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Bittersüss

Zoe & Romero

von Raven T. Winter (Autor:in)
208 Seiten

Zusammenfassung

Sie trifft ihn = Liebe Alles könnte so einfach sein, eine nette Lovestory, wie sie immer wieder vorkommt. Von Männern hat Zoe derzeit die Schnauze gestrichen voll. Nachdem sie sich gerade erst von ihrem Verlobten unschön getrennt hat, braucht sie einfach eine Auszeit. Doch dann lernt Zoe den geheimnisvollen, aber irgendwie auch charmanten Romero, in einem Club kennen, während sie mit ein paar Mädels ihren Uniabschluss feiert. Mit seinen Berührungen lässt er Zoe doch noch auf die heiße Leidenschaft hoffen, von der sie immer in Büchern gelesen hat. Schnell fühlt sich die junge Frau zu ihm hingezogen, doch ihr Instinkt rät ihr, sich von ihm und seiner dominanten Art fernzuhalten. Doch Romero macht es ihr schwerer und schwerer, ihm zu wiederstehen. Als dann aber Zoes Stiefvater und ihre Mutter auf die Bildfläche treten, die von der Lösung ihrer Verlobung partout nichts wissen wollen und ihre ganz eigenen Pläne für Zoe haben, sieht sie nur noch einen Ausweg: die Flucht nach vorn. »Ich allein bestimme über mein Leben. Keiner von euch hat das Recht, mich für sich zu beanspruchen!« »O meine Rose, du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich entkommen lasse. Du gehörst mir!« Dark Romance Roman mit eindeutigen Szenen und dunklen Themen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

Zoe

Verdammt, wie bin ich – ausgerechnet ich – bloß in diese Lage gekommen?

»Romero, nimm mir diese Fesseln ab und lass mich verfickt noch mal gehen!«

Ich verstehe die Welt nicht mehr. Während ich vor mich hin fluche, versuche ich die Fesseln, die mich auf der kalten, harten Liege halten, zu lösen. Meine Bemühungen führen allerdings nur dazu, dass sich die Stricke tiefer in meine Haut graben. Der Schmerz macht mich rasend vor Wut und erste Tränen laufen mir über das Gesicht.

Immer wieder kommen mir die gleichen Gedanken in den Sinn. Wieso bin ich hier? Warum bin ich gefesselt? Habe ich mich so sehr in ihm getäuscht? Verzweiflung über meine Situation breitet sich aus. Meine Stimme ist mittlerweile heiser, aber es rührt sich nichts, er kommt nicht. Ich muss mich beruhigen.

Tief durchatmend ringe ich um Fassung. Wenn ich mich weiter so in meinen Zorn steigere und nichts gegen die aktuelle Situation ausrichten kann, garantiere ich nicht mehr für seine Unversehrtheit, sobald ich ihn zu fassen bekomme. Und ich bin mir sicher, er wird zu mir kommen. Ich habe eine ähnliche Situation schon einmal trainiert, in natura ist so eine Begebenheit aber um vieles erschreckender. Romero wird mich nicht ernsthaft verletzen – hoffe ich zumindest.

Ich atme tief ein und aus und zähle dabei bis zehn, um mich wieder etwas zu beruhigen. Dabei rufe ich mir ins Gedächtnis, was mir bei meiner Ausbildung eingebläut wurde.

Vor Romero will ich keine Schwäche zeigen. Wahrscheinlich beobachtet er mich gerade, dieser miese Stalker. Ich liege hier wie auf dem Präsentierteller, was mich echt anpisst. Was hat mein Entführer nur mit mir vor?

Meine Wut ihm gegenüber beginnt langsam abzuflauen, stattdessen wird meine Neugierde geweckt. Warum ich und wozu? Ich beginne zu grübeln, etwas anderes kann ich ohnehin nicht tun – jedenfalls im Moment. Meine Beschäftigungsmöglichkeiten sind durch die Fixierung schließlich etwas eingeschränkt. Also lasse ich meine Gedanken zurückwandern, an einen Zeitpunkt vor gut drei Wochen. Es begann alles an einem schönen Sommerabend, ich befand mich gerade auf dem Weg zu meiner Mutter.

* * *

Die Uni war vorbei und ich hatte meinen Abschluss in Marketing in der Tasche. Jetzt hieß es nur noch, die gut acht Wochen zu überstehen, bis ich mein Praktikum in einer der renommiertesten Agenturen in New York beginnen konnte. Wieso bloß hatte ich mich von meiner Mutter dazu überreden lassen, diese freie Zeit ausgerechnet bei ihr zu verbringen? Wahrscheinlich, weil ich so eine brave Tochter war.

Deswegen befand ich mich gerade auf dem Weg zu ihr – und hoffte gleichzeitig, dass mein Stiefvater geschäftlich unterwegs war. Auf keinen Fall wollte ich mich seinen anzüglichen Blicken ausliefern müssen. Allein der Gedanke an ihn verursachte mir eine Gänsehaut. Bei den letzten Begegnungen zwischen uns hatten seine Blicke immer wieder auf mir geruht. Der Ausdruck in seinen Augen machte mich auch jetzt noch nervös. Dennoch, die Chancen standen gut, ihn nicht anzutreffen, da er als Senator viel unterwegs war.

In den letzten Jahren hatte seine unliebsame Aufmerksamkeit mir gegenüber eindeutig zugenommen, auch meine Verlobung hatte daran nichts ändern können. Zwar hatte ich versucht, mit meiner Mutter darüber zu reden, doch sie tat es nur mit einer erhobenen Augenbraue ab. Wir hatten nicht viele Gemeinsamkeiten, sofern es überhaupt welche gab. Meinen Vater konnte ich auch nicht einweihen und so meine Bedenken äußern, denn dann hätte ich sehr bald einige Personen auf meinem Gewissen. Das wiederum konnte ich nicht mit mir vereinbaren.

Meine euphorische Stimmung über den wahnsinnig guten Abschluss schwand mit jeder Meile, die mich näher zum Haus meiner Mutter brachte. Keines meiner Elternteile war bei der Abschlussfeier meines Studiums gewesen. Verbitterung machte sich bei diesen Gedanken in mir breit. Zumindest mein Paps hatte sich damals für mich stark gemacht, damit ich überhaupt meinen Traum, Marketing zu studieren, nachkam. Nicht so wie meine Mutter, die absolut dagegen gewesen war. Deren einziges Bestreben es war, mich unter die Haube zu bringen. Was mich gleich zu meinem nächsten nicht gerade freudigen Gedanken brachte. Ich würde meiner Mutter mitteilen müssen, dass ich mich von André, meinem Verlobten, getrennt hatte.

Diese Nachricht würde ihr mehr zu schaffen machen als mein Versuch, mit ihr über das ungebührliche Verhalten ihres Mannes zu sprechen. Ich konnte auf ein theatralisches Schauspiel ihrerseits gerne verzichten, doch ich fürchtete, dass mir nicht erspart blieb. Sie würde meine Beweggründe für den Bruch mit André ohnehin nicht verstehen. In den Augen meiner Mutter konnten mein Stiefvater und mein Ex-Verlobter nichts falsch machen. Die Einzige, die immer wieder gerügt werden musste, weil sie angeblich etwas unsachgemäßes fabrizierte, war ich. Trauer überfiel mich bei diesem Gedanken, weil ich nach all den Jahre noch immer keine Ahnung hatte, wie ich Nähe zu meiner Mutter aufbauen konnte oder auch nur einmal ihre Liebe und ihre Anerkennung bekam.

Ein gequälter Seufzer entkam mir. André hatte ich vor zwei Jahren kennengelernt, damals war er als mein Retter in der Not aufgetaucht. Ich war das Opfer eines Überfalls und er schlug den Täter in die Flucht. Als mein Vater Wind davon bekam, hatte ich sofort Privatunterricht in den Bereichen, Selbstverteidigung, Waffenkunde und Beschattung erhalten. Ich hatte Spaß daran und auch mein Selbstbewusstsein wurde durch diese Art Training gestärkt.

Während dieser Zeit freundete ich mich mit André an und eines führte zum anderen. Ein erfolgreicher junger Mann, der dich beschützte, sich deiner annahm und dir jeden Wunsch von den Lippen ablas. Der die Billigung deiner Mutter erfuhr, die du dir immer verzweifelt gewünscht hattest. Billigung, die sich schon sehr bald in Verehrung wandelte, nachdem herauskam, dass er ein Geschäftspartner deines Stiefvaters war.

Erst Monate später fiel mir auf, dass er immer eine gewisse Distanz zu mir wahrte. Ich sprach ihn darauf an, erhielt jedoch nur ausweichende Antworten. Unsere Küsse wurden immer seltener, nur noch ab und an in Gesellschaft anderer drückte André mir einen keuschen Kuss auf die Wange. Eine sexuelle Verbindung hatte es zwischen uns sowieso nie gegeben.

Jungfrau war ich zwar keine mehr, aber meine Erfahrung war dennoch sehr begrenzt. Ich hatte mich immer nach einer alles verzehrenden Leidenschaft gesehnt, wie sie immer wieder in Büchern und Filmen beschrieben wurde. Aber dafür war ich scheinbar in die falsche Gesellschaftsschicht hineingeboren worden. In der Upperclass zählte nur der Schein.

Irgendwann war mir dann bewusst geworden, je länger ich alles beim Alten beließ, desto eher würde auch ich zu einer dieser künstlichen Damen der Gesellschaft verkommen. In dieser Spirale aus Gleichgültigkeit und Langeweile gefangen, anderen ihr Glück neidend. Eigentlich genau der Schlag, den meine Mutter und ihr Frauenverein verkörperten. Ausrutscher der Ehemänner wurden nicht nur stillschweigend toleriert, sondern sogar begrüßt. Im Gegenzug konnten sich die Damen der Gesellschaft hingebungsvoll dem Poolboy, Gärtner, Schönheits-OPs, Pillen oder dem Alkohol widmen. So wollte ich nie enden.

Als ich André dann auch noch beim Fremdgehen ertappt hatte, legte sich in mir ein Schalter um. Ich beendete es an Ort und Stelle, während sein Schwanz noch in jemand anderem steckte. Das absolute Highlight: André hatte mich nicht mit seiner Sekretärin, sondern mit seinem Sekretär betrogen.

Nach wie vor konnte ich nicht begreifen, weshalb er ausgerechnet mich als seine Alibifreundin benutzt hatte, denn mehr war ich scheinbar nie für ihn gewesen. Homosexualität in der Upperclass war noch immer ein Tabuthema, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass hinter der ganzen André-und-Zoe-sind-ein-Paar-Geschichte mehr steckte. Allein wie er mir den Antrag gemacht hatte, war so gar nicht die Art, wie ich es mir gewünscht hatte. Was er auch sehr wohl wusste. Nach wie vor war ich wütend, wenn ich daran auch nur dachte.

André hatte mich bei der opulenten Weihnachtsfeier meiner Mutter um meine Hand gebeten. Es waren an die dreihundert Personen und einige Vertreter der Presse geladen gewesen. Schon damals war ich kurz davor, schreiend das Weite zu suchen. Aber als brave Tochter der höheren Gesellschaft keucht Frau entzückt auf, wenn ihr ein Ring vor die Nase gehalten wird. Sie lässt ein paar Krokodilstränen aus ihren strahlenden Äuglein kullern und haucht ein »Oh, André, ja!«.

Es war dumm gewesen und ich wusste, dass es in unserer Schicht erwartet wurde, ein Kind zu zeugen. Wie genau hatte er sich das eigentlich vorgestellt? Wäre er wirklich so weit gegangen, mich dafür sogar in sein Bett zu holen? Warum hatte er mir überhaupt einen Antrag gemacht?

Jedenfalls war André bei der Verkündung, dass ich ihn verlasse, fast durchgedreht. Die Situationskomik ließ mich grinsen. Wie erschrocken er sich zu mir umgedreht hatte. Sein Penis war sofort in sich zusammengefallen, er kam mir nach und fiel dabei vom Bett, weil er sich in der Decke verheddert hatte.

Zuerst hatte er mich noch angefleht, ihm diesen Ausrutscher zu verzeihen. Dann waren die Drohungen gekommen, die Beschimpfungen, dass ich schuld sei. Mit dieser Anschuldigung hatte er mich tief verletzt. Wie konnte er mich beschuldigen, an seiner Homosexualität schuld zu sein? Konnte ein anderer Mensch für die eigene sexuelle Orientierung verantwortlich gemacht werden? Mit Sicherheit nicht. Ich war immer noch fassungslos über diesen Vorwurf. Aber auch wenn André mich nicht beschuldigt hätte, würde ich es ihm nicht verzeihen. Ich wollte mit diesem Typen absolut nichts mehr zu tun haben. Seine Anschuldigung hatte das Fass lediglich zum Überlaufen gebracht.

Wie wenig ich zu diesem Zeitpunkt schon nur noch für ihn empfunden hatte, war mir erst in diesem Moment klar geworden. Bis auf meinen Stolz hatte er nichts getroffen. Wenn ich genau darüber nachdachte, hatte er mich nie fesseln können. Hatte es nie geschafft, dass ich mich an seiner Seite lebendig fühlte. Mir graute allerdings vor der Diskussion mit meiner Mutter. Das würde alles andere als ein Zuckerschlecken, wenn ich gleich das Anwesen erreichte.

* * *

Kurz wird mein Ausflug in die Vergangenheit unterbrochen. Meine Gedanken wandern wieder zu ihm, meinem Entführer. Wie anders ich doch fühlen kann, hat mir Romero gezeigt. Dieser Mann kann mich fesseln, und zwar wortwörtlich.

Ein Blick aus deinen fast schwarzen Augen, Romero, reicht aus, um mir eine Gänsehaut zu bescheren. Mein Herz rast in deiner Nähe und zu meiner allergrößten Verwunderung lässt du mein Höschen nass werden.

Deine dunkle, bedrohlich Gestalt, die natürliche Dominanz und dein arrogantes Auftreten, davon werde ich angezogen wie die Motte vom Licht.

Diese Tatsache würde ich aber nur unter Folter ausplaudern.

Ich lenke meine Gedanken wieder in andere Bahnen, zurück zu meiner Ankunft damals ins Domizil meines Stiefvaters.

* * *

Seufzend registrierte ich die wahnwitzige Anzahl an Securityleuten, die vor dem Eingangstor patrouillierten. Ich verstand nicht, warum ein Senator so viele Personen zu seiner Sicherheit benötigte. Ein paar waren verständlich. Die schiere Anzahl, die ich mit bloßem Auge zählen konnte, erinnerte allerdings eher an eine Privatarmee aus einem schlechten Actionfilm.

Dann wurde ich durchgewunken. Das schmierige Lächeln auf einigen Gesichtern ließ mir einen Schauder über den Rücken laufen.

Ich fuhr die lang gezogene Einfahrt entlang und auch hier waren einige Wachen zu sehen. Viel zu schnell hielt ich vor dem Hauptgebäude und ich musste mir ein paar Sekunden nehmen, um mich für das Aufeinandertreffen mit meiner Mutter zu sammeln. Den Kopf nach hinten auf die Nackenstütze gelehnt, lauschte ich den letzten Tönen eines meiner Lieblingslieder.

Als die letzten Akkorde verklangen, richtete ich mich auf und verließ mein Auto. Bei jedem Schritt verwandelte ich mich mehr und mehr in eine der gelangweilten Töchter der Upperclass. Stellte mich dem Unvermeidlichen, meiner Mutter, der ich nie etwas recht machen konnte.

Die Tür wurde mir von einem der Dienstmädchen geöffnet. Ich schenkte ihr ein hoheitsvolles Nicken, tackerte mir ein aufgesetztes Lächeln ins Gesicht. Meine Mutter erwartete mich bereits im Salon. Seit meinem letzten Besuch hatte sie sich zumindest erneut liften lassen, wie mir direkt auffiel. Und hatte sich auch ihre Nase verändert?

Sie empfing mich mit Luftküsschen und einem »Schön, dass du da bist, mein Kind, aber wie siehst du denn aus?«. Ihre Stimme klang dabei äußerst missbilligend. War ja mal wieder klar. Dass ich hier in Jeans und Shirt erschien, und nicht in einem Kostüm oder pastellfarbenen Kleid, gefiel ihr gar nicht.

Innerlich schüttelte ich den Kopf. Ich war Mitte zwanzig und keine Matrone. Solch ein Gewand wäre für meine längere Reise hierher mehr als ungeeignet gewesen. Und wenn ich ehrlich war: Ich hasste solche Fummel. Ich hatte nichts gegen Kostüme oder Kleider, nur drifteten unsere Vorstellungen hier weit auseinander.

»Hast du schon gehört? André hat hier in New York eine Stelle bei deinem Stiefvater angeboten bekommen«, fuhr sie fort, ohne weiter auf meine Kleidung einzugehen.

»Bitte was?« Ich blickte sie verdutzt an.

»Oh, was rede ich da. Natürlich weißt du das bereits. Du musst überglücklich sein, Zoe«, trällerte meine Mutter.

»Äh, ja, schön für ihn.« Mühsam versuchte ich, mich zu beherrschen,die Abneigung und Wut gegen ihn zu unterdrücken. Zum Glück rettete das Klingeln meines Handys mich vor dem fragenden Blick.

»Hallo?«

»O mein Gott, Zoe, bist du schon angekommen? Die Clique will heute auf Tour gehen. Es gibt da diesen neuen Club, die Promis drücken sich dort die Klinke in die Hand. Nicht dass wir keine sind. Wir müssen dort unbedingt hin und du musst uns einfach begleiten!«

»Cindy, danke für die Einladung. Woher weißt du, dass ich heute angekommen bin?«, fragte ich sie.

»Na, wie das halt so ist. Meine Mutter traf deine Mutter im Club«, erklärte sie mir überschwänglich.

»Du hast recht, das hätte ich mir ja denken können. Ich muss die Einladung aber leider ausschlagen. Ich bin von der langen Reise sehr erschöpft, daher denke ich, ich sollte diesen Abend zu Hause verbringen, um für die kommenden gesellschaftlichen Ereignisse ausgeschlafen zu sein«, versuchte ich meine Stimme so bedauernd wie möglich klingen zu lassen. Immerhin kannte ich die Mädels bereits seit vielen Jahren, wir besuchten einige Kurse in der High School zusammen, somit wusste ich es würde ein langer und feuchtfröhlicher Abend werden.

»Keine Chance, Zoe, wir sind bereits auf dem Weg zu dir. Du hast noch eine Dreiviertelstunde, dann sind wir daahaa«, schrie nun auch Mandy im Hintergrund, dann legten sie kichernd auf.

Ich konnte einen entnervten Seufzer nicht unterdrücken, sodass meine Mutter mich tadelnd anblickte. »Zoe, Contenance. Niemals das Lächeln verlieren«, wies sie mich an.

»Verzeihung, Mutter, ich hätte den Abend zu gerne mit dir verbracht, doch das waren gerade Madlen und Cinthia am Telefon, die unbedingt mit mir einen Mädelsabend verbringen möchten, im Club.« Ich bemerkte, wie meine Stimme schon den gleichen theatralischen Tonfall meiner Mutter annahm. Verdammt, ich musste hier dringend weg. So wollte ich nicht sein.

»Das ist aber sehr schade. Kannst du nicht absagen? Ich hätte zu gerne gehört, wie es dir und André ergangen ist. Konntet ihr euch schon über die Anzahl der Gäste auf eurer Hochzeit einigen? Ich bin ja ganz auf der Seite deines Verlobten – je mehr Personen, desto besser. Es soll ja schließlich das gesellschaftliche Event der Saison werden. Ich verstehe nicht, weshalb du dich hier so hartnäckig zeigst.«

O Mann. Innerlich verdrehte ich die Augen und zählte langsam bis zehn. Nach dieser kleinen, missbilligenden Ansprache war ich einem feucht-fröhlichen Clubabend nicht mehr ganz so negativ gegenüber eingestellt.

Und ich gebe zu, ich war schlichtweg noch nicht bereit, mich mit meiner Mutter über die Beweggründe meine Trennung auseinanderzusetzen. Die ganzen Vorwürfe, die auf mich warten und mit Sicherheit auf mich einprasseln würden, was ich doch für eine Schande sei, ihre dramatischen Seufzer, das schlechte Gewissen, das sie mir versuchen würde einzureden … Dafür fehlte mir gerade wirklich der Nerv. Sie würde es nicht verstehen, seinen Ausrutscher als Lappalie darstellen, weswegen man sich nicht einfach so trennte.

»Das müssen wir leider nachholen, denn …« Ich tat so, als würde ich entsetzt die Uhrzeit realisieren, und sah zu ihr hinüber. »Oh, ich muss mich sputen, die Zeit läuft mir davon!« Dann wendete ich mich ab und war schon dabei, aus der Tür zu hasten. Dabei schloss ich für einen Moment meine Augen, atmete durch. Kam ich damit etwa wirklich davon?

»Zoe, bitte benimm dich. Du weißt ja, wie sich diese Mädchen ab und an benehmen. Ich möchte nicht, dass du negativ auffällst, das wirft nur ein schlechtes Bild auf uns und deinen zukünftigen Mann.«

Ich zuckte bei den Worten zusammen. Mein Magen zog sich zu einem Kloss zusammen. Verdammt, ihr von der Trennung zu berichten, würde noch schwerer als erwartet.

Ich wendete mich meiner Mutter noch einmal zu. »Natürlich werde ich mit leuchtendem Beispiel vorangehen. Wir werden nicht negativ auffallen, keine Sorge.« Dann verschwand ich aus dem Raum.

Kaum war ich außerhalb ihrer Sichtweite, hastete ich die Treppe hoch und den Flur entlang zu meinem Zimmer. Am liebsten hätte ich die Tür hinter mir kräftig in das Schloss geschlagen. Stattdessen aber schloss ich sie leise, lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Ich verstand nicht, weshalb ich ihr nie die Stirn bot. Ich war kein kleines Kind mehr. Eigentlich war ich sogar eine selbstbewusste junge Frau, der die Welt zu Füßen lag. Aber hier, in diesem Haus, kam ich mir immer klein und wertlos vor. Nichts erinnerte an die selbstsichere Person, die sich gerade einen ausgezeichneten Abschluss hart erarbeitet hatte.

Von der Tür abstoßend, eilte ich in das angrenzende Badezimmer. Die Zeit lief mir im Augenblick ja wirklich davon. Ich beschloss, es gar nicht so schlecht zu finden, den Abend auswärts zu verbringen. Durch die ganzen Prüfungen und den privaten Stress in der letzten Zeit war ich schon lange nicht mehr tanzen gewesen. Das würde mir auf jeden Fall guttun. Und ich hatte einen weiteren Tag gewonnen und das unliebsame Gespräch mit meiner Mutter aufgeschoben.

Vor mich hin grinsend duschte ich mich schnell ab, dabei ging ich den Inhalt meines Kleiderschrankes gedanklich durch. Es fiel mir allerdings kein Kleidungsstück ein, wofür ich von meiner Mutter, wenn schon kein anerkennendes, dann zumindest ein duldendes Nicken geerntet hätte. Unsere Vorstellungen von einem passablem Cluboutfit gingen einfach zu weit auseinander. Ich war mir sicher, wenn sie mich in meinen Kleidern sah, würde ihr auch klar, dass sie von einem anderen Klub redete als ich.

Daher entschied ich mich für eines meiner Lieblingsoutfits: eine schwarze, enge Lederhose, kombiniert mit einem smaragdgrünen Spitzentop und einem Paar schwarzer Riemchen-Heels. Meine langen roten Haare ließ ich offen. Ich schminkte mich nur dezent, meine Augen umrahmte ich mit schwarzem Kajal, zog ihn so, dass sie etwas katzenhaft anmuteten. Die Wimpern waren schnell getuscht. Zufrieden blickte ich in den Spiegel. Die dunkel betonten Augen ließen meine grünen Iriden strahlen, perfekt ergänzt durch das gleichfarbige Top. Fertig.

Ich eilte aus meinem Zimmer, aber meine Mutter erwartete mich schon am Absatz der Treppe.

»Das kann nicht dein Ernst sein, Zoe. Wie siehst du nur aus? So kannst du doch nicht in den Klub gehen«, sagte sie schockiert.

»Aber wir gehen doch tanzen, Mutter, da trägt man solche Kleidung«, antwortete ich ihr verständnislos. Zumindest versuchte ich, meiner Stimme diesen Klang zu geben. Zuvor hatte ich sie ja bewusst getäuscht.

Missbilligend zog sie eine Augenbraue nach oben. »Du hast mir den Eindruck vermittelt, ihr würdet den Countryclub aufsuchen. Und nicht ausgehen«, erklärte sie mir.

»Oh, das Missverständnis tut mir sehr leid. Ich nahm an, es sei klar, dass wir in einen Club zum Tanzen wollen«, gab ich so zerknirscht wie möglich von mir.

In diesem Moment betrat ein Dienstmädchen den Raum und verkündete die Ankunft der Mädels.

»Ich kann meine Freundinnen nicht länger warten lassen, Mutter, wir reden morgen«, sagte ich mit einem entschuldigenden Lächeln auf den Lippen.

Meine Mutter sah bei meiner Rede aus, als hätte sie auf eine äußerst saure Zitrone gebissen, bevor sie mich mit einer missbilligenden Geste, wie ich es nicht anders von ihr gewohnt war, aus ihrem Umfeld entließ.

So schnell ich konnte, ohne dass es zu sehr nach Flucht aussah, eilte ich nach draußen, um in das wartende Auto einzusteigen. Mit lautem Hallo wurde ich von den Mädels begrüßt. Ausatmend und erleichtert ließ ich mich auf die Rückbank fallen und wir fuhren los. Gedanklich war ich aber noch bei meiner Mutter, als mich das Gespräch der anderen in die Gegenwart holte.

»Habt ihr schon von dem neuen Club gehört? Dort soll sich die Celebrity von L. A. die Klinke in die Hand geben. Sie lassen sich extra nach New York einfliegen. Der Besitzer soll Verbindungen zur Mafia haben«, sagte Andrea in die Runde und riss mich damit aus meinen Gedanken.

»Das habe ich auch schon gehört und der Besitzer soll richtig, richtig heiß sein.« Cindy fächerte sich Luft zu, um ihre Worte noch mehr zu betonen.

»Dann ist es abgemacht, wir gehen dorthin feiern?« Mandy warf einen fragenden Blick in die Runde. Mit Mühe hielt ich ein Schnauben und abfälliges »Bitte« zurück. Dass der Clubbesitzer Verbindungen zur Mafia hatte, war mit Sicherheit ein Marketing-Gag, um bewusst noch mehr Leute in diesen Club zu bekommen. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Dass die Mädels nicht von selbst darauf kamen. Ich hatte aber keine Wahl, denn die Euphorie von der anderen war so groß, dass sie mich überstimmten, weil sie unbedingt in diesen Club wollten. Somit musste ich mich mal wieder wohl oder übel fügen und hoffte, dass der Abend nicht ganz so schrecklich werden würde.

Die restliche Fahrt verlief schnell und mit viel Getratsche. Zum Glück mussten wir, am Club angekommen, nicht in der Schlange anstehen. Die Türsteher ließen uns durch, sobald sie uns erblickten. Als wir den Club schließlich betraten, blieben wir beeindruckt stehen. Wir hatten schon viele Nachtclubs in den letzten Jahren besucht, aber dieser war eine andere Kategorie.

Der Club war wirklich der Hammer. Elegant-lockeres Ambiente, dunkle Farben, riesige Kronleuchter. Was diesen Ort aber so besonders machte, waren die Pflanzen. Hier fand man wirklich lebende Pflanzen. Sie fügten sich harmonisch in das Gesamtbild ein, hoben sich aber dennoch ab. Und der DJ spielte, als ginge es um sein Leben. Belustigt überlegte ich, ob er nicht wirklich darum spielte, da er ja für einen Mafiosi arbeiten sollte. Die Leute gingen mit, auch ich ertappte mich dabei, meine Hüften bereits im Takt der Musik hin und her zu bewegen. Das erste Mal seit Wochen fühlte ich, wie die Anspannung von mir abfiel.

»Na, Zoe, was sagst du? War doch keine so schlechte Idee von uns, dich mitzunehmen«, sprach mich Andrea von der Seite an. Sie drückte mir auch gleich einen weiteren Shot in die Hand. Wenn das so weiterging, war ich in Nullkommanix betrunken.

Ich lachte sie offen an. »Nein, das ist genau das, was ich dringend brauchte. Ich muss mich bei euch entschuldigen und bin froh, dass ihr mich mitgeschleift habt!« Grinsend exte ich den Erdbeershot. Mit Schwung knallte ich das leere Glas auf den Tresen, schnappte mir zwei der Mädels und zog sie mit mir auf die überfüllte Tanzfläche. Dort angekommen legte ich meinen Kopf in den Nacken, hob meine Arme in die Höhe und fing an, mich zu bewegen. Überließ mich der Stimmung, dem Rhythmus und der Musik. Und tanzte alles aus mir raus, als gäbe es kein Morgen.

 

Kapitel 2

Romero

Genervt blickte ich Nikolai an. »Wieso noch mal sind gerade wir zwei auf dem Weg in diesen Club?«

Die Augen verdrehend erklärte mir Nikolai: »Wie oft muss ich es dir denn noch erklären, Romero, wir sind auf dem Weg in den Club, um nett mit dem Besitzer zu plaudern.«

Freudlos lachte ich auf. »Wieso wir? Dafür hast du doch deine Leute, o Chef der russischen Mafia. Und als dein Schläger fungiere ich schon gar nicht gerne. Das ist nicht mein Job. Also wieso, verfickt noch einmal, schleppst du mich mit?«, knurrte ich ihn an.

Sich verlegen am Kopf kratzend blickte Nikolai mich an. »Nun ja, wenn ich ehrlich sein soll, da gibt es diese Frau …«

Wütend blickte ich ihn an. »Das ist jetzt wohl nicht dein Ernst. Eine Frau? Du schleppst mich hierher wegen einer Frau?«, fragte ich ihn angepisst.

»Verdammt, ja, es geht um eine Frau. Du wirst schon noch sehen, Mr. Profi-Killer, dir wird es auch noch so gehen. Ehe du dich versiehst, wird auch dich eine Frau an den Eiern haben. Und dann reden wir weiter«, erklärte mir Nikolai freudlos und etwas resigniert.

»Das, mein Freund, wird sicher nicht passieren«, erklärte ich grinsend und klopfte ihm dabei auf die Schulter.

»Sei dir nicht so sicher, auch dich wird es noch erwischen – und das wird früher sein, als du denkst. Dann wird der große Auftragskiller von Armors Pfeil getroffen, wobei es in deinem Fall zumindest eine Granate sein muss.« Süffisant grinsend sah er mich an.

»Du darfst gerne träumen, aber das passiert mir sicher nicht. Ich werde nicht zum Schoßhündchen einer Frau verkommen.« Dabei schüttelte ich amüsiert den Kopf.

»Du wirst schon sehen, dir wird es auch noch so ergehen. Deine Herzdame wird dir das Leben zur Hölle machen und dann werde ich zur Stelle sein, dir Ratschläge geben und dir zuhören. Aber nicht ohne es zu genießen, dass du vor ihr kniest, dich zum Deppen machst, und ich werde dich auslachen.« Glucksend erzählte er von diesem Horrorszenario.

Ich sah Nikolai nur mitleidig an. O je, den hatte es ganz schön erwischt. Aber ich war mir sicher, für keine Frau würde ich mich so zum Affen machen. Ein Blick aus dem Wagenfenster zeigte mir, dass wir vor dem Club Dark Purple vorfuhren, was mir eine weitere Unterhaltung zu diesem Thema ersparte. Denn jetzt hieß es: Showtime.

Wie erwartet hatten wir keine Probleme in den Club zu kommen, die Türsteher allerdings wurden etwas grün um die Nase, als sie uns kommen sahen. Das Unbehagen, dass wir in ihnen auslösten, rechtfertigte auf jeden Fall unseren Besuch. So sehr ich den Besitzer verabscheute musste ich doch eingestehen, dieser Ort hatte was. Er hob sich eindeutig von den anderen Nachtclubs hier in New York ab. Nichtsdestotrotz wäre ich lieber überall anders außer hier gewesen.

Ich lehnte mich an eine Mauer nicht unweit des Büros im Club und wartete darauf, dass Nikolai mit seiner Unterredung fertig wurde. Wieso noch mal hatte ich mich auf diesen Freundschaftsdienst, den Aufpasser zu spielen, eingelassen? Ich hoffte bloß, mein Freund beeilte sich mit dem Clubbesitzer. Der arrogante kleine Wichser riss seine Klappe eindeutig zu weit auf. Normalerweise schickte Nikolai ein paar seiner Mitarbeiter, um Leuten, die den Mund über sein Mitwirken in gewissen Geschäften nicht hielten, zu verdeutlichen, dass es besser war, seinen Namen nicht zu nennen. Vielleicht, aber nur vielleicht hatte er sich ja in die kleine Schwester des Clubbesitzers verknallt. Nachdem er im Wagen noch diese schwulstigen Dinge von sich gegeben hatte, war es das einzige das Sinn machte. Der Gedanke ließ mich nicht los und ich kam zu dem Schluss, dass mein bester Freund sich tatsächlich verliebt hatte. Dieser Umstand versprach noch äußerst lustig zu werden.

Mit einem Seufzen richtete ich mich auf, was mir sofort die Aufmerksamkeit der meisten Frauen in meinem näheren Umfeld einbrachte. Ich war nicht eitel, wusste aber um meine attraktive Erscheinung. Allerdings ignorierte ich sie alle, denn wahrscheinlich konnte keine der hier anwesenden Frauen mit meinen expliziteren Bedürfnissen umgehen. Also machte ich ein bedrohliches Gesicht, in der Hoffnung, die Damen auf der Pirsch abzuschrecken. Falls mich trotzdem jemand ansprechen sollte, mussten sie entweder dämlich oder absolut lebensmüde sein.

Ich ließ meinen Blick über die tanzende Menge gleiten, als ich mit einem Mal verharrte und mein Blick eine kurvige Rothaarige fixierte. Gebannt starrte ich sie an, während sie zu Poison alles gab, sich sinnlich und völlig von der Musik gefangen bewegte. Mein Schwanz, den so etwas normalerweise nicht einmal ansatzweise interessierte, erwachte schlagartig zum Leben. Sofort malte ich mir aus, wie sie über meinen Knien lag. Wie ich mich daran versuchte, ihrem Hintern die gleiche Farbe angedeihen zu lassen, wie ihre wunderschönen langen roten Haare sie zeigten. Ich versank in der Vorstellung, was ich alles mit ihr anstellen würde, nicht könnte.

Mehrere Männer rückten ihr immer näher auf die Pelle und ich stieß ein Knurren aus. Wo bitte kam das denn auf einmal her? Ich war doch sonst nicht der eifersüchtige Typ, schon gar nicht, wenn ich die junge Frau nicht kannte.

Mit zusammengekniffenen Augen und wütend sah ich dem Treiben zu. Die jungen Männer wollten die attraktive Rothaarige dazu veranlassen, mit ihnen zu tanzen, umringten sie. Ich hoffte für meine Rose, dass sie keinen der Männer näher an sich heranließ, bis ich an ihrer Seite war. Denn das würde weder den Männern noch ihr gut bekommen.

Schon wieder ertappte ich mich bei diesen besitzergreifenden Gedanken, die sich um sie drehten. Das musste aufhören. Und wieso bezeichnete ich sie innerlich schon als mein, gab ihr auch noch den Kosenamen Rose? Ich hatte zwar schon immer gewusst, dass ich ein egoistisches Arschloch war und auch Anzeichen von Besessenheit zeigte. Diese extreme Besitzgier war jedoch auch für mich etwas absolut Neues, vor allem wenn es dabei um eine Frau ging.

Ich schüttelte diesen Gedanken schnell wieder ab während mir die Menge mit respektvollen Gesichtern Platz machte, als ich auf sie zuging. Ich konnte einfach nicht anders, wurde magnetisch von ihr angezogen. Gleich hatte ich sie erreicht, meine Rose.

Kapitel 3

Zoe

Es war doch wirklich immer das Gleiche. Man tanzte, hatte seine Freude daran, sich zu guter Musik mal richtig gehen zu lassen, und die Männer betrachteten einen direkt als Freiwild. Wieso musste es früher oder später eigentlich immer einen Idioten geben, der die Finger nicht stillhalten konnte und das schlichte Wort »Nein« nicht akzeptierte? Vermutlich, wies ich an diesem Abend bereits mindestens fünf Kerle ab. Nett und freundlich hatte ich versucht, ihnen zu verstehen zu gegeben, dass ich hier auf der Tanzfläche nur meinen Spaß wollte. Alleine oder maximal mit den Mädels, aber sicher nicht mit irgendwelchen Clubbekanntschaften. Einfach meine Sorgen vergessen – und nicht mich angrapschen lassen.

Nur leider gab es immer einen, der mit einer Abfuhr nicht leben konnte und unbedingt meinte, mich eines Besseren belehren zu müssen. Der Typ nervte mich bereits grenzenlos und ich überlegte, wie ich ihn loswerden konnte, bevor meine Stimmung ganz in den Keller rasselte. Vor allem war er auch so gar nicht mein Typ. Das hielt die meisten Männer aber leider nicht ab, es trotzdem immer wieder zu versuchen.

Verdammt.

Aus den Augenwinkeln nahm ich jemanden hinter mir war. Irgendwas an der Art seiner Bewegungen ließ meine Alarmglocken schrillen und mein Körper begab sich intuitiv in den Verteidigungsmodus. Schon hatte ich den Arm gepackt und mithilfe der Hebelwirkung den schweren männlichen Körper über meinen Rücken befördert. Zu spät bemerkte ich meinen Fehler. Shit, das war eindeutig nicht der Grapscher von vorhin.

Ein fremder Mann flog über mich hinweg und landete mit einem lauten »Uff« direkt vor mir auf dem Rücken. Schockiert sahen wir uns an. Ich, weil ich die falsche Person erwischt hatte, und er … Tja, ich denke, mit so etwas hatte er nicht gerechnet.

»O Gott, das tut mir unglaublich leid! Habe ich Sie verletzt? Eigentlich wollte ich den Typen erwischen, der mir gerade an den Hintern gefasst hat.« Zerknirscht blickte ich von oben auf den Fremden herab, reichte ihm meine Hand, um ihm aufzuhelfen. Der Unbekannte sagte noch immer kein Wort, starrte mich nur mit seinen durchdringenden dunkelbraunen Augen an. O shit, hatte ich ihn etwa ernsthaft verletzt? Wenn das die Presse mitbekam, war ich geliefert. Ich konnte die Schlagzeile schon vor mir sehen: Tochter des einflussreichen Geschäftsmannes James Ritchmond und Tochter von Christina Brandt, High-Society-Lady und in zweiter Ehe mit Senator Lewis Brandt verheiratet, tickt in einem der angesagtesten Szeneclubs New Yorks aus und schlägt einen anderen Feierwütigen krankenhausreif. Hat sie die Entlobung von André Duriez doch mehr getroffen als erwartet? Ist es ein Alkoholproblem, sind es Drogen oder hat sie die Trennung ihrer Eltern nie überwunden?

Bitte, bitte, sei nicht zu hart mit dem Kopf aufgeschlagen!, betete ich innerlich und schluckte einige Schimpfwörter, die mir auf der Zunge lagen, hinunter.

Die Hand, mit der ich ihn immer noch hielt, wollte ich zurückziehen. Der unbekannte Fremde mit den eindrucksvollen dunklen Augen jedoch umfasste schnell mein Handgelenk, hielt es eisern fest.

»Wow, damit habe ich echt nicht gerechnet. Eigentlich wollte ich Ihnen helfen, aber ich konnte mich ja gerade eindringlich davon überzeugen, dass Sie meinen Schutz nicht nötig haben«, erklärte der Fremde mit einem Grinsen.

Ich hörte ihm wie verzaubert zu, sein dunkler Ton ließ meinen Körper vibrieren. Als Antwort zuckte ich nur hilflos die Schultern. Mein schlechtes Gewissen konnte er sicher in meinem Gesicht ablesen.

Nach ein paar Atemzügen fasste ich mich wieder und stellte mit Erstaunen fest, dass um uns alle Gespräche, ja sogar die Musik verstummt waren. Jedes Augenpaar in diesem Club war auf uns gerichtet. Verdammt, dabei hatte ich doch kein Aufsehen erregen wollen.

Mein Opfer rappelte sich mit einem schiefen Grinsen auf. Dann riss er meine Hand, die er nach wie vor nicht losgelassen hatte, in die Höhe, wie um den Sieger nach einem Kampf zu küren. Und als hätte die Menge nur auf dieses Signal gewartet, erwachte der ganze Club wieder pulsierend zum Leben. Die Feiernden grölten, die Musik setzte abrupt wieder ein und wir waren vergessen. Aber je weniger uns die Menge rundum wahrnahm, desto mehr werde ich mir nun der umwerfenden Gegenwart meines Gegenübers bewusst. Selten hatte ich so einen attraktiven Mann mit solch einer vereinnahmenden Ausstrahlung kennen gelernt. Ich fühlte mich von ihm gefangen, konnte den Blick nicht mehr von ihm abwenden.

Trotz meiner Heels musste ich meinen Kopf leicht nach hinten beugen, um ihm in die Augen blicken zu können. Meine Libido erwachte mit einem Schlag zum Leben. Ob es für mich doch die große Leidenschaft gab? Obwohl diese eine Seite in mir danach schrie, mich ihm sofort hinzugeben, drängte mich meine andere Seite dazu zu rennen. So schnell und so weit wie nur irgend möglich. Zum ersten Mal stritten sich das Engelchen und das Teufelchen auf meiner Schulter wegen eines Mannes.

Kapitel 4

Romero

Ich hielt ihre Hand nach wie vor in meiner. Bis jetzt war ich noch nicht zu einer Entscheidung gelangt, was ich nun mit ihr tun sollte. Mein Geist und mein Körper stellten sich auf sie ein, mein Pulsschlag hatte sich beschleunigt. Sollte ich den wunderschönen Rotschopf mit den verführerischen grünen Augen direkt von der Tanzfläche weg entführen? Oder sollte ich so tun, als sei ich ein Gentleman, und etwas diplomatischer vorgehen? Ich war mir jetzt schon sicher, dass ich nie mehr von ihr loskommen würde. Sollte ich diesen drastischen Schritt gleich wagen?

Ich hatte zwar absolut keine Lust, es zuzugeben, aber Nikolai hatte so was von recht gehabt. Meine Rose hatte mir wortwörtlich den Atem verschlagen.

Wie ein stümperhafter Idiot hatte ich deswegen nur noch rotgesehen, als dieser Kerl ihr an den Hintern gefasst hatte – meinen Hintern. Zusätzlich war ich auch von der Hand, mit der sie mich gepackt hatte, abgelenkt gewesen. Die Berührung hatte meinen Körper wie ein Stromschlag durchzogen und dann lag ich auch schon vor ihr. Und als hätte das nicht schon gereicht, hatten uns auch noch alle angestarrt.

Und auch Nikolai, der mich über ihre Schulter hinweg angegrinst hatte, hatte die Situation nicht gerade besser gemacht. Er hatte sich das Lachen kaum verkneifen können. Diese Szene würde er mir jetzt sicher noch die nächsten Jahre vorhalten. Der gefürchtetste Auftragskiller in ganz Amerika wurde von einer jungen Frau aufs Kreuz gelegt. Vielleicht sollte ich mich doch näher mit dem Gedanken befassen, ihn umzulegen. Wenn er mir mit seinen Neckereien zu sehr auf den Sack ging, war es auf jeden Fall eine Überlegung wert. Andererseits brauchte auch so ein einsamer Wolf wie ich ab und an jemanden zum Reden. Und ich befürchtete, dass ich Nikolai in der nächsten Zeit das ein oder andere Ohr abkauen würde. Ich hatte keine Ahnung, wie eine Beziehung ablief.

Ich datete nicht. Ich hatte Sex und verschwand. Weshalb sollte ich mir eine Frau aufhalsen?

Doch jetzt war alles anders, meine Welt hatte sich neu geordnet. Und diese zarte Schönheit war ihr neuer Mittelpunkt. Nicht dass ich sie das so schnell wissen lassen würde, denn dann könnte ich ihr meine Eier gleich auf einem Silbertablett servieren. Dennoch, diese simple Berührung, durch die wir nach wie vor verbunden waren, ließ in mir ein Gefühl von Angekommensein aufsteigen.

Plötzlich sprach die Rothaarige mich an und riss mich damit aus meinen Gedanken. Sofort widmete ich ihr bewusst meine ganze Aufmerksamkeit. Der Klang ihrer Stimme nahm mich gefangen und ich verstand im ersten Moment nicht genau, was sie sagte, zu fasziniert betrachtete ich sie. Blickte in ihre wunderschönen smaragdgrünen Augen, die durch ihr Top nur noch mehr betont wurden.

Weil ich ihr nicht antwortete, wollte sie mir schon ihre Hand entziehen, aber das konnte ich nicht zulassen. Alles in mir sträubte sich dagegen. Ich würde sie nie wieder gehen lassen.

Als ich auf die Füße kam, bemerkte ich, dass um uns Totenstille herrschte. Schnell improvisierte ich und erklärte sie wie bei einem Boxkampf zum Sieger. Etwas Besseres fiel mir auf die Schnelle nicht ein. Aber die Menge stieg zum Glück darauf ein und wir waren endlich unter uns – soweit man das umringt von ein paar Hundert Personen überhaupt sein konnte.

Kapitel 5

Zoe

»Wie ich schon gesagt habe: Eigentlich wollte ich dir zu Hilfe kommen. Ich habe mitbekommen, dass dir dieses Früchtchen zu sehr auf die Pelle gerückt ist, und wollte dich deswegen von ihm wegziehen. Da war ich wohl zu voreilig – diese Rose hat auf jeden Fall Dornen«, sprach mich der Unbekannte schließlich verlegen an seinem Kopf kratzend an. Beim Klang dieser dunklen, rauchigen Stimme zog eine neue Gänsehaut über meinen Körper hinweg. Innerlich schnurrte ich – seine Stimme war so rauchig, dunkel und sexy, ich hätte ihm den ganzen Tag zuhören können.

Reiß dich verdammt noch mal zusammen, was soll der sexy Typ nur von dir denken?, schalt ich mich streng.

»Ich … O Gott, es tut mir so wahnsinnig leid, das wollte ich nicht. Bitte verzeihen Sie mir, ich hoffe, Sie sind wirklich nicht verletzt!« Panisch blickte ich zu ihm auf. Lachend erwiderte er meinen Blick. Waren das Grübchen, die ich da erkennen konnte? Mir wurde die Luft knapp. Ich schmolz dahin bei seinem Anblick.

»Aber nein, dafür musst du dich nicht entschuldigen. Im Gegenteil, es würde mich freuen, wenn ich dich auf einen Drink einladen darf …« Abwartend sah er mich an.

»Zoe, mein Name ist Zoe. Und nein, bitte, das ist nicht -«

Mit einer Handbewegung unterbrach er mich. »Zoe, wenn ich beschließe, dich auf einen Drink einzuladen, dann wirst du das annehmen.«

Überrascht blickte ich zu ihm auf. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich den stahlharten Kern und die bedrohliche Aura in ihm. Sofort verschwand der Ausdruck wieder hinter der Fassade des lässigen, attraktiven Mannes Anfang dreißig.

»Bitte, Zoe.« Mit einem Lächeln zog Mr. Sexy meine Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss darauf. Schockiert starrte ich ihn an und bevor ich auch nur irgendwie reagieren konnte, zog mich dieser dominante Macho schon mit sich.

Ich stolperte hinter ihm her Richtung Bar. Um uns herum teilten sich die Feiernden – mein Eindruck hatte mich also nicht getrogen. An diesem Mann war etwas, wenn sogar die betrunkenen Feierwütigen intuitiv vor ihm Platz machten.

An der Bar angekommen verscheuchte der Fremde einen betrunkenen jungen Mann mit nur einem Blick von seinem Hocker und ehe ich mich versah, hatte mich der freche Kerl schon um die Hüfte gepackt und auf den Barhocker gesetzt. Mit seinem Körper schirmte er mich vor der Menge ab, die Unterarme legte er auf den Tresen, umfing mich. Was bitte lief denn mit ihm schief, dass er meinte, so auf Tuchfühlung gehen zu können?

»Ich frage mich, ob du gerne wieder vor mir auf dem Boden landen willst. Du nimmst dir ganz schön viele Freiheiten heraus – was ich überhaupt nicht mag!«, sagte ich kalt. Er grinste mich zur Antwort nur entschuldigend an, sagte aber kein Wort, sondern wechselte einfach so das Thema. Ich wusste nicht, ob ich belustigt oder wütend sein sollte.

»Also, Zoe, was darf es sein?« Mit einem raschen Blick zum Barkeeper signalisierte er ihm seinen Wunsch, zu bestellen.

»Einen Mai Tai, bitte.« Mein Anhängsel bestellte sich einen Campari Orange. Mit einem »Kommt sofort« wendete sich der Barkeeper ab, um uns unsere Drinks zu mixen.

Ich sah den Fremden mit hoch gezogener Augenbraue an. Schulterzuckend lächelte der Unbekannte, jetzt wieder ganz in der Rolle des Charmeurs. »Ich weiß, das ist nicht das obligatorische Männergetränk, aber wenn ich es mir leisten kann, dann trinke ich gerne einen Campari Orange. Dieses Bittersüße schmeckt mir einfach.« Seine Augen verdunkelten sich bei dieser Aussage. Es kam mir so vor, als würde sich dieses Statement nicht nur auf seine Trinkgewohnheiten beziehen. Keine Ahnung, warum mir dieser Gedanke kam, es war einfach so ein Gefühl.

»Wie heißt du eigentlich? Du hast mir deinen Namen noch nicht verraten.« Ich versuchte, ihn durch meine Frage abzulenken. Die Intensität seines Blickes, den er die ganze Zeit, während wir hier an der Bar saßen, auf mich gerichtet hielt, setzte mir mittlerweile ganz schön zu. Und auch wenn er meine Hand nicht mehr hielt, seit er mich auf den Hocker gesetzt hatte, dauerte der Körperkontakt an. Seine Beine berührten meine, wenn ich versuchte, von ihm abzuweichen, was ja so schon ein Ding der Unmöglichkeit war. Er umschloss mich wie Kokon, rückte mit den Beinen sofort wieder nach, damit der Kontakt erhalten blieb.

Keiner von uns sagte etwas und so wurde die Situation für mich immer unerträglicher. Also versuchte ich, mit meinem Körper still und heimlich abzurücken, aber der geheimnisvolle Fremde ließ es nicht zu – ganz so, als würde er magnetisch von mir angezogen.

»Romero, ich heiße Romero«, antwortete er schließlich.

»Gut, Romero. Es tut mir leid, dass ich dich aufs Kreuz gelegt habe. Das gibt dir aber nicht das Recht, mich hier von allen abzuschotten und nach drei Minuten so zu tun, als gehöre ich dir!« Erbost wollte ich aufspringen und mich ihm endlich entziehen. Langsam wurde mir diese Situation unheimlich. Auch wenn ich auf mich aufpassen konnte, aber gegen jemanden mit seiner Statur und seinem Auftreten kam ich nicht an. Ich vermutete – schon allein dadurch, wie sich die Betrunkenen um uns verhalten hatten –, dass er ein Raubtier war. Gegen so jemanden hatte ich im direkten Zweikampf keine Chance.

Aber schneller, als ich es mir erklären konnte, setzte Mr. Sexy mich wieder zurück auf den Hocker. »Sieh an, meine Rose hat ja wirkliche Dornen. Ich würde dir raten, dich zu benehmen. Du möchtest mich nicht herausfordern, das würde dir nicht schmecken.« Damit überreichte mir Romero meinen Mai Tai, den der Barkeeper gerade auf dem polierten Tresen abgestellt hatte. Abwartend hielt er mir das Glas entgegen.

Aber in mir brodelte es. Was bildete sich dieser Lackaffe eigentlich ein? »Sag mal, bist du bescheuert? Wer gibt dir das Recht, so mit mir zu reden, geschweige denn so mit mir umzugehen? Du hast sie ja nicht mehr alle.« Ich redete mich in Rage, mein Getränk schwankte bereits gefährlich im Glas hin und her. Oh, wie gerne hätte ich ihm sein arrogantes Grinsen aus dem Gesicht gewischt. Mein Blick wanderte zum Glas – sollte ich oder sollte ich nicht? Bevor ich mich jedoch entschieden hatte, packte mich Mr. Arrogant fest am Handgelenk. »Tu es ja nicht, Zoe. Wie ich schon sagte, es würde dir nicht bekommen. Es tut mir leid, dass ich mein Verlangen nicht besser in Worte fassen konnte. Ich kann momentan selbst noch nicht erklären, was mich so sehr an dir fasziniert. Aber um vielleicht etwas Licht ins Dunkel zu bringen, möchte ich dich bei diesem Drink einfach etwas besser kennenlernen. Ich versichere dir, dass ich dich danach in Ruhe lassen werde, sollte ich kein Fünkchen Interesse an mir bemerken. Deal?«

Skeptisch blickte ich ihn an. Ich weiß nicht, was mich in seinem Gesicht umstimmte. Waren es seine aufrichtigen Augen, sein offenes Gesicht? Aber mit einem leichten Beugen meines Kopfes gab ich mein Einverständnis, bevor ich mit meinem Cocktailglas gegen seines stieß, anstatt den Drink in seinem Gesicht zu platzieren. Das Glas klirrte leise, bevor ich mit einem gemurmelten »Okay, Deal« auf seine Forderung einging. Als seine dunkelbraunen Augen fast schwarz wurden, fragte ich mich allerdings, auf was ich mich da bloß eingelassen hatte.

Kapitel 6

Romero

Oh, meine Rose, ich kann dir dein Unbehagen ansehen, deinen Zorn, die Wut. Noch hoffst du, dass ich deiner müde werde, aber ich muss dich enttäuschen. Nach diesen wenigen Minuten weiß ich bereits, dass du für immer Mein sein wirst.

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, dass Nikolai mich mit irgendeinem Zauber belegt hatte. Denn wie konnte es verfickt noch einmal sein, dass ich mit absoluter Sicherheit sagen konnte, dass sie Mein war? Für jetzt und für immer. Deine einzige Rettung ist mein Tod. Wie schnell sich die Welt doch neu ordnen konnte. Oft bedurfte es nur eines Augenblicks.

Ich werde Nikolai für immer dankbar sein, dass er mich zu dieser Türstehernummer überredet hatte, ansonsten wäre ich ihr möglicherweise nie begegnet.

Allein die Vorstellung reichte aus, um meinen Puls in die Höhe schießen zu lassen. Ich wollte alles von ihr wissen – was Neuland für mich war, denn normalerweise interessierte mich an den Frauen, die ich mit ins Bett nahm, nur, ob sie mich befriedigen konnten. Aber von ihr beanspruchte ich alles, ihren Körper und ihren Geist. Ich verlangte, dass es ihr so erging wie mir, dass sie sich ein Leben ohne mich nicht mehr vorstellen konnte. Ich wollte, nein, ich musste ebenso zu ihrer Welt werden, wie sie es bereits für mich war.

Ich war noch immer verwundert, dass Zoe, so wie es schien, einen kurzen Blick hinter meine Fassade hatte werden können und einen Hauch der Dunkelheit erahnte, die in mir steckte. Das gelang selten jemandem. Ich musste jetzt allerdings höllisch aufpassen, um sie nicht ganz zu verschrecken. Meine inneren Dämonen an die Kette legen, um sie nicht sofort mit Haut und Haaren zu fressen. Denn das würde mich im Moment nur weiter von ihr wegtreiben. Sie musste mich wollen, musste aus freien Stücken zu mir kommen. Meine Rose sollte zumindest denken, dass ich ihr diese Chance ließ.

Ich schmiedete bereits Pläne. Es war ihr vielleicht nicht bewusst, aber ihr Körper reagierte bereits auf mich. Somit konnte ich ihr auch ruhigen Gewissens diesen Deal vorschlagen, ohne sie zu belügen. Was Zoe aber nicht wusste: Sie hatte bereits verloren. Darauf würde ich sie aber bestimmt nicht hinweisen.

Fasziniert und belustigt sah ich sie an. Las in ihrem wunderschönen Gesicht, das von der roten Haarpracht umspielt wurde, all ihre Emotionen und inneren Kämpfe ab. Ich konnte es kaum erwarten, in ihren smaragdgrünen Augen Tränen zu sehen.

Baby, du hast bereits verloren. Nichts wird dich von mir trennen können. Gar nichts.

Kapitel 7

Zoe

Man könnte fast meinen, diese zwei, drei Sequenzen, in denen Romero das wahre Gesicht hinter seiner charismatischen Art gezeigt hatte, hätte ich mir nur eingebildet. Er verhielt sich mir gegenüber bisher äußerst zuvorkommend und charmant. Wenn ich das zuvor Erlebte ausblende, müsste ich zugeben, dass dieser Abend richtig nett verlief.

Meine vier Mädels gesellten sich nach einer Zeit auch zu uns. Sie flirteten wie wild mit Romero, nachdem sie mir fragende Blicke zugeworfen hatten. Ich gab ihnen heimlich zu verstehen, dass sie ihr Glück ruhig versuchen konnten. Insgeheim jedoch wollte ich jede von ihnen anfauchen, um ihnen ganz klar mitzuteilen, dass sie gefälligst die Finger von ihm lassen sollten.

Dieser Gedanke erschreckte mich so sehr, dass ich versuchte, mich weiter von ihm zurückzuziehen. Romero unterband meine Versuche jedoch, flocht mich immer wieder ins Gespräch mit ein. Und je länger ich ihnen dabei zusah, wie sie sich um seine Gunst bemühten, desto mehr fiel mir auf, dass er keine auch nur annähernd so ansah wie er es bei mir tat. Mr. Sexy bemühte sich die ganze Zeit um mich. Die anderen waren zwar körperlich anwesend, mehr aber auch nicht.

Eigentlich wollte ich noch eine Runde tanzen – es interessierte mich zu sehen, wie er sich bewegte. Was also sollte ich tun? Wenn ich tanzen ging, würde er dann mitkommen? Fragen konnte ich nicht und wollte ich das überhaupt? So viel Mut brachte ich aber nicht auf. Was, wenn er wirklich mit mir auf die Tanzfläche kam? Verdammt, wieso hörte ich mich in meinen Gedanken wie ein frühreifer Teenie an … In meinen wildesten Fantasien malte ich mir aus, wie er sich mit mir im Takt der aufreizenden Musik bewegte, mich führte. Seinen sexy Körper dicht an mich drängte.

Ich musterte seine Gestalt von der Seite. Romero war wirklich ein Bild von einem Mann. Als mein Blick über seine Brust – die Muskeln konnte auch sein Hemd nicht verbergen – höher wanderte, ertappte ich ihn oder doch eher er mich bei meiner Musterung. Mr. Sexy nahm den Blick auch jetzt nicht von mir. Es kam mir vor, als sei ich wirklich das einzig Interessante hier.

Er musste meinem Gesichtsausdruck entnommen haben, wohin meine Gedanken schweiften, denn sein Ausdruck wurde milder. Mit einem sexy Zwinkern lehnte er sich zu mir herüber, strich mir eine lange Strähne meines Haares hinters Ohr und wisperte: »Unsere Wette habe ich also gewonnen – du solltest nie gegen mich wetten. Ich gewinne immer. Wir sehen uns bald wieder, meine Rose mit den scharfen Dornen.«

Romero zog sich von mir zurück, nur um nach ein paar Zentimetern innezuhalten. Er blickt mir tief in die Augen, wartete auf etwas, aber ich wusste nicht worauf. Irgendetwas in meinem Blick musste ihm aber gezeigt haben, was auch immer er gesucht hatte. Er beugte sich erneut vor, kam mir immer näher, und mein Herz fing an zu rasen. O Gott, was machte er da?

Ich hatte meinen Gedanken noch gar nicht wirklich fertig gedacht, da legten sich seine Lippen auf meine, hauchzart, einem Schmetterlingsflügel gleich, so als wäre es das Natürlichste auf der Welt.

»Träum süß, meine Rose, ich kann unsere nächste Begegnung kaum erwarten. Und dann stehle ich dir mehr als diesen keuschen kleinen Kuss.« Dieses gehauchte Versprechen erregte meinen Körper, Hitzewellen breiten sich in meiner Mitte aus. Romero nachstarrend leckte ich mir über meine Lippen. Ich konnte das Bittersüße seines Getränkes auf meinen Lippen schmecken und es ließ mich verheißungsvoll zurück. Mutierte ich hier gerade zum Teenie oder was zum Teufel war los mit mir? Achtete ich nicht gut genug auf meine Drinks? Mir war schwummrig und heiß in seiner Nähe, unter seinen begehrlichen Blicken hatte ich das Gefühl, dass alles möglich sei.

Nachdem er nicht mehr an meiner Seite war, breitete sich nun eine Leere in mir aus. Wer war dieser Kerl und was stellte er mit mir an, dass ich diese Gefühle in mir hatte? Und trotz meiner verworrenen Gedanken war ich gespannt, ob und wann ich diesen Mann wiedersehen würde.

Lange sah ich ihm nach, konnte den Blick nicht von ihm abwenden, in der Hoffnung, dass er mir noch einen letzten Blick schenkte. Ein Stich fuhr durch mein Herz, als er sich nicht mehr umdrehte und mich keines Blickes mehr würdigte.

Kapitel 8

Romero

Wie sehr musste ich mich beherrschen, um mich nach meinem Abschied nicht zu ihr umzudrehen. Wem versuchte ich hier eigentlich etwas vorzumachen, ich wollte mich nicht nur umdrehen, nein, ich wollte zu ihr zurückkehren, sie mir über die Schulter werfen und mit mir mitnehmen. Zoe gehörte mir und ich wollte sie jetzt, nicht irgendwann.

Mit geballten Fäusten, den Blick starr geradeaus gerichtet, bahnte ich mir meinen Weg durch den Club. Diese Lippen, diese unglaublich weichen, verführerischen Kusslippen, und der Ausdruck in ihren Augen, als sich meine Lippen knapp vor ihren befunden hatten.

Tief durchatmend versuchte ich, meine Dämonen wieder an die Kette zu legen – bevor ich meine Rose noch mehr verunsicherte als ohnehin schon. Denn dafür war es zu früh.

Die Aussicht, mich näher mit Zoe zu beschäftigen, ließ mich etwas runterkommen. Ich hatte etwas, worauf ich mich konzentrieren konnte, eine Möglichkeit, mich ihr verbunden zu fühlen. Ich würde mich mit ihren Vorlieben und Abneigungen beschäftigen, alle relevanten Daten über meine Rose sammeln – auch die unwichtigen, denn wer wusste schon, für was ich diese Infos einmal gebrauchen könnte. Ich konnte es kaum abwarten herauszufinden, wer meine Rose war, und dabei meinte ich nicht ihren Gesellschaftlichen Rang. Mir war es egal, ob sie die Tochter einer Königin oder Nutte war. Meine Rose würde zu dem werden, was ich wollte, aber ich musste wissen, wie sie tickte.

Obwohl es einen Plan über mein weiters Vorgehen gab, war ich noch nicht restlos überzeugt, sie für heute gehen zu lassen.

Eine Hand klopfte mir auf die Schulter und riss mich damit aus meinen Gedanken. Nur die wenigsten Personen trauten sich, das zu tun, dafür sorgte mein Auftreten. Mit einem Knurren drehte ich mich zu der Person um.

Nikolai grinste mich an. »Na, mein Freund, diese hübsche rothaarige Puppe hat dir ja sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weggezogen.« Der satte Bariton von Nikolai dröhnte in meinen Ohren, während er mir weiter auf die Schulter klopfte. Hatte ich es doch gewusst, dass ich mir das ewig würde anhören können.

Resignierend zuckte ich mit den Schultern und fragte ihn dabei drohend: »War’s das jetzt oder willst du mich weiter verhöhnen?«

Glucksend, die Hände entschuldigend von mir nehmend, fragte er mich: »Was hast du vor, Romero? Das Mädchen wirst du dir sicher schnappen, oder? Ich habe dich bei einer Frau noch nie so die Beherrschung verlieren sehen. Habe ich es dir nicht gesagt? Ich hätte mit dir wetten sollen. Wieso bin ich nicht eher auf die Idee gekommen?«

»Du meinst wohl, zu meinem Glück haben wir nicht gewettet, denn ich hätte alles verloren«, stellte ich trocken fest, warf dabei einen sehnsüchtigen Blick auf die wunderschöne junge Frau. Mein Herz begann eindeutig, schneller zu schlagen, ein warmes Gefühl stieg in meiner Brust empor. Sollte ich nicht vielleicht doch noch einmal zu ihr gehen?

Jäh unterbrach Nikolai meine Gedanken »Du solltest vorsichtig sein, Bruder, wenn James Ritchmond herausfindet, dass du auf einmal eine Schwäche hast, könnte er sie gegen dich verwenden.«

Fahrig drehte ich mich zu ihm um. Verdammter Mist, wieso war mir dieser Gedanke nicht gekommen? Diese kleine Rose lenkte mich so sehr von der Gefahr ab, die mich ständig begleitete, dass ich die Gefahr, die sich auch für Zoe in meiner Anwesenheit automatisch ergab, für den Moment vollkommen vergessen hatte. Ich rammte meine Faust mit einem »Verdammte Scheiße« in die Wand hinter mir. Der momentane Schmerz brachte den Rotschleier, der sich gerade um mich gebildet hatte, dazu, sich etwas zu lichten.

Ich drehte mich auf dem Absatz um und wollte zurück zu Zoe stürmen. Ich musste sie von hier wegbringen, musste sie vor meinen Feinden beschützen. Sie gehörte mir und was mir gehörte, beschützte ich mit meinem Leben.

»Wow, wow, nicht so hastig, Romero, was hast du vor?« Nikolai warf sich vor mich und hielt mich mit beiden Händen an den Schultern fest. Wir waren uns vom Körperbau sehr ähnlich. Aber während ich normalerweise der Stratege war, der auch in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf bewahrte – allein schon durch meine frühere Arbeit bei den Seals als Scharfschütze und auch in meinem jetzigen Job als Killer musste ich immer den Überblick behalten –, war Nikolai normalerweise der Heißsporn, den ich zurückhalten musste. Außer jemand ging mir gehörig auf den Sack, so wie der Clubbesitzer, den ich einfach nicht leiden konnte.

Oder ich fand, was mir gerade schmerzlich bewusst wurde, meine Achillesferse.

»Ich hole Zoe. Sie muss beschützt werden.« Mit diesen Worten wollte ich meinen Freund schon zur Seite schieben, aber Nikolai ließ sich nicht so leicht abwimmeln.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739492919
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (April)
Schlagworte
Mafia fesselnd heiss sexy tödlich entführung Dominant Killer düster

Autor

  • Raven T. Winter (Autor:in)

Willkommen auf der Autorenseite von Raven T. Winter Die Österreicherin, lebt in einer kleinen Stadt mitten im Herzen der Steiermark. Sie teilt ihre Wohnung mit 2 Katzendamen. Im Oktober 2019 erschien ihr Debütroman Bittersüss. Ihr zweites Buch Splitterherz kommt ebenfalls bald auf dieser Plattform
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Titel: Bittersüss