremsten abrupt ab, bevor sie in die Sauerei auf ihrer Terrasse traten. Julia blickte hilflos von einem zum anderen. „Los, rein ins Haus!“, kommandierte Wilhelm seine Frau. Hanne hatte Tränen in den Augen und drehte sich mit schwankenden Schritten um. Frederik eilte ihr zur Hilfe und stütze sie beim Hereingehen. „Habt ihr gesehen, wer das war?“, fragte Wilhelm grimmig an Julia und Simon gewandt. Beide schüttelten heftig den Kopf. „Wir haben nur den Schrei Ihrer Frau gehört und sind sofort hierher gerannt.“, sagte Julia leise. Wilhelm schüttelte langsam den Kopf und verschwand auch im Inneren des Hauses.

„Das war ja mal eklig!“, stellte Simon fest. Julia und Simon saßen wieder im Strandkorb und sprachen über das Erlebte. „Glaubst du, jemand hat es auf die Familie abgesehen?“, fragte Julia beklommen. Als der Schuppen abbrannte, konnte man noch von einem aus dem Ruder gelaufenen Streich sprechen. Aber eine geköpfte Möwe bei jemandem auf die Terrasse zu legen, war nun echt kein Spaß. Im Zusammenhang betrachtet empfand Julia die Ereignisse als bedrohlich. „Merkwürdig ist es schon. Da gebe ich dir Recht.“, antwortete Simon nachdenklich. „Du meintest doch, der Mann ist Kunsthändler, oder?“, fragte er dann. „Ja.“, antwortete Julia. „Vielleicht hat er jemanden über den Tisch gezogen. Oder jemand anderes wollte seinen Auftrag und versucht, ihn zu vertreiben.“, spekulierte Simon. „Ganz schön brutal.“, fand Julia.

Am Abend hatte Julia das Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben. Sie dachte an Frederik und wie es ihm wohl ging. Wiederum traute sie sich nicht, zu den Nachbarn rüber zu gehen und zu fragen. Einerseits kam es ihr feige vor, nicht rüber zu gehen. Andererseits wollte sie auf keinen Fall in so einer Situation aufdringlich erscheinen. 'Wie man sich verhält, wenn auf die Nachbarn offensichtlich Anschläge verübt werden, bringt einem halt keiner bei.', dachte Julia resigniert. Dass es sich um Anschläge handelte, davon war sie mittlerweile überzeugt.

Erwartungsgemäß drehte sich beim Abendbrot alles um die jüngsten Ereignisse bei den Nachbarn. „Wer weiß, ob dieser Kunsthändler nicht vielleicht Dreck am Stecken hat. Grundlos macht ja keiner so etwas.“, sagte Doreen gerade. Julia wunderte sich. Normalerweise vermied ihre Mutter so krasse Positionen. Julia war ihre Mutter in der Rolle der Vermittelnden gewohnt, nicht in der Rolle der Aufrührerin. Die ungewohnte Rolle ihrer Mutter schien Julias Vater wiederum in eine ganz andere Richtung zu drängen. Er redete sich gerade richtig in Rage: „Willst du etwa damit sagen, die Nachbarn seien schon selbst schuld, wenn ihnen so etwas widerfährt?!“ „Ich wollte bloß zum Ausdruck bringen, dass irgendetwas doch dieses Verhalten ausgelöst haben muss.“, antwortete Doreen schnippisch. Simon, der merkte, dass die Situation zu eskalieren drohte, sagte beschwichtigend: „Wir sollten das Thema jetzt beenden. Wir haben überhaupt nicht die notwendigen Informationen, um die Situation bewerten zu können.“ Julia blickte ihren Bruder bewundernd an. 'Ja, jetzt wird er so richtig erwachsen.', dachte sie. Tatsächlich wurde die Situation durch ein leises Schluchzen von Lukas beendet, dem das alles zu viel war. Das Schluchzen genügte, um alle Familienmitglieder wieder an einem Strang ziehen zu lassen. Lukas wurde getröstet und der Abend klang mit einer Runde Brettspiele aus.

 

***

 

Die Nacht hatte die gemütliche Atmosphäre im Garten des Ferienhauses in eine unheimliche Landschaft voller bedrohlich wirkender Schatten und Geräusche unbekannten Ursprungs verwandelt. Ein schwaches Mondlicht tauchte das sonst so satte Grün der Sträucher in ein silbriges Licht. 'Die perfekte Kulisse für einen Horrorfilm.', schoss es Julia durch den Kopf. Sie schlich langsam und barfuß Richtung Strand. Um sie herum herrschte Stille. Aus weiter Ferne drang das Geräusch eines tuckernden Motors zu Julia heran. Vielleicht ein Bootsmotor? Julia hielt inne. Sie rührte sich nicht von der Stelle und horchte in die Nacht. In dem Busch rechts vor ihr raschelte es. „Ist da jemand?“, flüsterte Julia so leise, dass sie ihre Stimme selbst kaum zu hören vermochte. Es raschelte unvermindert weiter. Julia wiederholte ihre Frage etwas lauter und machte einen Schritt in Richtung des Busches, in dem es raschelte. Das Geräusch erstarb abrupt. Julia starrte auf den Busch. Sie versuchte, ihre Augen ganz weit aufzureißen, um in der Dunkelheit etwas erkennen zu können. Ihre Augenlider fühlen sich schwer an und je mehr sie sich bemühte, ihre Augen weit zu öffnen, desto schwerer fiel es ihr. Sie hatte das Gefühl, etwas in dem Busch lauerte ihr auf und wartete nur darauf, dass sie dicht genug an den Busch herantrat. Julia kam es vor, als warte sie bereits eine Ewigkeit in dieser Position. Sie konnte spüren, wie sich die Muskulatur in ihrem Körper verkrampfte. Lange würde sie nicht mehr in dieser Position ausharren können. Sie spürte den übermächtigen Drang, sich zu bewegen. Vorsichtig verlagerte sie ihr Gewicht. Ein lautes Knacken eines Zweiges auf dem Boden war die Folge. Julia fluchte innerlich. Der Busch, aus dem das Rascheln gekommen war, schien sich jetzt zu bewegen. 'Das kann gar nicht sein. Der Busch ist festgewachsen.', versuchte Julia, sich selbst zu beruhigen. Plötzlich ertönte ein lautes Flapp Flapp Flapp und ein großer Vogel erhob sich von dem Busch aus in die Luft. Julia konnte hören, wie er mit kräftigen Flügelschlägen davonflog. Ihr Herz raste jetzt. 'Du hast mir aber einen mächtigen Schreck eingejagt!', dachte sie und war gleichzeitig beruhigt über die Erklärung für das Rascheln. Sie atmete tief durch und nahm all ihren Mut zusammen, um weiter Richtung Strand zu schleichen. Sie konnte jetzt bereits die Umrisse des Strandkorbs ausmachen. Aber was war das? Aus der Öffnung des Strandkorbs fiel ein schwacher Lichtschein auf den Sand. Saß etwa jemand in dem Korb? Hatte derjenige eine Taschenlampe an? Das Licht schien stetig zu scheinen und bewegte sich nicht. 'Spricht nicht unbedingt für eine Taschenlampe.', dachte Julia. Sie spürte jetzt ganz deutlich, wie eine riesige Menge Adrenalin ihren Körper durchflutete. Sie hatte Angst. Hektisch blickte sie zurück Richtung Haus. Das Haus schien unendlich weit entfernt zu sein, es lag in vollkommener Dunkelheit. Dafür schienen sich die Sträucher jetzt in ihre Richtung zu neigen und von überall her raschelte und wisperte es plötzlich. Als wollte der Garten sie warnen... 'So ein Quatsch!', schalt sich Julia in Gedanken. 'Ich schaue mir nie wieder mit Simon irgendwelche blöden Horrorfilme an. Das treibt einen ja in den Wahnsinn!' Ihre Neugier besiegte ihre Angst und sie näherte sich weiter dem mysteriös beleuchteten Strandkorb. Das Rascheln in ihrem Rücken schien lauter zu werden und mit jedem Schritt, mit dem sie sich dem Strandkorb näherte, nahm es an Intensität zu. Unmittelbar vor Erreichen des Strandkorbes drehte Julia sich ein letztes Mal um und meinte, einen Schatten an der Hauswand entlang huschen zu sehen. Einen menschlichen Schatten! Das Licht aus dem Strandkorb vor ihr fiel jetzt fast auf ihre Füße. Wer schlich da um das Haus herum? Und wer war in dem Strandkorb? Julias Gedanken überschlugen sich förmlich. Nichts ergab mehr einen Sinn. Sie fühlte sich verfolgt. Ihr Atem ging schwer und ihr Herz schlug bis zum Hals. Mit letzter Kraft umrundete sie den Strandkorb und guckte nun direkt in die Öffnung. Der Anblick, der sich ihr nun bot, raubte ihr den Atem und ließ ihre Knie weich werden. In dem Strandkorb lag die geköpfte Möwe! Unmengen ihres Blutes flossen aus dem Rumpf und tropften von den Sitzpolstern hinab in den Sand, um dort zu versickern. Die Augen der Möwe schienen Julia aus dem abgetrennten Kopf heraus anzustarren. Julia schrie aus Leibeskräften. Im gleichen Moment traf sie etwas hart am Hinterkopf.

Benommen blickte sie sich um. Sie saß schweißnass in ihrem Bett und spürte, wie sie eine Beule bekam. Als sie aus dem Albtraum erwachte, war sie mit dem Kopf hart gegen die Dachschräge des Zimmers gestoßen. 'Was für ein Scheißtraum!', fluchte Julia. Sie stellte erleichtert fest, wie sich ihr Herzschlag langsam beruhigte und ihre Gedanken klarer wurden. Durstig trank sie aus der Mineralwasserflasche neben ihrem Bett.

 

***

 

„Es ist mir ein Rätsel. Es handelt sich hier doch nur um eine Aufklärungsmission.“, sagte Hanne nachdenklich. „Wir sind eindeutig bereits jetzt jemandem gehörig auf die Füße getreten.“, stellte Wilhelm fest. „Hältst du es für möglich, dass sie ein zweites Team engagiert haben? Als Wettbewerb sozusagen?“, fragte Hanne. „Oder als Rückversicherung? Weil wir so lange keinen Auftrag mehr hatten?“, sponn Wilhelm den Gedanken weiter. „Ich muss mich unbedingt schnellstmöglich wieder mit unserer Kontaktperson treffen. Ich muss das abklären. Wenn die uns nichts mehr zutrauen, dann sollen sie uns in Ruhe lassen.“, führte Wilhelm grimmig aus. Hanne seufzte: „Mach das. Aber sei etwas diskreter als beim letzten Mal. Die Leute denken sonst, dass du eine Affäre mit einer jüngeren Frau hast.“ „Das wäre nicht die schlechteste Tarnung.“, grinste Wilhelm, was Hanne mit einem Schnauben quittierte.

 

***

 

Julia und Frederik spazierten Hand in Hand den Strand entlang. Beide hatten nackte Füße und ließen die Wellen immer wieder Meerwasser über ihre Zehen spülen. Es herrschte Schweigen. Frederik hatte Julia morgens am Strandkorb überrascht. Nach dem nächtlichen Albtraum hatte Julia sich bei Tageslicht davon überzeugen wollen, dass der Strandkorb wie immer – und vor allem möwenlos – in der Sonne stand. Ihr war klar, dass das albern war. Aber der Traum hatte sie so sehr aufgewühlt, dass sie sich wachen Auges von der Realität überzeugen musste.

„Was sagt die Polizei eigentlich zu der Sache mit der Möwe?“, erkundigte sich Julia. „Sie wissen nichts davon.“, antwortete Frederik. Julia schaute ihn überrascht an. „Mein Vater hat Angst, dass sein neuer Auftraggeber Wind von der Sache bekommt und dann vom Geschäft zurücktritt.“, sagte Frederik. Julia guckte verständnislos. „Weißt du, so richtig rational ist diese Argumentation natürlich nicht.“, erklärte Frederik. „Aber in der Kunstwelt ist eine seriöse Reputation wichtig. Keiner möchte gerne ein teures Kunstwerk bei jemandem kaufen, der vielleicht Dreck am Stecken hat und deshalb bedroht wird.“, führte Frederik weiter aus. 'Kurios. Die Argumentation erinnert mich an die Worte meiner Mutter...', dachte Julia. „Habt ihr denn keine Angst?“, fragte sie. „Meine Eltern glauben an eine Verwechslung. Schließlich haben sie keinen Dreck am Stecken!“, antwortete Frederik mit fester Stimme. „Wollen wir ein Eis essen?“, wechselte er das Thema.

Sie holten sich wieder Eiskugeln in der Waffel und gingen zu der Strandhöhle. Dort schleckten sie ihr Eis und blickten auf das Meer. „Herrlich, dieser Anblick, oder?“, fragte Julia lächelnd. Frederik antwortete ebenso lächelnd: „Ja – und das Meer ist auch schön anzusehen!“. Julia merkte, wie ihre Wangen heiß wurden. Frederik überraschte sie immer wieder mit seiner direkten Art. Sie merkte, wie ihr Eis auf die Hand tropfte. Frederik nahm ihre Hand und leckte das Eis von ihrem Handrücken. Sie konnte seine Zunge und seine Lippen auf ihrem Handrücken spüren und hatte das Gefühl, ihr Magen drehte sich dabei einmal im Kreis. Frederik strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Und dann küsste er sie. Sie schloss die Augen und erwiderte den Kuss. Ihre Lippen berührten sich zunächst sanft und schüchtern, dann verlangender. Ihr Zungenspitzen umspielten einander und Zeit und Raum schienen keine Rolle mehr zu spielen.

Julia vermochte nicht zu sagen, wie lange Frederik und sie sich in der Strandhöhle geküsst hatten. Später gingen sie zusammen schwimmen und küssten sich im Meer immer und immer wieder, bis sie mit vor Kälte blauen Lippen aus dem Wasser rannten. Sie legten sich in den Sand und ließen sich von der Sonne wärmen und trocknen.

Hand in Hand gingen sie am Strand entlang zurück zu den Ferienhäusern. Am Fuß des kleinen Pfades, der zu dem von seinen Eltern gemieteten Ferienhaus führte, sagte Frederik: „Ich glaube, ich muss mich mal wieder bei meinen Eltern blicken lassen. Obwohl ich den Abend viel lieber mit dir verbringen würde!“ „Das verstehe ich. Bei all den Ereignissen wollen sie sicher wissen, dass es dir gut geht.“, stimmte Julia ihm zu. „Darf ich dich morgen abholen?“, fragte Frederik mit leiser Stimme und sein Gesicht näherte sich ihrem. „Ich bestehe darauf!“, antwortete sie selbstbewusst und beglückwünschte sich innerlich zu der schlagfertigen Antwort. Sie küssten sich zum Abschied und Julia ging beschwingten Schrittes zu dem Strandkorb vor ihrem Ferienhaus.

Simon kam ihr bereits entgegen. „Schweesterheerz...“, fing er an. „Du willst doch etwas von mir?“, neckte sie ihn. „Es gibt eine Party auf der Insel heute Abend. Und unsere lieben Eltern finden, es wäre toll, wenn du mich dorthin begleiten würdest!“, sagte Simon. Julia begriff: Nachdem Simon sich erst kürzlich so doll betrunken hatte, hofften sie vermutlich, dass sie – Julia, die Vernünftige – auf ihren Bruder aufpassen würde. Nachdem sie Frederik heute sowieso nicht mehr sehen würde und sie ahnte, dass ihr Bruder die Abwechslung gut gebrauchen konnte, stimmte sie zu, ihn zu begleiten.

 

***

 

Die Musik wummerte laut aus den großen Boxen. Die Getränke waren bezahlbar und die Luft war lau. Julia hatte erfreut registriert, dass es sich um eine Freiluftparty handelte. Der Gedanke, an so einem tollen Sommerabend in einem stickigen Raum eingesperrt zu sein, hatte ihr nicht gefallen.

Simon tanzte wie wild und flirtete jetzt schon seit einer Weile mit einer braunhaarigen Schönheit. Julia nahm an, er wollte den Frust, den Kerstins Bilder im Netz bei ihm ausgelöst hatten, kompensieren. Wie gewohnt bei solchen Veranstaltungen hielt sie sich etwas abseits. Sie genoss es, die Menschen zu beobachten und hier und da mal in ihre Gedanken einzutauchen. Es waren überwiegend fröhliche und unbeschwerte Gedanken, die sie wahrnahm. Die Leute waren entspannt. Sie waren in den Ferien und genossen das schöne Wetter.

Dann sah sie Frederik. Er stand ebenfalls etwas abseits. Zusammen mit einer jungen Frau. Die beiden standen sehr dicht zusammen und versuchten, trotz der lauten Musik, eine Unterhaltung zu führen. 'Von wegen bei meinen Eltern sehen lassen', schnaubte Julia in Gedanken. Sie war verletzt. Frederik und sie hatten einen so schönen, romantischen Tag miteinander verbracht – und jetzt war er hier mit einer anderen? Hatte er angenommen, Julia – die Schüchterne – werde sowieso nicht auf eine Party gehen? Hatte er deshalb gedacht, er könne ruhig behaupten, den Abend mit seinen Eltern zu verbringen? Wut stieg in Julia hoch. Sie beschloss, sich den beiden unauffällig ein wenig zu nähern. Sie wollte sehen, mit wem sich Frederik hier traf.

Sie schlich um ein paar Buden, in denen Getränke verkauft wurden, herum und kauerte sich hinter einen Palettenstapel. Sie konnte die beiden jetzt gut sehen. Frederik trug dünne Chinohosen und ein lässiges Poloshirt. Seine Füße steckten in Flip Flops. Gegen ihren Willen musste Julia zugeben, dass er gut aussah. Die Frau war jung, aber offenbar etwas älter als Julia. 'Soso, du stehst also auf etwas mehr Erfahrung.', grummelte Julia in sich hinein. Die Frau hatte ihre langen blonden Haare locker im Nacken zusammengebunden. Sie trug enge Dreiviertelhosen, eine lockere Bluse und keine Schuhe. Sie hatte eine tolle Figur. Sehr weiblich, sehr fraulich, sehr erwachsen. Julia merkte verärgert, dass sie eifersüchtig war. 'Eigentlich hätte ich es mir ja denken können, dass ein so charmanter Typ wie Frederik kein Kostverächter ist.', ärgerte sich Julia. Blitzschnell ließ sie die vergangen Tage Revue passieren und kam zu dem Schluss, dass er mit ihr gespielt hatte, wie mit einem kleinen Welpen. Er wusste offenbar genau, wann er welche Knöpfe drücken musste, um eine schüchterne junge Frau zu beeindrucken. 'Halt!', stoppte sie ihr Gedankenkarussell. 'Vielleicht gibt es eine ganz logische Erklärung für dieses Treffen. Was sind bisher die Fakten? Frederik steht da mit einer jungen Frau. Ok. Aber er küsst sie nicht, ja, er berührt sie nicht einmal. Sie sprechen miteinander.' , überlegte Julia. Von ihrem Platz aus konnte sie leider nicht hören, was die beiden besprachen. 'Ich muss näher ran.'

Julia schlich noch ein Stückchen näher an die beiden heran. 'Hoffentlich sieht mich keiner so.', dachte sie. Sie wollte wirklich niemandem erklären müssen, was sie hier tat. Ihre Augen suchten nach einem geeigneten Versteck. Sie entdeckte einen weiteren Stapel Paletten. Der war allerdings nicht hoch genug, damit sie sich dahinter aufrecht hinstellen konnte. Gezwungenermaßen ging sie in die Hocke. Sie hatte die beiden jetzt sehr gut im Blick. Und sie konnte die Frau jetzt auch von vorne sehen. Julia erkannte die Frau! Es war dieselbe Frau, mit der sie Frederiks Vater vor ein paar Tagen gesehen hatte! Julia wurde immer neugieriger. Eigentlich hätte sie, in Anbetracht der geringen Entfernung zu den beiden, hören müssen, worüber sie sprachen. Aber Julia hörte nichts. Stirnrunzelnd versuchte sie, sich völlig auf das Gespräch zwischen den beiden zu konzentrieren. Aber sie hörte nichts. Kein einziges Wort. Sie spähte durch den Palettenstapel hindurch und ihr fiel auf, dass die beiden überhaupt nicht die Lippen bewegten. Ihre gesamte übrige Körpersprache deutete jedoch darauf hin, dass sie sich unterhielten. Daher war Julia davon ausgegangen, dass sie miteinander sprachen. Sie beobachtete weiter. Keine Lippenbewegung. Ja, fast überhaupt keine Mimik war zu sehen.

'Ich verfüge ja noch über andere Möglichkeiten.', dachte Julia und machte sich daran, in die Gedanken der beiden einzutauchen. Sie begab sich in eine etwas bequemere Position und konzentrierte sich auf Frederik und die Frau. Sie hatte das Gefühl, sich auf einen Dunstschleier zuzubewegen. Je näher sie kam, desto dichter wurde der Nebel. Sie hatte Schwierigkeiten, die Richtung zu bestimmen, in die sie ihre Sinne ausrichten sollte. Wie ein Schiff, das plötzlich in dichten Nebel geriet, hielt sie inne. Sie versuchte, sich zu orientieren. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Zwar war ihr auch früher schon aufgefallen, dass die Gedanken einiger Menschen leichter zu lesen waren, als die anderer. Sie hatte auch schon das Gefühl gehabt, Barrieren zu überwinden, wenn sie in die Gedanken anderer eintauchte. Aber dieser Nebel war eine neue Erfahrung für sie. Die Nebelschwaden umschlossen sie mittlerweile vollständig. Julias Herzschlag beschleunigte. Sie wusste weder, woher sie gekommen war, noch wo sie hinwollte. Sie hatte schlichtweg keine Ahnung, wo der Ausgang war. Da hörte sie wie aus ganz weiter Ferne eine Art leises Gemurmel. Sie zögerte. Aber es war das einzige Geräusch, das sie überhaupt wahrnahm. Sonst war da nur dieser unfassbar dichte Nebel. Mit dem Gefühl, keine andere Wahl zu haben, näherte sie sich vorsichtig dem leisen Gemurmel. Sie bemerkte eine Veränderung in der Form des Nebels. Julia glaubte, eine massive Wand wahrnehmen zu können und verringerte den Abstand zu der Wand. Die Wand schien einen summenden Ton auszusenden. 'Ist dies das Gemurmel, das ich gehört habe?', fragte sich Julia. Sie tastete die Wand mit ihren Gedanken ab, suchte nach einem Durchgang, nach einer Tür oder etwas Ähnlichem. Plötzlich hatte sie das Gefühl, die Wand würde wärmer werden. 'Ist das möglich?', fragte sich Julia. Noch während sie überlegte, ob sie so etwas bei früheren Spaziergängen in die Gedanken anderer schon mal erlebt hatte, registrierte sie, dass die Wand mittlerweile richtig heiß war. Vor ein paar Jahren hatte Julia versehentlich mal eine heiße Pfanne angefasst und sich dabei richtig böse Brandblasen zugezogen. Die Nebelwand hatte jetzt schon eine vergleichbare Temperatur. Julia hatte das Gefühl, sie könne spüren, wie sie Brandblasen überall an dem Teil ihres Körpers, der der Nebelwand zugewandt war, bekam. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. 'Nein, so etwas habe ich echt noch nie erlebt.', dachte sie. 'Ich ziehe mich lieber zurück.', beschloss sie.

Sie wollte sich umdrehen. Doch es ging nicht! Die der Nebelwand zugewandte Seite ihres Körpers schien daran festzukleben. Mit Schaudern erinnerte sich Julia daran, dass sie damals auch Schwierigkeiten gehabt hatte, ihre Finger von der Pfanne zu lösen. Auch damals hatte sie das Gefühl gehabt, ihr Fleisch klebe an der heißen Pfanne. Julia strengte sich an. Sie fing an, mit den Füßen zu strampeln. Dabei hatte sie das Gefühl, Nebel vom Boden aufzuwirbeln. Der aufgewirbelte Nebel schien nicht heiß, sondern kühl und feucht zu sein. 'Vielleicht kann ich ja genug kalten Nebel gegen die Wand wirbeln, so dass sie etwas abkühlt und ich meinen Körper lösen kann.', überlegte Julia. Da ihr kein besserer Plan einfiel, fing sie an, mit den Füßen kühlen Nebel gegen die heiße Wand zu wirbeln. Ein fürchterliches Zischen war die Folge. Der kühle Nebel schien direkt an der Wand zu verdampfen. 'Mehr! Ich muss mehr Nebel aufwirbeln!', dachte Julia und intensivierte ihre Bewegungen. Sie merkte schnell, wie anstrengend das Ganze war. Aber sie merkte auch, dass sie Erfolg hatte! 'Durchhalten! Bloß nicht aufhören, sonst wird die Wand wieder heiß und alles war umsonst!', trieb sie sich an. Mittlerweile hatte sie Angst. Angst davor, nicht wieder von dieser Wand wegzukommen. Angst davor, dass jemand ihren besinnungslosen Körper hinter dem Palettenstapel fand. Sie spürte, dass der Nebel, die Wand und ihre Anstrengung nur in ihrem Geist stattfanden. Aber sie hatte keine Ahnung, was in der Zwischenzeit mit ihrem Körper geschah. Sie fühlte sich so hilflos wie noch nie.

Julia mobilisierte alle Kraftreserven, die sie hatte. Sie strampelte wie eine Irre. Ihr Puls schoss in eine bedrohliche Höhe. Der Schweiß lief in Bächen über ihren ganzen Körper. Als sie dachte, sie würde den Kampf verlieren, merkte sie, wie sie sich losreißen konnte. Und dann rannte sie! Sie konnte nichts sehen, hatte keine Ahnung, wohin sie rannte. 'Bloß weg von der Wand!', dachte sie. Und sie rannte und rannte und rannte. Sie stolperte über etwas. Sie rappelte sich auf und rannte weiter. Sie stolperte wieder und merkte, dass sie über ihre eigenen Füße stolperte, die ihr nicht mehr gehorchen wollten. Sie fing an, beim Rennen auf ihre Füße zu starren, damit sie nicht mehr stolperte. Sie wusste nicht, ob sie es schaffen würde, wieder aufzustehen, falls sie hinfiele.

Plötzlich war der Nebel unter ihren Füßen verschwunden. Aber auch sonst war kein Boden mehr zu sehen! Julia stürzte in einen tiefen Abgrund. Sie hatte das Gefühl, minutenlang zu fallen.

Sie rang nach Luft und schlug die Augen auf. Sie lag, schweißnass, hinter dem Palettenstapel. Rasch blickte sie sich um. Kein Mensch zu sehen. Ihr Herz schlug nach wie vor sehr schnell. Julia blickte zu Frederik und der Frau. Beide schienen sich suchend umzusehen. 'Bloß weg!', dachte Julia heute zum zweiten Mal. Dieses Mal fiel es ihr allerdings bedeutend leichter, den Aufenthaltsort zu wechseln. Sie rappelte sich auf, lief geduckt bis zu den Buden und anschließend aufrecht weiter bis zum Rand der Tanzfläche. Es war dunkel genug, so dass die Leute um sie herum nicht auf Anhieb merkten, wie durchgeschwitzt sie war. Ihre Augen suchten nach Simon.

Der tanzte ausgelassen zu einem seiner Lieblingslieder. Das Mädchen, mit dem er geflirtet hatte, war nicht zu sehen. Mit letzter Kraft näherte sich Julia ihrem Bruder. Der sah sie erst, als sie fast unmittelbar vor ihm stand. Mit einem Blick erfasst er, dass etwas nicht in Ordnung war. Er fasste sie fest am Arm und führte sie von der Tanzfläche weg. Er besorgte ihr einen Plastikbecher voller Mineralwasser und ließ sie trinken. Dann sagte er nur: „Komm.“ Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Ferienhaus.

Julia konnte nicht einschätzen, wie lange sie für den Rückweg gebraucht hatten. Als sie am Strandkorb ankamen und Simon sie sanft hinein bugsierte, war es jedenfalls noch dunkel. Simon hatte noch eine Flasche Mineralwasser besorgt, aus der Julia jetzt gierig trank. Sie setzte die Flasche ab. Und dann erzählte sie. Sie erzählte ihm alles. Simon unterbrach sie kein einziges Mal. Er hörte geduldig zu und schaute ihr dabei ins Gesicht. Als Julia die Erlebnisse im Nebel schilderte, wurde sie plötzlich von einem Weinkrampf geschüttelt. Simon nahm sie fest in den Arm und strich ihr über den Hinterkopf, bis sie sich beruhigt hatte. Als sie geendet hatte, schwiegen beide eine Weile. Simon war anzusehen, dass er die Dinge, die Julia ihm erzählt hatte, analysierte.

„Es fällt mir schwer, das alles zu verstehen.“, gab er schließlich zu. „Aber es hört sich so an, als ob dich jemand angegriffen hat. Und so wie du dich fühlst, hat derjenige dir ja auch geschadet.“, ergänzte er. Julia nickte. „Denkst du, unsere Nachbarn sind Kriminelle?“, fragte Julia ihren Bruder. „Keine Ahnung. Aber ich muss sagen, merkwürdig finde ich das, was ihnen passiert ist und die Art, wie sie damit umgehen, schon. Ich kann dir allerdings auch nicht sagen, wie ich mich in so einer Situation verhalten würde.“, antwortete Simon. Die Sonne kletterte langsam über den Horizont. „Lass uns reingehen. Jetzt haben wir noch eine Chance, ungesehen in unsere Betten zu klettern.“, sagte Simon.

 

***

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739494913
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Mai)
Schlagworte
übersinnlich Telepathie übernatürlich Geheimgesellschaft Verschwörung Nervenkitzel Gedanken lesen Romance Fantasy

Autor

  • Lena Viajera (Autor:in)

Was gibt es Schöneres, als ein Buch zu lesen? Eins zu schreiben! Mit ihren Geschichten möchte Lena Viajera unterhalten, zum Nachdenken anregen und ihren Leserinnen und Lesern ein paar vergnügte Stunden bescheren. Was sie zum Schreiben gebracht hat? In Büchern ist alles möglich. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt und jede Idee kann Wirklichkeit werden.
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Titel: Grenzenlos