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Hexenwahn

von Janna Ruth (Autor:in)
320 Seiten
Reihe: Ashuan Staffel 1, Band 5

Zusammenfassung

Wenn zwei eins werden Und sechs zwölf waren, Werden alle wiedergeboren zur selben Zeit, am selben Ort. 500 Jahre vor den Ereignissen in Grünthal, trafen schon einmal sechs der zwölf Seelen aufeinander. Ein fauler Zauber bringt Rachel, Samantha, Matt, Lucille, Fabian und Jan ins Jahr 1498. In St. Albons werden sie Zeugen der ersten Hexenprozesse. Doch schon bald geraten sie selbst in den Fokus der Kirche und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Denn einen Weg zurück gibt es nicht. In »Hexenwahn« unternimmt die Urban Fantasy Serie Ashuan einen Ausflug in die düstere Vergangenheit der Hexenprozesse und zeigt wie schnell Angst und Unwissen zu grausigen Verbrechen führen. Doch auch in Grünthal ist nicht alles eitel Sonnenschein. Missgünstige Mitschüler und rachsüchtige Göttinnen machen ihnen das Leben schwerer, als es ohnehin schon ist.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Table of Contents

Inhalt

Band 5 - Hexenwahn

Hexenwahn

Ashuan 1.5

Janna Ruth

© März 2019 Janna Ruth

www.janna-ruth.com

Jana Mittelstädt

67 Montgomery Avenue

Karori, Wellington 6012

NZ - New Zealand

Lektorat: Sabrina Weisensee

Covergestaltung: Marie Graßhoff

Ashuan Band 5

Hexenwahn

Staffel 01 – Folge 17

Auf zum Hexentanz!

Szene 1 – Grünthaler Hexenmuseum

Die Jahrgangsstufe geht in Kleingruppen durch das verwinkelte, jedoch überraschend große Hexenmuseum. An den Wänden finden sich interessante Erklärungen über Bräuche, Hexenprozesse und mythische Figuren. Darunter stehen Ausstellungsstücke, die aus der Zeit der Hexenprozesse stammen oder dieser nachempfunden sind. Matt betrachtet ziemlich zweifelnd mehrere besonders furchterregende Masken, die angeblichDämonen darstellen. Lucille gesellt sich schmunzelnd zu ihm.

Lucille: Du kannst uns nicht mangelnde Fantasie vorwerfen.

Matt: (Grinst.) Das ist wohl wahr. (Er wendet sich einem weiteren Ausstellungsstück zu: eine behaarte Hose, die auf einem Haufen Münzen steht.) Ist das …?

Lucille: (Auch ein wenig überrascht.) Der Penis eines Teufels? Ich fürchte schon.

Matt: (Wahrlich befremdet.) Warum ist der an der Hose dran und nicht drin?

Lucille: (Studiert die Beschreibung.) Darüber sagen sie nichts, aber wer die Hose trägt, wird sehr reich und trägt natürlich einen Fluch.

Matt: So kann man es auch nennen.

Sie und Matt sehen sich an. Beide stellen sich vor, wie jemand diese Hose tragen würde, und müssen lachen. An anderer Stelle schlendern Samantha, Fabian und Rachel durch einen Raum, der sich mit den Merkmalen einer Hexe auseinandersetzt. Fabian und Rachel halten dabei Händchen. Die drei treffen auf Anni und Cheryl.

Anni: (Vergnügt.) Oh, hi Sammy. Du fühlst dich hier doch sicher wie zu Hause.

Cheryl: (Scheltend.) Das ist ihr Zuhause. Die Kessler war bestimmt ihre Ururoma. (Zu Samantha.) Hast du schon deinen Besen für den Ritt?

Fabian: Ha ha, bringt ihr den Witz eigentlich jedes Jahr? (Er greift Samantha am Ärmel.) Lass uns woanders hingehen.

Sie gehen in einen anderen Raum und finden sich inmitten der Foltergeräte aus dem 17. und 18. Jahrhundert wieder. Fabian verzieht das Gesicht.

Fabian: Ich hasse diesen Teil.

Rachel: Ich finde ihn irgendwie faszinierend. (Fabian hebt eine Augenbraue.) Ekelhaft, aber faszinierend.

Samantha: Im Vergleich dazu sind Cheryl und Anni doch wirklich harmlos. (Sie verzieht beim Anblick einer Folterbirne und ihrer Beschreibung das Gesicht.) Lasst uns lieber weitergehen.

Bevor sie das jedoch tun können, haben Cheryl und Anni sich bei ihr eingehakt und ziehen sie begeistert mit sich.

Cheryl: Wir müssen dir unbedingt etwas zeigen. (Flötet.) Sie ist gleich wieder da.

Fabian und Rachel bleiben entgeistert stehen. Als sie ihr folgen wollen, stellen sich wie zufällig Björn und Jennifer in ihren Weg. Samantha atmet erleichtert aus, als Cheryl und Anni mit ihr an dem Scheiterhaufen vorbeigehen, an dem bereits einige andere Mitschüler rumalbern. Stattdessen führen sie Samantha in einen anderen Raum, der sich dem Hexenprozess gegen Margarethe Kessler widmet, scheinbar ein lokaler Prozess. Im Zentrum befindet sich eine übergroße Waage mit zwei Käfigen. In dem unten aufliegenden Käfig liegt ein großer Stein, während der andere in der Luft hängt. Offensichtlich darf man dieses Ausstellungsstück berühren. Cheryl und Anni bedrängen Samantha und lassen ihr keine andere Wahl, als in den oben hängenden Käfig zu steigen. Einige Schüler wenden sich amüsiert dem Vorgehen zu.

Samantha: Sagt mal, spinnt ihr?

Anni schließt hinter Samantha die Tür und klemmt einen Kugelschreiber in das Schloss, das sich eigentlich nicht verriegeln lässt. Samantha sieht sie entsetzt an, aber Anni grinst nur. Cheryl gibt sich derweil ganz überrascht.

Cheryl: Oh, schaut euch das an! Sie wiegt ja gar nichts. Sam, du hast uns nie gesagt, dass du wirklich eine Hexe bist! Genau wie die Kessler.

Sie zeigt auf den Kupferstich einer hageren Frau mittleren Alters mit großer Nase und vorstehenden Zähnen. Ein bösartiges Funkeln schimmert in deren Augen.

Cheryl: Pass auf, dass dir nicht auch bald so eine Hasenscharte wächst.

Die Schüler schmunzeln und lachen vereinzelt. Samantha schluckt und ignoriert verbissen die anderen, während sie versucht, durch die Gitterstäbe des Käfigs den Kugelschreiber herauszulösen. Plötzlich ist Cian da und geht ihr zu Hand. Der Kugelschreiber klemmt ein wenig, aber schließlich bekommt er die Tür wieder auf. Währenddessen hat die Aufregung auch Matt und Lucille angelockt. Matt runzelt die Stirn bei dem Anblick, der sich ihm bietet.

Samantha: (Beschämt.) Danke.

Cian: (Lächelt und reicht ihr die Hand.) Na, komm, du Fliegengewicht. (Während Samantha aus dem Käfig klettert, wirft er Anni ihren Kugelschreiber zu.) Du hast da was verloren.

Anni: (Rollt die Augen.) Du bist so ein Spielverderber. (Zuckersüß zu Samantha.) War doch nur Spaß, oder?

Samantha verdreht nur die Augen und flüchtet zu Lucille, die sofort schützend einen Arm um sie legt und sie aus dem Raum führt. Cheryl geht derweil dazu über, Cian anzumeckern.

Matt: Was zur Hölle war das?

Samantha: (Genervt.) Eine Hexenprobe. Die Leute waren damals überzeugt, dass Hexen nichts wiegen dürfen, weil sie ja sonst nicht fliegen könnten.

Lucille: Und mit solch (Ironisch.) gänzlich unverfälschten Methoden hat man festgestellt, ob die Hexe etwas wiegt. Eine andere Methode war übrigens, sie gefesselt in ein Gewässer zu werfen. Wenn sie untergegangen sind, waren sie immerhin keine Hexen.

Matt: Hexen können fliegen?

Samantha: (Sarkastisch.) Ja, mit dem Besen. Wenn sie sich nicht gerade in eine Fledermaus oder Eule verwandeln.

Matt: O Mann, scheint so, als hätten die Menschen noch weniger Ahnung von Hexen als von Dämonen.

Samantha: Du kannst sie ja aufklären.

Matt verzieht das Gesicht. Mittlerweile sind sie in der modernen Geisterabteilung. Lucille sieht sich neugierig die Pendel und dann das Ouijabrett an. Dort treibt sich auch Jan herum und liest gerade interessiert die Beschreibungen und Beispiele von Poltergeistern.

Lucille: Ich überlege, ob ich mir so eins für die Party am Dienstag besorge.

Samantha: (Besorgt.) Lucille, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.

Jan: Ach, komm schon, die Dinger sind doch Fake. (Deutet auf die Beschreibung.) Hier, das ist alles nur wegen dem Carpenter-Effekt.

Lucille: Du kannst lesen. Wow.

Jan: (Überspielt ihre Spitze.) Hier steht echt eine Menge interessantes Zeug.

Matt: Klärt mich jemand auf, was es mit diesem Brett hier auf sich hat? Was ist der Carpenter-Effekt?

Samantha: (Ziemlich genervt.) Es ist ein ideomotorischer Reflex, bei dem man unbewusst geringe Muskelbewegungen ausführt.

Lucille: (Da Matt immer noch verwirrt dreinsieht.) Angeblich kann man mit Ouijabrettern Geister beschwören und ihnen Fragen stellen. Die Geister bewegen dann zur Antwort angeblich die Planchette, aber wie Samantha schon sagte, sind es nur Muskelzuckungen. Jedenfalls stehen die Leute dabei manchmal so unter Strom, dass sie Zuckungen bekommen und dann heißt es natürlich, sie wären besessen. Es ist eigentlich nur etwas Nervenkitzel unter den richtigen Bedingungen. (Beruhigend zu Samantha.) Und nein, wir werden es nicht ausprobieren. Ich wollte nur eins aus dem Souvenirshop als Dekoration für die Party mitnehmen.

Jan: Die Party wird mega.

Lucille: O ja, es wird geradezu magisch. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich zur Walpurgisnacht in Grünthal bin.

Samantha: Du hast echt was verpasst.

Matt sieht sie zweifelnd an.

Lucille: (Aufgeregt.) Das wird dieses Jahr alles nachgeholt.

Sie hakt sich bei Samantha unter und gemeinsam gehen die vier weiter. Ungesehen, bewegt sich unter dem Vitrinenglas die Planchette auf dem großen Brett langsam auf das »Hallo«.

Szene 2 – Villa de Cerque, Tanzsaal

In einem großen Saal, der für solche Feierlichkeiten wie geschaffen ist, hat Lucille zur Walpurgisfeier geladen. Von der Decke hängen falsche Spinnennetze und einige grausige Masken. Die Lichter sind gedämmt und eine Nebelmaschine sorgt für mystischen Rauch auf dem Boden. Als Dekoration gibt es Reisigbesen, einen mannshohen, rustikalen Spiegel und das Ouijabrett, sowie gruselige Gespensterattrappen. Es gibt ein Buffet mit delikaten Speisen und einer großen Schüssel Maibowle. Zusätzlich gehen aber auch zwei, drei Kellner durch die versammelte Schülermenge und reichen Häppchen und Getränke herum. Ein DJ legt Musik auf. Lucilles Gäste sind größtenteils verkleidet, so dass man nicht auf den ersten Blick erkennt, wer hinter welchem Hexen- oder Dämonenkostüm steckt. Lucille selbst hat einen großen Hexenhut auf und trägt einen vorne leicht gerafften Rock und ein Korsett, das ihr Décolleté hervorhebt. Matt ist bereits da und nippt an einem Glas Punsch. Dass man sich zur Walpurgisnacht verkleidet, scheint ihn nicht besonders zu interessieren.

Die anderen treffen gerade etwas verspätet mit Meg im Schlepptau ein. Im Gegensatz zu Lucille und Matt erinnern sie eher an schaurige Schreckgestalten. Samantha hat ihre Haare stark aufgepufft, so dass sie sich wie eine schwarze Wolke unter ihrem Hexenhut um ihr grün geschminktes Gesicht legen. Dazu trägt sie eine lange falsche Nase und sogar lange falsche Fingernägel zu einem Kleid, das eher an schwarze und graue Fetzen erinnert. Fabian trägt Teufelshörner und hat das Gesicht rot geschminkt, was sich geradezu furchtbar mit seinen Haaren beißt. Jan tritt ebenfalls mit einem beeindruckenden Paar Hörner auf und hat ein schwarz geschminktes Gesicht mit roten Akzenten. Zudem trägt er gelbe Kontaktlinsen. Rachel trägt einen fast sackähnlichen Rock. Auf dem Rücken hat sie einen falschen Buckel und in ihrem Gesicht trägt auch sie eine falsche Nase und einige übertrieben große Warzen. Meg, die an Jans Arm hängt, geht mit ihrem Outfit eher Richtung moderne Hexe mit zweifarbig geringelten Strümpfen und einem schwarzen Minikleid. Auch ihre Fingernägel sind lang, aber wo Samanthas krumm und wurzelartig aussehen, sind ihre spitz zugeschliffen und schwarz lackiert. Zusätzlich sieht sie ziemlich genervt aus.

Lucille: (Überwältigt.) Wow. Ich sehe schon, ich habe die Walpurgisnacht vollkommen unterschätzt. Das Make-up ist genial.

Samantha: (Deutet auf Fabian.) Alles sein Verdienst.

Fabian: (Verbeugt sich.) Danke, danke.

Lucille: Ich bin beeindruckt.

Jan: (Zu Lucille.) Du hast wild wegen dem Feuer getextet?

Lucille: Es sollte eigentlich heute tagsüber aufgebaut werden, aber derjenige, der sich darum kümmern wollte, hat sich nicht blicken lassen.

Jan: Holz habt ihr? (Auf Lucilles Nicken hin, küsst er Meg und lässt sie dann los, bevor er Fabian auf die Schultern klopft.) Na, los! Komm, Pfadfinder, wir machen Feuer.

Fabian: Du meinst, ich mache Feuer und du stehst rum und gibst mir unnütze Tipps?

Die beiden gehen los. Jan schnappt sich noch zwei Flaschen Bier.

Jan: Hilfreiche Tipps. Und ich halte dein Bier.

Fabian zuckt einverstanden mit der Schulter und die beiden verschwinden nach draußen.

Meg: (Zu Samantha.) Darf ich jetzt gehen? Oder muss ich mich den ganzen Abend mit dir langweilen?

Samantha: (Während Lucille die Stirn runzelt.) Du weißt, was unsere Eltern gesagt haben, Meg.

Meg: Ja, ja. Darf ich mir wenigstens etwas zu trinken holen oder musst du mich dazu auch an die Hand nehmen?

Samantha seufzt ergeben und Meg dreht sich auf dem Absatz um und geht.

Lucille: Die Party ist eigentlich eher für die älteren Schüler gedacht.

Samantha: Ich weiß, tut mir leid. Aber da kannst du dich bei Jan bedanken. Der hat Meg den Floh ins Ohr gesetzt, gemeinsam herzukommen.

Lucille: Sie sah nicht aus, als wolle sie hier sein.

Samantha: Na ja, meine Eltern sind nicht doof. Deshalb haben sie Meg nur mit der Auflage mitgehen lassen, dass ich auf sie aufpasse. Das passt weder ihr noch mir, aber ich bin wieder die Blöde.

Rachel: Auf jeden Fall hat Meg mal wieder richtig Motzlaune.

Matt: Lass sie motzig sein. Erklärt mir einer mal, warum ihr euch so komisch angemalt habt? Müsstet ihr nicht am besten wissen, dass Hexen und Dämonen anders aussehen?

Samantha: Ach, du trägst ein Kostüm? (Matt runzelt die Stirn.) Wusste nicht, dass du deine Dämonenhaftigkeit so öffentlich zur Schau stellen wolltest. Soll ich dir ein Schwert reichen? Etwas Gemetzel lockert bestimmt die Party auf.

Matt: (Prompt.) Ist dir bei dem Gedanken daran schon so schlecht, dass du dich deshalb grün angemalt hast?

Lucille: Hey, hey, Leute. Können wir nicht einfach die Party genießen? (Zu Matt.) Bei uns ist es üblich, dass man sich zur Walpurgisnacht verkleidet und so haben sich die Leute eben von jeher Hexen und Dämonen beziehungsweise Teufel vorgestellt.

Matt: (Noch nicht ganz überzeugt.) Grün?

Samantha: Meine Güte, nimm endlich Popkultur-Nachhilfe. Ich gehe nach Meg schauen.

Matt: In bester Laune ist die aber auch nicht.

Lucille: (Mit aufgesetztem Lächeln.) Möchte jemand Punsch?

Szene 3 – Villa de Cerque, Garten

Jan und Fabian sind dabei, das Holz für das Feuer aufzuschichten. Hin und wieder trinken sie einen Schluck von ihrem Bier.

Jan: Meinst du, du kannst Samantha nachher mal ein wenig beschäftigen, damit ich mit Meg ein Schäferstündchen einlegen kann?

Fabian: (Zweifelnd.) Du willst Meg hier abschleppen?

Jan: Na, wenn es irgendwo ein Zimmer für ungestörten Sex gibt, dann ja wohl hier.

Fabian: Ich weiß nicht.

Jan: Och, jetzt komm. Kehr du nicht auch noch den großen Bruder raus, nur weil du Meg kennst, seit sie ein Baby war.

Fabian: Meg ist mir eigentlich ziemlich egal. Ich kann mit ihr nichts anfangen.

Jan: (Grinst.) Sollst du ja auch nicht. Dafür bin ich da. Also? (Bevor Fabian antworten kann.) Es sei denn, du hast heute Abend schon was vor.

Fabian: Was denn?

Jan: (Stößt ihn in die Schulter.) Na ja, du und Rachel, Mann. Habt ihr schon?

Fabian: (Konzentriert sich auf die Arbeit.) Nein.

Jan: Wie nein? Worauf wartest du denn? Eine Einladung?

Fabian: Es hat sich einfach noch nicht ergeben.

Jan: (Stöhnt.) Dann mach was dagegen. Plan etwas Romantisches oder nehmt euch hier etwas Zeit und ein Zimmer.

Fabian: Mhm.

Jan: Was ist los?

Fabian: Nichts. (Sieht endlich zu ihm auf.) Nichts ist los, Jan. Es rührt sich nichts. Ich denke nicht mal dran.

Jan: Uff. (Reicht Fabian dessen Bier und trinkt selbst.) Was meinst du damit, es läuft nicht? (Etwas verschämt.) Kannst du nicht?

Fabian: Ich will nicht.

Jan: Hä? Aber ihr seid doch …

Fabian: Ich mag Rachel und es ist schön mit ihr. Unkompliziert und einfach angenehm. Ich will nur einfach nicht mehr. Es … es kommt mir nicht in den Sinn, wenn wir zusammen sind.

Jan: Ey Alter, es ist das einzige, an das ich denke, wenn ich mit Meg rummache.

Fabian: Ja, vielleicht machen wir einfach nicht genug rum.

Er stellt die Flasche zur Seite und macht sich daran, das Feuer zu entzünden.

Jan: Aber das zwischen euch läuft noch?

Fabian: Ja, klar. Alles Bestens.

Jan: (Ungelenk.) Aber du bist nicht … Ich meine, mit Samantha hattest du doch, oder?

Fabian: Ja, klar. (Eine kleine Flamme entsteht.) Ich bin keine Jungfrau mehr, wenn du das wissen willst. Die Beziehung mit Rachel ist nur einfach anders.

Jan: (Wenig überzeugt.) Okay. (Nach einer Weile.) Na, wenn ihr damit glücklich seid.

Fabian: (Tritt vom Feuer zurück.) Ich denke schon.

Er nimmt seine Flasche auf und stößt mit Jan an, als die Flammen munter am Holzstapel lecken.

Szene 4 – Villa de Cerque, Tanzsaal

Meg hat am Buffetttisch Cheryl, Anni, Jennifer und Shayna getroffen. Die vier sind ähnlich wie Lucille eher sexy gekleidet, wenn sie überhaupt verkleidet sind.

Anni: Hallo, Meg.

Meg: (Überrascht.) Anni. (Sieht die anderen drei und vor Aufregung färben sich ihre Wangen rot.) Was kann ich für dich tun?

Anni: (Lacht.) Ach, Meg. Du sollst doch nichts für mich tun. Ich freue mich einfach, dich mal wieder zu sehen.

Cheryl: (Überraschend nett.) Hübsches Outfit.

Meg: (Völlig überwältigt.) Dankeschön. Ihr seht aber auch toll aus.

Cheryl: (Liebenswürdig.) Danke. Bist du mit Samantha hier?

Meg: (Rollt sofort die Augen.) Leider. Eigentlich mit Jan, aber meine Eltern sind der Meinung, dass ich einen Wachhund brauche.

Anni: (Mitfühlend.) Uuh, mein Beileid.

Jennifer: Du bist mit Jan zusammen?

Meg: (Stolz.) Schon ein halbes Jahr.

Cheryl: Wow. (Gießt ein Glas Punsch ein.) Möchtest du etwas Punsch?

Shayna: Cherry, da ist Alkohol drin.

Meg: (Nimmt das Glas.) Ich bin nicht Sam. Ich habe schon öfter was getrunken.

Jennifer: Da du mit Jan zusammen bist, glaube ich das gerne.

Die anderen vier schenken sich auch etwas Punsch ein und trinken zusammen mit Meg.

Cheryl: Ich finde es super, dass du deinen eigenen Weg gehst. Wir dachten schon, du wärst genauso wie Sam.

Meg: O Gott, bloß nicht! Ich würde vor Langeweile sterben.

Die Mädels lachen daraufhin und Meg scheint sich pudelwohl zu fühlen. Etwas entfernt steht Samantha mit verschränkten Armen und beobachtet die Gruppe misstrauisch, als sie plötzlich von der Seite angesprochen wird.

Cian: Sam?

Er schiebt sich eine Teufelsmaske auf die Stirn und betrachtet sie mit offensichtlichem Vergnügen. Samantha sieht ihn nervös an.

Cian: Cooles Kostüm.

Samantha: (Verlegen.) Danke.

Cian: Ich stehe ja total darauf, wenn sich Mädchen trauen, sich so richtig zu verkleiden. Nicht immer nur dieses sexy Vamp, sexy Hexe, sexy Rotkäppchen.

Samantha: (Lacht nervös.) Wirklich?

Cian: Ja, total. Ich meine, es ist ja nur eine Nacht im Jahr. Da darf man auch mal Spaß haben. (Er winkt einen Kellner heran und fragt sie.) Willst du etwas zu trinken?

Samantha: Cola.

Cian nimmt zwei Gläser herunter und reicht eines davon Samantha.

Cian: (Stößt mit ihr an.) Ich hatte gehofft, dass ich dich heute hier treffe.

Samantha: Ach so?

Cian: Klar, ich wollte dich noch was zu den Oxidationsgleichungen fragen. (Als Samantha etwas enttäuscht wirkt, grinst er.) Das war ein Scherz. Als ob ich nichts anderes als Chemie im Kopf hätte zur Walpurgisnacht.

Samantha: Alles schon erlebt.

Cian: Nein, im Ernst, schön, dass du hier bist.

Samantha lächelt verlegen. Auf der anderen Seite des Saals steht Matt und betrachtet düster das Gespräch zwischen Cian und Samantha. Lucille unterhält sich in der Nähe gerade mit Adrian, während Rachel hinausgegangen ist. Auf einmal tritt Menuha neben Matt und stößt ihn an.

Menuha: Was schaust du so finster drei?

Matt: (Überrascht.) Was machst du denn hier?

Menuha: Ich wollte mir anschauen, wie Menschen sich amüsieren. (Matt hebt eine Braue.) Es geht auf jeden Fall gesitteter zu als daheim.

Matt: Ach was.

Er schaut wieder zu Cian und Samantha, die langsam gelöster wirkt und über Cians Scherze lacht. Matts Blick verdunkelt sich.

Menuha: Bist du eifersüchtig?

Matt: Was? Quatsch! Cian ist nur ein Arsch und das letzte Mal, als er sich auf einer Party an Samantha rangemacht hat, hat das in Tränen geendet. (Klingt etwas verschnupft.) Das ist alles.

Menuha: Oh, also machst du dir Sorgen um Samantha.

Lucille: (Hat den letzten Satz mitgehört.) Matt macht sich Sorgen um Samantha?

Matt furcht die Stirn, als Cian Samantha beiläufig über den Arm streicht.

Menuha: (Nickt.) Und ich glaube, er ist trotzdem eifersüchtig.

Matt: Warum sollte ich das denn sein?

Lucille: (Grinst.) O ja, warum denn nur?

Sie wechselt einen verschwörerischen Blick mit Menuha, während sich Matt genervt wegdreht.

Szene 5 – Villa de Cerque, Zimmer

Die Mädchen aus der Eliteclique und Meg stolpern angeheitert in ein leeres Zimmer. Anni hat das Ouijabrett aus dem Tanzsaal mitgenommen und lässt es fast auf den Boden fallen. Jennifer zieht die Tür zu, während Cheryl sich mit Meg auf eine Couch fallen lässt.

Cheryl: (Zu Anni.) Los, los, leg es ordentlich hin. (Zu Meg.) Glaubst du auch an Magie?

Meg: (Fast angewidert.) Ich? Auf gar keinen Fall. Das ist doch alles Humbug.

Cheryl: (Zieht sie hinunter zu dem Brett.) Aber du traust dich doch bestimmt, die Geister anzurufen, oder?

Meg: Ja, klar. Was willst du denn wissen?

Cheryl: Alles! (Sie kichert.) Alle die Finger aufs Brett. Meg, du stellst die Fragen.

Die fünf Mädchen setzen sich im Schneidersitz um das Brett herum und legen ihre Fingerspitzen auf die Planchette. Meg wirkt etwas nervös. Shayna macht auf ihrem Smartphone eine Kerzenapp an und legt es dann neben das Brett. Es dauert einen Moment, bis alle Mädchen ruhig sind und nicht mehr zappeln.

Cheryl: (Stößt Meg an.) Na, los, grüße den Geist.

Meg: (Vorsichtig.) Hallo. Ist da jemand?

Die Planchette bewegt sich augenblicklich auf »Ja«.

Jennifer: Es funktioniert.

Shayna: Aber nur, weil Cheryl geschoben hat.

Cheryl: So ein Quatsch. Frag was, Meg!

Meg: Ähm, wie viele Geister sind anwesend?

Es sieht so aus, als würden die anderen sich nicht entscheiden können. Erst huscht der Planchette zur »5«, dann zur »3« und bleibt schließlich auf der »1« liegen.

Anni: (Mault.) Einer ist langweilig.

Cheryl: Ich war's nicht.

Shayna: Ssh!

Meg: Bist du ein guter Geist?

Die Antwort lautet »nein«. Erschrocken will Meg die Finger zurückreißen, als sie Jennifer kichern sieht. Sie strafft die Schultern und fragt dann mit deutlich mehr Selbstbewusstsein.

Meg: Was hast du getan?

Es dauert einen Moment, doch dann fliegt die Planchette auf dem Brett hin und her, immer schneller werdend.

Shayna: Cheryl, lass das!

Anni: Ich habe jemanden verflucht?

Meg: Wen hast du verflucht?

Sie hat die Frage kaum ausgesprochen, als auch schon die Antwort kommt.

Anni: Den Erbfürsten von Wernigerode? (Etwas unwohl.) Wer von euch war das?

Die anderen sehen sie nur ahnungslos an. Derweil bewegt sich die Planchette weiter und produziert immer mehr Namen, die keinem der vier etwas sagen. Etwas unwohl zieht sich Cheryl von dem Brett zurück und die anderen tun es ihr gleich. Nur Meg hat die Finger noch auf der Planchette, die hin und her zuckt. Die Namen wollen einfach nicht abreißen.

Meg: (Atmet heftig.) Wer bist du?

Sie schreit auf, als ihr die Planchette plötzlich von den Fingern springt und sie selbst Zuckungen bekommt. Befremdet stehen die anderen vier auf. Währenddessen zuckt Meg immer heftiger, bis sie schließlich bewusstlos zusammenbricht. Zu diesem Zeitpunkt drängen die vier bereits in Panik aus dem Raum.

Szene 6 – Villa de Cerque, Tanzsaal/Zimmer

Cian und Samantha verstehen sich immer besser.

Cian: Robert ist echt so eine Marke. Wenn wir nicht aufpassen, jagt der uns noch alle in die Luft.

Samantha: Was denkst du, warum ich ihm immer nur die harmlosen Aufgaben gebe, wenn wir zusammenarbeiten?

Cian: Sehr gute Entscheidung. Sag mal, wollen wir vielleicht rausgehen? Es wird langsam dunkel und das Feuer brennt bestimmt schon.

Samantha: Ja, klar. Lass mich nur …

Shayna kommt aufgelöst auf sie zu und packt Samantha am Arm.

Shayna: Sam, du musst sofort mit mir kommen. (Samantha sieht Cian verwirrt an.) Deiner Schwester geht es nicht gut.

Sofort lässt Samantha alles stehen und liegen und eilt Shayna hinterher. Cian folgt den beiden besorgt. Zusammen eilen sie zurück in das Zimmer aus der vorigen Szene. Auf dem Boden liegt das Ouijabrett, aber von Meg ist keine Spur zu sehen.

Samantha: (Zieht scharf die Luft ein.) Ist das ein blöder Trick?

Shayna: Nein, überhaupt nicht. Wir haben einen Geist beschworen und Meg … Es sollte nur ein Spaß sein. Cheryl hat das Plättchen bewegt, da bin ich mir sicher. Aber dann hatte Meg plötzlich Zuckungen und … Ich weiß doch auch nicht, wo sie jetzt hin ist.

Cian: (Säuerlich.) Echt jetzt? Musst du bei dem Scheiß immer mitmachen?

Shayna: Wir haben nichts getan!

Samantha: Hier ist jedenfalls niemand.

Shayna: Ich sage die Wahrheit. (Unsicher.) Vielleicht ging es ihr ja gleich wieder gut.

Samantha verlässt genervt den Raum. Cian folgt ihr und wirft Shayna einen bösen Blick zu. Die wirft empört die Hände in die Luft und zieht hinter sich die Tür zu. Beobachtet werden die drei von Meg, die mit einem hinterhältigen Grinsen auf den Lippen mit dem Rücken an der Decke klebt.

Szene 7 – Villa de Cerque, Tanzsaal

Samantha läuft auf ihrer Suche nach Meg in Jan hinein.

Jan: Hey, hast du deine Schwester gesehen?

Samantha: Nein. Sie hat sich von Cheryl und den anderen einwickeln lassen und jetzt ist sie verschwunden.

Jan: Die können was erleben, wenn sie Meg auch nur ein Haar gekrümmt haben.

Samantha: (Sieht ihn überrascht an.) Danke.

Jan: Vielleicht haben die anderen gesehen, wo sie hin ist.

Cheryl, Shayna, Anni und Jennifer haben sich aufgeteilt und unterhalten sich mit verschiedenen Leuten auf der Party. Von Meg ist keine Spur zu sehen. Zögerlich geht Samantha mit Jan zurück zu Lucille, Matt und Menuha. Unauffällig stößt Lucille Matt mit dem Ellenbogen in den Rücken.

Lucille: Sei lieb.

Samantha: Habt ihr Meg gesehen? (Sie bemerkt Menuha.) Was macht denn deine Schwester hier?

Menuha: (Lächelt.) Feldstudien.

Matt: Was ist mit Meg?

Samantha: (Schaut sich abgelenkt um.) Sie war mit Cheryl unterwegs und jetzt ist sie verschwunden.

Matt: Vielleicht versteckt sie sich ja vor dir.

Lucille: (Entsetzt.) Matt!

Samantha: (Er hat sofort ihre Aufmerksamkeit.) Wenn sie sich vor jemandem verstecken muss, dann ja wohl von dir.

Matt: Die Leier schon wieder. Ich werde nicht jede Nacht zum blutrünstigen Killer.

Samantha: Einmal war schon schlimm genug.

Matt setzt zu einer biestigen Erwiderung an, als plötzlich die Lichter ausgehen. Plötzlich hört man das Geräusch von Flügelschlägen und die Schüler schreien erschrocken auf, als eine dunkle Masse Fledermäuse über ihre Köpfe hinwegrauscht. Erschrocken sieht sich Lucille um, während die Schreie langsam verklingen und von Gelächter abgelöst werden.

Adrian: Coole Effekte, Lucille!

Lucille lächelt und dreht sich dann mit Grabesmiene zu den anderen um.

Lucille: Was zur Hölle war das?

Szene 8 – Villa de Cerque, Garten

Fabian kümmert sich noch immer um das Feuer, um das sich langsam einige andere Leute versammeln. Rachel kommt zu ihm.

Rachel: Gefunden.

Fabian: (Legt einen Arm um ihre Schultern.) Na, du? Wie ist die Stimmung drinnen?

Rachel: Typisch Party. Mit fortschreitender Zeit werden die Leute immer dümmer.

Fabian: (Lacht darüber nur und küsst sie auf die Schläfe.) Hier draußen ist es ganz nett. Wird sogar langsam gemütlich.

Rachel: (Lächelt.) Das Feuer ist sehr gut geworden.

Fabian: Danke.

Rachel: Vielleicht ein bisschen hoch, aber es brennt ja noch runter.

Fabian: Zu hoch?

Rachel: Na für den Sprung. Du weißt doch, wer gemeinsam übers Feuer springt, bleibt für immer zusammen.

Fabian: (Zögert.) O ja. Ich glaube, das ist nichts für mich. Da hätte ich zu viel Schiss, dass ich doch irgendwie Feuer fange.

Rachel: (Runzelt die Stirn.) Im Zweifelsfall könntest du es doch löschen.

Fabian: Möglich …

Er will gerade noch etwas sagen, als über ihnen plötzlich die Fenster aufgestoßen werden und eine schwarze Wolke Fledermäuse den Saal verlässt. Erst, nachdem sich die Fledermäuse in alle Himmelsrichtungen verteilt haben, regen sich die beiden wieder.

Fabian: Also entweder hat Lucille wieder gezaubert oder wir haben ein Problem.

Ohne, dass Rachel etwas antwortet, laufen beide sofort ins Haus.

Szene 9 – Villa de Cerque, Tanzsaal

Noch immer ist der Strom ausgefallen, aber die Kellner verteilen gerade auf Lucilles Anweisung Kerzen im Saal. Dadurch gibt es zwar immer noch keine Musik, aber das scheint der Stimmung keinen Abbruch zu tun, denn die Gäste unterhalten sich aufgeregt über den Gruselfaktor der Party und Lucille wirkt sehr zufrieden mit sich. In einer dunklen Ecke haben sich Jennifer und Björn zum Knutschen zurückgezogen. Seine Hände massieren dabei ihren Po. Jennifer vergräbt ihre Hände in seinem Haar, als sie sich plötzlich irritiert von ihm löst und ihre Finger anschaut. Ein dünner schwarzer Käfer krabbelt über ihren Ringfinger. Angewidert streift sie das Tier ab und will sich wieder Björn zuwenden, als sie sieht, wie ihm zwei weitere Käfer aus dem Mund kriechen. Er scheint davon nichts mitzubekommen, aber Jennifer schreit auf, stößt ihn entsetzt von sich und eilt hastig weg.

Björn: (Irritiert.) Jenny!

Jennifer eilt zum Buffettisch und schenkt sich hastig Bowle ein. Sie setzt das Glas gerade zum Trinken an, als ihr Blick auf die Würmer fällt, die sich am Glasboden ringeln. Mit einem spitzen Aufschrei lässt Jennifer das Glas fallen, welches prompt zerspringt. Die Würmer spritzen regelrecht über ihre Schuhe, was sie panisch aufstampfen lässt. Die Schüler in der Nähe sehen sie erst irritiert, dann belustigt an. Als sie lachen, dreht sich Jennifer wütend zu ihnen um.

Jennifer: Zischt ab!

Ein paar lassen sich tatsächlich vertreiben, die anderen genießen die Show. Ein Mädchen beginnt sogar, mit ihrem Smartphone zu filmen, während Jennifer sich wieder dem Buffet zuwendet und zu kreischen beginnt. Alle Speisen haben sich in Klumpen von Käfern und Würmer verwandelt, die munter durcheinander kriechen. Panisch über ihre Schulter schauend, läuft Jennifer hastig aus dem Saal.

Szene 10 – Villa de Cerque, Tanzsaal

Meg steht am Rand und sieht lachend Jennifer hinterher, als diese den Raum verlässt. In diesem Moment findet Samantha sie.

Samantha: Da bist du!

Meg: Bin ich?

Samantha: Ich habe dich überall gesucht. Shayna hat erzählt, du wärst zusammengebrochen.

Meg: (Abfällig.) Shayna ist eines dieser dummen Mädchen, die sich mit mir angelegt haben, oder?

Samantha: (Runzelt die Stirn.) Meg? Ist alles in Ordnung mit dir?

Meg: (Gibt sich überhaupt nicht wie ihre Schwester, sondern viel erwachsener.) Mir ging es selten besser. Gerade habe ich unheimlichen Spaß daran, diesen Biestern zu zeigen, was es heißt, sich mit einer Hexe anzulegen. (Ihre Augen leuchten vor Erregung.) Oder, Schwester?

Samantha: Du bist nicht meine Schwester. Meg würde Magie nicht einmal mit der Kneifzange anrühren.

Meg: (Schnaubt.) Das dumme Ding. Die ist genauso verblendet wie die anderen. Aber du … du bist eine wahre Hexe. Und das sage ich nicht, weil diese hirnverbrannte Hexenprobe es bestätigt hat.

Samantha: (Schluckt.) Woher weißt du … Margarethe Kessler? (Meg lächelt.) Du bist eine echte Hexe gewesen? (Fasst sich wieder.) Was hast du mit meiner Schwester vor?

Meg: Ich will mich lediglich ein wenig amüsieren. Mädchen wie deine Schwester amüsieren sich schließlich jeden Tag in meinem Haus. (Samantha wird blass.) Also, was ist mit dir? Es ist Hexentanz. Heute gehört die Nacht uns und die Sterblichen werden vor unserer Macht zittern.

Samantha: Ich bin eine gute Hexe.

Meg: (Lacht keckernd.) Oh, du dummes, dummes Mädchen. Ob du gut bist oder nicht, entscheidest nicht du, sondern der Teufel höchstpersönlich.

Samantha: (Unwohl.) Auf den kann ich getrost verzichten.

Meg: (Schnaubt.) Die heutige Generation ist zu nichts mehr zu gebrauchen. Vollkommen verweichlicht. Nun, gut, dann bleib eben hier und komm mir nicht in die Quere.

Sie bewegt nur kurz ihre Finger zu einem Zauber, bevor sie sich umdreht und davon schreitet. Samantha will ihr nachgehen, aber sie kann sich mit einem Mal nicht mehr rühren. Nicht mal den Mund kann sie öffnen. Nur ihre Augäpfel bewegen sich panisch hin und her.

Szene 11 – Villa de Cerque, Tanzsaal

Anni steht an der Seite und flirtet mit Chris, einem Mitschüler.

Chris: Wir könnten uns die Villa ansehen. Es soll hier viele Zimmer geben.

Anni: (Anzüglich lächelnd streicht sie ihm den Hemdkragen glatt.) Ich weiß nicht. Wäre es nicht furchtbar unhöflich, die Party zu verlassen?

Chris: Wir verlassen sie ja nicht, sondern verlegen sie nur.

Sie lacht vergnügt. Dabei bildet sich ein Tropfen Blut an der Nase. Chris runzelt die Stirn und reicht der verwirrten Anni dann ein Taschentuch.

Chris: Du hast da Blut oder so.

Anni: Blut? (Sie tupft sich die Nase ab und starrt auf den Blutfleck.) Merkwürdig. Das hatte ich noch nie.

Sie bemerkt selbst, dass sich rasch ein neuer Tropfen gebildet hat und kann ihn nicht schnell genug abwischen, bevor er hinunter zu ihren Lippen läuft. Auch aus ihrem anderen Nasenloch läuft nun Blut und von der angeregten Stimmung ist gar nichts mehr zu spüren. Anni presst sich das Tuch auf die Nase, welches sich langsam mit Blut vollsaugt, als Chris sie befremdet ansieht.

Chris: Da kommt was aus deinem Auge.

Panisch tippt sich Anni in den Augenwinkel und starrt auf das feuchte Blut auf ihrem Zeigefinger.

Anni: Ich bin gleich wieder zurück.

Dann lässt sie Chris stehen und läuft rasch an Meg vorbei aus dem Zimmer. Diese lächelt und wendet sich der Schülermenge zu, auf der Suche nach ihrem nächsten Opfer. Anni blutet derweil aus beiden Augen und Ohren zusätzlich zu der Nase. Beinahe rennt sie Rachel und Fabian über den Haufen, die ihr erschrocken nachsehen. Fabian folgt Anni nach kurzem Zögern.

Fabian: Hey, Anni, brauchst du Hilfe?

Anni: (Bebend.) Ich gehe auf Toilette, du Idiot.

Sie hat das ausgeschilderte Badezimmer erreicht und die Tür aufgerissen.

Fabian: Du blutest. Soll ich nicht lieber …

Anni: (Sieht ihn wütend an.) Bist du schwer von Begriff? Dies ist eine Toilette, also mach dich vom Acker.

Sie knallt ihm die Tür vor der Nase zu. Fabian wirkt immer noch besorgt, aber er kehrt zu Rachel zurück.

Fabian: Keine Ahnung, was da los ist, aber mir gefällt das nicht.

Rachel: (Seufzend.) Ich schaue nach ihr.

Fabian: (Drückt sie an sich.) Du bist die Beste.

Szene 12 – Villa de Cerque, Tanzsaal/Salon

Meg geht langsam auf Cheryl zu, die gerade im Handspiegel ihr Makeup überprüft, als Jan sich plötzlich zwischen sie und ihr Ziel stellt.

Jan: Ich habe dich überall gesucht.

Meg: (Betrachtet ihn abschätzig von oben bis unten.) Tatsächlich?

Jan: (Grinst.) Ja, oder hast du schon vergessen, was wir für heute geplant haben?

Er zieht kurzer Hand ein abgepacktes Kondom aus der Hemdtasche und grinst. Dann packt er sie am Arm und reckt kurz spähend den Hals.

Jan: Von deiner Schwester ist nichts zu sehen, also los, bevor sie wiederkommt.

Obwohl Meg nicht so aussieht, als hätte sie gerade Lust, zieht Jan sie aus dem Tanzsaal und in das erste offene Zimmer. Es ist ein kleiner Salon mit Blick auf den Garten. Zwei bequeme Sessel und ein Sofa stehen im Halbkreis zu den Fenstern um einen Kaffeetisch. Jan lässt Meg los und zieht die Vorhänge zu. Das Flackern des Feuers draußen wirft einen orangenen Schein auf die Fensterbank, aber ansonsten ist das Zimmer dunkel.

Jan: Wir hätten eine Kerze mitgehen lassen sollen. (Kommt zu Meg und streicht ihr über die Seiten.) Aber so ist es auch ganz reizend.

Er küsst sie und Meg stöhnt erst genervt, aber dann krallt sie ihm die Finger in den Nacken und erwidert seinen Kuss lüstern. Dabei geht sie mit ihren langen Fingernägeln nicht gerade sanft um.

Jan: Au!

Meg stößt Jan über die Armlehne eines Sessels.

Meg: Zieh dich aus!

Jan: (Belustigt.) Oh, du gibst also gerne den Ton an.

Meg sieht ihn nur kühl an, bis Jan ihrem Wunsch tatsächlich nachkommt. Seine Augen leuchten aufgeregt und er gibt sich Mühe, das Ausziehen etwas erotisch zu gestalten, ist aber viel zu schnell fertig.

Meg: Hinsetzen!

Jan widerspricht nicht einmal, sondern setzt sich scheinbar völlig entspannt hin. Meg geht auf ihn zu und küsst ihn. Jan hebt die Hände, um sie unter ihr Oberteil zu schieben, aber sie haut ihm auf die Finger. Überrascht keucht Jan auf, als Meg aus dem Nichts ein Seil vorzieht und damit beginnt seine Arme an die Lehnen zu fesseln.

Jan: Wollen wir nicht lie…

Meg legt einen Finger auf seine Lippen und Jan verstummt. Dann lässt sie den Finger über sein Kinn, seine Brust und hinunter zu den Hüften wandern, woraufhin sich Jans Atem beschleunigt. Einen Moment lang verharrt Meg mit der Hand auf Jans Oberschenkel. Dann richtet sie sich plötzlich wieder auf.

Meg: Dein Angebot ist sehr verlockend. Ich werde auf jeden Fall später darauf zurückkommen.

Mit einem anzüglichen Lächeln geht sie langsam aus dem Raum raus. Jan keucht und versucht ihr nachzusehen, aber seine Position lässt kaum etwas zu.

Jan: Meg! Hey … (Die Tür fällt ins Schloss.) Scheiße!

Gänzlich unglücklich scheint er jedoch nicht.

Szene 13 – Villa de Cerque, Tanzsaal

Shayna steht mit Cian und Alan herum und bedient sich an den Häppchen.

Shayna: Standest du nur zufällig mit Samantha herum oder hattest du wieder einen Aussetzer?

Cian: Das war kein Aussetzer. Sam und ich sind … (Er muss leicht schmunzeln.) Freunde.

Alan: (Schnaubt belustigt.) Was findest du eigentlich an ihr? Die ist doch total langweilig.

Cian: Ja, eben nicht. Wenn man sich sonst mit einem Mädchen unterhält, geht's immer nur um Mode oder Stars oder weiß der Teufel. Mit Samantha kann man richtig reden. So wie mit Shayna.

Alan: Shayna ist im Gegensatz zu Sam aber heiß.

Shayna spitzt die Lippen und wirft Alan einen Kuss zu, der daraufhin grinst. Cian zuckt nur amüsiert mit den Schultern.

Cian: (Beiläufig.) Vielleicht finde ich ja Intelligenz heiß.

Alan reißt übertrieben die Augen auf und klopft Cian dann lachend auf den Rücken.

Shayna: (Amüsiert.) Du bist so ein Charmeur.

Sie beißt von ihrem Häppchen ab und kaut vergnügt darauf herum, während Cian sich noch etwas geniert. Dann stockt sie unerwartet und wendet sich leicht ab, um sich etwas aus dem Mund zu holen. Entsetzt betrachtet sie den Fingernagel, der in ihre Hand fällt und in der gleichen Farbe wie ihre eigenen lackiert ist. Als sie auf das angebissene Häppchen schaut, sieht es plötzlich verdächtig nach einem abgeschnittenen Finger aus. Auf der Stelle muss Shayna würgen. Sie lässt das Häppchen fallen und stürzt davon. Verwirrt sehen Alan und Cian ihr nach.

Szene 14 – Villa de Cerque, Tanzsaal

Der Strom ist inzwischen wieder da und Musik läuft. Jennifer drängt sich durch die Schülermenge und findet Cheryl. Diese dreht sich etwas verwirrt zu ihr um.

Cheryl: Du siehst furchtbar aus. Ganz blass und … ist das Schweiß?

Ein Kellner läuft an ihnen vorbei und balanciert ein Tablett voller Käfer. Jennifer sieht aus, als würde sie sich gleich übergeben müssen.

Jennifer: Wir müssen sofort verschwinden. Die Party ist verflucht.

Cheryl: (Lacht.) Oh! Jenny, ich wusste gar nicht, dass du auf diesen Gruselkram stehst.

Jennifer: Ich? Überhaupt nicht! (Sie sieht eher panisch aus.) Hast du das Essen gesehen? Es besteht aus Käfern und Würmern. Ich hätte beinahe einen gegessen.

Cheryl: (Verzieht angewidert das Gesicht.) Du hast zu viel getrunken.

Jennifer: Habe ich nicht! Es ist alles echt.

Sie greift Cheryls Arm.

Cheryl: Lass mich in Ruhe. Du bist ja total irre.

Jennifer: Wir müssen sofort verschwinden. Ich kann Anni und Shayna nirgendwo finden. Ich wette, der Fluch hat sie bereits erwischt und …

Cheryl: Ich sagte, lass mich in Ruhe!

Entschieden löst sie Jennifers Hände und geht schnell davon.

Jennifer: (Verzweifelt.) Aber Cheryl!

Stattdessen schiebt sich Lucille plötzlich vor sie. Matt und Fabian stehen direkt daneben.

Lucille: Von was für einem Fluch redest du?

Jennifer: (Zeigt mit dem Finger auf sie.) Du! Das ist deine Party, du hast uns alle verflucht. (Laut.) Sie ist eine Hexe!

Die Schüler um sie herum lachen Jennifer aus. Dieser steigen Tränen in die Augen, bevor sie sich umdreht und wegrennt. Lucille sieht Matt und Fabian verwirrt an. Fabian winkt die anderen beiden zum Fenster, um sich ungestört mit ihnen zu unterhalten.

Fabian: Irgendwas stimmt hier nicht.

Matt: (Sarkastisch.) Ach wirklich? Du meinst, Lucille hat keine hundert Fledermäuse bestellt?

Lucille: Ich bin froh, dass mein Vater mir die richtige Deko erlaubt hat.

Fabian: Als Rachel und ich vorhin reingekommen sind, kam uns Anni entgegengelaufen, das halbe Gesicht blutverschmiert. Jetzt jammert Jennifer über Würmer im Drink.

Matt: (Verzieht das Gesicht.) Verständlicherweise.

Lucille: Entspann dich. Ich habe keine reingetan. (Matt schüttelt sich dennoch einmal.) Dann wurden sie wirklich verflucht?

Fabian: Es ist Walpurgisnacht.

Lucille: Ja, aber die einzigen Hexen hier sind Samantha und ich.

Fabian: Apropos, wo ist Sam eigentlich?

Lucille: Keine Ahnung. Ich habe sie vorhin mit Cian flirten sehen.

Matt: (Düster.) Cian ist da.

Cian steht am bereitgestellten Kicker und liefert sich mit Alan ein Match.

Fabian: Ich suche Samantha und ihr versucht herauszufinden, was es mit diesem Fluch auf sich hat.

Lucille: Wunderbar, weil ich mir auf meiner Party nichts anderes vorhatte, als mich Cheryl an die Fersen zu heften.

Matt: (Schnaubt.) Sie denkt bestimmt gleich, ich will wieder was von ihr.

Lucille: (Schmunzelnd.) Nun, das hast du dir eindeutig selbst zuzuschreiben.

Matt seufzt nur theatralisch.

Szene 15 – Villa de Cerque, Badezimmer

Anni sitzt neben der Toilette und hat den Kopf in den Nacken gelegt. Obwohl sie es so gut wie möglich mit Klopapier abtupft, läuft ihr noch immer Blut aus Nase, Augen und Ohren. Vorsichtig wird die Tür von Rachel geöffnet. Als Anni nicht protestiert, tritt Rachel ein und schließt die Tür hinter sich.

Anni: (Weinerlich.) Was willst du? Nachschauen, ob ich verrecke?

Rachel: Tust du das denn?

Anni: Es will einfach nicht aufhören zu bluten. Ich habe bestimmt Krebs oder …

Rachel: Du hast keinen Krebs.

Anni: (Schnieft.) Woher willst du das wissen? (Als Rachel nicht gleich antwortet, schnaubt sie und hält sich prompt ein Bündel Papier vor die Nase.) Es ist furchtbar. Meine Klamotten sind schon vollkommen eingesaut. (Panisch.) Was, wenn ich hier sterbe?

Rachel: Dann gäbe das eine ziemliche Sauerei.

Anni sieht sie schockiert an. Dann muss sie aber lachen. Rachel kniet sich zu ihr hinunter und beginnt vorsichtig, mit einem Lappen über ihren Hals zu wischen.

Rachel: Möchtest du, dass ich einen Notarzt rufe?

Anni: Bloß nicht! Das wäre mir hochgradig peinlich.

Rachel: Was ist denn passiert? Hast du vielleicht irgendwas Komisches gegessen?

Anni: Nichts! Ich habe lediglich mit Chris geflirtet - er wollte mit mir auf ein Zimmer gehen - und dann fing es plötzlich an.

Rachel: Könnte Chris dir etwas untergejubelt haben?

Anni: Hä? Wieso sollte er das denn tun?

Rachel: Na ja, um dich ins Bett zu kriegen.

Anni: (Lacht.) Oh, Rachel, dafür braucht er mir nichts unterjubeln. Ich habe gerne Spaß. Ganz im Gegensatz zu dir. Du hattest noch nie Sex, oder?

Rachel: (Etwas verlegen.) Spielt das wirklich eine Rolle?

Anni: (Neugierig.) Bist du asexuell?

Rachel: Was? Nein! Ich habe einen Freund. Fabian.

Anni: (Schnalzt mit der Zunge.) Ach bitte, das ist doch nur Fake. Ich würde ja sagen, du wärst der Notnagel, aber dazu müsste Fabian überhaupt erst mal an dir Interesse haben.

Rachel sieht sie entsetzt an.

Szene 16 – Villa de Cerque, Flur

Fabian läuft schnellen Schrittes durch den Flur und sieht sich suchend um.

Fabian: Samantha? Sam?

Schließlich vernimmt er ein Schluchzen hinter einem Vorhang. Erschrocken eilt er zu dem Fenster und schaut nach. Statt Samantha ist es aber Shayna, die dort auf der Fensterbank sitzt. Ihre Augen sind vom Weinen gerötet, als sie erschrocken zu Fabian aufsieht.

Shayna: Fabian?

Fabian: Äh ja. Darf ich?

Er deutet auf die Fensterbank und Shayna nickt. Etwas ungelenk setzt er sich mit etwas Abstand neben sie.

Fabian: Was ist passiert?

Shayna: Das glaubst du eh nicht.

Fabian: Versuch es doch. (Mit einem schiefen Lächeln.) Ich bin schließlich Sams bester Freund.

Shayna: (Muss trotz der Tränen lächeln.) Auch wieder wahr. Ich glaube, ich bin wegen der Sache mit Meg verflucht worden.

Fabian: (Runzelt die Stirn.) Welche Sache mit Meg?

Shayna: Wir wollten sie ein wenig über Sam ausquetschen. Etwas auf den Arm nehmen. (Seufzt.) Du hättest sehen sollen, wie die Kleine Cheryl angehimmelt hat. Als wäre sie die Göttin des Modehimmels oder so etwas. Dann haben wir das Ouijabrett entdeckt und wollten uns einen Spaß damit machen. Aber plötzlich … Sie hat angefangen zu zucken und ist ohnmächtig geworden. Als ich Sam geholt hatte, war sie weg.

Fabian: Und jetzt glaubst du, Meg hat euch verflucht?

Shayna: Wer sollte es denn sonst tun?

Fabian: Du meinst, es gibt sonst niemanden, der etwas gegen euch hat?

Shayna: (Braucht einen Moment, bevor sie seine Anspielung versteht.) Du meinst, die Hater und Neider? (Fabian verzieht das Gesicht.) Tut mir leid. Ich weiß, Cheryl ist nicht die einfachste Person … (Fabian zieht eine Augenbraue hoch.) schön, ich auch nicht. Besser? Oder willst du, dass ich es dir auf Video spreche?

Fabian: Wow! Das muss ja wirklich ein übler Fluch sein.

Shayna: Ich habe einen Finger gegessen. Einen Finger … und nicht irgendeinen, sondern meinen.

Fabian: (Angewidert.) Uäh.

Shayna: Ja, uäh.

Sie zeigt ihm prompt ihre rechte Hand, hält aber die Fingerspitzen mit der linken Hand zu. Fabian kann den Daumen begutachten, dessen Seite tatsächlich angeknabbert wurde. Es ist nicht viel, aber sieht ekelhaft zerkaut aus.

Fabian: Was ist …

Vorsichtig löst er die Finger der anderen Hand. Shayna sieht hastig zur Seite.

Shayna: Wenn ich nervös bin, kaue ich Fingernägel.

Fabian sieht entsetzt auf die anderen Fingerspitzen, die allesamt blutig sind. Teilweise fehlt ein halber Nagel. Er muss würgen, behält seinen Mageninhalt aber bei sich.

Fabian: Das ist grauenhaft.

Shayna: (Tränenerstickt.) Weißt du, wie schwer es ist, nicht weiter zu essen? (Sie muss Luft holen.) Ich werde mich selbst verspeisen.

Sie bricht in Tränen aus und Fabian weiß sich nicht anders zu helfen, als sie in den Arm zu nehmen. Bitterlich weint sich Shayna an seiner Schulter aus.

Szene 17 – Villa de Cerque, Tanzsaal

Samantha steht noch immer reglos halb verborgen am Rand des Tanzsaals. Niemand, der an ihr vorbeiläuft, nimmt sie überhaupt wahr. Die einzige, die sich ihr gezielt nähert, ist Menuha.

Menuha: Dich habe ich gesucht. (Samantha kann nicht antworten.) Ich wollte dich etwas fragen. Wegen Matt. (Sie zögert kurz.) Ist alles in Ordnung?

Als Samantha wieder nicht antwortet, tritt Menuha misstrauisch vor und kommt ihr ganz nahe. Neugierig wedelt sie vor Samanthas Augen herum und als diese nicht blinzelt, greift Menuha in ihre Tasche und sucht nach etwas.

Menuha: Ich nehme mal an, du ignorierst mich nicht gerade, denn das würde keinen Sinn machen. Schließlich bin ich nicht Matt oder … Aha, da bist du ja. (Sie zieht etwas aus Zweigen Gebundenes aus ihrer Tasche.) Mein Bruder Caspar kennt sich mit Magie aus. Er hat das Runenbinden gelernt. Und weil ich seine Lieblingsschwester bin … - okay, eigentlich bin ich die einzige Person, die er überhaupt mag -, hat er mir diese Antimagierune gemacht. Pass auf!

Sie drückt die Rune ohne zu zögern in Samanthas Ausschnitt. Dieser steigt das Blut in die Wangen. Plötzlich knackt es und die Rune zerbröselt unter Menuhas Fingern. Im selben Moment kann sich Samantha wieder bewegen. Sie geht einen Schritt zurück und versucht, sich unauffällig die Krümel aus dem Ausschnitt zu wischen.

Menuha: (Strahlend.) Funktioniert jedes Mal.

Samantha: (Verlegen.) Danke.

Menuha: Was ist passiert?

Samantha: Meine Schwester ist von dem Geist einer Hexe besessen worden. Aber es ist keine gute Hexe … ich habe sie beobachtet. Sie verflucht Lucilles Gäste.

Menuha: Weißt du, wo sie jetzt ist?

Samantha: (Schüttelt den Kopf.) Nein.

Menuha: Dann suchen wir sie. (Sie hakt sich bei Samantha ein.) Auf dem Weg kannst du mir ein paar Fragen bezüglich Matt beantworten.

Samantha: (Löst sich von Menuha.) Menuha … ich mag Matt nicht. Reicht das? Ich würde jetzt wirklich gerne Meg suchen und sie von diesem Geist befreien. Kannst du das verstehen?

Menuha: (Verwirrt.) Sie ist dir wichtig.

Samantha: (Ein wenig verzweifelt.) Sie ist meine kleine Schwester.

Menuha: Faszinierend.

Sie folgt Samantha in den Saal hinein.

Szene 18 – Villa de Cerque, Flur

Cheryl hat sich von der Party entfernt und streift durch einen der verlassenen Flure der Villa. Dabei fotografiert sie ungeniert Details. Ab und zu dreht sie sich etwas beunruhigt nach hinten, aber dort befinden sich nur Schatten. Als sie weiter geht, knarzt weiter vorne eine Tür. Erst erschrickt Cheryl. Dann ist sie jedoch neugierig und huscht zu einer halb offenen Tür. Noch einmal schaut sie über ihre Schulter, bevor sie in den Raum tritt.

Dieser ist vollkommen dunkel, aber man hört ein leises Scharren. Cheryl tastet nach dem Lichtschalter. Als das Licht angeht, stößt Cheryl einen gellenden Schrei aus. Wände, Decke und Boden des Raums sind mit unzähligen Spinnen übersät. Einige von ihnen krabbeln Cheryl bereits über die Beine. Panisch wendet sie sich zur Tür und will hinaus, doch diese wurde bereits von den Spinnen eingesponnen und Cheryl zieht entsetzt ihre Hand zurück. Noch einmal schreit sie gellend.

Szene 19 – Villa de Cerque, Flur

Lucille und Matt suchen nach Cheryl, als sie ihren Schrei hören. Dieser wird von den Flurwänden vielfach zurückgeworfen.

Matt: Wo kam das her?

Lucille: Keine Ahnung. Aus irgendeinem der Zimmer würde ich annehmen. Lass uns nachschauen!

Er öffnet das nächstbeste Zimmer und sieht sich um. Es ist der Salon mit den bequemen Sesseln.

Matt: Cheryl?

Jan: Nicht ganz.

Matt: Jan?

Er und Lucille gehen hinein und finden Jan, noch immer splitternackt an den Sessel gefesselt. Lucille schlägt erschrocken die Hände vor den Mund und dreht sich um.

Lucille: Meine Güte! Das wollte ich heute ganz bestimmt nicht sehen.

Matt: (Eher belustigt.) Aber sonst?

Jan: (Etwas genervt.) Könntest du mich losbinden, anstatt weiter auf mein bestes Stück zu starren?

Matt: Sicher, dass es dein Bestes ist?

Jan: Mir ist kalt.

Verschmitzt lächelnd geht Matt in die Knie und löst die Fesseln. Jan schnappt sich rasch seine Sachen und zieht sich an, während Lucille, sich noch immer Luft zufächelnd, durch das Zimmer geht und ihm den Rücken zuwendet.

Jan: (Zieht sich sein Hemd über.) Du kannst wieder gucken. (Zu Matt.) Und du hättest ruhig mal weggucken können.

Matt: Wer hat dich denn in diese famose Lage gebracht?

Jan: Na, wer wohl? Meine Freundin.

Lucille: Meg hat das getan?

Matt: (Muss immer noch stark gegen seine Belustigung ankämpfen.) War es das Warten wert?

Jan: Wir hatten keinen Sex. (Matt hat große Mühe, nicht loszuprusten.) Irgendwer hat sie verhext. Ich meine … das war einfach nicht Meg. Glaube ich.

Lucille: Weil sie dir einen Streich gespielt hat, glaubst du, sie war verhext?

Jan: Das war kein Streich. Ja, ich bin erst drauf reingefallen, aber seitdem hatte ich ziemlich viel Zeit zum Nachdenken und sie hat sich weder wie Meg bewegt noch wie sie gesprochen.

Matt: (Plötzlich ernst.) Das klingt eher nach besessen statt verhext.

Lucille: Muss ich einen Priester bestellen? (Matt runzelt die Stirn.) Für den Exorzismus.

Matt: Du bist doch eine Hexe. Wozu brauchst du da noch jemanden?

Lucille: Ähm, vielleicht, weil ich nichts von Exorzismen verstehe? Aber vielleicht kann Rachel mit dem Geist reden.

Jan: Reden konnte ich auch mit ihr. Hat jetzt nicht wirklich geholfen.

Matt: Was wir brauchen, ist eine Menge Salz für den Bannkreis und eine Litanei, die du rezitierst.

Jan: (Da Lucille sprachlos ist.) Sowas kann man bestimmt googlen.

Er holt sein Handy raus.

Lucille: Google verrät mir einen Zauberspruch, mit dem ich Geister vertreiben kann?

Jan: 18000 Treffer. Es gibt sogar Youtubevideos.

Lucille: (Reibt sich die Nasenwurzel.) Ich habe eine andere Idee. Auf meinem Zimmer habe ich die Tagebücher meiner Oma. Darunter sind auch Zaubersprüche. Vielleicht hat sie dazu etwas aufgeschrieben.

Matt: Dann lass uns nachschauen.

Sie verlassen das Zimmer und laufen dabei fast in Robert.

Robert: Da seid ihr. Lucille, die Party ist echt der Hammer.

Lucille: Das freut mich zu hören, Robert, aber ich muss jetzt …

Robert: (Völlig begeistert.) Es ist fast, als wäre hier echte Magie am Werk. Die schwebende Leiche an der Decke ist besonders genial.

Lucille: (Ihr entgleisen alle Gesichtszüge.) Schwebende Leiche?

Robert: Ja, oben im Tanzsaal.

Auf der Stelle rennen die drei los.

Szene 20 – Villa de Cerque, Tanzsaal

Samantha läuft zusammen mit Menuha suchend durch die Menge, als sie Cian über den Weg läuft.

Cian: Oh, hey. Suchst du jemanden?

Samantha: Ja, meine Schwester. Sie ist immer noch verschwunden.

Cian: Oh, scheiße. Ich habe sie leider nicht …

Jemand kreischt und plötzlich zeigen um sie herum mehrere Schüler nach oben. Samantha, Menuha und Cian sehen ebenfalls hoch und entdecken eine leblose Mädchengestalt, die fast vollständig in Spinnenseide eingesponnen ist. Lediglich ihre blonden Ringellocken sind frei von Spinnweben.

Cian: Ist das Cheryl?

Samantha: Äh … schwer zu sagen.

Cian versucht, einen besseren Blickwinkel auf die schwebende Person zu erhaschen.

Samantha: (Leise zu Menuha.) Ich kann versuchen, den Zauber zu lösen. Könntest du Cian für mich ablenken? Es sei denn, du hast noch eine dieser Runen?

Menuha: Leider nicht. Das letzte Mal habe ich vor hundertzwanzig Jahren eine gebraucht, deshalb trage ich nie mehrere mit mir. Aber mache dir keine Sorgen um den Jungen. Er ist in den besten Händen.

Samantha sieht aus, als würde sie ihre Bitte bereuen, aber dann wendet sie sich lieber Cheryl zu und versucht vorsichtig, den Zauber aufzuknüpfen, der sie an der Decke hält, ohne sie hinunterstürzen zu lassen. In der Zwischenzeit beginnt Menuha, mit Cian zu flirten. Der ist erst verwirrt, lässt sich dann jedoch darauf ein, als Menuha ihm scheinbar zufällig über den Arm streicht. Da sie sich darauf konzentriert, den Zauber zu lösen, bekommt Samantha davon nichts mit. Schweiß bedeckt ihre Stirn, als Cheryl langsam hinunter schwebt. Die Menge staunt begeistert. Auf der Hälfte der Strecke bleibt ihr Körper jedoch stehen. Verwirrt bemüht sich Samantha, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, aber es rührt sich gar nichts.

Meg: (Höhnisch.) Sieh an, willst du etwa doch mit den dunklen Mächten spielen?

Es dauert einen Moment, bis sich ein Korridor zwischen Meg und Samantha gebildet hat. Ihre kleine Schwester sieht sie herausfordernd an.

Meg: Du willst dich mit mir messen? Dann zeig mal, was du kannst.

Samantha befeuchtet nervös ihre Lippen, da treffen Lucille, Matt und Jan bei ihr ein.

Jan: Meg ist besessen.

Samantha: Ach wirklich? Es ist eine Hexe, ganz wie sie im Bilderbuch steht. Margarethe Kessler um genau zu sein.

Jan: Aus dem Hexenmuseum?

Samantha: Ja.

Matt: Kannst du sie hinhalten? (Samantha nickt angespannt.) Jan, du lenkst die Hexe ab. Lucille und ich kümmern uns um den Exorzismus.

Er packt Lucille am Arm und zerrt sie wieder aus dem Raum raus.

Jan: Ich versuche mein Bestes.

Meg: Was ist los? Hast du etwa Angst, kleine Hexe?

Samantha: (Schnaubt.) Vor dir bestimmt nicht.

Ihre Mitschüler johlen begeistert. Offenbar erkennen sie den Ernst der Lage nicht.

Szene 21 – Villa de Cerque, Badezimmer

Rachel sieht Anni noch immer überrascht an.

Anni: Glotz nicht so! Das ist wahrscheinlich der Grund, warum er nicht mit dir ins Bett will.

Rachel: Du kennst ihn überhaupt nicht. Fabian ist nicht wie die anderen Jungen.

Anni: (Rollt die Augen.) Fabian ist genauso wie die anderen Jungen. Ich wette, wenn du unter seinem Bett nachschaust, findest du mindestens ebenso viele Schmuddelhefte wie bei allen anderen. Außerdem muss ich nicht mit ihm befreundet sein, (Angewidert.) um mich an die furchtbaren Jahre zu erinnern, als er Samantha mit den Augen verschlungen und ständig in der Schule angesprungen hat. (Sie spuckt aus, wobei sich Blut in der Spucke befindet.) Ein Glück ist uns die Fortsetzung davon erspart geblieben. Aber wenn du meine ehrliche Einschätzung haben willst. (Rachel sieht nicht so aus, als ob sie die haben wollen würde.) Wenn du und Sammy nackt mit ihm in einem Raum wäret, würde er Sammy anwinseln, ihn ranzulassen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739442587
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (März)
Schlagworte
Hexen Drama Magie Fantasy Dämonen Supernatural Paranormal

Autor

  • Janna Ruth (Autor:in)

Zwischen der Berliner Großstadt und dem paradiesischen Karori in Neuseeland, führt Janna Ruth ein aufregendes Doppelleben als Autorin und Wissenschaftlerin. Ebenso bewegen sich ihre Werke zwischen fantastischen Welten und tiefgründiger Moderne. Als Autorin legte sie 2017 einen Senkrechtstart hin, als sie sowohl bei Ueberreuter als auch im Selfpublishing debüttierte und innerhalb eines Jahres mit dem SERAPH Phantastikpreis für den besten Independent-Titel ausgezeichnet wurde.
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Titel: Hexenwahn