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Das Geheimnis der verbotenen Zone

von Arnold Nirgends (Autor:in)
175 Seiten
Reihe: Arca-Nihil, Band 3

Zusammenfassung

Ein Zeitreisender von der Erde, die Kommandantin einer SERAN Einheit und der Botschafter von Arca-Nihil kommen etwa zeitgleich in einen kleinen Ort and den Grenzen der Arca-Nihil Föderation. Wie es ihnen dort ergeht und was es mit der nahe gelegenen verbotenen Zone auf sich hat findet sich im dritten Band der Arca-Nihil Serie.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


--- Impressum ---

Fiction Roman

Arca-Nihil®

Das Geheimnis der verbotenen Zone

Archon-Reihe, Band 3

1.Auflage Dezember 2017

Arnold Nirgends

Copyright© 2017 Arnold Nirgends

Covergestaltung: Arnold Nirgends

Unter Verwendung von Fotolia.com Bildern

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors gestattet. Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Alle Markennamen und Warenzeichen, welche in diesem Roman vorkommen, sind natürlich Eigentum ihrer rechtmäßigen Besitzer.

Arnold Nirgends

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arnold.nirgends@arcanihil.com

Dieser Roman baut auf seinen Vorgängern auf, kann aber auch unabhängig davon gelesen werden. Vorkenntnisse sind nützlich, aber nicht erforderlich!

Am Ende des Buches befindet sich die Arcapedia, wo etliche Begriffe und Abkürzungen aus dem Text ausführlicher erklärt werden.

Das deutlichste Zeichen von Weisheit ist ein stetes Vergnügtsein.

(Michel de Montaigne)

--- Einleitung ---

Igor und Marjeka, welche vor etwa einem Jahr von der Erde nach Arca-Nihil gekommen waren, mussten eine Weile auf einer recht einsamen Insel verbringen. Während Marjeka von der Insel geflohen war, fühlte sich Igor dort sehr wohl.

Nach einem halbjährigen Aufenthalt auf Devenport Island kam aber auch für Igor der Zeitpunkt, Abschied von seinen Freunden zu nehmen. Er konnte in der Zwischenzeit eine Menge Wissen über Mekmuskel ansammeln und hoffte, dass ihm das für seinen weiteren Weg dienlich sein würde.

Etwa zur selben Zeit war Wachablöse im fernen Noric. Captain Marlen Black führte dort ihre Männer in den verdienten Urlaub. Endlich würde sie ihre Sippe wiedersehen und sie wusste, dass eine andere, ungewöhnliche Aufgabe auf sie wartete.
Sir Helmut Solo von Olbia war ebenfalls alarmiert. Die verbotene Zone nämlich, welche seit langer Zeit gemieden wurde, gab bedrohliche Zeichen von sich und man sah sich genötigt, dort wieder einmal nach dem Rechten zu sehen.

Marlen – Noric

Unwirsch knallte Marlen ihren schweren SERAN Kampfhelm auf die Tischplatte vor sich. Alle um den Tisch sitzenden zuckten zusammen. Die Augen des Bürgermeisters schienen ihr Blitze entgegen zu schleudern, so stechend böse sah er sie jetzt an.

„Martin, so geht das nicht!“ sagte sie laut und bestimmt, aber ruhig.
„Es ist alles zwischen deinem König und dem RAN abgestimmt, die Ersatzlanze ist eingetroffen und du willst genau jetzt meine Ablöseformulare nicht unterzeichnen? Hast du noch alle Tassen im Schrank?“

Einen derart rauen Ton war man von der meist recht beherrschten Marlen nicht gewohnt. Aber wer sie kannte, wusste, dass sie beinhart und stur sein konnte.

„Wir sind eine gute und erfahrene Einheit und freuen uns bereits…“, weiter kam Leutnant Lentanos nicht, als ihm schon der Bürgermeister brüsk ins Wort fiel:

„Ihr könnt euch noch so freuen hierher zu uns zu kommen, aber ihr seid eine AUFKLÄRUNGSEINHEIT! Wir brauchen Krieger. Und ein einziger Mechkrieger aus Captain Blacks Lanze hat mehr Kampfkraft als euer ganzer Haufen eitler Aufklärer.“

Das Gespräch entglitt zusehends und eine Weile folgte eine Anschuldigung der anderen. Marlen hielt sich ein wenig zurück und wartete ab, bis sich die Gemüter wieder zu beruhigen schienen. Nachdem sie eine Weile gar nichts gesagt hatte, waren nun auch die Blicke der drei Männer auf sie gerichtet. Sie atmete hörbar ein, zeigte ihr Kampflächeln in der Runde und rekapitulierte, mit anfänglich schmeichelnder, danach immer schneidenderer Stimme die Situation.
„Lieber Bürgermeister, lieber Vizebürgermeister von Noric. Ich verstehe ja, dass ihr besorgt seid und jeden nur erdenklichen Schutz von Arca-Nihil haben wollt, den ihr bekommen könnt. Noric war, ich betone, WAR, ein Austragungsort großer Kämpfe gegen die Sauhagians und die Schattenlords…“

„Den Bollenbacherhof darfst du nicht vergessen!“, warf Lukas, der Vizebürgermeister ein.
„Ja, natürlich. Der Bollenbacherhof steckt uns jetzt noch in den Knochen“, bestätigte Marlen. „Aber damit ist es vorbei. Noric lebt grundsätzlich in Frieden. Und dass meine Lanze jetzt nach Jahren der Präsenz hier abgezogen wird ist richtig und auch für uns wichtig. Wir wollen Urlaub machen, wieder Waffentrainings genießen und unsere SERAN Anzüge überholen lassen. Danach wollen wir an einen Ort, wo sich auch etwas tut. Geschichte wird derzeit im Süden von Caltha gemacht. Da braucht uns der Rat von Arca-Nihil. Lentanos Leute sind gut. Er war mit der 7’ten Legion in Nexal und hat gegen die Kurraks gekämpft. Wer das überstanden hat ist ein Held. Ich will nichts mehr von mangelnder Kampfkraft, oder so hören. Ihr seid ein kleines, zugegeben, exponiertes Dorf, dem man eine ganze Lanze – 20 Mann – als Schutz zugesteht. Einfach so, damit ihr besser schlafen könnt. Ich bin zwar nur ein kleiner Captain, aber ich habe gute Beziehungen. Wenn ihr jetzt nicht sofort unterschreibt und wir die Zeremonie endlich beginnen können, werde ich nicht ruhen bis das Legionskommando jegliche Unterstützung für Noric verweigert. Dann könnt ihr zu eurem König nach Neophlan pilgern. Soll er doch selber für die Sicherheit in seinem Dorf bürgen.“

Nach einer theatralischen Kunstpause folgte noch ein,

„Also, hier ist der Stift.“

Heftig platzierte Marlen den erwähnten Stift auf den vor Martin liegenden offiziellen Papieren, wegen denen sie sich gerade in den Haaren lagen, und sah ihm dabei durchdringend in die Augen. So lange, bis Martin den Blickkontakt abbrach und seufzend den Stift in die Hand nahm, um ihn nachdenklich zwischen den Fingern zu drehen.

„Nun gut, ich wollte nur dass ihr nach eurem wohlverdienten Urlaub und Waffentraining wieder zu uns kommt. Wir vertragen uns so gut. Hier kennt euch jeder und ihr hättet es auch sehr schön.“

„Du vergisst, warum wir ursprünglich hergekommen sind. Wir testeten hier, vor vielen Jahren, die damals neue Mechtechnologie. Noric war ideal dafür, weil abgelegen. Nur wegen Dir, haben meine Männer und ich anschließend einige der besten Jahre unseres Lebens, bei Fischsuppe und Fischschnaps vergeudet.“

Ihre Worte waren etwas heftiger, als beabsichtigt. Aber sie wollte klarstellen, dass es ein endgültiger Abschied war. Auch wenn die Zeit für sie in Noric tatsächlich viel besser gewesen war, als Marlen jetzt zugegeben hatte.

Aber die Worte saßen. Endlich wurden die Dokumente alle unterzeichnet. Jetzt war es offiziell, dass ab 111.H01 Arca-Nihil Zeitrechnung (kurz ANZ) die 108.Schwere Lanze von der 464.Aufklärungslanze abgelöst wurde.

Bürgermeister, Vizebürgermeister, Captain Marlen Black und Leutnant Lentanos verließen das Besprechungszimmer im Rathaus und traten auf den in der Mittagssonne hell gleißenden Platz, vor dem Gebäude hinaus. Hier waren die beiden Lanzen vollständig angetreten. Bürgermeister, Gemeinderat, Sarnpriester und Apotheker vorneweg ging es nun im Festzug durch das kleine Dorf Noric. Hinter den Repräsentanten des Dorfes folgte die kleine Dorfkapelle, welche Marschmusik spielte. Dahinter gingen Blacks schwere Legionäre und am Ende des Zuges folgten die Aufklärer mit ihren 4 Pferden.

Der Umzug endete auf dem Dorfplatz, wo hunderte Schaulustige dem Spektakel beiwohnten. Die Legionäre nahmen Aufstellung vor der Tribüne. Auf Kommando schlugen alle 40 die Haken zusammen und salutierten. Akustisch war das recht beeindruckend, weil 18 SERAN Stahlstiefel und zwei Demon100 Mechfüße einen lauten metallischen Aufpralleffekt erzeugten.
Die danach herrschende Stille am Dorfplatz nutzend hielten der Bürgermeister, sein Vize und die beiden Lanzenkommandanten ihre Reden an die Legionäre und die Dorfbevölkerung.

Die Veranstaltung dauerte etwa eine Stunde. Danach marschierten die beiden Lanzen unter Applaus im Gleichschritt vom Dorfplatz. Die Neuankömmlinge nahmen den Weg hinauf zum alten Hippogriffturm. Das war seit jeher die Unterkunft von Legionären in Noric. Blacks Lanze marschierte hingegen zum nahe gelegenen Lufthafen und schiffte sich auf der dort wartenden ‚ANS Ravenstein‘ ein. Es war ein Luftschiff der Westendklasse und ausreichend geräumig für den Transport einer Lanze. Die Männer und Frauen der Lanze legten ihre Rüstungen ab und genossen den Flug nach Arca-Nihil.

Lucky – Schweine

Glücklich lag Lucky zwischen den Schweinen im Morast. Sein linker Fuß war unter einer dicken Bache begraben. Aber das störte Lucky nicht. Er hörte den Schweinen zu, auf welche Art sie grunzten und manchmal antwortete er auf einen Grunzlaut, ebenfalls grunzend. Er wusste nicht, ob die Schweine das verstanden, aber er glaubte Verständnis zu fühlen und das machte ihn froh.

Heute war es besonders schön und er hatte schon das ganze Tagwerk vollbracht. Also war er guter Dinge und fürchtete sich nicht vor dem Bauern. Denn, wenn er faul war, dann schimpfte der Bauer oft. Er erinnerte sich auch, dass er schon öfters verprügelt worden war. Und einmal, als er sehr unartig gewesen war, da hatte ihn der Bauer tagelang in einen dunklen Keller gesperrt. Damals war er sehr traurig gewesen, erinnerte er sich. Aber jetzt war alles schön. Das Wetter war schön. Die Schweine waren satt und glücklich. Er, Lucky, hatte sein Tagwerk schon vollbracht. Im Schlamm bei den Schweinen zu liegen war schön. Ach, wie war das Leben schön.

„Luucckkyy, Lucky, wo steckst du, du Schweinehund?“, hörte er den Bauern rufen.
Jetzt war ihm, als hätte er den Bauern schon öfters rufen hören.
Oje, da wird sich der Bauer aber ärgern, dachte Lucky bei sich und wollte aufspringen. Das ging aber nicht, weil ja die schwere Bache auf seinem Bein lag.
Lucky dachte nach.

Wenn ich nicht aufstehen kann, dann werde ich einfach rufen, beschloss er bedächtig aber bestimmt.

Er richtete sich so weit auf, wie er konnte. Aus dieser Position war der Bauer nicht zu sehen. Lucky war sich aber sicher, dass der Bauer ihn würde hören können.
„Hier bin ich Bauer, naga!“, rief er so lauf er konnte.

„Wo steckst du?“, der Bauer klang verärgert. Lucky bekam ein ungutes Gefühl.
„Im Schweinestall bin ich, naga“, antwortete er laut und beflissen.

„Komm her, ich brauche Dich!“

„Ich kann nicht, naga“

„Wenn ich Dich rufe hast Du zu kommen, aber dalli!“, rief der Bauer hörbar verärgert.

„Es geht nicht Bauer, naga!“ Lucky klang verzweifelt.

Inzwischen war der Bauer von selbst hergekommen, weil er einfach Luckys Rufen gefolgt war. Als er sah, dass Lucky mitten unter den Schweinen saß und deswegen nicht aufstehen konnte, begann er lauthals zu lachen.
Die Schweine wiederum erhofften vom Bauern Futter zu bekommen, richteten sich auf und trotteten zum Gatter.
Lucky war nun frei und stand ebenfalls auf.

„Komm her Lucky“, sprach der Bauer, in versöhnlicher Tonlage.

„Wir brauchen frisches Fleisch. Geh also ins Wildgehege und schnapp Dir einen der großen, wilden Eber. Hier, nimm das Messer und gib Bescheid, wenn ich das tote Schwein abholen kann. Verstanden?“

„Ja, Bauer, naga“, antwortete Lucky fröhlich und nahm das Messer.

„Ich mache mich gleich auf den Weg, naga.“

Folgsam trottete Lucky vom Hof weg, in Richtung Waldgehege. Das Gehege war riesengroß und er musste lange suchen, bis er einen der großen, fetten Keiler fand.

Der Keiler war ganz ruhig und ließ Lucky an sich herangehen. Lucky setzte sich neben das riesengroße Tier und begann es mit dem Messerknauf am Rücken zu kratzen. Der Eber grunzte zufrieden.

„Der Bauer braucht Fleisch, naga“, erklärte Lucky dem Tier die Lage.
„Darum werde ich dich jetzt töten, naga.“

Bei diesen Worten streichelte er zärtlich des Ebers Backen und kraulte ihm die Ohren.

„Schau, das Messer ist ganz scharf. Das werde ich dir jetzt in den Hals stechen, damit du schön verbluten kannst, naga.“

Etwas umständlich, aber doch treffsicher, stach er mit der großen Klinge, das sichtlich überraschte Tier, tief in den Hals. Der Eber wollte sich aufrichten, aber Lucky hielt ihn fest und umarmte ihn mit beiden Händen.

„Du wirst doch den armen Lucky nicht verlassen wollen. Ich bleib bei Dir und tröste dich, naga.“

Der Eber aber reagierte anders und griff jetzt seinerseits den hilflosen Lucky an. Da dieser keine Anstalten machte sich zu wehren, bohrte der Eber seine Hauer tief in Luckies Bauch und schlitzte diesen auf.

Währenddessen hielt Lucky noch immer den Griff des Messers fest umschlungen und führte den Schnitt so weit fort, dass des Ebers Kehle nun zur Gänze durchtrennt war und das Blut in Strömen pulsierend, aus der klaffenden Wunde rann. Es ergoss sich auf den unter dem Keiler am Boden liegenden Lucky.
Der Keiler lag in den letzten Zügen und wurde von Lucky unentwegt gestreichelt und getröstet, „Heute ist ein guter Tag zum Sterben, mein lieber Freund, naga“, sprach er in die abendliche Sonne schauend und hob die blutüberströmte Schnauze mit den riesigen Hauern aus seinem arg zugerichteten Unterleib.

„Bauer, naga“, rief er noch.

Igor – Abschied

„Noch ein Gläschen?“ fragte der Zwerg verschmitzt und Igor nickte beiläufig. Fast schon aus Gewohnheit blickte er dabei über die steinerne Terrassenbrüstung hinaus auf das weite Meer, wo sich die Sonne gerade zu einem fulminanten Untergang vorbereitete.

„Ich vermisse das jetzt schon“, seufzte Igor, nahm das neu gefüllte Glas in die Hand und prostete Drack zu.
„Kannst Du dich noch erinnern, als Du mir vor etlichen Monaten diesen komischen Witz erzählt hast?“, fragte er nachdem er das Glas in einem Zug geleert hatte.
Auf Dracks fragenden Blick hin ergänzte er, „Na, als du meintest ich könne, nach Tlinax gehen und berühmt werden. Jetzt ist es soweit. Nicht das Berühmt werden, meine ich.“

„Ah, den Witz mit dem Licht“, meinte Drack erfreut und unterdrückte ein Glucksen. „Ja, der ist echt witzig, wenn man ihn versteht.“

Die beiden feixten darüber noch eine Weile. Dann, zum Abschied machte Drack etwas, das er noch nie bei Igor gemacht hatte: er wurde vom Zwerg umarmt und es war Igor als sähe er eine Träne der Rührung in Dracks Augenwinkel, als sie sich endgültig trennten.

Schweren Schrittes ging er wie immer nach seinem sarntäglichen Besuch bei Bürgermeister Drack die paar Meter zu seiner Hütte, in einer Seitenstraße von Devenport. Dort ließ er sich in den Stuhl auf seiner Veranda fallen und blieb ruhig sitzen. Früher als sonst hatte er sich heute von Drack verabschiedet. Aber es wollte einfach nicht die übliche Stimmung aufkommen.
Immerhin war es das letzte Mal, dass er von Drack hierher gekommen war und das letzte Mal, dass er hier saß. Mehr als ein halbes Jahr war er jetzt schon auf der Insel und hatte sein Leben hier lieb gewonnen. Trotzdem war er hoch erfreut gewesen als er erfahren hatte, dass es nun so weit sei, ihn weiter ziehen zu lassen. Er solle sich bereit machen, um mit dem nächsten Luftschiff die Insel zu verlassen, hatte die Botschaft geheißen. Das Ziel wäre Tlinax, eine Stadt in der Arca-Nihil Föderation (ANF), wo er den Anschluss an eine Sippe finden sollte, um danach nach Arca-Nihil reisen zu können. Igor freute sich ungemein auf diese Aussicht, aber jetzt war er sehr traurig, Lebewohl sagen zu müssen.
Die letzte Nacht in seinem Bett hier verbrachte er sehr unruhig. Immer wieder träumte er bruchstückhaft von Marjeka, seiner Begleiterin von der Erde, die zu ungeduldig gewesen war und vor Monaten auf eigene Faust, schwimmend, aufgebrochen war. Ob er sie wohl je wiedersehen würde? Tlinax war gar nicht so weit von der Küste weg, hatte ihm jemand gesagt.

Am Morgen gab es ein kleines Abschiedsfest für ihn. Alle Einwohner von Devenport Island sprachen noch einmal mit ihm, schüttelten ihm die Hände oder steckten ihm ein kleines Geschenk zu. Die Kinder sangen ein Abschiedslied und Bruder Tom sprach ein feierliches Gedicht und segnete Igors Rucksack im Namen Gorfans und der übrigen Götter. Igor taumelte wie im Traum durch diese Feierlichkeit. Dabei bemerkte er erst recht spät das sich annähernde Luftschiff.
Das Luftschiff war recht groß, die ‚ANS Cargo‘ der True-World-Company (kurz TWC) war ein Schiff der mächtigen Stonehavenklasse und der Ballonkörper fast einhundert Meter lang.

Es wurden ein paar Kisten aus- und eingeladen. Das ging so schnell, dass Igor kaum Zeit für eine letzte Abschiedsrunde blieb. Dann händigte er seinen Rucksack einem Bootsmann aus und wurde von starken Händen, durch die Ladeluke ins Schiffsinnere hochgezogen.

Fast blind wegen seiner tränenden Augen verfolgte er, wie die Leinen eingeholt wurden und das Luftschiff langsam an Höhe gewann. Die winkenden Menschen am Lufthafen wurden kleiner und kleiner, aber er blieb an der offenen Ladeluke stehen und winkte weiter, obwohl bald nur mehr das offene Meer zu sehen war.

„Komm Alter, du musst von der Ladeluke weg, sonst fällst du uns vor Heimweh noch runter“, sagte eine freundliche Stimme. Er machte einen Schritt zurück und beobachtet, wie der Mann die Ladeluke verschloss und mit einem Riegel sicherte.

„Willkommen auf der Cargo“, sagte der bärtige Kapitän und führte ihn zum Passagierbereich.

Helmut Solo von Olbia – Sonderlieferung

Sir Helmut Solo von Olbia residierte gerade in seinem großzügig angelegten Herrschaftshaus mit Garten, welches sich in der Stadt Stonegate, etwa 20 Kilometer südlich von Arca-Nihil befand. Stonegate war auch der Sitz des ANF Rates, und Sir Helmut als AN Botschafter im ANF Rat war darum gut beraten, hier in Stonegate zu wohnen, um möglichst schnell mitzubekommen, wenn sich in einer der ANF Nationen eine gefährliche Situation anbahnen sollte.

Sir Helmut saß in der Gartenlaube und nahm gerade ein reichhaltiges Frühstück ein. Dabei war er lediglich in Gesellschaft seines treuen Liebwächters Vorr, der normalerweise nie von Sir Helmuts Seite wich.

Garand, einer der beiden Sekretäre betrat den Garten und näherte sich zögernd. Er hielt ein Dokument in der Hand, mit welchem er leicht wedelte, um die Aufmerksamkeit des Botschafters zu erlangen.

„Welche Sorge führt dich zu mir, wenn doch das Wetter derart schön ist und das Frühstück so gut mundet?“

„Nichts von Belang, Sir Helmut, aber du selbst hast angeordnet, dass auch die kleinste Kleinigkeit, welche uns zukommt, sofort an deinen Tisch zu tragen sei. Diese Order führt mich nun herbei.“, kam es aus Garands Mund und Sir Helmut war sich nicht sicher, ob der sonst so trockene Garand zufällig gereimt hatte, oder er ihn aufziehen wollte.

Das Dokument entpuppte sich als offizielles Ansuchen der Stadt Tlinax. Der Bürgermeister bat aufgrund ‚besonderer Umstände‘, um eine Sonderlieferung Paratechnikum. Er nannte 2.000 Stück des kostbaren Energiespenders als wünschenswert.

Sir Helmut gefiel das überhaupt nicht. Nach dem Frühstück berief er seinen Stab ein und man überlegte, wie auf diesen Wunsch zu reagieren sei.

Arca-Nihil gab jedes Jahr gewisse Mengen an Paratechnikum zu sehr geringen Kosten an ANF Nationen aus, damit diese es für nützliche, oder aus ihrer Sicht interessante Dinge verwenden konnten. Moxluxko zum Beispiel experimentierte mit elektrisch betriebenen Lokomotiven und Tlinax war bekannt dafür, all sein Paratechnikum für eine exklusive Straßenbeleuchtung zu vergeuden. Warum wollten sie jetzt mehr?
Wenn diese Forderung einfach erfüllt würde, spräche sich das in der ANF herum und Arca-Nihil wäre mit einem Rattenschwanz an Forderungen über Zusatzlieferungen des begehrten Rohstoffes konfrontiert.
Einfach ignorieren oder verwehren konnte man die Anfrage aber auch nicht. Tlinax war ein wichtiger Partner für Arca-Nihil und verdiente eine respektvolle Behandlung.

Also wurde beschlossen eine diplomatische Reise nach Tlinax einzufädeln und die Sache vor Ort zu klären.
Für diese Aufgabe wurde, wie immer, das Luftschiff ‚ANS Groundlift‘ nach Stonegate bestellt, um Sir Helmut und seine Begleitung sicher nach Tlinax zu bringen.

Kurz vor Abflug erfuhr Sir Helmut aus sicherer Quelle, dass General Hisssa, das Krokodil, derzeit in Tlinax weilte. Also wurde ein weiteres Telegramm nach Tlinax gesendet, um auch Hisssa zum offiziellen Empfang einzuladen. Die Gelegenheit den berühmten Heerführer von Raganos zu einem Gespräch treffen zu können, wollte sich der Botschafter nicht entgehen lassen.

Igor – Reise im Luftschiff

Das Luftschiff war groß und geräumig. Viel größer als jenes mit dem er nach Devenport Island gebracht worden war. Das Schiff mit dem er flog, war von der Stonehavenklasse und mit einer 21 Meter langen und sechs Meter breiten Gondel bestückt. Das wurde ihm vom Kapitän erklärt. Dazu kam, dass im vorderen Bereich, wo es eine eigene Kabine für den Kapitän gab, auch eine Wendeltreppe vorhanden war, über welche man eine Etage nach unten gehen und die dort befindliche ‚Kommandozentrale‘ aufsuchen konnte. Diese war sechs Meter durchmessend und achteckig mit Fenstern nach allen Seiten. Dadurch hatte die Zentralenbesatzung einen wunderbaren Überblick in alle Richtungen. Igor wurde es erlaubt, sich hin und wieder hier aufzuhalten. Dann konnte er den Piloten, den Navigator oder den Kapitän bei der Steuerung des Schiffes beobachten.

Es gab etliche Hebel und Schalter zur Kontrolle der Motoren, einen Höhenmesser, eine Geschwindigkeitsanzeige, einen Windmesser, sowie diverse andere Anzeigen für Batteriestand, Innentemperatur, Außentemperatur und so weiter. Daneben befand sich auch ein einfaches Funkgerät, welches aber eine sehr beschränkte Reichweite hatte und während dieses Fluges eigentlich keine Rolle spielte.

Die Gondel bestand im Wesentlichen aus dem vorderen Bereich für die Besatzung mit Wendeltreppe, Besatzungsunterkünften und Kommandobrücke, einem hinteren Bereich, wo entweder Tiere oder heikle Ladungen transportiert wurden und einem großen mittleren Bereich, worin sich die meiste Ladung und die Passagiere verstauen ließen. Dieser Raum maß etwa siebzig Quadratmeter. Die Hälfte des Raumes war mit Fässern und Kisten vollgestopft. Nur ein kleiner Spalt ließ einen in den hinteren Bereich des großen Raumes vorstoßen. Dort befanden sich die einzigen Gäste außer Igor. Es waren acht Indios auf dem Weg nach Arca-Nihil. Allesamt waren es Jugendliche, denen eine Ausbildung und Arbeit angeboten worden war. Sie waren recht eingeschüchtert und verließen ihr Lager während des ganzen Fluges nicht.
Igor hingegen besuchte sie mehrmals um sich mit ihnen zu unterhalten. Das ging nur nonverbal, weil er ihre Sprache nicht verstand. Sie sprachen kein ANOS. Neben seinen Ausflügen in den hinteren Bereich, kletterte er auch öfters auf die Galerie des Schiffes. Man konnte nämlich an der Außenseite eine Leiter hochklettern und befand sich dann auf dem Dach der Gondel. Auch dort waren einige sperrige Ladegüter verstaut, aber der größte Teil der Fläche war frei. Hier saß er oft an das Geländer gelehnt und schaute tagsüber auf das Meer unter ihnen, oder während der Nacht in den Sternenhimmel, der allerdings zu einem großen Teil vom Ballonkörper des Luftschiffes verdeckt war.

Während er einmal so in den Sternenhimmel blickte, erinnerte er sich an die schon über ein Jahr zurückliegende Reise mit dem Fischkutter Richtung Eismeer. Damals hatte er mit Tulcinea den Sternenhimmel der Erde bewundert und sie hatte ihn damals ermahnt sich alles gut zu merken, weil er es vermutlich nie wieder sehen würde. Gerne hätte er sie jetzt hier gehabt und mit ihr dieses Gespräch fortgeführt.

Eigentlich hatte er ja gehofft Tulcinea wiederzusehen, wenn er Devenport Island verlassen würde. Aber statt ihr kam dann Iwan. Diesem war aufgetragen worden die Drucker und Computer im Forschungslabor weiter zu betreuen, weil doch Igor jetzt weggehen würde. Es war ein großes ‚Hallo‘ gewesen, als sich die beiden Russen in die Arme gefallen waren. Aber wirklich viel zu sagen hatten sie sich nicht gehabt.

Er hatte Iwan gut eingeschult und sie verbrachten etliche Abende bei guten Getränken, alte Lieder aus der Heimat singend. Das hatte die Leute von Devenport Island damals recht beeindruckt. Drack lernte daraufhin sogar den Text von ‚Kalinka‘ auswendig.

Jetzt saß er auf der Galerie des Frachtluftschiffes, hielt eine warme Tasse Tee in der Hand und blickte auf die näher kommende Küste hinab. An einer Stelle glaubte er eine Siedlung zu erkennen. Das musste Moxluxko sein. Die südliche Hafenstadt, zu welcher Marjeka damals mit dem Floß beziehungsweise schwimmend aufbrechen wollte. Ob sie je dort angekommen war?

Igor nahm sich fest vor, so bald als möglich nach Moxluxko zu reisen und zu fragen, ob jemand eine verrückte Schwimmerin gefunden oder zumindest gesehen hatte.

Der Gedanke war bald schon wieder fort, denn er war nach der Überquerung der Küste vollauf mit der Studie der langsam unter ihm vorübergleitenden Landschaft beschäftigt. Ein Luftschiff war in der Hinsicht das Tollste, was er je erlebt hatte. Es bot die Gemütlichkeit einer Ballonfahrt, kombiniert mit einer respektablen Reisegeschwindigkeit. Der Pilot hatte ihm gesagt, dass sie mit etwa 70 Kilometern je Stunde reisten und die Flughöhe etwa 2.000 Meter betrug.

Er konnte gut einige Straßen, Felder, Weiden und Gehöfte erkennen. Etwas östlich verlief eine gerade, leicht geschwungene Linie. Das musste die Eisenbahnlinie Moxluxko-Goorgur sein, von der ihm Drack erzählt hatte. Leider sah er keinen Zug fahren. Insgesamt schien die Gegend sehr dünn besiedelt zu sein. Es erinnerte ihn an die Aussicht, die man in Sibirien oft hatte, wenn man mit dem Flugzeug darüber hinweg flog.

Der Hunger trieb ihn nach unten, weil der Schiffskoch auf der kleinen elektrischen Kochplatte damit begonnen hatte Spiegeleier mit Speck zu braten. Kaum angekommen bekam er einen Teller mit der leckeren Speise, schnappte sich dazu eine Scheibe Brot und setzte sich an den von der Wand heruntergeklappten Esstisch, um sein Frühstück zu genießen.

„Es ist schön zu sehen, dass du so eine Freude an dem Flug hast, Igor“, sprach ihn der Kapitän von hinten an und setzte sich zu ihm.

„Noch eine Stunde und wir landen in Tlinax. Besser du suchst deine Sachen schon mal zusammen.“

„Ich könnte den ganzen Tag auf der Galerie sitzen und runterschauen“, gestand Igor.

„Das wird sicher nicht mein letzter Flug bleiben.“

Igor – Erster Eindruck

Da stand er nun auf einer Wiese mit hölzerner Landeplattform. Zwei Männer waren noch dabei, die Seile aufzurollen und in fest montierten Kisten zu verstauen. Die Motoren der ‚ANS Cargo‘ brummten gemächlich, sich vom Lufthafen entfernend. Igor konnte gerade noch so die Gestalt des Kapitäns erkennen, der sich aus der Ladeluke hängen ließ, vermutlich um den Fahrtwind zu genießen.

Der Abschied war kurz aber herzlich gewesen. Die Crew des Luftschiffes bestand aus lauter anständigen Kerlen, mit denen er sich wunderbar verstanden hatte.

Nur war er jetzt hier ganz allein. Eigentlich hätte ihn eine Frau aus Arca-Nihil abholen sollen - eine Marlen. Aber sie war nicht da und sonst auch niemand.

Weil es ein sehr sonniger Hirkemtag war, nahm er seinen Rucksack und stapfte den Weg entlang auf eine Baumgruppe zu, um sich erst mal Schatten zu suchen.

„Ausgesetzt wie ein junges Kätzchen?“, fragte eine volle Stimme aus dem Schatten des ersten Baumes. Igor hatte gar nicht bemerkt, dass doch jemand da war. Ein leicht molliger Uniformierter stand da, an den Baum gelehnt und hatte sich gerade zum Reden einen Strohhalm aus dem Mund genommen. Jetzt steckte er ihn sich wieder hinein und ließ ihn lässig aus dem Mundwinkel hängen.

„Guten Tag Herr Wachebeamter“, antwortete Igor verdutzt, „eigentlich hätte mich jemand abholen sollen.“

„Ich wusste gar nicht, dass heute eine Landung vorgesehen war. Erst vor einer Stunde hat sich die Cargo für eine anstehende Landung gemeldet. Warum die Eile?“

„Also das weiß ich auch nicht.“, stammelte Igor, am falschen Fuß erwischt. „Das wurde alles für mich organisiert und ich kenne mich da jetzt auch gar nicht aus. Aber in Tlinax bin ich schon, oder?“.

Jetzt musste der Fremde doch schmunzeln, trat aus dem Schatten hervor und reichte Igor die Hand.

„Herzlich Willkommen in Tlinax. Mein Name ist Tobias, Tobias Mor und ich bin der Hauptmann der Stadtwache. Normalerweise sind wir hier recht gastfreundlich. Aber weil gerade viel gestohlen wird, bin ich ein wenig misstrauisch und schaue mir alle Unbekannten zuerst einmal genau an.“

„Danke für die Begrüßung und sorry wegen der Probleme. Ich bin Detektiv müssen sie wissen. Vielleicht kann ich ja helfen?“

„Na, dich schickt der Himmel“, gluckste Tobias, der jetzt persönlicher wurde, „aber ich denke jetzt solltest du dich erst mal von der Reise erholen. Gehen wir ins ‚Willkommen‘ und ich erzähle dir ein wenig von unserer schönen Stadt, bis wir wissen, wer dich abholen soll. Außerdem würde mich interessieren, was Du von den frechen Diebstählen hier hältst.“

Igor bekam vom Hauptmann eine Führung durch die Stadt. Es war eigentlich ein kleines Örtchen von ein paar tausend Seelen, aber nach dem langen Aufenthalt auf der fast unbewohnten Insel kam es Igor vor, als wäre er jetzt in Moskau und marschierte über den roten Platz. Tlinax war hauptsächlich um einen großen Platz herum angeordnet. Mitten am Platz waren das Rathaus und ein Museum. Beides waren beeindruckende, relativ alte Gebäude. Es gab zwei Springbrunnen, einen kleinen Park mir riesigen, uralten Baumriesen und darum herum schöne, bunte Bürgerhäuser. Dahinter gab es ein Gewirr kleinerer und größerer Gassen, welche vom Zentrum weg immer weniger verbaut waren und dann in kleinen Gehöften, Wiesen und Feldern endeten beziehungsweise zu Feldwegen wurden.

Auf einer Seite der Stadt befand sich ein etwa fünfzig Meter hoher grasbewachsener Hügel, welcher von einer alten Holzpalisade gekrönt war.

Tobias brauchte auf die eigentliche Sehenswürdigkeit nicht hinzuweisen, weil Igor ja schon lange darüber Bescheid wusste und es auch nicht zu übersehen war. Der ganze Hauptplatz, der Pfad zum Hügel hinauf und die hölzerne Burg – überall da waren in gleichmäßigem Abstand wunderschöne, gusseiserne Laternenpfähle mit anmutig geformten, aufgesetzten Glaskolben platziert. Tlinax war ‚weltberühmt‘ für seine opulente Straßenbeleuchtung.

Igor dankte dem Hauptmann für die tolle Führung, indem er ihn zum Essen ins ‚Willkommen‘ einlud. Es gab gerade frisches Wildbret mit Beilagen. Dazu kühles Bier. Die beiden langten bei Speis und Trank recht gut zu und verbrachten einen genussvollen Nachmittag.

Marlen – Black Sippe

Von der offenen Kutsche aus hatte sie einen guten Ausblick und deshalb natürlich das aus Fahrtrichtung, also von Tlinax, kommende Luftschiff am Himmel wahrgenommen. Aus Erfahrung schätzte sie, dass es sich um ein Schiff der Stonehavenklasse handeln musste und es darum ziemlich sicher die ‚ANS Cargo‘ sei.
Innerlich verfluchte sie ihren Neffen, der sich anscheinend im Landedatum geirrt hatte. Marlen wollte pünktlich am Lufthafen sein und den Gast aus Devenport Island selbst abholen. Hätte sie gewusst, dass die Landung schon heute sein würde, hätte sie jemand anders gesendet, oder sich mit ihrer Anreise mehr beeilt.
So aber hatte sie ein wenig getrödelt, die Schattenburg besucht und einen Abstecher nach Goorgur zum Einkauf von Spezialsalzen genutzt. Die schweren Salzsäcke drückten jetzt auf die Federblätter der Kutsche und auf ihr Gewissen.

Sie herrschte den Kutscher an, sich doch ein wenig mehr zu beeilen. Dem zweiten Reisenden, einem älteren Geschäftsmann aus Pawn, war das seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen gar nicht recht, aber er traute sich nicht, der resoluten Frau zu widersprechen.

Also erhöhte der Kutscher die Geschwindigkeit seines Zweispänners und begann nun ungeduldig, langsamer Reisende auf der gut gepflasterten Straße zu überholen. Dieses Verhalten führte zu Stress und einem reduzierten Reisevergnügen.

Aber Black wollte unbedingt zumindest vor Einbruch der Dämmerung am Lufthafen von Tlinax ankommen.

Als sie dann tatsächlich am späten Nachmittag mit erschöpften Pferden den Lufthafen erreichten, fanden sie diesen aber verlassen vor. Einige Kisten und Fässer standen herum und waren vermutlich für den nächsten Transport vorgesehen. Aber kein Mensch ließ sich blicken.

Also machten sie sich auf den Weg in die Stadt. Eine paar Zwischenstopps und Anwohnerbefragungen später stoppte die Kutsche vor dem ‚Willkommen‘. Marlen stieg mit etwas unsicheren Schritten aus, richtete sich ihre Freizeituniform zurecht und betrat das Lokal. Dort war einiges los und es dauerte eine Weile, bis sie ihren Gast in einer Runde einheimischer Arbeiter erkannte. Er hatte tatsächlich einen wilden Bart und war salopp gesagt, recht wohl genährt.

Als sie sich dem Tisch näherte, bekam sie mit, dass einer der Arbeiter gerade einen Witz zu erklären schien. Das Gespräch verstummte aber, als sie näher kam. Die Strenge Ihrer Erscheinung bewirkte das meistens. Sie hatte eine befehlsgewohnte Aura und das spürten die einfachen Leute, schwiegen und warteten darauf, was diese Autorität zu sagen hatte. So hatte sie dieses immer wieder auftretende Phänomen für sich erklärt und genoss den ihr entgegengebrachten Respekt auch immer wieder.

Die Vorstellungsrunde fiel kurz aus und schon wenige Minuten später, saß ein leicht angetrunkener Igor neben Marlen in der Kutsche und sie fuhren aus der Stadt hinaus.

„Danke, dass sie mich abgeholt haben“, sagte Igor leicht lallend.

„Meine Informationen waren falsch. Eigentlich wollte ich dich am Lufthafen, bei der Landung in Empfang nehmen. Aber so hast du zumindest schon ein wenig unsere Lokalszene kennen gelernt.“, sagte sie ein wenig schnippisch.

Igor, dem das Schnippische anscheinend entgangen war, entgegnete gut gelaunt, „Ja, das ‚Willkommen‘ ist voll mit netten Leuten, die Stadt wunderschön und einen Job hab ich auch schon.“

Black runzelte die Stirn und fragte dann nach.
Als sich herausstellte, dass Igor mit dem Chef der Stadtwache unterwegs gewesen war und von diesem als Ermittler in Sachen Paratechnikumdiebstahl angeheuert worden war, wurde sie ärgerlich.

„Wurde nicht vereinbart, dass du dich unauffällig verhältst? Zumindest solange, bis wir dir zu einer neuen Persönlichkeit verholfen haben? Du weißt ja jetzt noch gar nicht wer du dann sein wirst. Was hast du denn dem Hauptmann erzählt, dass er dich angeheuert hat?“

„Liebe Frau. Im letzten Brief an den Herrn Mönich habe ich das auch schon geschrieben. Ich kann mich zwar manchmal ein wenig verstellen. Aber mein ganzes Leben lang zu tun, als wäre ich wer Anderer das geht nicht. Zu Tobias habe ich gesagt, dass ich schon oft als Detektiv gearbeitet habe und ich ihm gerne helfen würde. Bezahlung nur auf Erfolgsbasis. Das hat ihm gefallen. Meine Erzählungen zur russischen Mafia haben ihn allerdings ein wenig verwirrt, denke ich.“

Captain Black war eine viel zu beherrschte Person, um jetzt ausfallend zu werden. Deshalb beschränkte sie sich auf den Hinweis an ihren Gast, dass eine Angabe der echten Identität ihn zu einem ‚bunten Hund‘ machen würde. Kein einziger Erdling gab sich bisher als solcher zu erkennen. Und Feinde Arca-Nihils würden großes Interesse daran haben, Informationen über die Erde zu bekommen. Bei diesen Vorwürfen beließ sie es allerdings. Ihre Aufgabe würde dadurch schwieriger werden. Um alles andere müsse sich dann die ANKH, oder die EFANA kümmern. Sie würde das lediglich berichten.

Bei Sonnenuntergang kamen sie am Ende eines Feldweges auf einem Bauernhof an. In Koppeln standen die Pferde. Hühner, Enten und Schweine waren noch im Hof unterwegs. Die Kinder spielten fangen und Berta, Konrad und Kurt kamen zur Kutsche. Es gab eine recht freundliche Begrüßung für Marlen, welche auch von den Kindern umarmt wurde und ein freundliches „Hallo“, für Igor, den Besucher.

Nachdem die Kutsche entladen war – es waren etliche Koffer, Igors Rucksack und vier schwere Säcke voller Salz zu transportieren, durften Igor und der Kutscher in der Küche Platz nehmen. Langsam trudelten alle Bewohner des Bauernhofes ein und der Küchentisch wurde voll.
Bis es so weit war, wurde dem Kutscher als einzigem ein deftiges Abendessen aufgetischt. Als er damit fertig war, wurde er für die Reise ausbezahlt und zurück nach Tlinax geschickt. Marlen wollte, dass man ‚unter sich‘ war und der Kutscher passte da nicht dazu.

Zum eigentlichen Abendessen versammelte sich jetzt jener Teil ihrer Sippe, welche den Bauernhof bewirtschaftete. Sie hatte sich mit Berta und Konrad vor dem Abendessen noch eine Weile zurückgezogen und abgestimmt. Immerhin hatten sie sich monatelang nicht gesehen.

Am Esstisch wurde es dann recht offiziell.
„Liebe Familie, das ist also Igor. Er soll von uns als Gast aufgenommen werden und somit Teil der Black Sippe werden. Ich habe erfahren, dass er ein recht umgänglicher Kerl ist, der zu uns passen sollte. Leider will er auf seine Tarnung verzichten und seine wahre Identität preisgeben. Er wird jetzt einmal, bis in den Sega hinein bei uns bleiben und dann nehmen wir ihn mit nach Arca-Nihil. Was meint ihr?“, sprach Marlen und blickte auffordernd in die Gesichter der Anwesenden.

Die Kinder schauten zu Igor hinüber. Immer wenn er ihren Blick erwiderte, versteckten sie ihre Gesichter unter dem Tisch, oder im Rücken eines anderen Kindes und kicherten. Es waren zwei Mädchen und ein Bursche.

Kurt sprach als Erster. „Wir haben das hier schon mehrmals besprochen. Wenn du meinst es passt, dann sind wir auch dafür, Marlen. Er kann gerne auf dem Bauernhof wohnen, uns helfen, oder auch nicht. Aber dass er auf die Tarnung verzichtet, das gefällt mir gar nicht.“

Dabei schaute er Igor direkt an und setzte fort, „Wir wollen keine Schwierigkeiten. Und ich glaube du hast keine Ahnung, wer sich alles für dich interessieren könnte!“

Grundsätzlich wurde Igor recht freundlich aufgenommen und hatte auch gleich Gelegenheit, ein paar Anekdoten aus seinem Leben zum Besten zu geben. Marlen war froh, dass Igor gut ankam und ihre Sippe sich mit ihm verstand.

Vor dem Schlafengehen überreichte sie ihm das bronzene Gästeband der Blacks.
„Dieses Band dient dir als Ausweis. Ab jetzt gehörst du zu uns. Wir sind für dich verantwortlich und du für uns. Also stimme bitte deine Handlungen mit uns ab und berücksichtige das.“

Igor zeigte sich tief beeindruckt, nahm das Band dankend entgegen und legte es an.

„Es ist mir eine große Ehre jetzt ein Black zu sein. Ich werde darauf achten euch keine Probleme zu machen“, sagte er ehrfürchtig.

„Du bist jetzt kein Black, sondern nur ein Gast der Blacks“, war es Marlen wichtig klarzustellen, „und das mit den Problemen. Nun, wir werden ja sehen.“

Konrad führte Igor zu seinem Zimmer, zeigte ihm auch den Waschraum und wo sich die Toilette befand.
„Gute Nacht Igor.“
„Gute Nacht Konrad. Vielen Dank für die freundliche Aufnahme.“
„Keine Ursache.“

Igor – Boizenburger

Der Hahn krähte morgens und weckte Igor früher als ihm lieb war. Etwas benommen lag er noch einige Zeit in den weichen Kissen, bis er sich wieder zurechtgefunden hatte. Nach der Reihe suchte er Toilette und Waschraum auf.

Erst als er die Stiege hinunter ging um sich nach einem Frühstück umzusehen begegnete er Kurt, der einen Korb voller Eier Richtung Küche transportierte.
Man tauschte ein, „Guten Morgen“, aus und Igor trottete ihm in die Küche nach.
Irgendwie war er noch nicht so recht in seinem neuen Umfeld angekommen und fühlte sich nicht als ‚Gast‘ der Blacks.

Trotzdem wurde es ein guter Start in den neuen Tag. Sie saßen zu neunt am Frühstückstisch. Es wurde gelacht und gescherzt. Konrad erkundigte sich bei ihm, ob er nicht Lust hätte ihm zu helfen. Beim Nachbarbauern wäre Fleisch abzuholen.

Gerne sagte er zu und befand sich darum schon kurz nach dem Frühstück auf dem Kutschbock und war mit Konrad auf dem Weg zum Boizenburger Hof.

Von Konrad erfuhr er auf dem kurzen Weg, dass der Boizenburger Bauer eine große Schweineherde mästete. Der Großteil der Schweinemast wurde für Arca-Nihil betrieben. Ende Hirkem, also recht bald, gab es da immer ein großes Schlachtfest und danach wurden einige Tonnen Fleisch per Luftschiff nach Arca-Nihil transportiert. Dazwischen schlachtete der Bauer einzelne Tiere und versorgte damit die Nachbarn und Kundschaft in Tlinax.

Der Weg führte zuerst über eine große Weide und danach durch einen Buchenwald. Die Blätter hatten bereits eine herbstliche Färbung und bedeckten gemeinsam mit Bucheckern auch schon üppig den Waldboden. Strahlen der Morgensonne durchbrachen das nach wie vor dichte Laubdach und ließen einzelne Flecken am Boden hell leuchten. Vögel sangen und ein paar Frischlinge flohen vor dem Fuhrwerk ins Unterholz. Igor war voller Staunen für das schöne Naturschauspiel und wurde erst durch Konrad auf die Veränderung aufmerksam.

„Riechst du es?“ fragte dieser ihn.

Und tatsächlich nahm er jetzt einen intensiven Geruch wahr. Es roch nach Schweinestall und man hörte auch schon ein vielstimmiges Grunzen und Quieken aus der Ferne.

Der Wald wurde von einem massiven Holzzaun durchschnitten und dahinter sah man schlammige Erde, immer wieder mit trüben Pfützen durchsetzt. In Gruppen, oder auch einzeln waren kleine und große Schweine auszumachen. Die meisten dösten vor sich hin. Einzelne Tiere schnüffelten und gruben im Schlamm herum, oder waren an einer, am Zaun gelegenen Futterstelle.
Das Gehege war laut Konrad nur eines von vielen. Als das Fuhrwerk den Wald verlassen hatte und auf einer weiten baumlosen Fläche ankam, war diese fast vollständig mit Zäunen durchsetzt, in der Mitte Platz für eine Ansammlung von Holzgebäuden lassend. Der Boizenburger Hof zeigte sich nun in seiner ganzen Pracht.

Seinem beruflichen Instinkt folgend fiel ihm auf, dass es hier viel zu viele Schweine gab. Einmal Detektiv, immer Detektiv dachte er über sich selber erheitert und wandte sich an Konrad.

„Wie kann der Bauer so viele Schweine durchfüttern? Er hat ja fast keine Anbauflächen.“

„Siehst du den befestigten Weg da hinten? Der führt zur Hauptstraße nach Tlinax. Eine Menge Bauern versorgen den Boizenburger. Wir in Tlinax sind da schon recht modern und eher spezialisiert, als zum Beispiel die Bauern von Richland. Dort macht jeder sein eigenes Ding.“

Igor entschuldigte sich bei Konrad für seine ungebührliche Neugier und beschränkte sich jetzt wieder auf das Beobachten.

„Was macht denn der da?“ fragte er dennoch kurz darauf erstaunt.
Zwischen den Schweinen lag eine menschliche Gestalt. Nur in Lumpen gekleidet und von Kopf bis Fuß verdreckt. Der Mann lag mitten in einem Rudel und ruhte mit seinem Kopf an der Flanke eines Keilers. Die Augen des Fremden waren auf die Kutsche gerichtet und seine Gesichtszüge ließen ihn dabei fröhlich erscheinen.

„Das ist Lucky, der Knecht der Boizenburger.“, antwortete Konrad.

„Der hat nicht alle Tassen im Schrank, der arme Hund“, ergänzte er.
Igor ließ das im Raum stehen und starrte unverwandt zu dem Knecht hinüber. Als die Kutsche schon lange vorbei war blickte er immer noch zurück.

Vor dem Hof hielten sie die Kutsche an. Ein junges Mädchen, das sich als Celia vorstellte kümmerte sich um die Pferde und die Besucher marschierten zum Hauseingang, wo Bauer und Bäuerin auf die Ankömmlinge warteten.

Für den Gast der Blacks waren Begrüßung und Gespräch recht uninteressant und belanglos. Die Blacks und die Boizenburger schienen gut befreundet zu sein und Konrad machte keine Anstalten den Fleischhandel zügig abzuschließen. Deshalb erkundigte sich Igor, ob er sich ein wenig umschauen könne und verließ, nachdem der Bauer zugestimmt hatte, die Runde in Richtung Schweinsgehege.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783739426587
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
Diplomatie Freundschaft Abenteuer Monster Jagd Reise Fremde Detektivgeschichte Science Fiction Space Opera

Autor

  • Arnold Nirgends (Autor:in)

Arnold Nirgends ist gelernter Starkstrommonteur, Nachrichtentechniker und Wirtschaftsinformatiker. Seit etwa zwanzig Jahren bastelt er hobbymäßig an der Ausgestaltung einer fiktiven Welt namens Arca-Nihil. Und um dieser Welt nun auch ein wenig Leben einzuhauchen begann er 2016 damit Romane zu schreiben. Seine Vorbilder sind z.B. Isaac Asimov (Der Tausendjahresplan), Stanislaw Lem (Solaris, Der Unbesiegbare) , Larry Niven (Ringwelt) und Frank Herbert (Der Wüstenplanet).
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Titel: Das Geheimnis der verbotenen Zone