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Paragrafen und Grafen

von Brigitte Teufl-Heimhilcher (Autor:in)
248 Seiten

Zusammenfassung

Es ist nicht einfach, sich nach einer gescheiterten Beziehung wieder zu verlieben. Die Anwältin Irene und der arrogante erscheinende Theo wollen es dennoch miteinander versuchen, doch wieviel Ungemach kann eine solche Beziehung aushalten? Da wären einmal Theos deutlich jüngere Stiefgeschwister um die er sich plötzlich kümmern muss, weil deren Mutter von einer Urlaubsreise nicht mehr zurückkehrt. Dann taucht auch noch Theos Exfrau auf, die die Trennung von Theo längst bereut hat und nichts unversucht lässt, ihn wieder für sich zu gewinnen. Als dann auch noch Irenes Exmann sich hilfesuchend an sie wendet, scheint das Chaos perfekt zu sein. Ein turbulenter Roman um Beziehungen aller Art - und um die Liebe.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Endlich Urlaub

Als Irene frühmorgens losfuhr, war prachtvolles Frühlingswetter. Sie freute sich auf etwas Bewegung in frischer Luft und war froh, dass ihre Freundin Sandra sie zu diesem Urlaub überredet hatte. Dabei hatte sie noch gestern das Gefühl gehabt, dieser Urlaub käme zur Unzeit – aber das hatte sie schließlich immer.

Noch war es ruhig auf den Straßen und obwohl sie die Hinweise auf der Autobahn „Gleiten statt hetzen“ beherzigt hatte, traf sie schon zwei Stunden später auf dem Stadler-Gut ein.

Der ehemalige Gutshof leuchtete in Kaisergelb, die Holzbalustraden waren mit Blumenkästen geschmückt, aus denen bunte Frühlingsblumen lachten, und der mächtige Kastanienbaum im Innenhof stand in voller Blüte.

In ihren Teenagertagen war sie mit Sandra und deren Eltern einige Male hier gewesen, und vor einigen Jahren hatte sie das Hotel gemeinsam mit ihrem Exmann wiederentdeckt.

Eigentlich hatte sie vorgehabt nie wiederzukommen. Aber Sandra hatte ja recht. Das Hotel und der Golfplatz waren wunderschön, warum sollte sie nicht auch ohne Jochen hier Urlaub machen?

Das Mädchen an der Rezeption teilte ihr mit, dass ihr Zimmer fertig sei, und sie war froh, bis zur Ankunft ihrer Freunde nicht untätig herumsitzen zu müssen.

Die kleine Suite war hübsch eingerichtet und hatte eine Terrasse Richtung Golfplatz. Irene konnte es plötzlich kaum erwarten, hier zu sitzen, zu lesen und zu träumen. Doch zuerst räumte sie ihre Kleidung in den Kasten und ertappte sich dabei, bei jedem Polo-Shirt zu fragen, ob sie dieses bei ihrem Urlaub mit Jochen auch schon getragen hatte.

Um sich abzulenken, beschloss sie, die Zeit bis zu Sandras Ankunft im Pro-Shop zu verbringen, doch als sie sich auf den Weg machen wollte, fuhr Günther, Sandras neuester Schwarm, seinen flotten Sportwagen schnittig in den Innenhof. Zu schnittig, wie Irene dachte.

Günther war nur ganz ausnahmsweise – und auch nur über das Wochenende – auf ihrer Mädelswoche geduldet.

Nach der Begrüßung nahmen die Drei einen leichten Imbiss, stießen mit einem Glas Prosecco auf ihre Urlaubstage an und begaben sich auf die erste Golfrunde.

Am Abend saßen sie in der gemütlichen Gaststube, aßen mit gutem Appetit, tranken ein Glas Wein und beim Zubettgehen stellte Irene erstaunt fest, dass sie seit Sandras Ankunft zu beschäftigt gewesen war, um an Jochen zu denken. Dankbar schlief sie ein.

Auch der nächste Morgen begrüßte sie mit Sonnenschein. Sie genossen das ausgiebige Frühstück, eine neue Golfrunde und danach ein paar ruhevolle Stunden.

Nach dem Abendessen kam Frau Martens, die langjährige Geschäftsführerin des Club-Restaurants, an ihren Tisch, plauderte über dies und das und fragte nach Irenes Mann. Mit knappen Worten berichtete Irene, dass sie seit zwei Jahren geschieden war.

„Sie auch?“, fragte Frau Martens interessiert, schnappte sich einen Stuhl, bestellte beim vorbeieilenden Kellner ein Glas Wein und wollte Genaueres wissen.

Genau davor hatte sich Irene gefürchtet. Wenn ihre Trennung auch schon bald zwei Jahre zurücklag, mied sie dieses Thema immer noch wie der Teufel das Weihwasser. Dennoch antwortete sie sachlich und, wie sie zu ihrer Überraschung feststellte, erstmals ohne jenen bohrenden Schmerz, der seit Jochens Abgang ihr ständiger Begleiter gewesen war.

Bewegung in frischer Luft ist eben auch gut für die Seele – der spritzige Wein aus der Südsteiermark mochte ein Übriges getan haben, dachte Irene beim Zubettgehen.

Auch diesmal schlief sie gut und während sie am Morgen die Zähne putzte, ließ sie den Abend noch einmal Revue passieren. Frau Martens hatte noch eine Runde vom heimischen Apfelschnaps spendiert und dabei erzählte, dass auch Graf Nestelbach, der Besitzer des Gutes, in der Zwischenzeit geschieden war.

Seine lebenslustige Frau war mit dem Buchhalter durchgebrannt und dieser hatte, wohl um seiner neuen Gefährtin den geeigneten Rahmen zu bieten, ein paar Sparbücher mitgenommen. Strafrechtlich hatte man die Sache nicht verfolgt, denn die Ex-Ehefrau hatte in letzter Minute auf alle Ansprüche verzichtet.

Na dann, dachte Irene, wird es doch Liebe gewesen sein.

Dieser Graf musste aber auch ein komischer Kauz sein, vermutlich so eine Mischung aus altmodischem Familienoberhaupt und trockenem Geschäftsmann.

*

Da es am Sonntagmorgen regnete, machten sie nach dem Frühstück einen Spaziergang zum Wehr und sahen zu, wie die Wassermassen der Mur donnernd in die Tiefe stürzten. Dann folgten sie einem asphaltierten Weg und landeten gegen Mittag beim Jaga-Wirt. Nach einer herzhaften Jause hatte es zu regnen aufgehört, so dass sie den Heimweg bei Sonnenschein zurücklegen konnten. Als Irene es sich danach auf der Couch bequem machte, dachte sie: Ich habe Sandra schon lange nicht so gelöst und glücklich erlebt. Hoffentlich wird sie eines Tages nicht ebenso enttäuscht wie ich. Irgendwie war dieser Günther fast zu perfekt. Vielleicht sollte sie ihm einmal auf den Zahn fühlen.

Beim Abendessen brachte Irene das Gespräch auf die Kindheit. Günther erzählte, er habe seinen Vater kaum gekannt und seine Mutter hatte ihn die längste Zeit bei den Großeltern geparkt. Der Großvater sei längst verstorben, die Großmutter hätte er in einem hübschen Seniorenheim untergebracht und mit der Mutter stünde er ständig vor Gericht, einer Immobiliensache wegen. Als Anwältin hätte Irene gerne mehr gewusst, aber die Stimmung war so heiter und unbeschwert, dass sie das Thema nicht weiterverfolgte. Ihr Misstrauen gegen ihn hatte sich in den letzten Stunden ohnehin gelegt und nach seinen heutigen Erzählungen dachte sie, es sei vielleicht kein Wunder, dass er immer etwas kühl und distanziert wirkte.

*

„Schade, dass du wieder fahren musst“, sagte Sandra am Montagmorgen und küsste Günther ausführlich, bevor er abfuhr.

„Ist ja schon gut“, dachte Irene und wendete sich rasch ab. Dann winkten sie ihm ebenfalls nach und begab sich mit Sandra auf die nächste Golfrunde.

Nach einiger Zeit sagte Sandra: „Irgendwie scheint mir der Himmel heute weniger blau, die Narzissen weniger gelb und die Apfelblüten weniger üppig.“

„So ist das eben, wenn man verliebt ist“, antwortete Irene.

„Daran kannst du dich noch erinnern?“

„Flüchtig.“

Doch auch Irene schien nicht so recht bei der Sache und hatte vermutlich deshalb das Mauseloch übersehen. Jedenfalls stolperte sie so ungeschickt, dass sie einen lauten Schmerzensschrei ausstieß und in einer kurzen Ohnmacht zusammensank.

Zwar war sie nach wenigen Sekunden wieder bei Bewusstsein, doch Sandras Versuch, ihr auf die Beine zu helfen, scheiterte, weil sie den linken Fuß nicht belasten konnte, ohne vor Schmerzen aufzuschreien.

„Es hilft nichts, wir müssen warten, bis jemand vorbeikommt“, sagte Irene und blieb einfach im Gras sitzen.

Zum Glück dauerte es nur wenige Minuten, bis ein Arbeiter mit einem Traktor vorbeikam. Er besah sich Irenes Knöchel, kratzte sich den Kopf und versprach, den Chef zu holen.

Der nächste vorbeikommende Flight bot ebenfalls seine Hilfe an und einer der Herren konnte Irene immerhin soweit stützen, dass sie zur nächstgelegenen Bank hüpfen konnte.

Kaum saß Irene, kam ein Mann mit einem Golf-Car angefahren. Er war vielleicht Anfang vierzig, groß und stattlich, machte nicht viele Worte, öffnete ihren Schuh, zog ihr den Socken aus und besah sich den mittlerweile schon ziemlich geschwollenen Knöchel. Dann machte er damit eine kurze Bewegung, die Irene aufschreien ließ, und sagte seelenruhig: „Eine Zerrung, nichts weiter. Ich bringe Sie jetzt auf Ihr Zimmer und hole eine Salbe.“

„Und Sie glauben, Sie können das beurteilen?“, fragte Irene.

„Allerdings.“

„Stolpern bei euch laufend Golfer? Diesfalls müsste man …“

„Das nicht, aber ich bin Arzt“, unterbrach er sie.

„Oh pardon, ich dachte Sie seien Greenkeeper.“

Er nickte. „Das auch.“

Dann hob er sie wortlos hoch, setzte sie ins Car und brachte sie auf ihr Zimmer. Als er wenig später wiederkam und ihr die Salbe auf den geschwollenen Knöchel massierte, kam Sandra im Eilschritt angetrabt: „Sollten wir nicht doch besser ein Spital aufsuchen?“

„Das ist nicht notwendig“, antwortete er und schien keinen Einwand zu erwarten. Er empfahl Irene ein wenig zu ruhen und ging.

Kaum war er weg, sagte Sandra: „Das ist ja schön und gut, aber wir rufen jetzt doch einen Arzt.“

„Er ist doch Arzt.“

„Welche Fachrichtung?“

„Keine Ahnung, ich habe dir bereits alles gesagt, was ich weiß. Er ist Arzt und Greenkeeper.“

„Und impertinent“, ergänzte Sandra.

„Aber irgendwie – ganz charmant.“

„Du hast bei Männern immer schon einen seltsamen Geschmack gehabt“, seufzte Sandra und Irene antwortete augenzwinkernd: „Deshalb verstehen wir uns ja so gut, weil wir uns nie in die Quere kommen.“

Sie alberten noch ein wenig herum, dann ging Sandra auf ihr Zimmer und Irene versuchte ein wenig zu lesen, döste dabei jedoch ein. Sie erwachte, weil es an der Tür geklopft hatte, und sagte schlaftrunken: „Herein!“

In der Tür stand ihr Helfer. „Wie geht es Ihnen?“

„Danke, solange ich mich nicht bewege, ganz gut!“

„Beim Aufstehen werden Sie Schmerzen haben. Ich lasse Ihnen ein Golf-Car da, damit Sie zum Abendessen ins Clubhaus fahren können. Schönen Abend noch.“

Dann legte er den Schlüssel auf die Kommode und verschwand.

„Komischer Kauz“, murmelte Irene.

Das Abendessen ließen sie sich trotzdem schmecken. Als sie anschließend bei einem Glas Wein saßen, erschien ihr Helfer abermals. Er trug nun eine hellgraue Stoffhose und ein mittelblaues Hemd, dazu einen roten Pullover lässig über die Schultern geworfen. Irene betrachtete ihn nun etwas näher. Er war groß, eher vollschlank, sein dunkelbrünettes Haar begann an den Schläfen schon grau zu werden, am Hinterkopf lichtete es sich bereits etwas. Dennoch fand Irene, dass er ausgesprochen gut aussah.

Zu ihrem Erstaunen kam er geradewegs auf sie zu.

„Ich habe Ihnen noch eine Schmerztablette mitgebracht, für den Fall, dass es in der Nacht schlimmer werden sollte. Aber bitte, nehmen Sie sie nur, wenn die Schmerzen wirklich schlimm sind. Haben Sie sich schon eine Salbe besorgt?“

„Selbstverständlich!“, antwortete Sandra an ihrer Stelle.

„Gut so“, war alles was er dazu sagte. Dann nickte er ihnen zu und ging.

Irenes Nachtruhe blieb weitgehend ungestört, wenn man von etwas wirren Träumen absah, aber als sie am Morgen aufstehen wollte, konnte sie den Fuß überhaupt nicht mehr belasten. Schon vermutete sie, die Diagnose ihres edlen Ritters könnte falsch gewesen sein, doch nach einigem Bewegen wurde es wieder besser.

Beim Frühstück sagte Sandra: „Heute machen wir uns einen ganz faulen Tag, das haben wir uns schließlich verdient, und am Nachmittag haben wir ohnehin Kosmetiktermine.“

„Ich fürchte, ich werde noch mehr faule Tage haben.“

„Auch gut. Ich spiel’ das blöde Golf sowieso nur deinetwegen.“

„Da ist was dran“, dachte Irene schmunzelnd, denn obwohl Sandra sonst die eindeutig talentiertere Sportlerin war, war ihr Golfspiel eher bescheiden zu nennen.

Am Vormittag war es trüb, doch ihren Mittagsimbiss konnten sie wieder auf der Terrasse einnehmen, von der aus man einen schönen Blick auf den Golfplatz und die umliegenden Hügeln hatte.

Der Salat mit Scampi und gebratenen Frühlingspilzen wurde von Frau Martens persönlich serviert, die sich auch eingehend nach Irenes Befinden erkundigte.

„Danke, geht schon wieder. Ich habe immer noch das Golf-Car, das man mir gestern netterweise zur Verfügung gestellt hat. Aber ich kann das kleine Stück bis zum Zimmer auch schon wieder gehen. Ich lasse Ihnen gleich den Schlüssel da.“

„Ach, das hat Zeit“, meinte Frau Martens. „Der Graf ist ohnehin in Wien.“

„Der Graf? Meinen Sie, dieser medizinische Gärtner, der mir gestern zu Hilfe gekommen ist, das war Graf Nestelbach?“

„Ich dachte, Sie kennen ihn.“

„Da hätten wir aber auch gleich draufkommen können“, rief Sandra: „Genau, wie Sie ihn uns kürzlich beschrieben haben: Aufgeblasen, eingebildet und gefühlskalt.“

„Ach, so übel is’ er gar nicht“, meinte Frau Martens lächelnd, „und wenn er jemanden mag, kann er sogar richtig nett sein.“

„Und was macht er in Wien?“, wollte Irene wissen.

„Ihn Wien hat er sein Büro. Sein Vater hat ihm ja nicht nur diesen Golfplatz hier vererbt, die übrigen Immobilien sind fast alle in Wien.“

„Manche haben eben mehr Glück als Manieren“, konstatierte Sandra, wofür Irene ihr einen tadelnden Blick zuwarf.

„Jeder zahlt irgendwie für das, was er vom Leben bekommt“, seufzte Frau Martens. „Das war beim Chef auch nicht anders. Nach dem plötzlichen Herztod seines Vaters, das ist jetzt ziemlich genau drei Jahre her, hat er nicht nur den Golfplatz und die Mietshäuser geerbt, sondern auch einen Stiefbruder und eine Stiefschwester. Die beiden könnten seine Kinder sein.“

„Wie das denn?“, wollte Irene wissen.

„Des hab’n wir uns damals auch g’fragt. Wissen’s, der Herr Graf, also der Senior, das war so ein feiner Mann. Also wirklich, alle Achtung. Immer liebenswert, immer verantwortungsvoll, sehr distinguiert, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

Doch, das verstand Irene, und weil sie Frau Martens Erzählung nicht unterbrechen wollten, nickte sie nur.

„Also, am Anfang, da haben wir das ja alle gar nicht glauben können – und die Frau Gräfin natürlich erst recht nicht. Die Ärmste! Später hat sich herausgestellt, dass der Graf, also der Senior, ein richtiges Doppelleben geführt hat. Stellen Sie sich vor, der hatte in Wien noch eine Frau. Eine Malerin, und mit der hatte er zwei Kinder. Also der Bub, der muss jetzt so sechzehn oder siebzehn sein. Das Mäderl wird im Herbst eingeschult und die Mutter, diese Malerin, soll ja noch keine Vierzig gewesen sein, als der Senior gestorben ist. Mein Mann hat gleich g’sagt, das war die Doppelbelastung!“

Darüber musste Frau Martens jetzt selbst lachen und ging davon, um sich eine Tasse Kaffee zu holen. Dann setzte sie sich ganz einfach wieder zu ihnen und erzählte weiter: „Eines muss man dem jungen Grafen aber zugutehalten. Trotz dieser ganzen Misere, die sein Vater ihm da hinterlassen hatte, hat er sofort seine Ordination verkauft, er hatte ja eine gut gehende Zahnarztpraxis, und sich um das Erbe gekümmert.“

„Ist ja wahrscheinlich auch angenehmer, als den ganzen Tag in anderer Leute Zähne herumzustochern“, meinte Sandra. „Vielleicht hielt er es für seine Pflicht“, überlegte Irene.

„Na sicher, und ich bin der Weihnachtsmann!“, warf Sandra ein, was ihr ein Stirnrunzeln von Irene eintrug.

„Tragisch war’s schon“, fuhr Frau Martens fort. „Aber so wortkarg wie jetzt ist er erst, seit seine Frau, die Katrin, ihn verlassen hat. Eine fesche Person! Aber, na ja, er hat sich ja keine Zeit für sie genommen. Immer nur Arbeit. Hier bei uns, in Wien drin, na und dann seine Mutter! Die war ja total desperat!“

*

Auch in den nächsten Tagen war an Golf nicht zu denken. Irene versuchte sich so gut es ging mit Büchern abzulenken, doch wie immer, wenn sie nicht vollbeschäftigt war, kam die Erinnerung an Jochen zurück.

Solange sie zu tun hatte und in Gesellschaft war, ging es ihr gut. Deshalb versuchte sie ihre Tage auch so vollzupacken, dass keine Zeit blieb, um an Dinge zu denken, die schmerzten. Doch in diesen Tagen kamen all die Fragen wieder hoch, die sie sich nun schon so lange stellte. Woran war ihre Beziehung gescheitert? Wie würde es weitergehen?

Sie konnte sich nicht vorstellen, noch einmal einem Mann so zu vertrauen, wie sie Jochen vertraut hatte. Warum nur hatte sie gezögert mit ihm zu gehen, als er nach London ziehen wollte? Das war doch sonst nicht ihre Art.

Er war alleine nach London gegangen und hatte eine Andere kennen gelernt. Eine Dutzend-Geschichte.

Sandra war ihr Rettungsanker gewesen. Stets heiter, manchmal vielleicht etwas oberflächlich, aber immer eifrig bemüht, Irene zu beschäftigen und auf andere Gedanken zu bringen.

*

Irene steckte gerade den letzten Bissen ihres steirischen Kürbisschnitzels in den Mund, als Theo Nestelbach das Restaurant betrat. Ein angenehmes Gefühl durchströmte sie, doch er wandte sich nur kurz an Frau Martens und ging wieder. Schade, dachte Irene und schüttelte gleichzeitig den Kopf über sich. Als sie nach dem Essen noch ein Glas Wein tranken, kam er zurück und steuerte seinen Stammtisch an. Doch dann änderte er seine Absicht und kam an ihren Tisch.

„Einen schönen Abend. Darf ich mich nach Ihrem Befinden erkundigen?“

„Sie dürfen, Graf“, näselte Sandra, das Wort Graf betonend. Irene antwortete rasch: „Danke, es geht uns gut.“

Er wandte sich an Sandra und sagte mit nahezu sanfter Stimme:

„Adelsprädikate wurden in Österreich schon vor Jahrzehnten abgeschafft. Mein Name ist Theodor Nestelbach, notfalls auch Dr. Theodor Nestelbach, wenn Sie diese förmliche Anrede vorziehen.“

„Oh, ich halte wenig von Förmlichkeiten, aber hier spricht man von Ihnen doch nur als ‚der Graf‘.“

„Meine Freunde nennen mich Theo“, erwiderte er.

„Tun sie das?“, schnappte Sandra.

„Ja, das tun sie.“

Irene war Sandras Reaktion ebenso unerklärlich wie unangenehm.

„Wollen Sie sich ein wenig zu uns zu setzen“, lud sie ihn ein, nur um Sandras schnippische Art gutzumachen.

„Aber gerne“, entgegnete er und saß bereits, ehe Sandra den Mund auftun konnte.

„Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Woche.“

„Oh ja. Dank Ihrer Salbe kann ich seit gestern wieder Golf spielen.“

Sie sprachen ein wenig über die Schwierigkeiten und Schönheiten des Platzes, verglichen ihn mit anderen Plätzen, sprachen über Golf im Allgemeinen und ihre Golferlebnisse im Besonderen. Was Golfer eben so redeten. Nebenbei verzehrte er sein Abendessen, das er sich ganz selbstverständlich an ihren Tisch hatte bringen lassen. Irene ahnte, dass Sandra diesen Themen wenig abgewinnen konnte und nutzte eine kleine Gesprächspause zur Frage: „Und womit beschäftigen Sie sich, wenn Sie gerade nicht Golf spielen?“

„Da belästige ich unsere Gäste“, entgegnete er mit einem Blick auf Sandra und fuhr weiter fort: „Darf ich die Damen noch auf ein Abschiedsglaserl einladen?“. Ohne ihre Antwort abzuwarten, deutete er dem Kellner, er möge noch eine Runde bringen.

*

Am nächsten Tag klagte Irene über Kopfschmerzen und überließ Sandra das Steuer.

„Du hattest ja auch nach dem letzten noch ein allerletztes Glas Wein trinken müssen.“

„Gut, dass ich wenigstens das Allerallerletzte abgelehnt habe. Hast du es schon sehr eilig, zu deinem Günther zu kommen, oder können wir noch ein bisserl bummeln?“

„Nicht allzu eilig. Ich treffe ihn erst am Abend.“

„Dann lass uns noch durchs Land fahren und einen kleinen Spaziergang machen.“

Sie fuhren Richtung Stubenberg-See und machten einen ordentlichen Waldspaziergang. Als sie danach bei einem ebenso ordentlichen Käsebrot saßen, sagte Irene beiläufig: „War aber sehr nett, gestern Abend, und meine Kopfschmerzen sind auch schon fast weg.“

„Außerdem hat dir der Abend möglicherweise einen neuen Mandanten eingebracht.“

„Ach, bis dahin ist es noch weit. Aber die Akte über diesen Kündigungsprozess würde ich wirklich gerne ansehen. Ich kann nicht verstehen, warum der Kollege …“

„Bitte, keine Details. Mir schwirrt der Kopf noch von gestern.“

Irene schmunzelte. Sie hatte beim Abschiedsglaserl erzählt, dass sie Anwältin war und sich mit Wohnrechtsangelegenheiten beschäftigte. Das hatte Theo Nestelbach sehr interessiert, weil er, wie er sagte, mit seinem jetzigen Rechtsvertreter nicht ganz zufrieden war.

Wieder daheim

Als Irene am Samstagabend allein vor dem Fernseher saß, ertappte sie sich dabei, Sandra um ihre Verabredung mit Günther zu beneiden. Nach den unbeschwerten Tagen fiel ihr das Alleinsein nun umso schwerer und sie sehnte sich – einmal mehr – nach Zweisamkeit.

Sie hatte bereits ihren Koffer ausgepackt und sogar die Waschmaschine gefüllt und in Betrieb gesetzt. Üblicherweise überließ sie diese Dinge lieber ihrer Haushälterin – ein Luxus, den sie nicht missen wollte.

Auch bei ihren Eltern hatte sie sich zurückgemeldet und für morgen zum Mittagessen einladen lassen. Davor würde sie noch auf ein, zwei Stunden in der Kanzlei vorbeischauen, aber im Moment gab es einfach nichts zu tun, außer noch ein wenig zu faulenzen.

Als sie Hunger verspürte, holte sie sich im Sushi-Laden ums Eck eine große Portion Sushi, nahm sich ein Glas Wein, ein Buch und machte es sich auf der Couch gemütlich. Kaum hatte sie an ihrer Lektüre Gefallen gefunden, klingelte das Telefon.

„Ich hoffe, ich störe Sie nicht. Aber ich wollte mich doch erkundigen, ob Sie gut angekommen sind“, meldete sich Theo Nestelbach. „Ich hatte gehofft, Sie beim Frühstück noch einmal zu sehen, aber ich war wohl spät dran.“

„Sie stören nicht. Wir sind gut angekommen und wir sind gegen zehn abgefahren, also hatten Sie vermutlich ein ziemlich spätes Frühstück.“

Das gab er lachend zu.

Sie erzählte von der Heimfahrt, er von einem Gewitter mit Hagelschlag, das am späten Nachmittag über dem Stadler-Gut niedergegangen war, und die Gäste eines Promi-Turnieres über den Platz gescheucht hatte. Als er sich dann höflich verabschiedete, sagte Irene: „Ich habe mich über Ihren Anruf sehr gefreut“, und legte lächelnd auf.

Sandra hätte jetzt bestimmt gesagt: „Du machst ihn nur noch eingebildeter.“ Aber so eingebildet fand sie ihn gar nicht. Er schien ihr auch nicht der Tyrann zu sein, den Frau Martens anfangs beschrieben hatte. Obwohl deren Erzählungen Irene nicht wirklich schlau gemacht hatten. Einmal erzählte sie von ihm als unzugänglichen Chef und Ehemann mit wenig Einfühlungsvermögen. Dann wieder beschrieb sie ihn als pflichtbewussten Sohn und umsichtigen Erben, der auch ein Auge auf seine Stiefgeschwister hatte. Sie meinte, man müsse zugeben, dass es das Schicksal – bei allen Vergünstigungen – nicht immer nur gut mit ihm gemeint hatte.

Anfangs erschien das Irene als ein Gegensatz. Aber vielleicht hatte Frau Martens ja recht. Sie wusste so wenig von ihm. Er war hilfsbereit gewesen, als ihr das Missgeschick mit dem Mauseloch passiert war, aber schließlich war er der Gastgeber. Ein wenig zugeknöpft war er ja, aber auch ein charmanter Gesellschafter. Das meiste, das sie von ihm wusste, beruhte auf der Einschätzung von Frau Martens, der sie allerdings ein gutes Urteilsvermögen zubilligte.

Der Roman, der Irene eben noch ganz gut gefallen hatte, interessierte sie nun nicht mehr. Sie nahm einen Schluck Wein, legte das Buch zur Seite und gestattete sich ausnahmsweise ein paar nette Tagträume.

*

Die neue Woche begann trüb und regnerisch. Irene war es egal, sie hatte zu arbeiten. Erst als sie sich abends eine Kleinigkeit zu essen machte und sich vor dem Fernseher niederließ, fielen ihr die vergangene Woche und Graf Nestelbach wieder ein. Mal sehen, ob er sich wirklich meldete, um den besprochenen Kündigungsfall mit ihr zu besprechen. Und wenn – würde er sie zum Essen einladen oder nur in ihre Kanzlei kommen? Sollte sie ihn vielleicht bekochen? Erst mal abwarten, ob er sich überhaupt meldete.

Am Mittwoch erhielt sie ein großes Kuvert mit seinem Absender und öffnete es erwartungsvoll. Sie entnahm ein Konvolut von Klagsaufträgen, Klagebeantwortungen und die Urteile der Instanzen. Darauf war ein Zettel geheftet:

Wie vereinbart – zur Durchsicht.

In Eile – Ihr Theo Nestelbach.

Sie nahm das Kuvert mit nach Hause und besah es sich nach dem Abendessen. Die Klagsführung des Kollegen schien ihr korrekt, das Urteil der Instanz fragwürdig – aber was sollte man machen. Einen weiteren Instanzenzug gab es in diesem Falle nicht.

Sie dachte zwei Tage darüber nach, dann schrieb sie:

Unterlagen in Nachtarbeit gesichtet.

Kein Fehler erkennbar.

In Eile – Irene Mahler.

Damit war die Sache erledigt. Schade eigentlich, aber was sollte sie machen?

*

„Was gibt’s Neues aus der gräflichen Verwaltung?“, fragte Sandra. Irene berichtete von ihrem knappen Briefwechsel, während sie ihren Wagen durch den samstäglichen Einkaufsverkehr lenkte.

„Und das ist alles? Also dümmer hätte man die Sache wirklich nicht mehr anstellen können.“

„Warum regst du dich auf, du findest ihn doch sowieso schrecklich.“

„Ja, schon, aber zu dir passt er.“

„Danke vielmals.“

„Verstehe mich nicht falsch“, lachte Sandra, „er mag ein wenig gestelzt daherreden und er besitzt eine ordentliche Portion Arroganz, aber er ist gebildet und durchaus herzeigbar. Alles Dinge, auf die es dir doch ankommt.“

Als Irene nicht gleich antwortete, weil sie gerade nach einem Parkplatz Ausschau hielt, fuhr Sandra fort: „Außerdem wird es Zeit, dass du wieder einen Mann findest. Du arbeitest zu viel, du grübelst zu viel und du lachst zu wenig.“

„Ich bin ja auch nicht bei Papa angestellt“, gab Irene spitz zurück.

„Jetzt sei nicht so biestig. Ich weiß ja, dass du viel tüchtiger bist als ich, sagt Papa auch immer. Deshalb bin ich ja auch so schrecklich stolz darauf, deine Freundin zu sein!“

„Dumme Pute!“, gab Irene lachend zurück.

* * *

Theo Nestelbach hatte einen schwarzen Tag gehabt, einen rabenschwarzen. Nicht nur, dass sein Verwalter ihm mitgeteilt hatte, ein großer Teil der Waldbestände hätte infolge der Trockenheit des Vorjahres argen Schaden genommen und musste nun neu aufgeforstet werden, er hatte auch noch die Endabrechnung über den Umbau der Wellness-Abteilung am Stadler-Gut erhalten. Die tatsächlichen Kosten des Umbaus hatten die Kostenvoranschläge um mehr als ein Viertel überstiegen.

Wahrscheinlich hätte er nicht allen Wünschen nachkommen sollen. Aber sowohl die Ideen seiner Angestellten, als auch die seiner Freundin Pamela, schienen ihm durchaus vernünftig. Als gelernte Kosmetikerin musste Pamela es eigentlich wissen – sollte man zumindest annehmen.

Eine weitere Hiobs-Botschaft kam von Yvonne, der Mutter seiner Stiefgeschwister. Sie hatte ihm mitgeteilt, dass Max, sein Stiefbruder, ein Jahr vor der Matura, Schule total ätzend fand und beschlossen hatte, sich in Zukunft von dieser fernzuhalten. Anscheinend hatte er das in den letzten Wochen schon ausprobiert.

Theo ahnte bereits, dass die Angelegenheit für Yvonne mit diesem Telefonat erledigt sein würde. Sie hatte ihn verständigt, nun würde sie sich hinsetzen, weitermalen, ihrem Sohn eine reizende Mitbewohnerin sein und abwarten, was Theo tat.

Dumm nur, dass er auch nicht wusste, was er tun sollte.

Für heute hatte er jedenfalls genug. Es war noch nicht spät, gerade mal sechs, also wählte er Pamelas Nummer:

„Hallo meine Schönste, wie wär’s mit uns zwei?“

„Meinst du heute oder generell?“

„Fürs erste einmal heute Abend.“

„Und was schlägst du vor?“

„Erst eine ziemlich gediegene Vernissage, danach vielleicht ein paar Scampi und ein Glas Champagner?“

„Tja, bei Scampi und Champagner werde ich meine Spare-Ribs-Verabredung leider aufgeben müssen.“

Theo bezweifelte, dass sie eine solche gehabt hatte, aber das behielt er für sich. Sie verabredeten sich für halb acht. Er fuhr heim, duschte, tauschte den grauen Anzug gegen einen hellen, wählte mit sicherem Griff ein blitzblaues Hemd und eine passende Krawatte. Im letzten Moment steckte er auch noch ein Stecktuch ein, besah sich im Spiegelbild und war zufrieden.

Pamela ließ ihn, wie üblich, ein wenig warten, was ihn mehr amüsierte, als es ihn ärgerte, weil er ahnte, dass sie es für eine äußerst raffinierte Taktik hielt.

Pamela war deutlich jünger als er und verdankte ihren Namen vermutlich einer Fernsehserie. Was soll’s? Sie sah gut aus und war bei Weitem nicht so dumm, wie Frau Martens vermutete. Wenn er auch zugeben musste, dass sie nicht immer die Gesprächspartnerin war, die er sich gewünscht hätte.

Alte Freunde

Um 21 Uhr klappte Irene den Aktendeckel zu.

„Also für heute reicht’s. Sandra wird auch schon auf dich warten.“

Irene hatte eine mehr als dreistündige Besprechung mit Günther hinter sich, der sie erstmals konsultiert hatte. Eben wählte er Sandras Nummer.

„Hallo Schatz. Wir sind jetzt fertig. Wo bist du?“

Er hörte eine Weile zu und sagte dann zu Irene: „Ich soll dich fragen, ob du Hunger hast“

„Das kann man so sagen! Sie wird doch nicht gekocht haben?“

Günther lachte. „Gott bewahre. Sandra ist noch auf einer Vernissage und schlägt vor, dass wir uns im Da capo treffen.“

„Da bekommen wir jetzt weder einen Tisch noch einen Parkplatz.“

„Tisch hat sie schon und das kurze Stück können wir mit dem Taxi fahren.“

„Mir soll’s recht sein. Dann weiß ich wenigstens, was ich essen werde. Antipasti-Teller mit einer doppelten Portion Knoblauchbrot.“

„Dazu Prosecco aus dem Krug.“

„Das weißt du?“ wunderte sich Irene, zog den Lippenstift nach, fuhr mit der Bürste kurz durchs Haar und war schon startbereit.

„Schon fertig?“, lobte Günther. „Sandra hätte mindestens eine halbe Stunde gebraucht.“

„Dafür sähe sie jetzt aus wie aus dem Journal. Ich hingegen …“ Irene seufzte.

„… wie aus dem Büro“, ergänzte Günther „daher kommst du ja schließlich auch.“

Wenige Minuten später betraten sie das Lokal. Es war wie immer ziemlich voll. Sandra war noch nicht da, doch ein Tisch für sechs Personen war unter ihrem Namen reserviert.

„Aha“, meinte Günther und schien nur mäßig erstaunt. „Wen bringt sie denn jetzt wieder mit?“

Schon im nächsten Moment trat Sandra ein, hinter ihr eine junge, bestens gestylte City-Maus und Theo, Graf Nestelbach, persönlich.

Irene wurde im gleichen Moment von einigen – durchaus widersprüchlichen – Gefühlen erfasst. Einerseits freute sie sich, Theo zu sehen, über die City-Maus freute sie sich allerdings etwas weniger.

Gegenseitiges Bekanntmachen hob an und Sandra erzählte, dass sie Theo und Pamela auf der Vernissage getroffen hatte.

„Da musste ich die beiden doch mitbringen.“

Darüber konnte sich Irene nur wundern. Nachdem der Prosecco serviert worden war, prostete man einander zu und Sandra, die heute besonders in Fahrt zu sein schien, meinte, dass es doch viel gemütlicher wäre, wenn man per Du sei.

Irene fand das etwas übertriebene Eile, sie suchte sich ihre Du-Freunde gerne selber aus. Sandra wusste das doch!

*

Als sie am darauffolgenden Samstag über den Golfplatz marschierten und Irene sie darauf ansprach, sagte Sandra:

„Du bist überheblich, meine Gute.“

„Bin ich nicht. Aber mit jedermann muss ich ja wirklich nicht per Du sein.“

„War doch ein netter Abend“, beschwichtigte Sandra.

„Wenn du das sagst. Seit wann bist du ein Fan von Theo Nestelbach?“

„Ach, ich weiß nicht. Auf der Vernissage war’s so öd, da habe ich mich wirklich gefreut, ihn zu treffen.“

„Übrigens“, sagte Irene zwischen zwei Schlägen „für das Stehgreif-Theater brauchen wir sechs Karten.“

Sandra war es am Donnerstagabend noch gelungen, die versammelte Tischrunde zu einem Besuch beim „Tschauner“ zu überreden.

Irene hatte ja für diese Art der Unterhaltung weniger übrig, aber einmal im Jahr blieb es ihr ohnehin nicht erspart, denn Sandra war nun mal ein Tschauner-Fan. Jedenfalls hatte Irene nicht vor, auch diesmal das fünfte Rad am Wagen zu sein.

„Wer soll denn noch mitkommen?“, fragte Sandra.

„Markus.“

„Was Besseres ist dir nicht eingefallen?“

„Was hast du gegen ihn? Er ist ein prima Freund und ein hervorragender Kinderarzt.“

„Und so fesch!“, stöhnte Sandra.

„Es kann ja nicht jeder groß und schlank sein. Außerdem hat er Zeit, ich habe schon mit ihm gesprochen.“

„Klar hat er Zeit. Markus hat immer Zeit, wenn du anrufst. Schade, dass er keine Zeit gehabt hat, als du Jochen geheiratet hast.“

„Da war er beschäftigt, als mein Trauzeuge.“

„Das war übrigens eine Gemeinheit von dir! Wo er dich doch schon liebt, seit er zehn ist.“

„Quatsch.“

„Tu nicht so, als wüsstest du das nicht.“

„Wie auch immer: Markus kommt mit!“

* * *

Sandra sah dem Tschauner-Abend mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. Wahrscheinlich hatte ihr Vater doch recht, wenn er gelegentlich darauf hinwies, dass es manchmal vorteilhaft sein könnte, zuerst zu denken und erst dann zu reden. Jedenfalls waren ihr die Fehler dieser Inszenierung in der Zwischenzeit aufgefallen. Einerseits hätte sie bedenken sollen, dass die Einladung natürlich auch Pamela umfassen musste. Andererseits sah sie bereits Theos herablassenden Blick vor sich, Tschauner war wohl nicht ganz sein Stil. Erstaunlich, dass er überhaupt zugesagt hatte.

Wenigstens würde man Pamela mit diesem Kulturbeitrag nicht überfordern, dachte Sandra kurz, und gleich darauf: „Jetzt bin ich schon genauso überheblich wie Irene. So doof ist die Kleine gar nicht!“

Trotzdem passte sie Sandra überhaupt nicht in den Kram – und zu Theo passte sie auch nicht. Schließlich wäre der ein so passender Kandidat für Irene. Hinkünftig würde sie es geschickter anstellen müssen.

* * *

Anders als Sandra freute sich Markus auf den Tschauner-Abend. Nicht so sehr, weil er ein Freund der Alt-Wiener Stegreifbühne war, vielmehr freute er sich darauf, Irene zu treffen, wenn er auch wusste, dass sie nie so für ihn empfinden würde, wie er für sie. Dennoch, sie war seine älteste Freundin, denn ihre Freundschaft bestand seit jenen Tagen im Gymnasium, als außer Irene kein Mensch mit ihm gesprochen hatte. Dass er klein und etwas pummelig war, hätte sicher schon genügt, sein Kärntner Dialekt, den er bis heute nicht ganz abgelegt hatte, hatte ein Übriges getan. Irene und er waren Klassenbeste gewesen, doch während dies Irene noch mehr Freunde eintrug, war es bei ihm scheinbar nur ein Grund mehr, ihn zu hänseln.

Irene hänselte ihn nicht. Der Wettstreit um die Position des Klassenprimus machte ihnen Freude und verband sie mehr, als er sie trennte, das blieb so bis zur Matura.

Auf der Maturareise hatte er ihr dann seine Liebe gestanden. Das hätte er lieber bleiben lassen, denn Irene hatte ihm klar und deutlich gesagt, dass sie ihn als Freund schätze, nicht mehr, aber auch nicht weniger. So war es geblieben.

Das Studium hatte dann jeden in eine andere Richtung geführt, dennoch war der Kontakt nie abgerissen. Als er ihren Trauzeugen spielen musste, hatte er bemerkt, dass er sie immer noch liebte. Er war ganz sicher, dass sie mit ihm glücklicher geworden wäre, aber das hatte er ihr nie gesagt.

Stattdessen freute er sich, sie gelegentlich zu treffen, mit ihr zu reden und mit ihr zu lachen.

Irgendwo hatte er einmal gelesen, dass der der richtige Partner fürs Leben sei, mit dem man auch herzlich lachen kann. So gesehen, wären sie ein ideales Paar.

Probleme

Aber es sind doch nur zwei Tage“, argumentierte Sandra.

„Ich weiß, Liebling, aber es geht wirklich nicht. Außerdem habe ich am Donnerstag einen Gerichtstermin. Ein andermal, bestimmt.“

Als Günther das Telefongespräch beendet hatte, sah er gedankenverloren aus dem Fenster. Er wäre gerne mit Sandra nach London geflogen, aber er hatte wirklich alle Hände voll zu tun, um das Schlimmste zu verhindern. Dazu hatte er sich allzu weit aus dem Fenster gelehnt. Wer würde im Fall einer Insolvenz für ihn da sein?

Seine Mutter sicher nicht. Die traf er nur noch auf den Gängen des Gerichtes.

Begonnen hatte alles mit dem Streit um seinen Erbteil, der ihm an seinem 25. Geburtstag auszufolgen war. Die Hälfte aller Immobilienwerte hätte er bekommen sollen, so wollte es das Testament seines Vaters. Er hatte vermutet, dass die ihm überschriebenen Objekte deutlich weniger repräsentierten. Es kam zum Streit, er brachte die Klage ein.

Seither waren Jahre vergangen, teils hatte er recht behalten, teils auch nicht, jedenfalls hatte ihm die Sache schon eine ordentliche Stange Geld gekostet.

Geld, das er nun notwendig gebraucht hätte.

Der einzige Mensch, auf den er sich je hatte verlassen können, war seine Großmutter gewesen. Aber die konnte ihm nicht mehr helfen. Ganz im Gegenteil zahlte er monatlich eine Stange Geld für das Pflegeheim, in dem er sie untergebracht hatte. Diese Kosten könnte seine Mutter übernehmen, Geld genug hatte sie ja. Aber sollte er hingehen und sagen: Zahl du für Oma, ich bin pleite. Nun, so weit war es noch nicht -und so weit durfte es auch nicht kommen.

Würde Sandra zu ihm halten? Wohl kaum. Sie war eine hübsche, warmherzige, aber auch verwöhnte Frau. Und was wäre mit seinem sogenannten Freundeskreis?

Er rechnete seit Tagen wie ein Besessener herum. Wo konnte er noch einsparen? Wie zu Geld kommen? Schon vor Monaten hatte er angeordnet, dass ein Teil der notwendigen Sanierungsarbeiten in seinen Häusern vorerst auf Eis gelegt wurde. Da er einen Teil der Wohnungen bereits verkauft hat, war es deshalb auch schon zu einigen unerfreulichen Auftritten gekommen. Bis jetzt hatten ihn seine gute Rhetorik und sein treuherziger Blick noch immer weitergeholfen. Langsam sah er die Notwendigkeit ein, auch privat einzusparen.

Er hätte ja nichts dagegen gehabt, anstatt mit seinem Porsche mit einem Golf zu fahren. Aber wie sollte er den Umstieg erklären?

Bestimmt war es auch nicht notwendig, in einer fünf Zimmer- Wohnung zu wohnen, zumal er selten genug da war, denn Sandras hübsches Zwei-Zimmer-Appartement war groß genug für sie beide. Wie aber Sandra erklären, dass er bei ihr einzog?

Grübelnd saß er an seinem Schreibtisch und malte Männchen auf seine Unterlage.

* * *

Theo hatte sich vorgenommen, mit Max ein Gespräch von Mann zu Mann zu führen. Dazu war er mit ihm in einen Biergarten gegangen. Sie hatten beide Bier bestellt und eine Zigarette geraucht. Nachdem solchermaßen das Einvernehmen hergestellt war, versuchte er, sich dem Thema Schule zu nähern. Doch Max wollte vom Lernen nichts mehr wissen. Theo spürte Wut in sich aufsteigen, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen.

„Na gut“, sagte er nach einer geraumen Weile, „dann also arbeiten.“

Max schien sich nicht ganz sicher, aber er nickte.

„Da du nichts gelernt hast, als Hilfsarbeiter, das ist dir doch klar.“

„Du meinst am Bau oder so?“, fragte Max ungläubig.

„Ich dachte eher an das Stadler-Gut.“

„Ich dachte eher an EDV. Ich bin echt gut am Computer.“

„Vermutlich. Aber das seid ihr doch alle.“

„Ich kann auch Websites machen.“

„Tatsächlich? Andere werden dazu erst Webdesigner. Ich habe gerade einen mit der Überarbeitung unserer Homepage beauftragt. Wenn du willst, kannst du dir in einigen Tagen die Entwürfe ansehen.“

„Genau, das mach ich!“

„Nach Feierabend.“

„Das heißt, ich soll 40 Stunden unter deiner Fuchtel schuften und abends noch deine Website aufmotzen?“

„Das mit der Website muss nicht sein und wenn du lieber doch nicht arbeiten willst, kein Problem, dann gehst du eben zur Schule. Ich nehme an, du musst das Jahr wiederholen, weil du es nicht mehr positiv abschließen kannst.“

„Weil ich es nicht abschließen will!“

„Egal. Entweder du sitzt morgen wieder auf der Schulbank oder du kommst am Freitag mit mir aufs Gut, dann kannst du am Samstag schon mit deinem neuen Job beginnen.“

„Wieso denn am Samstag.“

„Warum denn nicht am Samstag?“

Da sich Max am nächsten Tag nicht in der Schule eingefunden hatte, teilte Theo Yvonne mit, sie möge dafür Sorge tragen, dass Max seine Koffer packt oder dies selbst tun, da er ihn am Freitag aufs Gut bringen würde.

„Aber warum denn in die Steiermark?“

„Weil wir in Wien keinen Golfplatz besitzen. Oder hast du eine bessere Idee?“

„Aber Max ist an so harte Arbeit nicht gewöhnt. Es wird ihm überhaupt keine Freude machen.“

„Vermutlich nicht, ich dachte ja auch, er soll im Herbst wieder zur Schule gehen.“ Seine Stimme verriet eine gewisse Ungeduld, er hörte es selbst.

Doch als er am Freitag erschien, um Max abzuholen, waren dessen Koffer tatsächlich gepackt.

Theo vermutete, dass Oma Brand einmal mehr zugepackt hatte.

Ohne Yvonnes Mutter, Aurelia, lief im Hause Brand nämlich gar nichts, so viel hatte er schon mitbekommen. Offenbar hatte das auch sein Vater erkannt und dafür gesorgt, dass Yvonne und die Kinder eine so große Wohnung hatten, dass auch Yvonnes Mutter darin Platz fand.

So hatte er jedenfalls die Zweitfamilie nach dem unerwarteten Tod seines Vaters vorgefunden. Sie hatten die Wohnung in der Pramergasse und eine monatliche Apanage. Die Mietrechte waren ordnungsgemäß abgesichert und Yvonne hatte geerbt. Zwei Zinshäuser. Zu seinem Erstaunen legte sie deren Verwaltung in seine Hände. Unschuldig fragte sie ihn, ob er der Meinung sei, dass der monatliche Ertrag ausreichen würde, um die notwendigen Kosten der Lebensführung zu decken. Das, hatte er geantwortet, hinge von der Art ihrer Lebensführung ab. „Ach“, hatte Yvonne geantwortet: „Wir brauchen nicht viel, und ein bisschen verdiene ich ja auch mit meinen Bildern.“

Das hielt er zwar für eine gewisse Übertreibung, dennoch musste er zugeben, dass sie im Grunde nicht unbescheiden war. Da er davon ausging, dass sie mit Geld nicht umgehen könne, überwies er monatlich weiterhin jenen Betrag, den auch sein Vater bezahlt hatte. Restliche Erträge, so sie sich ergaben, legte er auf ein Konto zu ihren Gunsten. Sie hatte noch nie danach gefragt.

Anfangs erhielt sie die Abrechnungen der Hausverwaltung, doch sie hatte diese angewiesen, alle Schriftstücke an ihn zu senden. Als er davon erfuhr, war er nicht einmal mehr erstaunt gewesen.

*

Widerwillig und ohne seine Familie, die winkend am Fenster stand, noch eines Blickes zu würdigen, war Max in den Mercedes gestiegen und auch während der Fahrt hatte er kaum ein Wort gesprochen.

Theo besaß ein hübsches Zwei-Zimmer-Appartement am Stadler-Gut, hatte aber nicht die geringste Lust, dieses mit Max zu teilen. Da die wenigen Personalzimmer belegt waren, hatte er veranlasst, dass man für Max eines der kleineren Fremdenzimmer vorbereitete. Das Zimmer war hübsch eingerichtet und verfügte über Bad, WC und Balkon.

„Wohnen alle eure Arbeiter so?“, fragte Max kämpferisch.

Theo atmete tief durch und zuckte die Schultern.

„Ich brauche keine Sonderbehandlung.“

Theo zog die Augenbrauen hoch und wartete.

„Wenn ich schon zur Zwangsarbeit verurteilt bin, möchte ich genauso wohnen wie andere Arbeiter auch.“

„Das wird leider nicht möglich sein.“

„Warum?“

„Weil unsere Arbeiter aus der Region kommen und daheim bei

ihren Familien wohnen.“

Theo hatte das so leidenschaftslos wie nur möglich gesagt, dann ging er. An der Tür drehte er sich noch einmal um: „Um neunzehn Uhr zum Abendessen – im Clubhaus.“

Er hatte ursprünglich vorgehabt, Max gleich nach ihrer Ankunft die Anlage zu zeigen und ihn überall einzuführen. Aber der war ihm auf der Fahrt dermaßen auf den Geist gegangen, dass er es vorzog, vorerst allein zu sein.

Gott sei Dank hatte er Pamela dieses Wochenende zu Hause gelassen. Die Vorstellung, Max und Pam am Hals zu haben, war denn doch zu viel gewesen. Dafür durfte sie nächste Woche mit ihm zum Tschauner gehen.

Seiner Mutter musste er auch noch verklickern, dass er Max am Gut untergebracht hatte. Sie verdrängte die Existenz seiner Stiefgeschwister immer noch.

Später. Jetzt wollte er nur noch duschen und auf seiner kleinen Terrasse einen Gin-Tonic schlürfen.

*

Max kam einige Minuten später als vereinbart und trug ein unförmiges schwarzes Shirt und eine jener Jeans mit ausgewaschenen Flecken und Löchern. Theo fand sein Outfit einfach nur hässlich, machte aber keine Bemerkung. Er hatte nicht vor, den Babysitter zu spielen. Max sollte arbeiten, hart arbeiten, um möglichst bald einzusehen, dass an der Schule kein Weg vorbeiführte. Je schneller er das begriff, umso eher konnte er nach Wien zurückkehren und den Rest der Ferien genießen. Es war jetzt Anfang Juni – Theo rechnete damit, dass es in spätestens vier Wochen so weit sein würde. Bis dahin – nun, er würde mit Frau Martens reden, sollte sie ein Auge auf ihn haben.

Stegreif und andere Possen

Wenn Irene wochentags zum Friseur ging, dann hatte sie eine wichtige Verabredung. Am Tag des Tschauner-Besuchs ging sie zum Friseur.

Tagelang hatte sie überlegt, was sie anziehen sollte, und sich letztlich für schwarze Jeans, ein schwarzes Shirt und ein pinkfarbiges Leder-Blouson entschieden. Dazu trug sie pinkfarbene Plastikklips und – der Clou – schwarze Schuhe mit pinkfarbener Schnalle, die sie vor zwei Jahren in Italien erstanden hatte. Alles in allem fand sie ihr Outfit nicht schlecht.

Auch Markus sah ganz passabel aus. Schade, dass er einen halben Kopf kleiner war als sie. Ein wenig mollig war er auch und sein Profil war nicht gerade klassisch zu nennen.

Sie trafen Sandra und Günther beim Eingang und erfuhren, dass Theo und Pamela sich verspäten würden.

„Hoffentlich kommt sie dann noch mit“, spöttelte Irene.

Den erste Teil des Stückes fand sie minder lustig und war froh, dass man sich in der Pause auf einen G’spritzten traf. Die Nachzügler waren auch schon eingetroffen. Pam trug diesmal hautenge Jeans, unten etwas ausgefranst, dazu ein Glitzershirt und darüber eine durchsichtige Bluse. Sie sah gut darin aus, allerdings würde sie vermutlich frieren. Recht so, dachte Irene bissig.

Den zweiten Teil fand Irene dann doch recht lustig – vielleicht hätte sie auch schon vor dem ersten Teil ein Glas Wein trinken sollen.

Günther hatte für danach in einem nahen Gasthof einen Tisch bestellt. Die eher deftige Kost passte ganz gut zum eben gesehenen Stück und da alle hungrig waren, war es ihnen recht. Nur Pam konnte sich nicht entscheiden und wählte nach einigem Hin und Her einen Salatteller.

Zicke, dachte Irene.

Sandra schien sich prächtig unterhalten zu haben und war wieder einmal besonders gut drauf. Sie erzählte auch allen gleich warum. „Endlich konnte ich Günther dazu überreden, seine Wohnung aufzugeben und bei mir einzuziehen.“

Günther lächelte sein charmantes Lächeln, prostete Sandra zu und meinte: „Eine Übergangslösung, aber wenn wir ein Haus bauen wollen, brauche ich als Startkapital das Geld aus der Wohnung. Sandra wollte ja um keinen Preis der Welt bei mir einziehen.“

Irene war perplex. So ernst war es also.

* * *

Über das Thema Hausbau kamen sie zum Thema Umbau und Theo erzählte von den auf dem Stadler-Gut vorgenommenen Umbauten und von den explodierenden Kosten. Dann kam er – wie, wusste er nicht genau – auf Max zu sprechen und erzählte auch noch, dass er diesen gerade zum Arbeitseinsatz verdonnert hatte.

Er war selbst erstaunt, dass er darüber sprach, aber weil ihm alle so interessiert zuhörten, redete er weiter, erzählte dass Max nicht mehr zur Schule wollte und keine Gelegenheit ausließ, um Streit zu suchen.

„Er sucht Streit, weil er das Gespräch mit Ihnen sucht, und natürlich sucht er auch die Konfrontation. Er will sich doch an Ihnen messen.“

Alle sahen auf Markus, der etwas errötete, aber dennoch fortfuhr: „Entschuldigen Sie, wenn ich das sage, aber wenn ich das richtig verstanden habe, hat er doch sonst keine männliche Bezugsperson.“

„Sie meinen, weibliche Gesellschaft zählt nicht?“, versuchte Theo einen Scherz daraus zu machen.

„In diesem Fall leider nicht.“

„Na hör mal“, fielen Irene und Sandra fast im Chor über ihn her. Irene setzte sich durch: „Was sind denn das für Macho-Töne?“

Markus lächelte pflichtschuldigst.

„Sorry, meine Liebe. Aber Frauen gibt es in seiner Familie ja ausreichend. Es fehlt das männliche Element im Hause. Der Vater – oder eben eine andere Bezugsperson. Hat seine Mutter, seit dem Tod Ihres Vaters, denn nicht wieder …?“ Der Satz blieb in der Luft hängen und Theo zuckte die Schulter. „Ich glaube nicht, aber so genau weiß ich das nicht. Die Mutter liegt mir nicht besonders am Herzen.“

Als Theo anschließend Pam nach Hause brachte und dabei eher wortkarg war, fragte sie: „Was machen wir am Wochenende?“

„Weiß ich noch nicht.“

„Heute ist Mittwoch, wann gedenkst du es zu wissen?“

„Keine Ahnung. Aber sobald ich es weiß, werde ich dich anrufen.“

„Kann aber sein, dass ich dann schon vergeben bin“, antwortete Pam ziemlich spitz.

„Damit werde ich dann eben leben müssen.“

„Sag, was willst du eigentlich von mir?“, zischte sie ihn an.

„Keinesfalls Streit und Probleme, davon habe ich bereits ausreichend.“

Theo wusste tatsächlich noch nicht, was er am Wochenende tun sollte. Er hatte vorgehabt, wie immer aufs Gut zu fahren. Diesmal wollte er Pam ja auch mitnehmen. Aber die Worte dieses Kinderarztes, den Irene im Schlepptau hatte, hatten ihn auf unerklärliche Weise betroffen gemacht. Sie hatten das Thema dann nicht mehr weiterverfolgt, aber er hätte gerne mit jemandem darüber gesprochen, vielleicht sogar mit Pamela, aber jetzt war das Klima verdorben und wahrscheinlich war sie ohnehin die falsche Gesprächspartnerin.

Als er in seine Wohnung kam, machte er sich noch einen Schlummertrunk zurecht und legte eine Schallplatte auf. Er setzte sich in seinen Lieblingsfauteuil und ließ den Tag Revue passieren.

Was für eine Verantwortung hatte er für seinen Stiefbruder? Juristisch gesehen gar keine. Max hatte ja eine Mutter. Und was für eine – dachte er im gleichen Atemzug.

Yvonne war nur wenige Jahre jünger als Theo, dennoch legte sie jegliche Verantwortung in seine Hände. Solange es sich um vermögensrechtliche Dinge handelte, mochte das ja noch angehen. Aber wie kam sie eigentlich dazu, auch sonst immer mehr Verantwortung an ihn abzugeben? Und warum nahm er sie wahr?

Warum hatte er sich um Paulas Einschulung gekümmert?

Warum zum Teufel hatte er Max auf das Gut gebracht?

Jetzt hatte er Verantwortung, spätestens jetzt.

Das war eine völlig neue Sicht der Dinge. Wer hatte ihm das bloß eingeredet? Ach ja, der kleine Ex-Kollege. Seltsam, wie rasch er sich in die Vermögensverwaltung eingearbeitet hatte und wie weit seine Arztpraxis zurückzuliegen schien. Vermutlich hätte er doch Betriebswirtschaft studieren sollen, da hatte sein Vater wohl recht gehabt. Wenn sie damals nicht diesen vollkommen unsinnigen Streit gehabt hätten, hätte er auch Betriebswirtschaft studiert und nicht so viele Jahre mit dem Plombieren kariöser Zähne zugebracht. War also Vater schuld gewesen an seiner trotzigen Entscheidung, Medizin zu studieren?

Wenn aber sein Vater seine Entscheidung dermaßen beeinflusst hatte, welchen Einfluss hatte dann er auf Max’ weiteren Lebensweg? Er würde gerne über solche Dinge sprechen. Mit seinem Freund Hans vielleicht oder mit diesem Markus. Ob Irene und er ein Paar waren?

Wochenende

Am darauffolgenden Wochenende begann Günther mit dem Packen seiner Sachen. Jetzt, da ihm diese wundervolle Ausrede mit dem Hausbau eingefallen war, wollte er keine Zeit verlieren. Schon in eineinhalb Wochen sollte die Spedition kommen, um seine persönlichen Sachen in Sandras Wohnung zu bringen. Seine Möbel musste er vorerst in dem derzeit leerstehenden Haus seiner Großmutter unterbringen. Das Haus war zwar eher ein Häuschen, aber es gab da einen großen Schuppen und der war erstaunlich trocken und für die Lagerung seiner teuren Möbel durchaus geeignet. Er hätte die Möbel gerne verkauft, er konnte schließlich jeden Euro gebrauchen. Aber Sandra hatte gesagt, wenn sie erst ihr neues Haus hätten, dann könnten sie die Möbel gut brauchen. Seit er von Hausbau gesprochen hatte, durchforstete sie alle einschlägigen Zeitungen auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück. Gott sei Dank war bisher noch nichts Richtiges dabei gewesen.

Abends waren sie bei Sandras Eltern zum Abendessen eingeladen. Im Grunde mochte Günther diese Abende, es waren wenige Stunden, in denen er das Gefühl hatte, Teil einer Familie zu sein.

* * *

Irene leistete sich am Samstagmorgen noch einen Friseurbesuch und stattete anschließend ihrer Lieblings-Boutique einen Besuch ab. Da sie danach nichts weiter vorhatte, fuhr sie in ihre Kanzlei, Arbeit gab es schließlich immer.

Außerdem hatte sie unter der Woche geschludert und musste sich noch auf eine schwierige Verhandlung vorbereiten.

Sie las den Akt nochmals aufmerksam durch, aber der Inhalt war ihr bereits hinlänglich bekannt, also begann sie, passende Judikate zu suchen. Das Thema war spannend und der Nachmittag verging wie im Fluge. Aber jetzt war es Zeit zu gehen, denn sie war am Abend bei ihrer Sekretärin, Frau Zimmer, eingeladen.

Frau Zimmer war nicht nur eine hervorragende Sekretärin, sondern auch eine begnadete Köchin. Irene sah auf die Uhr. Schon fünf Uhr – sie musste noch nach Hause, duschen, umziehen, sich schönmachen, schließlich wusste sie nicht, ob sie der einzige Gast war. Sie hatte da so ihre Vermutungen, denn Frau Zimmer sprach in letzter Zeit auffallend oft von ihrem jüngeren Bruder. Junggeselle, Anfang Vierzig.

* * *

Theo hatte vorgehabt, wie üblich am Freitag aufs Gut zu fahren. Er nutzte das Wochenende regelmäßig, um auf dem Gut nach dem Rechten zu sehen, seine Mutter zu besuchen und die eine oder andere Runde Golf zu spielen. Manchmal nahm er auch Geschäftspartner oder Freunde mit.

Aber diesmal hatte er eine Menge Arbeit im Büro und außerdem den Termin mit seinem Hausverwalter so angesetzt, dass es sich am Freitagabend nicht mehr lohnte hinauszufahren.

Für Samstagmorgen hatte sein Freund Hans ihn zu einer Partie Tennis überredet. Danach hatte er zwei Bier getrunken, da konnte er wieder nicht fahren, außerdem lud Hans ihn ein, zum Abendessen zu kommen. Natürlich musste er zusagen.

Hans, als Philosoph, hatte immer eine Menge zu erzählen und Ilse, seine Frau, hatte Theo immer schon gut gefallen. Schade, dass sie mit Hans verheiratet war.

Zwischen Theo und Ilse herrschte ein Einverständnis, wie es zwischen angeheirateten Freunden nur selten vorkam. Bei Ilse hatte er Rat gesucht, als er – viel zu spät – bemerkt hatte, dass seine Ehe gescheitert war. Doch da hatte auch Ilse ihm nicht helfen können. Erstens weil es ohnehin schon viel zu spät war und zweitens, weil Ilse für seine Exfrau Katrin noch nie etwas übriggehabt hatte.

Ilse war eine Frau von überlegenem Verstand. Sie war die beste Freundin, die man haben konnte, wenn es einem gelang, ihre Freundschaft zu gewinnen. Wenn nicht, war es schwierig, denn Ironie war ihr Lebenselixier. Dabei war sie nicht bösartig, aber sie liebte Wortgefechte.

Theo machte es Vergnügen, sich mit ihr zu duellieren – Ilse wusste das. Außerdem war sie von schonungsloser Ehrlichkeit. Vor Kurzem erst hatte sie zu ihm gesagt: Theo, du magst doch intelligente Frauen. Warum suchst du dir immer so Dummerchen aus?

Hans hatte Katrin ganz gern gemocht, obwohl sie so gar nicht in sein Weltbild passte. Katrin war ein Luxusgeschöpf, eine aussterbende Spezies. Kultiviert, gebildet, aber ohne einen Funken Interesse an irgendeiner Tätigkeit, die auf etwas anderes abzielte als Schönheit, gesellschaftliches Ansehen und Vergnügen.

Jedenfalls verbrachte Theo auch diesmal einen sehr angeregten Abend mit den beiden und machte sich zu Fuß auf den Heimweg.

*

Gibt es Schicksal, überlegte Theo, während er am nächsten Morgen in den Spiegel blickte. Zufall? Ist Zufall wirklich nur das, was einem eben zufällt, weil man so und nicht anders handelt? Eine philosophische Frage. Er sollte sie gelegentlich mit Hans diskutieren.

Welchen Anteil hatte Theo an der zufälligen Begegnung gestern Abend? Gut, er hätte ebenso gut mit dem Taxi fahren können. Und Irene? Sie hatte die Einladung ihrer Sekretärin angenommen, aber das hatte wohl kaum damit zu tun, dass sie genau in der Sekunde aus deren Haus trat, als er, etwas weinselig, an diesem Haus vorbeimarschiert war. Tja, so etwas passiert. Er hatte eben versucht, doch noch ein Taxi aufzuhalten, denn es hatte zu regnen begonnen, vermutlich war genau deshalb keines zu bekommen gewesen. So war er doppelt erfreut gewesen, als er Irene – mit dem Autoschlüssel in der Hand – sah.

Sie schien sich auch gefreut zu haben, und natürlich bot sie an, ihn heimzubringen. Mit dem Auto war es nur noch ein Katzensprung gewesen.

Sie erzählten kurz von ihren Abendbesuchen, schon waren sie da. „Ich würde dich gerne noch mit hinaufbitten …“, hatte er gesagt und sie darauf: „Und warum tust du’s nicht?“

Sie hatte das vermutlich nur gesagt, weil es sich so anbot – oder wollte sie …? Vielleicht hätte sie gerne noch ein Runde geplaudert, wer weiß das schon? Hätte er sie einladen sollen? Stattdessen hatte er gesagt: „Ich wollte sagen: Aber ich muss morgen früh raus. Ich fahre nämlich aufs Gut. Willst du mitkommen?“

„Um Golf zu spielen?“, hatte sie gefragt.

„Wenn das deine Bedingung ist.“

„Bedingung? Was für ein hässliches Wort. Ich fände es … schön.“

„Dann müssen wir aber wirklich zeitig losfahren. Ich habe einiges zu erledigen. Sieben Uhr Abfahrt. Frühstück unterwegs?“

Irene hatte einen verstohlenen Blick auf die Uhr geworfen: „Schon halb eins. Könnten wir uns – eventuell – auf sieben Uhr dreißig vergleichen?“

„Ausnahmsweise. Wo darf ich dich abholen?“

„Kollergasse 17“, hatte sie gesagt und war losgefahren. Dabei war er gar nicht sicher gewesen, ob er überhaupt aufs Gut fahren wollte.

Die würden sich wundern, wenn er diesmal Irene mitbrachte. Immerhin würde Pam es kaum erfahren, sie hatte nicht viele Freunde auf dem Gut. Frau Martens hatte nicht gerade die Werbetrommel für sie geschlagen. Beschwingt verließ Theo das Haus, fuhr mit dem Taxi zu seinem Auto und traf fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit bei Irene ein. Er machte sich auf eine längere Wartezeit gefasst und hatte vorsorglich eine Zeitung mitgebracht. Doch zu seiner Überraschung erschien Irene zwei Minuten später im Haustor. Sie war sportlich gekleidet, wirkte aber dennoch elegant. Er stieg aus, um sie zu begrüßen und ihr die Wagentüre zu öffnen. Als er losfuhr, sagte Irene: „Übrigens ist mir heute Morgen klargeworden, dass ich kein Golfzeug bei mir habe, das steht im Club.“

„Wir haben natürlich ein Leih-Set.“

„Darauf habe ich gehofft. Außerdem ist so ein Leih-Set die beste Ausrede der Welt, wenn’s mit dem Spiel nicht klappen sollte.“

„Brauchst du denn eine Ausrede?“

„Brauchen wir die nicht alle?“

Theo lächelte, sagte aber nichts.

„Was hast du für ein Handicap?“, fragte Irene.

„Darauf gibt es für den weltgewandten Golfer nur eine Antwort …“

„Ich kenne sie: Vierzehn Schläger.“

„Wollte ich eigentlich gar nicht sagen.“

„Sondern?“

„Schon vergessen“, entgegnete er. Unerhört – wie konnte sie ihn mitten im Wort unterbrechen? Doch nach wenigen Minuten nahm er den Gesprächsfaden wieder auf. „Wo wollen wir frühstücken?“

„Was hast du dir denn vorgestellt?“

„Also, wenn es dir nicht zu lange dauert, am liebsten auf dem Gut. In einer Stunde sind war da.“

„Ich kann warten, aber bitte: nicht fliegen.“

Theo blickte auf den Tacho, der zeigte gerade 160 km/h.

„Angst?“

Irene schüttelte den Kopf: „Vernunft.“

*

Als sie losgefahren waren, war der Himmel strahlend blau gewesen, doch je näher sie ihrem Ziel kamen, umso düsterer wurde es, und als sie ankamen, begann es zu tröpfeln. Fürs Erste war das nicht weiter schlimm. Man bereitete ihnen ein umfangreiches Frühstück und sie genossen es bei friedlichem Geplauder.

Als sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Wetter zuwandten, regnete es immer noch. Theo sah auf die Uhr. Es war knapp nach zehn. „Wenn du willst, können wir zu Fuß zu meiner Mutter gehen. Durch den Wald geht man eine knappe Stunde. Um 11 Uhr würde sie uns sicher schon zu einem Aperitif empfangen.“

„Digestif wäre nach diesem Frühstück angemessener, ist aber vermutlich um diese Uhrzeit unfein.“

„Ich fürchte, das sieht meine Mutter auch so.“

Familiäre Verhältnisse

Irene erkannte es sofort. Theos Mutter wohnte nicht, sie residierte.

Das Haus – es handelte sich um ein ehemaliges Jagdschloss – lag sehr idyllisch hinter einem stilvollen Einfahrtstor aus Schmiedeeisen, von dem aus eine leicht gebogene Pappelallee zum Schloss führte. War es nun ein Schloss, ein Haus oder eine Villa? Und was genau war der Unterschied, fragte sich Irene.

Für Theos Mutter jedenfalls war es ein Schloss, das war Irene spätestens in dem Moment klar, als sie ihr die Hand reichte.

Theos Mutter bekam auch nicht einfach Besuch, sie empfing Gäste. Gräfin Nestelbach hatte nicht nur Würde, sie hatte auch ein Hausmädchen das Sherry und Gebäck servierte. Dabei wurde ein unverfängliches Gespräch aufrechterhalten. Irene beobachtete Theo, der sich ganz mühelos in diese Umgebung einfügte und dachte: „Hier bist du also aufgewachsen, kein Wunder, dass du ein wenig anders tickst.“

Dennoch genoss sie die knappe Stunde, denn selbstverständlich verabschiedete man sich zeitgerecht, da die gnädige Frau Mittagsgäste erwartete.

„Kommen viele Gäste?“ fragte Irene auf dem Heimweg.

„Ach, gar nicht. Ihr alter Hausfreund, unser pensionierter Gemeindearzt. Kommt jeden Sonntag, Punkt halb eins, geht wieder um drei. Danach kannst du die Uhr stellen.“

„Und du kommst um elf, damit du eine knappe Stunde später wieder verschwinden kannst.“

„Kluges Mädchen.“

„Ich bin kein Mädchen!“

„Aber doch klug!“

Darauf ging sie nicht ein. „Und was macht deine Mutter, wenn sie keine Gäste empfängt?“

„Frag mich nicht, aber sie ist ständig unterwegs. Leider mit dem Auto.“

„Was sind denn das für Macho-Sprüche?“

Wider seine sonstigen Gewohnheiten kicherte Theo.

„Du müsstest sie fahren sehen. Aber zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt, früher fuhr sie besser. Ich schwöre, das hat nichts damit zu tun, dass ich Frauen am Steuer nicht schätzen würde.“

„Nur nicht schwören, schließlich sind wir nicht im Gerichtssaal.“

Mit solcherlei Geplänkel kamen sie gut gelaunt wieder aufs Gut. Der Regen hatte aufgehört, es war bewölkt und nicht allzu warm, somit bestand kein Grund, die Golfrunde weiter zu verschieben.

Auf den ersten zwei Holes waren beide ziemlich schweigsam, jeder auf sein Spiel konzentriert. Irene sah bald, dass Theo ihr bei weitem überlegen war. Kein Wunder, schließlich war er hier groß geworden.

Am dritten Loch setzte Irene ihren Ball ins Wasser. Ausgerechnet heute. Ihr Spiel war nicht besonders spektakulär, dazu fehlte es ihren Schlägen an Weite, aber sie war üblicher Weise eine beständige Spielerin, der selten ein Ball ins Rough oder ins Wasser abbog.

Als sie am vierten Abschlag warten mussten, meinte Theo lächelnd: „Worum spielen wir denn eigentlich? Also wenn ich hier schon vier Stunden im Kreis trabe, muss es dafür doch auch eine Belohnung geben.“

„Belohnung? Gehst du davon aus, dass du gewinnst?“

„Selbstverständlich.“

Sie einigte sich darauf, um ein Abendessen zu spielen und marschierten weiter.

Am siebenten Loch trafen sie seinen Bruder Max beim Rechen des Bunkers.

„Wie lange hast du noch Dienst?“, fragte Theo.

„Nur noch bis vier.“

„Gut, dann erwarten wir dich um sechs zum Abendessen!“

Keine Frage, dachte Irene, ein Befehl.

*

Max erschien tatsächlich. Seine Jeans saß ziemlich gewagt auf der Hüfte und er hatte reichlich Gel in der Frisur.

„Chic“, murmelte Theo und es war nicht zu überhören, dass er das Gegenteil meinte, dann widmeten sich alle dem Studium der Speisekarte.

Irene hatte sich zwar schon längst für Putenfilet in der Erdäpfelkruste mit Erdäpfel-Gurkensalat entschieden, legte die Speisekarte aber nicht aus der Hand, sondern wartete, dass einer ihrer männlichen Begleiter die Gesprächsrunde eröffnete. Die Situation war ihr etwas unangenehm, sicher würde die Stimmung zwischen den so ungleichen Brüdern gespannt sein. Doch dann kam Frau Martens an den Tisch, um persönlich die Bestellungen aufzunehmen. Sie kommentierte diese natürlich auch, riet Irene lieber zu Blattsalat mit Kernöl und empfahl Max, nicht schon wieder Spaghetti zu essen, wo es doch heute einen so köstlichen Erdäpfelstrudel mit Schwammerlsauce gäbe. Erstaunlicher Weise nahm er diese Empfehlung an. Theo wählte Schweinsfilet mit Pilzen.

Kaum hatte Frau Martens die Bestellung an die Küche weitergeleitet, gesellte sie sich wieder zu ihnen.

„Ham’s scho g’hört Herr Doktor: Der Staller hat gestern beim Turnier ein hole in one geschlagen.“

Als Theo verneinte, wandte sie sich an Max: „Hast’s no net erzählt?“

„Noch nicht dazu gekommen“, murmelte Max.

„Na das war vielleicht ein Hallo, nachher auf der Terrasse. Hat ihm a Menge Geld gekostet. Über 80 Teilnehmer und jedem musste er ein Glaserl Sekt spendieren. Wo er doch sonst so sparsam is!“ Frau Martens gab sich keine Mühe ihre Schadenfreude zu verbergen.

„Wird ihn schon nicht umbringen, den alten Geizkragen“, meinte auch Theo. „Außerdem kann man sich dagegen ja versichern lassen.“

„Wirklich?“ fragte Max erstmals interessiert.

„Die Versicherung kann ich mir schenken“, meinte Irene.

„Nur nicht so bescheiden“, sagte Theo galant, musste aber gleich noch mit einem ironischen Lächeln hinzusetzen: „Wenn wir unserer Teiche zuschütten, hast du alle Chancen.“ Irene hatte im Laufe des Spieles noch drei weitere Bälle im Wasser versenkt. Ausgerechnet heute!

Als sie sich endlich verabschiedeten war es schon nach acht Uhr und da der Verkehr noch dicht war, setze Theo Irene erst gegen zehn daheim ab. Sie hatte lange überlegt, ob sie ihn noch auf einen Kaffee einladen sollte, sich dann aber dagegen entschieden, denn sie war hundemüde und das nächste Treffen ja ohnehin besiegelt. Natürlich hatte sie die Partie verloren, daher war es an ihr, Theo zum Abendessen einzuladen. Er hatte auf der Heimfahrt schon nachgefragt, wann und wo sie ihre Spielschulden einzulösen gedachte. Ohne Terminkalender, hatte sie gesagt, könne sie sich nicht festlegen. In Wahrheit wusste sie nur nicht, ob sie für ihn kochen sollte oder ihn besser ins Restaurant einlud. Für heute verabschiedete er sich jedenfalls sehr stilvoll – mit Handkuss.

Irene schlief an diesem Abend noch lange nicht ein. Der Tag mit Theo war wunderschön gewesen, sie konnten miteinander reden und miteinander lachen. Für Irene war beides wichtig, es könnte ein Fundament sein. Aber wofür? Was wollte sie auf diesem Fundament aufbauen? Freundschaft? Liebe? Oder gar eine neue Partnerschaft?

Natürlich gingen ihre Gedanken wieder einmal viel zu weit. Sie wusste ja nicht einmal, ob er mehr für sie empfand als Sympathie.

Dennoch hatte sie, zum ersten Mal seit der Trennung von Jochen, nicht das Bedürfnis, über ihre Gefühle, Hoffnungen und Zweifel mit Sandra zu sprechen. Die gehörten ihr ebenso allein wie das angenehme Gefühl, das sie empfand, wenn sie nur seinen Namen hörte. Hatte sie nicht vor wenigen Wochen noch um ihre zerbrochene Beziehung zu Jochen getrauert?

Jochen war in jeder Beziehung ihr erster Mann gewesen und das Scheitern ihrer Ehe hatte sie gehörig aus dem Gleichgewicht gebracht. Konnte sie ihm nun – endlich – sein neues Glück gönnen?

Bisher hatte sie sich nicht vorstellen können, wieder eine ernsthafte Beziehung einzugehen. Ruhelos wälzte sie sich im Bett hin und her und erst als der Morgen dämmerte, schlief sie ein.

* * *

Sandra quittierte Irenes dürftige Erzählungen mit einem „Hört, hört“, war aber im Übrigen mit Günthers Übersiedlung beschäftigt. Für Sandra lief das Leben im Moment gerade so, wie es ihrer Meinung nach sein musste. Sie hatte einen Job, den sie gerne machte und der sie, dank Paps, nicht über die Maßen strapazierte. So blieb ihr ausreichend Zeit für die schönen Dinge des Lebens.

Sie hatte viele Stunden damit verbracht zu überlegen, welche von Günthers Möbel sie integrieren konnten und welche in den Schuppen mussten. Es war ihr wichtig, dass er nicht den Eindruck hatte, er wohne zur Untermiete.

Doch um für seine Sachen Platz zu machen, musste ein Teil ihrer Möbel verschwinden. Günther war dabei keine allzu große Hilfe gewesen. Offenbar hatte er Stress in der Firma und seit sie im gesagt hatte, dass er kein Gefühl für ein gemütliches Heim besaß, ließ er sie ohnehin werkeln, wie es ihr passte.

Dennoch war sie verliebt wie ein Teenager, sie gab es ja zu.

„Ausgerechnet du?“, hatte Irene sie geneckt und zu ihrem eigenen Erstaunen hatte sie geantwortet: „Ja. Dabei kann ich dir nicht genau sagen warum. Sicher, Günther sieht gut aus, aber meine bisherigen Begleiter waren auch nicht hässlich gewesen. Er ist charmant und erfolgreich, aber ich habe mich schließlich nie mit Nieten abgegeben.“

„Nein, ganz im Gegenteil, das hattest du schließlich auch nicht nötig als hübsche Tochter aus reichem Haus.“

„Ja, ja, ich weiß. Du warst immer der Meinung, ich sei die Prinzessin auf der Erbse. Wahrscheinlich hattest du sogar recht. Aber diesmal ist es anders – das musst du zugeben. Wir werden ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und ein Kind haben.“

„Bist du dir so sicher?“

„Ganz sicher!“

* * *

Günther wusste von Sandras Träumen – und er hätte sie gerne mitgeträumt, doch er sah keine Zukunft. Nicht für sich und schon gar nicht für sie beide. Noch genoss er die Zeit mit Sandra, noch genoss er das Gefühl, einmal – vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben – wirklich Familie zu haben.

Dennoch stellte er sich täglich die gleichen Fragen: Wie lange konnte er die Fassade noch aufrechterhalten? Wie lange noch den smarten Geschäftsmann spielen? Er hatte alles versucht, hatte notwendige Reparaturarbeiten in den Häusern hintangehalten, hatte zwei Dachbodenausbauten vorübergehend eingestellt und Kosten reduziert. Derzeit war er dabei, seine Wohnung zu verkaufen. Das ersparte ihm zwar die monatlichen Rückzahlungsraten, aber ein Gutteil des Kaufpreises gehörte der Bank. Manchmal, wenn Sandra abends in seinen Armen lag und er schon mehrere Gläser Wein getrunken hatte, gelang es ihm für wenige Augenblicke, ihren Traum mit zu träumen. Da war er wieder der strahlende Sieger. Sandra wollte Kinder. Eine Tochter zu haben, könnte er sich gut vorstellen. Sie wären eine Traumfamilie – leider würde es ein Traum bleiben.

Urlaub

Der Juli brachte unbeständiges Sommerwetter mit vielen Gewittern und unerträglicher Schwüle. Yvonne hasste solches Wetter. Sie brauchte Sonne, Wind und Meer. Früher war sie um diese Zeit mit ihrem geliebten Grafen an den Gardasee gefahren. Yvonne vermisste ihn immer noch. Ihn und diese kurzen Urlaubstage, die sie sich immer gestohlen hatten. Ihre Mutter war mit den Kindern immer ins Waldviertel gefahren, so dass die Tage am Gardasee immer nur ihnen gehört hatten. Später, im August, waren sie dann mit den Kindern nach Lignano oder Jesolo gefahren. Auch das vermisste sie.

Ob sie es diesmal alleine versuchen sollte? Aber Max arbeitete auf dem Gut. Sie hatte keine Ahnung wie lange noch. Außerdem war sie keine begeisterte Autofahrerin und allein die Vorstellung, sechs oder sieben Stunden hinter dem Lenkrad zu sitzen, war ihr zuwider.

Ihre Mutter war mit Paula wieder ins Waldviertel gefahren, nun saß sie alleine hier herum. Sie fühlte sich einsam und träge, ohne jeden Antrieb. Schon hatte sie überlegt, die beiden im Waldviertel zu besuchen, doch sie konnte den Stallgeruch nicht leiden, den es gelegentlich über den Hof wehte. Also verwarf sie diesen Plan.

Frank, ihr derzeitiger Lover, ließ sich auch kaum noch blicken und als er endlich auftauchte, war ihr Stimmungsbarometer auf dem Tiefpunkt.

Vielleicht ließ sie sich deshalb dazu überreden, einen Joint mit ihm zu rauchen. Das hob ihre Laune aber nur kurzfristig und als Frank wenig später erzählte, er würde für einige Wochen an die Côte d’Azur fahren, um eine Fotoserie zu machen, war sie wieder den Tränen nahe.

In Wien war schlechtes Wetter, was lag also näher, als ihn zu begleiten. Zumindest für ein paar Tage. Oma wurde telefonisch verständigt, zwei Tage später fuhren sie los.

* * *

Max erfuhr davon erst, als Yvonne schon in Nizza saß und vermutlich in der Abenddämmerung Pernod schlürfte.

Er schäumte. Wie kam dieser dahergelaufene Affe Frank dazu, mit seiner Mutter nach Frankreich zu fahren? Wenn Max daran dachte, dass dieser schmierige Typ seine Mutter auch nur anfasste, wurde ihm schon übel. Und dass er sie anfassen würde, war Max klar, schließlich war er kein Kind mehr und befasste sich selbst mit einschlägigen Themen, bislang allerdings ohne Erfolg.

„Welche Laus ist denn dir über die Leber gelaufen?“, fragte ihn Frau Martens nach dem Abendessen.

„Keine Laus, ein langhaariger, schmieriger Vollkoffer.“

Erstaunlicherweise schien Frau Martens mit der Antwort einigermaßen zufrieden zu sein, denn sie lächelte und fragte nicht weiter nach.

Je länger Max nachdachte, umso klarer wurde ihm, dass er seiner Mutter nachreisen musste. Dazu bräuchte er allerdings Zeit und Geld. Er würde mit Theo reden müssen, auch wenn ihm schon der Gedanke daran Sodbrennen verursachte.

Es hatte sich in der Zwischenzeit eingespielt, dass Theo ihn, meist freitags, zum Abendessen einlud. Max hatte schon überlegt, diese Verabredung einmal platzen zu lassen, doch diesmal musste er jedenfalls noch hingehen.

Als sie am Freitagabend an ihren Spare-Ribs knabberten, fragte Theo: „Was macht das Landleben?“

„So, so“, antwortete Max und überlegte krampfhaft, wie er Theo dazu bringen konnte, ihm Geld und Urlaub zu geben.

Er entschied sich für den Frontalangriff: „Ich brauche ein paar Tage Urlaub – und Geld.“

„Wie viel?“

„Geld?“

„Urlaub.“

„Weiß ich noch nicht. Also nicht genau. Ein paar Tage halt.“

„Und wie kommst du darauf? Urlaubsanspruch hat erst, wer mehr als sechs Monate gearbeitet hat. Soviel ich weiß, sind es bei dir noch keine sechs Wochen.“

„Es ist aber wichtig!“

„Das musst du mir schon etwas näher erklären.“

„Es ist aber privat.“

„Jetzt hör mir mal zu“, Theo legte das Essbesteck zur Seite. „Du willst von mir Geld und Urlaub. Beides steht dir noch nicht zu. Wenn du es dennoch haben willst, wirst du mir einen Hauch mehr erzählen müssen. Wohin soll die Reise gehen?“

„An die Côte d’Azur.“

„Wie vornehm. Und mit wem?“

„Alleine.“

„Sag, für wie deppert hältst du mich? Du willst Geld und Urlaub, um in einer privaten Angelegenheit allein an die Côte zu fahren?“

„So ist es aber.“

Eine Zeitlang beschäftigte sich Max wieder mit dem Abknabbern der Ribs, dann sagte er: „Meine Mutter ist dort.“

„Aha. Jetzt kommen wir der Sache schon näher.“

„Ich muss sie zurückholen.“

„Ist sie krank?“

„Nein.“ Er trank einen Schluck Bier. „Sie ist dort – mit ihrem Lover.“

„Dann lass ihr doch das Vergnügen.“

Max lutschte angelegentlich an seinen Ripperln. „Du würdest ihn auch nicht wollen. Wie der schon aussieht.“

„Das mag ja sein. Aber das ist noch lange kein Grund, an die französische Riviera zu gondeln und deiner Mutter den Urlaub zu versauen.“

„Ich muss dorthin.“

„Du musst gar nichts. Außer hier zu arbeiten, wie vereinbart. Geld für die ersten vier Wochen kannst du natürlich haben. Frau Martens wird es dir morgen auszahlen.“

Mist!

Wettschulden

Theo fuhr am Sonntag früher als sonst nach Wien, da Irene ihre Spielschulden einlösen und für ihn kochen wollte. Seine Gedanken pendelten zwischen den Tagen auf dem Gut und dem vor ihm liegenden Abendessen hin und her.

Gestern hatte er mit Stammgästen des Hauses eine Runde Golf gespielt und dabei immer wieder an Irene denken müssen. Hier hatte sie ins Wasser geschlagen, da ein Par gespielt und dort den entscheidenden Putt verschoben. Dabei machte er sich gar nicht so viel aus Golf. Na schön, hie und da mal eine Runde zu spielen konnte, bei gutem Wetter, ganz nett sein. Gestern aber war es schwül gewesen, ständig waren sie von Gewitterwolken umgeben, die sich abends dann auch entluden. Doch da waren sie Gott sei Dank schon im Clubhaus.

Max hatte er nicht mehr gesprochen, dafür aber Frau Martens angewiesen, ihm den Lohn für seine bisherige Arbeit auszuzahlen. Bis heute Vormittag hatte Max das Geld noch nicht abgeholt. Komischer Vogel. Und warum regte er sich so darüber auf, dass seine Mutter verreist war? War das normal? Na gut, Max mochte den Typen nicht.

Theo hatte vorgehabt, Max so rasch wie möglich wieder nach Hause zu schicken – schon um die Verantwortung wieder los zu werden. Doch Max schien es gar nicht eilig zu haben und nun, da seine Mutter verreist war, fühlte Theo sich verantwortlicher denn je.

Wenigstens schien die Beauty-Farm langsam anzulaufen, auch ohne Pams fachlichen Rat. Das immerhin war eine positive Nachricht. Er hatte nämlich nicht vor, der Dame hinterherzulaufen. Nach ihrem unerquicklichen Abschied, damals, nach dem Tschauner, hatte er einige Tage gegrollt, dann aber doch einen Blumenstrauß geschickt. Groß und geschmackvoll, aber keine rote Rose darunter. Pam hatte sich dennoch nicht gemeldet, nicht einmal bedankt. Nun, er würde den Liebesentzug verkraften. Spielend sogar.

Bei der Gelegenheit fiel ihm ein, er hatte noch gar kein Gastgeschenk für Irene. Blumen? Konnten nie schaden und eine Flasche Champagner sollte er wohl noch daheim haben.

* * *

Irene hatte gekocht. Einfach raffiniert – raffiniert einfach. Die Gerichte sollten Theo beeindrucken, aber nicht den Eindruck hinterlassen, sie hätte sich weiß Gott was angetan. Außerdem war sie zu früher Morgenstunde schon mit Markus Golfen gewesen. Dabei spielte Markus kein Golf, aber er hatte nichts dagegen, früh aufzustehen und in der frischen Luft spazieren zu gehen.

Nun war alles bereit. Der Prosecco eingekühlt, der Tisch auf der Loggia gedeckt. Nur sie selbst stand unschlüssig vor dem Kleiderschrank. Langes schwarzes Jerseykleid? Zu sinnlich.

Weiße Hosen mit Shirt? Zu sportlich. Schließlich entschied sie sich für ein Sommerkleid in Türkis und Weiß. Dazu weiße Sandalen und weiße Clips. Zu ihrer leichten Bräune und dem hellen Haar – nicht schlecht. Oh Gott, die Fingernägel! Noch eine halbe Stunde, das sollte reichen – wenn der gnädige Herr nicht zu früh kam. Aber das würde man ihm auf seinem Schloss wohl beigebracht haben.

Als Theo fünf Minuten nach sieben Uhr läutete, waren Nägel und Lippen hellorange. Trotz des warmen Sommerabends trug er einen mittelgrauen Anzug aus leichtem Stoff, dazu ein rotes Seidenhemd mit passendem Stecktuch. Der weiß, was ihm steht, dachte Irene.

Er überreichte ihr einen bunten Blumenstrauß. Las sie da eine gewisse Bewunderung in seinem Blick? Ein vielversprechender Beginn, wäre da nicht diese leichte Befangenheit zwischen ihnen gewesen.

Das Gespräch quälte sich mühsam dahin. Theo erzählte vom Gut, allerdings nur das Unwichtige wie ihr schien, und sie war als Gastgeberin immer wieder beschäftigt, was dem Gesprächsfluss eher abträglich war.

Erst nach dem Hauptgang – es hatte Seeteufel auf Erbsenpüree und Limettensauce gegeben – fanden sie den vertrauten Ton wieder. Theo hatte schon die Vorspeise höflich gelobt – es hatte gratinierte Green Shells gegeben -, doch vom Hauptgang schien er wirklich begeistert zu sein und es stellte sich heraus, dass auch er gelegentlich ganz gerne den Kochlöffel schwang. Es war kühl und auch schon etwas dämmrig geworden, auch das empfand Irene als angenehm.

Theo erzählte ihr nun auch von Max’ Ansinnen auf Urlaub. Es käme ihm seltsam vor. Warum sollte sich ein 17-Jähriger aufregen, wenn seine Mutter auf Urlaub fuhr.

„Was vermutest du dahinter?“, fragte Irene.

„Ich vermute gar nichts. Es kommt mir nur seltsam vor.“

„Söhne neigen manchmal dazu, ihre Mütter zu vereinnahmen. Besonders dann, wenn die ohne Partner sind. Sie fühlen sich sehr schnell als Herr im Haus, das kann schon zu Problemen führen.“

„Sagt die Psychologin.“

„Sagt Markus.“

„Und in welchem Zusammenhang sagt Markus solche Sachen?“

„Markus sagt ständig solche Sachen. Du weißt ja, er ist Kinderarzt mit Leib und Seele, und er versucht immer auch die seelische Komponente zu berücksichtigen. Manchmal erzählt er mir den ein oder anderen Fall.“

„Ist Markus ein sehr guter Freund von dir?“

„O ja, wir kennen uns seit dem Gymnasiums.“

„Das beantwortet meine Frage nicht.“

„Du willst wissen, ob ich ein Verhältnis mit ihm habe.“

„Hast du?“

„Dann säße er jetzt hier.“

„So gesehen bin ich sehr froh, dass er es nicht tut.“

Es entstand eine winzig kleine Pause, bevor Irene fragte:

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739498706
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Mai)
Schlagworte
Familienroman Frauenunterhaltung unterhaltsamer Roman Humor Gesellschaftsroman

Autor

  • Brigitte Teufl-Heimhilcher (Autor:in)

Brigitte Teufl-Heimhilcher lebt in Wien, ist verheiratete und bezeichnet sich selbst als realistische Frohnatur. In ihren heiteren Gesellschaftsromanen setzt sie sich mit gesellschaftspolitisch relevanten Fragen auseinander. Sie verwebt dabei Fiktion und Wirklichkeit zu amüsanten Geschichten über das Leben - wie es ist, und wie es sein könnte.