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New York Bad Boy

Romance

von Lauren S. Klinghammer (Autor:in)
302 Seiten
Reihe: Zoe-Cooper-Trilogie, Band 1

Zusammenfassung

Niemals, Zoe Cooper! Niemals wirst du nur eine weitere Kerbe in seinem Bettpfosten sein! Aber er ist zu reich. Er ist zu heiß. Er ist zu gefährlich. Danny Smith ist ein Jäger. Ein verdammt attraktiver. Und ich bin seine Beute, die sich zu wehren versucht. Aber ich habe keine Chance gegen einen Profi-Aufreißer. Als New Yorks erfolgreicher Pick-up-Artist ist es Dannys Job, Frauen zu verführen. Als er den ersten Tag in der Agentur auftaucht, in der ich arbeite, kann ich den Kerl nicht ausstehen. Aber schon da mache ich mir was vor. Der Bizeps unter seinem Designer-Hemd kurbelt meine Fantasie so richtig an. Die Macht, die er ausstrahlt, zieht mich in seinen Bann. Mir wird klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich mit ihm im Bett lande. Bis er seine Krallen in mich schlägt und ich mich ihm hemmungslos hingebe. Vielleicht gelingt es mir ja, diesen Hengst zu zähmen. Indem ich sein Spiel nach meinen Regeln spiele. Und ihn zwinge, eine Entscheidung zu treffen: Ich oder die anderen Frauen. Ein turbulenter, in sich geschlossener Liebesroman mit heißen Momenten von der aufstrebenden Newcomerin Lauren S. Klinghammer. Dieses Buch enthält explizite Liebesszenen, Leidenschaft, Humor und einen Hauch Thriller.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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ÜBER DAS BUCH

Packend, unterhaltsam, spannend bis zur letzten Seite – endlich beginnt die vielversprechende Zoe-Cooper-Trilogie von Lauren S. Klinghammer!

Zoe Cooper ist überglücklich, als sie ihren heiß begehrten Job in der New Yorker Agentur Breitenschwerdt ergattert. Doch schon am ersten Tag muss sie den arroganten, wohlhabenden und unwiderstehlichen Pick-up-Artist Danny Smith als Neukunden betreuen. Einen Bad Boy, der es sich zum Beruf gemacht hat, mit Frauen zu spielen, und ein düsteres Geheimnis in sich trägt. Doch so sehr Zoe sich auch dagegen wehrt, mit seinen Muskeln, Tattoos und seiner atemberaubenden Ausstrahlung übt Danny eine enorme Anziehung auf sie aus.

Wird es Zoe gelingen, den unzähmbaren Pick-up-Artist für sich zu gewinnen? Oder verbrennt sie sich dabei die Finger?

"You know you’re in love when you can’t fall asleep because reality is finally better than your dreams."

DR. SEUSS

PROLOG

Sogar jetzt ringt er sich ein Lächeln ab, trotz seiner aussichtslosen Lage. Es ist dieses kraftvolle, zuversichtliche Lächeln, das mich von Anfang an in den Bann gezogen hat. Auch wenn ich lange, lange Zeit nicht wahrhaben wollte, dass ich mich Hals über Kopf in ihn verliebt habe.

Jetzt wird er festgenommen, hier, am John F. Kennedy International Airport in New York. Das Geräusch der klickenden Handschellen wird mich über Monate bis in den Schlaf verfolgen, mich nachts schweißgebadet hochschrecken lassen. Da kenne ich mich inzwischen gut genug.

»Mach dir keine Sorgen, mein Schatz«, sagt er sanft, als wäre ich diejenige, die von der New Yorker Polizei vor aller Augen abgeführt wird.

»Was geschieht hier nur?«, frage ich mit heiserer Stimme. Ich brauche alle Kraft, um gegen meine Tränen anzukämpfen und nicht durchzudrehen.

»Ich weiß es nicht«, antwortet er ernst, während die Männer in Uniform ihn in Richtung Ausgang bringen. »Aber wir stehen das gemeinsam durch, ja?«

Inzwischen hat sich eine Traube von Menschen um uns herum gebildet. Gaffer.

»Haut ab, kümmert euch um euren eigenen Mist!«, brülle ich ihnen entgegen. Vielleicht sind es die letzten Sekunden, in denen ich meinen Ehemann in Freiheit sehe. Ich presse meinen Mund auf seinen, keiner der umstehenden Polizisten wagt es, mich aufzuhalten. Ich spüre, wie meine Tränen fließen und sich auf meiner zum Kuss geformten Oberlippe sammeln.

»Ich liebe dich!«, schluchze ich.

»Ich liebe dich auch«, antwortet mein Mann, aber er klingt jetzt nicht mehr so gefasst. Seine Augen werden feucht.

»Sir, wir müssen los«, sagt einer der Polizisten mit Nachdruck. Die Liebe meines Lebens nickt, schaut mir tief in die Augen, ringt sich in seinem schmerzverzerrten Gesicht ein Lächeln ab und verlässt den Empfangsbereich des Flughafens mit Handschellen auf dem Rücken.

»Ich hole dich da raus!«, rufe ich ihm mit tränenerstickter Stimme nach, während er im Inneren des Streifenwagens verschwindet.

KAPITEL 1

Ein Jahr zuvor

Tausende Menschen wuseln kreuz und quer über den Times Square. Männer, Kinder und Jugendliche: Alle wirken abgehetzt und ich weiche dem endlosen Strom an Leuten aus, so gut ich kann. New York. Heute beginnt mein erster Tag in der Agentur Breitenschwerdt und bereits der Weg dorthin lässt mein Herz höherschlagen.

Es ist mein erster Job in einer Marketing-Agentur und dann auch noch im Big Apple! Die ersten 18 Jahre meines Lebens habe ich Jersey, New Yorks spießige Nachbarstadt, so gut wie nie verlassen.

Dann ging es für ein Bachelorstudium im Bereich Marketing nach South Carolina. Eigentlich sollte darauf nahtlos das Masterstudium folgen, wenn es nach Mom und Dad gegangen wäre. Aber ich hatte keine Lust auf noch mehr Theorie, ich wollte so schnell wie möglich in die Geschäftswelt da draußen, um Kampagnen zu entwickeln und Designs zu kreieren.

Und auf gar keinen Fall wollte ich nach meinem Studium wieder in Jersey versauern.


Geh nach New York, zu Breitenschwerdt.


Meine innere Stimme hatte selten so laut und deutlich in meinem Kopf gehämmert wie an diesem Nachmittag, als ich allein und verheult in meinem Kinderzimmer saß, während mir der Geruch von Pancakes in die Nase stieg, die meine Eltern zur Aufmunterung für mich gebraten hatten. Vielleicht war meine innere Stimme auch deswegen so eindringlich, weil Alex mich im letzten Semester meines Studiums verlassen hatte. Meine große Jugendliebe und erste Beziehung. Er kommt auch aus Jersey und studierte schon früher als ich – Jura in Philly.

Heute weiß ich nicht mehr, was genau uns auseinandergebracht hat: die Distanz, die Streits, sein Hang zum Alkohol oder alles zusammen.

Was ich aber weiß, ist, dass ich Zeit und Abstand brauche, um über ihn hinwegzukommen. Immerhin waren wir fünf Jahre zusammen, woran ich mich abends nach drei Tafeln Schokolade und in mein Kopfkissen heulend lebhaft erinnere.

Wenigstens sind diese schokoladenverschlingenden, tränenreichen Abende in letzter Zeit etwas seltener geworden, denn ich habe keinerlei Interesse daran, den Rest meines Lebens als übergewichtiger Single zuzubringen. Aber alles braucht seine Zeit und eine fünf Jahre andauernde Beziehung hinterlässt Spuren, die nur durch einen Neuanfang verschwinden.

Daher kam die Jobausschreibung von Breitenschwerdt in New York wie gerufen.


Wir suchen eine Junior-Online-Marketing-Managerin


Du bist ehrgeizig, voller Tatendrang und weißt, was die Worte KPI, Sales Funnel und Gamification bedeuten?

Dann bist du genau die Bereicherung für unser Team, nach der wir gesucht haben!


Dumm nur, dass ich erst einen Tag vor Ende der Bewerbungsfrist auf die Ausschreibung aufmerksam wurde. Ich arbeitete also die Nacht durch, in meinem Kinderzimmer in Jersey. Und schickte im Morgengrauen pünktlich zum Zwitschern der Vögel meine Bewerbung ab.

Tja, und hier stehe ich nun, mitten auf dem Hotspot New Yorks, mitten im Getümmel. Und fühle mich wie neugeboren. Bis ich einen Schreck bekomme, als ich auf die Uhr meines iPhones sehe.


Mist, schon so spät!?


In zehn Minuten muss ich in der Agentur sein und ich habe noch mindestens eine zehn Blocks Fußweg vor mir. Die Büros sind im elften Stock eines Gebäudes, von dem ich immer noch keine genaue Ahnung habe, wo es eigentlich ist. Panik ergreift mich.


Tja Zoe, dann beeile dich mal lieber. Es würde einen sehr schlechten Eindruck machen, wenn du schon am ersten Tag zu spät kommst.


Ich frage Passanten nach dem Weg, die mich mit unfreundlichen Blicken strafen oder an mir vorbeilaufen, als wäre ich Luft. Ich gebe nicht auf und frage einen alten Herrn mit runzeliger Stirn und gelassenem Gesichtsausdruck, der auf einer Bank sitzt und die Tauben vor ihm mit Brotkrumen füttert.

Er lächelt, als er die Adresse hört, nach der ich suche. Dort habe er vor 30 Jahren selbst gearbeitet, damals sei das Gebäude noch eine alte Druckerei gewesen, die es heute leider nicht mehr gebe.

Ich will nicht unhöflich sein, aber die Zeit drängt und so bitte ich ihn mit der süßesten Engelsstimme, die mir unter der Angst des Zuspätkommens zur Verfügung steht, um eine kurze Ortsbeschreibung. Er zeigt mit dem Finger auf ein graues Gebäude mit moderner Glasfassade auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich bedanke mich und eile weiter.

Die Lobby des Gebäudes ist in schickem Marmor gehalten. Ich will zu den Fahrstühlen laufen, da höre ich ein »Stopp!« hinter mir. Eine Empfangsdame, die ich beim Hereinstolpern nicht bemerkt habe, erhebt sich hinter ihrem Schreibtisch direkt neben der Eingangstür und läuft in hochhackigen Schuhen auf mich zu. Sie ist, schätze ich, Mitte 30 und trägt ein graues, enganliegendes Kostüm, in dem sie unheimlich schick und streng zugleich aussieht. Ihre Hochsteckfrisur und die schwarze Rahmenbrille auf der spitzen Nase verstärken diesen Eindruck noch.

»Wo wollen Sie denn hin, junge Frau?«

»Ich, ich …«, keuche ich, immer noch völlig außer Atem von der Rennerei. Ich bin bestimmt schon viel zu spät dran.

»Wo Sie hinwollen, junge Dame. Haben Sie sich verlaufen?«, fragt sie und fixiert mich mit einem bohrenden Blick, den sie mir über den Rand ihrer streng anmutenden Brille zuwirft.

»Erster Tag«, japse ich. »Agentur Breitenschwerdt. Zoe Cooper.«

Aus einer schicken schmalen Tasche, die sie in der Hand hält, zieht die Empfangsdame ein Tablet hervor und macht ein paar Tipp- und Wischbewegungen auf dem Display.

»Cooper, ah ja, 11. Stock, den Gang links runter und dann wieder rechts. Sie sind spät dran, Kleines, beeilen Sie sich. Der Chef kennt bei Verspätungen kein Pardon.«

»Danke«, antworte ich nun mit etwas mehr Luft in den schmerzenden Lungen und spurte zum Fahrstuhl. Zum Glück ist gleich einer da, ich springe hinein und drücke auf die Taste mit der Zahl 11. Es dauert eine Ewigkeit, bis sich die Tür schließt. Endlich höre ich das mechanische Ruckeln, das die rasante Fahrt nach oben zusammen mit den anderen, dicht aneinandergedrängten Fahrgästen ankündigt. Was wird in Stockwerk 11 auf mich warten? Der erneute Blick aufs Handy macht mich noch nervöser, als ich es ohnehin schon bin. Nur noch zwei Minuten, dann beginnt mein Abenteuer bei Breitenschwerdt.


Versau es nicht, Zoe. Immerhin bist du noch nicht zu spät. Den Gang links runter und dann rechts abbiegen, hat die Empfangsdame gesagt.


Und tatsächlich: Ich folge der Wegbeschreibung und lande vor einer schicken Glastür, auf der ein markiger Schriftzug eingraviert ist:


Breitenschwerdt Agency – Where Impossible Changes Happen Every Day


Ich traue mich kaum, die Klinke der makellos polierten Tür anzufassen, aber das muss ich auch gar nicht. Kaum führe ich meine Hand in die Nähe der Klinke, öffnet sich die Tür wie von Geisterhand und als hätte ich ihn für diesen Zweck bestellt, kommt mir ein schlanker Mann mit offenem Lächeln entgegen.

»Zoe, schön, dich kennenzulernen«, sagt er und streckt mir seine Hand entgegen. »Ich bin Max. Willkommen zu deinem ersten Tag bei Breitenschwerdt. Lass uns keine Zeit verlieren, okay? Steven hasst es, wenn Leute ihm die Zeit stehlen. Zeit ist Geld, hm?«

Ich schüttle ihm die Hand und frage: »Woher kommst du?«

Er schaut mich etwas irritiert an und antwortet: »Aus Costa Rica, warum fragst du?«

»Ach so, weil ich deinen Akzent gehört habe und du …«

Er sieht mich an, als hätte ich eine Fliege verschluckt.

»Nicht?«, frage ich zögerlich und ahne, dass ich – typisch Zoe Cooper – in mein erstes Fettnäpfen getreten bin. Aber Max lacht zum Glück.

»Haha, schon in Ordnung, Zoe. Ich klinge nicht wie ein Native Speaker und das ist in Ordnung. Aber mit branchenüblichen Begriffen kann ich durchaus umgehen: Marketing, Content Creation, Customer Journey …«

»… Asset Values, Gamification, Sales Funnel«, steige ich ein und lächle zurück.

»Ich sehe schon, du wirst dich hier prima bei uns einleben! Einer unserer Core Values ist ja auch: Sei ein Teamplayer!«

Wir laufen vorbei an Schreibtischen, hinter denen die unterschiedlichsten Menschen sitzen: ein hagerer Kerl mit weißem T-Shirt und langem Bart, den Mom politisch unkorrekt als Taliban-Bart bezeichnen würde. Neben dem Kerl sitzt eine Frau, vielleicht so um die fünf Jahre älter als ich und perfekt geschminkt. Beide wirken vertieft in die Bildschirme vor ihnen. Als wir an ihnen vorbeilaufen, mustern sie mich mit müdem Blick und nicken mir kurz zu. Dann konzentrieren sie sich wieder auf ihre Bildschirme.

»Gut, Steven erwartet dich schon. Ganz cool bleiben, sei einfach du selbst, okay, Sweetheart?«

Dass Max sagt, ich solle ganz cool bleiben, macht mich umso wuschiger.

»Wieso sollte ich nervös sein?«, frage ich und Max beißt sich auf die Lippe. Bevor er etwas sagen kann, öffnet sich die edle Holztür, vor der wir stehen.

KAPITEL 2

»Hallo Zoe Cooper. Ich bin Steven«, sagt der Mann, der mir mit Dreitagebart gegenübersteht und mir fest die Hand drückt. Er trägt ein schwarzes Hemd, dessen oberster Knopf offen ist, und eine lässige Jeans. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass er nicht heiß aussieht.

»Ähm, ja«, sage ich etwas verlegen, selbst überrascht von meinen plötzlichen Gefühlsregungen.

Bleib professionell, Zoe. Du hast fachlich was auf dem Kasten und das zeigst du ihm auch.

»Danke, Max. Wir sehen uns ja nachher im Mittagsmeeting.«

Max nickt, wirft mir einen ernsten Blick zu und zieht davon.

Mit ausgestreckter Hand bittet Steven mich, Platz in seinem Büro zu nehmen. Er setzt sich mir gegenüber an den Schreibtisch und tippt etwas auf seiner Tastatur.

»Zoe – Cooper. Ah ja, da haben wir deine Unterlagen. Mit Lydia hast du geskypt, richtig?«

Ich nicke. Lydia ist die HR-Managerin, mit der ich mein virtuelles Bewerbungsgespräch hatte. So läuft der Auswahlprozess heute in den meisten Agenturen und das hat für beide Seiten Vorteile: Bewerber müssen nicht quer durch die Staaten fahren und Arbeitgeber brauchen sich nicht mit lästiger Fahrtkostenübernahme herumschlagen. Praktisch für beide Seiten.

»Gut. Also erstmal, willkommen an Bord! Hier wird es dir mit Sicherheit nicht langweilig. Wir können jemanden wie dich im Team gut gebrauchen.«

Ein Gefühl von Stolz durchdringt mich.

Du hast alles richtig gemacht, Zoe. New York. Breitenschwerdt. Jetzt fängt dein Leben an.

»Erzähl mir mal ein paar Takte über dich«, sagt Steven, lehnt sich zurück und verschränkt die Arme.

»Mein Name ist Zoe Cooper, ich bin 21 Jahre alt, komme aus Jer…«

»Stopp, stopp, stopp«, winkt er ab. »Nicht diesen Einheitsbrei, den jeder runterrattert. Das alles kann ich mir hier selbst in deinem Lebenslauf durchlesen.«

»Was wollen Sie dann hören?«, frage ich irritiert.

»Zuerst einmal das Du. Wir duzen uns hier bei Breitenschwerdt. Dann will ich was Kreatives hören. Etwas, das mich catcht, das mich abholt. Verstehst du?«

Verdammt, Zoe. Und du dachtest, du hättest den Job schon längst in der Tasche. Streng dich an. Ich schließe kurz die Augen, atme tief durch.

»Meine Vision ist es, Menschen von Marken zu begeistern. Ich will nicht verkaufen, sondern überzeugen. Aus einer Idee eine echte Love Brand machen. Wenn du so jemanden suchst, dann nimm mich ins Team auf oder lass es.«

Mit den ersten Sätzen strömen die Worte nur so aus mir heraus. Aber jetzt habe ich einen Kloß von der Größe eines Güterwaggons im Hals. Mein Herz pocht wie wild gegen meine Brust. Was wird Steven davon halten? War ich zu frech?

Er verschränkt wieder die Arme, lehnt sich zurück und verharrt ein paar unerträglich lange Sekunden in dieser Position. Dann fängt er zu meiner Überraschung an, zu klatschen.

»Großartig! Mutig, Hammer! Diesen Kampfgeist brauchen wir in der Agentur. Zoe, du hast mehr Arsch in der Hose als die meisten Pfeifen in diesem Büro. Und damit du dich gleich dran gewöhnst: Wir reden hier Tacheles miteinander, fair und ehrlich. Weil ich der Überzeugung bin, dass wir als Team nur so vorankommen, verstehst du? Wir geben jeden Tag unser Bestes und lernen aus unseren Fehlern. Deshalb heben wir uns auch von den üblichen Agenturbuden ab und spielen international mit.«

International. Das, wovon ich immer geträumt habe.

»Soll mir recht sein. Schließlich hat Breitenschwerdt sich dafür genau den richtigen Standort ausgesucht. Denn welcher Ort eignet sich besser für eine PR- und Marketingagentur als eine ehemalige Druckerei?«

Ich erinnere mich an das, was der Alte mir auf der Bank erzählt hat, als ich nach dem Weg fragte. Jetzt muss ich nur noch hoffen, dass diese Information, mit der ich vor meinem neuen Chef angebe, tatsächlich wahr ist. Und diesmal habe ich Glück im Spiel, denn die Info scheint zu stimmen. Steven lächelt.

»Mutig und den Blick fürs Detail. Du wirst mir immer sympathischer, Zoe Cooper. Das bleibt aber unser kleines Geheimnis, schließlich habe ich als harter Hund einen Ruf zu verlieren.«

Ich erwische mich bei einem Lächeln. Klingt ganz so, als wäre meine große Klappe willkommen. Nur fürs Protokoll: Ich war nie ein Mäuschen. Das hat mir oft Ärger eingebracht, klar. Zum Beispiel in der neunten Klasse, als ich Robert Miller eine ordentliche Ohrfeige verpasst habe, nachdem er mich absichtlich mit einer Tischtenniskelle beworfen hatte. Natürlich war meine Reaktion nicht in Ordnung. Ich hätte diesem kleinen Mistkerl zwei Ohrfeigen verpassen sollen. Aber da war die Lehrerin schon zur Stelle. Wie gesagt, wenn es sein muss, kann ich mit harten Bandagen kämpfen.

»Mein erster Arbeitstag und schon soll ich ein Geheimnis hüten?«, frage ich schnippisch zurück.

»Das stand wohl nicht im Vertrag?«, witzelt Steven.

»Da habe ich wohl offensichtlich das Kleingedruckte nicht gelesen.«

Moment mal, flirte ich hier etwa mit meinem zukünftigen Chef?

»Tja, da war wohl jemand Devils Advocate, Zoe. Jetzt gehörst du jedenfalls zur dunklen Seite der Macht.«

Star Wars. Haltet mich für einen Nerd, aber ich liebe die Filme, und zwar alle.

»Solange ich Darth Vader bin, ist doch alles gut«, werfe ich zurück.

Er lächelt, steht von seinem Platz auf, geht hinter mich und legt seine Hand auf meine Schulter. Erst jetzt bemerke ich den goldenen Ring an seinem Finger.

»Zoe, das wird klasse mit dir. Du hast hier ausgezeichnete Chancen. Streng dich an, dann wirst du schon bald aufsteigen. Aber erst mal fangen wir ganz bodenständig an. Wir haben einen neuen Fisch an der Angel. Er trifft jeden Augenblick hier ein, es geht um ein erstes Beratungsgespräch. Traust du dir das zu?«

Ich sage Ja. Und ahne nicht einmal im Ansatz, wie dieses Ja mein Leben verändern wird.

KAPITEL 3

Danny Smith ist ein eleganter, durchtrainierter Typ. Stilvoll in seinem Businesslook. Das dunkelblaue Hemd ist makellos gebügelt, dazu trägt er eine graue Chino und edle braune Halbschuhe. Ein großer Chronograf mit mattschwarzem Zifferblatt schmückt sein Handgelenk. Er hat dunkelblonde Haare und stechend blaue Augen. Ein Hottie, der es mit Sicherheit gewohnt ist, dass die Frauen ihm nachlaufen und nicht umgekehrt. Er denkt nicht daran, aufzustehen oder mich zu grüßen, als ich den Konferenzraum betrete.

»Hallo, ich bin Zoe Cooper«, stelle ich mich vor.

»Danny Smith«, sagt er, ohne seinen Blick vom Smartphone in seiner Hand zu heben.

Was für ein Arsch. Aber ich reiße mich zusammen. Schließlich geht es darum, einen neuen Kunden zu gewinnen. Den Fisch an die Angel zu bekommen, wie Steven sagte.

»Sie möchten uns also beauftragen?«

»Ach, ich möchte vieles. Sie zum Beispiel ein bisschen näher kennenlernen.« Er schaut kurz auf und scannt mich mit seinen umwerfenden stahlblauen Augen. »Sie sehen nett aus.«

Nett. Der kleine Bruder von Scheiße. Wenn Danny Smith mich auf die Palme bringen will, ist er jedenfalls drauf und dran, die Leiter für meinen sehr schnellen Aufstieg dorthin zu basteln.

»Mister Smith, lassen Sie uns doch bitte bei der Sache bleiben«, kontere ich. Nicht schlecht für den Anfang, wie ich finde.

»Ok, kommen wir zum Wesentlichen. Ich suche eine Agentur, die mich beim Aufbau meiner Onlinemarke unterstützt. E-Books, Kurse, Suchmaschinenoptimierung, Social Media, das volle Programme. Die User Experience muss einfach perfekt sein, der Markt ist hart und ich habe keine Zeit zu verlieren.«

Danny Smith spricht schnell und konzentriert. Er ist ein Mann, der genaue Vorstellungen hat. Der weiß, was er will.

»Was tun Sie denn geschäftlich?«

»Pick-up«, erwidert er kurz und knapp, während er sein sündhaft teures Smartphone auf den Tisch wirft, als wäre es ein Schokoriegel.

»Pick-up?«, frage ich mit der Stimme der Unschuld.

Ich weiß natürlich, was Pick-up ist. Eine Bewegung, bei der Männer sich untereinander beibringen, Frauen aufzureißen. Einfach nur widerliche Manipulation. Aber ich muss mich beherrschen, meine große Klappe im Zaum halten. Schließlich geht es hier um Kundengewinnung, da müssen persönliche Abneigungen außen vor bleiben. Sagt mir jedenfalls mein Verstand, der gegenüber meiner Impulsivität oft den Kürzeren zieht. Zu oft.

»Ja, Pick-up. Die Kunst der Verführung.«

Diese Aufreißermasche als Kunst zu bezeichnen, grenzt an blanken Hohn. Ich habe in Magazinen gelesen, worum es wirklich geht. Ums Flachlegen und anschließendes Abservieren nämlich.

»Also bringen Sie Männern bei, Frauen aufzureißen«, platzt es nun doch aus mir heraus. So viel zum Thema Verstand siegt über Impulsivität.

»Nicht so ganz.« Er bleibt ruhig, schmunzelt. »Ich helfe einsamen Menschen dabei, ihr Liebesglück zu finden. Ansprechhemmungen zu überwinden. Die Geschlechterverständigung zu fördern. Ich bin also eher ein Liebesdoktor für Männlein und Weiblein, wenn Sie so wollen.«

»Ach sooo«, entgegne ich mit scherzhaftem Unterton. »Dann sind Sie also der fleischgewordene Amor? Sehr witzig, verkaufen Sie so auch Ihr Aufreißergeschäft bei Ihren eigenen Dates?«

Danny Smith hält kurz inne.

Dann sagt er: »Hören Sie, vielleicht ist das doch nicht die richtige Agentur für mein Vorhaben. Das hier führt zu nichts und stiehlt mir meine Zeit.«

Verdammt. Wenn mir schon am ersten Tag ein Neukunde abspringt, kann ich einpacken.

»Moment«, sage ich, während Danny schon im Begriff ist, aufzustehen.

»Es tut mir leid, ich wollte nicht unhöflich sein. Bitte, erzählen Sie von Ihrem Business und ich bin mir sicher, dass Breitenschwerdt Ihnen etwas nach Ihren Vorstellungen anbieten kann.«

Er grinst und setzt sich wieder.

»Sie stehen drauf, wenn der Mann harte Kante zeigt, oder?«

»Was genau machen Sie?«, hake ich nach und ignoriere seine Bemerkung so gut es geht.

»Verschiedenes. Wie gesagt, ich biete vornehmlich Onlinekurse und E-Books an, aber ich gebe auch Coachings und halte Vorträge.«

»Erfolgreich?«, frage ich schnippisch.

»Ich schlafe nachts gut, reicht Ihnen das als Antwort? Aber ich möchte auch, dass das so bleibt. Und da kommen Sie ins Spiel.«

Aus seiner edlen ledernen Umhängetasche holt er ein Tablet hervor und ruft seine Website auf. Er dreht das Display in meine Richtung.

»Oh ja«, sage ich. »Da geht noch was.«

»Eben«, erwidert er mit einem Schmunzeln. »Die Seite ist noch nicht mal für mobile Endgeräte optimiert. Wie Sie richtig sagen: Da geht noch was. Aber mir fehlen dafür einfach die Zeit und das Know-how dazu, was inzwischen im Marketing läuft.«

»Halten wir also fest«, erwidere ich und mache mir erste Notizen auf meinem Schreibblock. »Sie brauchen eine neue Website.«

»Und Social-Media-Kampagnen, die Leads bringen«, ergänzt er. »Ich will kein Geld dafür verpulvern, dass irgendein Bot aus Bangladesch auf Gefällt mir klickt.«

»Klar«, antworte ich.

Bots sind eine Plage in Social Media. Wie Heuschrecken, die dem Anschein nach wie echte Nutzer agieren, aber in Wahrheit nur eine leblose Zusammenstellung von Algorithmen sind und die sozialen Netzwerke mit Fake-Accounts überfluten. Inzwischen wird es immer schwieriger, sie von echten Nutzern zu unterscheiden.

Das stellt die Agentur vor eine große Herausforderung im Onlinebereich. Breitenschwerdt aber hat es sich auf die Fahne geschrieben, Kampagnen immer zum maximalen Wohle des Kunden zu entwickeln. Das ist ein Grund, weshalb ich mich hier und nicht bei irgendeiner Klitsche in Jersey oder anderswo beworben habe. Denn ich liebe Herausforderungen und Mister Danny Smith scheint eine ganz besondere zu sein.

»Ich bin selbstverständlich auch bereit dazu, Geld in die Hand zu nehmen. Mir geht es um Klasse und nicht um Masse.«

Während ich auf meinem Block mitschreibe, beiße ich mir auf die Lippe, um mein Lächeln nicht zu deutlich zu zeigen. Danny Smith könnte gleich ein richtig dicker Fisch an unserer Angel werden. Keine Sardelle, sondern ein Karpfen. Das wäre der ideale Einstand für mich.

»In Ordnung, Mister Smith. Von was für einem Zeitraum sprechen wir hier?«

»Na ja, sechs Monate sollte die Social-Media-Kampagne schon dauern. Besser neun. Ich habe schon ausgewählte E-Books und Onlinekurse im Pick-up-Segment, die ich erst mal befeuern will.«

Pick-up. Auch so eine Plage, wenn man mich fragt. Eine viel größere als Bots in sozialen Netzwerken. Sogenannte Pick-up-Artists sind Typen, die Frauen anlügen, um sie ins Bett zu bekommen. Und ihre kleinen schmutzigen Tricks und Kniffe im Internet verbreiten. Anscheinend lässt sich damit gutes Geld verdienen.

»So wie ich Sie einschätze, sind Sie bestimmt kein Fan von meinem Geschäftsmodell«, sagt Danny Smith plötzlich.

»Ähm, ich …«

»Schon gut«, unterbricht er mich. »Ich erwarte nicht, dass Sie toll finden, was ich tue. Aber ich kann es einfach. Ich bin gut darin und es ist mein Schicksal, das zu tun. So gesehen habe ich keine Wahl.«

»Man hat immer eine Wahl«, erwidere ich, immer noch dabei, mir Notizen zu machen.

»Hat diese Wahl Sie auch hierhergeführt? In diese Agentur?«

Allerdings, möchte ich antworten. Natürlich war das meine Wahl. Aber stimmt das auch? Woher kam denn der Impuls, mich in New York zu bewerben? Durch die Trennung von Alex. Durch mein Interesse für Marketing. Aber woher kam das? Ist vielleicht doch alles vorherbestimmt?

»Ja, das hat sie. In einer Agentur wie dieser wollte ich immer arbeiten«, antworte ich und gebe mir Mühe, keine Miene zu verziehen.

»Na, dann ist ja alles so gekommen, wie Sie es wollten.«

Fast alles. Dass meine Beziehung mit meinem langjährigen Partner in die Binsen ging, stand nicht unbedingt auf meiner Bucket List. Aber das werde ich einem Bad Boy wie Danny Smith garantiert nicht aufs Butterbrot schmieren.

»Und trotzdem sehen Sie traurig aus, Miss Cooper.«

»Es ist mein erster Tag, ich bin einfach nur etwas aufgeregt«, rede ich mich heraus. Er scheint ein guter Beobachter zu sein. Logisch, sonst wäre er kein Pick-up-Artist. Sei vorsichtig, Zoe. Du hast es mit einem Meister der Manipulation zu tun.

»Schon gut, ich bohre nicht weiter nach«, entgegnet Danny, als hätte er meine Bemerkung nicht gehört.

»Also Mister Smith, wir erstellen Ihnen zeitnah ein Angebot auf Basis eines Briefings, in Ordnung?«

»In Ordnung«, bestätigt er, steht auf und wirft sich lässig die Ledertasche über die breite Schulter.

»Ich melde mich«, sage ich und begleite ihn zur Tür, während mein Herz immer heftiger schlägt.

KAPITEL 4

Danny Smith hat seine Unterschrift unter unseren Vertrag gesetzt, der zwei Jahre dauert. Das Angebot war kostspielig, aber mehr als fair für den Leistungsumfang. Dabei hat Breitenschwerdt ihm nicht die Katze im Sack verkauft. Wir fahren zunächst zwei Testkampagnen für ein E-Book und einen Onlinekurs. Dass vorab die Website einen Relaunch braucht, versteht sich von selbst.

Mein Chef Steven ist zufrieden. Und ich hatte gehofft, dass der Job damit für mich erledigt ist. Oder ich zumindest im Hintergrund weiterarbeiten kann. Ein chauvinistischer Pick-up-Artist wie Danny Smith ist nicht unbedingt jemand, mit dem ich viel zu tun haben möchte.

Leider ist Steven einen Tick zu zufrieden und so hat er mich flugs zur Projektleiterin ernannt. Damit bin ich zugleich die erste Ansprechpartnerin für Danny.

Aber das ist keine gute Idee. Weil ich mich und meine große Klappe kenne. Und ich weiß, dass ich sie eines Tages nicht mehr halten kann, wenn dieser sogenannte Pick-up-Artist vor mir sitzt. Deshalb rutsche ich jetzt nervös auf meinem Platz in Stevens Büro herum. Ich habe um einen Termin gebeten, um die Sache zu klären. Um meinem Chef zu sagen, dass ich die Falsche für dieses Projekt bin. Um ihn zu bitten, mich woanders in der Agentur einzusetzen.

Max hatte mich davor gewarnt, Steven damit zu konfrontieren. Denn der könne das überhaupt nicht ab, wenn ein Mitarbeiter querschlägt. Das trage nicht zum Effizienzgedanken von Breitenschwerdt bei.

Dabei ist es tausendmal effizienter, mich nicht auf Kunden loszulassen, denen ich frech kommen könnte. Sonst sind das nämlich nicht mehr unsere Kunden. Und bei Dannys aufgeblasenem Ego würde das besonders schnell gehen.

Steven betritt das Büro.

»Was gibt’s, Zoe?«, fragt er, setzt sich mir gegenüber und richtet den Blick auf seinen Monitor. Gleichzeitig huschen seine Finger in rasender Geschwindigkeit über die Tastatur. Ich habe mal versucht, das 10-Finger-System zu beherrschen, aber es ist mir nie gelungen. Steven dagegen scheint es mit Perfektion hinzubekommen.

»Danny Smith. Ich …«

»Das war gute Arbeit! Der Kerl ist ein Goldesel, nicht wahr?«

Auch wenn ich Danny Smith für einen Aufschneider halte, gefällt mir nicht, wie Steven über ihn spricht. Danny ist kein Goldesel, sondern ein Kunde. Und die stehen an erster Stelle. So lautet zumindest der Leitspruch auf der Website von Breitenschwerdt.

»Er ist ein guter Kunde, der langfristig bei uns bleiben könnte, ja. Und genau deswegen wollte ich mit dir reden.«

Steven hat jetzt aufgehört zu tippen und wendet seinen Blick vom Monitor ab.

»Klar, meine Tür steht immer offen. Was liegt an?«

»Also ich …«, stammle ich. Obwohl ich nun weiß Gott nicht auf den Mund gefallen bin, wollen die Worte nicht so recht fließen.

»Immer raus mit der Sprache«, sagt Steven. Ich bilde mir ein, Ungeduld in seiner Stimme zu hören.

»Gut, dann ganz direkt: Ich bin nicht die Richtige, um Danny Smith zu betreuen«, platzt es aus mir heraus.

Steven runzelt die Stirn.

»Und du kommst darauf, weil …?«

Klasse Aktion, Zoe. Du bist gerade erst dabei und machst schon Schwierigkeiten. So kennen dich die Leute.

»Weil ich ihn nicht leiden kann.«

»Herrje, Zoe, ist das dein Ernst? Hör mal, wenn ich jeden Vollidioten von der Angel lassen würde, den ich nicht leiden kann, würden wir verhungern. So läuft nun einmal unser Geschäft. Das muss dir doch klar sein, oder?«

Klar ist mir das klar. Das ändert aber nichts daran, dass ich das Herz auf der Zunge trage. Was mich bei Danny Smith in Teufels Küche bringen wird.

»Schon, aber bei mir hat das Konsequenzen. Ich kann meine Abneigung ihm gegenüber nicht für mich behalten. Irgendwann werde ich etwas sagen, das ihn vergrault, und dann verlieren wir einen Kunden.«

Steven atmet tief durch und schließt die Augen.

»Dann, meine liebe Zoe Cooper, wirst du lernen müssen, mit deinem jugendlichen Leichtsinn umzugehen. Wie soll ich dich einsetzen und dir Verantwortung für Projekte geben, wenn du dich selbst nicht im Griff hast?«

Deutliche Worte. Max hatte mich gewarnt. Aber natürlich wollte ich nicht darauf hören. Wäre ja auch zu vernünftig gewesen.

»Ich habe mich im Griff«, schnappe ich zurück. »Es ist nur – ich kenne mich jetzt seit 21 Jahren. Und glaub mir, ich bin selbst überrascht davon, was ich manchmal vom Stapel lasse.«

Jetzt steht Steven von seinem Bürostuhl auf und läuft zur Tür.

»Es bleibt bei meiner Antwort, Zoe. Du bist hier auf Probe mit diesem Projekt betraut. Das ist deine Feuertaufe bei Breitenschwerdt. Weißt du eigentlich, wie viele Bewerbungen hier täglich reinflattern? Von Männern und Frauen, die sich die Finger nach deinem Job lecken?«

Steven lehnt sich an den Türrahmen und schüttelt den Kopf.

»Ehrlich Zoe, ich bin enttäuscht. Wir sind eine professionelle Agentur. Bei Breitenschwerdt lautet das Motto: Geht nicht, gibt’s nicht.«

Ich spüre, wie der Ärger in meinem Körper hochkriecht. Ärger auf mich, dass ich so naiv war, zu glauben, dass ich eine Extrawurst bekommen würde.

Natürlich kann Steven mich nicht von meinem ersten Job abziehen, wie sieht das denn bitte aus? Wenn sich so etwas herumspricht, stehen die Mitarbeiter bei ihm künftig Schlange und wollen ihre Projekte und Positionen bestimmt auch tauschen, wie sie lustig sind.

»Es tut mir leid«, sage ich und komme mir dabei wie ein Kind vor, das vom Schuldirektor für einen Streich getadelt wird. »Ich werde Danny Smith weiterbetreuen.«

Steven lächelt.

»Sehr gut. Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann, Zoe. Das kann für dich auch eine Chance sein, weißt du? Dich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln.«

Toll, denke ich, kann mich aber gerade noch zusammenreißen, meinen Unmut nicht über die Lippen zu bringen. Stattdessen höre ich mich sagen: »Du hast recht. Das wird ein guter Auftrag.«

Er nickt zufrieden und klopft mir auf die Schulter.

»Daran habe ich keinen Zweifel, wenn der Job in deinen Händen liegt. Du kannst was, Zoe Cooper. Das habe ich sofort gewusst, als du zu meiner Tür hereingekommen bist. Und Lydia hat das nach eurem Skype-Gespräch auch so gesehen.«

Ich zupfe am Hosenbund meiner Jeans herum. Das mache ich immer, wenn ich wütend oder traurig bin. Aber ich komme aus der Situation nicht anders heraus. Wenn ich meinen Traumjob behalten möchte, muss ich mitspielen. Etwas anderes steht nicht zur Debatte.

»Ich gebe mein Bestes, okay?«, sage ich schon leicht genervt.

»Das wollte ich hören. Wir brauchen diese Einstellung. Die Konkurrenz ist riesig, sie arbeitet schmutzig mit Dumpingpreisen und Ausbeutung ihrer Mitarbeiter. Wir haben einen anderen Ansatz, aber den müssen wir uns auch leisten können, wenn du verstehst.«

Tatsächlich kämpfen viele Agenturen seit Jahren ums Überleben. Zwar braucht heutzutage fast jeder Unternehmer eine Website und Online-Marketing, doch gibt es neben kostenlosen Do-it-yourself-Lösungen auch Anbieter, die ihre Leistungen weit unter Wert verkaufen. Studenten zum Beispiel, die für wenige Hundert Dollar Komplettpakete verhökern und professionellen Anbietern damit die Preise kaputt machen.

Wie soll man einem Handwerker erklären, dass die Erstellung eines Logos 2.000 Dollar kostet, wenn er zugleich unseriöse Angebote im 300-Dollar-Bereich bekommt? Deswegen liegt die grundsätzliche Ausrichtung von Breitenschwerdt im B2B-Bereich, auf mittelständischen und großen Unternehmen. Danny Smith ist da insofern eine Ausnahme, als dass Steven bei ihm ein gutes finanzielles Polster vermutete. Und er hat recht behalten, schließlich hat Danny unserem ersten Angebot zugestimmt, ohne mit der Wimper zu zucken.

Weil ich ahnte, wie hart das Agenturgeschäft werden würde, habe ich während meines Studiums kurz überlegt, ob ich nicht doch umschwenken und meinem alten Berufswunsch folgen sollte: Tierärztin. Als kleines Mädchen habe ich immer davon geträumt, aber mit der Zeit erschien mir dieser Traum immer naiver und nicht zu mir passend. Das Agenturgeschäft reizt mich mehr, auch wenn es hart ist. Wie hart es ist, habe ich schon geahnt, aber vielleicht war es genau das, was mich am meisten reizte.

Versunken in meinen Gedanken schaue ich zu Steven, der die Stirn runzelt.

»Gibt es noch etwas, Zoe? Ansonsten würde ich gern weiterarbeiten. Heute müssen unbedingt noch zwei Angebote raus.«

»Ähm, nein«, stammle ich und verlasse sein Büro. Draußen nimmt Max mich zur Seite und bittet mich mit besorgtem Blick in die Teeküche um die Ecke.

»Was ist los?«, frage ich ihn, während er hastig ein paar Knöpfe an der Kaffeemaschine drückt.

»Wenn ich dir noch einen Tipp geben darf …«, läutet er ein.

»Ja?«

»Pass auf bei Steven. Wir hatten hier vor Kurzem eine junge Mitarbeiterin und – sei einfach vorsichtig, okay?«

Dann dampft er ab, ohne ein weiteres Wort zu sagen.

»Hey, dein Kaffee!«, rufe ich Max hinterher. Er hat ihn in der Ausgabe der Maschine einfach stehen lassen.

Gedanken rasen durch meinen Kopf. So vieles hat sich innerhalb kürzester Zeit getan: neuer Job, neue Stadt, neue Wohnung in Queens, die ich noch nicht einmal annähernd eingerichtet habe. Bars und Cafés finden sich an jeder Ecke, die Straßen sind voll mit Künstlern, Ausstellungen und Trubel. All das, was Jersey nicht zu bieten hat, und weswegen ich mir genau diesen New Yorker Kontrast gesucht habe.

Aber in meiner Wohnung stehen die meisten meiner Umzugskisten noch in der Gegend herum. Sie auszupacken wird meine Aufgabe für die nächsten Wochenenden sein. Und die Verarbeitung der vielen Ereignisse, wozu auch die seltsame Warnung von Max gehört.

KAPITEL 5

Mit dem Auspacken der übrig gebliebenen Umzugskisten komme ich langsamer voran als gedacht. Wieder und wieder klingen die Worte von Max in meinen Ohren nach.

Sei einfach vorsichtig, okay?

Wie kommt er dazu, mich vor unserem gemeinsamen Chef Steven zu warnen? Max kennt mich nicht und geht damit ein Risiko ein. Schließlich könnte ich ihn bei Steven anschwärzen. Würde ich zwar nie tun, aber seltsam ist es trotzdem.

Max erwähnte außerdem eine junge Kollegin. Vielleicht macht Steven sich regelmäßig an neue Mitarbeiterinnen heran? Ich erinnere mich, einen goldenen Ring an seinem linken Ringfinger gesehen zu haben. Was natürlich nicht ausschließt, dass er Affären hat. Ich werde auf der Hut sein, so viel ist sicher. Aber schon jetzt wühlt mich das Ganze mehr auf, als mir eigentlich lieb ist.

Das ganze Drumherum mit Steven, Max und auch Danny, der sich mit seiner unverschämten Art in meine Gedanken schleicht. Ich möchte nicht wissen, wie vielen Frauen dieser Kerl schon das Herz gebrochen hat.

Plötzlich klingelt mein Handy. Es ist Stevens Notfallnummer, die er mir via E-Mail zukommen ließ. Eine Nummer, die wir Mitarbeiter nur in Krisenfällen anrufen dürfen. Oder die uns in absoluten Krisenfällen anruft. Zum Beispiel, wenn die Zombie-Apokalypse eintritt oder einer von uns wegen eines Meteoriteneinschlages im Stau feststeckt. Sowas in der Größenordnung eben. Für einen Moment übermannt mich das Gefühl, keine Luft zu kriegen, als ich die Notfallnummer auf dem Display sehe.

»Hallo Zoe, Steven hier. Hast du dich schon eingelebt?«, fragt er. Seine Leichtigkeit klingt gespielt.

»Es geht so«, antworte ich ihm und bereite mich innerlich schon darauf vor, von einer Katastrophe zu hören. Dabei fällt mir noch ein dritter Grund ein, der den Anruf von Stevens Notfallnummer erklären könnte: mein Rausschmiss innerhalb der Probezeit.

Bin ich in Stevens Büro zu forsch aufgetreten? Würde mich mein anfängliches Querstellen, mit Danny Smith zusammenzuarbeiten, meinen gerade erst begonnenen Job kosten? Ich sehe meinen Traum von einem Neuanfang in New York schon einstürzen wie ein Kartenhaus. Vor meinem inneren Auge läuft ein Film, in dem ich die Hauptrolle spiele und ein Zugticket am Busbahnhof in Richtung Jersey löse. Und ich sehe die Enttäuschung in den Augen meiner Eltern, die mir ja gleich gesagt haben, dass das nichts werden kann. Dann sehe ich mich in meinem Kinderzimmer, in das ich wieder einziehen würde, diesmal für längere Zeit. Bei all diesen nun hochkommenden Vorstellungen muss ich ein Schluchzen unterdrücken und sage so gefasst wie möglich: »Schön, dass du anrufst. Was liegt an?«

»Es geht um Danny Smith.«

Meine schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bestätigen. Ich bin noch keine Woche im Big Apple und schon geht alles den Bach runter. Aber ich schätze, so ist das Leben. Du erklimmst den Berg, bist fast am Gipfel und Zack! stolperst du über einen Stein und stürzt den Abhang hinunter. Bis du wieder ganz unten angekommen bist. Am liebsten würde ich auflegen, losheulen und Stevens Notfallnummer für alle Ewigkeit blockieren. Aber ich fasse mir ein Herz und halte die Situation aus.

»Was ist mit ihm?«, frage ich mit bebender Stimme.

»Er hat sich bei mir gemeldet. Und ist begeistert von deinen Vorschlägen.«

Die Vorschläge habe ich beinahe schon vergessen. Gleich nachdem Danny Smith unser erstes Angebot angenommen hatte, was ungewöhnlich schnell ging, bekam ich Auftrieb. Ich war so motiviert, dass ich erste konkrete Abläufe für seine Marketingkampagne in nur einer Nacht herunterschrieb. Bevor mich die Zweifel packten und ich mich in Stevens Büro wiederfand. Und anscheinend hat Mister Danny Smith gefallen, was er da gelesen hat. Unglaublich! Also geht es für Zoe Cooper vorerst doch nicht zurück ins Kinderzimmer in Jersey.

»Wow, das sind ja tolle Neuigkeiten!«, erwidere ich freudestrahlend, während ich mir ein paar Tränen aus dem Gesicht wische.

Was für eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich kann es kaum erwarten, mir heute Abend Badewasser einzulassen, die Norah-Jones-Playlist anzuschmeißen und endlich runterzukommen. In meiner bisher noch nicht vollständig eingerichteten Wohnung, aber was soll's. Bevor ich chillen kann, muss ich aber erst mal hier durch. Und erfahren, warum Steven mich trotz dieser guten Nachrichten von seinem Notfalltelefon aus anruft.

»Nicht nur das, Zoe. Er hat auch noch Zusatzleistungen gebucht. Eine komplette Blogredaktion! Mit Pick-up lässt sich anscheinend gut Kohle verdienen.«

»Ich, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, antworte ich und bin erleichtert. Was sich eben noch als Katastrophe anbahnte, ist einer der größten Erfolge, den ich mir als Einsteigerin überhaupt wünschen kann. Ich, Zoe Cooper, habe innerhalb kürzester Zeit einen lukrativen Kunden an Land gezogen! Voller Stolz und umso gespannter, was jetzt kommt, presse ich das Smartphone fester an mein Ohr. Als hätte ich Angst, auch nur ein weiteres Wort zu verpassen.

»Die Sache hat nur einen Haken. Und genau deswegen muss ich leider dein wohlverdientes Wochenende stören.«

Ich schlucke. In meinem Hals ist nun der gleiche Güterwaggon-Kloß zu spüren, der sich an meinem ersten Tag bei Breitenschwerdt bemerkbar gemacht hat.

»Danny Smith wird uns mit allem beauftragen, was das Agenturherz begehrt. Unter einer Bedingung.«

»Ja?«, frage ich mit stockendem Atem.

»Er will mit dir zusammenarbeiten.«

»Ich dachte, das hätten wir geklärt?«, frage ich. Mir gefällt der Gedanke nach wie vor überhaupt nicht, mit Danny zusammenzuarbeiten, aber haben Steven und ich nicht besprochen, dass ich die Zähne zusammenbeißen und es dennoch durchziehen würde?

»Du verstehst nicht, Zoe. Er möchte ausschließlich mit dir zusammenarbeiten.«

KAPITEL 6

Warum ich? Die Frage hämmert mir wieder und wieder von innen gegen die Stirn, während ich an diesem hektischen Montagmorgen aus der Subway steige. Warum hat dieser Kerl eine solche Bedingung aufgestellt? Unser erstes Gespräch verlief doch alles andere als glatt. Im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, dass wir uns beide überhaupt nicht abkönnen. Seine schmierige Art und dass er sein Geld mit dem Aufreißen ahnungsloser Frauen verdient, stoßen mich ab.

Warum ich?

Plötzlich kommt mir ein Gedanke, der die Person Danny Smith noch abstoßender auf mich wirken lässt.

Er will mit dir spielen.

In einem Artikel, den ich über Pick-up gelesen habe, war die Rede vom Game. So nennen diese Möchtegern-Casanovas ihr perfides Spiel, in dem es um nichts anderes geht, als darum, Frauen flachzulegen.

Ich bin auf dem Weg in die Agentur, mir ist übel und mein Magen fühlt sich ganz flau an von der vielen Aufregung. Als würden Affen Samba in meinem Bauch tanzen. Ich bin wütend und ängstlich und, wenn ich ganz ehrlich bin, verunsichert.

Was bildet Danny Smith sich eigentlich ein? Ich drehe die Lautstärke meines MP3-Players auf dem Smartphone auf Anschlag. Evanescence brüllen mir ihren Welthit Bring Me To Life regelrecht ins Ohr. Ich habe zwei Musikleidenschaften: Alternative Rock und R’n’B. Passt für viele nicht zusammen, aber das ist nichts weiter als Schubladendenken. Was ich wann höre, hängt von meiner Stimmung ab und wie viel Mist in meinem Leben aktuell passiert.

Kurz nach der Trennung von Alex lief Evanescence rauf und runter. Als ich die Jobzusage aus New York bekam, drehte ich Beyoncé auf Anschlag. Nicht nur ich, sondern mit Sicherheit auch meine Eltern haben daher den Verlust von Hörzellen zu beklagen.

Ich bin auf der Park Avenue. Vor, hinter und neben mir drücken sich schon wieder Menschenmassen vorbei. Hektik ist das vorherrschende Lebensgefühl in New York und ich stecke mittendrin. Ein ganz normaler Tag in einer Megacity eben.

Während ich die dicht bevölkerten Straßen in Richtung Agentur entlanglaufe, mittlerweile deutlich sicherer und zielstrebiger als noch am ersten Tag, schießen mir tausend Gedanken durch den Kopf: Was sage ich Danny, wenn ich ihn das nächste Mal sehe? Wie gehe ich mit ihm um?

Ich stecke in einer Zwickmühle, stehe mächtig unter Druck. Steven hat mich am Telefon nicht bedrängt, jedenfalls nicht direkt. Zwar hat er mir die Entscheidung überlassen, ob ich auf Danny Smiths Deal eingehen will.

Gleichzeitig gab er mir aber durch die Blume zu verstehen, dass Danny Smith aus Agentursicht so ziemlich das Beste sei, was Breitenschwerdt in letzter Zeit passiert ist. Nur eine Beauftragung durch Warren Buffett oder andere Kaliber könnte das noch toppen. Daher der Anruf aufgrund von Dringlichkeit über seine Notfallnummer.

Das Geschäft laufe schlecht, meinte Steven am Telefon, nachdem ich den Schock mit Danny Smith verdaut hatte. Letzte Woche hätten zwei unserer Geschäftskunden Insolvenz angemeldet und einer unserer wenigen Stammkunden sei ein übler Geizknochen, der um jeden Dollar feilscht und regelmäßig zu spät bezahlt.

Momentan, so Steven gestern Abend am Telefon, halte die Agentur sich gerade so mit zeitlich auslaufenden Beauftragungen über Wasser. Danny Smith könne, wenn schon nicht die Rettung, zumindest ein Lichtblick sein. Immerhin sprechen wir hier über ein fünfstelliges Volumen pro Monat, das er anstandslos unterschrieb.

Natürlich kann er auch nur ein Blender und ein Schaumschläger sein, was mich anhand seines Pick-up-Gebarens nicht wundern würde. Aber hätte ich nur aufgrund einer solchen Vermutung Stevens wichtigste Hoffnung für die Zukunft der Agentur ausschlagen sollen? Ich, die gerade erst angefangen hat?

Während diese und unzählige weitere Gedanken durch meinen Kopf jagen wie kleine Raumschiffe auf Erkundungsmission im Weltall, renne ich im Eingangsbereich des Bürogebäudes beinahe die Empfangsdame um, die mitten im Weg steht. Ich erkenne die strenge Frau wieder, die mich schon an meinem ersten Arbeitstag aufgehalten hat.

»Können Sie nicht aufpassen?«, fahre ich sie an und schäme mich im selben Moment für meine Unhöflichkeit. Sie, die nichts dafür kann, bekommt den in mir aufgestauten Ärger ab.

»Mäßigen Sie Ihren Ton, junge Miss Cooper«, entgegnet sie und zupft sich ihren makellosen Blazer zurecht.

»Ich … entschuldigen Sie, ich stehe nur gerade ziemlich unter Stress«, versuche ich, mich zu erklären.

»Könnte das mit einem jungen, gutaussehenden Mann zu tun haben?«

Ich habe keine Ahnung, wen sie meint.

»Hören Sie, Miss …«

Zum ersten Mal, seitdem wir uns begegnet sind, fällt mein Blick auf ihr Namensschild.

»Miss Swan. Es tut mir leid, dass ich Sie angefahren habe, aber ich habe gleich einen sehr wichtigen Kundentermin und muss daher so schnell wie möglich nach oben ins Büro. Könnten wir uns ein andermal unterhalten?«

»Ich denke, das wird nicht nötig sein, Miss Cooper«, sagt sie und lächelt.

Was hat das alles nur zu bedeuten?

»Dieser junge, gutaussehende Mann, den ich meine, ist Ihr Kunde. Danny Smith, er kam vor etwa einer Stunde persönlich hier vorbei. Ein schnuckeliger Typ, wenn Sie mich fragen. Er hat mich gebeten, Sie bei Gelegenheit abzupassen, um Ihnen den Ort für Ihr nächstes Meeting zu nennen. Was ich hiermit tue.«

Ich kann es nicht fassen. Jetzt wirbelt dieser Kerl schon meine eigenen Termine durcheinander. Wir waren für heute in der Agentur verabredet. Meetingraum 2, 10 Uhr, Kaffee und Bagels wollte Max organisieren. So hatte Steven es mir am Telefon durchgegeben.

»Geht es Ihnen nicht gut, Miss Cooper? Sie sehen so blass aus.«

Mir wird schwindelig. Der ganze Ärger rollt wie eine Lawine über mich und ich spüre die Hitze in meinem Körper aufsteigen. Mir wird auf einmal bewusst, dass ich heute früh noch nichts gegessen habe, und bevor ich antworten kann, wird mir schwarz vor Augen.

KAPITEL 7

»Ich glaube, sie kommt zu sich«, höre ich eine vertraute Stimme sagen. Sie klingt dumpf, irgendwie weit weg. Als würde sie durch eine Wand aus Schaumstoff sprechen.

»Wo … wo bin ich?«, frage ich in die verschwommenen menschlichen Umrisse über mir.

»In der Empfangslobby der Capital Offices. Sie waren auf dem Weg in die Büros nach oben, zur Agentur Breitenschwerdt, Ihrer Arbeitsstelle.«

Die Umrisse vor mir werden langsam klarer wie auch die Stimme, die mir jetzt viel näher erscheint. Über mir gebeugt erkenne ich die besorgt dreinblickenden Gesichter von Max und Miss Swan.

Plötzlich werde ich wieder hellwach. Danny Smith! Der Termin mit ihm steht gleich an. Ich will aufstehen, doch werde sanft von Miss Swan an der Schulter zurück auf irgendeine unbequeme Unterlage gedrückt.

»Ganz ruhig, Miss Cooper. Es ist alles in Ordnung. Sie waren kurz weggetreten, aber bleiben Sie sicherheitshalber noch liegen. Brauchen Sie einen Arzt?«

»Mein Termin.« Ich stammle noch ein wenig, spüre aber, wie die Kräfte wieder in mich zurückkehren.

»Mach dir keinen Kopf«, sagt Max mit zärtlicher Stimme. Er kniet zu meiner Rechten und streicht mir eine Strähne von der Stirn.

»Ich habe mit Danny Smith telefoniert. Er hat es verstanden.«

Panik flutet meinen Körper. Wenn wir Danny verlieren, geht die Agentur den Bach runter. Ich bin noch nicht lange dabei, gerade einmal ein paar Tage. Aber schon jetzt liebe ich meinen Job. Genau wie mein neues Leben in New York, das ich auf keinen Fall aufgeben möchte.

»Sie bleiben jetzt erst mal liegen, Schätzchen«, sagt Miss Swan in mütterlichem Tonfall, der unter der Strenge eine warmherzige Art durchblicken lässt.

Ich möchte das alles nicht verlieren, nichts davon. Und ich habe Angst davor, dass genau das geschieht, wenn ich Danny als Kunden verprelle.

Denn genauso wird er es empfinden, wenn ich nicht augenblicklich zu unserem Termin erscheine, den Steven anberaumt hat. Danny wird denken, dass ich gekniffen habe und jetzt meinen Kollegen Max vorschicke, um mich herauszureden. Und dann wird er den Vertrag widerrufen, alles wird den Bach runtergehen und ich allein bin schuld daran.

»Miss Cooper, Sie sehen schon wieder so blass aus.«

Ich kann meine eigene Gesichtsfarbe nicht erkennen und bin momentan auch ganz froh darüber. Sicherlich würde ich glatt noch mal aus den Latschen kippen, wenn ich mich selbst im Spiegel ansehen müsste.

»Ich muss Danny erreichen«, sage ich und richte mich schnell genug auf, damit Miss Swan gar nicht erst auf die Idee kommt, mich wieder zurück in die Horizontale zu drücken.

»Ich habe dir doch gesagt, dass ich ihn schon informiert habe«, bremst Max mich aus.

»Du verstehst das nicht. Er wird das alles persönlich nehmen«, antworte ich, als würde ich über einen alten Freund reden, den ich schon seit Jahren kenne.

»Ich muss mit ihm sprechen. Sonst springt uns dieser Kunde ab. Vertrau mir.«

Er spürt, wie ernst es mir ist. Wie viel auf dem Spiel für Breitenschwerdt steht.

»Was?«, empört sich Miss Swan. »Wir können Miss Cooper unmöglich gehen lassen.«

»Wollen Sie sie etwa gegen ihren Willen hier festhalten?«, wirft Max ein.

»Natürlich nicht, aber … «

»Es ist ihre Entscheidung. Süße, schaffst du das?«

Süße. Ich bin mir nicht sicher, ob mir der Spitzname gefällt. Aus dem Mund eines Danny Smith sicherlich nicht. Aber Max spricht ihn nicht anzüglich aus, sondern eher wie eine tröstende Lehrerin, die mit einem Mädchen redet, das sich beim Spielen das Knie aufgeschürft hat.

»Ich glaube schon«, sage ich und rapple mich wieder auf. »Vielleicht erwische ich ihn noch. Wo wollte er sich mit mir treffen?«

»Im Block House.«

»Und wann hast du ihn angerufen?«

»Vor zehn Minuten«, erwidert Max. »Weit kann er noch nicht sein.«

»Wo ist mein Handy?«, frage ich nervös und beantworte mir die Frage selbst, indem ich in meiner beigefarbenen Handtasche wühle und das rechteckige Smartphone endlich zu fassen bekomme.

Wie in Trance gebe ich den Entsperrungscode ein und scrolle durch meine Kontakte, bis ich bei D angelangt bin. Da ist er, Danny Smith. Ich tippe auf den grünen Telefonhörer, es klingelt. Einmal, zweimal, dreimal. Das Ganze kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Bis ich seine Stimme höre und zum ersten Mal richtig froh darüber bin.

KAPITEL 8

»Man, du hast ja einen Hunger«, sagt Danny und grinst mich an. Er hat mir das Du angeboten. Das sei entspannter, meint er. Entspannt bin ich nicht gerade. Aber ich bin froh, ihn zu sehen. Froh darüber, den Weg zum Block House geschafft zu haben, das zum Glück nicht weit weg vom Agenturbüro liegt. Und froh darüber, den vielleicht wichtigsten Neukunden von Breitenschwerdt noch nicht endgültig verloren zu haben.

Gott sei Dank habe ich Danny auf dem Handy erreicht. Er saß schon im Auto, war auf dem Weg nach Hause und ist extra noch mal zurückgefahren. Hat er mir jedenfalls erzählt.

Denn eines sollte ich nie vergessen: Dass dieser unverschämt gutaussehende Kerl ein Pick-up-Artist ist, ein Meister der Manipulation. Jemand, der es versteht, Menschen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Und zwar in seine.

»Habe heute noch nichts gegessen«, sage ich, während ich mein Steak im Rekordtempo verdrücke.

Inzwischen ist es 11 Uhr und damit fast Mittagszeit. Habe ich erwähnt, dass ich bei Steak schwach werde? Ich esse kaum Fleisch, aber bei einem guten T-Bone, Rib-Eye oder Entrecôte kommt der Fleischfresser durch. Besonders dann, wenn dieser Fleischfresser einen Hungerast hat und deswegen vor den eigenen Kollegen umfällt.

Na gut, nicht nur deswegen. Ein gewisser Pick-up-Artist, der mich bis zur Weißglut treiben kann, hat auch seinen Anteil daran.

»Stimmt die Story eigentlich?«, frage ich ihn. Mein Ärger ist zurück. Denn auch wenn wir beide jetzt an einem Tisch sitzen, auch wenn Danny einer der bedeutendsten Kunden von Breitenschwerdt ist: So einfach kommt er mir nicht davon. Ich möchte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, was ich von ihm und seinen faulen Tricks halte. Erst recht nicht, wenn er mich zwingt, allein mit ihm zusammenzuarbeiten.

»Welche Story?«

»Dass du extra wegen mir noch mal umgekehrt bist. Und überhaupt: Was soll dieser ganze Aufriss hier mit dem Restaurant? Warum haben wir uns nicht einfach wie vereinbart in der Agentur getroffen?«

Ich erwarte, dass er sich verteidigt. Oder irgendeinen dummen Spruch macht, während ich ihm kauend gegenübersitze.

»Glaube, was du willst. Fakt ist, dass ich mich ungern in sterilen Meetingräumen aufhalte. Und ich sitze ja nun offensichtlich hier mit dir, oder?«

»Ähm … schätze, ja?«

Ich schiebe mir das letzte Stück Steak in den Mund. Endlich fühle ich mich wieder wie ein Mensch. Jetzt ist es an der Zeit, Klartext zu reden.

»Aber ich möchte hier mal eins klarstellen, Danny Smith: Ich bin keines dieser dummen Mädchen, die auf deine Tricks hereinfallen. Und schon gar nicht lasse ich mit mir spielen, Job hin oder her.«

Er grinst mich an und nimmt einen großzügigen Schluck aus seinem Wasserglas, das vor ihm steht.

»Schön, Zoe Cooper, dann lass mich auch mal etwas klarstellen: Mir geht es hier um Professionalität. Und dazu gehört für mich auch, dass ich demjenigen voll und ganz vertrauen kann, den ich ins Innerste meiner Geschäftstätigkeiten blicken lasse. Weißt du, wie viel Schindluder in Agenturen getrieben wird? Wie schnell dort Unterlagen verschlampt werden? Ich habe mir im Vorhinein sehr gut überlegt, wen ich beauftrage. Breitenschwerdt genießt einen exzellenten Ruf als Agentur. Als eine, die ihr Qualitätsversprechen hält. Und als ich dich zum ersten Mal traf, da wusste ich, dass du dieses Qualitätsversprechen atmest. Dass du integer bist.«

Das schlechte Gewissen überfällt mich. Wie ein heimtückischer Wegelagerer, der hinter einem Baum auf mich gelauert hat. Habe ich Danny falsch eingeschätzt? Habe ich den Fehler begangen, von seinen Geschäften auf ihn als Menschen zu schließen?

»Und deswegen wolltest du dich hier mit mir treffen?«

Er blickt für einige Sekunden schweigend auf sein Wasserglas. Dann sagt er: »Es wird dich womöglich in deinem Weltbild erschüttern, aber Pick-up-Artists können auch aufrichtig sein.«

Er grinst mich auf diese spitzbübische Art an. Hat was.

»Sag bloß.«

»Ja, das soll es geben.«

»Na von mir aus. Auch wenn ich schwer nachvollziehen kann, warum dieses Business bei dir läuft. Denn so umwerfend bist du nicht«, sage ich und bin gespannt, wie er auf meine freche Bemerkung reagiert.

»Und ich dachte schon, meine weibliche Begleitung wäre beim letzten Enrique-Iglesias-Konzert wegen mir umgefallen.«

»Da muss ich dich enttäuschen«, witzle ich. »War wohl doch eher wegen Enrique.«

»Welch Schmach! Mal ehrlich, was hat der, was ich nicht habe?«

Wir lachen. Wenn das so weitergeht, verschlucke ich mich noch an meinem Orangensaft, den ich in mir aufsauge wie ein verdurstender Wüstenwanderer Wasser aus der Oase. Der Hunger ist gestillt, jetzt meldet sich der Durst.

»Tja, ich weiß nicht, was Enrique von dir unterscheidet. Aber wenn ich raten müsste, würde ich sagen: Charme? Gutes Aussehen? Eine tolle Stimme?«

»Du hast mich noch nicht singen hören«, erwidert Danny und bringt mich schon wieder zum Schmunzeln. Ich hätte nicht gedacht, dass er so locker Späße über sich selbst mitmachen kann.

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich singen hören will.«

Ich nehme mir einen Moment Zeit, um Danny zu mustern. Seine kräftigen dunkelblonden Haare. Das schicke Hemd in der Farbe eines klaren Bergsees, das perfekt zu seinen stahlblauen Augen passt. Die Andeutung eines Tattoos an seinem Hals. Man kann nicht sagen, dass er unattraktiv wäre. Während ich meinen Blick schweifen lasse und Danny seinen Salat isst, heften sich meine Augen an ein Detail: einen Silberring an seinem kleinen Finger. Er bemerkt, wie ich den Ring anstarre.

»Keine Angst, ich bin nicht verlobt.«

»Wäre ja auch der falsche Finger.«

»Eben. Ist ein Andenken.«

»Woran?«, frage ich.

»Nun, das würde ich gern für mich behalten. Lass uns lieber über das Geschäft sprechen.«

Eben haben wir noch gewitzelt, doch jetzt wechselt Danny auf die sachliche Ebene. Es scheint ihm unangenehm zu sein, über den Ring zu sprechen. Was hat es damit auf sich? Hat er ihn von einer Verflossenen erhalten? Überhaupt würde mich interessieren, wie vielen Frauen dieser Schwerenöter schon das Herz gebrochen hat.

»Okay. Dann würde ich gern mehr über dein Geschäftsmodell wissen«, taste ich mich an das eigentliche Thema heran.

»Klar«, sagt er und wischt sich den Mund mit einer Serviette ab. »Was willst du denn wissen?«

Wie viele Frauen schon auf dich und deine Sprüche hereingefallen sind. Das brennt mir eigentlich unter den Nägeln. Aber ich will ihn nicht überfallen. Obwohl mein Ansatz mit frechen Bemerkungen bis jetzt ganz gut funktioniert hat.

»Zum Beispiel, ob du Frauen ein X für ein U vormachst, wie du es deinen Klienten rätst.«

Er lacht kurz auf, dann schüttelt er den Kopf.

»Ich glaube, du hast eine etwas abwegige Vorstellung davon, was Pick-up ist. Ich rate Männern und Frauen schließlich nicht dazu, andere Menschen zu manipulieren. Alles geschieht freiwillig.«

Hat Danny gerade auch von Frauen gesprochen?

»Ich kann das Fragezeichen über deinem Kopf förmlich sehen«, greift er meinen unausgesprochenen Gedanken auf. »Ja, auch Frauen sehnen sich danach, jemanden kennenzulernen.«

»Und du hilfst ihnen dabei. Wie nobel!«

Ich sagte ja, dass ich eine große Klappe habe.

»Nobel nicht unbedingt. Aber hilfreich. Frag die Leser meiner Bücher, die Zuschauer meiner Videos und die zahlreichen Klienten, denen ich im persönlichen Coaching weitergeholfen habe. Das soll keine Selbstbeweihräucherung sein, ich sage nur, dass meine Tipps schon vielen Menschen dabei geholfen haben, glücklich zu werden.«

»Indem sie andere damit ins Bett quasseln?«, frage ich.

Obwohl ich zugeben muss, dass es sich nicht gänzlich blödsinnig anhört, was Danny da erzählt. Aber ich darf mich nicht einlullen lassen. Im Grunde spielt meine eigene Meinung zu Pick-up und Danny Smith keine Rolle. Hier geht es ums Geschäft und deshalb sollte ich so schnell wie möglich wieder darauf besinnen. Bevor Danny es sich anders überlegt oder ich wieder umkippe. Oder beides.

»Pick-up ist doch keine Anleitung zum Aufreißen«, sagt er genervt. »Auch wenn viele das denken. Weißt du, wie oft ich mir diese Klischees und Vorurteile anhören muss?«

Ich möchte ein ironisches Mir kommen die Tränen nachschieben, kann mir den Spruch aber mit einem Biss auf die Unterlippe im letzten Moment noch verkneifen.

»Pick-up ist wie ein Hammer: Den kannst du benutzen, um einen Nagel in die Wand oder jemand anderem auf den Schädel zu schlagen. Ich gebe den Menschen Werkzeuge an die Hand, mit denen sie ihr Leben und nicht nur ihre Beziehungen verbessern können. Pick-up kann dich zu einem besseren Menschen machen. Oder, falsch angewendet, manipulieren und anderen schaden. Letztendlich müssen meine Klienten wissen, was sie tun.«

»Mit Flirttipps?«, frage ich eher neugierig als schnippisch.

»Gib mir mal deine Hand«, sagt er plötzlich.

Ist das einer von Dannys Tricks? Zögerlich strecke ich ihm meine linke Hand entgegen, die er sanft mit seinen beiden starken Pranken umfasst. Sie sind groß und geschmeidig. Gut gepflegte, kraftvolle Männerhände eben. Ehe ich etwas sagen kann, drückt er mit seinem kräftigen Daumen fest in die Mitte meiner Hand.

»Au! Was soll das! Spinnst du!?«, rufe ich in einem kurzen Schmerzensschrei auf. Doch Danny lächelt nur und lässt meine Hand los, die ich wie ein verletztes Tier zum Schutz zurückziehe. Ein Kellner und ein paar Gäste haben ihre Köpfe in unsere Richtung gedreht.

»Wo hast du den Schmerz gespürt?«

»Wo wohl? In der Hand natürlich!«

»Genau. Aber in Wahrheit ging das Signal zu deinem Rückenmark und zu deinem Schmerzzentrum im Gehirn. Innerhalb von Millisekunden wurde der Impuls über deine Nervenbahnen zu wichtigen Zentralen deines Körpers weiter- und wieder zurückgeleitet.«

»Und was soll mir das jetzt zeigen?«, frage ich genervt und reibe mir die Hand, obwohl sie schon lange nicht mehr wehtut. In der Hoffnung, Danny so ein schlechtes Gewissen zu machen. Aber das scheint ihn nicht zu beeindrucken.

»Dass alles mit allem verbunden ist. Und genauso sehe ich Pick-up auch. Wenn ich meinen Klienten beibringe, selbstbewusster auf Menschen zuzugehen, dann verändere ich nicht nur ihre Datingfähigkeiten. Ich verändere ihr Leben. Indem ich direkt am Schmerzpunkt ansetze.«

Mit dem Ende des letzten Satzes holt Danny ein kleines Notizbuch hervor. Er blättert es auf und schiebt es mir zu. Auf den Seiten stehen durcheinandergekritzelte Sätze. Mal mit blauer, mal mit schwarzer Tinte, mal mit Kuli und mal mit Füller. Ein Eintrag wurde sogar mit einem Textmarker verfasst.


Danke, Danny! Du hast mir dabei geholfen, meine Traumfrau kennenzulernen!

Ohne dich wäre ich heute noch todunglücklicher Single. Danke, man!

Mit deinen Tipps ist es mir endlich gelungen, den schnuckeligen Kerl in der U-Bahn anzusprechen, den ich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit sehe. Mit Erfolg! :)


Ich blättere weiter. Die Danksagungen nehmen kein Ende.

»Hast du die alle selbst geschrieben?«, frage ich, um meine stille Bewunderung zu verstecken.

»Dann würden die Huldigungen sehr viel überschwänglicher ausfallen.«

Ich muss schon wieder schmunzeln, obwohl ich mit Leibeskräften dagegen ankämpfe.

»Das sind alles echte Menschen, die mir ihr Feedback in dieses Buch schreiben. Ich trage es immer bei mir.«

»Um dich selbst daran aufzugeilen?«

»Nein«, sagt er völlig gelassen. So sehr ich Danny auch aus der Reserve locken möchte, er bleibt beherrscht. Eine Eigenschaft, die ich an Menschen bewundere. Vermutlich, weil sie mir selbst fehlt.

»Um mich jeden Tag daran zu erinnern, dass meine Arbeit einen Sinn hat. Diese Erinnerung brauche ich, wenn ich mal einen miesen Tag habe. Oder wenn die Presse schlecht über mich schreibt. Oder wenn ich viele Hasskommentare unter meinen Facebook-Postings lese.«

Danny Smith wird mir sympathisch. Eine Entwicklung, die ich heute früh noch nicht für möglich gehalten hätte. Beinahe beiläufig werfe ich einen Blick auf die Uhr hinter ihm. Und bekomme einen Schreck.

KAPITEL 9

»Schon so spät!«, sage ich. Danny und ich haben uns total verquatscht, denn inzwischen ist es kurz vor eins. »Ich muss zurück in die Agentur. Dabei habe ich noch so viele Fragen an dich.«

»Augenblick«, sagt er und holt sein Smartphone aus der Tasche. Er hält es sich ans Ohr, es klingelt ein paar Mal, dann höre ich, wenn auch ganz leise, die vertraute Stimme von Steven.

»Agentur Breitenschwerdt, Geschäftsführer Steven Ryan am Apparat.«

»Hallo Mister Ryan, Danny Smith hier.«

»Ah, Mister Smith! Schön, von Ihnen zu hören. Wie läuft der Termin mit meiner Kollegin?«

»Ganz hervorragend, Mister Ryan, was auch der Grund meines Anrufes ist. Dürfte ich wohl noch ein paar Minuten länger mit Miss Cooper sprechen? Sie müssen wissen, dass ich sie die ganze Zeit kaum zu Wort habe kommen lassen, sodass die junge Frau noch gar nicht die Gelegenheit hatte, mir weitere Fragen zu stellen.«

Lachen am anderen Ende der Leitung. Danny zwinkert mir verschwörerisch zu.

»Überhaupt kein Problem, Mister Smith. Miss Cooper ist ihre zentrale Ansprechpartnerin und hat neben der Betreuung Ihres Projektes keine weiteren Verpflichtungen in der Agentur. Mit anderen Worten: Sie haben als Premiumkunde oberste Priorität bei ihr.«

»Das ist sehr nett, vielen Dank«, erwidert Danny und legt auf. »Siehst du, Problem gelöst«, sagt er in meine Richtung und grinst. »Hast du hier schon die Himbeer-Pannacotta probiert, Zoe? Einfach fabelhaft!«, schwärmt er und schaut mich erwartungsvoll an.

»Ähm, na ja, ich bin erst seit ein paar Tagen in New York und hatte noch nicht die Zeit für ausschweifende Restaurantbesuche.«

»Zwei Pannacotta mit extra viel Vanillesoße!«, ruft Danny dem Kellner zu. »Und dann erzählst du mir alles über die Person Zoe Cooper.«

Auch wenn ich mich freue, dass Danny sich für meine Vergangenheit interessiert: Hier und heute geht es nicht um mich. Außerdem gibt es nicht viel Spannendes von einem Jersey Girl zu berichten, das im Online-Marketing arbeitet.

»Erzähl mir lieber etwas über dich«, lenke ich ab. »Mir ist aufgefallen, dass du einen merkwürdigen Akzent hast. Bist du Amerikaner?«

»Jain. Mein Vater hat eine Zeitlang in Deutschland gearbeitet und Versicherungen verkauft. Ich bin in New York geboren und bin die ersten Jahre meines Lebens hier aufgewachsen. Dann habe ich einen großen Teil meiner Jugend in Deutschland verbracht. Mom und Dad waren vorher lange zusammen. Zu lange.«

Der Kellner kommt an unseren Tisch und stellt zwei Teller mit wabbelnder Pannacotta vor uns ab, die ich ignoriere. Danny ist jetzt wesentlich spannender.

»Wie meinst du das – zu lange?«

Lustlos löffelt er in der Pannacotta herum, den Blick gesenkt. »Ich meine damit, dass es ständig Streit gab. Kein Schlagen oder so, dazu war mein Dad viel zu anständig. Das Problem war eher Mom. Von einer liebevollen Atmosphäre konnte man im Hause Smith jedenfalls nicht sprechen.«

Ich kann nur erahnen, was Danny durchgemacht hat. In meiner Familie gibt es hin und wieder auch mal Streit. Das sind keine Streits, sondern Meinungsverschiedenheiten, sagt Dad immer. Ob man es nun so oder so nennt: Unfrieden kommt eigentlich selten bei uns vor. Und falls doch, wird das Problem beim Abendessen geklärt. Mit Gesprächen. Danny scheint nicht so viel Glück gehabt zu haben.

»Hast du denn noch Kontakt zu deinen Eltern?«, frage ich.

»Selten. Sie haben sich getrennt, als ich sieben Jahre alt war. Buhu, hm? Jetzt kennst du das dunkle Geheimnis von Danny Smith.«

Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es nicht das einzige dunkle Geheimnis ist, das er mit sich herumträgt. Aber mit Sicherheit eines, das ihn belastet. Das sehe ich seinen traurig dreinblickenden Augen an.

»Außerdem ist es meiner Mom peinlich, was ich mache. So wie dir auch.«

»Ich habe nicht gesagt, dass ich …«

»Ach komm, hör doch auf!«, fährt er mir plötzlich dazwischen. Seine Stimme klingt jetzt hart und ernst.

»Denkst du, nur weil du einen Schicki-Micki-Marketingjob machst, kannst du dir ein Urteil über mich erlauben?«

Ehe ich antworten kann, springt er von unserem Tisch auf und streift sich seine Jacke über.

»Danny, ich …«

»Komm, spar dir das. Ich muss mir von einer Anfang 20-jährigen Jersey-Pomeranze nicht sagen lassen, was ich doch für ein Arsch bin, dem es nur darum geht, Menschen hinters Licht zu führen.«

»Danny, so habe ich das nicht gemeint.«

Ich will ihm erklären, dass ich nach unserem jetzigen Gespräch eine andere Sicht auf ihn habe. Aber dazu komme ich gar nicht mehr.

»Lass dir deine Pannacotta schmecken. Ich suche mir eine andere Agentur, die professionell arbeitet«, faucht er und braust davon. Während ich meine Zukunft wieder einstürzen sehe und merke, wie Tränen über meine Wangen rollen.

KAPITEL 10

»Verstehe ich das richtig, Zoe«, sagt Steven und nimmt ein paar tiefe Atemzüge. Er hat sichtlich Schwierigkeiten, vor Wut nicht an die Decke zu gehen. Ein falsches Wort von mir und genau das würde passieren. Ich habe zwar eine große Klappe, aber ich weiß auch, wann ich sie unbedingt halten sollte. Das ist ein solcher Moment.

»Du hast es nicht nur geschafft, dass Danny Smith, eine mit Gold gepuderte Cash Cow, den Termin mit dir abrupt beendet hat, sondern gleich den gesamten Auftrag canceln will? Habe ich das in etwa so korrekt wiedergegeben?«

Ich will es klarstellen. Wie es dazu kam, dass Danny die Segel gestrichen hat. Nein, ich will mich rechtfertigen. Das ist ein Unterschied und so wie ich Steven einschätze, kann er Rechtfertigungsversuche überhaupt nicht leiden. Mir spukt noch die Warnung von Max im Kopf herum, die er vor einigen Tagen am Kaffeeautomaten von sich gegeben hat.


Pass auf bei Steven. Wir hatten hier vor Kurzem eine junge Mitarbeiterin und – weiter ging der Satz nicht.


Ist meiner Vorgängerin vielleicht Ähnliches passiert? Wurde auch sie für alles verantwortlich gemacht, was in dieser Agentur schiefläuft? War sie und bin ich in Wahrheit nichts anderes als ein Blitzableiter?

Andererseits hat Steven nicht ganz unrecht. Ich hätte Danny nicht so aushorchen dürfen. Jeder Mensch hat einen wunden Punkt, das weiß ich selbst nur zu gut. Schließlich habe ich jede Menge davon. Die Trennung von Alex zum Beispiel.

Oder den Liebesbrief, den ich Jordan geschrieben habe, einem Jungen, in den ich in der vierten Klasse verliebt war. Nur hatte Jordan nicht dieselben Gefühle für mich.

Ich erinnere mich noch glasklar an diesen Tag, an dem der sonst durchgehend braune PVC-Boden der Jersey Elementary School mit den Kopien meines Liebesbriefes übersät war. Die Jordan massenhaft kopiert und mit einem schäbigen Lachen wie Flugblätter verteilt hatte.

Überall Kichern, andere Kinder um mich herum, die mit dem Finger auf mich zeigten und losprusteten.


Seht mal, das ist die blöde Kuh, die den Liebesbrief geschrieben hat!


An diesem Tag war etwas in mir gestorben. Vielleicht der Glaube an die große Liebe, weil ich es nicht fassen konnte, dass mein Herz mich damals so in die Irre geführt hatte. Ich war mir so sicher, dass er meine Gefühle erwidern würde. Seitdem bin ich Jungs gegenüber misstrauisch. Vielleicht reagiere ich deshalb so allergisch auf diesen Pick-up-Kram.

»Ja«, antworte ich kleinlaut auf Stevens Frage, ob er richtig verstehe, dass ich überdimensionalen Bockmist gebaut habe.

»Ich fasse es nicht, Zoe. Es sah doch alles so gut aus! Ich meine, ihr wart essen, er hat sich sogar mehr Zeit erbeten, die er mit dir verbringen wollte. Wie kann man das nur versemmeln?«

Steven läuft auf seinem schwarzen Büroteppich auf und ab. Er ist aufgebracht und ich muss einen Weg finden, ihn zu besänftigen. Auch wenn ich gleich schon wieder losheulen könnte, weil ich ein weiteres Mal innerhalb weniger Tage Angst um meinen Job bekomme.

»Ich übernehme die volle Verantwortung dafür, Steven«, sage ich. »Und ich werde dafür sorgen, dass wir Danny Smith als Kunden zurückgewinnen. Sogar mit einer zusätzlichen Vertragsverlängerung.«

Gewagt, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als vollmundige Versprechungen zu machen.

Steven stoppt seinen Auf- und Abwärtsgang und runzelt die Stirn. Anscheinend habe ich ihn mit meinem beherzten Vorstoß überrascht.

»Das klingt zu schön, um wahr zu werden. Ehrlich gesagt glaube ich auch nicht dran, dass das wahr werden wird. Aber gut, ich bin ja kein Unmensch. Auch wenn das einige der Schwachmaten in diesem Büro von mir behaupten.«

Jetzt tritt er nah an mich heran, so nah, dass ich seine Bartstoppeln einzeln zählen könnte.

»Ich schaffe das.«, sage ich mit fester Stimme und schaue ihm mutig in die Augen.

»Das will ich hoffen, Zoe. Sonst war dein Ausflug bei Breitenschwerdt vor allem eines – kurz!«

KAPITEL 11

Heute Nacht habe ich die Vorhänge offen gelassen. Die Lichtkegel vorbeifahrender Autos huschen suchend an den Wänden meines Schlafzimmers entlang. Das laute Hupen der Taxis wechselt sich mit heulenden Sirenen ab. New York, die Stadt, die niemals schläft, hält auch mich wach.

Ich starre an die Decke, schließe die Augen, wälze mich von links nach rechts. So geht das schon eine ganze Weile. Die letzten Tage haben mich mächtig aufgewühlt, auch dass ich umgekippt bin, bereitet mir Sorgen. Wobei ich denke, dass es wirklich nur am Stress und daran lag, dass ich nichts gegessen hatte. Und an Danny Smith. Wenn ich ganz ehrlich bin.

Unser letztes Gespräch geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Und wenn ich daran denke, wie er meine Hand gehalten hat, ertappe ich mich bei einem breiten Grinsen im Gesicht. Nicht gut, gar nicht gut, Zoe. Bist du etwa dabei, dich zu verknallen?

Ich schiebe den Gedanken sofort zur Seite. Oder besser gesagt, ich versuche es und raube mir dadurch selbst den Schlaf. Nein, das kann nicht sein. Nicht in einen Typen wie Danny. Er hat mich manipuliert. Er will, dass ich ihm hörig bin.

Warum sollte er das wollen?, fragt meine innere Stimme. Schließlich hat er das Spiel beendet. Ich bilde mir echt was auf mich ein.

Wahrscheinlich findet Danny mich nicht einmal ansatzweise attraktiv. Mit meinen Speckröllchen am Bauch, von denen Alex immer behauptet hat, dass sie nicht existieren würden.

Bestimmt gefällt Danny auch meine blonde Strähne nicht, deren Farbe im Ansatz schon wieder herauswächst.

Ich blöde Kuh. Wie konnte ich nur so eingebildet sein und glauben, dass ein heißer Typ wie Danny Smith etwas von mir will? Nur, weil er ein Pick-up-Artist ist?

Ich habe gerade eine erfolgreiche Landung auf dem Planeten Selbstverurteilung hingelegt und werde dort sicher noch den Rest der Nacht zubringen.

Was mich am meisten bewegt, ist Dannys Familiengeschichte. Ich habe einige Freunde in Jersey und Umgebung, die ähnlichen Mist mit ihren Eltern durchmachen mussten. Sarah zum Beispiel, meine beste Freundin seit Grundschultagen, musste den Rosenkrieg ihrer Eltern miterleben.

Seitdem ich in New York bin, habe ich noch nicht ein einziges Mal mit ihr gesprochen, geschweige denn geschrieben.

Vor ein paar Monaten noch haben wir es keinen Tag lang ausgehalten, ohne zu erfahren, was sich im Leben der anderen so tut. Aber die Trennung von Alex hat alles verändert, vor allem mich und den Kontakt zu meinen Freunden. Kurz nach der Trennung wollte ich mich nur verkriechen, niemanden sehen, hören oder sprechen.

Ich habe meine langjährige Beziehung in den Sand gesetzt und da war mir einfach nicht nach Reden zumute. Mit niemandem. Obwohl Sarah hartnäckig war und sogar besorgt bei meinen Eltern angerufen hatte, weil ich nicht rangegangen war. Meine Mom klopfte damals an die abgeschlossene Tür meines Kinderzimmers, in das ich mich nach der Trennung vorübergehend einquartiert hatte.

»Zoe, Sarah möchte wissen, ob es dir gut geht.«, sagte sie gedämpft durch die Tür hindurch.

»Es geht mir gut«, raunte ich zurück und zog mir wieder die Decke über den Kopf. Mein Bett als Rückzugsort war das Einzige, was mir – von Eiscreme einmal abgesehen - in dieser Zeit ein wenig Geborgenheit versprach.

Ich glaube, Sarah hat mir damals übelgenommen, dass ich mich so abgeschottet habe. Auch wenn ein Teil von ihr mit Sicherheit Verständnis dafür hatte, dass ich mich zurückzog, wenn es mir schlecht ging.

So hat sie mich schließlich kennengelernt, als in sich versunkenes Häufchen Elend aus der Nachbarklasse. Das war an jenem denkwürdigen Tag, an dem dieses Aas Jordan meinen Liebesbrief tausendfach kopiert und in der gesamten Schule wie Flugblätter verteilt hatte.

Ich erinnere mich bis heute an diesen Moment, in dem Sarah sich zu mir hinunterkniete. Ich hatte mich in einem verlassenen Raum der Schule versteckt, wo ich mit dem Kopf zwischen den Knien vor mich hin schluchzte. Ich werde nie vergessen, wie sie in der einen Hand ein Taschentuch und in der anderen ein Bonbon hielt, beides zum Trost für mich bestimmt.

Ich erinnere mich sogar noch an ihr verschmitztes Lächeln und an die Sommersprossen, die ihr hellbraunes Gesicht bis zum heutigen Tag schmücken. Und an ihren Duft nach Erdbeerkaugummi, der mir in die Nase stieg, als sie mich umarmte. Ein Duft, in dem ein tröstendes Alles ist in Ordnung mitschwang.

Nur ihre Frisur ist heute anders: Damals trug Sarah Locken, die sich inzwischen verwachsen haben. Heute sind ihre schwarzen, glänzenden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Zumindest war das so, als ich sie das letzte Mal gesehen habe.

Sollte ich sie anrufen? Sarah ist schon seit Ewigkeiten mit Tim zusammen, wohnt mit ihm in einer gemeinsamen Wohnung und erwartet ein Kind. Geordnete Bahnen in Jersey. Während ich durch New York springe und noch lange auf Mr. Right warten kann.

Andererseits ist es mitten in der Nacht, 3 Uhr früh, wie mir mein Wecker in roten Leuchtziffern bestätigt. Da kann ich doch unmöglich eine Hochschwangere aus dem Bett klingeln. Doch würde es mir unheimlich guttun, Sarahs Stimme zu hören. Das wäre wie eine Umarmung für meine Seele.

Ich schnappe mir also mein Handy und scrolle durch die Kontaktliste. Sarah Fisher, da ist sie. Meine Finger beginnen zu zittern. Ist es wirklich eine gute Idee, sie nach Wochen der Funkstille mitten in der Nacht wach zu klingeln? Ehe ich weiter darüber nachdenken kann, tippe ich auf Anruf. Es klingelt dreimal. Was für eine blöde Idee, Zoe.

Bestimmt wecke ich auch Tim auf. Ich will schon auf den roten Telefonhörer tippen und nehme für diesen Zweck mein Handy vom Ohr, da höre ich plötzlich diese warme, vertraute und überraschend wache Stimme, nach der ich mich die ganze Zeit gesehnt habe.

»Hallo?«

Es ist Sarah. Sie klingt wie das Energiebündel, als das ich sie seit jeher kenne. Keine Spur von Verschlafenheit, was mich ein wenig beruhigt. Vielleicht habe ich sie doch nicht geweckt. Auch wenn es ungewöhnlich ist, dass sie um diese Uhrzeit auf den Beinen ist.

»Hi Sarah«, presse ich heraus. Meine Stimme zittert so stark wie meine Hand, mit der ich kaum das Telefon festhalten kann. Wie wird Sarah reagieren? Wird sie sauer auf mich sein? Immer noch oder schon wieder? Ich bereue es, sie angerufen zu haben. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.

»Hier ist Zoe.«

»Wer?«, fragt Sarah etwas genervt. Meine Hand zittert jetzt noch stärker.

»Zoe Cooper.«

»Ach Zoe, meine Freundin, von der ich nicht dachte, dass sie sich noch an mich erinnern kann?«, fragt Sarah schnippisch.

»Schätze schon«, antworte ich.

»Verdammt, Süße, wurde aber auch zur Hölle nochmal Zeit, dass du dich meldest!«

Wenn Sarah zu fluchen beginnt, kann das zwei Gründe haben: Entweder ist sie sauer oder sie freut sich. Die Anrede Süße lässt mich aber vermuten, dass sie sich über meinen Anruf freut. Was mich etwas entspannt und meine zitternde Hand am Hörer langsam beruhigt.

»Wie geht’s dir?«

»Nicht so gut.«, sage ich und spüre schon die Tränen fließen, nicht nur ein bisschen, sondern in Strömen. Ich schluchze heftig und schäme mich dafür, Sarah mit meinen Gefühlen so zu überrollen.

Warum musst du nur so nah am Wasser gebaut sein, Zoe?

»Hey, ganz ruhig. Was ist passiert?«

»Ach«, schluchze ich und schnaube so leise es eben geht in ein Taschentuch, das ich in weiser Voraussicht aus der Box auf meinem Nachttisch gezogen habe. »Ich rufe hier mitten in der Nacht an und heule dir ohne Vorwarnung die Ohren voll.«

»Zoe, mach dir keinen Kopf. Ich freue mich, dass du anrufst.«

»Ich habe dich nicht aus dem Bett geklingelt?«, frage ich schuldbewusst.

Die Tränen fließen noch, aber nicht mehr so heftig wie vor ein paar Sekunden. Sarahs Art beruhigt mich immer, selbst am Telefon. Sie hat eine magische Gabe dafür, mich besser fühlen zu lassen und sie hilft mir dabei, durch alle Traurigkeit, durch jeden Schmerz zu gehen. Einfach, indem sie mir zuhört.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752117158
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Oktober)
Schlagworte
New York Liebesroman Bad Boy Leidenschaft Sex Romantik Romance Verführung Erotik Lust Erotischer Liebesroman

Autor

  • Lauren S. Klinghammer (Autor:in)

Lauren S. Klinghammer steht für Geschichten rund um Liebe und Erotik. Wäre sie nicht das Pseudonym eines deutschen Autors, würde sie mit Sicherheit im turbulenten Großstadtleben zwischen Coffee to Go und Agenturlifestyle jede Minute nutzen, um weitere Bücher über die Skurrilität namens Liebe zwischen Männern und Frauen zu schreiben.
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Titel: New York Bad Boy