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Schnurren mit seinem Gefährten

von Shea Balik (Autor:in)
145 Seiten
Reihe: Miracle, Oregon, Band 1

Zusammenfassung

In einer Welt, in der alle gegen sie sind, kann ihnen nur ein Wunder helfen. Aber niemand hat damit gerechnet, Rettung in einer verlassenen Stadt zu finden, deren Häuser und Mauern schon in sich zusammenfallen. Und doch geschieht genau das, als sie nach Miracle in Oregon kommen. Der Pumawandler Edrick Rapp könnte sich selbst in den Hintern treten dafür, nicht schon vor Jahren mit seinen Freunden fortgegangen zu sein, weit weg von seinem früheren Rudel. Leider erkannte er seinen Fehler erst, als er einen seiner Freunde tot auffand – erschlagen als Bestrafung für angebliche Sünden. Nole Hayward, ein Mauswandler, wird von seinem Alpha grausam bestraft und schwerverletzt seinem sicheren Tod überlassen. Er überlebt jedoch mit knapper Not und verkriecht sich in Miracle, bis eines Tages eine Gruppe von Pumawandlern dort auftaucht. Aber bevor er fliehen kann, stürzt ein Gebäude über ihm ein, und Rettung kommt in Gestalt seines Gefährten. Ein homoerotischer Liebesroman für Erwachsene mit explizitem Inhalt. Jeder Band dieser Reihe geht auf die romantische Beziehung eines anderen Paares ein. Länge: rund 35.000 Wörter

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 1

„Bitte sag mir, dass wir hier nur zum Pinkeln anhalten“, nörgelte Hudson, sobald das Knattern ihrer Motorräder verstummte.

Edrick Rapp ignorierte Hudson und schwang sein Bein über seine geliebte Frat Boy S. Er schaute sich um und tat sein Bestes, um nicht das Gesicht zu verziehen bei dem, was er sah. Das Letzte, was er jetzt brauchte, war ein weiterer Grund für Hudson, sich zu beklagen. Der Mann mochte einer seiner besten Freunde sein, aber Hudson würde sogar über einen Lottogewinn jammern, als wäre das etwas Furchtbares.

Als Edrick diese kleine Stadt gekauft hatte, war ihm bewusst gewesen, dass sie seit langer Zeit verlassen war und eine Menge Arbeit nötig sein würde. Allerdings hatte er gehofft, dass sie nicht aussah, als würde alles zusammenbrechen, wenn man nur fest genug pustete.

Ursprünglich hatte es entlang der Hauptstraße zehn Gebäude gegeben, nun ja, entlang der einzigen Straße, die es hier gab. Die beiden anderen Straßen, derer die Stadt sich rühmte, waren kaum mehr als Schotterwege. Einer führte zu einem kleinen Wohngebiet, der andere zu einer großen Farm, auf der nach Angaben des Immobilienmaklers kein einziges Gebäude mehr stand. Es gab noch eine weitere Farm in der Nähe, aber deren Besitzer hatte sich geweigert zu verkaufen.

Edrick musterte die zehn Gebäude und kam zu dem Schluss, froh sein zu können, dass erst zwei von ihnen zusammengebrochen waren. Die anderen acht standen noch.

Gewissermaßen.

Okay, vielleicht waren sie nur deshalb noch nicht zu einem Haufen Steine und Holz zusammengefallen, weil eins an dem anderen lehnte. Aber der Punkt war, sie standen noch – überwiegend.

Hoffentlich waren die sechs Wohnhäuser, von denen der Immobilienmakler behauptet hatte, sie seien noch intakt, in besserem Zustand. Ansonsten würden sie ein Camp aufschlagen müssen. Wieder einmal. Das hatten sie bereits in den vergangenen beiden Nächten gemacht, seit sie von ihrem früheren Rudel geflohen waren. Edrick hätte Hotelzimmer bevorzugt, aber er wollte keine Spuren hinterlassen, die verraten würden, wohin sie gingen.

Er hoffte nur, dass sie auf der anderen Seite des Landes weit genug weg waren, um nicht verfolgt zu werden. Edrick seufzte bei dem Gedanken. Zweitausend Meilen sollten abschreckend genug sein, besonders falls das Rudel seines Vaters ihre Bewegungen elektronisch verfolgte. Aber früher oder später würde Lorcan Rapp sie finden, und sei es auch nur, um zu beweisen, dass er es konnte.

Für den Moment jedoch waren sie hoffentlich sicher. Das Letzte, was Edrick wollte, war, gegen seinen Vater zu kämpfen. Er hatte eigentlich keinen Zweifel, dass er ihn besiegen würde, aber er war nicht wild darauf, seinen alten Herrn zu töten.

Er schüttelte die morbiden Gedanken ab und antwortete Hudson: „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber das hier ist unser neues Zuhause.“

„Gut“, grummelte Lucca. „Kellach muss sich ausruhen. Die ganze Zeit hinten auf meinem Bike zu sitzen, während er versucht zu heilen, ist nicht gerade hilfreich.“

Edrick spürte einen schuldbewussten Stich in seinem Herzen bei der Erinnerung daran, dass er darin versagt hatte, seinen Freund zu beschützen. Er ging zu Kellach, der sich schwer gegen Luccas Motorrad lehnte, nahm dessen Gesicht in die Hände und schaute in die hübschen, lavendelfarbenen Augen. In ihnen lag so viel Schmerz, dass Edrick ganz schwache Knie bekam. „Es tut mir so leid, Kellach. Kannst du es noch ein paar Minuten lang aushalten? Es ist nicht mehr weit bis zu den Häusern.“

Eine deutlich kleinere Hand landete auf seiner, und Kellach versuchte zu lächeln. „Es ist nicht deine Schuld, Edrick. Wir alle kannten die Risiken. Ich war unvorsichtig und habe den Preis dafür bezahlt.“

Ein tiefes Grollen stieg in Edrick auf, als er daran dachte, was hätte passieren können, wenn er nicht zufällig gesehen hätte, wie Kellach von den Freunden seines Vaters zusammengeschlagen wurde. Die Wut, die in Milton Alders Augen gestanden hatte, war das Versprechen eines langsamen und schmerzhaften Todes gewesen. Davon hatte Kellach schon zu lange einen Vorgeschmack bekommen, als Edrick aufgetaucht war.

„Wenn ich uns einfach da rausgebracht hätte, wie es meine Pflicht gewesen wäre, dann wäre das nie passiert.“ Auch hätten sie dann jetzt nicht das Rudel seines Vaters auf den Fersen, das darauf aus war, sie alle umzubringen.

„Du machst wohl Witze!“, rief Hudson, der sich bückte und ein umgekipptes Schild aufhob. „Dieser Ort heißt Miracle … Wunder.“ Hudson schnaubte abfällig. „Ein Wunder, dass hier noch ein Stein auf dem anderen steht.“

„Es wäre ein Wunder, falls es so bleibt, wenn wir zu heftig atmen“, scherzte Kellach, obwohl er offensichtlich starke Schmerzen hatte.

„Ein Wunder, dass noch nicht alles zusammengebrochen ist“, sagte Lucca und starrte kritisch ihr neues Zuhause an.

„Ein Wunder, wenn wir das wieder reparieren können“, gab Chadwick, der Letzte in der Truppe, seinen Senf dazu. „Wahrscheinlich wäre es einfacher, alles abzureißen und ganz von vorn wieder aufzubauen.“ Mit einem Leuchten in den Augen, das Edrick seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in den Augen des Handwerkers gesehen hatte, musterte Chadwick das Äußere des am nächsten stehenden Gebäudes. „Wäre allerdings eine Schande, den Charakter dieser Häuser zu zerstören.“

Edrick machte sich keine Gedanken darüber, wie sie die Stadt wieder aufbauen sollten. Soweit es ihn betraf, lag das ganz in Chadwicks Verantwortung – er war der Einzige unter ihnen, der ausreichend Erfahrung im Hausbau hatte, um solche Entscheidungen zu treffen. „Wir werden uns dabei ganz nach deinen Anweisungen richten“, versicherte er seinem Freund.

Graue Augen musterten ihn einen Moment lang eindringlich, als würde Chadwick versuchen, sich darüber klar zu werden, ob Edrick es ernst meinte oder nicht. Dann nickte er. „Erstmal müssen wir die Häuser finden, von denen du gesprochen hast, und schauen, ob davon welche bewohnbar sind.“

Edrick stimmte zu. Sie mussten sich ausruhen. Morgen konnten sie dann Pläne machen und herausfinden, was nötig war, um die Stadt wieder herzurichten, die Edrick gekauft hatte. „Also los dann.“

Knatternd erwachten die Motoren wieder zum Leben. Sobald Kellach sicher hinter Lucca saß, rollte Edrick auf den Schotterweg, der sie zu ihren neuen Häusern bringen sollte. Er betete, dass ihnen bei all dem genug Zeit bleiben würde, um sich zu überlegen, wie sie sich verteidigen wollten, bevor sein Vater sie einholte.

So gern Edrick auch glauben wollte, dass sie in Sicherheit waren – er war nicht so dumm zu denken, dass das wirklich möglich war. In den Augen seines Vaters hatte Edrick die ultimative Sünde begangen. Er hatte zugegeben, dass er schwul war. Mit vierundfünfzig Jahren – in der Welt der Gestaltwandler fast noch ein Kind – war es an der Zeit gewesen, gegen die archaische Engstirnigkeit aufzubegehren, die unter Gestaltwandlern herrschte.

Warum jemandes sexuelle Orientierung überhaupt eine Rolle spielte, war ihm unbegreiflich.

Sie waren Pumawandler. Wie bei allen Gestaltwandlern bestimmte das Schicksal den wahren Gefährten eines jeden. Männlich oder weiblich – das schien für die höheren Mächte ohne Bedeutung zu sein. Also wieso glaubten Männer wie sein Vater, dass es eine Sünde war, jemanden des gleichen Geschlechts zu lieben?

In der Vergangenheit hatten gleichgeschlechtliche Paare eine schwere Wahl zu treffen: Entweder die Anziehungskraft des wahren Gefährten zu ignorieren – was praktisch unmöglich war – oder ihren Gefährten anzunehmen und den Rest ihres Lebens auf der Flucht vor denen zu sein, die sie wegen ihres unmoralischen Lebens töten wollten. In der Vergangenheit? Wem wollte er das weismachen? Es wurde immer noch praktiziert.

Er und seine Freunde waren das Paradebeispiel.

Kellach war von einem Rudelmitglied dabei erwischt worden, wie er einen Mann küsste. Sein Vater erfuhr davon, und als Kellach heimkam, fing sein Vater an, ihn zu schlagen. Wäre Edrick nicht am Haus vorbeigekommen und hätte Kellach schreien gehört, wäre Kellach an jenem Tag mit Sicherheit gestorben.

Der Zorn, der Edrick erfüllt hatte, als Milton erklärte, warum er seinen Sohn schlug, hätte beinahe zu Miltons Ende geführt. Edrick hatte den Mann in Stücke reißen wollen und hätte das auch getan, wenn Lucca, der bei ihm gewesen war, ihn nicht aufgehalten hätte.

Zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät gewesen, den Prozess noch aufzuhalten, der in Gang gesetzt worden war. Edrick wurde vor seinen eigenen Vater gezerrt, weil er es gewagt hatte, in das Recht eines Vaters einzugreifen, sein Kind als Strafe für dessen perverse Neigungen zu töten. Er sollte sich erklären.

Edrick jedoch hatte sich geweigert hinzunehmen, dass sein Freund hingerichtet werden sollte, nur weil er schwul war. Also hatte er gestanden, dass er selbst ebenfalls schwul war. Seine Freunde hatten in der Zwischenzeit bereits ihre Sachen gepackt. Ihre Motorräder waren beladen und warteten draußen vor der Ratskammer auf sie.

Sie hatten es gerade so geschafft, mit dem Leben davonzukommen. Nur der Schock, den Edrick mit seinem Outing erzeugt hatte, verschaffte ihm genug Zeit, dem Angriff seines Vaters und dessen Schergen zu entkommen. Edrick hatte Kellach hochgehoben und war nach draußen gestürmt, wo seine Freunde mit startbereiten Motorrädern gewartet hatten.

Sie hatten immer gewusst, dass es eines Tages so kommen würde, dass man ihr Geheimnis entdecken würde. Also hatten sie für diesen Fall Pläne gemacht, Geld zur Seite gelegt und auf geheime Konten geschafft, die sich nicht zurückverfolgen ließen. Je fortschrittlicher die Technologie wurde, um so einfacher wurde es, sich neue Identitäten zuzulegen und ihre Aktionen zu verschleiern. Aber Edrick wusste, dass genau diese Technologien ihren Verfolgern am Ende auch ermöglichen würden, sie aufzuspüren. Die Welt war zu klein geworden, um ihren Aufenthaltsort für immer geheim zu halten.

Sie bogen in einen überwachsenen Pfad ein, der mehr aus Unkraut und Schlaglöchern bestand als aus einer ebenen Fahrbahn, und Edrick stöhnte innerlich beim Anblick der sechs Häuser, die vor ihnen auftauchten. Zwei von ihnen hatten nicht einmal mehr ein Dach. Bei zwei anderen fehlten große Teile der Wände. Die letzten beiden waren augenscheinlich in besserem Zustand, sahen aber dennoch aus, als würde der nächste starke Wind sie umpusten.

Er war nicht sicher, dass auch nur eins der Häuser bewohnbar genug war, um ihnen Schutz zu bieten. Offenbar würden sie eine weitere Nacht im Freien verbringen.

Edrick schaltete den Motor ab, stieg von seinem Bike und marschierte zum ersten der beiden zweistöckigen Häuser, die mit etwas Glück noch eine Weile halten würden. Chadwick beeilte sich, ihn zu begleiten.

Sie gingen einmal um das Gebäude herum und hielten Ausschau nach Anzeichen für Gefahr. „Verglichen mit den anderen Häusern ist es in relativ gutem Zustand“, sagte Chadwick, als sie wieder an der Vorderseite ankamen.

Vorsichtig öffneten sie die Haustür, die jedoch zu Boden fiel, sobald Edrick dagegen drückte. „Andererseits, was weiß ich schon?“, murmelte Chadwick trocken.

Edrick starrte ihn finster an. Normalerweise hätte er sich darüber gefreut, dass sein sonst so zurückhaltender Freund immer mehr aus sich herausgekommen war, je weiter sie sich vom Rudel entfernten, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um Witze zu machen. Sie waren alle einfach zu müde. „Du bist der Handwerker.“

Chadwick hob eine Schulter, während er vorsichtig den Kopf in die Türöffnung steckte. „Ja, aber hellsehen kann ich auch nicht.“

„Das sieht nicht gerade sicher aus“, rief Hudson zu ihnen hinüber. „Vielleicht sollten wir uns lieber irgendwo ein Hotel suchen.“

Hudson war derjenige von ihnen, der Campen am meisten hasste. Er jammerte unentwegt darüber, wie hart der Erdboden war. Aber Hudson würde auch über die Fadenstärke der Laken in einem 5-Sterne-Hotel meckern, deswegen kümmerte Edrick sich nicht sehr um das Genörgel seines Freundes. Zugegebenermaßen war auch Edrick kein großer Freund des Zeltens, aber es machte ihm auch nichts aus, und seine innere Katze genoss es, in der freien Natur zu sein.

Chadwick schaute über seine Schulter zurück und grinste zu Hudson hinüber. „Ach komm, Hudson. Wo bleibt dein Sinn für Abenteuer? Wenn du Glück hast, gibt es hier drin sogar einen Geist, oder auch zwei.“

Edrick musste sich beherrschen, Chadwick für die Erwähnung von Geistern nicht einen Schlag in den Nacken zu verpassen. Das Letzte, was sie brauchen konnten, war, Hudsons Faszination für alles Paranormale anzufachen.

„Meinst du?“, fragte Hudson und kam die Verandastufen heraufgepoltert. „Ich wusste, ich hätte meine Ausrüstung mitnehmen sollen“, grummelte er. „So viel Zeit wäre noch gewesen.“

„Zum letzten Mal, Hudson. Selbst wenn du noch Zeit dazu gehabt hättest, hätten wir dein ganzes Zeug auf den Bikes nicht mitnehmen können“, sagte Lucca, der jetzt einen schlafenden oder wahrscheinlicher eher bewusstlosen Kellach in den Armen hielt.

„Genug“, knurrte Edrick. Er war zu verdammt erschöpft, um sich dieses stumpfsinnige Geplänkel anzuhören. Sie mussten einen sicheren Platz zum Übernachten finden. Kellach musste sich dringend ausruhen, um heilen zu können.

Er wandte sich an Chadwick und fragte: „Ist das Haus sicher genug, um reinzugehen, oder sollten wir die Zelte aufbauen?“

Chadwick hob eine Augenbraue und zuckte die Achseln. „Finden wir’s raus.“ Bevor Edrick antworten konnte, ging Chadwick hinein.

Auf keinen Fall würde Edrick zulassen, dass noch einer von seinen Freunden verletzt wurde, also folgte er ihm auf dem Fuße. Es wurde schon dunkel, deshalb konnten sie nicht viel erkennen, auch wenn sie als Pumawandler selbst bei wenig Licht relativ gut sehen konnten.

Als sie weiter hineingingen, kitzelte Edrick ein schwacher Duft in der Nase. Sein Schwanz wurde hart. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, was er fühlte, aber das Bedürfnis, die Quelle des Dufts zu finden, würde plötzlich übermächtig.

Er bewegte sich schneller durch das marode Gebäude, als klug war, und folgte dem aufregenden Aroma die knirschende Treppe hinauf zu einem der großen oberen Zimmer mit angrenzendem Bad. Zu seiner Enttäuschung fand er die Quelle dort nicht, suchte aber in jedem Winkel. Vielleicht hätte er angefangen, an Hudsons Geister zu glauben, hätte er nicht die Verwischungen im Staub auf dem Fußboden bemerkt. An einer Stelle sah es aus, als hätte dort vor kurzem noch jemand gelegen.

„Ich glaube, wir können uns hier sicher genug aufhalten, während wir es renovieren“, sagte Chadwick, als er wenige Minuten später zu Edrick aufholte. „Wir müssen hier einen Haufen Arbeit reinstecken, aber es scheint stabil genug zu sein.“

Edrick nickte zustimmend. „Sag den anderen Bescheid. Wir schlafen heute Nacht hier.“

Noch einmal ließ Edrick den Blick durchs Zimmer schweifen und suchte nach Hinweisen, wer sich hier aufgehalten haben könnte. Aber er fand nichts. Also ging er nach unten, um beim Abladen zu helfen.

So schwach, wie der Geruch war, hielt sich die Person nicht mehr hier auf. Aber nach Edricks Einschätzung war das erst seit einem oder zwei Tagen so. Wenn er Glück hatte, würde derjenige zurückkommen. Falls nicht, würde er ihn suchen müssen, denn Edrick war sich sicher, dass das verlockende Aroma zu seinem vom Schicksal bestimmten Gefährten gehörte.

Kapitel 2

Erschöpft von den letzten sechs Tagen seiner Flucht vor den Jägern war Nole Hayward den Tränen nahe, als er die Motorräder vor dem Haus sah, in dem er sich normalerweise versteckte. Das durfte nicht wahr sein! Wohin sollte er jetzt gehen?

Es hatte mehr als drei Jahre gedauert, in denen er vor einem Rudel geflüchtet war, bis er diese verlassene Stadt mitten im Nirgendwo gefunden hatte. Alles, was er wollte, war auf der aufblasbaren Matratze zusammenzuklappen, die er in dem Haus versteckt hatte, und die nächsten vierundzwanzig Stunden durchschlafen.

Er war todmüde und ein wenig irrational, und am liebsten wäre er in das Haus gestürmt und hätte von den Eindringlingen verlangt zu verschwinden. Aber sein Selbsterhaltungstrieb mahnte ihn, dass das nicht das Klügste wäre. Zunächst einmal hatte er keine Ahnung, wer die Gestaltwandler, die er riechen konnte, überhaupt waren. Sie könnten von seiner ehemaligen Kolonie angeheuert worden sein, um ihn zu töten.

Dann war da noch die Tatsache, dass es sich um Katzen handelte. Pumas, falls Nole sich nicht irrte. Auch nichts, worauf ein Mauswandler scharf war. Normalerweise griffen Gestaltwandler keine anderen Gestaltwandler an, nur weil die Spezies als Beutetier galt. Aber Nole war schon einigen begegnet, die sich nicht darum scherten, dass er auch ein Mensch war, sondern nur die Maus sahen und die Jagd auf ihn eröffneten. Das hatte das Leben auf der Flucht nicht gerade leichter gemacht.

Er musste sich nicht nur um Abdiel sorgen – den Alpha seiner Kolonie, der Fährtensucher losgeschickt hatte, die ihn töten sollten, weil er schwul war – er musste sich auch vor Jägern in Acht nehmen – Menschen, die darauf aus waren, paranormale Wesen zu töten – wann immer er Miracle verließ, um Nahrung zu finden. Und jetzt musste er sich mit diesen unbekannten Katzen herumschlagen. Wenn sich sein Glück nicht bald wendete, würde er kein weiteres Jahr auf der Flucht überleben. Scheiße, so wie die Dinge lagen, konnte er froh sein, wenn er einen weiteren Tag überstand.

In Zeiten wie diesen war Nole beinahe sicher, dass das Schicksal gegen ihn arbeitete und alles daran setzte, dass er starb. Er war seit fünf langen Jahren auf der Flucht, und er war zu Tode erschöpft. Wenn er jetzt nicht etwas Schlaf bekam, würde er irgendeinen dummen Fehler machen, der ihn das Leben kosten konnte.

Mit diesem Gedanken im Kopf machte Nole sich auf den Weg in die kleine Stadt. Sicher, die Gebäude dort waren weniger stabil als das Haus, das er in Beschlag genommen hatte, aber wenigstens gab es dort keine Katzen – so hoffte er. Falls die offensichtlichen Reparaturen, die er an der Außenseite des Hauses gesehen hatte, irgendetwas zu bedeuten hatten, dann hatten die Katzen vor zu bleiben. Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, bevor sie anfangen würden, auch die Gebäude in der Stadt instandzusetzen. Nole wollte sich einfach nur zwei Stunden schlafen legen, dann würde er sich aufmachen und beten, dass er ein anderes sicheres Versteck fand.

Er warf einen letzten, wehmütigen Blick auf das Haus, das ihm in den letzten Jahren immer wieder Schutz geboten hatte. Es war beschissen, dass er es nun aufgeben musste, aber er wollte nicht das Risiko eingehen, Pumas über den Weg zu laufen. Nole mochte tapferer sein als eine durchschnittliche Maus, aber er war nicht dumm.

* * * *

Es war drei Tage her, seit sie in Miracle angekommen waren und Edrick den Duft seines Gefährten aufgefangen hatte. Seine innere Katze verlor die Geduld. Er wollte einfach nur losjagen und denjenigen suchen, zu dem dieses verführerische Aroma gehörte. Aber er konnte nicht. Seine Freunde brauchten ihn, solange er nicht sicher war, dass sein Vater ihnen nicht folgte. Edrick wagte nicht, sie allein zurückzulassen.

Nicht, dass Lucca, Chadwick und Hudson nicht auf sich selbst aufpassen konnten, aber Edricks Vater kämpfte nie fair. Der Mann hätte keine Skrupel, ohne Warnung eine ferngelenkte Rakete auf ihr neues Zuhause abzufeuern, nur um zu beweisen, dass er immer gewann.

Nein, so sehr er auch nach seinem Gefährten suchen wollte, Edrick musste bleiben und die beschützen, die von ihm abhängig waren. Außerdem war er nicht sicher, ob es eine gute Idee war, in dieser Situation einen Gefährten ins Spiel zu bringen. Weder seine menschliche Seite noch sein Puma wollten seinen Gefährten in Gefahr bringen – was wahrscheinlich auch der Grund war, warum sein Puma ihn nicht stärker drängte, sich zu verwandeln und den Mann zu finden.

Dennoch musste er gegen seinen Instinkt kämpfen, um nicht genau das zu tun. Am schlimmsten daran war, dass er seinen Frust an seinen Freunden ausließ – besonders, da er hätte schwören können, dass der Geruch seines Gefährten heute Morgen stärker war als je zuvor. Sein Puma wurde wahnsinnig.

„Falls du irgendwen zum Schlagen brauchst, nehme ich es nur zu gern mit dir auf“, sagte Lucca, der sich zu ihm gesellte. Edrick stand draußen und betrachtete die wenigen Fortschritte, die sie bis jetzt gemacht hatten.

Den ersten Tag hatten sie mit Aufräumen und Saubermachen verbracht. Er und Hudson waren für eine Stunde losgefahren, um einzukaufen. Da ihnen nur ihre Motorräder für den Transport zur Verfügung standen, hatten sie nicht alles besorgen können, was sie brauchten, aber vorerst reichte es.

„Es geht mir gut“, antwortete er seinem besten Freund. Er wünschte nur, es wäre wahr.

Am zweiten Tag hatte Chadwick das Haus genauer untersucht und eine Liste der Dinge aufgestellt, die in Ordnung gebracht werden mussten und was dazu nötig war. Schnell war ihnen klar geworden, dass sie einen Truck brauchen würden, um die nötigen Materialien herbeizuschaffen.

Heute würden Edrick und Chadwick einen Ausflug in die entgegengesetzte Richtung zu einem Farmer machen, der einen gebrauchten Truck zu verkaufen hatte. Edrick hoffte, ihre Namen aus dem Papierkram heraushalten zu können, indem er bar bezahlte, zumindest vorerst.

Sie hatten sich alle Aliase zugelegt, aber Edrick zog es vor, sie so lange wie möglich nicht zu benutzen. Außerdem wollte er mehr Geld von seinem geheimen Konto abheben, damit sie weiterhin mit Bargeld zahlen konnten.

Bei jeder größeren Anschaffung, die sie tätigten, ganz zu schweigen von ihren Fahrten in die umliegenden Ortschaften, riskierten sie, entdeckt zu werden. Und das Wissen, dass sein Gefährte irgendwo in der Nähe war, machte Edrick noch nervöser und entschlossener, ihnen das Rudel seines Vaters vom Leib zu halten.

Lucca schnaubte. „Ich verstehe ja, dass du uns beschützen willst, weil du Schuldgefühle wegen Kellach hast. Aber wir wissen doch beide, dass mit dir irgendwas nicht stimmt. Ich habe keine Ahnung, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist, und wenn du es mir, deinem besten Freund, nicht erzählen willst, schön. Aber tu uns allen einen Gefallen und lüg uns nicht an.“

Edrick seufzte, als er seinem besten Freund hinterherschaute, der sauer davonstürmte. In letzter Zeit versaute er einfach alles. Als er im Alter von zwölf Jahren entdeckt hatte, dass er auf Jungen stand, hatte er bereits gewusst, dass er eines Tages gezwungen sein würde, das Rudel seines Vaters zu verlassen. Aber so jung zu sein, war gleichzeitig ein Segen und ein Fluch gewesen.

Er hatte sich so lange versteckt, so lange gelogen, dass es zu seiner zweiten Natur geworden war. Als er zwanzig wurde und Lucca als letztes Mitglied ihrer Gruppe verkündete, dass er schwul war, hätte Edrick seinen Mut zusammennehmen und alles für ihre Flucht vorbereiten müssen.

Stattdessen hatte er seine Freunde gebeten, diskret zu sein. Hätte er gewusst, welche Konsequenzen seine Feigheit für sie alle haben würde, hätte Edrick sich anders verhalten. Andererseits hatte er mit zwanzig einfach noch nicht den Schneid gehabt, ein eigenes Rudel zu führen. Er wünschte nur, seine Entscheidungen hätten nicht solche Auswirkungen auf das Leben seiner Freunde gehabt.

Chadwick hatte es am schlimmsten getroffen. Er hatte sich vollkommen zurückgezogen. Als hätte es seinen einst so lebhaften Freund langsam umgebracht, nicht er selbst sein zu können. In gewisser Weise war in ihnen allen etwas gestorben, während sie sich verstecken und verleugnen mussten. Fünfundzwanzig Jahre waren eine lange Zeit, um so zu tun, als wäre man jemand, der man nicht ist.

„Bist du bereit?“, fragte Chadwick, der mit seiner Einkaufsliste in der Hand neben Edrick auftauchte. „Ich will nicht lügen – die Liste ist lang. Wir werden nicht alles mit einer Fahrt herschaffen können, vor allem, wenn wir auch noch Lebensmittel besorgen wollen.“

Das war der einzige Nachteil, wenn man Gestaltwandler war: Essen. Ihre Körper verlangten große Mengen Nahrung, besonders wenn sie sich verwandelten, was sie im Augenblick jede Nacht taten, um das Haus zu bewachen. In Katzengestalt konnten sie nahende Gefahren besser hören und riechen.

„Übrigens war letzte Nacht ein Gestaltwandler ganz in der Nähe“, sagte Chadwick, als er hinter Edrick aufs Motorrad stieg. „Ich bin ihm bis in die Stadt gefolgt. Er hat dort übernachtet. Er war offensichtlich keine Bedrohung, aber es kann nicht schaden, wenn wir nachsehen, ob er immer noch da ist.“

Edrick erstarrte. Konnte das sein Gefährte sein? Es würde jedenfalls erklären, wieso der süße Duft ihn gerade heute so verrückt machte. Er wusste nicht, ob er darauf hoffen sollte oder besser nicht, aber er startete sein Bike, und sie fuhren in Richtung der kleinen Stadt, die nun ihnen gehörte.

Je näher sie kamen, umso größer wurde die nervöse Anspannung in seinem Körper. Tief in seinem Inneren betete etwas darum, dass er der Mann war, den das Schicksal ganz allein für ihn vorherbestimmt hatte. Aber gleichzeitig betete er genauso sehr, er möge es nicht sein.

Edrick hatte Angst, den Mann – zumindest ging er davon aus, dass es sich um einen Mann handelte, da er schwul war – nicht beschützen zu können. Darüber würde er nie hinwegkommen können. Die Schuldgefühle, die er für das empfand, was seine Freunde durchmachen mussten, weil sie seinetwegen bei einem Rudel geblieben waren, das Schwule hasste, wären nichts im Vergleich zu den Qualen, die er leiden würde, sollte sein Gefährte verletzt werden, weil er ihn nicht beschützen konnte.

Sobald sie vor dem ersten Gebäude anhielten, traf der himmlische Geruch ihn wie ein Schlag in den Magen.

Sein Gefährte war hier.

Edrick atmete tief ein und sog mehr von dem Duft tief in seinen Körper. Sein Schwanz verwandelte sich in weniger als einem Herzschlag von halb hart zu steinhart, und ihm wurde ein wenig schwindelig, weil sich sämtliches Blut zwischen seinen Beinen sammelte.

„Warte hier.“ Seine Worte waren schwer zu verstehen, weil seine Stimme plötzlich rau und guttural klang.

Chadwicks Brauen hoben sich, aber es war ein Befehl, den er nicht ignorieren konnte. Edrick war durch und durch ein Alpha – ein weiterer Grund, warum sein Vater ihn tot sehen wollte. Das Letzte, was Lorcan Rapp wollte, war ein anderer Alpha, der sein Rudel übernehmen könnte.

Etwas, das Edrick niemals tun würde. Er wollte eigentlich kein Alpha sein. Alles, was er wollte, war in Frieden zu leben. Er wollte einfach nur sein können, wer er war, tun können, was er wollte, und vor allem lieben können, wen er wollte.

„Bist du sicher?“, fragte Chadwick, blieb aber gehorsam neben Edricks Motorrad stehen.

Edrick wusste nicht, ob er ein weiteres Wort herausbekommen würde, so stark war der Drang, sich zu verwandeln und seinen wahren Gefährten zu finden und für sich zu beanspruchen. Er nickte seinem Freund nur kurz zu, dann betrat er den hölzernen Gehweg, der entlang der Gebäude verlief.

Das Knacken und Knirschen unter seinen Füßen war kein gutes Zeichen. Die Bretter gaben so sehr nach, als er darauf trat, dass sie stark verrottet sein mussten. Er konnte von Glück sagen, wenn sie nicht unter ihm einbrachen. Zwar würde er nicht tief fallen, aber er wollte in der bröckelnden Stadt nicht noch mehr Schaden anrichten, wenn es sich vermeiden ließ.

Als er das dritte Gebäude erreichte, umhüllte der Duft ihn wie die Schlinge eines Seils, das ihn hineinzog. Edrick hielt den Atem an, als er die Tür öffnete. Er befürchtete, das ganze Haus könnte über ihm zusammenbrechen.

Das Quietschen der Angeln war ohrenbetäubend, als er an der Tür zog, aber das Gebäude blieb intakt. Edrick seufzte erleichtert und ging hinein.

Ein Rascheln aus einem der hinteren Räume verriet ihm, dass sein Gefährte ihn gehört hatte. Aus Angst, er könnte flüchten, rannte Edrick zu dem winzigen Raum. Dem verblassten Schild an der Tür zufolge handelte es sich um einen ehemaligen Lagerraum.

In seiner Hast vergaß Edrick jedoch, wie instabil das Haus war. Die Tür des Lagerraums knallte gegen die Wand, als er sie aufstieß. Sein Blick fiel sofort auf den Mann, der verzweifelt an der Hintertür rüttelte, sie jedoch nicht aufbekam.

Verlangen überwältigte Edrick, als ihn entsetzte, dunkelbraune Augen anstarrten. Das Begehren züngelte mit heißen Flammen an Edricks Haut, während er den vollkommensten Mann betrachtete, den er je gesehen hatte. Gebräunte Haut, ein schlanker, geschmeidiger Körper, der nicht in einem Fitnessraum geformt worden war, sondern durch harte Arbeit an der frischen Luft. Es war ein Anblick wie ein Traum, eine Vision.

Volle, rote Lippen brachten Edricks Schwanz zum Pochen. Der Wunsch herauszufinden, wie sie sich um seinen Ständer anfühlen würden, war übermächtig und unmöglich zu ignorieren. Unwillkürlich trat Edrick auf seinen Gefährten zu. Aber der warf sich erneut gegen die Hintertür, und dieses Mal gelang es ihm, sie aufzudrücken.

In diesem Moment ertönte ein Geräusch, das sie beide veranlasste, sich umzudrehen und voller Entsetzen die Stelle anzustarren, wo Edrick in seiner Hast die Tür gegen die Wand geschlagen hatte. Ein lautes Krachen, gefolgt von splitterndem Holz hallte durch den kleinen Raum. Edrick brauchte nur einen Augenblick, um zu begreifen, was er da hörte.

Wie befürchtet bildeten sich Risse im bröckeligen Wandputz, die mit jeder Sekunde größer wurden. Der ganze Raum begann zu wackeln.

Der sexy Mann starrte aus den dunklen Tiefen seiner schokoladenbraunen Augen die Wand an, die um sie herum zusammenzubrechen drohte, und selbst in diesem Moment der Gefahr dankte Edrick dem Schicksal dafür, ihm einen so wunderschönen Gefährten geschenkt zu haben.

Aber er wusste, dass die Zeit nicht auf ihrer Seite war, also eilte er zu seinem Gefährten, warf ihn sich über die Schulter und sprang durch die Hintertür ins Freie. Der gewaltige Luftstoß des zusammenfallenden Hauses warf Edrick zu Boden. Im letzten Moment drehte er sich und verhinderte, dass er seinen viel kleineren Gefährten unter sich begrub und mit seinem Gewicht erdrückte. Aber er hielt ihn fest und schützte ihn mit seinem Körper vor herumfliegenden Trümmern, so gut es ging.

„Scheiße, lass mich sofort los, Katze“, verlangte sein Gefährte. Gleichzeitig traf Edrick ein Faustschlag in den Magen.

Es tat verblüffend weh, und Edrick starrte den kleineren Mann einen Moment lang an. Dann lächelte er. Er hätte wissen müssen, dass das Schicksal ihm einen Hitzkopf als Gefährten geben würde. Gestaltwandler hatten nicht unbedingt ein leichtes Leben, und erst recht nicht als Alpha auf der Flucht vor seinem früheren Rudel.

Mit einem Gefährten, der auf sich selbst aufpassen konnte, würde Edrick auf jeden Fall nachts besser schlafen. Trotzdem würde er alles tun, um die Sicherheit seines Gefährten zu garantieren, denn jetzt, da er den sexy Mann in den Armen hielt, wusste Edrick, dass er ihn nie wieder loslassen würde, solange er lebte. Wenn er jedes einzelne Mitglied seines alten Rudels dafür töten müsste, dann sollte es so sein.

Aber zunächst einmal musste er seinen Gefährten dazu bringen, sich nicht gegen ihn zu wehren. „Wie lautet dein Name, meine kleine Maus?“

Kapitel 3

Die tiefe Stimme des Mannes, der soeben ein Haus zum Einsturz gebracht hatte, ging Nole durch und durch und kribbelte in seinen Eiern. Sofort hörte er auf zu zappeln. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so stark auf jemanden reagiert zu haben, und er war sich nicht sicher, ob ihm das gefiel.

Das hatte er nun davon, dass er nicht beim ersten Tageslicht aufgebrochen war, so wie er es geplant hatte. Allerdings hätte er selbst in seinen kühnsten Träumen nicht damit gerechnet, dass ein sexy Mann – mit einem Körper, der dazu geschaffen war, Nole festzuhalten und zu ficken, bis er seinen eigenen Namen vergaß – durch die Tür stürmen würde.

Er holte tief Luft, während er fieberhaft überlegte, was er jetzt tun sollte. Dann stieß er sie keuchend wieder aus, als sein Schwanz so hart wurde wie ein Bleirohr. Nole hatte schon immer einen starken Sexualtrieb gehabt, aber das hier war geradezu lächerlich.

Schließlich traf es ihn – das Aroma, das von dem Pumawandler ausging, der ihn festhielt. Von dem sehr heißen Pumawandler, gab er innerlich zu. Der Duft von Zimt und Pinie überwältigte seine Sinne. Zu seinem Entsetzen beugte er sich vor und rieb seine Nase am Hals des Mannes, als hätte sein Körper einen eigenen Willen entwickelt.

Verdammt, er riecht gut!

Dann hörte er etwas, bei dem er die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht augenblicklich in seine Hose zu kommen. Schnurren. Das ergab überhaupt keinen Sinn. Er war ein Mauswandler. Wieso sollte Schnurren ihn antörnen?

Den alten Geschichten zufolge, die seine Mutter ihm erzählt hatte, gab es nichts Besseres als den Duft des vom Schicksal bestimmten Gefährten. Obwohl er nicht sicher war, wie sie das überhaupt wissen konnte, da ihr Ehemann nicht ihr Gefährte war, aber er nahm an, dass es einer der Gründe war, warum sie so unglücklich gewesen war.

Scheiße! Das ist mein Gefährte.

Nole blickte in tiefblaue Augen auf und schmiegte sich unwillkürlich noch mehr in die Arme des Katzenwandlers.

„Edrick, geht es dir gut?“

Die Stimme eines Mannes, der um das zerstörte Gebäude gelaufen kam, riss Nole aus seiner Trance. Erneut versuchte er, sich von dem Mann zu befreien, dessen Name offenbar Edrick war – und tat sein Bestes, die freudige Erregung zu unterdrücken, die ihn durchfuhr, als er den Namen im Kopf wiederholte. Der Pumawandler war jedoch zu stark, und Nole kam nicht frei.

„Lass mich los“, verlangte er noch einmal. Auf keinen Fall würde Nole sich ausgerechnet mit einem Katzenwandler verpaaren. Er war eine Maus. Mäuse und Katzen paarten sich nicht. Das war unmöglich.

Plötzlich stand Nole auf seinen Füßen, bevor er auch nur blinzeln konnte. Anstatt ihn jedoch loszulassen, stand Edrick nun neben ihm, einen Arm fest um Noles Taille geschlungen, als wäre es das Natürlichste auf der Welt.

Wie hatte Edrick das gemacht? Nicht nur, dass er es geschafft hatte, Nole am Weglaufen zu hindern, was der eigentlich vorgehabt hatte, sondern Nole fragte sich plötzlich, wie es wäre, für den Rest seines Lebens genau da zu bleiben, wo er jetzt war.

„Mir ist nichts passiert, Chadwick, aber ich bin nicht sicher, ob wir diese Gebäude überhaupt renovieren können. Sie scheinen viel heruntergekommener zu sein als das Wohnhaus.“ Sein Gefährte drückte Nole fester an sich, als der Mann namens Chadwick seinen Blick auf Nole richtete.

Waren alle Katzen so gutaussehend? Das kam ihm unfair vor. Nicht, dass Nole unattraktiv war, aber er wusste auch, dass er nicht annähernd so sexy war wie einer dieser Männer. Bei jeder Bewegung konnte man durch ihre Kleidung die gut ausgebildeten Muskeln sehen, wie sie sich anspannten und wieder lockerten. Die Sachen schienen beinahe an den Nähten zu platzen.

Die beiden hätten Zwillinge sein können, so ähnlich sahen sie sich. Haar wie Ebenholz, kräftige Kiefer, hohe Wangenknochen und volle Lippen, die jeden Mann dahinschmelzen lassen konnten, wenn sie sich zu einem Lächeln verzogen. Beide waren etwa eins neunzig groß und sahen aus, als gehörten sie auf das Cover eines Magazins.

Aber so ähnlich sie sich waren, Nole bemerkte auch Unterschiede. Die Augen seine Gefährten waren von einem hinreißenden, tiefen Blau – Nole hätte schwören können, dass sie direkt in seine Seele blickten – während Chadwicks grau waren. Chadwick wirkte auch ein wenig ungehobelt. Noles Gefährte jedoch hatte eine kultiviertere äußere Erscheinung und versprach raffinierte Dinge, die Nole wahrscheinlich dazu bringen würden, um mehr zu betteln, während der Mann ihn um den Verstand vögelte.

Als besagte blaue Augen ihn erneut anschauten, verwandelte Noles Hirn sich in Zuckerwatte. „Wie heißt du, Sexy?“

Noles Denkvermögen hatte ausgesetzt, und so antwortete er automatisch: „Nole Hayward.“ Eigentlich war es fast wie ein Zwang, seinem Gefährten alles zu sagen, was der wissen wollte.

Verärgert darüber, seinen Namen preisgegeben zu haben, ohne an die Konsequenzen zu denken, zwang Nole seinen Verstand, wieder online zu gehen, indem er seinen Blick von diesen blauen Augen losriss, die ihn vergessen ließen, dass sein Gefährte eine Katze war.

Als er erneut gegen ihn drückte, ließ Edrick ihn widerwillig los – wahrscheinlich, weil der Mann es inzwischen geschaffte hatte, seinen Geruch überall an Nole zu verteilen und ihn somit als den Seinen zu beanspruchen. Falls er glaubte, dass Nole damit einverstanden war, hatte er sich allerdings schwer getäuscht.

„Edrick“, rief der Mann, den Noles Gefährte Chadwick genannt hatte. „Was läuft hier?“

Sein Gefährte lächelte strahlend, während er Nole weiterhin in die Augen starrte, als könnte er seine geheimste Gedanken lesen. „Die sexy, kleine Maus hier ist mein Gefährte.“

Als Chadwick darauf nicht antwortete, riskierte Nole einen Blick zu ihm. Obwohl er sich ziemlich genau so fühlte, wie Chadwick dreinschaute, wurde er trotzdem wütend, als er den entsetzten Gesichtsausdruck des Mannes sah. Nole war es so leid, stets auf diese Weise abgetan zu werden. Ob Chadwick ein Problem damit hatte, dass Nole „nur“ ein Mauswandler war, oder ob es darum ging, dass Edricks Gefährte ein Mann war, spielte keine Rolle. Nole würde nie wieder jemandem erlauben, ihm das Gefühl zu geben, dass er gar nicht am Leben sein sollte.

Seine Hände ballten sich zu Fäusten, bevor er sie in die Hüften stemmte. „Gibt es irgendein Problem?“, fragte er Chadwick herausfordernd.

Die Augenbrauen des Mannes wanderten aufwärts. „Äh …“

Nole ließ ihn gar nicht weiter zu Wort kommen. „Ich werde mich nämlich nicht mit deiner engstirnigen Meinung abfinden.“ Er stapfte auf den viel größeren Mann zu, ohne auch nur darüber nachzudenken, dass der ihn so einfach zerquetschen könnte wie einen Käfer. Oder, na ja, eine Maus.

Wie um seine Gedankenlosigkeit noch mehr unter Beweis zu stellen, stieß er Chadwick seinen Finger in die Brust und funkelte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. „Ich habe die Nase voll. Man hat mich so oft bedroht, gejagt, geschlagen und auf mich geschossen, dass es für ein ganzes Leben reicht, und ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass irgendeine Katze“ – er spuckte das Wort verächtlich aus – „mich behandelt, als wäre ich nichts wert, nur wegen irgendwelcher Vorurteile.“

Noch einmal stieß er Chadwick seinen Finger in die Brust, um seiner Aussage den nötigen Nachdruck zu verleihen. „Kapiert?“

Die Verwirrung auf Chadwicks Gesicht war unbezahlbar. Aber Nole hatte kaum Zeit, sie überhaupt zu bemerken, da hörte er ein Grollen hinter sich, sexy wie die Sünde. Es war Edrick. Der bedrohliche Laut hätte Nole eigentlich panikartig die Flucht ergreifen lassen müssen, aber irgendwie törnte er ihn stattdessen an. Wie seltsam war das denn?

Im nächsten Moment fand er sich erneut in Edricks Armen wieder. Er hasste es, zugeben zu müssen, dass ihm das gefiel. „Wer ist hinter dir her, Kleiner?“, verlangte Edrick zu wissen.

Nole hob trotzig das Kinn und ignorierte die Frage. „Ich bin nicht klein.“ Er hasste es, als klein bezeichnet zu werden, besonders im Vergleich zu so abnorm großen Leuten wie Edrick und Chadwick. Neben diesen Riesen war eigentlich jeder klein.

Ein Muskel in Edricks Kiefer zuckte, und Nole verspürte den absurden Drang, daran zu lecken. Was zum Henker war nur mit ihm los? So etwas hatte er noch nie gefühlt. Falls diese Bedürfnisse, die sein Hirn übernahmen und ihn in einen sexhungrigen Irren verwandelten, die Folge des Paarungstriebs waren, dann wollte Nole nichts damit zu tun haben.

Das Leben hatte ihn gelehrt, dass die einzige Person, auf die er sich verlassen konnte, er selbst war. Sich mit Edrick einzulassen, würde lediglich dazu führen, dass man auf ihm herumtrampelte und ihn am Ende auf die Straße setzte, sobald Edrick klar wurde, was für eine Nervensäge Nole war. Zumindest hatte das jedes Mitglied seiner Familie von ihm behauptet, ganz zu schweigen von der Kolonie.

Offenbar war es etwas Schlechtes, wenn man seine Stimme erhob und für sich selbst einstand. Nole hatte keine Ahnung, warum, aber nach den letzten Schlägen, mit denen ihm die Schergen seines Alphas das eingebläut hatten, war er nur knapp entkommen, auf Händen und Knien, und mit mehr gebrochenen Knochen, als er zählen konnte.

„Beantworte die Frage“, forderte Edrick.

Da er dieses Mal nicht das herabsetzende Wort benutzt hatte, antwortete Nole ihm. Ausnahmsweise. Wenigstens redete er sich das ein. Über das, was seiner Befürchtung nach der eigentlich Grund war, wollte er gar nicht erst nachdenken – dass er den unwiderstehlichen Drang verspürte, dem dominanteren Gestaltwandler zu antworten. Denn Nole würde auf keinen Fall zulassen, das je wieder ein Alpha über ihn herrschte. Vorher würde er davonlaufen.

„Jeder, den du dir nur vorstellen kannst, war schon hinter mir her.“ Er hob seine Hand und streckte einen Finger nach dem anderen in die Höhe. „Der Alpha meiner früheren Kolonie, um mal irgendwo anzufangen. Er will mich tot sehen, also schickte er seine Schergen. Als die mich nicht erwischen konnten, schickte er Spurensucher. Da das auch nichts brachte, schickte er Auftragskiller los.“

Er hob den vierten Finger und fügte hinzu: „Oh, und dann wären da noch die Jäger, denen ich kürzlich über den Weg gelaufen bin. Das waren ein paar üble Hurensöhne, die schwerer abzuschütteln waren, als ich dachte.“

Ohne die schärferen Sinne von Gestaltwandlern waren die menschlichen Jäger meist keine große Herausforderung, wenn es darum ging, ihnen zu entkommen. Aber Nole musste zugeben, dass sie ihn beim letzten Mal fast erwischt hätten. Er führte es darauf zurück, dass er so erschöpft gewesen war, aber ganz sicher war er sich nicht.

„Jäger?“, fragte Chadwick. „Das ist das Letzte, was wir zu allem Überfluss jetzt brauchen.“

Das klang verdächtig. „Was soll das bedeuten?“, fragte Nole Edrick, obwohl es Chadwick gewesen war, der gesprochen hatte.

Sein Gefährte seufzte, als würde er das Gewicht der Welt auf seinen Schultern tragen. „Wir haben mein Rudel nicht unter den besten Bedingungen verlassen.“

Nun, das war recht vage. „Wenn du es mir nicht sagen willst, auch gut. Ich muss jetzt los. Zu einer Verabredung.“ Das war eine glatte Lüge, aber Nole wusste sich nicht anders zu helfen. Es schmerzte, dass Edrick ihm nichts anvertrauen wollte. Das hätte eigentlich keine Rolle spielen dürfen, da sie sich ja gerade erst begegnet waren, aber es tat halt weh. Diese verfluchte Gefährten-Sache machte ihn noch ganz verrückt.

Was er jetzt tun sollte, war, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Edrick zu bringen. Wut stieg in ihm auf. Wann würde er es je lernen? In seinem ganzen Leben hatte sich niemals jemand auch nur einen Deut um ihn geschert. Wieso sollte es selbst bei seinem verdammten Gefährten anders sein?

Er weigerte sich, einfach dazustehen und darauf zu warten, dass er wieder einmal wie der Müll von gestern weggeworfen wurde. Stattdessen riss er seinen Arm aus Edricks Griff und ging.

Seine animalische Seite flehte ihn an umzukehren, aber das würde Nole nicht tun, ganz gleich, wie sehr der Drang dazu ihn zum Stolpern brachte, um ihn davon abzuhalten, seinen Gefährten zu verlassen.

Nole würde sich nie wieder wie Dreck behandeln lassen. Schlimm genug, dass seine Familie und die Kolonie ihm das angetan hatten. Er glaubte nicht, es ertragen zu können, wenn sein verfluchter Gefährte das ebenfalls tat. Es war besser, einfach zu gehen.

Aber warum fühlte es sich an, als würde jemand ein Loch in seine Brust schneiden, als Edrick nichts tat, um ihn aufzuhalten?

Kapitel 4

Edrick blinzelte, als Nole davonstürmte. Einen Moment lang hatte er gedacht, Nole würde sich für die Idee erwärmen, sein Gefährte zu sein. Okay, erwärmen war vielleicht ein zu starkes Wort, aber zumindest hatte Nole aufgehört, sich gegen Edricks Umarmung zu wehren. Sein Gefährte war sogar näher gekommen, während er Edrick davon erzählt hatte, wie er sich vor seiner Kolonie verstecken musste.

Das Fehlen des schlanken Körpers seines Gefährten an seinem eigenen empfand Edrick sofort als schrecklichen Verlust. So sehr es ihm auch wehtat, Nole in diese verrückte Welt zu ziehen, wusste er doch in derselben Sekunde, als Nole den ersten Schritt weg von ihm machte, dass er ihn niemals aufgeben könnte. Jedenfalls nicht kampflos.

Ein Grollen löste sich aus seiner Brust, als Edrick seinem Gefährten folgte. Er packte Noles Oberarm, wirbelte seinen Gefährten herum und presste ihre Münder zusammen, ohne dem Mauswandler eine Chance zu lassen, sich zu wehren.

Zuerst zappelte Nole, aber Edrick weigerte sich, ihn loszulassen. Stattdessen knabberte und leckte er an den weichsten Lippen, die er je geküsst hatte. Noles Geschmack war wie Ambrosia, und Edrick konnte es nicht abwarten, in diesen Mund einzudringen und eine bessere Kostprobe zu bekommen.

Ein leises Stöhnen war zu hören, als Edricks hinreißender, kleiner Gefährte tiefer in seine Arme sank. Noles Lippen öffneten sich im selben Moment, als der Laut ertönte, und Edrick nutzte die Gelegenheit und schob seine Zunge hinein. Jetzt war es an ihm zu stöhnen.

Scheiße, der Mund seines Gefährten war so verflucht süß. Wenn Edrick für den Rest seines Lebens Nole küssen dürfte, würde er als glücklicher Mann sterben.

Edrick liebkoste Noles Zunge mit seiner und kam beinahe in seiner Hose, als sein Gefährte ebenso gut austeilte, wie er einsteckte. Die Lust erfüllte ihn so sehr, dass er nicht wusste, ob er sie kontrollieren konnte. Auch wenn sie im Freien waren und Chadwick ihnen zusah, schien sich keiner von ihnen beiden bremsen zu können.

Ein bedrohliches Knurren stieg in ihm auf, von ganz tief unten, bei dem Gedanken, dass Chadwick – oder irgendjemand sonst – seinen Gefährten nackt sah. Dass Chadwick gerade Zeuge der Ekstase auf Noles Gesicht wurde, war schon schlimm genug. Es war etwas, das ganz allein Edrick sehen durfte.

Er riss seine Lippen von Nole weg und knurrte Chadwick erneut an. Der hob beschwichtigend die Hände und sagte: „Du bist derjenige, der vor meinen Augen rummacht, obwohl wir eigentlich Wichtigeres zu tun haben. Ich verstehe, dass du auf diesen knackigen Arsch scharf bist, aber der Tag hat nicht unendlich viele Stunden, also –“ Chadwicks Ansprache endete mit einem quiekenden Laut, als sich Edricks Faust um seinen Hals schloss und den Rest seines Satzes abschnitt.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783752129632
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Januar)
Schlagworte
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Autor

  • Shea Balik (Autor:in)

Shea Balik hatte schon immer eine lebhafte Fantasie und Geschichten in ihrem Kopf. Oft entwickelt sie ihre Geschichten aus der Beobachtung von anderen Menschen und verleiht ihnen ihre eigene Note. Reisen ist einer ihrer bevorzugten Wege, ihrer Leidenschaft für das Leute-Beobachten zu frönen, und wer weiß, wer die zündende Idee für ihr nächstes Buch liefern wird.
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Titel: Schnurren mit seinem Gefährten